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Themenfeld 20 Konzeption und Einführung eines ......die Ausbilder, die die Ausbildungoperativ...

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Themenfeld 20 Konzeption und Einführung eines Auswahlverfahrens für Auszubildende Themenübersicht Seite n Einleitung 3 n Grundsatzentscheidungen im Rahmen der Auswahl von Auszubildenden 5 n Konzeption der Anforderungsprofile 10 Zur Ciritcal-Incident-Technik 10 Zum Wertschöpfungsansatz 11 n Konzeption der Auswahlinstrumente 12 Bewerbungsunterlagen 12 Eignungstests 13 Ablauf und Konzeption persönlicher Eindrucksgewinnung 14 n Pilotdurchführung des neuen Verfahrens 21 ... Der Autor: Stefan F. Dietl ist Leiter Ausbildung national/international bei der Festo Di- dactic GmbH Co. KG. Anschrift: Festo Didactic GmbH Co. KG , Abteilung DC-QV, Jakobstraße 33, 73734 Esslingen, Tel.: 07 11/3 47–29 40, E-Mail: [email protected] PersonalAusbilden 44. Erg.-Lfg. – Dezember 2008 Seite 1 Praxis-Know-how Einführung eines Auswahlverfahrens für Auszubildende 4 A/20
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Themenfeld 20Konzeption und Einführung einesAuswahlverfahrens für Auszubildende

ThemenübersichtSeite

n Einleitung 3

n Grundsatzentscheidungen im Rahmen der Auswahl vonAuszubildenden 5

n Konzeption der Anforderungsprofile 10– Zur Ciritcal-Incident-Technik 10– Zum Wertschöpfungsansatz 11

n Konzeption der Auswahlinstrumente 12– Bewerbungsunterlagen 12– Eignungstests 13– Ablauf und Konzeption persönlicher Eindrucksgewinnung 14

n Pilotdurchführung des neuen Verfahrens 21. . .

Der Autor:

Stefan F. Dietl ist Leiter Ausbildung national/international bei der Festo Di-dactic GmbH Co. KG.

Anschrift: Festo Didactic GmbH Co. KG , Abteilung DC-QV, Jakobstraße 33,73734 Esslingen, Tel.: 07 11/3 47–29 40, E-Mail: [email protected]

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Themenübersicht (Fortsetzung)

n Schulung der Beobachter 22

n Erste Reflexion des neuen Verfahrens 23

n Rechtliche Rahmenbedingungen 25

n Eingestellt – dann abgestellt? Abspringerquoten vermeiden 26

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Einleitung

Das Auswahlverfahren ist mit einer der Kernprozesse inder betrieblichen Bildung. Es bietet die große Chance – imUnterschied zu Schulen –, sich für die Menschen zu ent-scheiden, mit denen man einige Jahre verbringen möchte.Dieses Verfahren gilt es, stabil und systematisch zu konzi-pieren und einzuführen. Wie dies umgesetzt werden kann,ist der Inhalt dieses Artikels.

„Wir haben eine tolle Ausbildung und unsere Ausbilder ma-chen mit unseren Auszubildenden sehr viel. Aber irgendwiepassen die jungen Menschen nach der Ausbildung nicht sorichtig in unser Unternehmen oder tun sich enorm schwer.“Oder: „Unsere Ausbildung ist gut – aber als Führungskraftstelle ich doch lieber Leute von außen ein.“ Kennen Sie sol-che Aussagen von Führungskräften? Sicherlich – von an-deren Unternehmen.

Häufen sich Aussagen dieser Art, stellt sich die Frage, ob dieFührungskräfte im falschen Unternehmen sind oder ob ebendie Ausbildung ein enormes Engagement zeigt, aber dochletztlich die falschen Auszubildenden eingestellt wurden. Auswelchem Grund sind Führungskräfte im Fokus, wenn es umAuszubildende geht? Weil durch sie deutlich wird, welcheAnforderungen durch die betriebliche Ausbildung im eigenenUnternehmen zu erfüllen sind. Sie sind es, die die Maßstäbefestlegen; sie sind es, die am besten wissen, welche Eigen-schaften und Qualifikationen in den jeweiligen Funktionenbenötigt werden.

Einstellungder „richtigen“Aus-zubildenden

Da gerade das Auswahlverfahren eines der Kernprozesse imUnternehmen darstellt, muss die strategische Ausrichtungder Ausbildung reflektiert werden. Es ist bekannt, dass einfauler Apfel in einer Kiste von Äpfeln reicht, um früher oderspäter dafür zu sorgen, dass auch die anderen faulig werden.Wie wird nun sichergestellt, dass dies nicht geschieht? Oder– positiv formuliert – wie wird sichergestellt, dass der richtigeAuszubildende eingestellt wird?

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In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie sichergestellt werdenkann, dass die „richtigen“ Auszubildenden eingestellt werdenund was bei der Einführung eines neuen oder beim Veränderneines bestehenden Auswahlverfahrens beachtet werdensollte.

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Grundsatzentscheidungen im Rahmen derAuswahl von Auszubildenden

Bevor ein Auswahlverfahren modifiziert oder neu einge-führt wird, sind einige grundsätzliche Fragen zu dis-kutieren. Um das für das Unternehmen richtige Auswahl-verfahren zu finden, sind der Ablauf, die Struktur undletztlich die Möglichkeit, Ressourcen dafür einzusetzenoder eben mit weniger Ressourcen eine ähnliche Wirkungzu erzielen, zu bedenken.

Der beste Bewerber – das kann definiert werden. Ob kog-nitive Intelligenz, ob psychomotorische Fähigkeiten oderMerkfähigkeit – einmal festgelegt, kann durch eine ent-sprechende Testbatterie ein fundiertes und systematischeruiertes Ergebnis erhalten werden. Dies ist aber damit ver-gleichbar, dass eine junge Violinistin sehr schnell spielenkann, flinke Finger hat und die Töne auf der Violine saubergreift. Aber möglicherweise sind in diesem Orchester ebennicht Schnelligkeit, sondern Empathie, Integrationsfähigkeito. Ä. relevant. Sie muss sich in das Orchester integrierenkönnen, muss ein Teil davon werden. Und das ist vermutlichnicht objektiv messbar – zumindest nicht ohne das gesamteOrchester zu berücksichtigen. Ein Dirigent wird auch seineMusiker vorher hören, um dann zu entscheiden, ob und wo erdiesen Musiker sieht und platziert. Insofern stellt sich dieFrage, wie zielführend es ist, wenn jemand außerhalb der ei-genen Unternehmenskultur so wichtige Entscheidungen trifftoder vorbereitet.

Unterneh-mensinterneAuswahltreffen

Die Ausbilder sind es, die im Unternehmen die Führungs-kräfte kennen. Sie haben Kontakte in das Unternehmen hin-ein. Sie kennen die Kultur des Unternehmens. Ihnen sind diegeplanten Entwicklungen des Unternehmens bekannt. Oderist Ihr Unternehmen derart transparent, dass dieses Wissenauch externe Anbieter nutzen? Insofern hier das Plädoyer, dieAuswahl der Auszubildenden entsprechend systematischablaufen zu lassen – und selbst die Auswahl zu treffen.

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Berück-sichtigung derOrganisa-tionsstruktur

Bei der Gestaltung des Auswahlverfahrens muss die eigeneOrganisationsstruktur berücksichtigt werden. In einem Un-ternehmen, das zentral ausbildet oder in dem der Aus-bildungsleiter selbst die Auswahlgespräche führt, ist einezentrale Entscheidungsfindung durch die Ausbildungsleitungdenkbar. Ansonsten ist es durchaus empfehlenswert, dassdie Ausbilder, die die Ausbildung operativ durchführen, selbstdie Entscheidung treffen. Dies ist der fundiertere Weg, da dieAusbilder sicherlich wissen möchten, wer im kommendenAusbildungsjahr zu erwarten ist, welche Aufgaben von denjeweiligen Auszubildenden zu erledigen und welche Eigen-schaften letztlich dafür hilfreich sind. Zudem hat es den An-schein, dass das Mitwirken im Auswahlverfahren ein Privilegdarstellt und Ausbilder so Verantwortung übernehmen müs-sen und dieser dann auch gerecht werden. Zu beachten istdabei allerdings, dass sie für diese Aufgabe auch qualifiziertwerden müssen. In der Industrie beispielsweise haben Aus-bilder meist keine pädagogische oder psychologische Aus-bildung (zum Aspekt der Beobachterschulung später mehr).

Einbettungdes Auswahl-verfahrens indas Unter-nehmen

Wichtig ist auch die systemische Betrachtung. Darunter wirddie Einbettung des Auswahlverfahrens in das gesamte Un-ternehmen – inklusive sämtlicher Akteure etc. – verstanden.Ein wissenschaftlich fundiertes, theoretisch hochvalidesAuswahlverfahren wird nicht erfolgreich sein, wenn es vonden beteiligten Personen keine Akzeptanz erfährt. Insoferngilt der Grundsatz: Lieber die theoretisch zweitbeste Variantemit Unterstützung als die theoretisch beste Variante ohneUnterstützung.

Ein im Vorfeld zu entscheidender Punkt ist auch die Frage,welche Unterlagen von den Bewerbern erwartet werden.

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Lust auf einen kleinen Test?

Schreiben Sie einmal auf, was aus Ihrer Sicht zu einer„vollständigen Bewerbungsunterlage“ gehört. Und lassenSie ruhig auch Ihre Kollegen aufschreiben, was diesedarunter verstehen.Was werden Sie wohl festgestellt haben oder feststellen?Dass jeder unterschiedliche Wünsche hinsichtlich derBewerbungsunterlagen hat.

ErwünschteBewerbungs-unterlagen

Insofern muss geklärt werden, welche Unterlagen von IhremUnternehmen erwartet werden. Und dies muss kommuniziertwerden, sonst kann es den Bewerbern nicht negativ aus-gelegt werden, sollte eine Unterlage fehlen. Insbesondere beiZeugnissen stellt sich die Frage, ob ein Schulzeugnis aus-reicht (z. B. das Abschlusszeugnis der neunten Klasse bei ei-nem Realschüler) oder ob mehrere Zeugnisse hinzugezogenwerden. So haben „die letzten vier Zeugnisse“ beispielsweiseden Vorteil, dass über einen Zeitraum von mindestens zweiJahren ein schulisches Leistungsbild herangezogen werdenkann. Diese Zeitpunktbetrachtung (bei einem Zeugnis) versusder Zeitraumbetrachtung (bei mehreren Zeugnissen) istdurchaus relevant, wenn es um die Einführung eines Aus-wahlverfahrens geht.

Zeitpunkt derAuswahl

Neben den erwünschten Unterlagen und der organisatori-schen Form eines Auswahlverfahrens ist auch immer wiederder Zeitpunkt der Auswahl interessant. In einigen Regionen,in denen es weitaus weniger Ausbildungsplätze als Bewerbergibt, reicht es möglicherweise, die Auswahlentscheidung ei-nige Monate vor Ausbildungsbeginn zu treffen. In Regionen,in denen es einen harten Wettbewerb um die zukünftigenAuszubildenden gibt, ist es durchaus ratsam, ein Jahr odersogar 14 Monate vor Ausbildungsbeginn mit der Auswahl zustarten. Hier lohnt es sich, sich die „härtesten Konkurrenten“anzusehen – wählen diese die neuen Auszubildenden schonvor den Sommerferien im Jahr vor Ausbildungsbeginn aus,sollte die eigene Auswahl nicht viel später erfolgen, wenn„gute und passende“ Bewerber gefunden und gewonnenwerden sollen.

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Anforderungs-profil

Wie wird nun konkret sichergestellt, dass die „richtigen“Auszubildenden ausgewählt werden? Wie wird sichergestellt,dass die Auszubildenden von heute – die Mitarbeiter vonmorgen – in das Unternehmen passen, „cultural fitness“ be-sitzen? Dies muss ein fundiertes Anforderungsprofil leisten.Gemeint sind die Anforderungskriterien, die gewissermaßendie Zielscheibe des gesamten Verfahrens darstellen. Dieseszu kreierende Anforderungsprofil ist auch Grundlage dafür,den „richtigen“ Mitarbeiter für das eigene Unternehmenüberhaupt finden zu können.

Um genau dies zu erreichen, ist es wichtig, möglichst vielePerspektiven und Ansichten darin einfließen zu lassen. Eingroßer Fehler, der so vermieden werden kann, ist, dass dieMitarbeiter der Ausbildung für sich den Anspruch erheben, zuwissen, wer im Unternehmen benötigt wird. Doch wer solltedies besser wissen, als die Führungskräfte und weitere Per-sonengruppen, die unmittelbar oder mittelbar „Abnehmer“der ausgebildeten und qualifizierten Nachwuchskräfte sind?

Abb. 1: Multiperspektivische Anforderungsanalyse

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Zusammen-setzung desGremiums

Wer kommt hierfür in Frage? Zum einen die Führungskräfte,die so gut wie kein anderer wissen, welche Qualifikationenund Kompetenzen an den jeweiligen Arbeitsplätzen vor Ortbenötigt werden. Darüber hinaus können ehemalige Aus-zubildende, das heißt Auszubildende die vor ein, zwei oderdrei Jahren ihre Ausbildung erfolgreich beendet haben und ineiner entsprechenden Funktion übernommen wurden, in die-sen Prozess integriert werden. Vielleicht besteht ja auch dieMöglichkeit, einen Vertreter der Geschäftsführung oder ausdem Topmanagement zu diesem Prozess hinzuzuziehen. Vonihm sind wichtige Impulse hinsichtlich der zukünftigen Un-ternehmensstrategie zu erwarten, die dann wiederum ein-fließen in das zu kreierende Anforderungsprofil. Möglicher-weise kann auch ein Vertreter der Personalabteilung und desBetriebsrats hinzugezogen werden.

Dieses Gremium kann gemeinsam ein multiperspektivischesAnforderungsprofil konzipieren und wird sich, weil es ent-sprechend eingebunden wurde, stärker mit dem Profil wieauch mit den auszuwählenden jungen Menschen identifizie-ren.

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Konzeption der Anforderungsprofile

Zur Konzeption dieser Anforderungsprofile haben sichzwei Ansätze bewährt. Zum einen ist dies der Ansatz derCitical-Incident-Technik (CIT). Zum anderen ist dies derWertschöpfungsansatz.

Zur Ciritcal-Incident-Technik

Im Rahmen dieser Vorgehensweise wird analysiert, was dieerfolgskritischen bzw. erfolgsrelevanten Situationen von Mit-arbeitern sind. Daraus werden dann Eigenschaften und An-forderungen abgeleitet.

Beispiel:Verkäufer

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Nehmen wir an, wir sindin einem Unternehmen, das sehr beratungsintensive Pro-dukte im Direktvertrieb an den Endkunden verkauft. Hierbeistellt sich dann die Frage, was diesen Verkäufer erfolgreichmacht. Möglicherweise steht er vor der Herausforderung,komplexe Produkte erklären zu müssen. Oder er muss sich indie Situation seines Kunden hineinversetzen können, um diepersonenspezifischen Bedürfnisse des Kunden in Erfahrungzu bringen und entsprechend agieren zu können. Des Weite-ren macht einen Verkäufer sicherlich die Überzeugung er-folgreich, dass der Kunde derjenige ist, der ihm seine Da-seinsberechtigung verleiht und letztlich auch sein Gehalt be-zahlt. Ergänzt werden kann dies durch eine entsprechendetechnische Kompetenz, aber auch durch eine betriebswirt-schaftliche Kompetenz. Diese Aufzählung ist sicherlich nichtabschließend.

Sammlung er-folgskritischerEigenschaften

Möglicherweise kommt jetzt der Einwand, dass doch nichtvorhergesehen werden kann, auf welche Stelle die Aus-zuwählenden und zukünftigen Auszubildenden übernommenwerden können. Stimmt. Der Einwand ist berechtigt. Wenn esjedoch gelingt, dass diese Sichtweise nicht nur aus Sicht desVertriebs, sondern auch aus Sicht des Personalwesens, ausSicht des Finanzbereichs, aus Sicht des Einkaufs, aus Sichtder Fertigung, aus Sicht des Marketings etc. durchgeführtund entsprechend ergänzt wird, kommt sicherlich eine um-

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fangreiche Sammlung von erfolgskritischen Eigenschaftenzustande. Werden diese Eigenschaften dann strukturiert,lassen sich möglicherweise einige der Situationen zusam-menfassen.

Beschränkungauf fünf biszehn Eigen-schaften

Nachdem nun diese erfolgskritischen Eigenschaften ge-sammelt und geclustert wurden, gilt es daraus Eigenschaftenabzuleiten, durch die die erfolgskritischen Situationen vor-aussichtlich erfolgreich gemeistert werden können. Dabei istdarauf zu achten, dass zwischen fünf bis maximal zehn Ei-genschaften letztlich die Quintessenz darstellen, denn mehrEigenschaften sind in einem zu praktizierenden Auswahl-verfahren kaum diagnostizierbar.

Zum Wertschöpfungsansatz

Wert-schöpfungbesteht imLernen undBestehender Prüfung

Bei diesem Ansatz stellt sich die Frage, welcher wert-schöpfende Beitrag vom einzustellenden Mitarbeiter er-bracht werden soll. Was aber ist der wertschöpfende Beitrageines Auszubildenden? Was ist der klassische Mehrwert, dervon ihm erzeugt wird? Möglicherweise ist es seine Arbeits-kraft. Unter genauerer Betrachtung wird deutlich, dass seineWertschöpfung im Lernen und Bestehen der Prüfung zu fin-den ist. Vor diesem Hintergrund muss also gefragt werden,was einen guten Lernenden ausmacht. Hierzu gehört sicher-lich eine gewisse Neugierde, Offenheit für Neues, eine ge-wisse Belastbarkeit, aber auch das Annehmen von Tipps undTricks sowie der Fähigkeit, Lernstoff gemeinsam mit anderenzu erarbeiten, zu reflektieren und zu verinnerlichen.

Diese Eigenschaften gilt es bei diesem Ansatz zu kon-kretisieren und dann ebenfalls zu definieren und beobachtbarzu beschreiben.

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Konzeption der Auswahlinstrumente

Ist das Anforderungsprofil systematisch erhoben worden,dann können die nachfolgenden Auswahlinstrumenteentwickelt werden, durch die letztlich zu den erwünschtenAuswahlkriterien Aussagen und somit eine Entscheidungmöglich werden.

Bewerbungsunterlagen

Bewerbungs-unterlagen

Wichtiges Auswahlinstrument sind zum einen die Bewer-bungsunterlagen. Nicht erst seit dem Allgemeinem Gleich-behandlungsgesetz (AGG, s. u.) ist es ratsam, anhand einerstandardisierten Bewertung Bewerbungen zu reflektieren(s. hierzu auch Beitrag 5.2.3.1 „Gezielte Bewerberauswahl –So finden Sie den richtigen Auszubildenden“ in diesemHandbuch und Beitrag 11.3.2.6 „e-Recruiting in der Berufs-ausbildung der Festo AG Co“ auf der Ausbilder-Service-CD).

Zeitpunkt-versus Zeit-raumbetrach-tung

Kurz noch einmal zur Frage Zeitpunkt- versus Zeitraum-betrachtung bei Zeugnissen. Es können insgesamt vier Si-tuationen eintreten.

AktuellesZeugnis

Durch-schnitt derletztenZeugnisse

Bewertung/Interpretation

Gut Gut Der Bewerber hat über einen längerenZeitraum gute Leistungen erbracht.Fazit: positiv.

Gut Suboptimal Der Bewerber hat wohl spät bemerkt,dass es auf die schulischen Leistun-gen ankommt bzw. „er kann, wenn erwill“.Fazit: fast positiv.

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AktuellesZeugnis

Durch-schnitt derletztenZeugnisse

Bewertung/Interpretation

Suboptimal Gut Der Bewerber hat gezeigt, dass erüber mind. 1,5 Jahre (bei insgesamtvier Zeugnissen) eine gute Leistungbringen kann. Irgendetwas scheint ihnjust beim aktuellen Zeugnis abgelenktzu haben. Jugendliche können durchUmzug, Scheidung der Eltern, Verlusteines Freundes etc. durchaus zu Leis-tungseinbrüchen kommen – und diesist nicht unbedingt auf „schlecht aus-geprägte Eigenschaften“ beim Bewer-ber zurückzuführen.Fazit: positiv.

Suboptimal Suboptimal Der Bewerber hat gezeigt, dass erüber einen längeren Zeitraum keineoptimalen Leistungen erbracht hatoder erbringen wollte.Fazit: weniger positiv.

Tab. 1: Zeitraumbetrachtung bei Schulzeugnissen

Eignungstests

EignungstestsDie nächste Stufe in einem Auswahlverfahren könnte dannein schriftlicher Eignungstest sein. Testverfahren haben denVorteil, dass eine gewisse Subjektivität von schulischenLeistungen objektiviert werden kann – und dies im Hinblickauf die unternehmensspezifischen Anforderungen.

!Es gibt eine Vielzahl von Testverfahren. Auf www.testzentrale.de sind einige sehr fundierte Tests dargestellt.Bei der Entscheidung für ein Testverfahren sollte die vor-herige Validierung oder Normierung beachtet werden. Nurdann ist sichergestellt, dass das Testergebnis auch ent-sprechend eine fundierte Aussage liefert.

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Bei der Entscheidung bezüglich des Testverfahrens solltenauch die eruierten Anforderungen aus dem Anforderungs-profil herangezogen werden. Wurde darin beispielsweise„Handwerkliches Geschick“ definiert und operationalisiert,sollte dies auch Gegenstand im Testverfahren sein.

! Ein Testverfahren lohnt sich dann, wenn mehrere Be-werbungen eingehen, wenn somit nicht all zu lange ge-wartet werden muss, bis sich das Durchführen eines Testslohnt, denn sonst springen gute Bewerber möglicher-weise ab, weil sie zu lange warten mussten.

Mit-arbeiterkinder

Ein Testverfahren bietet die Chance, schulische Leistungenzu objektivieren – dies kann insbesondere bei der Frage, wieMitarbeiterkinder „behandelt“ werden sollen, hilfreich sein.

Zudem sollte das Testverfahren Bezug zum Anforderungs-profil haben.

Nach dem Testverfahren werden meistens Gespräche durch-geführt.

Ablauf und Konzeption persönlicher Eindrucks-gewinnung

Einzel-interview

Das sicherlich am häufigsten eingesetzte Gespräch ist dasEinzelinterview. Es ist zeitlich flexibel, kann inhaltlich leichtgestaltet werden. Doch so einfach es auch zu sein scheint,genau so viele Tücken verbergen sich dahinter.

Standardi-siertesInterview

Um den Ablauf zu konkretisieren, stellt sich die Frage, wievergleichbar die Gespräche sein sollen. Soll jedes Gesprächmit dem anderen verglichen werden können, empfiehlt essich, ein standardisiertes Interview zu führen. Hierzu sind„die“ Kernfragen herauszufinden, die dann allen Bewerberngestellt werden. Die Antworten werden notiert und letztlichmiteinander verglichen; dann wird eine Entscheidung ge-troffen.

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Nachteile desstandardi-sierten Ge-sprächs

Wer allerdings schon einmal ein standardisiertes Gesprächerlebt hat, wird festgestellt haben, dass es sehr „steril“ und„unrund“ wirkt. Unabhängig von der Antwort des Bewerbersist die nächste Frage festgelegt, baut meist gar nicht auf derAussage des Bewerbers auf und wirkt daher auch bei Be-werbern eher etwa distanzierend.

Vorteile desfreien Inter-views

Die andere Form bringt hier klare Vorteile: Das freie Interviewverläuft komplett anders: Kein Gespräch gleicht dem an-deren, jedes orientiert sich gänzlich am Bewerber und demInterviewer. Die Gespräche sind allerdings nicht vergleichbar.

Halbstan-dardisiertesInterview alsLösung

Insofern ist es durchaus ratsam, ein halbstandardisiertes In-terview zu führen. Es gilt dabei herauszufinden, welche Fra-gen es sind, die am schnellsten, sichersten und genauestenAntworten ermöglichen, die dann eine Aussage hinsichtlichder erwünschten Eigenschaften aus dem Anforderungsprofilermöglichen.

Fünf bis maximal zehn Fragen sollten dies sein – die restli-chen Fragen ergeben sich dann aus dem Gesprächsablauf.Der Interviewer muss dabei darauf achten, dass er die Fragenso stellt, dass das Gespräch „rund“ wirkt und dass dabei die„Kernfragen“ jeweils zeitlich und inhaltlich passend gestelltwerden können.

(Weitere Hinweise zur Gesprächsführung, Interviewfragenetc. finden Sie im Beitrag 5A/1 „Gezielte Bewerberauswahl –So finden Sie den richtigen Auszubildenden“, in diesemHandbuch).

Gestaltungdes Inter-viewbogens

Wie kann nun ein Interviewbogen möglicherweise aussehen?Generell sollte er inhaltlich ebenfalls einen Bezug zum An-forderungsprofil haben. Dies bedeutet, dass Fragen ent-halten sind, deren Antworten eine Einschätzung der er-wünschten Eigenschaften ermöglicht.

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Frage Antwort Wahrnehmung

Hier notieren SieIhre Frage in Stich-worten!

Hier wird die Ant-wort des Bewerbersin Stichwortennotiert!

Hier werden Wahr-nehmungen, dienicht unbedingtinhaltlichen Bezughaben, notiert.

Z. B.„Bewerber wirkt gutinformiert.“„Bewerber wirktnervös.“„Bewerber wider-spricht sich.“

Abb. 2: Möglicher Aufbau eines Interviewleitfadens

Oder Sie entwickeln einen Fragebogen, auf dem jeweilsmehrere Fragen zu einer im Anforderungsprofil definiertenEigenschaft stehen – die „Sortierung“ bezieht sich also aufdie Eigenschaften.

Selbstständigkeit

Fragen Antworten

Wie wird in Ihrer Clique festge-legt, welches Programm amWochenende geplant wird?Welchen Beitrag leisten Siedabei?Wie stellen Sie sicher, dass Sieauch ohne die UnterstützungIhrer Eltern zu einem Ausbil-dungsplatz kommen?

Abb. 3: Möglicher Aufbau eines Interviewbogens nach Ei-genschaften sortiert

Oder Sie gestalten einen Interviewbogen, der sich nach derPhase des Interviews richtet. Angenommen Sie unterteilendas Interview in die Phase „Warming up“, „Fragen zur Per-son“, „Fragen zur Berufsmotivation“, „Fragen zur Sozialisa-tion“, „Ausstieg“, dann können Sie zu jeder Phase ent-

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sprechende Fragen kreieren und dann die Antworten ent-sprechend notieren.

!Unabhängig von der Gestaltung des Interviewbogenslohnt sich eine gewisse Dokumentation und ist unbedingtempfehlenswert. Denn allein drei bis vier ausführliche In-terviews an einem Tag sorgen dafür, dass Aussagen nichtmehr eindeutig einem Bewerber zugeordnet werden kön-nen. Und ein Bewerber darf den Anspruch haben, dassseine Aussagen auch seiner Person zugeordnet werden.

Gruppenaus-wahlverfahren

Eine weitere Möglichkeit, einen persönlichen Eindruck zugewinnen, sind Gruppenübungen. Dabei können vier bissechs Bewerber eingeladen werden, die dann gemeinsameine Übung durchführen. Der Vorteil besteht zum einen darin,dass über bestimmte Eigenschaften wie Teamfähigkeit garnicht mehr geredet werden muss, sondern sie schlichtwegbeobachtet werden können. Zum anderen ist die Gruppen-auswahl zeitökonomisch durchaus interessant. Zwar er-fordert diese Art der Auswahl, dass idealtypisch drei oder vierPersonen als Beobachter fungieren – aber durch die höhereZahl an beobachteten Bewerbern reduziert sich der zeitlicheAnteil pro Bewerber enorm.

Ein Beispiel:

AnzahlBewerber

AnzahlBeobachter

Dauer desVerfahrens

InvestierteAusbilder-stunden

Zeit proBewerber

1 2 1 Stunde 2 Stunden 2 Stunden

6 3 2 Stunden 6 Stunden 1 Stunde

Tab. 2: Zeitliche Vorteile von Gruppenübungen

Die Konstruktion der Übungen hängt dabei wiederum vomAnforderungsprofil ab. Daraus ist abzuleiten, ob der diag-nostische Schwerpunkt beispielsweise auf kommunikativeFähigkeiten gesetzt wird oder ob Konfliktverhalten, Kreativi-tät, Problemlösung etc. diagnostiziert werden soll.

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In jedem Fall müssen die Übungen erreichen, dass in kurzerZeit starke Identifikation und Betroffenheit erzielt wird.

Rollenspiele Werden beispielsweise Rollenspiele eingesetzt, kann zwarschauspielerisches Verhalten, aber nur bedingt das Erkennenvon Schlüsselqualifikationen im Vordergrund stehen.

Konflikt-übungen

Bei Konfliktübungen muss die „Polarisierung“ der Bewerberin kurzer Zeit erzielt werden. Je länger der eigentliche Konfliktauf sich warten lässt – je länger sich die Bewerber kennenund zusammenfinden –, desto geringer ist nachher auch dasKonfliktverhalten ausgeprägt. Die Übung muss so konzipiertwerden, dass auch polarisierendes Denken und Fühlenmöglich ist. Kaum denkbar, dass bei der Frage „Führerscheinerst ab 24 Jahre“ bei der Zielgruppe der Auszubildenden –die selbst auf den Führerschein „brennen“ – eine polarisie-rende Diskussion oder gar ein kleiner Konflikt aufkommt.

Teamübungen Bei Teamübungen geht es eher darum, zusammen zu einemZiel zu kommen – es steht also weniger der „Konkur-renzgedanke“ im Vordergrund, sondern eher der gemein-same Weg. Die klassische Turmbauübung ist eine Übungdieser Art. Sie kann durchaus auch entsprechend modifiziertwerden und ist damit variabel einsetzbar.

Individual-übungen

Individualübungen – beispielsweise Präsentationsübungen –zeigen dagegen das Verhalten von Bewerbern, wenn sie aufsich alleine gestellt sind.

Bei der Zusammensetzung von Übungen ist darauf zu ach-ten, dass jede Übung auch ihren eigenen Charakter hat. Nurdadurch bekommen die Bewerber die Chance, ihr Verhaltenunter jeweils unterschiedlichen Situationen zu zeigen. DreiKonfliktübungen direkt hintereinander bringen zwar den Vor-teil, dass „Verhaltensveränderung“ diagnostiziert werdenkann, aber kaum Aussagen zu anderen Eigenschaften odergar zu Individualeigenschaften.

Einsatz vonBeobach-tungsbögen

Auch für die Gruppenübungen ist es ratsam, entsprechendeBeobachtungsbögen einzusetzen. Dabei finden sich dann diebeobachtbaren Beschreibungen der einzelnen Anforde-

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rungskriterien wieder. Dies kann entweder in einer Positiv-/Negativ-Gegenüberstellung geschehen – hierbei wird die Ei-genschaft einmal positiv und negativ beschrieben (z. B.Kommunikationsfähigkeit: Bewerber redet deutlich in kurzenSätzen versus Bewerber nuschelt, verschachtelt Sätze).Oder es wird das Anforderungskriterium nur positiv beob-achtbar beschrieben und dann durch ein entsprechendesZeichen bewertet.

NegativeOperationalisierung

Eigenschaft PositiveOperationalisierung

0 Nuschelt0 Verschachtelt Sätze0 Unterbricht andere

Kommunikations-fähigkeit

Redet deutlich 0Redet in kurzen Sätzen 0Lässt andere ausreden 0

Abb. 4: Positiv-/Negativ-Gegenüberstellung

Kommunikationsfähigkeit 0 redet deutlich

0 redet in kurzen Sätzen

0 lässt andere ausreden

Teamfähigkeit 0 integriert andere

0 . . .

Abb. 5: Positivformulierung mit Bewertung durch Zeichen

Konzeptionder Beobach-tungsbögen

Bei der Konzeption der Beobachtungsbögen zeigt es sich,wie fundiert bei der Konzeption des Anforderungsprofils vor-gegangen wurde. Kann hier auf einen sauberen Fundus anOperationalisierungen zurückgegriffen werden, sind meistauch die Beobachtungsbögen schnell entworfen. Wichtig istdabei auch die Differenzierung zwischen den einzelnen Ei-genschaften. Unsaubere Trennungen schaffen Interdepen-denzen zwischen einzelnen Eigenschaften und sorgen dannfür ein Ineinanderfließen und führen somit zu einer intrans-parenten Bewertung der einzelnen Eigenschaften.

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Praxis-Know-howEinführung eines Auswahlverfahrens für Auszubildende 4 A/20

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! Fazit: Die Konzeption der Übungen und die Beobach-tungsbögen sind das Herzstück bei Gruppenauswahl-verfahren. Sie kosten zwar einiges an Vorbereitung, sindaber hinsichtlich des Handlings und der Reduzierungklassischer Beobachtungsfehler – insbesondere wennmehrere Beobachter involviert sind – sehr vorteilhaft.

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Pilotdurchführung des neuen Verfahrens

Generell ist es ratsam, ein Auswahlverfahren einmal zutesten, bevor es realen Bewerbern zugemutet wird. Hier-für kommen vor allem die eigenen Auszubildenden inFrage, denn die Auszubildenden kennen das Verfahrenvon „damals“ und können es mit dem avisierten verglei-chen und wertvoll reflektieren. Zudem darf ein neuesAuswahlverfahren in keinem Falle an „richtigen“ Bewer-bern getestet werden.

Einsatz vonAus-zubildendenim Pre-Test

Die eigenen Auszubildenden kennen die Situation des Be-werbers, waren sie selbst doch noch vor Wochen oder Mo-naten in dieser Situation. Und sie haben meist Erfahrung, weilsie sich sicherlich auch bei anderen Unternehmen beworbenhaben. Daher sind Auszubildende prädestiniert für einen Pre-Test. Außer der Rolle der „Bewerber“ können Auszubildendeauch die Rolle der Beobachter übernehmen, denn der Um-gang mit den Beobachtungs- und Interviewbögen ist nicht andie Funktion eines Ausbilders gebunden. Erfahrungen zeigendurchaus das konstruktiv-kritische Verhalten der Azubis. Da-mit sind sie auch ein wichtiger Ideenlieferant für das Aus-wahlverfahren und auch im Hinblick auf die Konzeption dereingesetzten Formulare.

Als wichtig hat sich erwiesen, dass den Auszubildenden ab-solute Vertraulichkeit zugesagt wird und dass die „damals“getroffene Einstellentscheidung in keinem Falle revidiert oderin Frage gestellt wird. Nur wenn sie angstfrei in den Pre-Testeines Auswahlverfahrens gehen, werden sie sich gewinn-bringend einsetzen.

!Die Beobachter sollten bei der Durchführung Freude undNeugierde empfinden. Je mehr Freude empfunden wird,desto besser funktioniert das Gehirn, desto umfassendererfolgt die Wahrnehmung – und damit erfolgt auch einebessere ganzheitliche Einschätzung eines Bewerbers.

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Schulung der Beobachter

Damit sich Ausbilder in ihrer Entscheidungsfindung sicherfühlen, ist es mehr als ratsam, sie auf die Rolle als Beob-achter vorzubereiten. Sollten weitere Personen als Beob-achter fungieren – beispielsweise der Betriebsrat, andereAuszubildende – dann sollten auch sie verpflichtend andieser Schulung teilnehmen. Es macht keinen Sinn, nureinen Teil der Beobachter zu schulen und andere Dauer-beobachter dabei außen vor zu lassen. Anders dagegen,wenn ein Betriebsratsmitglied einmalig mit dabei seinmöchte, um einen eigenen Eindruck vom Verfahren ansich zu bekommen.

Inhalte derSchulung

Inhalte der Schulung sind beispielsweise die „klassischenWahrnehmungs- und Beobachtungsfehler“ wie der Halo-Ef-fekt, das Ähnlichkeitsphänomen, der Andorra-Effekt etc.Diese sollten ausführlich besprochen werden. Darauf auf-bauend kann gemeinsam mit den Teilnehmern der Schulungüberlegt werden, wie diese Fehler zu vermeiden sind. Dieskann z. B. durch Selfassessment, durch das Einsetzen neuer/frischer Beobachtungsbögen für jede Übung erreicht werden.

Zudem können in einer Schulung die Wahrnehmung und Fra-gearten trainiert werden. Aber auch Fragetechniken wie auchGesprächstechniken können entwickelt und geübt werden.

Die Praxis zeigt, dass Ausbilder meistens ins kalte Wassergehen (müssen) und dann eine fundierte Auswahlent-scheidung treffen sollen. Wird bedacht, wie lange überlegtwird, ob ein Farbkopierer o. Ä. angeschafft werden soll, undwird dem gegenübergestellt, wie viel Zeit und Geld man indie Entscheidungsfindung eines neuen Auszubildenden in-vestiert, dann wird die Diskrepanz deutlich. Für eine sehrüberschaubare Investition von 2.000 Euro für einen Druckeroder Kopierer wird oftmals mehr gedanklicher Aufwand be-trieben als für die Entscheidungsfindung eines neuen Aus-zubildenden – und hierbei wird über 30.000 Euro und mehrentschieden.

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Nicht zuletzt fühlen sich die Ausbilder einfach sicherer, wennsie auf diese wichtige Aufgabe entsprechend vorbereitetwerden.

Erste Reflexion des neuen Verfahrens

Wie kann nun in Erfahrung gebracht werden, ob ein Aus-wahlverfahren erfolgreich ist oder nicht? Ziel ist es, Krite-rien zu identifizieren, anhand derer deutlich wird, dass undwie erfolgreich das neue Auswahlverfahren im eigenenUnternehmen ist. Letztlich gilt es sicherzustellen und zuzeigen, dass im Unternehmen – speziell in der Ausbildung– die Kompetenz „sitzt“, durch die eine fundierte Auswahl-und damit Investitionsentscheidung getroffen wird.

Verbleibs-quote

Hierzu gibt es sicherlich mehrere zeitliche Betrachtungs-weisen. Langfristig ist sicher ein Indiz für ein erfolgreichesAuswahlverfahren, dass die Auszubildenden von den inter-nen Kunden – den Führungskräften – in Betracht gezogenwerden, wenn es um die Besetzung von Stellen im Unter-nehmen geht. Die Verbleibensquote der Auszubildenden, diedann auch übernommen wurden, ist ebenfalls eine Kennzahl,die auf dem Auswahlverfahren fußt.

Feedback derAus-bildungs-beauftragten

Eine etwas kürzere Betrachtungsweise ist das Feedback derAusbildungsbeauftragten oder gar der Berufsschullehrer, diemöglicherweise bemerken, dass sich im Unternehmen etwasverändert hat. Zudem könnte sich das neue Auswahl-verfahren auch in den betrieblichen Beurteilungen wider-spiegeln. Allerdings muss in Kauf genommen werden, dassdiese Betrachtungen durchaus auch fehlerhaft oder nicht nurmonokausal sein können. Die Aussage „Die Auszubildendensind gut – also stimmt das Auswahlverfahren“ wäre mono-kausal. Aber junge Menschen werden auch durch ihr sozialesUmfeld geprägt – und so kann es sein, dass sich ein Aus-zubildender, der im Auswahlverfahren noch „fraglich“ er-schien, zu einem positiven Auszubildenden entwickelt. Undumgekehrt.

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Kurzfristig ist sicherlich der Gedanke der erlebten Freude einKriterium. Eingestellte Bewerber bleiben dem Unternehmentreu und werden durch das Auswahlverfahren nicht abge-schreckt, wechseln nicht das Unternehmen noch vor odergleich zu Beginn der Ausbildung.

In jedem Falle lohnt es, sich mit dem Image eines Auswahl-verfahrens im Kreise der Schüler/innen auseinanderzusetzen.Nicht selten reden Bewerber aus einer Klasse miteinanderund so können gute Bewerber „vergrault“ oder aber auch„angezogen“ werden.

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Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Auswahl von Auszubildenden muss sich unabhängigvom Verfahren auf einem juristisch einwandfreien Bodenbewegen. Daher sind einige Gesetze in diesem Kontextbesonders relevant. Während sich aus dem Grundgesetzbeispielsweise ableitet, welche Fragen im Auswahl-gespräch erlaubt sind und welche die Privatsphäre desBewerbers verletzen, sind vor allem das AllgemeineGleichbehandlungsgesetz, das Berufsbildungsgesetz,das Betriebsverfassungsgesetz und das Bürgerliche Ge-setzbuch relevant.

AGGDas seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz(AGG) regelt und beinhaltet Ausschlusskriterien, die nicht indie Entscheidungsfindung einfließen dürfen. Bewerber (wieauch Beschäftigte) dürfen im Einzelnen nicht wegen 1) ihrerRasse, 2) ihrer ethnischen Herkunft oder wegen 3) ihres Ge-schlechts, 4) wegen der Religion, 5) ihrer Weltanschauungoder 6) ihrer Behinderung sowie wegen 7) des Alters oder8) ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden.

BBiGIm Berufsbildungsgesetz (BBiG) sind die Inhalte festgelegt,die zwingend in einen Ausbildungsvertrag aufgenommen unddarin geregelt werden müssen.

BetrVGIm Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind die Mitwir-kungsrechte des Betriebsrats geregelt. Hier ist insbeson-dere die Mitwirkung hinsichtlich der „Auswahlrichtlinien“,aber auch die Mitwirkung beim Einstellungsprozedere – Zu-stimmung einer Einstellung etc. – zu beachten.

BGBIm Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist mittelbar nieder-geschrieben, dass entstandener Aufwand auf Seiten der Be-werber durch den Beauftragenden – das einladende Unter-nehmen – zu ersetzen sind. Hierzu gehören z. B. Reisekosten.Zudem ist im BGB geregelt, unter welchen Umständen einVertrag generell zustande kommt – insbesondere auch wennes um die Frage von Minderjährigen geht.

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Eingestellt – dann abgestellt?Abspringerquoten vermeiden

Der teuerste Bewerber ist der, der eingestellt wurde, sei-nen Vertrag unterschrieben an das Unternehmen zu-rückgesandt hat, aber dann seine Ausbildung nicht antritt.Ärgerlich genug, dass man viel Zeit vertan hat. Noch är-gerlicher, dass nun ein Ausbildungsplatz wahrscheinlichnicht mehr nachbesetzt werden kann. Vor diesem Hinter-grund gehört zum Auswahlverfahren – wird es als (Teil-)Prozess des Ausbildungsmanagements gesehen – auchdie Bindung eingestellter Bewerber.

BindungeingestellterBewerber

Ob dies zugesandte Geburtstags-, Weihnachts- oder andereGlückwunschkarten sind oder ein Motivationsschreiben kurzvor den Abschlussprüfungen in der Schule oder ein „Schöne-Ferien-Schreiben“ – all dies bedeutet einen kleinen Aufwandmit großer Wirkung. So können die „Noch-nicht-aber-bald-Auszubildenden“ schon vor Ausbildungsbeginn auf die Aus-bildung eingestimmt werden. Wenn es gelingt, sie richtigneugierig auf die Ausbildung zu machen, dann steigt auch dieMotivation, die Ausbildung sehr erfolgreich beenden zu wol-len.

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