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Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen

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78 | Obere Extremität 2 · 2013 Leitthema: Übersicht sifikation, die auf der Einteilung von Big- liani et al. [5] beruht. Sie schließt zusätz- lich akute Frakturen mit ein [37 und be- rücksichtigt die Erkenntnisse von Sugaya et al. [41, 42] zu Erosionsdefekten bei chronischer Instabilität. Dabei werden akute Frakturen des Glenoidrands wei- ter unterteilt in kleine knöcherne Avul- sionsverletzungen im Sinne einer knö- chernen Bankart-Läsion (Typ Ia), solitä- re Frakturen mit einem großen Fragment (Typ Ib) und mehrfragmentäre Glenoid- randfrakturen (Typ Ic). Mit dieser Klas- sifikation lassen sich sowohl akute Frak- turen als auch chronische Defektsitua- tion des Glenoidrands hinreichend ein- teilen (. Tab. 1). Skapulafrakturen beim eigenen Vor- gehen werden nach Euler und Rüedi [12] eingeteilt. Eine weitere international ver- wendete Klassifikation stammt von Ide- berg et al. [21]. Nach Euler und Rüedi werden Fraktu- ren mit Gelenkbeteiligung als D-Fraktu- ren klassifiziert. D1 bezeichnet die klassi- sche Fraktur des Glenoidrands ohne Be- teiligung des Skapulakorpus, wobei die- se nicht genauer nach ihrem morpholo- gischen Erscheinungsbild unterschieden werden. Die D2-Frakturen werden weiter unterteilt in: 4 D2a-Frakturen mit inferiorem Pfan- nenrandfragment, 4 D2b-Frakturen mit horizontalem Ska- pulakorpussplit, 4 D2c-Frakturen mit korakoglenoidaler Blockbildung und 4 D2d-Frakturen mit glenoidaler Trüm- merbildung (. Tab. 2). Diagnostik Bei der Diagnostik von Glenoidrand- und Skapulafrakturen sollte der Unfallmecha- nismus berücksichtigt werden. Gerade Skapulafrakturen sind Ausdruck einer massiven Krafteinwirkung auf das Schul- terblatt, das sonst auf dem Thorax ver- schieblich ist und der einwirkenden Kraft ausweichen kann. Dementsprechend sind relevante Begleitverletzungen zu erwarten und sollten gründlich evaluiert werden. Häufig steht bei schweren Traumafolgen die Skapulafraktur selbst nicht im Vorder- grund. Die Skapulafraktur dient dabei als Indikator für weitere thorakoabdomina- le Verletzungen, da nachgewiesen wur- de, dass Patienten mit Skapulafrakturen gegenüber einer Vergleichsgruppe ohne diese signifikant häufiger Rippenfraktu- ren, Pneumothoraxes und Lungenkontu- sionen sowie Klavikulafrakturen und Ab- dominaltraumen mit Leber- und Milzver- letzungen hatten [47]. Bei Vorhandensein einer Skapulafraktur konnten Rippen- frakturen in 52,9 %, Lungenverletzungen in 47,1 %, Wirbelsäulenfrakturen in 29,1 % und Klavikulafrakturen in 25,2 % der Fäl- le nachgewiesen werden [3]. Folglich sind im Rahmen des Polytraumamanagements bei schweren thorakoabdominellen Trau- mata zunächst Diagnostik und Versor- gung dieser Verletzungen vordergründig. Frakturen des Glenoidrands sind da- gegen häufig die Folge eines direkten Stur- zes auf den angelegten Arm bzw. eines in- direkten Mechanismus wie ein Sturz auf den ausgestreckten Arm oder ein Abduk- tions-Außenrotations-Mechanismus. Die Diagnostik sollte, soweit möglich, eine Akute Frakturen des Glenoidrands sind eine Folge von einem direkten Sturz auf den angelegten Arm oder eines Abduk- tions-Außenrotations-Mechanismus. Es ist bekannt, dass große Defekte des Gle- noidrands in einer persistierenden gle- nohumeralen Instabilität resultieren kön- nen [27]. Ebenfalls kann sich infolge einer dislozierten Fraktur mit Gelenkstufe und freiliegendem subchondralen Knochen eine instabilitätsassoziierte glenohume- rale Arthrose entwickeln [14]. Frakturen des Skapulablatts mit Gelenkbeteiligung sind dagegen häufig ein Resultat maxi- maler thorakaler Gewalteinwirkung, wie sie z. B. bei Verkehrsunfällen auftritt, mit entsprechender Häufigkeit von schweren Begleitverletzungen [3, 34]. Die offene Reposition und Osteosyn- these war bis vor einigen Jahren der Gold- standard in der Versorgung von Frakturen der Skapula bzw. des Glenoids [32, 38, 48]. Mit der Weiterentwicklung der arthrosko- pischen Techniken rückte auch die Ver- sorgung von Glenoidrandfrakturen und Skapulablatt- bzw. Skapulakorpusfraktu- ren mit Glenoidbeteiligung in den Fokus der minimalinvasiven Versorgung. Dabei sind unterschiedliche Techniken von der arthroskopisch unterstützten Schrauben- osteosynthese und Kirschner (K)-Draht- Fixierung über transglenoidale und Fadenankerrefixierungstechniken be- schrieben worden [4, 8, 13, 39, 40, 43]. Klassifikation Einteilung und Therapieentscheidung bei Frakturen des Glenoidrands erfolgen beim eigenen Vorgehen nach einer Klas- David Krüger · Natascha Kraus · Christian Gerhardt · Markus Scheibel Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow und Campus-Mitte, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen Obere Extremität 2013 ∙ 8:78–86 DOI 10.1007/s11678-013-0215-3 Eingegangen: 6. April 2013 Angenommen: 25. April 2013 Online publiziert: 6. Juni 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Page 1: Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen

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Leitthema: Übersicht

sifikation, die auf der Einteilung von Big-liani et al. [5] beruht. Sie schließt zusätz-lich akute Frakturen mit ein [37 und be-rücksichtigt die Erkenntnisse von Sugaya et al. [41, 42] zu Erosionsdefekten bei chronischer Instabilität. Dabei werden akute Frakturen des Glenoidrands wei-ter unterteilt in kleine knöcherne Avul-sionsverletzungen im Sinne einer knö-chernen Bankart-Läsion (Typ Ia), solitä-re Frakturen mit einem großen Fragment (Typ Ib) und mehrfragmentäre Glenoid-randfrakturen (Typ Ic). Mit dieser Klas-sifikation lassen sich sowohl akute Frak-turen als auch chronische Defektsitua-tion des Glenoidrands hinreichend ein-teilen (. Tab. 1).

Skapulafrakturen beim eigenen Vor-gehen werden nach Euler und Rüedi [12] eingeteilt. Eine weitere international ver-wendete Klassifikation stammt von Ide-berg et al. [21].

Nach Euler und Rüedi werden Fraktu-ren mit Gelenkbeteiligung als D-Fraktu-ren klassifiziert. D1 bezeichnet die klassi-sche Fraktur des Glenoidrands ohne Be-teiligung des Skapulakorpus, wobei die-se nicht genauer nach ihrem morpholo-gischen Erscheinungsbild unterschieden werden. Die D2-Frakturen werden weiter unterteilt in:

4 D2a-Frakturen mit inferiorem Pfan-nenrandfragment,

4 D2b-Frakturen mit horizontalem Ska-pulakorpussplit,

4 D2c-Frakturen mit korakoglenoidaler Blockbildung und

4 D2d-Frakturen mit glenoidaler Trüm-merbildung (. Tab. 2).

Diagnostik

Bei der Diagnostik von Glenoidrand- und Skapulafrakturen sollte der Unfallmecha-nismus berücksichtigt werden. Gerade Skapulafrakturen sind Ausdruck einer massiven Krafteinwirkung auf das Schul-terblatt, das sonst auf dem Thorax ver-schieblich ist und der einwirkenden Kraft ausweichen kann. Dementsprechend sind relevante Begleitverletzungen zu erwarten und sollten gründlich evaluiert werden. Häufig steht bei schweren Traumafolgen die Skapulafraktur selbst nicht im Vorder-grund. Die Skapulafraktur dient dabei als Indikator für weitere thorakoabdomina-le Verletzungen, da nachgewiesen wur-de, dass Patienten mit Skapulafrakturen gegenüber einer Vergleichsgruppe ohne diese signifikant häufiger Rippenfraktu-ren, Pneumothoraxes und Lungenkontu-sionen sowie Klavikulafrakturen und Ab-dominaltraumen mit Leber- und Milzver-letzungen hatten [47]. Bei Vorhandensein einer Skapulafraktur konnten Rippen-frakturen in 52,9 %, Lungenverletzungen in 47,1 %, Wirbelsäulenfrakturen in 29,1 % und Klavikulafrakturen in 25,2 % der Fäl-le nachgewiesen werden [3]. Folglich sind im Rahmen des Polytraumamanagements bei schweren thorakoabdominellen Trau-mata zunächst Diagnostik und Versor-gung dieser Verletzungen vordergründig.

Frakturen des Glenoidrands sind da-gegen häufig die Folge eines direkten Stur-zes auf den angelegten Arm bzw. eines in-direkten Mechanismus wie ein Sturz auf den ausgestreckten Arm oder ein Abduk-tions-Außenrotations-Mechanismus. Die Diagnostik sollte, soweit möglich, eine

Akute Frakturen des Glenoidrands sind eine Folge von einem direkten Sturz auf den angelegten Arm oder eines Abduk-tions-Außenrotations-Mechanismus. Es ist bekannt, dass große Defekte des Gle-noidrands in einer persistierenden gle-nohumeralen Instabilität resultieren kön-nen [27]. Ebenfalls kann sich infolge einer dislozierten Fraktur mit Gelenkstufe und freiliegendem subchondralen Knochen eine instabilitätsassoziierte glenohume-rale Arthrose entwickeln [14]. Frakturen des Skapulablatts mit Gelenkbeteiligung sind dagegen häufig ein Resultat maxi-maler thorakaler Gewalteinwirkung, wie sie z. B. bei Verkehrsunfällen auftritt, mit entsprechender Häufigkeit von schweren Begleitverletzungen [3, 34].

Die offene Reposition und Osteosyn-these war bis vor einigen Jahren der Gold-standard in der Versorgung von Frakturen der Skapula bzw. des Glenoids [32, 38, 48]. Mit der Weiterentwicklung der arthrosko-pischen Techniken rückte auch die Ver-sorgung von Glenoidrandfrakturen und Skapulablatt- bzw. Skapulakorpusfraktu-ren mit Glenoidbeteiligung in den Fokus der minimalinvasiven Versorgung. Dabei sind unterschiedliche Techniken von der arthroskopisch unterstützten Schrauben-osteosynthese und Kirschner (K)-Draht-Fixierung über transglenoidale und Fadenankerrefixierungstechniken be-schrieben worden [4, 8, 13, 39, 40, 43].

Klassifikation

Einteilung und Therapieentscheidung bei Frakturen des Glenoidrands erfolgen beim eigenen Vorgehen nach einer Klas-

David Krüger · Natascha Kraus · Christian Gerhardt · Markus ScheibelCentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Campus Virchow und Campus-Mitte,

Charité-Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen

Obere Extremität 2013 ∙ 8:78–86 DOI 10.1007/s11678-013-0215-3Eingegangen: 6. April 2013Angenommen: 25. April 2013Online publiziert: 6. Juni 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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klinische Untersuchung beinhalten. Dabei ist auf äußere Prellmarken und Zeichen eines luxierten oder subluxierten Hume-ruskopfs zu achten. Das Bewegungsaus-maß muss bei Verdacht auf eine stattge-habte Dislokation des Glenohumeralge-lenks vorsichtig evaluiert werden. Eine grob orientierende neurologische Unter-suchung der oberen Extremität ist obligat. Die standardmäßig angefertigte konven-tionell-radiologische „Traumaserie“ be-inhaltet eine „True-a.–p.“-, eine „Y-view“- sowie, falls schmerzbedingt möglich, eine axiale Aufnahme. Hier kann eine Unter-brechung der anterioren Sklerosezone, be-schrieben als „Loss-of-sclerotic-glenoid-line“-Zeichen, den Verdacht auf das Vor-liegen einer Glenoidrandfraktur lenken [22]. Die „Y-view“-Aufnahme kann zei-gen, ob der Humeruskopf im Glenohume-ralgelenk zentriert ist oder eine Subluxa-tion bzw. Luxation vorliegt. Zur weiteren Planung und insbesondere bei Patienten mit Mehrfachverletzungen, die ohnehin

Tab. 1 Klassifikation von Glenoidranddefekten [37]Typ I Akuter Fragmenttyp a) Knöcherne Bankart-Läsion

b) Solitäre Pfannenrandfraktur

c) Mehrfragmentäre Pfannenrandfraktur

Typ II Chronischer Fragmenttyp In extraanatomischer Position konsolidiertes oder pseudarthrotisches Fragment

Typ III Glenoidale Knochendefekte ohne Fragment

a) < 25 % Substanzverlust

b) > 25 % Substanzverlust

Tab. 2 Einteilung der Skapulafrakturen nach Euler und Rüedi [12]C1 Collum anatomicum

C2 Collum chirurgicum

C3 Collum chirurgicum mit a) Klavikulafraktur

b) Ruptur der Ligg. coracoclaviculare et coracoacromiale

D1 Glenoidrandfraktur

D2 Glenoidfraktur mit a) Inferiorem Pfannenfragment

b) Horizontalem Skapulasplit

c) Korakoglenoidalem Block

d) Glenoidaler Trümmerfraktur

D3 Kombinationsfraktur mit Kollum- oder Korpusfrakturen

E Luxationsfrakturen mit Humeruskopffraktur

Abb. 1 9 Solitäre Glenoidrandfraktur Typ Ib. a) „True-a.−p.“-Aufnahme mit typischer Unterbre-chung der anterioren Skle-rosezone. b) Axiale Aufnah-me. c) 3D-CT-Rekonstruk-tionen

Abb. 2 9 Typ-D2a-Fraktur nach Euler und Rüedi. a) „True-a.−p.“-Aufnahme. b) „Y-view“-Aufnahme. c) 3D-CT-Rekonstruktion

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Leitthema: Übersicht Zusammenfassung · Abstract

einer Computertomographie (CT)-Diag-nostik zugeführt werden, ist die CT mit 3D-Rekonstruktionen als Standard an-zusehen (. Abb. 1 und 2). Hier können Frakturmorphologie, -größe und knö-cherne Begleitverletzungen evaluiert wer-den, was eine genaue Planung des weite-ren Prozederes ermöglicht. Zur weite-ren Evaluierung gehört eine Prüfung des N. suprascapularis, der bei Beteiligung der Incisura scapulae verletzt werden kann [10]. Neurophysiologische Untersuchun-gen sind insbesondere bei radiologisch nachgewiesener Frakturausweitung in die Incisura scapulae indiziert [6]. Auch wei-tere Verletzungen der neurovaskulären Strukturen im Bereich des Plexus brachi-alis mit Kompromittierung der periphe-ren Durchblutung, Sensibilität oder Mo-torik müssen bei Skapulafrakturen anti-zipiert und ausgeschlossen werden [30].

Indikationen

Die Indikation für eine operative Ver-sorgung von Glenoidrandfrakturen und Skapulafrakturen mit Gelenkbe-teiligung ergibt sich aus einem instabi-len Glenohumeralgelenk, einer relevan-ten Dislokation des Fragments bzw. der Fragmente, einem im a.−p.-Strahleng-ang dezentrierten Humeruskopf oder einem Patienten mit hohem funktionel-lem Anspruch an seine Schulter [16, 28]. Auch mit der konservativen Therapie von Glenoidrandfrakturen konnten gu-te Ergebnisse in einem selektierten Pa-tientengut erzielt werden [25, 28]. Wur-den Skapulafrakturen mit einfacher Ge-lenkbeteiligung früher häufig konserva-tiv behandelt, gelten heutzutage ähnli-che Indikationen wie für Glenoidrand-frakturen, da bei einer intraartikulären Stufenbildung oder einem Abkippen des Glenoids bzw. des Fragments von einer erhöhten Arthrosegefahr und Verän-derung sowie Ermüdung der dynami-schen Stabilisatoren auszugehen ist [9]. Die Indikationen für ein operatives vs. konservatives Prozedere werden der-zeit bei einer intraartikulären Stufe von ≥ 4 mm, einer Verkippung des Skapula-halses > 40° oder einer Verletzung des „superior shoulder suspensory com-plex“ gesehen [1, 15, 23, 24, 29].

Operationstechnik

Glenoidrandfrakturen

Die Vorbereitung des Patienten erfolgt analog zu einer arthroskopischen Bank-art-Prozedur. Dabei kann die arthros-kopische Versorgung sowohl in „Beach-chair“- als auch in Seitenlagerung durch-geführt werden. Beim eigenen Vorgehen erfolgt die Versorgung in Seitenlage. Der Patient wird hierzu auf die kontralaterale Seite gelagert und der betroffene Arm in eine Traktionsvorrichtung unter Verwen-dung von horizontalem und vertikalem Zug gebracht. Eine diagnostische Arth-roskopie wird durchgeführt, um Begleit-verletzungen der Weichteile, wie Rotato-renmanschettenrupturen, „Superior-la-brum-anterior-to-posterior“(SLAP)- oder Bizepssehnenpathologien, zu detektieren

und, wenn nötig, zu versorgen. Anschlie-ßend werden ein anterosuperiores und ein -inferiores Portal in „Outside-in“-Technik angelegt und das Arthroskop in das ante-rosuperiore Portal umgesteckt. Hierdurch wird eine gute Übersicht über den vorde-ren Glenoidrand ermöglicht. Mit einem Shaver wird das Frakturhämatom ent-fernt. Anschließend kann mittels arthro-skopischem Raspatorium das Fragment mobilisiert werden. Die weitere Versor-gung ist nun abhängig von der Fraktur-morphologie und der Integrität des la-bralen Rings. Kleinere knöcherne Avul-sionsläsionen Typ Ia im Sinne einer knö-chernen Bankart-Läsion können wie eine klassische arthroskopische Labrumrefi-xierung in Fadenankertechnik entweder durch Fragmentperforation oder -um-stechung versorgt werden. Große soli-täre Glenoidrandfrakturen Typ Ib kön-

Obere Extremität 2013 ∙ 8:78–86 DOI 10.1007/s11678-013-0215-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

D. Krüger · N. Kraus · C. Gerhardt · M. Scheibel

Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen

ZusammenfassungDurch die Weiterentwicklung der arthrosko-pischen Techniken hat die Versorgung von Frakturen des Glenoidrands in den letzten Jahren neue Möglichkeiten erfahren. Poten-zielle Vorteile ergeben sich besonders durch die Möglichkeit der Diagnostik und Therapie von Begleitverletzungen sowie eines mini-malinvasiveren Zugangs unter Schonung des M. subscapularis. Beschreibungen der Opera-tionstechniken und kleine Fallserien zeigten bisher vielversprechende Ergebnisse. Auch die Versorgung von Skapulafrakturen mit Ge-lenkbeteiligung scheint potenziell arthros-

kopisch bzw. arthroskopisch assistiert um-setzbar zu sein. Hier kann aber ebenfalls auf-grund kleiner Fallzahlen mit niedrigem Evi-denzgrad noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Höhergradige mehrfrag-mentäre Kombinationsfrakturen von Skapula und Glenoid bleiben weiterhin dem offenen Vorgehen vorbehalten.

SchlüsselwörterSchulter · Glenoidfraktur · Skapulafraktur · Arthroskopische Rekonstruktion

Techniques and limitations of arthroscopic management of glenoid and scapula fractures

AbstractWith constant further development of the arthroscopic techniques, new possibilities in the treatment of glenoid fractures have been created. Potential advantages of an ar-throscopic procedure are better possibilities of diagnosing and treating concomitant in-juries as well as a lower morbidity with pro-tection of the subscapularis muscle. Techni-cal notes and small case series have shown promising early results. The arthroscopic treatment of scapula fractures with involve-

ment of the glenoid cavity seems to be tech-nically possible as well. The lack of reports with a higher level of evidence does not al-low a final rating of these procedures. High-grade multi-fragmented combined fractures of the scapular und glenoid remain an indica-tion for open reduction and internal fixation.

KeywordsShoulder · Glenoid fracture · Scapula fracture · Arthroscopic reconstruction

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nen mittels arthroskopischer perkuta-ner Schraubenosteosynthese rekonstru-iert werden. Dafür wird das Fragment zu-nächst über ein zusätzliches tiefes ante-roinferiores Portal mittels K-Draht ange-spickt und mit dessen Benutzung als „joy-stick“ anatomisch reponiert. Der K-Draht wird nun vorgefahren und das Fragment dadurch temporär fixiert. Ist das Frag-ment ausreichend groß, kann ein weiterer K-Draht eingebracht und so eine primäre

Rotationsstabilität des Fragments erreicht werden. Hier kann eine Spezialbohrhül-se (Parallel-Drillguide, Arthrex Inc., Na-ples, FL/USA) benutzt werden, über die der K-Draht in einer separaten Führung eingeführt und ein zweiter K-Draht par-allel über die Bohrhülse vorgefahren wird [36]. Der K-Draht kann anschließend mit einem kanülierten Bohrer überbohrt wer-den. Danach kann eine Schraubenosteo-synthese mit z. B. bioresorbierbaren Kom-

pressionsschrauben durchgeführt werden (. Abb. 3). Ist der labrale Ring intakt, kann zusätzlich zur Schraubenosteosyn-these eine Fadenankerrefixierung supe-rior und inferior der Frakturzone in mo-difizierter Sugaya-Technik durchgeführt werden [40].

Mehrfragmentäre Frakturen des Gle-noidrands Typ Ic werden in gleicher Wei-se vorbereitet. Da die Größe der Fragmen-te oft nicht für eine Schraubenosteosyn-

Abb. 3 8 a–i) Arthroskopische Glenoidrekonstruktion einer Typ-Ic-Fraktur in kombinierter Schraubenosteosynthese und Fadenankertechnik

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Leitthema: Übersicht

these ausreicht, ist hier nur eine alleini-ge Fadenankerrefixierung möglich. Da-bei ist zwischen der anatomischen Gle-noidrekonstruktion mit Einbeziehung al-ler Fragmente und der Resektion kleins-ter Zwischenfragmente sowie der alleini-gen Refixierung der Hauptfragmente zu unterscheiden. Zunächst werden die Frag-mente ebenfalls mit dem Raspatorium re-poniert. Im Falle eines nach kaudal dislo-zierten, am inferioren Labrum gestielten und um 180° gedrehten Fragments kann ebenfalls eine Reposition mittels Raspar-torium oder Wechselstab erreicht wer-den [39]. Mithilfe eines durch das Lab-rum „geshuttelten“ Zugfadens wird an-schließend das Einpassen der Fragmente auf Gelenkniveau erleichtert. Analog zu der von Sugaya et al. [40] beschriebenen Technik wird unter Verwendung von kno-tenlosen Fadenankern in „Lasso-loop“-Technik das Labrum superior und infe-rior der Frakturzone refixiert [39]. Die Re-position des Fragments kann während der Fadenankerfixierung durch den auf dem Fragment gehaltenen Wechselstab beibe-halten werden.

Skapulafrakturen mit Gelenkbeteiligung

Die Versorgung von Skapulafrakturen mit Gelenkbeteiligung erscheint heutzu-tage ebenfalls über arthroskopische Tech-niken prinzipiell möglich zu sein. Dabei können sowohl Skapulafrakturen mit in-feriorem Pfannenfragment (Typ D2a), ho-rizontale Skapulasplitfrakturen (Typ D2b) als auch Skapulafrakturen mit korakogle-noidaler Blockbildung (Typ D2c) arthro-

skopisch versorgt werden. Durchgeführt wird der Eingriff in Seitenlagerung analog zur Lagerung bei Frakturen des Glenoi-drands (s. oben). Zusätzlich wird der steril abgedeckte C-Bogen zur intraoperativen Durchleuchtung einbezogen. Der Bildver-stärker wird von kaudal kommend ausge-richtet (. Abb. 4). Durch intraoperati-ves Durchschwenken wird hier die Kon-trolle in zweiter Ebene ermöglicht. Über ein posteriores Standardportal erfolgt die diagnostische Arthroskopie zur Evalu-ierung von möglichen Begleitverletzun-gen. Bei Skapulafrakturen mit inferio-rem Pfannenfragment (Typ D2a) hängt die Versorgung zum einen von der Grö-ße des Fragments und der genauen Posi-tion der Läsion ab. Ob die Fraktur antero- oder posteroinferior liegt, bestimmt den weiteren Zugangsweg. Zuerst wird ein an-terosuperiores Portal kreiert und das Ar-throskop in dieses umgesteckt, um eine gute Übersicht über das gesamte Glenoid zu ermöglichen. Im Falle eines eher post-eroinferior gelegenen Fragments kann über ein tiefes posteroinferiores Por-tal zunächst die Reposition und tempo-räre Refixierung mittels K-Drähten er-reicht werden (. Abb.  5 und 6). An-schließend wird eine posteroinferiore Kapsulotomie durchgeführt und ein K-Draht von posteroinferior über das Frag-ment nach anterosuperior unter Durch-leuchtung in Richtung der Korakoidbasis vorgebohrt. Der K-Draht wird anschlie-ßend überbohrt und das Gewinde ge-schnitten. Dann erfolgt die definitive Os-teosynthese mittels kanülierter 3,5-mm-Zugschraube. Bei durch die Gelenkfläche verlaufenden Querfrakturen der Skapula

(Typ D2b) wird zunächst die Fraktur über ein anteroinferiores Portal mittels Raspa-torium mobilisiert und mithilfe eines Gewinde-K-Drahts reponiert. Die Re-tention der Fraktur erfolgt anschließend mithilfe eines über die Fossa supraclavi-cularis (Neviaser-Portal) eingebrachten K-Drahts [31]. Um leichter die korrekte Länge der einzubringenden K-Drähte ab-zuschätzen, wird ein Draht über das glei-che Portal nach intraartikulär bis zum in-ferioren Glenoidrand vorgelegt [31]. Nun wird ein 1,25-mm-K-Draht unter Bild-wandlerkontrolle eingebracht. Bei Bedarf kann ein Kreuzbandrekonstruktionsziel-bügel mit dem langen Arm über das an-teriore Arbeitsportal inferior am Gleno-id platziert werden, um die korrekte La-ge des einzubringenden K-Drahts zu ge-währleisten [49]. Der K-Draht kann an-schließend mittels kanüliertem Bohrer überbohrt, das Gewinde geschnitten und eine 3,5-mm-Zugschraube mit Unterleg-scheibe eingebracht werden. Durch die Zugschraube wird eine gute Kompres-sion der Fragmente erreicht (. Abb. 7). In verwandter Technik kann auch die Versorgung von Skapulafrakturen mit ko-rakoglenoidaler Blockbildung (Typ D3c) angegangen werden. Der Unterschied in der Versorgung besteht in der andersge-arteten Repositionstechnik. Hier kann das superiore Fragment über das poster-iore Standardportal unter Verwendung eines K-Drahts als „joystick“ angespickt und reponiert werden [31]. Die definitive Osteosynthese erfolgt dann wie für Typ-D2b-Frakturen (s. oben) über das Nevia-ser-Portal.

Grenzen der arthroskopischen Versorgung

Höhergradige Kombinationsfrakturen des Glenoids, des Skapulahalses und des Ska-pulakorpus mit ausgeprägter Dislokation sind einer arthroskopischen Intervention oft nicht zugängig. Sie werden über einen dorsalen Zugang nach Brodsky reponiert und mittels Platten- und Schraubenosteo-synthese versorgt (. Abb. 8; [7, 45]).

Frakturen der Klavikula mit Kombina-tionsfrakturen des chirurgischen Skapu-lahalses im Sinne einer „floating shoul-der“ entsprechen einer doppelten Verlet-zung des „superior shoulder suspenso-

Abb. 4 9 Seitenlage-rung und von kaudal eingebrachter Bildver-stärker

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Abb. 5 8 a–i) Arthroskopische Reposition und Schraubenosteosynthese einer Typ-D2a-Skapulafraktur

Abb. 6 9 a) 3D-CT einer Typ-D2a-Fraktur nach Euler und Rüedi. b) Postoperative „Y-view“-Aufnahme. c) Post-operative 3D-CT-Rekons-truktion zeigt eine anato-mische Rekonstruktion der Gelenkpfanne

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Leitthema: Übersicht

ry complex“ [2, 11, 15]. Ist es hier nicht zu einer Ruptur der korakoklavikulären Bän-der gekommen, kann eine Stabilisierung durch die offene Reposition und inter-ne Fixierung der Klavikulafraktur ausrei-chende Stabilität des Glenoids bewirken; eine weitere Osteosynthese ist nicht not-wendig [17, 18].

Ergebnisse

Die wissenschaftliche Auswertung von arthroskopischen und arthroskopisch as-sistierten Techniken zur Versorgung von Glenoidfrakturen beschränkt sich derzeit auf technische Beschreibungen und klei-nere Fallserien. So untersuchten Tauber et al. [43] 10 Patienten mit großen solitä-ren anterioren Glenoidrandfrakturen, die

mit arthroskopisch assistierten kanülier-ten Titanschauben versorgt wurden. Die Patienten hatten nach einem Follow-up von 56 Monaten (Spannweite: 24–90 Mo-nate) einen durchschnittlichen Rowe-Score von 94 Punkten. Das postoperati-ve CT zeigte eine komplette Fragment-integration in allen Fällen. In einem Fall war es zu einer traumatischen Reluxie-rung des Glenohumeralgelenks gekom-men und bei einem Patient bestand ein mechanisches Impingement des Schrau-benkopfs. In Anlehnung an die Caspari-Technik stellten Bauer et al. [4] eine Fall-serie von 5 Patienten mit Glenoidrand-fraktur vor, die über eine transglenoida-le Fadenrefixierungstechnik stabilisiert wurden. Die 4 nachuntersuchten Patien-ten waren nach durchschnittlich 3 Jahren

schmerzfrei und zeigten ein gutes Bewe-gungsausmaß bis auf ein Außenrotations-defizit in einem Fall. Radiologische Er-gebnisse wurden nicht beschrieben. Eine weitere Neuerung stellte die 2002 von Su-gaya et al. [40] vorgestellte Rekonstruk-tion von Glenoidrandfrakturen in Faden-ankertechnik dar. Das Fragment wurde hier über einen superior und inferior der Frakturzone eingebrachten Fadenanker und dadurch indirekten Zug des labroli-gamentären Komplexes stabilisiert. Die 8 Patienten zeigten eine hohe subjektive Zufriedenheit. Bei keinem Patienten war es zu einer Rezidivinstabilität gekommen. In einer eigenen Untersuchung von gro-ßen akuten Glenoidrandfrakturen konn-ten 17  Patienten (5  weiblich, 12  männ-lich) mit einem Durchschnittsalter von

Abb. 7 9 a–f) Arthros-kopische Reposition und Schraubenosteosynthe-se einer Typ-D2b-Skapu-lafraktur

Abb. 8 9 Höhergradige Kombinationsfraktur des Glenoids, des Skapulahal-ses und des Skapulakorpus mit ausgeprägter Disloka-tion und Versorgung mit-tels offener Reposition so-wie Platten- und Schrau-benosteosynthese über den posterioren Zugangs-weg nach Brodsky

Page 8: Technik und Grenzen arthroskopischer Versorgung von Glenoid- und Skapulafrakturen

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47,9  Jahren (Spannweite: 15–74  Jahre) nachuntersucht werden [26]. Die Patien-ten hatten entweder eine solitäre (Typ 1b) oder mehrfragmentäre (Typ 1c) Fraktur des Glenoidrands erlitten. Ursächlich wa-ren in 8 Fällen ein direkter Sturz auf den angelegten Arm und in 9 Fällen ein indi-rekter Traumamechanismus mit Sturz auf den ausgestreckten Arm oder ein Abduk-tions-Außenrotations-Trauma. Fünfzehn der 17 Frakturen waren nachweislich lu-xationsassoziiert. Die Frakturen wur-den je nach Frakturmorphologie entwe-der in modifizierter Sugaya-Technik mit-tels Fadenankern, in kombinierter Faden-anker- und Kompressionsschraubentech-nik oder alleinig mittels Kompressions-schrauben arthroskopisch rekonstru-iert. Nach einem mittleren Follow-up von 32,5 Monaten (Spannweite: 12–59 Mona-te) war es bei keinem der Patienten zu einem erneuten Instabilitätsereignis ge-kommen und keiner der Patienten wies ein positives Apprehension-Zeichen auf. Verglichen mit der gesunden kontralate-ralen Schulter zeigten die Patienten nach durchschnittlich 32,5 Monaten ein nahezu seitengleiches Bewegungsausmaß bei al-lerdings statistisch signifikant um durch-schnittlich 10° verringerter Außenrotation in 90° Abduktion. Die Auswertung der Scores ergab 84 Punkte (Spannweite 69–94 Punkte) für den Constant Murley Sco-re, 97 Punkte (Spannweite  87–100 Punk-te) für den Melbourne Instability Shoulder Score und 93% (Spannweite 70–100%) für den Subjective Shoulder Value. In 3 Fällen war eine Instabilitätsarthrose von Grad I, in einem Fall eine von Grad  II und in einem Fall eine von Grad III nach Samil-son und Prieto nachweisbar. Eine stufen-lose Wiederherstellung der Gelenkfläche war in 14 Fällen zu vermerken. Drei Pa-tienten wiesen eine postoperative Stufe von 2,0, 2,1 und 3,6 mm auf.

Bezüglich der Versorgung von Skapu-lafrakturen mit Gelenkbeteiligung sind bisher wenig Daten veröffentlicht worden. Yang et al. [49] behandelten Ideberg-Typ-III-Skapulafrakturen (entspricht Typ D2c nach Euler und Rüedi) mit einer Gelenk-stufe > 5 mm mit einer arthroskopisch as-sistierten Schraubenosteosynthese unter Zuhilfenahme eines Kreuzband-Ziel-Ins-trumentariums. Sie konnten 18 Patien-ten (Follow-up-Rate 78,3 %) nach durch-

schnittlich 37,6 Monaten (Spannweite: 24–61  Monaten) nachuntersuchen und fanden dabei keinen Fall von sekundä-rer Redislokation oder Implantatver-sagen. Alle Frakturen zeigten sich zum Nachuntersuchungszeitpunkt konsoli-diert. Die Patienten erzielten einen durch-schnittlichen Constant Murley Score von 96,8 Punkten (Spannweite: 90–100 Punk-te) und im Schnitt einen UCLA (Universi-ty of California at Los Angeles)-Score von 34,3 Punkten (Spannweite: 33–35 Punk-te). Als Komplikation wird eine postope-rative Schultersteife genannt.

Diskussion

Die Weiterentwicklung arthroskopischer Techniken am Glenohumeralgelenk hat zu einer Ausweitung dieser Techniken auf Indikationen geführt, die bisher der offe-nen Chirurgie vorbehalten waren. Wur-den Frakturen des Glenoidrands früher mit einer offenen Reposition über eine Ablösung oder Spaltung des M. subsca-pularis behandelt, so wurden in der letz-ten Dekade mehrere Techniken vorge-stellt, die eine stabile arthroskopische Re-fixierung und Wiederherstellung der gle-noidalen Gelenkfläche ermöglichen [39, 40, 43]. Die Vorteile des arthroskopischen Vorgehens konnten anhand der Bankart-Prozedur mit gleichen und besseren Er-gebnissen hinsichtlich der Reluxations-rate, geringerer perioperativer Morbidi-tät und geringeren postoperativen Be-wegungseinschränkungen sowie besse-rer Kraft des M. subscapularis, geringe-ren postoperativen Schmerzen und einer besseren Möglichkeit der Behandlung von Begleitverletzungen gegenüber dem offenen Vorgehen in einigen Studien auf-gezeigt werden [20, 33, 44, 46]. Die Vor-gehensweisen bei arthroskopischen Re-konstruktionen von Glenoid- und Skapu-lafrakturen sind technisch anspruchsvoll und bisher in der Arthroskopie erfahre-nen Operateuren vorbehalten, jedoch zei-gen die bisherigen Publikationen mit dem Vorbehalt niedriger Evidenz von Fallstu-dien und „technical notes“ vielverspre-chende Ergebnisse. Hier scheint eine ana-tomische Rekonstruktion der Pfannen-konkavität mit arthroskopisch-assistier-ten bzw. rein arthroskopischen Techni-ken generell möglich zu sein.

Hinsichtlich Skapulafrakturen mit Ge-lenkbeteiligung sollte eine operative Ge-lenkrekonstruktion unter Berücksich-tigung des Gesamtstatus des Patienten, z. B. im Falle eines Polytraumas, wenn eine deutliche Gelenkstufe besteht oder eine Verkippung eines Fragments über 40° vorliegt, da hier mit einem deutlichen Arthroserisiko zu rechnen ist. Für das of-fene Vorgehen konnten bisher gute bis sehr gute Ergebnisse gezeigt werden [24, 35]. Dennoch besteht vor allem bei dor-salen Zugängen eine erhöhte Gefahr aus-gedehnter Narbenbildung und Verletzun-gen neurovaskulärer Strukturen [48]. Hier bieten sich durch minimalinvasive arth-roskopische Zugänge potenzielle Vortei-le bezüglich der postoperativen Funktion und Kosmetik. Bisher ist über die Ergeb-nisse nach arthroskopischer Behandlung von Skapulafrakturen mit Gelenkbeteili-gung jedoch wenig bekannt. Die Litera-tur beschränkt sich bisher auf die Nen-nung weniger Einzelfälle und eine grö-ßere Untersuchung von Ideberg-Typ-III-Frakturen in 18 Fällen [19, 49].

Fazit für die Praxis

Die arthroskopische Versorgung von Glenoidrand- und Skapulafrakturen mit Glenoidbeteiligung ist technisch an-spruchsvoll. Erste Ergebnisse dieser Techniken sind vielversprechend. Da-bei ist eine anatomische Rekonstruktion in einer Vielzahl der Fälle möglich. Gren-zen der arthroskopischen Techniken stel-len höhergradige Kombinationsfraktu-ren des Glenoids, des Skapulahalses und des -korpus mit ausgeprägter Disloka-tion dar.

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. M. ScheibelCentrum für Muskuloskeletale Chirurgie Campus Virchow und Campus-Mitte Charité-Universitätsmedizin Berlin Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin [email protected]

Interessenkonflikt. Der Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Leitthema: Übersicht

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