Universität Siegen
Fachbereich II
Integrierter Studiengang Sozialpädagogik und Sozialarbeit
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Wie erleben Familien den Einsatz der
Sozialpädagogischen Familienhilfe?
Eine Einzelfallstudie zu sozialpädagogischen
Interventionen aus der Sicht der KlientInnen
Diplomarbeit
vorgelegt von
Tabea Brand Aggerstr. 54 51645 Gummersbach
eingereicht bei
Referent: Prof. Dr. Klaus Wolf Koreferent: Prof. Dr. Siegfried Mrochen
Siegen, März 2008
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 6
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 9
1.1. Begriffsbestimmungen 9
1.2. Aktuelle Entwicklungen 12
2. Die Beziehung zwischen Familienhelfer und Famili e 16
2.1. Die professionelle und die persönliche Beziehung 16
2.2. Abbrüche von Familienhelfereinsätzen 22
3. Untersuchungsdesign 27
3.1. Das narrative Interview 27
3.2. Das themenzentriert-komparative Auswertungsverfahre n 28
3.3. Vorbereitungen 29
3.4. Die Familien 31
3.5. Die Interviews 32
3.6. Die Auswertung 36
4. Interview Müller 39
4.1. Kontaktaufnahme zum Jugendamt 39
4.1.1. Umstände 39
„ohne aber jetzt genau zu wissen was da jetzt genau
hintersteckt“
4.1.2. Motivation 41
„ich kann wieder nach Hause kommen und ich hab ´ne Hilfe“
4.1.3. Erwartungen 42
V: „sehen dass das Familiäre klappt“
4.2. Das erste Treffen mit der SPFH 44
„ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung .. halt weiß
ich nich versagt habe“
Inhaltsverzeichnis
III
4.3. Die Hilfeplangespräche 47
„ich glaube da wurde auch so´n ähm Plan erstellt so´n .
wie heißt das noch mal?“
4.4. Die Arbeit in der Familie 49
4.4.1. Die Beziehung zwischen Interviewpartner und SPFH 4 9
„sie kam immer so in unsre Familie rein“
4.4.2. Die Beziehung zwischen Kind und SPFH 57
„so wenig . Vertrauen wie mit der Frau vom Jugendamt
ham sie eigentlich mit keinem aufgebaut“
4.4.3. Absprachen / Pünktlichkeit 59
„also ich konnte mich nie drauf einstellen so jetzt kommt
die Frau Adler“
4.4.4. Ressourcenorientierung 60
„ich hab […] erarbeitet so Tagesstrukturen zu haben […]
und sie hat […] gesagt […] dass das […] Quatsch is“
4.4.5. Mitarbeit der Familie 62
„ich weiß es gar nich Daniel was hab ich denn mit der
gemacht in der ganzen Zeit?“
4.4.6. Kontrolle 63
„ich hab halt irgendwie immer versucht dass zu
vertuschen wie die Kinder sich . benehmen“
4.4.7. Vertrauen 64
V: „´ne Bindung in der Familie zu den Kindern oder
das Vertrauensverhältnis is irgendwie nich aufgebaut“
4.4.8. Themen bzw. Ziele der SPFH 65
V: „für mich war´s […] gut geplant, was wir besprochen
hatten“
V: „[es war] plan- und ziellos, was umgesetzt wurde“
4.5. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt 66
V: „da war die Wellenlänge da da war die Richtung da“
4.6. Abschluss der Hilfe 69
„ich möchte nich mehr und fertig aus“
4.7. SPFH als Belastung 71
I: “ Is das so das, was dir so einfällt, wenn du an die Zeit denkst? M: Ja! (wie ein Seufzer) .. also mehr Belastung“
Inhaltsverzeichnis
IV
4.8. SPFH als Unterstützung 77
„also ich würde sagen jetzt die Hilfe vom Jugendamt . war für
mich oder für uns . keine Hilfe gewesen“
5. Interview Schmidt 78
5.1. Kontaktaufnahme zum Jugendamt 78
5.1.1. Umstände 78
„da war ich noch mit ihr schwanger (lächelnd) und da bin
ich äh . zum Jugendamt gegangen hab gesagt ich möchte
gerne Hilfe haben“
5.1.2. Motivation 79
„ich denk mir mal so´n Kind is dat wert“
5.1.3. Erwartungen 80
„wir hatten damals ne Familienhilfe […] und da haben wir
uns eigentlich beide eigentlich ziemlich gesperrt“
5.2. Das erste Treffen mit der SPFH 80
„das war irgendwie schon komisch […] dass man […] plötzlich
so irgendjemand Fremdes da vor die Nase gesetzt gekriegt hat“
5.3. Die Hilfeplangespräche 82
„da wurden dann halt erstmal die ganzen Probleme
angesprochen“
5.4. Die Arbeit in der Familie 83
5.4.1. Die Beziehung zwischen Interviewpartner und SPFH 8 3
„die sind immer für einen da“
5.4.2. Die Beziehung zwischen Kind und SPFH 92
Paula: „schön immer“
5.4.3. Absprachen / Pünktlichkeit 92
„das ist selten dass sie pünktlich kommen“
5.4.4. Ressourcenorientierung 94
„als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben
fielen uns da plötzlich so viele Sachen ein die man
gern macht die man gut kann“
5.4.5. Mitarbeit der Familie 96
„da gibt man sich einfach Mühe wenn man das auf die
Reihe kriegen will“
Inhaltsverzeichnis
V
5.4.6. Kontrolle 98
„dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in
mein Leben ein so!“
5.4.7. Vertrauen 99
„mit denen kann man über alles reden“
5.4.8. Themen bzw. Ziele der SPFH 100
„da wurden dann halt erstmal die ganzen Probleme
angesprochen wie man die sozusagen wieder in´n Griff
kriegt“
5.5. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt 102
„kann ich nur jedem empfehlen das Jugendamt (lachend)“
5.6. Abschluss der Hilfe 103
„ich find das dann auch schade wenn . dann […] die Hilfe dann
ausläuft“
5.7. SPFH als Belastung 105
„da waren halt die Familienhelfer mehr dafür […] dass wir da am
besten nich mehr hingehn aber […] das fand ich dann schon nich
schön weil das einfach Freunde sind“
5.8. SPFH als Unterstützung 106
„das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe“
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 111
7. Ausblick 117
Literaturverzeichnis 119
Persönliche Erklärung 124
Anhang 125
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt 1 26
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller 143
Einleitung 6
Einleitung
Wie erleben Familien den Einsatz einer Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH)?
Dieser Frage möchte ich in meiner Arbeit auf den Grund gehen. Aus eigener
Erfahrung kenne ich zwei der drei Seiten – Familie, Jugendamt, Familienhelferin1 –
der SPFH: als Bezirkssozialarbeiterin beim Jugendamt und als Familienhelferin.
In zwei Jahren als Bezirkssozialarbeiterin beim Jugendamt setzte ich mehrfach eine
SPFH als Hilfe zur Erziehung in Familien ein. Ich musste entscheiden: Warum diese
Hilfe und keine andere? Ist die SPFH die notwendige und geeignete Hilfe? Wer soll
als Familienhelferin in der Familie arbeiten? Wie viele Stunden Hilfe pro Woche sind
notwendig? Ich erlebte den verwaltungstechnischen Ablauf mit, war aber ebenso im
Gespräch mit den Familien, die Hilfe brauchten, leistete Überzeugungsarbeit,
musste Vorbehalten gegenüber dem Jugendamt entgegentreten; habe
Hilfeplangespräche geführt und die Arbeit der SPFH in der Familie mitverfolgt.
Auf der anderen Seite habe ich einige Zeit als Familienhelferin gearbeitet. Ich habe
erlebt, wie es ist, in eine neue Familie hinein zu gehen, Vertrauen aufzubauen, mit
den Vorstellungen, Erwartungen, Wünschen und Befürchtungen der einzelnen
Familienmitglieder richtig umzugehen, mit dem Jugendamt in einer guten Art und
Weise zusammenzuarbeiten, Nähe in der Familie zu schaffen und dennoch eine
gesunde Distanz zu wahren, Berichte zu schreiben, sich um eine
ressourcenorientierte, wertschätzende, aktivierende, transparente, professionelle
Arbeit in der Familie zu bemühen usw. Ich zähle die verschiedenen Aspekte
bewusst so »unsortiert« auf, weil ich genau so die Arbeit als SPFH erlebt habe:
vielschichtig, manchmal chaotisch, abwechslungsreich, herausfordernd und
manchmal – wie auch einige der oben genannten Begriffe – schwer definierbar.
Und nun fehlt mir die dritte Sichtweise, die eigentlich die entscheidende ist. Es geht
um die Familien, um ihre Unterstützung, Erhaltung und Weiterentwicklung, wenn
über SPFH gesprochen wird. Jugendamtsmitarbeiter und Familienhelferinnnen
reden sicherlich häufig über die Familien, in denen eine SPFH installiert ist, aber es
wird viel zu selten mit den Familien gesprochen, wie sie diese Hilfe erleben oder
erlebt haben.
1 Ich habe mich in der vorliegenden Arbeit immer für nur eine Geschlechtsform entschieden, um den Text möglichst lesbar zu gestalten. Das jeweilige andere Geschlecht ist selbstverständlich gleichbedeutend gemeint.
Einleitung 7
Während meines Studiums beschäftigte ich mich im Rahmen des
Forschungspraxisseminars mit dem Thema „Sozialpädagogische Interventionen aus
KlientInnensicht“, damals aber noch nicht im Zusammenhang mit SPFH. Es war
beeindruckend für mich zu sehen, wie wertvoll und lehrreich die Sicht bzw. die
Erlebnisse der Klienten sind und wie viel aus ihren Erzählungen »herauszuholen«
ist. Die Klientensicht geht oft unter in der sozialpädagogischen Arbeit, obwohl sie
doch die entscheidenden Antworten gibt auf Fragen wie: Was hilft Familien? Was
belastet sie eher? Mit den Antworten auf diese Fragen kann sozialpädagogische
Arbeit so verändert werden, dass nicht nur neue Theorien entwickelt werden,
sondern dass neue Handlungsansätze geschaffen werden, die in den Familien
erfahrbar sind und umgesetzt werden.
In der vorliegenden Arbeit soll es um das Erleben der Familien gehen, also um die
Frage „Wie haben Sie das empfunden?“ und nicht nur um Fragen, die theoretische
Aspekte beleuchten oder Fakten über die Familie und die Arbeit der SPFH liefern.
Denn so wie die Familien die Sozialpädagogische Familienhilfe erleben, so können
oder wollen sie diese Hilfe auch annehmen oder eben nicht. Diesem Erleben
möchte ich auf den Grund gehen oder mich ihm wenigstens nähern.
Nach einer Bestimmung des Begriffs »Sozialpädagogische Familienhilfe« anhand
einer rechtlichen Einordnung, der historischen Entwicklung und der Klärung des
Leistungsumfangs und des Verfahrens wird in Kapitel 1 die statistische Entwicklung
der SPFH in Verbindung mit aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen dargestellt.
In Kapitel 2 geht es um die professionellen und persönlichen Komponenten der
Beziehung zwischen Familie und Familienhelfer. Da eine misslungene Beziehung
nicht selten den Abbruch der Hilfe zur Folge hat, werden anschließend mögliche
Ursachen hierfür, Maßnahmen zur Verhinderung derselben und Umgangsstrategien
mit solchen Abbrüchen erläutert.
Im Untersuchungsdesign [Kapitel 3] werden zunächst das narrative Interview und
das themenzentriert-komparative Auswertungsverfahren als angewandte
Forschungsmethoden vorgestellt. Es folgen die Beschreibung meiner persönlichen
Erfahrungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der beiden
Einleitung 8
Interviews1, eine kurze Vorstellung der befragten Familien und allgemeine Hinweise
zur Auswertung.
In Kapitel 4 und 5 folgt die Auswertung der Interviews, um so einen Einblick in das
subjektive Empfinden der betroffenen Familien zu erhalten. Die Auswertung wird
anhand folgender Hauptthemen vorgenommen:
o Kontaktaufnahme zum Jugendamt
o Das erste Treffen mit der SPFH
o Die Hilfeplangespräche
o Die Arbeit in der Familie
o Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
o Abschluss der Hilfe
o SPFH als Belastung
o SPFH als Unterstützung
Die zentralen Ergebnisse der beiden Interviews werden in Kapitel 6 miteinander
verglichen. Durch diesen Vergleich wird deutlich, wie gegensätzlich die Familienhilfe
in den befragten Familien erlebt wurde. Unter Heranziehung der theoretischen
Grundlagen aus Kapitel 2 werden zur Erklärung dieses unterschiedlichen Erlebens
einige Thesen aufgestellt.
Im Zusammenhang mit diesen Thesen werden abschließend in einem Ausblick
[Kapitel 7] Anregungen für die weitere Gestaltung der Sozialpädagogischen
Familienhilfe formuliert.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die Familien mit ihrem subjektiven
Erleben, mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen. Diese
Erkenntnisse gilt es wahrzunehmen, zu verstehen und für die praktische Arbeit
nutzbar zu machen.
1 Die transkribierten Interviews sind im Anhang zu finden.
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 9
1. Sozialpädagogische Familienhilfe
„Sozialpädagogische Familienhilfe ist eine ambulante, auf Prävention und
Förderung setzende Unterstützung, Betreuung und Begleitung der Erziehung in der
Familie“ (Nielsen 1999: 161). Diese prägnante Zusammenfassung soll im Folgenden
differenzierter erläutert werden.
1.1. Begriffsbestimmungen
Rechtliche Einordnung
Eine SPFH ist eine Hilfe zur Erziehung nach § 27 KJHG (Kinder- und
Jugendhilfegesetz). Sie wird in § 31 KJHG wie folgt definiert: „Sozialpädagogische
Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren
Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von
Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen
und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und
erfordert die Mitarbeit der Familie.“
Die Bedürfnisse des Kindes sind dabei maßgeblich für den Hilfeanspruch. Nach §
27 Absatz 1 KJHG, hat „ein Personensorgeberechtigter […] bei der Erziehung eines
Kindes […] Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des
Kindes […] entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine
Entwicklung notwendig und geeignet ist.“ Über die Besonderheit der SPFH als Hilfe
zur Erziehung schreibt Ludemann (1992: 257): „Aufgrund ihres eindeutig
familienorientierten Charakters entspricht SPFH als Hilfeansatz für und mit Familien
in besonders schwierigen Lebenslagen auch der grundlegenden Zielsetzung des
KJHG, das als eine der wichtigsten Planungs- und Wirkrichtungen die Vermeidung
oder den Abbau der Benachteiligung von Kindern […] sowie deren Eltern nennt (§ 1
Abs. 3 Nr. 1 und 2 und § 80 Abs. 2 Nr. 3 KJHG)“.
Neben der SPFH zählen die folgenden Hilfearten zu den Hilfen zur Erziehung. Alle
diese Hilfen sind Angebote, die nicht angeordnet werden können, sondern auf die
Freiwilligkeit der Personensorgeberechtigten angewiesen sind und von ihr
abhängen. (vgl. Ludemann 1992: 259)
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 10
Historische Entwicklung
1968 kam in der Berliner Gesellschaft für Heimerziehung (BGfH)1 die Idee auf,
durch Familienhilfe kurzfristige Heimunterbringungen zu vermeiden.
Familienhelferinnen wurden zunächst in Familien eingesetzt, in denen die Mutter z.
B. in Kur oder im Krankenhaus war. Als festgestellt wurde, dass diese Form der
Familienhilfe zu einer Milderung von drohender Verwahrlosung,
Verhaltensauffälligkeiten, familiärer Überlastung und Schulproblemen führte, wurde
das Konzept der Sozialpädagogischen Familienhilfe als Hilfe zur Erziehung und
Alltagsbewältigung entwickelt. Es verbreitete sich in den kommenden Jahren in der
gesamten Bundesrepublik. (vgl. Nielsen und Nielsen 1986: 23) „Inzwischen existiert
1 In der BGfH hatten sich Sozialarbeiter und Studenten zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Heimerziehung zusammengeschlossen.
§ 35 INSPE
(Intensive soz.- päd. Einzel-betreuung)
§ 34 Heim-
erziehung
§ 33 Vollzeit-pflege
§ 32 Tages-gruppe
§ 31 SPFH (Sozial-
pädagogische Familienhilfe)
§ 30 Erziehungsb
eistand-schaft
§ 29 Soziale
Gruppen-arbeit
§ 28 Erziehungsb
eratung
Hilfen zur Erziehung im KJHG
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 11
SPFH flächendeckend in allen alten und neuen Bundesländern“ (DJI 1998: 8), 1991
wurde sie im KJHG verankert. (vgl. Woog 1998: 24)
Leistungsumfang
Die besondere Stärke der SPFH liegt von Beginn ihrer Entwicklung an darin, durch
eine zeitintensive und kontinuierliche Betreuung in Not geratenen Familien
verlässliche Partner an die Seite zu stellen. Die Fachkräfte sind nicht unbedingt
Expertinnen für spezielle Teilaspekte der Familie, sondern ihr Kompetenzbereich
umfasst den gesamten Familienalltag, in dem sie fast ausschließlich arbeiten. (vgl.
Buchholz-Graf 2001: 250) Sie entlasten, unterstützen und beraten Familien im
Wesentlichen in folgenden Tätigkeitsfeldern:
• „Gesundheit, Haushalt
• Finanzen (Schuldenregulierung, Befähigung zu regelmäßigen Zahlungen)
• Beziehungen zum sozialen Umfeld (Schule, Behörden, Nachbarschaft)
• Arbeit, Arbeitslosigkeit
• Interaktionsprozesse in der Familie
• Verhaltensauffälligkeiten der Kinder
• Beziehung der Eltern
• Regelsysteme“ (Nielsen 2004: 164)
Nach einer Phase des Kennenlernens wird neben vielen beratenden Gesprächen
ganz praktische Hilfe geleistet. So wird z. B. Verhalten bewusst gemacht und
reflektiert, Haushaltsführung eingeübt, alternative Umgangsformen mit den Kindern
vorgelebt, Behördengänge oder Arztbesuche begleitet, Hausaufgabenhilfe geleistet
oder mit den Kindern gespielt.
Antragstellung und Hilfeplanverfahren
Eltern können von sich aus einen Hilfebedarf anmelden oder aber das Jugendamt
legt ihnen aufgrund der Familiensituation die Antragstellung auf Hilfe zur Erziehung
nahe. Nach § 27 KJHG muss zunächst ein erzieherischer Bedarf festgestellt
werden, den Buchholz-Graf (2001: 247) an folgenden Merkmalen festmacht:
• Es liegen Sozialisationsbedingungen vor, „die die Entwicklung des Kindes
oder Jugendlichen zu einer autonomen und sozial kompetenten
erwachsenen Person behindern“.
• Die Erziehung berücksichtigt die Grundbedürfnisse des Kindes oder
Jugendlichen nicht ausreichend.
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 12
• Das Kind zeigt „gravierende Verhaltensauffälligkeiten oder
Entwicklungsbeeinträchtigungen“.
Wenn ein Hilfebedarf vorliegt, muss das Jugendamt die Hilfeart auswählen, die
notwendig und geeignet ist. Hierzu ist eine intensive und umfassende Anamnese
der Familie, ihrer Geschichte, ihrer aktuellen Situation, ihres sozialen Umfeldes, der
Entwicklung der Kinder, der Problematik aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder
sowie der Schulen bzw. Kindergärten erforderlich. Die Mitarbeiter des Jugendamtes
entwickeln verschiedene Ideen zur Unterstützung der Familie und stellen sie dieser
vor. Lassen sich die Eltern auf das Angebot einer Hilfe zur Erziehung ein, findet ein
erstes Hilfeplangespräch (HPG) statt, an dem – im Falle der Einrichtung einer SPFH
– die Sorgeberechtigten, das Jugendamt und die Fachkraft beteiligt sind. Es werden
die Vorstellungen der einzelnen Beteiligten (insbesondere der Familie) über Ziele,
Zusammenarbeit, Themen und Dauer der Hilfe besprochen und dokumentiert. In
regelmäßigen Abständen finden weitere Hilfeplangespräche statt, deren Ziel die
Fortschreibung des Hilfeplans ist. Es wird überprüft, was schon erreicht wurde, ob
die Hilfe noch notwendig und geeignet ist und es werden neue kurzfristige Ziele
aufgestellt. Dieses Hilfeplanverfahren gilt für alle Hilfen zur Erziehung und ist wie
auch die Mitwirkung der Personensorgeberechtigten und des Kindes/Jugendlichen
an den Hilfeplangesprächen in § 36 KJHG gesetzlich verankert.
1.2. Aktuelle Entwicklungen
Im Jahr 2006 war in 52.800 Familien mit 116.400 Kinder und Jugendlichen eine
Sozialpädagogische Familienhilfe eingesetzt, was im Vergleich zum Vorjahr eine
Erhöhung um 9% bedeutet. Zehn Jahre zuvor wurden nur 20.100 Familien durch
eine SPFH betreut. Im Jahr 2006 wurde die Hilfe in 24.700 Familien neu begonnen
und in 20.100 Familien beendet. Die durchschnittliche Dauer der 2006 beendeten
Hilfen betrug 16 Monate.
Die vielfältigen Anlässe für den Einsatz einer SPFH waren im Jahr 2006 wie folgt
verteilt (Mehrfachnennungen waren möglich): 71% aufgrund von Erziehungs-
schwierigkeiten; 40% aufgrund von Entwicklungsauffälligkeiten; 29% aufgrund von
Beziehungsproblemen; 21% aufgrund von Schul- und Ausbildungsproblemen; 16%
aufgrund von Vernachlässigung der Kinder und 15% aufgrund der Trennung oder
Scheidung der Eltern.
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 13
Die Hälfte der Hilfen wurde 2006 in Familien allein erziehender Mütter oder Väter
geleistet. 33% aller beteiligten Familien hatten zwei Kinder, 34% hatten drei und
mehr Kinder. (vgl. Statistisches Bundesamt 2007: 9 - 37)
Kevin in Bremen, Jessica in Hamburg, Lea-Sophie in Schwerin – tödlich
vernachlässigte und misshandelte Kinder, deren Schicksale die Öffentlichkeit in den
letzten Monaten erschüttert haben. Und immer wieder kommen dieselben Fragen
auf: Warum hat das Jugendamt nichts getan? Wie konnte so etwas Schreckliches
über Monate hinweg unbemerkt geschehen? Stellt man sich die Frage, ob früher
genauso viele Kinder wie heute unter Vernachlässigung bzw. Misshandlung litten
oder sogar dadurch zu Tode kamen, lässt sich eine möglicherweise unerwartete
Antwort finden: „Die Zahl der Kinder unter 10 Jahren, die durch einen tätlichen
Angriff zu Tode gekommen sind, ist in den letzten 25 Jahren um mehr als die Hälfte
gesunken“ (Fuchs-Rechlin 2006: 3). Bislang blieben diese Fälle eher unbemerkt von
der breiten Öffentlichkeit, weil sie von den Medien nicht so verbreitet wurden. Mit
dieser Erwähnung sollen die einzelnen Schicksale nicht verharmlost werden, denn
jedes ist eines zuviel, es ist jedoch entscheidend, zu verstehen, dass dies nur die
Spitze des Eisberges ist (vgl. Fuchs-Rechlin 2006: 5). Aus eigener Erfahrung als
Bezirkssozialarbeiterin beim Jugendamt kann ich sicher sagen, dass dort immer
mehr Familien bekannt sind, in denen eine Gefährdung der Kinder droht oder
tatsächlich vorliegt. Immer häufiger melden sich Schulen oder Kindergärten, um
besorgt von der Familiensituation der Kinder zu berichten und um ein Eingreifen
seitens des Jugendamtes zu bitten. Möglicherweise sind Lehrer und Erzieher durch
die aktuellen Nachrichten für Verdachtsmomente sensibilisiert worden, vielleicht
sind diese Meldungen aber auch einfach Zeichen von Hilflosigkeit und der Angst,
einmal den entscheidenden Hinweis zu übersehen.
Es wird viel diskutiert z. B. über Pflichtuntersuchungen für Kinder,
Familienhebammen, Frühwarnsysteme und mehr Eingriffs- und
Kontrollmöglichkeiten für die Mitarbeiter der Jugendämter – und dennoch bleibt
Hilflosigkeit. Es muss etwas geschehen – aber was? Anscheinend brauchen immer
mehr Familien Hilfe– aber wie kann man gerade diese Familien erreichen? Viele
offene Fragen, auf die an dieser Stelle auch keine Antwort gefunden werden kann.
Auch wenn es in Deutschland aktuell keine verlässlichen Statistiken bezüglich
Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern gibt (vgl. Pothmann 2006: 3),
eines ist sicher: Die Zahl der Hilfen zur Erziehung steigt seit den 90er Jahren
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 14
deutlich (vgl. Fendrich und Pothmann 2006: 6). Immer mehr Familien benötigen
dringende Unterstützung bei der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder. »Einfach«
immer mehr Kinder in Heimen oder Pflegefamilien unterzubringen kann nicht das
Ziel sein, auch wenn dies für manche Familien der richtige Weg ist.
Sozialpädagogische Familienhilfe ist eine Hilfe, die zum einen präventiv arbeitet und
Familien in schwierigen Lebenslagen begleitet, damit es gar nicht zu
Krisensituationen kommt. Zum anderen kann sie zeitnah und alltagsnah in
Familienverhältnissen eingesetzt werden, die eine Gefährdung für die Kinder
bedeuten. Zwei Beispiele aus meiner Erfahrung als Bezirkssozialarbeiterin beim
Jugendamt: Eine junge Frau meldete sich telefonisch und bat um Unterstützung, da
sie in Kürze ein Baby erwartete. Bei dem anschließenden Hausbesuch stellte sich
heraus, dass Mutter und Vater psychisch behindert waren, unter gesetzlicher
Betreuung standen und mit der Versorgung eines Babys alleine völlig überfordert
wären. Nach einigen Gesprächen mit dem Ehepaar und ihrer Betreuerin wurde
vereinbart, dass die Familie ab der Geburt des Kindes intensiv durch eine SPFH
betreut werden sollte. Das Krankenhaus war informiert und berichtete umgehend
von der Geburt des Kindes, so dass die Familienhelferin ihre Arbeit mit der Familie
sofort beginnen konnte. Langfristig konnte das Kind nicht bei seinen Eltern bleiben,
sondern wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Durch die engmaschige
Betreuung der SPFH war von Geburt an für das Wohl des Kindes gesorgt. Zudem
konnte die Unterbringung in der Pflegefamilie auf der Basis der entstandenen
Vertrauensbeziehung zwischen Familienhelferin und Eltern vorbereitet und
aufgearbeitet werden.
In einem anderen Fall meldeten sich Grundschule und Kindergarten in Sorge um die
Kinder einer alleinerziehenden Mutter: Die Kinder machten einen ungepflegten,
verwahrlosten Eindruck und fielen immer wieder durch auffälliges Verhalten auf. In
Gesprächen zeige sich die Mutter uneinsichtig und habe kein Problembewusstsein.
Auch die Großmutter meldete sich und äußerte sich sehr besorgt über die
Familiensituation. Zunächst war es schwierig, einen Kontakt zu der Mutter
herzustellen, als dies jedoch gelungen war, wurde Folgendes deutlich: die Mutter litt
an einer schweren chronischen Erkrankung, aktuell hatte sie auf der einen Seite mit
schlimmen körperlichen Beschwerden zu kämpfen und versank auf der anderen
Seite regelrecht in ihren Sorgen um die Zukunft, die möglicherweise eine baldige
Pflegebedürftigkeit und einen frühen Tod bedeutete. Ihre Krankheit nahm sie –
physisch wie psychisch – dermaßen in Anspruch, dass sie auf die Bedürfnisse ihrer
1. Sozialpädagogische Familienhilfe 15
Kinder nicht mehr ausreichend eingehen konnte. Die Kinder wurden körperlich und
seelisch vernachlässigt. Die Mutter ließ sich von der Notwendigkeit einer Hilfe zur
Erziehung überzeugen und konnte mit Hilfe einer Familienhelferin einen anderen
Umgang mit ihrer Krankheit erlernen und vor allem an der Erfüllung ihrer Aufgaben
und ihrer Verantwortung als Mutter arbeiten.
Auch wenn die Situationen immer individuell und völlig unterschiedlich sind, der
Bedarf an SPFH ist ohne Frage gegeben, ihre Bedeutung in Deutschland wird
weiter rapide wachsen. Deshalb ist es notwendig, die Zahl der Fachkräfte zu
steigern. Noch entscheidender ist jedoch der Aufbau vertrauensvoller Kontakte von
Jugendamt und SPFH-Fachkräften zu den hilfebedürftigen Familien. Nur so können
diese bereit und offen dafür werden, eine Hilfe anzunehmen, die Unterstützung,
aber auch – zum Schutz der Kinder – Kontrolle beinhaltet.
Das Geheimnis dieses schwierigen Balanceaktes zwischen Hilfe und Kontrolle, der
die Arbeit einer jeden SPFH bestimmt, liegt in der Beziehung. Im folgenden Kapitel
soll es deshalb zunächst um professionelle und die persönliche Komponenten der
Beziehung zwischen Fachkraft und Familie gehen. Da der Einsatz einer SPFH aber
nicht immer erfolgreich abgeschlossen wird, was möglicherweise auch auf eine
misslungene Beziehung zwischen Fachkraft und Familie zurückzuführen ist, wird im
zweiten Teil des Kapitels auf den Abbruch einer SPFH eingegangen.
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
16
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Fami lie
„Das Geheimnis der sozialpädagogischen Familienhilfe ist die Beziehung zwischen
Familie und Familienhelfer“ (Rothe 2006: 96). Diesem Geheimnis möchte ich im
folgenden Kapitel auf den Grund gehen, indem ich zunächst auf die persönlichen
und die professionellen Komponenten der Beziehung zwischen Fachkraft und
Familie eingehe. Anschließend soll der Abbruch einer SPFH thematisiert werden,
dem in vielen Fällen eine misslungene Beziehung zugrunde liegt.
2.1. Die professionelle und die persönliche Beziehu ng
Menschen, die sich begegnen, die Zeit miteinander verbringen, treten in Beziehung
zueinander, unabhängig davon, unter welchen Bedingungen die Begegnung
stattfindet. Beziehungen können eng oder locker, oberflächlich oder tiefgehend,
privat oder rein geschäftlich sein – und schließlich auch professionell oder
persönlich. Sozialpädagogische Arbeit ist in erster Linie Beziehungsarbeit, also eine
Arbeit, deren Basis die zwischenmenschliche Beziehung ist.1
Für die SPFH gilt dies in besonderem Maße; ist sie doch „von ihrem Ansatz her ein
Agieren und Intervenieren im Privatbereich der Familie. […] Das bedeutet zunächst,
daß eine der Familie fremde Person bis zu 10/15 Stunden wöchentlich in der
Familie tätig wird und Einblick in ihr Privatleben erhält“ (Nicolay 1993: 542). Die
besondere Herausforderung für die Familienhelferin liegt darin, dass sich „der
Kontakt mit dem Klienten […] im Alltag [vollzieht]“ (Kircher 1992: 270), was sich
selbstverständlich auf die Art, die Intensität und den Stellenwert der Beziehung
auswirkt. Gelingt es, eine Vertrauensbeziehung zwischen Familie und Fachkraft
aufzubauen, liegt genau hier die Stärke der sozialpädagogischen Familienhilfe: die
Familie wagt es, „auch die besonders problematischen und misslungenen Seiten
ihres Familienlebens für die Sozialpädagoginnen zugänglich zu machen und sie so
zu bearbeiten und zu verändern“ (Wolf 2003:7).
Bei dieser Art von Beziehung ist es nicht möglich, die persönlichen und die
professionellen Anteile strikt voneinander zu trennen, aber es stellen sich in diesem
Zusammenhang einige Fragen: Was ist entscheidender für die Arbeit der
Familienhelferin: ihre Professionalität, also z. B. die Methodenwahl, die fachlichen
Kenntnisse, die Balance zwischen Nähe und Distanz oder aber ihre Person mit 1 „Ein/e gute/r PädagogIn […] soll ein/e SpezialistIn sein für das Entwickeln einer guten Beziehung“. (Wolf 2006: 9)
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
17
ihren individuellen Eigenschaften, ihren Einstellungen und Werten, ihrem
Charakter? Passt eine Familienhelferin mit ihrer Person nur zu bestimmten Familien
oder macht es gerade ihre Professionalität aus, dass sie mit vielen oder sogar allen
Familien erfolgreich arbeiten kann? Wann ist es wichtig, dass die Fachkraft ihre
Professionalität betont, wann ist es für das Beziehungsgefüge entscheidend, der
Familie einfach als Person zu begegnen?
Es sollen zunächst einige Kompetenzen aufgeführt werden, die in der Fachliteratur
als erforderlich für die – wenn man so will – »professionelle Person« der
Familienhelferin genannt werden. Verschiedene Autoren nahmen eine Unterteilung
in professionelle und persönliche Kompetenzen vor, die ich tabellarisch
zusammengefasst habe. Die Aufteilung ist nicht immer eindeutig, die unten
genannten Grundhaltungen sind für mich z. B. sowohl der Professionalität als auch
der Persönlichkeit der Familienhelferinnen zuzuordnen. Weiter stellte sich mir im
Zusammenhang einzelner Aspekte die Frage, ob nicht auch einige der persönlichen
Kompetenzen insofern erlernbar sind, dass sie auch zu den professionellen
Kompetenzen zählen könnten (Beispiel: Konfliktfähigkeit). Genauso gibt es
professionelle Kompetenzen, die auch der Person zugeordnet werden könnten
(Beispiel: Kreative Ansätze => Kreativität als persönliche Kompetenz). Auch an
weiteren Stellen wird deutlich, dass dieselbe Kompetenz auf beiden Seiten zu finden
ist.
Grundhaltungen:
• Unbedingter Respekt vor der Persönlichkeit des Klienten und das Zutrauen
in seine Selbsthilfekräfte
• Verlässlichkeit
• Echtheit und Transparenz
Professionelle Kompetenzen
Persönliche Kompetenzen
• Fähigkeit zur Selbstreflexion und
Selbstevaluation
• Selbstreflexion
• Selbsteinschätzung
• Balance aus freundlicher
Anbindung und professioneller
Distanz
• Nähe – Distanz halten können
• Konfliktfähigkeit
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
18
• Achtung und Respekt den
Familien gegenüber als Basis
des Handelns
• Toleranz
• Menschenliebe
• Selbsterfahrung
• lösungsorientiertes,
ressourcenorientiertes Denken
• Positives sehen können
• Optimismus
• Vertrauen in Familien
• Gesprächsführung
• Einfühlungsvermögen
• Frustrationstoleranz
• strukturiertes Handeln in
Balance mit dem Einlassen auf
den eher diffusen und
chaotischen Alltag
• Flexibilität
• Geduld
• Entscheidungsfreudigkeit
• Durchsetzungsvermögen
• Kooperationsfähigkeit
• Anpassungsfähigkeit
• Transparenz der Arbeit
• systemisches Wissen und
Denken
• Vermittlung zu Behörden und
sonstigen Institutionen
• kreative Ansätze
• fundierte Kenntnisse in den
Bereichen:
- Kinderpflege/ -entwicklung
- Erziehung
- Haushaltsführung / -planung
- innerfamiliäres
Interaktionsgeschehen
- schichtspezifische
Verhaltensvarianten
(Vgl. Kircher 1992: 268 / Pressel 1981: 77 / DJI 1998: 97ff)
Angesichts solcher Aufzählungen wird der Eindruck vermittelt, dass
Familienhelferinnen Omnipotenz abverlangt wird. Ähnlich sehen dies Karsten und
Otto, wenn sie Familienhelferinnen als „«Super-Helfer» [bezeichnen], deren
personale, soziale und fachliche Kompetenz ihnen nahezu Allzuständigkeit
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
19
zuschreiben“ (Karsten und Otto 1987: 161). Dabei darf nicht vergessen werden,
„dass Familienhelfer nicht allumfassend kompetent sind, sondern spezifische
Fähigkeiten und Grenzen haben“ (ebenda: 160).
In der Literatur scheint klar: Person vor Professionalität. So betonen Nielsen und
Nielsen (1986: 26), „dass Qualitäten, die die erfolgreiche Intervention eines
Familienhelfers versprechen, weniger Ausbildungsergebnisse bestehender
Studiengänge darstellen, sondern vielmehr Merkmale von »Reife« und einer
verantwortungsvollen Grundhaltung im Leben sind.“ Diese Reife ist eindeutig der
Person der Familienhelferin zuzuordnen, auch wenn sie sich natürlich auf deren
Professionalität auswirkt. Entsprechend schreibt Rothe: „Für den Erfolg der SPFH
zählt nicht eine Methode, sondern die Persönlichkeit des Familienhelfers, seine
menschliche Wärme, sein Einfühlungsvermögen, sein Engagement und sein
Respekt vor den – anderen – Werten der Familie.“ Und: „Die Qualität des
personalen Bezugs bestimmt den Erfolg der SPFH“. (Rothe 2006: 96) Hierfür sollte
die Familienhelferin der Familie ermöglichen, sie als Person kennen zu lernen,
indem sie z. B. eigene Erfahrungen in Familiensituationen einbringt. Dann können
Eltern feststellen, dass ihre eventuellen Sorgen bezüglich des SPFH-Einsatzes „im
Hinblick auf diese Person und Hilfe nicht berechtigt waren“ (Nicolay 1993: 543).
Eine motivierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit kann sich entwickeln.
Es ist jedoch wichtig, auf ein gewisses Gleichgewicht zu achten. Entsprechend
Rothe (2006: 7) „muß ein Ziel des Familienhelfers sein, von der Familie auch als
Person angenommen zu werden. Er darf aber nicht Teil des Familiensystems
werden“. Oft versuchen Eltern die Beziehung zu der Familienhelferin zu
„»privatisieren«, z. B. indem sie gemeinsame Unternehmungen vorschlagen (Disko-
oder Kneipenbesuche u.ä.)“ (Nicolay 1993: 546). Dieses Verhalten ist einerseits ein
Zeichen für die gelungene Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung,
andererseits ist an diesem Punkt die Professionalität und damit eine gewisse
Abgrenzung der Familienhelferin gefragt, um nicht von der Familie vereinnahmt zu
werden. Diese Abgrenzung muss einfühlsam geschehen und unbedingt damit
einhergehen, der Familie Sympathie und persönliches Interesse zu vermitteln, um
die gewonnene Vertrauensbasis nicht zu gefährden. (vgl. Nicolay 1993: 546)
Auch beim Abschied der Fachkraft aus einer Familie wird die Bedeutung der Person
mit ihren Eigenschaften und Einstellungen im Hilfeprozess deutlich: Vielen
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
20
Fachkräften fällt es nicht leicht, die Familie oder einzelne Familienmitglieder
loszulassen, weil im Laufe der Zeit eine persönliche Beziehung entstanden ist (vgl.
Conen 1988: 286). In vielen Fällen bleiben Familie und Fachkraft in Kontakt und ein
vertrauensvolles Verhältnis auch nach Beendigung der Hilfe bestehen. Einige
Familien holen sich in unregelmäßigen Abständen Rat, andere melden sich
gelegentlich, um die Fachkraft auf dem Laufenden zu halten oder um von Erfolgen
zu berichten. All dies ist bedeutsam für die Familie, der so die Echtheit des an ihr
gezeigten Interesses verdeutlicht wird; wichtig aber auch für die Fachkraft, die
wissen möchte, wie es mit »ihrer Familie« weitergeht. Je nach Situation kann aber
auch hier wieder Abgrenzung – und damit die Betonung des professionellen
Charakters der Beziehung – von Nöten sein. (vgl. Rothe 2006: 97)
Ein weiterer Aspekt soll hier kurz angesprochen werden: Märtens spricht von der
Persönlichkeit des Beraters als wesentliche Wirkvariable in Beratung1 und Therapie.
Er sieht es aus diesem Grund als notwendig an, sich als Berater ständig „die Frage
nach der aktuellen eigenen Beziehungsfähigkeit“ (Märtens 2006: 1) zu stellen.
Einige Beispiele für solche herausfordernde Fragen sind:
• Wie intensiv wirke ich heute als Wirkfaktor?
• Muss ich meine Wirkung heute steigern oder reduzieren und bin ich dazu in
der Lage?
• Sollte ich heute meine Termine besser nicht wahrnehmen anstatt mit
Familien zusammen zu arbeiten, denen ich heute möglicherweise nicht gut
tue? (vgl. Märtens 2006: 1)
Diese Überlegungen klingen auf den ersten Blick provokant oder übertrieben,
nehmen aber die Tatsache, dass die Person den entscheidenden Faktor einer
gelungenen Zusammenarbeit darstellt, sehr ernst. Sicherlich muss es zur
Professionalität einer jeden Familienhelferin gehören, unabhängig von Laune oder
Lust möglichst wirksam mit der Familie zu arbeiten. Dennoch ist es
nachdenkenswert, sich selber als wichtigstes Handwerkzeug in dieser Arbeit zu
sehen, das eben auch »funktionieren« und wirken muss. Möglicherweise gibt es
dann Situationen, in denen ein Termin verschoben werden muss, z.B. weil sich die
1 Märtens bezieht sich auf den Bereich der Psychosozialen Beratung. Auch dort steht – wie bei der SPFH – die Beziehung(-sfähigkeit) im Vordergrund. Für mich fanden sich interessante Aspekte und Anregungen, die auch für das Arbeitsfeld der SPFH relevant sind.
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
21
Fachkraft nicht dazu in der Lage sieht, der Familie offen und wertschätzend
gegenüber zu treten.
Eine Antwort auf die Frage, ob zu bestimmten Familien auch nur bestimmte
Familienhelferinnen passen oder ob die erfolgreiche Kooperation mit allen Familien
eine gute Familienhelferin ausmacht, konnte ich in der Literatur nicht finden. Es gibt
sicherlich Fachkräfte, die aufgrund ihrer Persönlichkeit generell gut mit Familien in
Kontakt kommen, Vertrauen ermöglichen und so Veränderungen in den Familien
anregen können. Nichtsdestotrotz ist es nur nahe liegend, dass bei der vorab
herausgestellten Wichtigkeit der Person der Familienhelferin diese auch zu der
Familie passen muss. Zwei Beispiele aus meiner Erfahrung als
Bezirkssozialarbeiterin beim Jugendamt:
- Eine besonders tierliebe Familienhelferin kommt mit einer zunächst sehr
verschlossenen und misstrauischen Mutter dadurch in Kontakt, dass sie sich
über die unterschiedlichen Erfahrungen mit ihren Hunden austauschen. Eine
Beziehung kann aufgebaut werden, die Mutter fühlt sich ernst genommen.
- Für eine Mutter ist es genau das richtige, dass die Familienhelferin schon
beim zweiten Treffen mit Kisten unter dem Arm vor der Tür steht, um die
Wohnung zu entrümpeln. Ein solches Vorgehen wäre bei anderen Familien
vorschnell, vielleicht sogar überrumpelnd gewesen, aber diese Mutter
benötigt anscheinend genau diese Art der Hilfe: dass jemand kommt und
anpackt und zeigt, dass sich etwas ändern kann.
Für die Praxis lässt sich daraus die Notwendigkeit ableiten, Fachkräfte mit viel
Fingerspitzengefühl und erst nach einem intensiven Kennenlernen der Familie
auszuwählen. Dafür ist ein recht großer Kreis an verfügbaren Familienhelfern
notwendig. Zudem müssten diese den zuständigen Jugendamtsmitarbeitern
persönlich bekannt sein.
Es scheint, als sei dieser erste Schritt – also die Auswahl der Fachkraft – für den
erfolgreichen Verlauf der Hilfe entscheidend. Möglicherweise ist vielen
Verantwortlichen nicht bewusst, dass diese Entscheidung einen wesentlichen
Grundstein einer Erfolg versprechenden Familienhilfe darstellt. Genauso wie es
Fachkräfte gibt, die mit vielen ganz verschiedenen Familien gut zusammenarbeiten
können, mag es Familien geben, die mit nahezu jeder Familienhelferin
zurechtkommen würden und für einen Beziehungsaufbau mit ihr offen wären. Für
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
22
andere Familien sind die Annahme der Hilfe und das Sich-Einlassen auf eine
Beziehung und auf Veränderungen in großem Maße abhängig von der Person der
Familienhelferin. Wenn diese nicht zu der Familie passt, kann die Hilfe schnell zum
Scheitern verurteilt und die Chance, erneut einen Zugang zu der Familie zu
bekommen, sehr erschwert sein. Dies ist nach meiner Erfahrung häufig bei den
Familien der Fall, die einer Hilfe vom Jugendamt sehr skeptisch bis ablehnend
gegenüberstehen, die diese Hilfe aber dringend benötigen.
Auch wenn die Praxis leider oft anders aussieht, darf die Hauptfrage bei der Suche
nach einer Familienhelferin nicht sein „Wer hat noch Kapazitäten frei?“, sondern „Mit
welcher Person hat der Einsatz einer SPFH in der jeweiligen Familie eine echte
Chance? Welche persönlichen und professionellen Kompetenzen sind in dieser
Familie von Nöten, um auf der Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung
erfolgreich arbeiten zu können und einen Abbruch zu vermeiden?“ In der Praxis
könnte dies z. B. anhand einer Kartei mit den Profilen der einzelnen verfügbaren
Familienhelferinnen umgesetzt werden. Aus einer solchen Kartei müsste
hervorgehen, in welchen Kompetenzbereichen die Stärken bzw. die Schwächen der
jeweiligen Familienhelferin liegen und ob sie Expertin für ein Spezialgebiet ist, wie z.
B. Abhängigkeit, Gewalt, psychische Erkrankungen, Familien mit kleinen Kindern
oder auffällige Jugendliche. Zudem erscheint es mir hilfreich, grundsätzlich eine
Probezeit (vgl. Conen 1988: 286) zu vereinbaren, nach deren Ablauf entschieden
wird, ob die Hilfe grundsätzlich weiterlaufen soll. Im speziellen sollte dann aber auch
die Frage geklärt werden, ob die Hilfe auf der persönlichen Ebene – also zwischen
Familie und Fachkraft – stimmig ist. Wenn Fachkraft und Familie der Hilfe nach
dieser Probezeit zustimmen, ist ein entscheidender Schritt hin zu einem
erfolgreichen Abschluss der Hilfe getan. Die bewusste Befürwortung der Hilfe durch
beide Seiten beweist den gelungenen Aufbau einer persönlichen, vertrauensvollen
Beziehung.
2.2. Abbrüche von Familienhelfereinsätzen
Das eindeutigste Zeichen für eine misslungene Beziehung zwischen
Familienhelferin und Familie ist der Abbruch der Hilfe. Abbruch meint in diesem
Zusammenhang „eine einseitige, ungeplante Beendigung der SPFH […]
(abgesehen von unvorhergesehenen Ereignissen, wie Wohnortwechsel oder
Wechsel in eine andere Hilfeform)“ (DJI 1998: 305).
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
23
Blüml, Helming und Schattner (1994) halten in ihrer Untersuchung zur SPFH in
Bayern 1994 fest, dass ca. 20% der SPFH-Einsätze abgebrochen wurden – je zur
Hälfte von der Fachkraft und von der Familie. 62% der Abbrüche erfolgten im ersten
halben Jahr der Hilfe, nur 4% der Hilfen wurde nach einer Probezeit beendet.
In den Fällen, in denen die Hilfe durch die Fachkräfte abgebrochen wurde, kamen
die Autoren zu folgendem Ergebnis: den Fachkräften wurde erst nach einiger Zeit
deutlich, dass die Familien der Hilfe zu ambivalent gegenüber stehen und ihre
Mitarbeit zu gering ist. Natürlich gab es auch Fälle, in denen die Fachkräfte an
persönliche Grenzen kamen, die in ihrer Qualifikation oder ihrer persönlichen und
beruflichen Erfahrung begründet waren. Ein Abbruch seitens der Familienhelferin ist
nach Blüml, Helming und Schattner legitim bei einer Gefährdung der Kinder in der
Familie bzw. wenn es nicht gelungen ist, eine Beziehung zu der Familie
aufzubauen. Hier ist es wichtig, dass der Abbruch vor der Familie transparent
gemacht wird und nicht abrupt erfolgt.
In den Fällen, in denen die Hilfe durch die Familie abgebrochen wurde, war meist
festzustellen, dass die Familie »wirkliche« Veränderungen verweigerte und ihr die
Hilfe »zu nah« wurde.
(vgl. Blüml, H.; Helming, E.; Schattner, H. 1994: 121-124)
Noch ausführlicher und differenzierter stellt Marie-Luise Conen (1988: 280-289) in
ihrem Aufsatz „Ablösung und Beendigung in der sozialpädagogischen Familienhilfe
– Probleme und Perspektiven“ Überlegungen über mögliche Gründe für den
Abbruch einer SPFH an. Exemplarisch sollen einige der Situationen genannt
werden, die sie als „allgemein schwierig“ (Conen 1988: 280) bezeichnet, d.h.
Situationen, die einen Abbruch der Hilfe auslösen können – aber nicht müssen:
Nach einem anfänglich intensiven Kontakt zu der Familie ist eine wachsende
Distanzierung festzustellen, die die Familienhelferin als Widerstand fehlinterpretiert
– anstatt sie als ein normales Bedürfnis nach Distanz zu sehen. Familien, die sich
damit überfordert fühlen, der Familienhelferin in heiklen Gesprächssituationen
Grenzen aufzuzeigen, gehen ihr hilflos aus dem Weg oder lassen es ratlos so weit
kommen, dass die Hilfe abgebrochen wird. Auch kann es zu Problemen kommen,
wenn nicht gewürdigt wird, dass allein schon die Anwesenheit der Familienhelferin
eine Herausforderung für das Familiensystem darstellt oder wenn den
Auffälligkeiten der Familie keine positive, systemstabilisierende Funktion zugeordnet
werden kann. (vgl. Conen 1988: 280f)
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
24
In Abgrenzung zu diesen Aspekten beschreibt Conen „besonders heikle
Situationen“, „in denen bzw. aufgrund derer Abbrüche der Familienhilfe stattfinden“
(Conen 1988: 281). Auch dies soll hier anhand einiger ausgewählter Beispiele
konkretisiert werden: Die Familie befürchtet, dass durch die SPFH ein Geheimnis
aufgedeckt werden könnte oder aber die Familienhelferin übernimmt zu viele
Aufgaben, die die Familie eigentlich selbst erledigen müsste. Im Speziellen: Der
Vater wird zu wenig in die Hilfe eingebunden, was entweder ein Entgegensteuern
durch den Vater zur Folge haben oder aber auch eine Festigung bestehender
problematischer Familienkonstellationen bedeuten kann. Heikel wird es zudem,
wenn die Eltern zu wenig in die Aktivitäten der Familienhelferin mit den Kindern
eingebunden werden bzw. die Familienhelferin durch eine zu enge Bindung der
Kinder an sich in eine Konkurrenzposition zu den Eltern tritt. Immer wieder tritt die
schwierige Situation auf, dass die Familienhelferin – besonders von
alleinerziehenden Eltern – in eine Ersatzelternrolle gedrängt gedrängt wird oder in
Paarkonflikten so weit für die Interessen einer Seite funktionalisiert wird, dass ein
Abbruch folgt. Bei Einsätzen in Familien, in denen Gewalt eine Rolle spielt, ist es
fatal, wenn die Familienhelferin ihre Ängste nicht thematisieren und abbauen kann
und nicht in der Lage ist, notwendige Grenzen zu setzen. (vgl. Conen 1988: 281ff)
Für beide Seiten schwierig wird die Situation, wenn die Familienhelferin unsicher
auftritt, obwohl die Familie von ihr Orientierung in ihrer eigenen unsicheren Situation
braucht und ihr vertrauen möchte. Problematisch wird es auch, wenn die
Familienhelferin Veränderungen innerhalb der Familie von ihrer Person und Arbeit
abhängig macht und deshalb Versagen nicht auch als Bestandteil der Familien- und
Prozessdynamik sieht. Zu Spannungen kann es zudem durch zu hohe Ansprüche
der Fachkraft an die Familie, durch »Konkurrenz« zu früheren Familienhelferinnen
oder durch Grenzüberschreitungen der Familie gegenüber der Familienhelferin
kommen. (vgl. Conen 1988: 284)
Eine ganz entscheidende Rolle für eine gelingende Zusammenarbeit spielt laut
Conen die Vorbereitung der Familie auf die Hilfe. Arbeitsgrundlage, Arbeitsauftrag
sowie gegenseitige Erwartungen müssen im Vorfeld geklärt werden, um zu
verhindern, dass der Hilfe unter falschen Voraussetzungen zugestimmt wird. Die
gemeinsame Festlegung messbarer Ziele ist für eine konstruktive und positive
Arbeit genauso wichtig wie eine Problemdefinition durch Helferin und Familie. (vgl.
Conen 1988: 283) Zur Verhinderung eines Abbruchs ist also allgemein zu
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
25
empfehlen, die Familie gleich zu Beginn der Hilfe dazu anzuregen, sich mit einigen
Fragen auseinanderzusetzen, wie z. B. „Woran würde die Familie merken, dass
ihnen die Familienhilfe eine Hilfe ist? Woran würde der Familienhelfer merken, dass
er […] Dinge angesprochen hat, die der Familie nicht so angenehm sind?“ (Conen
1988: 286). Die Familie muss merken, dass die Familienhelferin ihr familiäres
Wertesystem akzeptiert. Erst auf dieser Basis kann sie eine Offenheit für
Veränderungen entwickeln. (vgl. Conen 1988: 286)
Wenn es zu einem Abbruch der Hilfe kommt, sollte die Fachkraft in jedem Fall das
Gespräch mit der Familie suchen. Bei einem Abbruch durch die Familienhelferin
sollte der Familie deutlich gemacht werden, dass nicht sie die Verantwortung dafür
trägt, sondern dass der Abbruch auf eine fachliche Entscheidung im
Zusammenhang mit den Möglichkeiten der SPFH zurückzuführen ist. Bedauern
über diesen Schritt sollte genauso deutlich werden wie die Überzeugung, dass die
Familie über positive Entwicklungspotentiale verfügt. (vgl. DJI 1998: 309)
Falls ein Gespräch nicht möglich und ein Brief die einzige Kontaktmöglichkeit für die
Familienhelferin ist, schlägt Conen (1988: 288) die schriftliche Mitteilung folgender
Aspekte vor:
- „Verständnis zeigen für die Reaktion (Abbruch);
- Fehler zugeben und bedauern;
- Interesse verdeutlichen, die Dinge besser zu verstehen;
- Hinweise seien erwünscht, was die Familie sich anders gewünscht hätte;
- Erläutern, was der Familienhelfer in der Familie gelernt hat;
- Positive Rückmeldungen der Familie geben.“
Bei genauer Betrachtung fällt auf, wie eng die Thematik des Abbruchs der Hilfe und
die Aspekte der persönlichen und professionellen Beziehung zwischen
Familienhelferin und Familie verbunden sind. Alle angeführten Beispiele für
Situationen, in denen es zu einem Abbruch kommen kann und alle grundsätzlichen
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Familienhilfe sind Hinweise auf
mangelnde persönliche oder professionelle Kompetenzen der Fachkraft und / oder
Belege dafür, dass die persönliche Beziehung einen entscheidenden Beitrag zum
Gelingen der SPFH leistet. Dazu zwei Beispiele: Ist es gelungen, eine
vertrauensvolle, persönliche Beziehung zwischen Fachkraft und Familie
aufzubauen, weiß die Familie, wie sie der Familienhelferin in heiklen
2. Die Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
26
Gesprächssituationen Grenzen aufzeigen kann und dass diese respektiert werden.
Eine Familienhelferin, die innerhalb einer Familie zu viele Aufgaben übernimmt, die
diese eigentlich selber erledigen müsste, hat eventuell Schwierigkeiten, der Familie
etwas zu zutrauen oder aber ihr fehlt die Geduld, der Familie die nötige Zeit für
Veränderung und selbständiges Handeln zu geben.
Der Zusammenhang zwischen dem Abbruch einer Familienhilfe und der
professionellen und persönlichen Beziehung zwischen Familienhelferin und Familie
unterstreicht die Bedeutsamkeit der Auswahl der Fachkraft und der intensiven
Vorbereitung der SPFH in der Familie.
Bevor ich nun zur detaillierten Auswertung der von mir geführten Interviews
übergehe, werde ich im Untersuchungsdesign mein konkretes Forschungs-
Vorgehen erläutern und beschreiben. Auf das Thema „Abbrüche von
Familienhelfereinsätzen“ werde ich anhand des Interviews Müller zurückkommen
(siehe 4.6.).
3. Untersuchungsdesign 27
3. Untersuchungsdesign
Die für die diese Arbeit gewählten Untersuchungsmethoden sind das narrative
Interview und das themenzentriert-komparative Auswertungsverfahren. Beide
Methoden sollen im Folgenden erläutert werden.
3.1. Das narrative Interview
Das narrative Interview geht zurück auf Fritz Schütze (vgl. Schütze 1983: 283-293)
und ist eine spezielle Form des offenen Interviews. Für Schütze ist das
(autobiographisch-)narrative Interview eine Methode, „welche Primärdaten erfaßt,
deren Analyse auf die zeitlichen Verhältnisse und die sachliche Abfolge der von
ihnen repräsentierten lebensgeschichtlichen Prozesse zurückschließen lässt“
(Schütze 1983: 285). Im Zentrum dieser Methode steht eine Stegreiferzählung, in
welcher der Befragte möglichst umfassend und ohne Unterbrechung seitens des
Interviewers von selbst erlebten Ereignissen erzählt. Das Interview beginnt mit einer
möglichst offenen Erzählaufforderung, die den Interviewpartner in die
Haupterzählung einsteigen lässt. Während dieser Phase beschränkt sich die
Aufgabe des Interviewers ausschließlich auf das aktive Zuhören und unterstützende
bzw. ermutigende Signale – gestisch, mimisch oder lautlich (z.B. „hm“). Die Phase
wird von dem Erzähler meist durch Kommentare wie „So, ich glaube, mehr fällt mir
nicht ein“ beendet. Im Anschluss hat der Interviewer die Möglichkeit, Nachfragen zu
stellen, die sich entweder auf die Erzählung beziehen oder die noch nicht
angesprochene, aber für den Interviewer wichtig erscheinende Aspekte ansprechen.
Das Interview endet mit der Bilanzierungsphase: das Erzählte soll vom Interviewten
abschließend bewertet und zusammengefasst werden. (vgl. Flick, U.; v. Kardoff, E.;
Keupp, H.; v. Rosenstiel, L.; Wolff, S. 1991: 182-185)
Da es mir in der vorliegenden Arbeit wie eingangs beschrieben (siehe Einleitung)
um das subjektive Erleben der betroffenen Familien geht, war die Entscheidung
gegen quantitative Methoden und für Methoden der qualitativen Sozialforschung
naheliegend. „Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten «von innen
heraus» aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“ (Flick, U.; v.
Kardoff, E.; Steinke, I. 2004: 14) und genau dies ist mein Ziel. Ich entschied mich für
das narrative Interview, da ich meinen Interviewpartnerinnen in einer möglichst
offenen Gesprächssituation die Chance geben wollte, alle ihre Erfahrungen,
3. Untersuchungsdesign 28
Erlebnisse und Emotionen im Zusammenhang mit der SPFH zu erzählen. Mit dieser
Methode sollten sie die Freiheit haben, so weit auszuholen aber auch so detailliert
oder tiefgehend zu erzählen, wie sie es wollten. Für mich bedeutet dies mehr
Informationen, mehr Hintergrundwissen zu den Ereignissen und deshalb ein wohl
besseres Verstehen des Erlebens als dies mit einer engeren Fragestellung möglich
wäre.
3.2. Das themenzentriert-komparative Auswertungsver fahren
Das themenzentriert-komparative Auswertungsverfahren ist zurückzuführen auf Karl
Lenz (1986: 144-149), der allerdings selbst schreibt, dass sich „Hoffnungen auf ein
für alle möglichen Fragestellungen einer interpretativen Sozialforschung
anwendbares Auswertungsverfahren […] als Holzweg erweisen [dürften]“ (Lenz
1986: 144). Auch für meine Arbeit waren einige Abänderungen des von Lenz
entwickelten Verfahrens notwendig, insbesondere deshalb, weil mein Ziel anders als
in seinen Arbeiten nicht die Überprüfung einer Forschungshypothese ist. Ich
orientierte mich ergänzend an der Untersuchung von Klaus Wolf (1999: 45-52), der
sich in seiner Auswertung auch auf Lenz bezieht.
Lenz führt fünf Arbeitsschritte an, die ich kurz erläutern möchte:
(1) Kontrolle der Wortprotokolle anhand der Tonbandaufnahmen
Die transkribierten Interviews werden auf Vollständigkeit und Richtigkeit
überprüft, indem die Aufnahmen noch einmal aufmerksam angehört werden.
Durch das erneute Hören ist es zudem möglich, sich an eigene
Empfindungen oder Situationen während des Interviews wesentlich genauer
zu erinnern und auch diese zu verschriftlichen. (vgl. Lenz 1986: 145)
(2) Identifizieren von Themenkomplexen im Interviewprotokoll
Nach Lenz (1986: 145) geht es in diesem Schritt darum, Zitate aus den
Interviews zuvor festgelegten Themenkomplexen zuzuordnen. Wolf dagegen
entwickelte „erst bei der Auswertung ein System von Themenkomplexen“
(Wolf 1999: 47), denen er dann Textstellen zuordnete.
(3) Themenanalyse
Die Themenanalyse hat das Ziel, „schrittweise nachzuvollziehen und zu
rekonstruieren, was der/die Gesprächspartner/in mit den Äußerungen zu
3. Untersuchungsdesign 29
einem bestimmten Themenkomplex ‘eigentlich gemeint’ hat und diese
textimmanenten Bedeutungsinhalte in Form eines ‘Substrats’ festzuhalten“
(Lenz 1986: 145). So werden für jedes Interview individuelle Muster
herausgearbeitet, die „als ‘Hypothesen’ an den Text herangetragen werden“
(Lenz 1986: 146) und durch die Suche nach widersprechenden bzw.
bestätigenden Zitaten immer weiterentwickelt werden. (vgl. Lenz 1986: 146)
(4) Bestimmung von Grundmustern auf der Basis thematisch geordneter
Substrate
Die erarbeiteten Substrate (s.o.) aus den Interviews werden in dieser Phase
miteinander verglichen, um Grundmuster erkennen und daraus theoretische
Aussagen gewinnen zu können. (vgl. Lenz 1986: 147-148)
(5) Konstruktion deskriptiver Modelle
Im letzten Arbeitsschritt geht es um die Entdeckung und Überprüfung häufig
auftretender Kombinationen von Grundmustern. Diese werden in Form von
Modellen formuliert. (vgl. Lenz 1986: 148)
Während meines Studiums lernte ich das themenzentriert-komparative
Auswertungsverfahren als gut anwendbares und sehr ergiebiges Verfahren kennen.
Ich entschied mich deshalb auch in dieser Arbeit dafür. Da es nicht möglich oder
sinnvoll ist, aus der Analyse zweier Interviews heraus Modelle zu formulieren oder
Typologien zu entwickeln (vgl. Wolf 1999: 51), verzichte ich auf den letzten Schritt
des themenzentriert-komparativen Auswertungsverfahrens und beschränke mich
auf eine abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse. Zudem lege ich die
Themenkomplexe wie Wolf (s.o. unter (2)) erst im Rahmen der Auswertung, also
auf der Grundlage der schon vorliegenden Interviews fest.
3.3. Vorbereitungen
Nachdem das Thema dieser Diplomarbeit feststand, wandte ich mich auf der Suche
nach möglichen Interviewpartnern umgehend an das Jugendamt Allendorf1. Dieser
Schritt war nahe liegend, da ich dort auf Honorarbasis als SPFH und
Erziehungsbeistand beschäftigt bin. Ich stellte mein Thema im Team der
1 Personen- und Ortsnamen wurden geändert.
3. Untersuchungsdesign 30
Honorarkräfte sowie den Bezirkssozialarbeitern vor und bat um Rückmeldung über
in Frage kommende Familien. Dass sich meine schließlich doch sehr offene Suche
besonders schwer gestalten würde, hatte ich so nicht erwartet. Meine
Auswahlkriterien schienen doch recht einfach erfüllbar zu sein waren: Familien, die
entweder im Augenblick oder in der Vergangenheit Unterstützung durch eine SPFH
erhalten (hatten) und die nach Einschätzung der Kollegen vom Jugendamt zu der
von mir geplanten Interviewform passten, bei denen also die Hoffnung bestehen
konnte, dass sie in einen Redefluss kommen. Zudem mussten die Familien natürlich
zu einem solchen Interview bereit sein. In den folgenden Gesprächen, die ich mit
den Mitarbeitern des Jugendamtes führte, wurde mir entweder gesagt, dass die
angefragten Familien nicht zu einem Interview bereit wären und dass es generell
nur relativ wenige Familien gäbe, die eine SPFH hätten. Schnell hatte ich aber den
Eindruck, dass der entscheidende Faktor war, dass ein Interview mit Familien, die
mit dem SPFH-Einsatz nicht zufrieden sind bzw. waren, als nicht so ergiebig für
meine Arbeit gehalten wurde und bei diesen Familien deshalb nicht intensiver
nachgefragt wurde. Dies war für mich eine schwierige Situation, die Denkrichtung
konnte ich aber nicht ändern.
Nach einiger Zeit wurde mir dann Frau Schmidt genannt, die nach Angaben der
Jugendamtsmitarbeiterin „sehr gerne über ihre Erfahrungen erzählen möchte“, die
„absolut glücklich ist, dass sie eine SPFH hat“ und die schon im Telefonat mit der
Sozialarbeiterin gesagt habe, „mir konnte nichts Besseres passieren“. Auch
während unserer telefonischen Terminabsprache äußerte Frau Schmidt sich sehr
positiv. Ich war gespannt auf das Interview mit ihr.
Für den Beginn des Interviews hatte ich folgende Eingangsfrage erarbeitet:
„Erzählen Sie doch mal Ihre Erfahrungen mit der SPFH. Vielleicht fangen Sie da an,
wie es überhaupt dazu kam und dann einfach alles, was für Sie wichtig ist!“ Einige
weitere, im Vorfeld vorformulierte Fragen hatte ich »in der Hinterhand« für den Fall,
dass das Gespräch ins Stocken kommen sollte. Außerdem waren sie geeignet, um
auf für meine Arbeit besonders wichtige Aspekte zu sprechen zu kommen.
Technisch hatte ich mich mit einem digitalen Aufnahmegerät ausgestattet, es sollte
nun also nichts mehr schief gehen. Aufgrund meiner Erfahrungen im Verlauf des
Forschungspraxisseminars während meines Studiums konnte ich die Interviews mit
einer hilfreichen Gelassenheit angehen.
3. Untersuchungsdesign 31
Einige Tage nach dem Interview bekam ich vom Jugendamt Allendorf die Nachricht,
dass sie keine anderen Vorschläge machen könnten. Über mehrere Ecken („Ich
kenn da jemanden, der hat mir mal von ´ner Familie erzählt, die hatten, glaub ich,
mal so was“) kam ich in Kontakt mit Familie Müller. Hier war von vornherein klar,
dass sie mit ihrem SPFH-Einsatz nicht besonders zufrieden waren. Da mich nach
der Begeisterung von Frau Schmidt gerade auch die Aspekte interessierten, die in
anderen Familien schwierig oder nicht zufrieden stellend gelaufen waren, ging ich
auch hier erwartungsvoll in das Interview. Auffällig in den ersten telefonischen
Kontakten mit Frau Müller war, dass sie zunächst mit dem Begriff „SPFH“ gar nichts
anfangen konnte und auch nach einigen Erklärungen meinerseits nicht ganz sicher
war, ob dies die Hilfe war, die sie als Familie vom Jugendamt erhalten hatten. Sie
war dann so engagiert, sich dies von dem damals zuständigen Jugendamt
bestätigen zu lassen, bevor wir dann das Interview durchführten.
Nach diesen beiden sehr unterschiedlichen, und doch sehr ergiebigen Interviews
entschied ich mich, keine weiteren Interviewpartner zu suchen. Direkt im Anschluss
an die beiden Interviews diktierte ich meine Eindrücke und Empfindungen während
des Gespräches, die ich ansonsten höchstwahrscheinlich schnell wieder vergessen
hätte. Diese Aufnahmen habe ich um der besseren Lesbarkeit willen nur geringfügig
verändert (siehe 3.5. Die Interviews), um den ursprünglichen Charakter zu erhalten.
3.4. Die Familien
Bevor ich die Familien zu den Interviews traf, hatte ich folgende Informationen über
sie:
Frau Schmidt ist 31 Jahre alt und lebt mit ihrer zweieinhalb jährigen Tochter Paula in
einem Mehrfamilienhaus. Sie hat neben Paula noch einen sechsjährigen Sohn, der
seit seinem dritten Lebensmonat bei den Großeltern väterlicherseits lebt. Von dem
Vater der beiden Kinder ist Frau Schmidt seit ca. einem Jahr getrennt, sie waren
nicht verheiratet. Seit der Geburt von Paula wird Frau Schmidt im Rahmen einer
Sozialpädagogischen Familienhilfe betreut, Anfang nächsten Jahres steht der
Abschluss bevor. Frau Schmidt hatte sich schon vor Paulas Geburt von sich aus an
das Jugendamt gewandt, da sie befürchtete, es alleine nicht zu schaffen. Sie wollte
3. Untersuchungsdesign 32
unbedingt, dass dieses Kind bei ihr lebt und erhoffte sich dabei Unterstützung durch
das Jugendamt.
Frau Müller – 34 Jahre – und Herr Müller – 38 Jahre – leben mit ihren beiden
Kindern – der neun Jahre alten Johanna und dem sechsjährigen Fynn – in einem
eigenen Haus. Die Familie hatte vor drei Jahren für ca. ein halbes Jahr eine SPFH.
Frau Müller litt unter schweren Depressionen und war unmittelbar vor dem Einsatz
der SPFH zum zweiten Mal für einige Wochen stationär in psychiatrischer
Behandlung. Gegen Ende des Krankenhausaufenthaltes nahmen die Eheleute aus
Sorge alleine nicht zurechtzukommen Kontakt zum Jugendamt auf, so dass die Hilfe
nahezu übergangslos starten konnte. Aufgrund sehr unterschiedlicher Ansichten der
Fachkraft und der Familie über verschiedene Aspekte brachen Herr und Frau Müller
die Hilfe nach ca. sechs Monaten sehr unzufrieden ab.
3.5. Die Interviews
So erlebte ich das Interview mit Frau Schmidt:
Frau Schmidt öffnet mir gemeinsam mit Paula die Tür. Als wir uns begrüßen, schaut
sie mir erst gar nicht in die Augen. Stattdessen schaut sie an mir vorbei, blickt zu
Boden oder ihre Augen sind von ihren Haaren bedeckt. Ich habe die Sorge, dass sie
sehr schüchtern ist und sich nicht so gerne auf ein Gespräch mit mir einlassen
möchte – obwohl mein Eindruck nach unserem Telefonat ja ein ganz anderer war.
Ohne genau definieren zu können warum, biete ich ihr nicht das »du« an, sondern
sieze sie. Ich werde ins Wohnzimmer geführt. Der Fernseher läuft. Wir setzen uns
und reden kurz über das schlechte Wetter. Als ich frage, ob sie den Fernseher
abschalten kann, damit ich mich besser auf das Gespräch konzentrieren kann und
die Aufnahme besser funktioniert, wird dies völlig selbstverständlich getan. Frau
Schmidt erzählt, dass bis vor wenigen Minuten der Familienhelfer da gewesen sei
und Paula danach einige Minuten eine Kindersendung sehen durfte. Ich erkläre,
warum ich das Gespräch aufnehme und sage zu, dass niemand außer mir diese
Aufnahme hören wird und dass ich Orts- und Personennamen anonymisieren
werde. Wir reden kurz darüber, wie fremd sich die eigene Stimme anhört, wenn man
sie auf einer solchen Aufnahme hört. Anschließend erläutere ich das folgende
Interview: ich werde mit einer offenen Frage beginnen, auf die Frau Schmidt mit
allem, was ihr einfällt, antworten darf, erst im Anschluss daran werde ich
Nachfragen stellen.
3. Untersuchungsdesign 33
Zu Beginn des Interviews zittert ihre Stimme noch stark und sie weicht auch immer
wieder meinem Blick aus. Nach kurzer Zeit wird sie jedoch zusehends offener mir
gegenüber und wendet sich mir immer mehr zu. Im Laufe des Gesprächs legt tritt
sie immer selbstsicherer auf und spricht mit fester Stimme. Besonders die kurzen
Momente zwischendurch, in denen wir gemeinsam mit Paula spielen und
zusammen lachen, lockern die Situation enorm auf.
In ihrem Umgang mit Paula ist Frau Schmidt entspannt, fröhlich und liebevoll. Sie
wendet sich auch während des Interviews kurzzeitig völlig der Tochter zu und
spricht mit ihr oder geht auf sie ein, wenn sie ein Spielzeug bringt. Dann konzentriert
sie sich aber auch wieder ganz auf das Interview. Sie scheint gewisse Regeln
aufgestellt zu haben, z.B. dass es für Paula die »schlimmste Strafe« ist, wenn sie
eine Weile auf dem Schoß der Mutter sitzen bleiben muss. Dies hält Frau Schmidt
dann auch so lange aus, bis Paula sich wieder ein bisschen beruhigt hat. Paula ist
ein fröhliches und aufgewecktes Kind. Gegen Ende des Interviews wird sie jedoch
unruhiger und unzufrieden, da nun eigentlich Abendessen und Schlafengehen
anstehen. Dies ist auch der Grund dafür, dass ich das Gespräch schließlich von mir
aus beende.
Während des Interviews kommt Frau Schmidt an einigen Stellen völlig vom Thema
ab und berichtet z.B. von Bekannten. Ich bemühe mich, ihr einerseits nicht »das
Wort abzuschneiden«, aber andererseits mit Zwischenfragen auch wieder auf das
eigentliche Thema zurückzukommen. An anderen Punkten ist es mir wichtig, ihr
Schweigen auszuhalten und ihr Zeit zu geben, sich zu erinnern, Situationen
nachzuempfinden und sich zu entscheiden, ob sie diese erzählen möchte.
Am Ende betont Frau Schmidt noch einmal, wie gerne sie das Interview gemacht
habe, weil sie das Gefühl habe, dass viele Menschen einen falschen Eindruck von
einer SPFH hätten. Sie hebt außerdem hervor, dass es sehr wichtig sei, die Hilfe
auch tatsächlich zu wollen. Ohne den eigenen Willen sei es sicherlich sehr
schwierig, sich darauf einzulassen. Sie sagt: „Aber man tut es ja für die Kinder und
das ist es dann auch wert.“
Als ich gehe, fällt Frau Schmidt wieder zurück in ihr Verhalten vom Anfang, sie
schaut mir nicht noch einmal in die Augen, lässt ihre Haare über das Gesicht fallen
und scheint unsicherer. Ich weiß in diesem Moment nicht genau warum, das war
während des Gesprächs ganz anders.
3. Untersuchungsdesign 34
So erlebte ich das Interview mit Ehepaar Müller:
Frau Müller begrüßt mich an der Haustür, sie scheint ein wenig nervös zu sein,
redet hastig und lächelt mich immer wieder kurz an, um danach sofort wieder
wegzuschauen Ich werde ins Wohnzimmer geführt, Herr Müller und der Sohn Fynn
kommen dazu. Wir reden mit Fynn über seine Pläne für den Nachmittag und die
Eheleute erzählen kurz von der Tochter Johanna. Ich erkläre die Aufnahme des
Interviews, die Anonymisierung und den Ablauf. Alles ist sehr freundlich und offen.
Mir wird das »du« angeboten, dies lockert die Situation weiter auf. Ich habe den
Eindruck, dass Frau Müller diesen »Smalltalk« gerne noch ausdehnen würde, sie
muss sich einen richtigen Ruck geben, bis sie dann sagt „So, wollen wir dann mal
an den Küchentisch gehen? Fynn, geh doch oben mal was spielen!“. In der Küche
scheint die Aufnahme technisch einfacher zu sein als am Wohnzimmertisch.
Herr Müller möchte sich ganz selbstverständlich mit dazu setzen, Frau Müller war
jedoch davon ausgegangen, dass sie das Interview mit mir alleine machen würde.
Sie ist irritiert und meint, dass sie es anders gedacht hätte, Herr Müller antwortet,
sie solle entscheiden, er würde sich sonst einfach dazusetzen. Eine tatsächliche
Entscheidung von Frau Müller bleibt aus, sie bittet ihn einfach, sie aber auch zu
Wort kommen zu lassen. Für mich ist die Situation seltsam, ich dachte auch, ich sei
nur mit Frau Müller verabredet. Ich entscheide mich dafür, mich nicht dazu zu
äußern, da die beiden diese Frage selbst klären müssen und es für meine Arbeit
keinen Unterschied macht.
Zu Beginn des Interviews macht Frau Müller einen sehr nervösen Eindruck. Sie
schaut oft auf das Diktiergerät und redet fast ein wenig steif – es scheint, als habe
sie sich im Vorfeld schon Gedanken zu ihren ersten Sätzen gemacht. Im Laufe des
Gespräches legt sich die Nervosität und Frau Müller lässt sich ganz auf die Fragen
nach ihren Erfahrungen ein.
Herr Müller hört zunächst nur zu und klinkt sich erst nach einiger Zeit in das
Gespräch ein. Ich merke, dass ich mich größtenteils Frau Müller zuwende, wenn ich
Fragen stelle. Nach der eher ungeklärten Situation zu Beginn scheint es mir wichtig,
Frau Müller zu zeigen, dass sie meine vorrangige Gesprächspartnerin ist.
Schon während des Gespräches fällt mir auf, dass ich scheinbar intuitiv bei Frau
Müller, die sehr langsam und bedächtig spricht, kaum etwas sage. Auch mit
bestätigenden Signalen wie „ja“ oder „hm“ gehe ich sehr sparsam um, aus der
Sorge heraus, sie unter (Zeit-)druck zu setzen. Stattdessen beschränke ich mich auf
ein gelegentliches Nicken und versuche, ihr Raum und Zeit für ihre Erinnerungen zu
geben. Herrn Müller gegenüber bediene ich mich öfter Bestätigungen wie „hm“ oder
3. Untersuchungsdesign 35
„ja“. Nur selten beschreibt mir Frau Müller eine konkrete Situation, wenn ich sie
danach frage. Sie bekommt dann aber einen abwesenden Blick, als würde sie eine
solche Situation vor sich sehen. Ich frage mich, ob ich sie direkt darauf ansprechen
soll, etwa indem ich sie frage „Es sieht so aus, als würdest du gerade etwas vor dir
sehen, was siehst du?“. Aus einem Bauchgefühl heraus tue ich dies aber an keiner
Stelle im Interview. Als ich Frau Müller nach dem Interview frage, wie sie die
Interviewsituation empfunden hat, sagt sie, dass die Fragen sie schon sehr an die
belastende Zeit damals erinnert hätten, sie habe die Sorge, dass sie in der
kommenden Nacht Albträume haben könnte – da bin ich froh, dass ich nicht
nachgefragt habe, vielleicht hat das auch einfach gereicht für sie1.
Es gibt einige Momente während des Interviews, in denen über relativ lange Zeit
nichts gesagt wird. Jeder hängt seinen Gedanken nach und ich habe das Gefühl,
dass es wichtig ist, dies auszuhalten. Oft ist Frau Müller so in ihren Gedanken
versunken, dass sie das Schweigen gar nicht als unangenehm zu empfinden
scheint oder es ihr gar nicht auffällt. Nur einmal lächelt sie mich etwas unsicher an,
weil sie wohl nicht weiß, was sie jetzt noch sagen soll.
Im Anschluss an das Interview – das Aufnahmegerät ist ausgeschaltet – ergeben
sich einige weitere Aspekte: Die Kinder sind und waren Frau Müller sehr wichtig,
doch ihr wurde durch die SPFH das Gefühl vermittelt, eine schlechte Mutter zu sein
und durch die Depressionen ein Sonderfall für diese Art der Hilfe zu sein. Nach dem
Krankenhausaufenthalt fiel es ihr schwer, wieder eine enge Beziehung zu den
Kindern aufzubauen oder auch einfach nur mit ihnen zu spielen. Dabei hätte sie sich
Hilfe erhofft. Sie hat oft versucht, auffällige Verhaltensweisen der Kinder zu
vertuschen, und konnte gegenüber der Familienhelferin auch gar nicht richtig
formulieren, was ihre Sorgen diesbezüglich waren. Aber sie hätte sich gewünscht,
dass die Familienhelferin von sich aus Fragen stellt oder Situationen im
Familienalltag bewertet – dies sei überhaupt nicht passiert.
Ganz am Ende meines Besuchs erkläre ich dem Ehepaar die Aufgaben einer SPFH,
da Frau Müller während des Interviews danach fragte. Damit möchte ich ihnen
verdeutlichen, dass sie nicht grundsätzlich ein »Sonderfall« waren. Ich habe das
Gefühl, Herr und Frau Müller benötigen diese Bestätigung hier.
1 Ich habe mich einige Tage später telefonisch erkundigt, „ob sie Albträume hatte“, ob das Interview also im Nachhinein zu belastend war, darüber freute sie ich sehr und sagte, dass das Interview keine zu große Belastung für sie war.
3. Untersuchungsdesign 36
3.6. Die Auswertung
Die Transkription der beiden Interviews erlebte ich als äußerst wichtigen Schritt für
die Auswertung. Es war mehr als nur Hören und Abtippen, da ich versuchte,
Veränderungen des Redeflusses und der Stimme (Stimmlage, Redetempo,
Betonungen, Lautstärke) wahrzunehmen und zu dokumentieren. Zudem sah ich nun
einige Situationen und Stimmungseindrücke während der Interviews, die ich
zwischenzeitlich schon wieder vergessen hatte, wieder deutlich vor mir. Die
Tatsache, dass ich Frau Schmidt gesiezt habe, obwohl sie nur unwesentlich älter als
ich und als junge Mutter in einer vergleichbaren Situation wie ich war, fiel mir zum
Beispiel erst bei der Transkription auf. Ich konnte die Situation reflektieren und mit
meinem Intuition erklären: unbewusst wollte ich ihr die eventuell nötige Distanz zu
mir zugestehen. Wie wichtig die kurzen Momente des Spielens mit Paula waren,
wurde mir auch beim Hören der Aufnahme noch bewusster, als ich hörte, wie
entspannt Frau Schmidt lachte und wie sich ihre Stimme nach diesen Momenten
veränderte. Beim Hören des Interviews mit Ehepaar Müller merkte ich erstaunt, wie
lange wir an manchen Stellen geschwiegen hatten.
Im Anschluss an die Transkription legte ich für die Auswertung der Interviews die
folgenden Themen fest. Die ersten sechs Themen ergaben sich aus dem
chronologischen Ablauf. Die Fragen nach belastenden bzw. unterstützenden
Aspekten einer SPFH erschienen mir besonders wichtig für die meiner Arbeit
zugrunde liegende Fragestellung.
� Kontaktaufnahme zum Jugendamt
� Umstände
� Motivation
� Erwartungen
� Das erste Treffen mit der SPFH
� Die Hilfeplangespräche
� Die Arbeit in der Familie
� Die Beziehung zwischen Interviewpartner und SPFH
� Die Beziehung zwischen Kind und SPFH
� Absprachen / Pünktlichkeit
� Ressourcenorientierung
� Mitarbeit der Familie
� Kontrolle
� Vertrauen
3. Untersuchungsdesign 37
� Themen bzw. Ziele der SPFH
� Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
� Abschluss der Hilfe
� SPFH als Belastung
� SPFH als Unterstützung
Selbstverständlich fielen mir bei der Auswertung der Interviews einzelne Aspekte
auf, bei denen ich selbstkritisch feststellen musste, dass ich während der Interviews
mit konkreten Nachfragen noch wichtige detaillierte Informationen hätte erhalten
können. Z. B. versäumte ich es, Ehepaar Müller nach den Zielen, die sie mit der
Verantwortlichen des Jugendamtes erarbeitet hatten, zu fragen oder Frau Schmidt
um eine genauere Beschreibung der Umstände vor der Hilfe sowie ihrer
Erwartungen an die SPFH zu bitten.
Neben den vielen nachfolgend dargestellten Ergebnissen faszinierten mich in den
Erzählungen der Interviewten besonders einige kleine, unscheinbare – bei
genauerer Auseinandersetzung dann aber doch sehr inhaltsreiche –
Formulierungen.
So sprach Frau Schmidt ihre Tochter während des Interviews immer wieder an,
indem sie Sätze mit einem fragenden „ne Maus?“ schloss. Während des Interviews
und auch während der Transkription vermutete ich, dass sie auf diese Art versuchte,
ihre Tochter mit einzubeziehen, damit diese sich nicht ausgeschlossen fühlte. Im
Laufe der Auswertung entstand bei mir jedoch immer mehr der Eindruck, dass sie
selber das Gefühl brauchte, in dem Gespräch mit mir nicht alleine zu sein. Auch
wenn sie von ihrer Tochter keine wirkliche Unterstützung erwarten konnte, so schien
sie dennoch den Wunsch zu haben, in ihren Äußerungen bestätigt zu werden.
Ein weiterer Punkt wurde mir erst während der Auswertung deutlich: Frau Schmidt
scheint die Aufgabe im Hinterkopf gehabt zu haben, ihre Sozialpädagogische
Familienhilfe zu bewerten. Mir war schon bald aufgefallen, dass sie häufig wertende
oder beurteilende Begriffe wählte, um die Arbeit der Familienhelfer zu beschreiben.
Erst als ich im Zuge der Auswertung an der Formulierung »die ist
„weiterzuempfehlen“ (7/35)« (vgl. 5.8.) hängen blieb, wurde mir bewusst, wie sehr
es ihr offensichtlich darum ging, ein Urteil über die SPFH zu fällen. Da ich in meiner
Erzählaufforderung und der Erklärung der Gesprächssituation bewusst keine
Bewertung erbeten hatte, liegt die Ursache möglicherweise in den telefonischen
Erläuterungen der Mitarbeiterin des Jugendamtes, die den Kontakt zu Frau Schmidt
3. Untersuchungsdesign 38
herstellte. Im Nachhinein ist dies schade, da Beschreibungen des subjektiven
Erlebens wesentlich aussagekräftiger sind als konkrete Bewertungen.
Trotz der genannten Einschränkungen erlebte ich die konkrete Auswertung der
transkribierten Interviews als sehr spannenden und interessanten Prozess, der mir
Freude machte.
Im weiteren Verlauf der Arbeit habe ich Zitate aus den Interviews in
Anführungszeichen gesetzt. Die hinter den Zitaten stehenden Zahlen in Klammern
weisen auf Seitenzahl und Zeilennummer der Transkription hin: (1/14) bedeutet
Seite 1, Zeile 14.
In den transkribierten Interviews (siehe Anhang) werden die Beteiligten wie folgt
dargestellt:
M: Frau Müller
V: Herr Müller
E: Frau Schmidt
P: Paula
I: Interviewerin
In der Auswertung der einzelnen Interviews sind Zitate von Frau Müller und Frau
Schmidt als Hauptgesprächspartnerinnen nicht extra gekennzeichnet. Werden Herr
Müller oder Paula zitiert, werden diese Zitate mit V bzw. P gekennzeichnet, wenn
der Kontext keine eindeutige Bestimmung ermöglicht, zum Beispiel V: „und dann hat
das irgendwann danach dann . war Frau Adler hier“ (7/37).
Auf Satzzeichen in den transkribierten Interviews habe ich bewusst verzichtet, um
Fehlinterpretationen zu vermeiden. Einzig zum Beenden von Fragen habe ich
Fragezeichen gesetzt, da eine Identifikation oft nur mit Hilfe der Tonbandaufnahme
möglich ist.
Schweigen wird mit Punkten verschriftlicht: Ein Punkt bedeutet eine Sekunde
Schweigen, ab sieben Sekunden habe ich die Zeit in Klammern geschrieben, z.B. (8
Sekunden Schweigen). Auch Veränderungen der Stimme habe ich in Klammern
gesetzt, z.B. (betont) hinter betonte Worte.
4. Interview Müller
39
4. Interview Müller
Im Folgenden wird das Interview mit Ehepaar Müller anhand von neun
Themenbereichen ausgewertet. Wie oben beschrieben, war das Interview nur mit
Frau Müller geplant, Herr Müller nahm spontan daran teil.
4.1. Kontaktaufnahme zum Jugendamt
Dieser Themenbereich soll unter den Aspekten der Umstände der
Kontaktaufnahme, der Motivation zur Kontaktaufnahme und den Erwartungen bei
der Kontaktaufnahme näher beleuchtet werden.
4.1.1. Umstände
„ohne aber jetzt genau zu wissen was da jetzt genau hintersteckt“ (1/11)
Die Umstände der Kontaktaufnahme zum Jugendamt waren bei Familie Müller von
einem vorausgehenden zehnwöchigen Krankenhausaufenthalt von Frau Müller
wegen Depressionen geprägt.
„ja also dazu gekommen ist es weil ähm ich nachdem ich halt ähm mit Depressionen im Krankenhaus war und nach der Entlassung mir Gedanken gemacht habe natürlich mit meinem Mann wie es zuhause weitergehen kann welche Hilfen es gibt“ (1/7) „also ich bin im Februar März 2004 entlassen worden nach zehn Wochen Krankenhaus“ (1/22)
Auch wenn Frau Müller zu Beginn des Interviews angibt, sie habe sich „nach der
Entlassung“ (1/8) aus dem Krankenhaus Gedanken über eventuelle
Unterstützungsmöglichkeiten gemacht, geht aus später folgenden Aussagen hervor,
dass die Hilfe zur Erziehung schon während des Klinikaufenthaltes von der dortigen
Sozialarbeiterin angeregt und beantragt wurde.
„ich hab vom Krankenhaus aus schon das beantragt“ (1/14) „und den ersten Kontakt den hab ich dann auch schon gehabt als ich noch stationär im Krankenhaus war“ (6/48)
Die Frage, „wie es zuhause weitergehen kann, welche Hilfen es gibt“ (1/9)
beschäftigte das Ehepaar Müller besonders, da Frau Müller der Schritt aus dem
Krankenhaus nach Hause sehr schwer fiel. Herr Müller erzählt: „Hm Entlassungen
4. Interview Müller
40
aus´m Krankenhaus und so Sachen sind immer ´ne schwierige Sache auch wenn
Heike irgendwann will und stabil is aber es is immer ´ne Schwierigkeit gewesen für
Heike auch bei den andern Aufenthalten nach Hause zu kommen“ (14/27). Von
Freunden hörte das Ehepaar davon, „dass es vom Jugendamt ein Angebot gibt halt
diese Sozialpädagogische Familienhilfe“ (1/10).
Im Krankenhaus gab es eine Sozialarbeiterin, „die das alles so (räuspert sich) in die
Hände äh genommen hat und sich beim Jugendamt informiert hat .. ähm und dann
ein erstes Gespräch mit der Sozialarbeiterin da vereinbart hat“ (1/16). Dieser Termin
fand noch während des Krankenhausaufenthaltes statt, „weil die im Krankenhaus
sagen dass es total wichtig ist dass man schon bevor (betont) man entlassen wird
Kontakte geknüpft hat un nich erst nach der Entlassung damit anfangen soll“ (6/49).
Frau Müller fuhr gemeinsam mit der Sozialarbeiterin zu dem Gespräch ins
Jugendamt. „Ja wir sind dann zum Jugendamt gefahren und hatten da ´n Gespräch“
(7/23). Sie erinnert sich: „Wir ham uns einfach unterhalten hm . genau also das hab
ich erstmal als . positiv erlebt . un einfach so ähm . dass es ´ne Hilfe sein kann
(betont“) (7/6).
Die Situation der Familie führte dazu, „dass das dann für dringend also dass der
Antrag halt so gemacht wurde dass ich dann nich sehr lange warten muss bis die
Hilfe dann zustande kommt sondern dass das halt irgendwie dringend oder eilig
gemacht wurde“ (1/18). Es folgten einige Gespräche mit der zuständigen
Jugendamtsmitarbeiterin und schließlich ein erstes Treffen mit der Familienhelferin
Frau Adler.
„und dann hatten wir ´n Gespr waren die bei uns zuhause“ (7/26) V: „Ich glaub die war erst alleine da . das erste Gespräch war mit der alleine, wir ham glaub ich zwei Gespräch mit ihr alleine hier gehabt“ (7/29) V: „und dann hat das irgendwann danach dann . war Frau Adler hier“ (7/37)
Parallel zu dem anschließenden Einsatz der SPFH machte Frau Müller „noch
begleitend auch so ´ne Therapie […] also mit ´nem ambulanten Psychotherapeuten“
(1/50).
Ein Aspekt fällt mir im Zusammenhang mit den von Ehepaar Müller geschilderten
Umständen der Kontaktaufnahme zum Jugendamt besonders auf: es entsteht der
4. Interview Müller
41
Eindruck, dass das Ehepaar Müller bewusst oder unbewusst Verantwortung auf
andere übertrug.
Das Ehepaar erhielt von Freunden den Tipp, beim Jugendamt eine
Sozialpädagogische Familienhilfe zu beantragen, „ohne aber jetzt genau zu wissen
was da jetzt genau hintersteckt un is die Hilfe das Richtige für uns jetzt“ (1/11). Im
Krankenhaus „is halt ´ne Sozialarbeiterin die das alles so (räuspert sich) in die
Hände äh genommen hat und sich beim Jugendamt informiert hat .. ähm und dann
ein erstes Gespräch mit der Sozialarbeiterin da vereinbart hat“ (1/15). Ehepaar
Müller scheint zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen zu sein, sich
selbständig um diese Angelegenheiten zu kümmern. Während des Interviews
vermitteln sie nicht das Gefühl, als sei etwas über ihren Kopf hinweg geschehen.
Von daher scheint es nahe liegend, dass sie die Unterstützung, Vorschläge und
Initiative der Freunde und der Sozialarbeiterin gerne annahmen. Selbst im Bereich
HzE unerfahren scheinen sie froh über die Menschen im Hintergrund gewesen zu
sein, die Entscheidungen trafen und Dinge in die Hand nahmen. Zum damaligen
Zeitpunkt war es eine Erleichterung, z. B. einen Termin wahrzunehmen, „weil die im
Krankenhaus sagen dass es total wichtig ist“ (6/50).
4.1.2. Motivation
„ich kann wieder nach Hause kommen und ich hab ´ne Hilfe“ (11/24)
Das Ehepaar Müller musste sich gegen Ende des Krankenhausaufenthaltes von
Frau Müller Gedanken machen, „wie es zuhause weitergehen kann“ (1/9). Da die
Entlassung nach Hause auch nach früheren Zeiten im Krankenhaus „ immer ´ne
schwierige Sache“ (14/27) für Frau Müller war, stellte sich ihnen die Frage, „welche
Hilfen es gibt“ (1/9).
Nach dem Krankenhausaufenthalt nicht alleine dazustehen, scheint mir die
Hauptmotivation für die Kontaktaufnahme zum Jugendamt und die Beantragung der
SPFH zu sein. Herr Müller beschreibt schon allein das Wissen „Ich komm jetzt
wieder nach Hause ich kann wieder nach Hause kommen und ich hab ´ne Hilfe.“
(11/24) als sehr unterstützend für seine Frau. Dass sie wieder nach Hause kommen
konnte, hing natürlich davon ab, dass es aus medizinischer Sicht keine Bedenken
gegen ihre Entlassung gab. Zum anderen konnte Frau Müller möglicherweise für
4. Interview Müller
42
sich persönlich aber auch erst dann wieder nach Hause, als sie wußte, es erwartet
sie dort eine Hilfe, sie muss den Familienalltag nach dieser langen Zeit im
Krankenhaus nicht alleine bewältigen. Das Jugendamt wurde also mit der
Motivation, sich selbst die Entlassung aus dem Krankenhaus zu ermöglichen,
zumindest wesentlich zu erleichtern, kontaktiert.
Für mich lassen sich in dem Interview – neben diesem Motiv für die
Inanspruchnahme einer Hilfe generell – keine Anhaltspunkte für ein Motiv speziell
für die Unterstützung durch eine SPFH finden. Wie oben beschrieben kam die Idee
von Freunden der Familie. Konkrete Vorstellungen über die Art der Hilfe hatten Herr
und Frau Müller selber nicht.
„eigentlich bin ich über Freunde da drauf gestoßen dass es vom Jugendamt
ein Angebot gibt halt diese Sozialpädagogische Familienhilfe . ohne aber
jetzt genau zu wissen was da jetzt genau hintersteckt“ (1/10)
4.1.3. Erwartungen
V: „sehen dass das Familiäre klappt“ (4/9)
Auch wenn das Ehepaar Müller keine genauen Vorstellungen davon hatte, was eine
SPFH ist und leisten kann, also „ohne aber jetzt genau zu wissen was da jetzt
genau hintersteckt“ (1/11), benennen sie Dinge, die sie von dieser Unterstützung in
ihrer Familie erwarteten.
Grundsätzlich ging es nach dem Eindruck ihres Mannes für Frau Müller nach dem
Krankenhausaufenthalt um die Frage: „Wie funktioniert das zuhause?“ (V: 5/7) und
um das Wissen, „wenn ich nach Hause komme hab ich ´ne Unterstützung“ (V:
11/21). Sie wollten „sehen dass das Familiäre klappt“ (V: 4/9).
Frau Müllers Hauptanliegen war, „dass ich mit ihr einfach so ´ne Struktur einübe“
(2/20), sie wünschte sich, sich mit der Familienhelferin gemeinsam über die Frage
auszutauschen: „Wie könn wir den Alltag gestalten?“ (3/49).
„Ich hatte mir erhofft also ich ähm hab halt durch die Erkrankung auch so sehr mit Struktur also damit zu tun gehabt dass ich einfach ´ne Struktur im Alltag brauchte . und ´ne Hilfe auch ähm . ja bei der Kindererziehung oder ich glaube vordergründig ging es wirklich . um die Tagestruktur so“ (1/30)
4. Interview Müller
43
Des Weiteren suchte sie Antworten auf die Frage: „Wo kann ich mich selber auch
entlasten?“ (1/35).
Eine dritte Erwartung bezog sich auf die Kinder. Herr Müller erzählt: „Auf der andern
Seite war´s uns in diesem Punkt aber wichtig […] wie funktioniert´s mit den Kindern
hier entsprechend das is ja eigentlich so der Punkt der im Vordergrund steht (5/6).
Es ging also um die SPFH als „´ne Hilfe auch ähm . ja bei der Kindererziehung“
(1/32).
„halt im Bezug auf die Kinder ja hat ich auch so einfach die Hoffnung gehabt dass sie mir einfach Tipps geben kann wie ich mit den Kindern umgehen kann weil sie . zum Teil auch auffällig waren“ (3/19)
„also ich hatte mir erhofft dass sie mir zeigen kann wie geh ich jetzt damit um was kann ich mit den Kindern jetzt machen was hm . ja dass sie auch damit umgehen können dass es mir nich so gut geht oder so“ (3/24)
Das Ehepaar Müller war sich im Klaren darüber, dass die Erkrankung von Frau
Müller nicht spurlos an den Kindern vorübergegangen war. Ihnen war bewusst, dass
sie „zum Teil […] auffällig waren“ (3/21) und Hilfestellungen brauchten, um „damit
umgehen [zu] können dass es [ihrer Mutter] nich so gut geht“ (3/26). Frau Müller
hatte ihre Hoffnungen darauf gesetzt, gemeinsam mit der Familienhelferin einen für
die Kinder hilfreichen und unterstützenden Umgang mit ihnen zu erlernen. Auch
Herr Müller spricht dies an, wenn er sagt: „Ich glaub das war für mich ´ne Sache zu
sagen wenn Heike nach Hause kommt gibt´s da neben therapeutischer
Unterstützung hier Unterstützung für die Kinder“ (11/50).
Zudem hoffte Frau Müller auf Ideen in der Frage, „was biet ich den Kindern an
Freizeitaktivitäten oder so an was kann ich (betont) mit den Kindern machen“ (1/34).
All diese Erwartungen finden sich für mich in einer Äußerung von Herrn Müller
gebündelt, in der er die Empfindungen seiner Frau beschreibt: „Ich bin Mutter und
war schon so lange im Krankenhaus und ich möchte mich jetzt um meine Kinder
kümmern“ (5/15). Frau Müller wollte in erster Linie ihrer Rolle als Mutter gerecht
werden. Ihr war durch den Krankenhausaufenthalt der Alltag ihrer Familie fremd
geworden und sie erwartete von der SPFH Unterstützung dabei, ihren Aufgaben
wieder gerecht zu werden und in ihrer Familie bzw. für ihre Kinder wieder Normalität
herzustellen.
4. Interview Müller
44
Auch bezüglich der Zusammenarbeit mit der Familienhelferin hatten die Eheleute
Müller bestimmte Erwartungen, die sich unter den Begriffen »gemeinsam
erarbeiten«, »strukturiert arbeiten« und »gemeinsam praktisch umsetzen«
zusammenfassen lassen.
„un ich hatte so die Hoffnung gehabt ähm .. dass ich das schon mit ihr erarbeiten kann also dass sie jetzt nich so zu mir sagt „So Frau Müller das un das un das!“ ähm . glaub ich das wär auch nich der richtige Weg gewesen aber dass wir vielleicht zusammen hätten erarbeiten können . was wir in den also ich hatte halt zweimal drei Stunden die Woche da äh vom Jugendamt zugebilligt gekriegt un das wir dann irgendwie so hätten planen können was da auf dem Programm steht“ (2/5)
Frau Müller beschreibt, wie die Zusammenarbeit für sie nicht hilfreich gewesen
wäre: „Also dass sie jetzt nich so zu mir sagt „So Frau Müller das un das un das!“
(2/6). Eine SPFH, die ihr alles vorgegeben hätte und die gesamte Zusammenarbeit
diktiert hätte, wäre ihr keine Hilfe gewesen. Sie wünschte sich, „dass man sich
vielleicht gemeinsam Gedanken macht wie könn wir den Alltag gestalten“ (3/48).
Stattdessen hatte Frau Müller die Erwartung, „dass wir dann irgendwie so hätten
planen können was da auf dem Programm steht“ (2/10). Auch Herr Müller hatte sich
eine strukturierte Zusammenarbeit erhofft: „Wo ich gedacht hab ne wir wollen doch
hier strukturiert arbeiten. Was war? Was kommt in der nächsten Woche?“ (8/27)
Beide hatten also erwartet, dass die Fachkraft nach einer gemeinsam mit den
Eheleuten erarbeiteten bzw. geplanten Struktur in der Familie arbeitet.
Bei diesem Planen und Strukturieren wünschte sich Herr Müller jedoch nicht stehen
zu bleiben: „Also so das hätt´ ich mir so gewünscht .. so praktisch so zu sagen man
macht was mit den Kindern oder man . überlegt mal im Haushalt“ (10/12). Er hatte
erwartet, dass die erarbeiteten Aspekte in Zusammenarbeit mit der SPFH praktisch
umgesetzt und eingeübt werden.
4.2. Das erste Treffen mit der SPFH
„ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung .. halt weiß ich nich
versagt habe“ (8/13)
Frau Müller ist sich nicht ganz sicher, ob sie sich an das erste Treffen mit der
Familienhelferin Frau Adler erinnert. „Ob das jetzt wirklich das erste Gespräch war
das weiß ich nicht mehr ganz genau“ (7/50). Aber das erste Gespräch, das ihr in
Erinnerung geblieben ist, beschreibt sie wie folgt:
4. Interview Müller
45
M: „ ….. Also ich kann mich noch dran erinnern […] dass wir da im Wohnzimmer saßen .. und ähm die Kinder waren auch dabei gewesen und die Frau Adler und der Fynn der rutschte ständig bei mir runter das weiß ich noch also
I: Hm M: Der rutschte halt immer so meinen Schoß und die Beine runter das fand
der ganz toll und ähm .. ja dann hat sie da eingegriffen un hat … weiß ich nich mehr hat dann halt irgendwie gesagt „das macht man aber nich“ oder so .. viel mehr (verlegen lachend) weiß ich jetzt gar nich mehr zu dem Gespräch also“ (7/50)
Meiner Meinung nach ist es sehr interessant, dass Frau Müller gar nicht mehr
genau sagen kann, ob das beschriebene Treffen tatsächlich das erste mit der SPFH
war. Es ist für sie auch gar nicht entscheidend, denn ihre Beziehung zu der
Familienhelferin startete mit der zitierten Begegnung, die entstehende Beziehung
wurde von dieser Begegnung entscheidend geprägt.
Während des Interviews nimmt sie sich auf die Frage hin, ob und wie sie sich an
das erste Treffen mit der Familienhelferin erinnert, 5 Sekunden Zeit und versetzt
sich wieder in diese Situation. Sie lacht verlegen, als sie sagt, dass sie sich nicht an
mehr erinnert. Vielleicht merkt sie selbst, dass dieser eine Satz „das macht man
aber nich“ so einschneidend war, dass alles andere völlig in den Hintergrund
gedrängt wurde. Möglicherweise hat sie auch schon während des Gesprächs nach
diesem Kommentar einfach »abgeschaltet« und kann sich auch deshalb nicht mehr
genauer erinnern. Rein intuitiv bin ich mir zudem sicher, dass Frau Adler genau den
Wortlaut „das macht man aber nich“ wählte, auch wenn Frau Müller einschränkend
ein »oder so« hinzufügt und dass sie diesen Satz auch hinsichtlich Stimmlage und
Betonung genau wiedergeben könnte. Frau Müller fühlte sich von der Bemerkung
der Familienhelferin persönlich angegriffen und hat diese Situation bis heute nicht
vergessen, hat sie immer wieder abrufbar gespeichert.
Auf meine Nachfrage „Wie fandest du das?“ (8/8) hin formuliert sie ihre
Empfindungen in der geschilderten Situation und macht damit deutlich, wie sehr sie
der Kommentar von Frau Adler getroffen hat.
„… ähm (schweigt 8 Sekunden) ja ich bin mir dabei schlecht vorgekommen ich hatte das Gefühl ich hab meine Kinder nich im Griff und ähm . andere Kinder machen so was nich halt so die sind immer lieb und brav und nett […] bei ihrer Mutter und .. ja. ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung .. halt weiß ich nich versagt habe (7 Sekunden Schweigen)“ (8/9)
4. Interview Müller
46
Die Beschreibung von Frau Müller weckt in mir folgende Phantasie: Man sitzt
gemeinsam im Wohnzimmer. Der damals zweieinhalbjährige Sohn tobt herum, ist
aufgedreht, weil eine bislang unbekannte Besucherin anwesend ist. Die Mutter ist
gespannt, nervös, erwartungsvoll und hofft einen guten Eindruck zu machen. Da
schlägt ein Satz wie „das macht man aber nich“ ein »wie eine Bombe« und bestätigt
Frau Müller in diesem Moment in all ihren eventuellen (Selbst-)Zweifeln und Sorgen,
die sie aufgrund ihrer Erkrankung und ihres langen Krankenhausaufenthaltes mit
sich herumtrug. Es ist zu vermuten, dass sie auch diese Empfindungen – genau wie
die Formulierung – tief verinnerlicht hat.
Die oben zitierten Gedanken von Frau Müller sind deshalb so schwerwiegend, weil
sie den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Familienhelferin und Mutter
kennzeichnen. Die Empfindungen „ich bin mir dabei schlecht vorgekommen“ und
„ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung […] versagt habe“ sind die
Basis, auf der die Beziehung zwischen Familienhelferin und Mutter aufgebaut
wurde.
Herr Müller geht auf den Bericht seiner Frau nicht näher ein. Entweder er erinnert
sich an ein anderes erstes Treffen oder er hat das von seiner Frau geschilderte
Verhalten der Fachkraft ganz anders, nämlich wesentlich unbedeutender erlebt als
Frau Müller. Er erzählt:
„ja kann ich da noch dann war das vielleicht auch das gemeinsame Gespräch da ham wir nämlich da im Wohnzimmer gesessen un die Kinder sind irgendwie dazu gekommen äh .. und ham dann so ´n ersten Kontakt gehabt . irgendwieso war das und vom Gefühl her,.. glaub ich war´s da mir schon ´n bisschen mulmig so […] also dass man´s nich definieren konnte wo wir gesagt haben das machen wir jetzt mal gucken aber so das Erstgefühl mit der Familienhelferin da war irgendwo schon ´n bisschen mulmig. (8/15)
Er geht nicht näher auf die Umstände des Treffens oder das Verhalten der
Familienhelferin ein und sagt, „dass man´s nich definieren konnte“ (8/20), aber auch
sein Gefühl war „irgendwo schon ´n bisschen mulmig“ (8/21). Dennoch ließ sich
Familie Müller auf die Hilfe ein und sagte sich, „das machen wir jetzt mal gucken“
(8/20).
Das mulmige Gefühl verstärkte sich für Herrn Müller bei dem ersten Treffen, „als ich
´s erste Mal dann ganz da war“ (8/22). Dieses Treffen war nach einem ersten
4. Interview Müller
47
Gespräch zum Kennenlernen wahrscheinlich das, an dem aus der Sicht der
Eheleute Müller »etwas passieren sollte«, an dem die Hilfe »so richtig losgehen
sollte«. Als Frau Müller ihrem Mann nach diesem Treffen erzählte „Ja wir waren
spazieren und haben ein Brötchen, die Kinder haben ein Brötchen oder ein
Milchbrötchen bekommen unten beim Bäcker Schneider, wir waren .. halt spazieren“
(8/23), war dieser enttäuscht oder sogar entsetzt: „Wie hab ich gesagt wie ihr wart
spazieren? Und da un sonst?“ (8/26). Für ihn ist dieses Erlebnis als erster Eindruck
von der Hilfe „hängengeblieben wo ich gedacht hab ne wir wollen doch hier
strukturiert arbeiten. Was war? Was kommt in der nächsten Woche?“ (8/27) Also
startete auch für ihn die Hilfe unbefriedigend.
Da Herr Müller scheinbar von Beginn an mit der Arbeit der Fachkraft unzufrieden
war, stellt sich für mich die Frage, ob er dieser Hilfe gegenüber grundsätzlich offen
und positiv gegenüberstand, ob die Art der Hilfe und auch die Person der Fachkraft
gewissermaßen überhaupt eine Chance bei ihm hatte.
4.3. Die Hilfeplangespräche
„ich glaube da wurde auch so´n ähm Plan erstellt so ´n . wie heißt das noch
mal?“ (1/40)
Anhand der Aussagen der Eheleute Müller über Hilfeplangespräche bzw. generell
über die Gespräche mit der Jugendamtsmitarbeiterin und der Familienhelferin ergibt
sich für mich kein klares Bild.
M: „Und dann hatten wir ´n Gespr waren die bei uns zuhause V: Dann warn die bei uns zuhause M: Zu zweit schon mit der Frau Adler? V: Ich glaub die war erst alleine da . das erste Gespräch war mit der alleine
wir ham glaub ich zwei Gespräch mit ihr alleine hier gehabt . un wir dann hier mal ´n Gespräch gehabt ohne die Frau Adler mein ich schon .. so da ham wir hier zuhause ein Gespräch gehabt das war auch recht lang (einige Worte nicht zu verstehn) ich glaub eher nicht aber ich weiß es nich
M: Mhm V: Wir ham auch irgendwann mal ein Gespräch mit ihr alleine gehabt das
war mal irgendwann mittags oder so wo ich von der Arbeit früher gekommen bin . und da ham wir hier ´n Gespräch mit ihr geführt und dann hat das irgendwann danach dann . war Frau Adler hier
I: Mhm V: Wir ham dann auch noch mal zu dritt ´n Gespräch geführt“ (7/26)
4. Interview Müller
48
Es wird nicht ganz deutlich, wann Gespräche mit Frau Adler bzw. mit der
Jugendamtsmitarbeiterin allein oder mit beiden gemeinsam geführt wurden.
Möglicherweise können die Eheleute sich einfach nicht mehr genau an die
Reihenfolge der Gespräche erinnern, da diese schon über zwei Jahre zurückliegen.
Vielleicht war ihnen auch in der damaligen Situation nicht klar, warum wer wann wo
mit ihnen Gespräche führte.
Gut erinnern können sich Herr und Frau Müller an ein Gespräch „mit der ähm .. mit
dieser weiß ich nich ob das Bezirksleiterin hieß oder was zumindest die so
übergeordnet war zuständig war“ (1/36). „Das war ein sehr positives Gespräch“
(1/39). In dem Gespräch wurde gemeinsam mit dieser Verantwortlichen des
Jugendamts ein Hilfeplan erstellt.
M: „ich glaube da wurde auch so´n ähm Plan erstellt so´n . wie heißt das noch mal? I: Hilfeplan? M: Ja so was“ (1/40)
Auch wenn sich Herr und Frau Müller nicht mehr an den Begriff »Hilfeplan« erinnern
können oder ihnen dieser Begriff gar nicht vorgestellt worden sein sollte – sagt Herr
Müller doch über das Gespräch: „Mit der . Frau im Jugendamt mit der Leiterin
hatten wir ´ne sehr gute Wellenlänge weil ich so den Eindruck hatte genau Ziele zu
definieren“ (4/6) und es war „gut geplant was wir besprochen hatten“ (4/25). „Das
Erstgespräch im Jugendamt die Gespräche die war´n einfach gut die war´n einfach
unterstützend“ (11/22).
Frau Müller erinnert sich, dass der Hilfeplan erstellt wurde, damit „man auch nach
´ner gewissen Zeit gucken [kann] ob die Ziele erreicht wurden oder so ich weiß noch
dass sie auch zu dem damaligen Zeitpunkt gesagt hat wir setzen uns dann und
dann also nach zwei Monaten oder so noch mal zusammen und gucken mal“ (1/43).
An diesem Gespräch nahmen Herr und Frau Müller sowie die
Jugendamtsmitarbeiterin teil. Frau Adler, die Familienhelferin, war nicht anwesend.
Die beschriebenen Schwierigkeiten sind vorhersehbar:
„aber das hatte schon nich so gut geklappt also die . Rückkopplung mit der Frau die dann für uns zuständig war für unsre Familie mit der bin ich halt gar nicht so gut zurecht gekommen weil ich mit der ähm eigentlich nie so die Ziele erarbeitet hab“ (1/46)
„und ich hab auch nich ähm .. ich hab auch nich gemerkt dass wir so diesen Hilfeplan ähm .. dass wir uns danach gerichtet haben oder ich mein könnte
4. Interview Müller
49
jetzt aus´m Kopf auch gar nich mehr sagen was die Ziele gewesen sind in diesem Hilfeplangespräch …“ (4/2)
V: „Frau A. die dann bei uns entsprechend war eh die hat das überhaupt nich umgesetzt und ich glaube da ging das für mich auseinander dass . dass Hilfe dieser Hilfeplan da war aber nich ungesetzt wurde“ (4/10)
Herr Müller sieht die Schwierigkeit darin, „dass zwei Personen da war´n dass die
eine den Plan erarbeitet hat das mit der Kollegin besprochen hat die´s aber nicht
umgesetzt hat“ (4/18). Die Person, die die Ziele mit der Familie erreichen sollte, war
an der Zielfindung nicht beteiligt und ließ sich scheinbar nicht auf die festgelegten
Ziele ein – oder eben nicht auf die Weise, wie Ehepaar Müller sich dies erhofft hatte.
Herr Müller hatte erwartet, dass die Arbeit mit einem Hilfeplan regelmäßig evaluiert
wird. „Was ham sie letzte Woche geschafft? Was hatte´mer erarbeitet? Was is
umgesetzt?“ (4/23). Die Arbeitsweise von Frau Adler erschien ihm „plan- und ziellos“
(4/25).
Dies anzusprechen wäre ein wichtiger Aspekt im darauf folgenden
Hilfeplangespräch gewesen, „aber das hatte schon nich so gut geklappt“ (1/46):
weitere Hilfeplangesprächen fanden nicht statt. Erst als sich die Eheleute in ihrer
Unzufriedenheit über die Hilfe an das Jugendamt wandten, wurde ein erneuter
Gesprächstermin vereinbart. „Da ham wir auch zwischendrin ´n Gespräch gehabt
was auch meines Erachtens gut war wo wir danach gesagt haben das war gut das
war in Ordnung“ (12/3). Auch dieses Gespräch fand ohne die Familienhelferin statt,
die Umsetzung scheiterte erneut.
4.4. Die Arbeit in der Familie
Aufgrund der vielen Facetten der Arbeit in der Familie wird dieser Themenbereich in
acht Unterpunkte unterteilt.
4.4.1. Die Beziehung zwischen Interviewpartner und SPFH
„sie kam immer so in unsre Familie rein“ (3/11)
Antipathie gegenüber der Familienhelferin
Frau Müller erzählt, dass sie mit der Familienhelferin „gar nicht so gut zurecht
gekommen“ (1/48) ist und fügt die Begründung hinzu: „Weil ich mit der ähm
4. Interview Müller
50
eigentlich nie so die Ziele erarbeitet hab“ (1/48). Anscheinend ist sie mir (und sich
selbst?) gegenüber bemüht, ihre fehlende Sympathie für die Fachkraft als Person
nicht als eigentlichen Grund für das Scheitern der Beziehung hinzustellen.
Stattdessen möchte sie eine sachlichere Begründung heranziehen. Sie fragte sich
jedoch selber: „Oder war es wirklich die Person ähm die mit der ich jetzt so nich
zurechtgekommen bin… keine Ahnung“ (5/2). An einigen Stellen wird durch ihre
Wortwahl deutlich, dass ihr die Fachkraft regelrecht unsympathisch war.
„also die hat das immer so ähm gemacht wie´s grade für sie in den Kram passte“ (2/13) „un dann hat die Frau Adler das Bügelbrett angeschleppt und ich sollte dann halt im Kinderzimmer bügeln un irgendwie war ich da total sauer drüber weil ich das überhaupt nicht wollte (gedrückt lachend)“ (3/43) „das waren so . komische Aktionen“ (3/48)
Durch Formulierungen wie „in den Kram passte“, „das Bügelbrett angeschleppt“,
„total sauer drüber“, „so . komische Aktionen“ erhalte ich von Frau Müller den
Eindruck, dass sie von Frau Adler genervt war, ihr regelrecht mit Abneigung
gegenüberstand. An einer anderen Stelle ist festzustellen, dass
Meinungsunterschiede auf der persönlichen anstatt auf der sachlichen Ebene
ausgetragen wurden, die Beziehung belasteten und die Antipathie verstärkten.
„die Frau Adler die hat halt viele Sachen einfach nich so eng gesehen wie ich jetzt also . oder die hat halt ja ob man hier die Einbahnstraße in die richtige Richtung reinfährt oder so […] hat sie zu mir immer gesagt „Hach, das seh ich nicht so eng“ und das war für mich aber ´n riesiges Problem […] Also und ähm und da ging´s dann auch um Fynn oder ob die Kinder angeschnallt sind im Auto oder nich das war dann halt oder ob wir ´n Autositz halt hatten oder nich das hat sie dann halt nich so eng gesehen aber das konnte ich mit meinem Gewissen nich so vereinbaren un das hat mir dann wieder Stress bereitet“ (6/24)
Die unterschiedliche Bewertung der Situation durch die beiden Frauen wird deutlich:
Das lapidare „Hach“ drückt aus, dass es sich für Frau Adler um eine Banalität
handelte, für Frau Müller war deren Verhalten jedoch ein „riesiges Problem“, brachte
sie in Gewissenskonflikte und setzte sie so unter Druck.
Die Kinder scheinen interessanterweise in ihrem Verhalten die Gefühle der Mutter
bzw. die Beziehung zwischen Mutter und Familienhelferin zu spiegeln:
„als sie für die Kinder so was zum Ausschneiden mitgebracht hatte .. ähm da hab ich mal gedacht „och das is ja ´ne nette Geste“ .. weil ich glaub
4. Interview Müller
51
sonst hatte sie wirklich (betont) nich viel mit den Kindern gemacht das fand ich mal so ´ne positive Geste von ihr einfach ähm da is dann (lacht) nich viel draus geworden weil die Kinder da . nichts mit gemacht haben“ (12/14)
Man gewinnt hier leicht den Eindruck, als habe Frau Müller das freundliche
Bemühen der Familienhelferin um die Kinder in Form eines Bastelangebots zwar
wahrgenommen, das Desinteresse der Kinder aber mit einer gewissen Genugtuung
beobachtet zu haben. Zwar scheint sie einerseits enttäuscht zu sein, dass die
Familienhelferin sich so wenig mit den Kindern beschäftigt hat: „Ich mein ich denke
schon dass sie mal mit den Kindern gespielt hat aber ich kann mich da gar nich
mehr so so richtig dran erinnern“ (8/43). Aber andererseits sah sie in der Ablehnung
der Kinder ihre eigene Antipathie gegenüber der Familienhelferin.
Herr Müller beschreibt die Empfindungen seiner Frau folgendermaßen: „Es
funktioniert so nich zwischen uns und so wie es is isses nich gut“ (3/7). Auch für ihn
persönlich war an einem gewissen Punkt klar, „jemand anders hätten wir vielleicht
noch mal versucht aber so geht’s halt nicht“ (3/16).
Schon beim ersten Treffen war sein Gefühl „irgendwo schon ´n bisschen mulmig“
(8/21) und nach einiger Zeit musste er feststellen, „dass wir aber auch keine
Wellenlänge hatten“ (4/14). Möglicherweise stand er aus diesem Grund von
vorneherein der ersten Aktion der Familienhelferin in der Familie skeptisch
gegenüber. Einen einfachen Spaziergang zum nächsten Bäcker konnte er nicht
positiv als Unternehmung zum gegenseitigen Kennenlernen werten, sondern
vermisste schon hier das strukturierte Arbeiten: „Wo ich gedacht hab ne wir wollen
doch hier strukturiert arbeiten. Was war? Was kommt in der nächsten Woche?“
(8/27) Wäre ihm Frau Adler als Person sympathisch gewesen, hätte er die Situation
– selbst wenn sie seinen Erwartungen nicht entsprochen hätte – wahrscheinlich
wesentlich offener und weniger emotional bewerten können.
Distanz zu der Familienhelferin
Die Beziehung zwischen Frau Müller und der Fachkraft wirkt sehr distanziert. Frau
Müller bezeichnet Frau Adler zu Beginn des Interviews als die Frau, „die dann für
uns zuständig war für unsre Familie“ (1/46). »Zuständigsein« hat etwas mit
Pflichterfüllung und wahllosem Zugeordnetsein zu tun und wenig mit
Beziehungsaufbau bzw. –pflege oder Nähe und Vertrautheit. „Die Frau“ wird Frau
Adler an vielen Stellen des Interviews genannt, Funktion, Name o. ä. sind nicht
4. Interview Müller
52
entscheidend. Ähnliche Assoziationen der Distanz werden geweckt, wenn Frau
Müller erzählt: „Sie [Frau Adler] kam immer so in unsre Familie rein“ (3/11). Hier
entsteht der Eindruck, Frau Adler sei wie ein unliebsamer Fremdkörper in die
Familie eingedrungen. Da die Äußerung sich nicht allein auf das erste Treffen – in
dem noch keine Beziehung aufgebaut werden konnte – sondern auf die gesamte
Laufzeit der SPFH bezieht („immer“), wird deutlich, dass die Fachkraft eben gerade
nicht in der Familie angekommen war. Sie hatte keinen Zugang gefunden, sondern
blieb auf Distanz zu der gesamten Familie. Sie kam, „wie´s grade für sie in den
Kram passte un war dann nach zwei Stunden wieder weg“ (2/13).
Frau Müller sagt explizit, dass sie „zu der Frau einfach kein Vertrauen aufgebaut
[hat] in der ganzen Zeit“ (10/19). Auch „über die Schwierigkeiten jetzt mit den
Kindern“ (10/20) konnte sie mit ihr nicht sprechen. Stattdessen hat sie „halt
irgendwie immer versucht dass zu vertuschen wie die Kinder sich . benehmen“
(10/22). Und das, obwohl Frau Adler das Verhalten der Kinder interessanterweise
nicht kritisierte im Sinne von „Ach du meine Güte wie führen sich denn die Kinder
auf?“ sondern […] immer so gesagt [hat] „ach is doch alles ganz normal“ (10/26).
Diese Reaktion war Frau Müller „in dem Moment keine Hilfe“ (10/28), sie wollte nicht
beruhigt werden, sondern suchte konkrete Hilfen und Antworten auf die Fragen
„Was könnte mir helfen im Umgang mit den Kindern oder was kann den Kindern
helfen […]?“ (10/21). Anstatt Nähe zu schaffen, vergrößerten Situationen und
Reaktionen wie diese die Distanz noch weiter.
Auch Herrn Müllers Äußerungen spiegeln die Distanz zu der Familienhelferin
wieder.
V: „Heike sollte (betont)´nen strukturierten Tagesablauf haben un das Jugendamt hat das nicht für notwendig gehalten“ (10/41)
Mit »Jugendamt« ist in diesem Zusammenhang die Familienhelferin gemeint. Eine
Person, die es nicht „für notwendig“ hält, etwas zu tun, sieht sich meist in einer
überlegenen Position und hat kein persönliches Interesse am Gegenüber. Von
daher scheint es, als ob Herr Müller Distanz zu Frau Adler halte und diese
gleichzeitig auch als distanziert erlebe. Ähnlich zu sehen in folgendem Satz: „Es hat
meines Erachtens auch keinerlei Bereitschaft gegeben dort von der Frau Adler sich
dort schlau zu machen“ (13/11).
4. Interview Müller
53
Auch die Schilderung des Abschlussgesprächs verdeutlicht die distanzierte
Beziehung zwischen Familie Müller und der Familienhelferin, wenn Herr Müller
erzählt: „Die andere [Frau Adler] kam eigentlich nur zum Aufwiedersehn-sagen die
kam zu spät oder wie auch immer“ (3/5).
Der Umgang der Familienhelferin mit der Erkrankung
Eine starke Belastung für die Beziehung zwischen den Eheleuten Müller und Frau
Adler stellte das Erleben des Umgangs der Familienhelferin mit Frau Müllers
Erkrankung dar.
„also ich hatte echt das Gefühl ich bin jetzt ´n Einzelfall also so´n schlimmer Fall den .. den sie nich kennen mit meiner Erkrankung“ (4/43) „die hat halt immer gesagt „ja … ich weiß auch nich“ oder wenn ich mal Fragen hatte . oder sie hätte einfach keine Erfahrung mit Depressionen“ (4/47) „….. und halt so das Gefühl zu haben ähm .. ich bin was ganz Außergewöhnliches mit meiner Erkrankung also das hat sie mir schon zu verstehen geben dass .. ja .. dass sie da jetzt gar keine Erfahrung mit hat und ähm ich mein sie hat sich nie irgendwie .. jetzt schlecht gegenüber psychisch kranken Menschen geäußert oder so . aber . sie hat mir halt auch hm ja klar gesagt dass sie das so noch nie gemacht hat mit psychisch Kranken zu arbeiten“ (12/50)
Auch wenn sich die Fachkraft nie „schlecht gegenüber psychisch kranken
Menschen geäußert“ (13/2) hat – ihr Beharren darauf, „dass sie das so noch nie
gemacht hat mit psychisch Kranken zu arbeiten“ (13/3) und ihre distanzierte, fast
desinteressierte Antwort „ja … ich weiß auch nich“ (4/47) gaben Frau Müller das
Gefühl, ein besonders „schlimmer Fall“ (4/43) zu sein. Anstatt durch Ermutigung
einen Weg aus ihren Selbstzweifeln zu finden, wurde sie in diesen noch weiter
bestärkt. „Sie hatte mir halt einmal gesagt dass sie eigentlich auf dem Gebiet ähm
mit psychisch kranken Menschen zu arbeiten gar keine Erfahrungen hat und . mit
Depressionen halt auch nich un dass sie eher so auf Alkohol- oder
Drogenabhängige ähm . spezialisiert is joah (atmet seufzend aus) ..“ (2/22) Dieser
Seufzer ließ die ganze Belastung und den psychischen Druck von Frau Müller
erahnen. Noch zwei Jahre später ist allein die Erinnerung an die Zeit der SPFH
bedrückend.
V: „zu sagen damit hab ich keine Erfahrung hab damit noch nie gearbeitet is so die eine Seite aber das einfach so auf sich zu kommen zu lassen sich keine Informationen zu holen […] wär ja auch ´ne Sache vom Jugendamt gewesen zu sagen die Hilfe können wir da nich leisten aber es hat meines Erachtens auch keinerlei Bereitschaft gegeben dort von der Frau Adler sich
4. Interview Müller
54
dort schlau zu machen oder auch zu sagen: Könn wir mal ´nen Kontakt mit dem Therapeuten herstellen?“ (13/7)
An dieser Äußerung von Herrn Müller wird deutlich: Nicht in erster Linie die
Tatsache, dass die Fachkraft keine Erfahrung in der Arbeit mit Depressionen hatte,
hat die Beziehung erschwert. Herr Müller vermisste besonders die Initiative, sich in
die Thematik einzuarbeiten, um Interesse an der Familie und ihrer Situation zu
zeigen und Hilfestellung bieten zu können. Eine sinnvolle Alternative dazu wäre es
gewesen, die Grenzen der eigenen Kompetenz ehrlich wahrzunehmen und dem
Ehepaar eine alternative Hilfeart oder einen personellen Wechsel vorzuschlagen.
Abwertung der Vorstellungen von Frau Müller
An mehreren Stellen des Interviews geht Frau Müller auf das Verhalten von Frau
Adler ein. Ihre Situationsbeschreibungen erwecken den Eindruck, dass sie Frau
Adlers Reden und Handeln oftmals als nicht unterstützend oder sogar abwertend
erlebte. Mehrmals geht das Ehepaar darauf ein, dass Frau Müller mit ihrem
Psychotherapeuten einen Tagesplan erarbeitet hatte, um den Alltag zu
strukturieren, Frau Adler diesen jedoch ablehnte und nicht in ihre Arbeit mit
einbeziehen wollte.
„ich hab ja auch in der gleichen Zeit noch begleitend auch so ´ne Therapie gemacht also mit ´nem ambulanten Psychotherapeuten un hab mit ihm dann auch so erarbeitet so Tagesstrukturen zu haben und so und sie hat dann halt öfter so gesagt ja .. dass sie nich so den Sinn drin sieht dass das ja hm weiß ich nich Quatsch is oder so und ähm hat konnte mich da auch nich so unterstützen“ (1/49) „dass sie halt so gegen diesen Tagesplan den ich ja im Krankenhaus schon erarbeitet hatte und dann mit meinem Therapeuten so weitererarbeitet hab dass sie so ganz dagegen war und so irgendwie das hing das konnte das nicht gut gehen weil sie so dagegen gearbeitet hat“ (3/49) „und wo ich dann versucht hatte mit ihr da drüber zu sprechen […] und das dann mit ihr dann wirklich mal konkret zu machen . ähm und sie da einfach . immer so gesagt hat ja sie sieht da die Notwendigkeit nich oder sie denkt dass mir das noch viel mehr Druck machen würde dass es mir dann noch schlechter gehen würde“ (12/32)
Für Frau Müller war es nicht nachvollziehbar, dass der erarbeitete Plan als
überflüssiger „Quatsch“ abgetan wurde. Frau Adler begründete ihr Handeln damit,
„dass [solch ein Plan Frau Müller] noch viel mehr Druck machen würde“ (12/39). für
diese „konnte das nicht gut gehen weil sie so dagegen gearbeitet hat“ (4/1). Da Frau
Müllers Versuch, mit Frau Adler „da drüber zu sprechen“ (12/32), scheinbar schnell
mit dem Argument fehlender Notwendigkeit eines Tagesplans von der Fachkraft
4. Interview Müller
55
abgewiegelt wurde, kann von einer gesunden Beziehung, in der gelingende
Kommunikation stattfindet, nicht die Rede sein. Frau Müller öffnete sich, machte
sich verletzlich und erzählte Frau Adler von der „Schwierigkeit . grade auch bei
psychisch Kranken ähm so Pläne zu machen und sie dann auch wirklich
umzusetzen“ (12/34), sie formulierte einen klaren Arbeitsauftrag – und die
Familienhelferin sprach wenig einfühlsam von „Quatsch“.
„das war jetzt nich so die Hilfe die ich mir erhofft habe ähm . dass ich mit ihr einfach so ´ne Struktur einübe ich weiß dass wir das dass ich das mal bei ihr angesprochen hab aber da kam halt auch nich so die Reaktion“ (2/20)
Ratschläge können nicht angenommen werden
An einem weiteren Punkt wird deutlich, dass zwischen Frau Müller und der
Familienhelferin keine vertrauensvolle, positive Beziehung entstanden war: Der Tipp
von Frau Adler, „die Kinder in ´ne Betreuung also jetzt […] Kindergarten-
Ganztagsbetreuung“ (3/29) zu schicken und die Idee, „dass die Kinder in möglichst
vielen Vereinen also jetzt sportmäßig oder was weiß ich ähm Mitglied sein könnten
damit sie auch gefördert werden können“ (3/33), gab Frau Müller „das Gefühl […] „ja
ich bin keine gute Mutter“ (3/35). Wäre es gelungen, eine Beziehung aufzubauen, in
der Herr und Frau Müller z. B. wussten, dass die Familienhelferin ihnen und ihren
persönlichen Fähigkeiten gegenüber positiv eingestellt ist, hätten sie die Vorschläge
eventuell als entlastend annehmen können. Unter den gegebenen Umständen
erlebten sie sie jedoch als Angriff auf Frau Müllers Fähigkeiten als Mutter. Nach
Meinung von Herrn Müller waren die Empfindungen seiner Frau: „Ich bin Mutter und
war schon so lange im Krankenhaus und ich möchte mich jetzt um meine Kinder
kümmern“ und da kommt der Rat „Geben Sie die Kinder in die Betreuung“ (5/15).
Frau Müller sagt: „Da wär´s mir wirklich ´ne bessere Hilfe wenn da ´ne Person
gewesen wäre mit der ich auch mal . weiß ich nich mit den Kindern zusammen hätte
spielen können und ich dann hinterher einfach mit der Person hätte besprechen
können: Was war denn jetzt gut bei dem Spielen? Oder was hat nicht so gut
geklappt? …“ (12/44). Sie hätte sich also Kritik und Anregungen gewünscht. Von
Frau Adler als Person konnte sie diese jedoch nicht annehmen und fühlte sich
stattdessen angegriffen und verletzt. Auch in den folgenden
Situationsbeschreibungen wird dies deutlich:
„ja und dann ähm hat die Frau mir halt so bei der Hausarbeit zugeguckt als sie da war .. und irgendwie ich weiß noch einmal da hat die Johanna in ihrem Zimmer gespielt also unsre Tochter und ähm hm .. ich hab . irgendwie nich so richtig mit ihr spielen können un dann hat die Frau Adler das Bügelbrett angeschleppt und ich sollte dann halt im Kinderzimmer bügeln un
4. Interview Müller
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irgendwie war ich da total sauer drüber weil ich das überhaupt nicht wollte (gedrückt lachend)“ (3/40) „der Fynn […] der rutschte halt immer so meinen Schoß und die Beine runter das fand der ganz toll und ähm .. ja dann hat sie da eingegriffen un hat … weiß ich nich mehr hat dann halt irgendwie gesagt „Das macht man aber nich“ […] ich bin mir dabei schlecht vorgekommen ich hatte das Gefühl ich hab meine Kinder nich im Griff […] ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung .. halt weiß ich nich versagt habe (7 Sekunden Schweigen)“ (8/1)
Das Gefühl von Frau Müller unter Druck zu stehen
Die Worte, mit denen Frau Müller am häufigsten ihr Erleben mit der SPFH
ausdrückt, sind »Druck« und »Stress«. Die folgenden Beispiele sind eindeutige
Zeichen für die misslungene Beziehung zwischen der Familie und der Fachkraft. Es
hat Frau Müller „Druck gemacht […] dass die halt so hierher gekommen is und
gefragt hat „So was machen wir denn heute?“ (2/4), weil ihr dies das Gefühl gab,
„[sie müsste sich] vorher überlegen was [sie] jetzt mit der Frau anstellen kann“
(2/17), „wozu [sie sich] überhaupt nicht in der Lage“ (9/29) sah. Es machte ihr
Stress, „die Auffälligkeiten der Kinder irgendwie so herabzuspielen oder zu
vertuschen jetzt in der Gegenwart wo sie da war“ (3/21) oder dass die
Familienhelferin z. B. im Zusammenhang mit Verkehrssicherheit „halt viele Sachen
einfach nich so eng gesehen“ (6/24) hat wie sie. Auch unabhängig von bestimmten
Situationen oder Aktionen bewertet Frau Müller den Einsatz der SPFH allgemein als
bedrückend und stressig:
„dass halt in meinen ähm Therapiegesprächen das sehr oft ´n Thema gewesen is halt so dass ich mit der Frau Adler da nich zurechtgekommen bin und dass mir das unheimlichen Druck macht“ (4/29) „Mir ging es zeitweise dann auch schlecht weil mich das Ganze unter Druck gesetzt hat dann hab ich viel geweint“ (9/22) „es war also absolut keine entspannte Sache also es war ich war total angespannt in der Zeit wo die da war“ (10/33)
Zur Beziehung zwischen Ehepaar Müller und Familienhelferin soll abschließend auf
Frau Müllers Wortwahl an zwei Stellen des Interviews hingewiesen werden, die
möglicherweise sehr aussagekräftig ist. Sie spricht davon, dass sie sich aufgrund
der häufigen Unpünktlichkeit der Fachkraft „gar nich so richtig drauf einstellen
[konnte] wie lange un wann sie jetzt da is ..“ (2/14). Aufgrund der Fülle an Hinweisen
auf eine missglückte Beziehung zwischen Fachkraft und Familie kann diese
Formulierung als möglicherweise symptomatisch für die Beziehung angesehen
4. Interview Müller
57
werden. Familie Müller konnte sich offensichtlich nicht nur auf die jeweilige Ankunft
der Fachkraft, sondern grundsätzlich auf die Hilfe nicht einstellen oder einlassen.
Die Ursache hierfür liegt eindeutig in dem misslungenen Beziehungsaufbau. Oder
anders formuliert: Wäre der Aufbau einer Beziehung gelungen, hätte sich Familie
Müller ganz anders auf die Hilfe einlassen können.
4.4.2. Die Beziehung zwischen Kind und SPFH
„so wenig . Vertrauen wie mit der Frau vom Jugendam t ham sie eigentlich mit
keinem aufgebaut“ (5/29)
Auch die Kinder der Familie Müller „haben überhaupt (betont) gar keine Bindung zu
der Frau vom Jugendamt [Frau Adler] aufbauen können ähm und k-keine
Vertrauensbasis“ (5/31). Herr Müller erzählt, „dass Johanna da absolut auf Distanz
war“ (8/48). Es hätten sich damals verschiedene Personen um die Kinder
gekümmert, „aber so wenig . Vertrauen wie mit der Frau vom Jugendamt ham sie
eigentlich mit keinem aufgebaut“ (5/29).
Da sich Johanna und Fynn nach Aussage der Eltern „im Grunde genommen […] auf
die Bezugspersonen ein[lassen]“ (5/45), stellt sich die Frage, warum dies hier nicht
passiert ist. Herrn Müllers Gedanken waren: „Da stimmt irgendwo was nich weil die
Kinder keine Bindung aufgebaut haben und ich das so nich kenne“ (5/42).
Zum einen muss es für die Kinder schwierig bzw. irritierend gewesen sein, wenn
ihre Mutter bei Besuchen der Familienhelferin versuchte, „dass zu vertuschen wie
die Kinder sich . benehmen“ (10/22). Ihnen blieb sicher nicht verborgen, dass Frau
Müller der Familienhelferin nicht vertrauensvoll und offen begegnen konnte – und
sie schlossen sich in ihrem Verhalten der Mutter an.
Zum anderen hatten die Eheleute Müller bezüglich der Kinder Erwartungen, die
nicht erfüllt wurden.
„es kommt jemand vom Jugendamt soll hier ´ne Hilfe . auch anbieten und ´ne Bindung in der Familie zu den Kindern oder das Vertrauensverhältnis is irgendwie nich aufgebaut“ (5/49) „ich kann mich eigentlich auch nich daran erinnern dass die Frau Adler dann mit den Kindern mal gespielt hätte oder so“ (8/38) „da hätt ich mir eigentlich viel mehr Kontakt gewünscht“ (5/37)
4. Interview Müller
58
Diese Enttäuschung oder auch Unzufriedenheit werden die Kinder ihren Eltern
abgespürt haben und werden ihrerseits mit Distanz und Verschlossenheit reagiert
haben. Das Bastelangebot von Frau Adler konnten sie unter diesen Umständen
wohl nicht annehmen, wären sie doch aus ihrer Sicht ihren Eltern damit in den
Rücken gefallen.
„doch einmal hat sie was zum Ausschneiden mitgebracht da hatte sie irgendwelche . ähm .. irgendwelche Blätter von . also von . Kellogs oder so wo man was ausschneiden kann hatte sie was mitgebracht . für die Kinder das lag dann bei uns einfach rum (lacht)“ (8/40)
In einem weiteren Punkt spiegelt die Beziehung zwischen den Kindern und der
Fachkraft einen Aspekt der Beziehung zwischen den Eltern und der Fachkraft. War
den Eltern z. B. die Funktion der SPFH tatsächlich klar? Den Kindern war die
Funktion offensichtlich nicht klar und sie konnten die Besuche und das Auftreten der
Familienhelferin nicht einordnen.
„die Kinder ham halt auch nicht gewusst wie gehen wir damit um äh .. wenn die gekommen is und gesagt hat „Was machen wir denn heute?“ (5/37) „ich hab das ähm das Gefühl gehabt dass die das überhaupt nich einsortieren konnten ähm was die Frau Adler für ´ne Funktion hat“ (8/33)
Es hatte sich ein Teufelskreis entwickelt:
Die Kinder begegnen der
Fachkraft distanziert
Keine Akzeptanz der Fachkraft durch
die Eltern
Misslungene Beziehung zwischen Eltern und Fachkraft
Die Fachkraft kann die Kinder
nicht für sich gewinnen
Die Eltern hinterfragen die Kompetenz der
Fachkraft
4. Interview Müller
59
4.4.3. Absprachen / Pünktlichkeit
„also ich konnte mich nie drauf einstellen so jetzt kommt die Frau Adler“
(9/33)
Die Eheleute Müller formulieren die Absprache, die sie mit der
Jugendamtsmitarbeiterin getroffen hatten, wie folgt: „Wir setzen uns dann und dann
also nach zwei Monaten oder so noch mal zusammen und gucken mal aber das
hatte schon nich so gut geklappt“ (1/45). Ein zweites Hilfeplangespräch fand nicht
statt. Zusätzlich berichtet Frau Müller: „Ich hab auch nich gemerkt dass wir so
diesen Hilfeplan ähm .. dass wir uns danach gerichtet haben“ (4/2). Mit dieser
Tatsache ist auch Herr Müller unzufrieden, wenn er sagt: „Und ich glaube da ging
das für mich auseinander dass . dass Hilfe dieser Hilfeplan da war aber nich
ungesetzt wurde“ (4/11). Der Hilfeplan wurde – wie oben beschrieben – nur in
Zusammenarbeit mit der Jugendamtsmitarbeiterin und ohne Beteiligung der
Familienhelferin erstellt. Diese „wollte ja keinen Plan oder Struktur“ (9/48). Doch wie
Herr Müller berichtet, fehlte den Eltern genau dies: „Zu sagen so das nehm´ wir uns
vor: Was war in der letzten Woche? Was kommt in der nächsten Woche? Un was is
dran?“ (9/46). Er hatte den Eindruck, dass es bei jedem Treffen neu um dieselben
Fragen ging: „Was is denn jetzt dran? Was woll´n wir denn machen? Was is denn
heute dran? (10/2).
Das Auftreten und Verhalten der Familienhelferin macht hier einen sehr
unprofessionellen, unvorbereiteten und unzuverlässigen Eindruck. Wie sollte Frau
Müller lernen, ihren Alltag zu gestalten und zu strukturieren – so wie sie es sich von
der Hilfe erhoffte – und nicht nur »in den Tag hinein zu leben«, wenn die Fachkraft
»in jedes Treffen hinein lebte«? Wie sollte die Familie eine vertrauensvolle
Beziehung zu einer Person aufbauen, die selbst bezüglich getroffener Absprachen
unzuverlässig war?
Diese Unzuverlässigkeit erlebte Familie Müller auch in Sachen Pünktlichkeit. Die
Familie „hatte halt zweimal drei Stunden die Woche da äh vom Jugendamt
zugebilligt gekriegt“ (2/9). Schon zu Beginn des Interviews erwähnt Frau Müller
jedoch, dass „das ja nich regelmäßig war ..“ (1/26).
„was mir auch noch so im Hinterkopf war dass es ja nie so … ähm so feste Zeiten oder so waren oder dass sie halt dann immer also ich konnte mich nie drauf einstellen so jetzt kommt die Frau Adler von dreizehn bis .. weiß ich jetzt nich sechzehn Uhr sondern dann is sie mal ´ne halbe Stunde später gekommen oder vielleicht sogar ´ne Stunde das weiß ich nich mehr genau
4. Interview Müller
60
und dann isse aber auch schon wieder nach anderthalb Stunden weg gewesen […] und das war für mich halt auch so´n Stress gewesen was ich ja auch mit den Kindern so´n bisschen sortieren musste“ (9/32)
Frau Müller konnte sich nicht auf die vereinbarten Zeiten verlassen, da die Fachkraft
immer wieder später kam und früher ging. Die Eheleute Müller berichten nicht, ob
Frau Adler ihre Verspätungen entschuldigte oder erklärte. Es bleibt dennoch
fraglich, ob sie bei einer derart distanzierten Beziehung Entschuldigungen oder
Erklärungen hätten annehmen können. Für sie war die Unzuverlässigkeit bezüglich
der vereinbarten Termine möglicherweise ein Beleg dafür, dass auf die
Familienhelferin auch persönlich kein Verlass ist, z. B. im Bezug auf ihre
Vertrauenswürdigkeit. Zudem wurden Verspätung und Verkürzung von Terminen
höchstwahrscheinlich persönlich genommen und als Desinteresse oder Ignoranz
bewertet. Das Zitat „dann isse aber auch schon wieder nach anderthalb Stunden
weg gewesen“ (9/36), klingt nach: »Sie ist hier mal kurz hereingeschneit, hat ihren
Termin abgehakt und ist schon wieder weg, bevor sie in der Familie überhaupt
richtig angekommen ist«.
4.4.4. Ressourcenorientierung
„ich hab […] erarbeitet so Tagesstrukturen zu haben […] und sie hat […]
gesagt […] dass das […] Quatsch is“ (1/49)
Nach den Erzählungen von Herrn und Frau Müller war in der Arbeit der
Familienhelferin keine Ressourcenorientierung zu erkennen, obwohl Situationen
geschildert werden, in denen es so nahe liegend oder einfach gewesen wäre, auf
die vorhandenen Ressourcen aufzubauen.
„Also das war halt so gewesen dass ähm .. ich hab ja auch in der gleichen Zeit noch begleitend auch so ´ne Therapie gemacht also mit ´nem ambulanten Psychotherapeuten un hab mit ihm dann auch so erarbeitet so Tagesstrukturen zu haben und so und sie hat dann halt öfter so gesagt ja .. dass sie nich so den Sinn drin sieht dass das ja hm weiß ich nich Quatsch is oder so und ähm hat konnte mich da auch nich so unterstützen“ (1/49) „und wo ich dann versucht hatte mit ihr da drüber zu sprechen und sie dann ähm . oder auch .. durchzuführen oder konkretisieren also das is auch immer ´ne Schwierigkeit . grade auch bei psychisch Kranken ähm so Pläne zu machen und sie dann auch wirklich umzusetzen, ne?[…] Und das dann mit ihr dann wirklich mal konkret zu machen . ähm und sie da einfach . immer so gesagt hat ja sie sieht da die Notwendigkeit nich oder sie denkt dass mir das noch viel mehr Druck machen würde dass es mir dann noch schlechter gehen würde und so“ (12/32)
4. Interview Müller
61
Frau Müller konnte der Fachkraft hier zum einen zeigen »Das habe ich schon
erarbeitet!«, zum anderen öffnete sie sich und sprach ehrlich über ihre
krankheitsbedingte Schwierigkeit, Pläne in die Tat umzusetzen. Doch die
Familienhelferin konnte diese Leistungen nicht würdigen und auch nicht auf die
persönlichen Gedanken von Frau Müller und ihren konkreten Wunsch für die
gemeinsame Arbeit eingehen. Es scheint widersprüchlich: Im Erleben der Eheleute
nahm sie in dieser Situation Frau Müllers Ideen nicht in ihre Arbeit auf – weil es
dieser „noch viel mehr Druck machen würde“ (12/39). In anderen Situationen
überforderte sie sie aber damit, z. B. „so das Programm jetzt aufzustellen wozu ich
mich überhaupt nicht in der Lage gefühlt hab“ (9/29) – und bereitete ihr damit
„totalen Stress“ (9/28).
Als weitere wichtige Ressource von Frau Müller ist zu sehen, dass diese nach
Eindruck ihres Mannes sagte: „Ich bin Mutter und war schon so lange im
Krankenhaus und ich möchte mich jetzt um meine Kinder kümmern“ (V: 5/15). Bei
allen Schwierigkeiten, die sich aufgrund ihrer Depression zu dem Zeitpunkt im
Familienalltag darstellten, wäre es unerlässlich gewesen, diese Motivation und
diesen Wunsch zu würdigen und für die Arbeit zu nutzen. Es bleibt offen, wie dies
eventuell geschehen ist. Die Eheleute Müller haben es aber offensichtlich nicht so
empfunden. Sie hörten nur: „Geben sie die Kinder mehr in die Betreuung“ (5/13)
oder „Ich sollte doch sehen dass die Kinder in möglichst vielen Vereinen also jetzt
sportmäßig oder was weiß ich ähm Mitglied sein könnten damit sie auch gefördert
werden können“ (3/32).
Gleich im ersten Gespräch verpasste die Fachkraft die Chance, der Familie ihre
Stärken aufzuzeigen, auf ihre Ressourcen hinzuweisen bzw. sich gemeinsam
optimistisch auf die Suche nach diesen zu machen. Stattdessen wies sie den Sohn
auf eine Art zurecht „Das macht man aber nich“ (8/6), dass Frau Müller schon bei
der ersten Begegnung direkt das Gefühl vermittelt wurde, „dass [sie] in [ihrer]
Erziehung […] versagt [hat]“ (8/13).
Es wird allerdings deutlich, dass Ressourcenorientierung auch nicht bedeuten darf,
Dinge in einer Familie »schönzureden«, die nicht gut laufen, hiermit wird ein völlig
gegenteiliger Effekt erzielt. Entscheidend ist die Authentizität, d. h. die
Rückmeldungen müssen ehrlich und passend sein, um von der Familie als hilfreich
angenommen zu werden.
4. Interview Müller
62
„So ähm ich hab halt irgendwie immer versucht dass zu vertuschen wie die Kinder sich . benehmen sag ich mal oder ähm .. ja mir war´s dann unangenehm wenn die Kinder .. un sie hat dann immer so gesagt „ach is doch alles halb so schlimm is doch alles“ Also sie hat . ja sie hat eigentlich nie . also sie hat das nie so gesagt „Ach du meine Güte wie führen sich denn die Kinder auf?“ sondern hat das dann immer so gesagt „ach is doch alles ganz normal“ aber es war mir in dem Moment keine Hilfe gewesen ich mein´ es is vielleicht ganz nett dann zu beruhigen und sagen „ach .. ähm ihre Kinder sind schon in Ordnung und so schlimm is das gar nich“ aber es war mir halt keine Hilfe gewesen“ (10/22)
Es bleibt die Frage offen, ob die regelmäßige Frage der Familienhelferin »Was
machen wir denn heute?« von dieser als Ressourcenorientierung gedacht war.
Möglicherweise wollte sie Frau Müller dazu anregen, eigene Ideen einzubringen und
aktiv zu werden. Da diese Intention bei den Eheleuten jedoch nicht angekommen
ist, wäre es dringend notwendig gewesen, sie zu kommunizieren. Die Fachkraft
hätte mit Frau Müller darüber sprechen müssen, warum sie ihr mit der immer
wiederkehrenden Frage Verantwortung überträgt und was sie damit erreichen
möchte.
4.4.5. Mitarbeit der Familie
„ich weiß es gar nich Daniel was hab ich denn mit d er gemacht in der ganzen
Zeit?“ (9/42)
Frau Müller scheint es schwer zu fallen, sich die Zusammenarbeit mit Frau Adler
und ihre eigene Mitarbeit in Erinnerung zu rufen. Darum fragt sie ihren Mann: „Was
hab ich denn mit der gemacht in der ganzen Zeit?“ (9/42) Sie erzählt
schwerpunktmäßig, was sie nicht gemacht haben und was sie sich eigentlich
gewünscht hätte.
„mit der bin ich halt gar nicht so gut zurecht gekommen weil ich mit der ähm eigentlich nie so die Ziele erarbeitet hab“ (1/48) „ohne dass man sich vielleicht gemeinsam Gedanken macht wie könn wir den Alltag gestalten oder so“ (3/48) „da wär´s mir wirklich ´ne bessere Hilfe wenn da ´ne Person gewesen wäre mit der ich auch mal . weiß ich nich, mit den Kindern zusammen hätte spielen können und ich dann hinterher einfach mit der Person hätte besprechen können: Was war denn jetzt gut bei dem Spielen? Oder was hat nicht so gut geklappt?“ (12/44)
4. Interview Müller
63
Welche Mitarbeit die Familienhelferin von Frau Müller erwartete, wird in der
offensichtlich regelmäßigen Frage „So, was machen wir jetzt?“ (2/15) deutlich. Der
Druck, sich im Vorhinein überlegen zu müssen, was sie „jetzt mit der Frau anstellen
kann“ (2/17), belastete Frau Müller sehr und deckte sich nicht mit ihren
Vorstellungen von Mitarbeit.
Neben dem Aspekt der Überforderung prägten Unwille – „ich sollte dann halt im
Kinderzimmer bügeln un irgendwie war ich da total sauer drüber weil ich das
überhaupt nicht wollte“ (3/43) – und Vertuschen – „ich hab halt irgendwie immer
versucht dass zu vertuschen wie die Kinder sich . benehmen“ (10/22) – die Mitarbeit
von Frau Müller.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Frau Müllers Erkrankung zum damaligen
Zeitpunkt soviel Raum im Leben und Denken des Ehepaares einnahm, dass
manche Erinnerungen heute sehr verschwommen sind bzw. die Situation von ihnen
schon damals möglicherweise auch nicht sehr bewusst erlebt wurde. Dies wäre eine
Erklärung für die fehlenden Erinnerungen z. B. an konkrete Unternehmungen mit
der Fachkraft. Andererseits ist es natürlich auch möglich, dass während der Zeit mit
der Familienhelferin tatsächlich nicht mehr passierte, als: „Wir haben ganz viel
auf´m Sofa gesessen […] dann hab ich viel geweint un […] ja ich weiß dass wir
einmal noch spazieren waren“ (9/22).
4.4.6. Kontrolle
„ich hab halt irgendwie immer versucht dass zu vert uschen wie die Kinder
sich . benehmen“ (10/22)
Das Thema »Kontrolle« wird von Herrn und Frau Müller nicht konkret
angesprochen. Es ist möglich, dass sie sich von der Familienhelferin kontrolliert
fühlten und Frau Müller aus diesem Grund versuchte, „die Auffälligkeiten der Kinder
irgendwie so herabzuspielen oder zu vertuschen“ (3/22).
Ein gewisses Gefühl von Kontrolle geht wohl immer mit einer Betreuung im Auftrag
des Jugendamtes einher. Bei Familie Müller erhält man den Eindruck, als seien die
familiären Schwierigkeiten Frau Müller einfach unangenehm gewesen, da sie sie in
ihrer Befürchtung, eine schlechte Mutter zu sein, bestätigten.
4. Interview Müller
64
Da die Eheleute Müller den Vorschlag, „Geben sie die Kinder mehr in die
Betreuung“ (5/13) nicht als Entlastung auffassen konnten, hatten sie offensichtlich
das Gefühl, bei der Kontrolle durch die Familienhelferin bzw. das Jugendamt
schlecht abzuschneiden.
4.4.7. Vertrauen
V: „´ne Bindung in der Familie zu den Kindern oder das Vertrauensverhältnis
is irgendwie nich aufgebaut“ (5/50)
Da Frau Müller mit der Familienhelferin grundsätzlich „halt gar nicht so gut zurecht
gekommen“ (1/48) ist und auch Herr Müller sagt, „dass [sie] aber auch keine
Wellenlänge hatten“ (4/14), ist es nicht verwunderlich, dass das Ehepaar Frau Adler
gegenüber kein Vertrauen entwickelte. Frau Müller formuliert dies ganz explizit: „Ich
glaub dass ich auch zu der Frau einfach kein Vertrauen aufgebaut hab in der
ganzen Zeit“ (10/19).
Dies hatte u. a. zur Folge, dass sie „mit ihr auch nich soo über die Schwierigkeiten
jetzt mit den Kindern sprechen konnte“ (10/20) und sich selbst damit unter Druck
setzte, „so die Auffälligkeiten der Kinder irgendwie so herabzuspielen oder zu
vertuschen jetzt in der Gegenwart wo sie da war“ (3/21).
Wenn kein Vertrauen aufgebaut werden kann, ist der regelmäßige Besuch einer
SPFH ohne Zweifel „absolut keine entspannte Sache. [Frau Müller] war total
angespannt in der Zeit wo die [Familienhelferin] da war“ (10/33). Herr Müller erzählt,
dass auch die Kinder „absolut auf Distanz“ (8/48) waren und „überhaupt (betont) gar
keine Bindung zu der Frau vom Jugendamt aufbauen [konnten]“ (5/31). Die
Wortwahl »absolut«, »total« und »überhaupt gar keine« macht deutlich, wie
eindrücklich das fehlende Vertrauensverhältnis für die Familie war.
Hinzu kam das Gefühl von Frau Müller „Ich bin was ganz Außergewöhnliches mit
meiner Erkrankung“ (12/50). Es resultierte aus der Äußerung der Familienhelferin,
„dass sie das so noch nie gemacht hat mit psychisch Kranken zu arbeiten“ (13/3).
Diese Tatsache an sich ist noch kein Grund für fehlendes Vertrauen. Für Frau
Müller sank höchstwahrscheinlich aber die Motivation, sich Frau Adler
anzuvertrauen, da diese ihre Unerfahrenheit in dem Bereich psychischer
4. Interview Müller
65
Erkrankungen immer wieder betonte und offensichtlich kein Bemühen zeigte, sich in
die Thematik einzuarbeiten.
4.4.8. Themen bzw. Ziele der SPFH
V: „für mich war´s […] gut geplant, was wir besproc hen hatten“ (4/25)
V: „[es war] plan- und ziellos, was umgesetzt wurde “ (4/25)
Vor dem Einsatz der SPFH bei Familie Müller fand ein Hilfeplangespräch mit Herrn
und Frau Müller und der Jugendamtsmitarbeiterin statt – die Familienhelferin war
nicht anwesend. In diesem Gespräch wurde „so´n Hilfeplan erstellt hm nach dem
man auch nach ´ner gewissen Zeit gucken sollte ob die Ziele erreicht wurden“
(1/43). Geplant war, sich nach ca. zwei Monaten erneut zu einem Hilfeplangespräch
zu treffen, um den Verlauf der Hilfe zu evaluieren. Herr Müller erinnert sich daran,
dass er mit diesem Gespräch sehr zufrieden war, da er „den Eindruck hatte genau
Ziele zu definieren und zu sagen wir möchten strukturierten Tagesablauf sehen
dass das Familiäre klappt und eben diese Hilfe zu haben“ (4/8). Über diese Punkte
hinaus können die Eheleute nicht mehr zu Zielen oder Themen der Hilfe sagen.
Frau Müller kann „aus´m Kopf auch gar nich mehr sagen was die Ziele gewesen
sind in diesem Hilfeplangespräch“ (4/4).
Bezüglich der Zeit nach dem Hilfeplangespräch meint Frau Müller, sie habe in der
Zusammenarbeit mit der Familienhelferin gar nicht gemerkt, „dass [sie] so diesen
Hilfeplan ähm .. dass [sie sich] danach gerichtet haben“ (4/2). Charakteristisch für
das Vorgehen der Familienhelferin war nach ihrer Schilderung die regelmäßige
Frage „So was machen wir denn heute?“ (2/5). Den Eindruck, dass sie an den
vereinbarten Zielen arbeiteten, hatte Frau Müller nicht.
M: „ja ich weiß es gar nich Daniel was hab ich denn mit der gemacht in der
ganzen Zeit? […] V: So nur dass ihr euch unterhalten habt un jedes Mal wieder von vorne
begonnen habt: Was is denn jetzt dran? was woll´n wir denn machen? was is denn heute dran? […] das war das was bei mir immer angekommen is dass es sich immer wieder um den entsprechenden Tag was da wie zu machen is un dran war gedreht hat“ (9/42)
Das Agieren in der Familie macht trotz des vorhandenen Hilfeplans einen
ungeplanten und ziellosen Eindruck. Natürlich sind seitdem ca. zwei Jahre
4. Interview Müller
66
vergangen und es ist sicher auch einiges in Vergessenheit geraten, aber auch auf
die konkrete Nachfrage hin, wie ein typischer gemeinsamer Nachmittag
ausgesehen habe, erzählt Frau Müller: „Also ich glaub wir haben ganz viel auf´m
Sofa gesessen“ (9/22). Es macht den Eindruck, als seien die vereinbarten Ziele und
Themen auch zum damaligen Zeitpunkt in der Arbeit der Familienhelferin nicht
greifbar gewesen.
Es ist schon grundsätzlich schwierig, wenn die Person, die mit der Familie arbeiten
wird, nicht an dem Hilfeplangespräch teilnimmt. Unterschiedliche Vorstellungen,
Ideen, Wünsche und Vorgehensweisen hätten schon hier thematisiert werden
können. Offensichtlich hat es in diesem Fall leider zudem nicht funktioniert,
unabhängig von persönlichen Vorstellungen mit dem vorliegenden Hilfeplan zu
arbeiten.
4.5. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
V: „da war die Wellenlänge da da war die Richtung d a“ (4/17)
Wie unter 5.1.1 genauer beschrieben vereinbarte die Sozialarbeiterin des
Krankenhauses, in dem sich Frau Müller aufgrund von Depressionen 10 Wochen
lang aufhielt, einen ersten Gesprächstermin mit dem Jugendamt. An diesem
nahmen die Sozialarbeiterin des Krankenhauses, die Jugendamtsmitarbeiterin und
Frau Müller teil. Letztere erzählt: „Wir ham uns einfach unterhalten hm . genau also
das hab ich erstmal als . positiv erlebt . un einfach so ähm . dass es ´ne Hilfe sein
kann (betont)“ (7/6) und Herr Müller bestätigt dies: „Du warst sehr angetan“ (7/9).
Besonders eindrücklich – da sie sich so konkret wie sonst selten während des
Interviews daran erinnert – scheint für Frau Müller die Erfahrung gewesen zu sein,
„dass der Antrag halt so gemacht wurde dass [sie] dann nich sehr lange warten
muss[te] bis die Hilfe dann zustande [kam]“ (1/18). Möglicherweise tat es ihr gut, mit
ihren persönlichen und familiären Schwierigkeiten ernst genommen zu werden und
zu erleben, dass für sie Hilfe aktiviert wurde. Denkbar wäre allerdings auch die Idee,
dass Frau Müller das Gefühl vermittelt wurde, die Familiensituation sei derart
dramatisch, dass mit solcher Eile vorgegangen werden musste. Da die Eheleute
Müller die Gespräche im Jugendamt aber als unterstützend erlebten, war die
Dringlichkeit, mit der ihr Antrag behandelt wurde, für sie wahrscheinlich eine sehr
positive Erfahrung.
4. Interview Müller
67
„und auch das Erstgespräch im Jugendamt die Gespräche die war´n einfach gut die war´n einfach unterstützend auch für dich zu sagen „Ich komm jetzt wieder nach Hause ich kann wieder nach Hause kommen und ich hab ´ne Hilfe.“ (11/22)
In einem ersten Hilfeplangespräch mit Ehepaar Müller und der
Jugendamtsmitarbeiterin wurde ein Hilfeplan erstellt. Die Sozialarbeiterin sagte zu:
„Wir setzen uns dann und dann also nach zwei Monaten oder so noch mal
zusammen und gucken mal“ (1/45).
„Mit der . Frau im Jugendamt mit der Leiterin hatten [sie] ´ne sehr gute Wellenlänge“
(4/6), erzählt Herr Müller, „da war die Richtung da“ (4/17). Sie konnte dem Ehepaar
auch den Ratschlag geben, die Kinder vermehrt außerhäuslich betreuen zu lassen
– wie es scheint, ohne dass diese den Vorschlag als belastend oder verletzend
auffassten. Ganz im Gegensatz zu der Familienhelferin – die ja später mit ganz
anderem Resultat dasselbe vorschlug – machte die hier entstandene Beziehung
Anregungen und Kritik möglich.
Familie Müller „hatte […] zweimal drei Stunden die Woche […] vom Jugendamt
zugebilligt gekriegt“ (2/9). »Zubilligen« hat den Charakter von: »ich erhalte eine
Leistung und muss nicht dafür bezahlen; ich muss dankbar sein, dass ich diese
Leistung in Anspruch nehmen darf«. Möglicherweise verbirgt sich hinter dieser
Formulierung eine zusätzliche Erklärung dafür, dass Familie Müller die Hilfe nicht
schon eher abbrach: neben der Tatsache, dass ihnen durch die Erkrankung von
Frau Müller die Kraft fehlte, diesen Schritt zu gehen, wollten sie nicht undankbar
erscheinen und ein Hilfsangebot nicht ausschlagen.
Die Jugendamtsmitarbeiterin hatte der Familie neben einem weiteren
Hilfeplangespräch in ungefähr zwei Monaten auch zugesagt, zur Verfügung zu
stehen, „wenn es Probleme gibt“ (2/37). Ein solches Gespräch fand statt, da Herr
und Frau Müller – den Erzählungen des Vaters nach – fragen wollten, „ob da was
zu ändern is mit der Person die da eingesetzt ist“ (2/43). Auch wenn sich
herausstellte, „dass das nich geht“ (2/48), sagt Herr Müller über dieses Treffen: „Da
ham wir auch zwischendrin ´n Gespräch gehabt was auch meines Erachtens gut
war wo wir danach gesagt haben das war gut das war in Ordnung“ (12/3). Der
Jugendamtsmitarbeiterin war es also offensichtlich gelungen, selbst eine kritische
Situation, die eigentlich Unzufriedenheit bei Herr und Frau Müller hervorrief, so zu
4. Interview Müller
68
gestalten, dass das Ehepaar sie positiv erlebte. Ausschlaggebend war auch hier
ohne Zweifel die „sehr gute Wellenlänge“ (4/6), die Herr Müller anspricht.
Unter 5.8 wird der Abschluss der Hilfe noch genauer betrachtet, aus diesem Grund
soll er an dieser Stelle nur kurz nachgezeichnet werden. Nachdem sich
herausgestellt hatte, dass es keinen personellen Wechsel der Familienhelferin
geben würde, ermutigte der mit dem Fall befasste Psychotherapeut Frau Müller
dazu, „dass [sie] einfach ´n Brief schreiben soll und ´n Schlussstrich drunter ziehen
soll“ (2/28). Da sich die Familienhelferin verspätete, fand auch das darauf folgende
Abschlussgespräch nur mit der Jugendamtsmitarbeiterin statt.
V: „Da war´n wir im Jugendamt das waren vielleicht zehn Minuten Gespräch vielleicht wenn überhaupt […] wo dann halt gesagt jemand anders hätten wir vielleicht noch mal versucht aber so geht’s halt nicht“ (3/11)
An einigen Stellen des Interviews fällt auf, dass für Herrn und Frau Müller
offensichtlich gewisse Funktionen oder Formalien des Jugendamtes bzw. der
betreffenden Personen unklar geblieben sind. Schon während meines ersten
Telefonats mit Frau Müller sagte ihr der Begriff »Sozialpädagogische Familienhilfe«
gar nichts. Auch nach meiner Erklärung und nach Absprache mit ihrem Mann war
sie sich nicht ganz sicher, ob sie diese Art der Hilfe erhalten hätten und fragte bei
dem damals zuständigen Jugendamt nach. Ähnlich erging es ihr mit den Begriffen
»Hilfeplan« und »Hilfeplangespräch«, die ihr zwar nicht bekannt waren, aber die für
sie inhaltlich gefüllt waren. Die in dieser Arbeit »Jugendamtsmitarbeiterin« genannte
Person ist in den Erzählungen von Herrn Müller „die Leiterin ich weiß nich mehr wie
die Beziehung war“ oder „die Frau die im Jugendamt war die nich hier zuhause war“
(3/2).
„die war ich weiß auch nicht wie die war ich weiß nich wie sich das nennt Leiterin oder Bezirksleiterin die war also praktisch dafür zuständig dass die . ähm ja sind das Sozialarbeiter oder was dass die halt in den Familien eingesetzt sind“ (2/27)
Ihre Funktion und im Gegensatz dazu die der Familienhelferin scheint für Ehepaar
Müller nicht klar gewesen zu sein, wenn Herr Müller erzählt: „Wir ham ja auch
gefragt ob nich die Frau aus´m Jugendamt das machen kann weil da war die
Wellenlänge da da war die Richtung da“ (4/15).
4. Interview Müller
69
Auch hier bleibt offen, wo es vom Jugendamt oder der Familienhelferin versäumt
wurde, Klarheit zu schaffen und grundsätzliche Informationen zu geben und wo
Ehepaar Müller zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, Informationen
aufzunehmen und Zusammenhänge zu verstehen. Herr Müller spricht selbst auch
von krankheitsbedingten Schwierigkeiten: „Das war dir da ganz lieb da nich in dem
Moment sagen zu müssen „Es funktioniert so nich zwischen uns und so wie es is
isses nich gut“ Da hatten wir auch einfach Schwierigkeiten mit zu dem Zeitpunkt
einfach aufgrund deiner Erkrankung“ (3/6).
Unbefriedigend an der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt muss für die Eheleute
Müller die Tatsache gewesen sein, dass für sie die Frage offen blieb: „War das
einfach die falsche Hilfe? Also is das gar nich die Aufgabe vom Jugendamt?“ (4/51).
Herr Müller ist der Meinung, dass es „ja auch ´ne Sache vom Jugendamt gewesen
[wäre] zu sagen die Hilfe können wir da nich leisten“ (13/10). Diese Frage hätte
spätestens im Abschlussgespräch geklärt werden müssen.
4.6. Abschluss der Hilfe
„ich möchte nich mehr und fertig aus“ (4/34)
Die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin hatte Ehepaar Müller im Hilfeplangespräch
zugesagt, „wenn es Probleme gibt könnte man mit ihr sprechen“ (2/37). Als sich
immer deutlicher herausstellte, dass die gesamte Familie Müller mit der SPFH nicht
zurecht kam, fragte Frau Müller beim Jugendamt nach, „ob da was zu ändern is mit
der Person die da eingesetzt ist“ (2/43). Da ein personeller Wechsel nicht möglich
war, Frau Müller durch die Hilfe aber so stark unter Druck stand, dass sie dies auch
immer wieder in ihren Therapiegesprächen ansprach, ermutigte der Therapeut sie
schließlich dazu, die Hilfe abzubrechen.
„ich kann mich noch erinnern dass halt in meinen ähm Therapiegesprächen das sehr oft ´n Thema gewesen is halt so dass ich mit der Frau Adler da nich zurechtgekommen bin und dass mir das unheimlichen Druck macht und ähm . und dass dann halt mein Therapeut gesagt hat ähm .. dass . dass er denkt es wäre das Beste ich würde ´n Schlussstrich drunter zieh´n und halt im Jugendamt anrufen oder ´n Brief schreiben und dann sagen ich möchte nich mehr und fertig aus“ (4/29)
Als Folge dieses Briefes wurden Herr und Frau Müller zu einem Abschlussgespräch
ins Jugendamt eingeladen. Herr Müller erinnert sich, dass „für [seine Frau] auch die
4. Interview Müller
70
Aufgabe war vom Herrn Adler dem Therapeuten her da auch mal klar zu sagen
dass das so nicht weitergeht“ (2/50). Auch die Familienhelferin sollte an diesem
Gespräch teilnehmen, verspätete sich jedoch und kam nach Herrn Müllers Eindruck
„eigentlich nur zum Auf-Wiedersehn-sagen“ (3/5). Er hatte das Gefühl, dass es
seiner Frau in dem Moment entgegenkam, der Fachkraft nicht persönlich sagen zu
müssen: „Es funktioniert so nich zwischen uns und so wie es is isses nich gut“ (3/7).
In der Erinnerung der Eheleute dauerte das Gespräch höchstens zehn Minuten, der
gesamte SPFH-Einsatz „vielleicht insgesamt ´n halbes Jahr“ (1/25).
Herr Müller ist der Meinung, dass es seiner Frau schlussendlich „´ne Hilfe war zu
sagen es klappt jetzt nich“ (11/2); für ihn war es „folgerichtig irgendwann zu sagen
wir machen dort nicht weiter“ (11/26). Wieviel Überwindung seiner Frau diese
Entscheidung dennoch kostete, kommt in der Formulierung „ich möchte nich mehr
und fertig aus“ (4/34) zum Ausdruck. Der erste Teil »ich möchte nich mehr« ist noch
Zitat des Therapeuten, aber mit »und fertig aus« drückt Frau Müller ihre eigene
Gefühlslage aus. Man gewinnt den Eindruck, als habe sie schon lange mit dem
Gedanken gerungen, die Hilfe abzubrechen und nun eingesehen, dass ein harter
und unmissverständlicher Schnitt die einzige Möglichkeit ist. Die Worte »und fertig
aus« wecken in mir das Bild einer Person, die innerlich auf den Tisch haut und sagt
»Ende der Diskussion, ich habe entschieden«.
Die Gründe für diesen Abbruch sind an verschiedenen Stellen schon deutlich
geworden: u. a. wurden die vereinbarten Ziele nicht umgesetzt, konnte zwischen der
Familie und der Fachkraft keine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden und
bestand keine Einigkeit über die Art der Unterstützung durch die Fachkraft.
Zwei Dinge fallen im Zusammenhang mit dem Abschluss bzw. Abbruch der Hilfe bei
Familie Müller auf: 1.) scheinbar wenig Entgegenkommen seitens des Jugendamtes
und 2.) offensichtlich keine Kommunikation zwischen Fachkraft und Familie über die
Gründe für den Abbruch.
Zu 1.) Es ist schade, dass es dem Jugendamt nicht möglich war oder es nicht dazu
bereit war, bei Familie Müller eine andere Person als Fachkraft einzusetzen.
Natürlich bleibt es offen, wie klar die Eheleute ihren grundsätzlichen Wunsch zum
Ausdruck brachten, vom Jugendamt unterstützt zu werden und wie deutlich über die
konkreten Unstimmigkeiten, die einen personellen Wechsel nötig machten,
4. Interview Müller
71
gesprochen wurde. Wie auch immer die Gesprächssituation aussah – Familie Müller
wäre eine zweite Chance zu wünschen gewesen.
Zudem erscheint ein zehnminütiges Gespräch der Situation eines Hilfeabbruchs
nicht angemessen. In der Kürze der Zeit kann es nicht möglich gewesen sein, die
Schwierigkeiten, die zu dem Abbruch führten, zu besprechen. Genauso wenig kann
über andere Unterstützungsmöglichkeiten für die Familie nachgedacht worden sein.
Es wäre wichtig gewesen, dem Ehepaar in diesem Gespräch mit viel Wertschätzung
zu begegnen und deutlich zu machen, dass die abgebrochene Hilfe nicht auf ihr
persönliches Versagen zurückgeführt wird. Da für Herrn und Frau Müller auch heute
nicht klar ist, ob das Scheitern der Hilfe an ihnen und an ihrer Situation lag, scheint
diese Frage ganz offensichtlich nicht besprochen worden zu sein.
Zu 2.) Herr und Frau Müller berichten nicht, dass sie vor oder nach ihrer
Entscheidung zum Hilfeabbruch mit der Familienhelferin über diesen Schritt
gesprochen haben. Auch die Familienhelferin hat – wie es scheint – nicht von sich
aus versucht, mit dem Ehepaar über dessen Gründe dafür ins Gespräch zu
kommen. Aus professioneller Sicht hätte sie der Familie mit Bedauern über die
Entscheidung begegnen und sich für die Gründe interessieren müssen. Es wäre
wichtig gewesen, mit dem Ehepaar ins Gespräch zu kommen, um für sich selbst
eine Rückmeldung zu erhalten und besonders um der Familie ein Feedback über
ihre positiven Ressourcen zu geben.1 Dies scheint nicht passiert zu sein.
Leider muss bzgl. der SPFH-Erfahrungen von Familie Müller festgestellt werden,
dass der Abschluss bzw. Abbruch der Hilfe für die gesamte Zusammenarbeit mit der
Familienhelferin symptomatisch ist.
4.7. SPFH als Belastung
I: “ .. Is das so das, was dir so einfällt, wenn du an die Zeit denkst? M: Ja! (wie ein Seufzer) .. also mehr Be lastung“ (5/23)
Im Rahmen der bisherigen Themenbereiche wurden schon viele Aspekte
beleuchtet, die die SPFH für Familie Müller zu einer Belastung machten. Nun sollen
diese einzelnen Aspekte noch einmal explizit dargestellt werden, um einen
1 Hier verweise ich auf die Empfehlungen von Conen (1988) bzgl. eines professionellen Umgangs mit einem Abbruch der SPFH. (vgl. 2.2.)
4. Interview Müller
72
umfassenden Gesamteindruck der Teile der SPFH zu erhalten, die von der Familie
als Belastung erlebt wurden.
Das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
Als besonders belastend empfand Frau Müller Situationen mit der Familienhelferin
oder Kommentare dieser, die ihr das Gefühl vermittelten, eine schlechte Mutter zu
sein. Dieses Gefühl entstand schon bei dem ersten Treffen mit Frau Adler, als diese
den Sohn Fynn auf eine Art und Weise zurechtwies, dass Frau Müller das Gefühl
hatte, in ihrer Erziehung versagt zu haben (siehe 5.2). Aber auch dadurch, dass sie
„einfach nicht die Kraft [hatte] die Kinder jetzt […] in alle möglichen Vereine zu
stecken“ (3/36), so wie es ihr empfohlen wurde, dachte sie, „ich bin keine gute
Mutter“ (3/35). Auch Herr Müller hatte den Eindruck, dass seine Frau in Bezug auf
die SPFH „immer wieder gedacht hat, „Ich muss (betont) das machen damit ich ´ne
gute Mutter bin“ (10/51). Nach seinem Empfinden war ihr eigentlicher Wunsch „Ich
bin Mutter und war schon so lange im Krankenhaus und ich möchte mich jetzt um
meine Kinder kümmern“ (5/15). Wie sehr hätte Frau Müller es gebraucht, in diesem
Wunsch und in ihren vorhandenen Fähigkeiten als Mutter bestärkt zu werden. Doch
stattdessen wuchs der Druck, keine gute Mutter zu sein durch die SPFH noch
weiter.
Das Gefühl, ein schlimmer Einzelfall zu sein
Frau Müller hatte aufgrund ihrer Depressionen „halt so das Gefühl […] ich bin was
ganz Außergewöhnliches mit meiner Erkrankung“ (12/50). Die Familienhelferin wies
immer wieder darauf hin, dass „sie das so noch nie gemacht hat mit psychisch
Kranken zu arbeiten“ (13/3). Und auch wenn sie „sich nie irgendwie .. jetzt schlecht
gegenüber psychisch kranken Menschen geäußert“ (13/1) hat, blieb für Frau Müller
der belastende Eindruck, „ich bin jetzt ´n Einzelfall also so´n schlimmer Fall […] den
sie nich kennen mit meiner Erkrankung“ (4/44). Eine Arbeitsatmosphäre innerhalb
der Familie, die von der Empfindung »ich bin ein schlimmer Einzelfall« geprägt war,
musste als enorme Belastung erlebt werden. Die Hilfe offen und optimistisch
anzunehmen, war unter dieser Bedingung kaum möglich.
Kein Vertrauen
Bei dieser Grundstimmung ist es nicht verwunderlich, wenn Frau Müller sagt, dass
sie „zu der Frau [Adler] einfach kein Vertrauen aufgebaut [hat] in der ganzen Zeit“
(10/19). Ein Beispiel für das fehlende Vertrauen war der Versuch von Frau Müller,
„dass zu vertuschen wie die Kinder sich . benehmen“ (10/22). Vergleichbares
4. Interview Müller
73
erzählt Herr Müller von den Kindern: „So wenig . Vertrauen wie mit der Frau vom
Jugendamt ham sie eigentlich mit keinem aufgebaut“ (5/29). Sie haben
höchstwahrscheinlich das vorsichtige Verhalten ihrer Mutter wahrgenommen und
übernommen.
Ohne Vertrauen müssen die mehr oder weniger regelmäßigen Termine der
Familienhelferin sehr belastend für Familie Müller gewesen sein: Menschen, denen
man nicht vertrauen kann, einem fremden, ungebetenen Gast – als solcher wird die
Familienhelferin dargestellt – gewährt man nicht gerne Zutritt und Einblick in
Wohnung und Familienalltag. Fehlendes Vertrauen hat auch zur Folge, nicht man
selbst sein zu können, sich zu verstellen und Distanz zu wahren – mit der Zeit muss
dies eine große Anstrengung für die ganze Familie bedeuten. Offen für
Hilfsangebote, Tipps oder sogar Kritik zu sein, ist unter diesen Umständen nicht
möglich. Der Versuch von Frau Müller, „zu vertuschen wie die Kinder sich .
benehmen“ (10/23) ist nahe liegend und verständlich.
Isoliertes Arbeiten der Fachkraft
Frau Müller musste die Erfahrung machen, dass die gemeinsam mit dem
Psychotherapeuten erarbeitete Tagesstruktur von der Familienhelferin als sinnlos
und unnötig abgetan wurde. Anscheinend war letztere der Meinung, „dass [Frau
Müller] das noch viel mehr Druck machen würde“ (12/38). Die „Schwierigkeit . grade
auch bei psychisch Kranken […] so Pläne zu machen und sie dann auch wirklich
umzusetzen“ (12/34) wollte die Familienhelferin in der vorgeschlagenen Art und
Weise anscheinend nicht in ihrer Arbeit angehen. Dies scheint Frau Müller sich
damit zu erklären, „dass sie [die Familienhelferin] eigentlich auf dem Gebiet […] mit
psychisch kranken Menschen zu arbeiten gar keine Erfahrungen hat[te]“ (2/23). Für
Frau Müller ist im Rückblick auf die gesamte Hilfe klar: „Das konnte […] nicht gut
gehen weil [die Familienhelferin] so dagegen gearbeitet hat“ (4/1).
Ganz grundsätzlich erwähnt Herr Müller in diesem Zusammenhang die
Schwierigkeit, „dass zu viele Ratgeber eventuell auch da waren un nich ineinander
gegriffen haben also Therapeut vorher Krankenhaus Leute drumherum Familie und
eben die Hilfe vom Jugendamt“ (10/35). Es fehlte die Vernetzung der verschiedenen
Hilfesysteme. Die Fachkraft nutzte offensichtlich nicht die Möglichkeit, Kontakt zu
anderen Beteiligten z. B. dem Therapeuten, aufzunehmen1. Auch dies stellte für die
Eheleute eine große Belastung dar, da sie sich bei den unterschiedlichen Akteuren
1 Es sei hier nur kurz angemerkt, dass der Therapeut seinerseits auch nicht auf die Familienhelferin zukam.
4. Interview Müller
74
ständig verpflichtet sahen, zu berichten, zu erklären, sich zu rechtfertigen und sich
gegen Widerstand durchzusetzen. Zweifellos bedeuteten Kämpfe dieser Art für Frau
Müller, die gerade eine Zeit schwerer Depressionen hinter sich hatte, eine immense
Überforderung.
Ziel- und strukturloses Arbeiten
Die Arbeit der Familienhelferin war für Frau Müller auch darum besonders
anstrengend, weil diese jedes Treffen mit der Frage „So, was machen wir denn
heute?“ (2/5) begann. Frau Müller fühlte sich dadurch enorm unter Druck gesetzt,
„vorher überlegen [zu müssen] was [sie] jetzt mit der Frau anstellen kann“ (2/17).
Sie erinnert sich, „dass es [ihr] totalen Stress (betont) gemacht hat so das
Programm jetzt aufzustellen wozu [sie sich] überhaupt nicht in der Lage gefühlt
[hat]“ (9/28). Da Frau Müller auf Grund ihrer Erkrankung erst einmal für sich
persönlich lernen musste, ihren Alltag zu strukturieren und zu meistern, muss sie es
als besondere Zumutung erlebt haben, auch die Struktur und Richtung für die Hilfe
vorgeben zu müssen. Nebenbei bemerkt: Genau betrachtet ist es bei dieser
scheinbar ungeplanten, strukturlosen Arbeitshaltung »in sich stimmig«, wenn die
Familienhelferin Tagesstrukturen und Wochenpläne für Frau Müller nicht als hilfreich
sondern als unnötig erachtet (siehe oben).
Auch wenn mit der Mitarbeiterin des Jugendamts Ziele der SPFH erarbeitet wurden,
waren diese in der Arbeit der Familienhelferin nicht wiederzufinden. Herr Müller
empfand die gesamte Hilfe als „plan- und ziellos“ (4/25). Die Erfahrung, konkrete
Ziele zu formulieren, Erwartungen und Wünsche deutlich zu machen und dann
vergeblich auf ihre Umsetzung zu warten, bringt einige negative Empfindungen mit
sich: Unsicherheit; das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden; die Vermutung,
die Ziele waren nicht »gut genug« oder aber »Uns ist nicht mehr zu helfen.«; Zweifel
an der Kompetenz der Fachkraft.
Hinzu kam hier noch die Unzuverlässigkeit der Familienhelferin, die ihre Besuche
machte, „wie´s grade für sie in den Kram passte“ (2/13): zu spät kam und früher
wieder ging oder gar nicht erst erschien. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wäre für
Familie Müller ein notwendiges Zeichen von Wertschätzung gewesen. Auch wenn
Frau Müller die Belastung durch die Unpünktlichkeit hauptsächlich darauf bezieht,
dass sie „mit den Kindern so´n bisschen sortieren musste“ (9/39), weisen die vielen
kleinen Aspekte der misslungenen Beziehung zur Fachkraft darauf hin, dass die
Unzuverlässigkeit persönlich verletzend war. Frau Müllers Erleben der Hilfe als
psychisch destabilisierend wundert nicht.
4. Interview Müller
75
Die Fachkraft als Person
Herr Müller sagt: „Das hat absolut nich funktioniert und das glaub ich auch dass das
[…] ´n persönlicher Punkt dann war“ (5/35) und spricht immer wieder von der
fehlenden „Wellenlänge“ (4/14) mit der Familienhelferin. Und auch Frau Müller fragt
sich: „Oder war es wirklich die Person ähm die mit der ich jetzt so nich
zurechtgekommen bin“ (5/2)? An scheinbar nebensächlichen, schlussendlich aber
entscheidenden Punkten macht sie fest, was »nicht zurechtkommen« für sie ganz
praktisch bedeutete: „Ob man hier die Einbahnstraße in die richtige Richtung
reinfährt“ (6/25) „oder ob die Kinder angeschnallt sind im Auto“ (6/31) waren
Aspekte, über die sie sich mit Frau Adler nicht einig wurde. Deren Auslegung konnte
Frau Müller – wie sie sagt – nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Es entsteht der
Eindruck, als habe die Familienhelferin als Person schlicht und ergreifend nicht zu
Familie Müller gepasst und sei – dem Anschein nach – auch nicht dazu bereit
gewesen, sich auf die Familie einzustellen. Im Gegensatz zu den vielen genannten
Aspekten, die sich auf konkrete Verhaltensweisen und Situationen beziehen, geht
es hier einfach um ein Gefühl, ein »Bauchgefühl«. Es geht um Sympathie und
darum, ob man einen Zugang zueinander findet. Unter den gegebenen Umständen
hatte die Hilfe keine tatsächliche Chance auf Erfolg. Herr Müller sagt, dass er und
seine Frau „zu dem Zeitpunkt [aber] keine Kraft hatten zu sagen „Das funktioniert
hier nich!“ (4/15).
Der fehlende Zugang ist notwendigerweise aus beiden Perspektiven zu betrachten,
da es ebenso möglich ist, dass Herr und Frau Müller der Familienhelferin nicht
sympathisch waren und sie nicht mit ihnen arbeiten konnte. Hier hätte ihre
Professionalität es aber verlangt, diese Schwierigkeit zur Sprache zu bringen und
einen personellen Wechsel anzuregen.
Der Einsatz einer Fachkraft, die als Person nicht zu der Familie passte, stellt die
schwerwiegendste weil folgenschwerste Belastung dar. Zum einen hatte Frau Müller
das Gefühl, dass von ihr erwartet wird, mit einer Frau zusammen zu arbeiten, mit
der sie einfach nicht zurechtkommt. Dies muss für sie einen enormen Druck
bedeutet haben. Zum anderen hängen mit der Persönlichkeit der Familienhelferin
aber auch viele der aufgezählten übrigen Belastungen ursprünglich zusammen.
Da dies ein zentraler Aspekt der vorliegenden Arbeit ist, werde ich auch im
Vergleich mit dem zweiten Interview noch näher darauf eingehen.
4. Interview Müller
76
Zusammenfassung
Zusammenfassend soll auf einige Stellen des Interviews eingegangen werden, an
denen sich Frau Müller wertend über die SPFH im Allgemeinen äußert. Mit
zunehmendem Nachdruck und Deutlichkeit macht sie klar, wie unzufrieden sie mit
der SPFH ist bzw. war und als wie belastend sie diese erlebt hat. Je länger das
Interview dauert, umso offener scheint Frau Müller zu werden und umso klarer
scheinen ihr selbst Gedanken zu werden, die sie dann auch formuliert. Zu Beginn
äußert sie sich recht vorsichtig, dass „die Hilfe an sich jetzt .. […] für [sie] nich so
positiv [war]“ (1/30). Über Formulierungen wie „dass es mir jetzt echt ´ne Entlastung
gewesen wäre […] das war überhaupt nich“ (8/45) und „es war also absolut keine
entspannte Sache […] ich war total angespannt in der Zeit“ (10/33) kommt sie
gegen Ende des Interviews zu der Aussage: „Also (10 Sekunden Schweigen) ich
glaube nich […] dass ich .. dadurch […] dass ich jetzt die Hilfe hatte […] psychisch
stabiler wurde eher das Gegenteil (10 Sekunden Schweigen)“ (13/51). Das lange
Schweigen vor und nach diesem Satz macht deutlich, wie entscheidend diese
Aussage für Frau Müller ist und wie schwer sie ihr fällt. Es scheint, als nehme sie
gedanklich Anlauf, um die Bewertung zu wagen, dass die SPFH sie persönlich
psychisch stark belastete und dadurch zu ihrer seelischen Instabilität beitrug.
Anschließend muss dieser Satz offensichtlich noch »nachklingen«, bevor sie
weitersprechen kann. Es ist äußerst interessant, in welchem Zusammenhang Frau
Müller diese Aussage trifft: Im Nachfrageteil des Interviews wird sie gefragt, was
gewesen wäre, wenn ihre Familie die Unterstützung der SPFH nicht erhalten hätte.
Darauf antwortet Frau Müller mit dem obigen Zitat, sagt dann nach dem langen
Schweigen „ja aber ich kann das irgendwie nich so gut ausdrücken was ich jetzt
sagen möchte (lacht verlegen)“ (14/2) und fordert ihren Mann auf, fortzufahren. Frau
Müller äußert hier implizit, dass sie ohne die Hilfe psychisch stabiler gewesen wäre.
Bewusst oder unbewusst bemerkt sie möglicherweise, wie schwerwiegend diese
Aussage ist und versucht sie abzuschwächen, indem sie sie als unklar oder
unpassend zur gestellten Frage darstellt.
Wie belastend die Zeit der SPFH für Frau Müller war und wie sehr sie während des
Interviews den damaligen Druck nachempfindet, wird regelrecht spürbar und hörbar,
als sie auf meine Frage „Is das so das was dir so einfällt, wenn du an die Zeit
denkst?“ (I: 5/23) antwortet: „Ja! (wie ein Seufzer) .. also mehr Belastung (betont)“
(5/24). Der Seufzer war so, als habe Frau Müller für einen kurzen Moment einen
Blick in ihr Innerstes zugelassen und den dort angestauten Gefühlen erlaubt, sich
Luft zu verschaffen.
4. Interview Müller
77
4.8. SPFH als Unterstützung
„also ich würde sagen jetzt die Hilfe vom Jugendamt . war für mich oder für
uns . keine Hilfe gewesen“ (11/17)
Leider muss festgestellt werden, dass sich im gesamten Interview keine
Anhaltspunkte für eine konkrete Unterstützung des Ehepaares durch die Fachkraft
finden lassen. Frau Müller formuliert dies ganz explizit: „Die Hilfe vom Jugendamt .
war für mich oder für uns . keine Hilfe gewesen“ (11/17). Auf die konkrete Nachfrage
hin kann sie eine Situation beschreiben, die sie positiv in Erinnerung hat: „Als [Frau
Adler] für die Kinder so was zum Ausschneiden mitgebracht hatte […] das fand ich
mal so ´ne positive Geste von ihr einfach“ (12/14). Bei all den anderen
enttäuschenden und negativen Erfahrungen mit der Familienhelferin war dieser
Augenblick offensichtlich ein Lichtblick mit absolutem Seltenheitscharakter –
eigentlich nur »schön« und nicht unbedingt »unterstützend«. Aber gerade auch das
macht Unterstützung aus: zu erleben, jemand meint es gut mit uns, jemand tut uns
gut.
Herr Müller spricht einige Punkte an, die er als hilfreich empfunden hat, die aber
nicht die tatsächliche Hilfe in der Familie betreffen: So ist er der Meinung, es sei für
ihn und besonders auch für seine Frau gegen Ende des Krankenhausaufenthaltes
enorm wichtig gewesen, zu wissen, dass sie sich um Hilfe gekümmert hatten.
V: „Entlassungen aus´m Krankenhaus und so Sachen sind immer ´ne schwierige Sache auch wenn Heike irgendwann will und stabil is aber es is immer ´ne Schwierigkeit gewesen für Heike auch bei den andern Aufenthalten nach Hause zu kommen und ich glaube wenn´s die Hilfe nich gegeben hätte wäre die Hürde höher gewesen“ (14/27)
Außerdem spricht er an, dass ihn die missglückte SPFH dazu gebracht hat, weiter
nach geeigneten Hilfsmöglichkeiten für die Familie zu suchen. Hilfe war
offensichtlich unerlässlich, die passende musste zum damaligen Zeitpunkt noch
gefunden werden.
5. Interview Schmidt
78
5. Interview Schmidt
Auch das Interview mit Frau Schmidt soll nun anhand der neun in Kapitel 5
eingeführten Themenbereiche ausgewertet werden.
5.1. Kontaktaufnahme zum Jugendamt
Dieser Themenbereich ist wieder unterteilt in die drei folgenden Aspekte: die
Umstände der Kontaktaufnahme, die Motivation dazu und die damit verbundenen
Erwartungen.
5.1.1. Umstände
„da war ich noch mit ihr schwanger (lächelnd) und d a bin ich äh . zum
Jugendamt gegangen hab gesagt ich möchte gerne Hilf e haben“ (1/17)
Entscheidend für die Umstände der Kontaktaufnahme zum Jugendamt Allendorf ist
eine Erfahrung, die Frau Schmidt schon vier Jahre zuvor machte. 2001 bekam sie
gemeinsam mit ihrem damaligen Freund einen Sohn. Unter anderem aufgrund der
Spielsucht des Freundes hatten sie „tierische Probleme und dann ist der Kleine zu
seinen Eltern [denen des Kindesvaters] gekommen“ (1/10). An anderer Stelle
berichtet Frau Schmidt, „ich glaub mit drei Monaten is er dahin gekommen“ (6/25).
Auch zum damaligen Zeitpunkt erhielten Frau Schmidt und ihr damaliger
Lebensgefährte Unterstützung durch eine Familienhilfe, die jedoch nicht den
erhofften Erfolg hatte.
„wir hatten damals ne Familienhilfe und mit der […] kamen wir überhaupt (betont) nicht klar und da haben wir uns eigentlich beide eigentlich ziemlich gesperrt und alles und . im Endeffekt hieß es dann der Kleine bleibt dann halt . so lang es geht dann halt bei den Großeltern (Stimme wird sehr hoch)“ (1/11)
Da sich die Beziehung zu den Eltern des Freundes sehr konfliktreich gestaltet, ist
der Kontakt zu dem Sohn schon seit längerer Zeit nur sporadisch. Frau Schmidt ist
der Meinung, dass er nun bei seinen Großeltern zuhause sei und sie ihn deshalb
nicht dort herausreißen möchte – selbst wenn durch eine Veränderung ihrer
Lebensumstände eine Rückführung des Kindes möglich wäre.
„ich mein es besteht es bestände die Möglichkeit […] dass man wenn man alles in Griff gekriegt hat un so dass man ihn wiederkriegt aber das möchte ich gar nich mehr der is jetzt sechs Jahre da […] den will ich da
5. Interview Schmidt
79
gar nich rausreißen das is sein Zuhause […] der Kevin der gehört zu Oma un Opa“ (6/23)
Als Frau Schmidt erneut schwanger war, war sie sich „nicht sicher obs dann diesmal
gut geht oder ob dann wieder wat schief geht“ (1/16). Aus der Sorge heraus,
Ähnliches wie vor vier Jahren noch einmal zu erleben, wandte sie sich schon
während der Schwangerschaft mit der Bitte an das Jugendamt: „Ich möchte gerne
Hilfe haben“ (1/19). Im Rückblick ist sie der Meinung: „Wenn nicht das Jugendamt
nicht vorher schon gesagt hätte als ich noch schwanger war äh dass die mir die
Hilfe zugesagt haben also ich weiß nicht ob ich sie dann gekriegt hätte äh also ich
denk mal dann hätt ich eher abgetrieben und gesagt ne dann hat das keinen Sinn
[…] weil . . . hätte dann irgendwie glaub ich nich so . gut funktioniert“ (2/41).
Allein mit ihrem Partner – also ohne fremde Hilfe – scheint sich Frau Schmidt der
Situation mit einem Baby nicht gewachsen gefühlt zu haben. Vermutlich hatten sich
ihre Lebensumstände nicht grundlegend zum Positiven hin verändert, denn in dem
Fall hätte sie nicht befürchten müssen, „dass die dann weg soll oder so“ (1/17).
Frau Schmidt geht während des Interviews nicht näher darauf ein.
5.1.2. Motivation
„ich denk mir mal so´n Kind is dat wert“ (5/45)
Die oben beschriebenen Umstände machen deutlich, was Frau Schmidt dazu
brachte, sich an das Jugendamt zu wenden. Aufgrund der Unsicherheit, „obs dann
diesmal gut geht“ (1/16) und der Hoffnung auf eine positivere Zusammenarbeit mit
der Fachkraft als bei ihrem Sohn, suchte sie Hilfe von außen. Dieser Schritt muss
sie große Überwindung gekostet haben, bat sie doch zum einen genau die Stelle
um Hilfe, die über die Herausnahme ihres Sohnes entschieden hatte und war sie
zum anderen „bis vor zweieinhalb Jahren oder so bis [die Tochter] kam […] total
verschüchtert mit Fremden reden oh Gott“ (5/38). Dennoch sagt sie heute: „Ich denk
mir mal so´n Kind is dat wert“ (5/45). Der Wunsch mit der Tochter
zusammenzuleben motivierte Frau Schmidt dazu, über ihren Schatten zu springen
und eine Hilfe beim Jugendamt zu beantragen. Ihre Motivation war so stark, dass
selbst die früheren negativen Erfahrungen mit einer Familienhilfe sie nicht von dem
erneuten Versuch abhalten konnten.
5. Interview Schmidt
80
5.1.3. Erwartungen
„wir hatten damals ne Familienhilfe […] und da habe n wir uns eigentlich beide
eigentlich ziemlich gesperrt“ (1/11)
Frau Schmidt formuliert während des gesamten Interviews keinerlei erfüllte oder
enttäuschte Erwartungen bzgl. der Familienhilfe. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass ihre Erwartungen oder besser gesagt ihre Vorstellungen von der Hilfe durch
die Erfahrungen mit der ersten Fachkraft geprägt waren – mit dieser „kamen [sie]
überhaupt (betont) nicht klar“ (1/12). Frau Schmidt erinnert sich: „Da haben wir uns
eigentlich beide […] ziemlich gesperrt“ (1/13).
Da Frau Schmidt die Hilfe völlig selbstmotiviert beantragte, um dem gemeinsamen
Leben mit der Tochter eine Chance zu geben, müssen ihre Erwartungen bzw. ihre
Hoffnungen über die negativen Erlebnisse mit der vorherigen Familienhilfe
hinausgegangen sein. Sie scheint trotz der früheren Erfahrungen überzeugt
gewesen zu sein, dass die Hilfe des Jugendamtes tatsächlich hilfreich sein kann.
5.2. Das erste Treffen mit der SPFH
„das war irgendwie schon komisch […] dass man […] p lötzlich so
irgendjemand Fremdes da vor die Nase gesetzt gekrie gt hat“ (8/15)
Frau Schmidt wurde von einem „Pärchen ´n Mann und ´ne Frau“ (1/25) betreut, die
beiden haben eine gemeinsame Tochter. Das erste Treffen der beiden
Familienhelfer mit Frau Schmidt fand kurz nach der Geburt der Tochter noch im
Krankenhaus statt: „Also das erste Mal kamen die da war ich noch mit ihr im
Krankenhaus“ (8/13). Auch wenn sie im Rückblick sagt, „dass man halt von Anfang
an mit denen so gut reden konnte“ (8/34), war die Empfindung bei der ersten
Begegnung „irgendwie schon komisch dann äh dass man äh da plötzlich so
irgendjemand Fremdes da vor die Nase gesetzt gekriegt hat“ (8/15). Es war
„irgendwie . seltsam“ (8/19), fremden Personen zu begegnen, „mit denen man dann
alles besprechen muss“ (8/16). Frau Schmidt beschreibt sich selbst als Frau, der es
damals generell sehr schwer fiel, sich mit anderen Menschen zu unterhalten und „so
Sachen [zu] erzählen“ (8/18). Umso schwerer wird es ihr wahrscheinlich gefallen
sein, in dieser völlig neuen Situation – kurz nach der Geburt ihrer Tochter – mit zwei
5. Interview Schmidt
81
wildfremden Menschen im Krankenhaus, also in fremder Umgebung, in Kontakt zu
kommen.
Es stellt sich hier die Frage, warum ein erster Kontakt nicht schon vor der Geburt
stattfinden konnte, besonders da die Hilfe frühzeitig angeregt wurde. Die ersten
Tage nach der Geburt mit ihren körperlichen, wie auch emotionalen Berg- und
Talfahrten erscheinen mir als eher unpassend für ein Kennenlernen zwischen
Fachkraft und Familie. Ein nahtloser Einstieg in die gemeinsame Arbeit nach der
Geburt oder nach der Entlassung aus dem Krankenhaus war sicherlich angebracht
und auch von Frau Schmidt gewünscht. Es hätte die Situation aber möglicherweise
vereinfacht, wenn man sich zu diesem Zeitpunkt schon einmal kennengelernt hätte.
Frau Schmidt äußert diese Kritik nicht. Wahrscheinlich war allein die Situation, mit
Fremden in Kontakt treten zu müssen, schon „seltsam und schwierig“ genug für sie.
Auch wenn sie selbst um Unterstützung gebeten hatte und die Hilfe nicht vom
Jugendamt angeordnet wurde, macht die Formulierung „dass man äh da plötzlich so
irgendjemand Fremdes da vor die Nase gesetzt gekriegt hat“ (8/15) deutlich, dass
sie sich in dieser Situation nicht als agierend sondern als reagierend erlebte – es
geschah etwas, worauf sie meinte, keinen Einfluss nehmen zu können. Auch der
Gedanke, dass sie mit den Familienhelfern jetzt über alles sprechen müsste, ist ein
Beleg dafür, dass sie sich der Verpflichtungen bewusst war, die die
Zusammenarbeit mit dem Jugendamt für sie bedeuteten.
Grundsätzlich fühlte sich Frau Schmidt bei den ersten Treffen mit den
Familienhelfern „totaal unwohl […] erst recht wenn man dann mit so´nem
Familienhelfer dann über (lachend) Stillprobleme oder so reden muss“ (8/20). Sie
erinnert sich: „Man kommt sich schon komisch vor aber man gewöhnt sich schnell
dran“ (8/33) und meint: „Das ging dann eigentlich aber die ersten Treffen waren
schon schwierig“ (8/35).
5. Interview Schmidt
82
5.3. Die Hilfeplangespräche
„da wurden dann halt erstmal die ganzen Probleme an gesprochen“ (9/45)
Frau Schmidt hat Erfahrungen mit Hilfeplangesprächen von zwei verschiedenen
Jugendämtern. Im Vergleich zum für ihren Sohn zuständigen Jugendamt
Rundstadt1, das die HPGs leider nicht wie vereinbart im halbjährlichen Abstand,
sondern erst nach eineinhalb Jahren durchführt, ist sie mit dem Jugendamt
Allendorf, das für ihre Tochter zuständig ist, diesbezüglich sehr zufrieden.
„hm das is . ganz anders also Allendorf . kann ich nur jedem empfehlen das Jugendamt (lachend)“ (3/37)
Auf die Frage nach dem ersten Hilfeplangespräch mit der aktuellen SPFH antwortet
Frau Schmidt zunächst, sie sei „vorher also überhaupt gar nich nervös gewesen“
(9/40), da sie mit den Familienhelfern und der Mitarbeiterin des Jugendamts gut
zurecht kam und sie die Kommunikation mit beiden positiv erlebte. Sie ergänzt aber:
„N-n bisschen nervös war man schon weil man wusste nicht was kommt jetzt auf
einen zu un so“ (9/42). Es scheint, als habe sie parallel genau diese beiden
widersprüchlich erscheinenden Empfindungen gehabt: Auf der einen Seite machte
ihr der positive und vertrauensvolle Kontakt zu den Fachkräften Mut und gab ihr das
Gefühl, nicht nervös sein zu müssen; auf der anderen Seite machte das Treffen ein
wenig unruhig. Möglicherweise lag dies am offiziellen Charakter des Treffens –
lachend reflektiert Frau Schmidt während des Interviews: „Da macht man sich dann
vorher mehr Gedanken als es dann wirklich is das is dann eigentlich immer gar nich
so schlimm aber vorher is man dann schon nervös“ (9/47).
Im ersten Hilfeplangespräch „wurden dann halt erstmal die ganzen Probleme
angesprochen wie man die sozusagen wieder in´n Griff kriegt“ (9/45). Trotz ihrer
anfänglichen Unsicherheit und Nervosität sagt Frau Schmidt, „war das eigentlich
ganz gut“ (9/45). Obwohl ihre „ganzen Probleme“ offen angesprochen wurden,
macht sie an keiner Stelle des Interviews deutlich, dass ihr dies unangenehm war
oder sie sich unter Druck gesetzt fühlte, sondern behält das Gespräch positiv in
Erinnerung. Möglicherweise war es für sie hilfreich, dass von Beginn der Hilfe an
lösungsorientiert und dadurch mit einer optimistischen Grundhaltung gearbeitet
wurde: „wie man die [Probleme] sozusagen wieder in´n Griff kriegt“ (9/46).
1 Aufgrund des Wohnortes der Großeltern ist aktuell das Jugendamt Rundstadt für den Sohn zuständig.
5. Interview Schmidt
83
Eine entscheidende Veränderung im Erleben der Hilfeplangespräche ergibt sich für
Frau Schmidt nach der Trennung von ihrem damaligen Lebensgefährten.
„ich mein die . die ersten HPGs die die waren auch noch mit meinem Ex-Freund zusammen da war ich noch mit dem zusammen un da war das immer mei-meistens so dass dann . einfach aus lauter Gewohnheit weil das schon immer so war weil der immer so viel für mich erledigt hat weil ich immer überall zu allem zu schüchtern war und . äh .. da ging das eigentlich immer dann so äh ab dass ich dann meistens still dasaß und er (betont) immer die Schnute aufgemacht hat“ (10/2)
Das erste HPG nach der Trennung – also allein, ohne ihren Freund und seine
Unterstützung – empfindet sie als „etwas schwieriger“ (10/10), weil sie dann „halt
selber alles machen musste“ (10/11), bemerkt sie lachend. Vermutlich brachte die
neue Situation ohne Freund sie auch in anderen Bereichen dazu, selbständiger
agieren zu müssen.
5.4. Die Arbeit in der Familie
Die Arbeit der Familienhelfer soll anhand von acht Unterpunkten beleuchtet werden.
5.4.1. Die Beziehung zwischen Interviewpartner und SPFH
„die sind immer für einen da“ (11/39)
Als Frau Schmidt die beiden Familienhelfer während des Interviews zum ersten Mal
erwähnt, sagt sie: „Was […] Bessres hätt ich gar nicht tun können“ (1/24) und ihre
Stimme überschlägt sich beinahe. Sie scheint regelrecht begeistert von den beiden
zu sein. An anderer Stelle betont sie: „Die Hilfe würd ich auf jeden Fall befürworten
aber man muss mit den Leuten schon klarkommen weil sonst hat das keinen Sinn“
(4/32). Wie gut sie selbst mit den Fachkräften klargekommen ist und wie positiv sie
die Beziehung zu diesen bisher erlebt hat, wird an unterschiedlichen Punkten
deutlich.
Ein entscheidender Hinweis auf einen gelungenen Beziehungsaufbau ist eine
Äußerung von Frau Schmidt über den anstehenden Abschluss der Hilfe. „Ich find
das dann auch schade wenn . dann wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres die
Hilfe dann ausläuft“ (2/4). Anstatt Erleichterung oder Freude darüber, dass die
Betreuung durch eine SPFH dann ein Ende findet, ist hier – schon ca. vier Monate
vor dem genannten Zeitpunkt – Traurigkeit und echtes Bedauern zu hören. Auch
5. Interview Schmidt
84
wenn dies verschiedene Gründe haben kann, die nicht unbedingt etwas mit der
Beziehung zwischen Frau Schmidt und den Familienhelfern zu tun haben, ist hier
offensichtlich doch auf einer ganz persönlichen Ebene eine Beziehung entstanden,
die den Abschied schwer macht.
Wie schon erwähnt, gestaltete sich für Frau Schmidt der Beginn der aktuellen Hilfe
etwas schwierig, da sie nach ihrem Empfinden „plötzlich so irgendjemand Fremdes
da vor die Nase gesetzt gekriegt hat un äh . mit dem man dann alles besprechen
muss wat [ihr] sowieso nich . leicht fällt“ (8/16). Frau Schmidt scheint die
Kontaktaufnahme mit fremden Personen generell schwer gefallen zu sein. Hier sah
sie sich nun gezwungen, mit diesen Fremden „alles [zu] besprechen“ (8/17) und
beschreibt die Atmosphäre zu Beginn der Hilfe im Rückblick als „komisch“ (8/15),
„sehr seltsam“ (8/30) und „schwierig“ (8/36). In der ersten Zeit fühlte sie sich „totaal
unwohl“ (8/20).1
Ihr Unbehagen ist jedoch nicht allein auf die Begegnung mit fremden Personen
zurückzuführen, sondern in besonderem Maße darauf, dass ihr die ersten Themen
der Zusammenarbeit sehr unangenehm waren.
„da hat man sich die erste Zeit totaal unwohl gefühlt erst recht wenn man dann mit so´nem Familienhelfer dann über (lachend) Stillprobleme oder so reden muss“ (8/20) „also ich mein da hat ich dann auch teilweise Glück dat kam nur zwei drei Mal vor . am Anfang kam dann halt nur die Frau […] un ähm . die hat sich dann . mit der konnte man über so was dann halt besser reden .. […] nja das war irgendwie . sehr seltsam .. wenn man dann (lachend) mit ner total fremden Frau dann da über Stillen oder so reden muss“ (8/24)
Sich mit bislang fremden Personen über Stillprobleme zu unterhalten, fiel Frau
Schmidt verständlicherweise schwer. Die „Aufgabenteilung“ (8/29), dass nun die
Frau die ersten Treffen übernahm, bedeutete eine Erleichterung – „mit der konnte
man über so was dann halt besser reden“ (8/27), die Situation blieb aber dennoch
„sehr seltsam“ (8/30). Zusammenfassend gibt Frau Schmidt an: „Man kommt sich
schon komisch vor aber man gewöhnt sich schnell dran“ (8/33). Diese Gewöhnung
oder Veränderung lag ihrer Meinung nach „einfach an den Familienhelfern“ (8/34).
1 Wie in Kapitel 4 beschrieben machte Frau Schmidt auch zu Beginn des Interviews den Eindruck, dass ihr die Situation unangenehm war. Sie war nervös und konnte mir nicht in die Augen blicken.
5. Interview Schmidt
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Was macht also die Arbeit der aktuellen Familienhelfer aus? Wovon ist die
Beziehung der Beteiligten geprägt?
Entspannte Atmosphäre
Zunächst soll anhand kurzer Zitate verdeutlicht werden, welche entspannte
Grundstimmung in der Arbeit der Familienhelfer während des Interviews
herauszuhören und zu spüren war. An ihre Tochter gewandt sagt Frau Schmidt z.
B.: „Was fällt uns noch zum Herrn Bauer ein hm? . . Dass du den gern zickelst ne?“
(7/37). »Zickeln« weckt in mir den Eindruck einer lockeren Atmosphäre, in der das
Kind etwas »aufgedreht« ist. Zudem ist der Begriff für mich ein Hinweis darauf, dass
der Betroffene für das Kind und die Mutter kein Fremder ist, da man einen Fremden
nicht »zickelt«. In eine solchen Atmosphäre zwischen Menschen, die sich kennen
und gegenseitig einschätzen können, passt auch die ironische Bemerkung des
Familienhelfers: „Is die immer so so aufgedreht? Boah das is ja grausam!“ (7/42).
Dieser weiß, dass der Kommentar richtig aufgenommen wird. In der entstandenen
Beziehung ist eine Basis für Ironie vorhanden. An anderer Stelle wird deutlich, dass
sich Frau Schmidt trotz des offiziellen Charakters der Hilfe nicht unter Druck gesetzt
fühlt. Zum Thema Haushaltsplan erzählt sie z. B. lachend: „Ich mein ich halt mich
nich immer da dran“ (10/30). Man bekommt den Eindruck, dass sie auch mit den
Fachkräften mit einer vergleichbaren Leichtigkeit und Offenheit über Versäumnisse
o. ä. sprechen kann. Die Beziehung scheint entspannt und ungezwungen zu sein.
Persönliche Nähe
Den Familienhelfern scheint wichtig gewesen zu sein, die persönlichen Aspekte
ihrer Beziehung zu Frau Schmidt zu verdeutlichen. Zumindest hatten sie keine
Hemmungen, der Beziehung einen persönlichen Charakter zu geben: So wurde die
Tochter der Familienhelfer – Jana, die ungefähr so alt ist wie Paula – von ihrer
Mutter offensichtlich zu einigen Besuchen bei Frau Schmidt mitgenommen, da diese
ihre Tochter fragt: „Is das immer schön wenn die Jana hier is? Ja aber die kommt ja
ganz selten nur noch weil immer der Herr Bauer kommt ne?“ (15/42). Schon allein
das Wissen, „die ham selber ´ne Tochter die is zehn Monate älter als sie [die
Tochter von Frau Schmidt]“ (1/39), wird ein wichtiger Anknüpfungspunkt in der
Beziehung zwischen Frau Schmidt und den Familienhelfern gewesen sein. Es gab
»einen gleichen Nenner« und Frau Schmidt konnte zudem davon ausgehen, dass
die Familienhelfer beim Thema Kindererziehung auch aus eigener Erfahrung
5. Interview Schmidt
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wussten, wovon sie sprachen. Letzteren gelang es, der Beziehung zu Frau Schmidt
durch gemeinsame Lebensbereiche der Kinder eine persönliche Note zu geben:
„ja un jetzt zum Beispiel mit dem Kindergartenplatz den ham wir ja auch nur durch die Familienhilfe weil von denen die klene Tochter die is in den Kindergarten gegangen . ja un da hatten die halt mitgekriegt da is noch ´n Platz frei joa un da hat der Familienhelfer mich direkt angerufen un ob ich mir vorstellen könnte dass die Paula jetzt schon innen Kindergarten geht“ (4/8)
Besonders stark kommt der persönliche Charakter der Beziehung zum Ausdruck,
wenn Jana ihren Vater zu einem gemeinsamen Ausflug mit Frau Schmidt und ihrer
Tochter Paula begleitet. Frau Schmidt erinnert sich: „Un das eine Mal von den
beiden Malen war sogar die Jana mit ne die kleine Tochter von dem“ (15/38). Ein
solcher Ausflug erinnert dann nicht mehr an eine pädagogisch wertvolle
Unternehmung im Rahmen einer SPFH, sondern an den gemeinsamen Ausflug
zweier befreundeter Familien – der natürlich dennoch oder gerade dadurch
pädagogisch wertvoll sein kann.
Die Ausflüge in den Wildpark oder das gemeinsame Eisessen haben für Frau
Schmidt eine wichtige Bedeutung, da dies „dann auch mal jetzt nich was irgendwie
mit der Familienhilfe zu tun hatte“ (15/24) – „aber man macht das weil das schön is“
(15/27). Entweder deshalb besonders pädagogisch wertvoll, da die positive, fast
freundschaftliche Beziehung für Frau Schmidt entscheidend zu sein scheint oder
dadurch schwierig, da diese Freundschaft wahrscheinlich nur einseitig ist, was für
Frau Schmidt am Ende schwer nachvollziehbar sein könnte.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Familienhelfer trotz der deutlich
spürbaren persönlichen Nähe, die sie zu Frau Schmidt aufgebaut haben, dennoch
eine deutliche Grenze ziehen: Frau Schmidt scheint die Familienhelfer zu siezen, da
sie auch im Dialog mit ihrer Tochter von „Herrn Bauer“ (15/35) spricht.
Vertrauensverhältnis
Entscheidend in der Beziehung zu den Familienhelfern scheint für Frau Schmidt das
Erleben zu sein, „dass man halt von Anfang an mit denen so gut reden konnte“
(8/34) oder wie sie an anderer Stelle formuliert: „mit denen kann man über alles
reden“ (1/25). Dieses »alles« beinhaltet für Frau Schmidt sowohl Fragen rund um
Kindererziehung: „oder auch wenn Erziehungsfragen oder so sind die helfen einem
immer (betont)“ (1/38) als auch das Thema Schulden: „Zum Beispiel bin ich jetzt in
der Privatinsolvenz drin also ham die da sehr geholfen“ (1/37). Beides sind sehr
5. Interview Schmidt
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sensible Themenbereiche. Frau Schmidt hat hier offensichtlich nichts zu
verheimlichen und kann Hilfe und Ratschläge offen annehmen.
„lass mir dann mal Tipps geben was ich am besten machen soll weil die wissen das dann meistens immer direkt“ (2/25)
»Alles« bedeutet für sie aber auch Themen anzusprechen, die sie selber lieber
umgehen würde. Frau Schmidt erzählt: „Sagen wir mal die reden dann teilweise
über Sachen die man eigentlich lieber beiseite schieben will nicht drüber
nachdenken will die bringen einen dann dazu dass man sich dem stellt un das auf
die Reihe kriegt“ (9/2). Für die Bereitschaft, sich auf solche Gespräche einzulassen,
ist ein hohes Maß an Vertrauen notwendig. Hier ist es offenbar gelungen, eine
Beziehung aufzubauen, die ein ebensolches Vertrauen und dadurch Offenheit für
tiefgehende persönliche Gespräche ermöglicht. Für Frau Schmidt steht fest: „Aber
man muss mit den Leuten schon klarkommen weil sonst hat das keinen Sinn“
(4/32).
Mit ihren Familienhelfern hat sie zudem die Erfahrung gemacht, „dass die immer für
einen da sind wenn man sie braucht“ (7/35). Sie fühlte und fühlt sich nie „ganz
alleine die Familienhilfe war ja immer da“ (10/28).
„man kann die auch wenn jetzt irgendwie mit der Kleinen was is oder so man kann die auch mitten in der Nacht anrufen die sind immer für einen da“ (1/26) „die sind immer für einen da man kann sie immer anrufen“ (11/39) „da war ich auch immer so froh dass die dann da waren wenn ich sie gebraucht habe“ (11/44) „ich hab damals am Anfang auch oft Hilfe von denen gebraucht hab sie angerufen und sie haben Termine abgesagt“ (11/50)
Diese Verlässlichkeit und ein solches persönliches Engagement sind für Frau
Schmidt aller Wahrscheinlichkeit nach wichtige Grundsteine für den Aufbau einer
vertrauensvollen Beziehung gewesen. Die letzten Schilderungen von Frau Schmidt
weisen schon auf den nächsten wichtigen Aspekt für die Beziehung hin: das hohe
Engagement der Familienhelfer.
Einsatzbereitschaft
Anhand weiterer Beispiele macht Frau Schmidt den großen Einsatz der Fachkräfte
deutlich: „Die helfen in so vielen Sachen“ (4/25). So erzählt sie, wie sie ihren
5. Interview Schmidt
88
damaligen Lebensgefährten begleiteten, um sich eine „Klinik [für Spielsüchtige]
anzugucken . un . das is nich grad um die Ecke da“ (3/8). Ein anderes Mal bat sie
spätabends telefonisch um Hilfe, weil ihre Tochter hohes Fieber hatte und der
Familienhelfer „hat […] dann halt ne halbe Stunde vielleicht zwanzig Minuten […]
bis hierhin gebraucht dann sind wir dann noch wirklich dann noch ins Krankenhaus
gefahren und haben sie dann halt untersuchen lassen“ (12/27). Es muss für Frau
Schmidt eine wichtige Erfahrung gewesen sein, Menschen kennenzulernen, denen
sie einen solchen Aufwand und Einsatz wert ist und die sie in ihrer Sorge um die
Tochter ernstnehmen. Deutlich wird dies an einem dritten Beispiel, bzgl. dessen sie
wiederholt betont, dass das entsprechende Agieren der Fachkräfte „eigentlich gar
nicht in ihrem Aufgabenbereich lag oder so normalerweise hätten sie das gar nicht
machen dürfen“ (11/12): Da Frau Schmidts damaliger Lebensgefährte sich aufgrund
seiner Spielsucht immer wieder mit Hilfe von ihrer Kontokarte bereicherte, wurde
nach Absprache mit dem Jugendamt eine außerplanmäßige Vereinbarung
getroffen:
„da haben die dann richtig auf meine Kontokarte aufgepasst die ham äh haben wir auch extra ein Schreiben aufgesetzt un äh .. dass die die halt in Verwahrung nehmen die sind dann einmal mit mir äh in der Woche mit der Karte halt gekommen un dann ham wir halt für die Woche halt das Geld abgehoben und das fand ich auch gut ich verplemper manchmal ein bisschen viel (lacht verlegen)“ (11/20)
Für Frau Schmidt war dies eine „supergroße Hilfe von denen“ (11/31) an der sie
merkte, „die engagieren sich richtig für die Leute […] die se betreuen“ (11/35). Und
sie erwähnt erneut, „die waren dazu ja nicht verpflichtet“ (11/32). Es ist
anzunehmen, dass dies neben dem Gefühl, diesen Aufwand wert zu sein, für sie
außerdem bedeutete, dass sich die Fachkräfte über den offiziellen Auftrag hinaus
für sie einsetzten. Möglicherweise hatte sie so die Hoffnung, dass die gesamte
Beziehung über den offiziellen Status und berufliche Pflichterfüllung hinausgehen
könnte.
Konfliktfähigkeit
In diesem Bereich kann man meiner Meinung nach sehr gut Frau Schmidts
persönliche Entwicklung durch die (Beziehungs-)Arbeit der Familienhelfer erkennen.
Sie formuliert: „Auch wenn se mal schimpfen wenn wieder was nich geklappt hat
(lachend) obwohl jetzt geschimpft ham die eigentlich jetzt noch gar nich kann ich
mich nich dran erinnern“ (8/43). Der Begriff »schimpfen« scheint nicht zu der
beschriebenen Beziehung zwischen erwachsenen Personen zu passen und ist
5. Interview Schmidt
89
dadurch ein Hinweis auf das, was eventuell hinter dieser Aussage steckt. Frau
Schmidt beschreibt sich selbst zu Beginn der Familienhilfe als schüchtern und
unselbständig. Die oben zitierten Äußerungen wecken in mir das Bild von Konflikten
zwischen pubertierenden Jugendlichen und ihren Eltern: Während die Jugendlichen
von den Eltern genervt sind, die sich in ihr Leben einmischen und immer wieder
etwas von ihnen verlangen, wozu sie keine Lust haben, meinen die Eltern es nicht
böse, sondern wollen nur das Beste für ihre Kinder. In diesen Kontext passt das
Wort »schimpfen«. Eventuell erlebte sich Frau Schmidt zu Beginn der SPFH als
Kind, das schüchtern darauf wartete, gesagt zu bekommen, was es falsch gemacht
hatte. Sie bemerkt möglicherweise, während sie spricht, dass das Wort
»schimpfen« nicht mehr zu ihrer Persönlichkeit heute und der Beziehung zu den
Familienhelfern passt. Sicherlich haben diese sie an gewissen Punkten hinterfragt,
korrigiert oder auch kritisiert, aber »schimpfen« kann sie dies nicht nennen.
Frau Schmidt beschreibt eine konkrete Situation mit den Familienhelfern, die die sie
als schwierig erlebt hat. Sie hat Freunde im Stadtpark, die sie „eigentlich relativ
regelmäßig“ (14/10) mit ihrer Tochter besucht. „Die trinken da ihre Bierchen un so
un äh manche nehmen von denen Drogen“ (14/10). Die Familienhelfer waren „mehr
dafür, […] dass [Frau Schmidt und ihre Tochter] da am besten nich mehr hingehn“
(14/21). Hier war Frau Schmidt jedoch ganz anderer Meinung und vertrat diese
auch vor den Familienhelfern:
„aber da .. das fand ich dann schon nich schön weil das einfach Freunde sind“ (14/22) „das seh ich nich ein . nur weil die ma viel Alkohol trinken oder so daraus dann schlechtere Menschen machen zu lassen“ (15/1)
Frau Schmidt führt aus, dass sie den Fachkräften ihre Sicht darstellte und diese
„dann meinten […] „gut dann müssen wir mal sehen wie das so mit der Zeit dann
wird“ (15/10). Sie betont: „Da war das glaub ich das erste Mal dass ich mich bei den
Familienhelfern durchgesetzt hab dass ich meinen (betont) Willen mal durchgesetzt
hab“ (14/50).
Es war für sie offensichtlich eine wichtige Erfahrung, dass Konflikte auch auf diese
Art gelöst werden können: Die Beteiligten tauschen ihre Standpunkte aus, sind sich
zwar nicht einig, lassen die Meinung des anderen aber stehen und Frau Schmidt
erlebt keine Bevormundung, sondern ihr wird der Vertrauensvorschuss gegeben
„gut dann müssen wir mal sehen wie das so mit der Zeit dann wird“ (15/10). Es
5. Interview Schmidt
90
bleibt offen, ob dies nicht grundsätzlich „das erste Mal“ (14/50) war, dass die
Ansicht von Frau Schmidt trotz einer anderen Meinung akzeptiert wurde – mit Willen
durchsetzen hat die Situation eigentlich wenig zu tun. Frau Schmidt drückt mit
dieser Formulierung vermutlich aus, welch einen persönlichen Erfolg diese
Erfahrung für sie darstellte.
Für die Beziehung bedeutet das Verhalten der Beteiligten, den Aufbau von
gegenseitigem Vertrauen und Respekt und dass Konfliktfähigkeit von einer Seite
vorgelebt, vielleicht auch von der anderen erlernt wurde.
Vorteilsüberhang
Die offizielle Seite der so persönlich gewordenen Beziehung zwischen den
Fachkräften und Frau Schmidt wird besonders in den Situationen deutlich, in denen
Frau Schmidt „einfach keine Lust hat“ (3/13).
„manchmal dann nervt es dann wenn man dann denkt hoch jetzt kommt die schon wieder“ (3/12) „ich mein wirklich teilweise nervt es dann wenn wieder Familienhilfe kommt oder wenn man wieder das und das grade machen soll oder so un man will das im Grunde genommen gar nich“ (5/45) „wenn man dann […] das un das noch machen um das un das auf die Reihe zu kriegen dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in mein Leben ein so“ (8/38)
Besonders der letzte Satz, den Frau Schmidt laut, fast kreischend, wenn auch mit
einem Lachen in der Stimme ausspricht, bringt zum Ausdruck, wie schwer es ihr
manchmal fällt, dass es Leute gibt, die sich in ihr Leben einmischen: die Dinge von
ihr erwarten, die eventuell nicht ganz ihren Vorstellungen entsprechen, die
regelmäßig und unabhängig von ihrer aktuellen Stimmung bei ihr erscheinen. Trotz
der vielen positiven Aspekte der Familienhilfe scheint es also Momente zu geben, in
denen ihr bewusst wird, welchen Einfluss die Fachkräfte haben bzw. welchen
Einfluss sie ihnen gewährt und wie unbequem die Hilfe manchmal ist. Setzt man
dies noch einmal in Bezug zum Zustandekommen der Hilfe, bewahrheiten sich
Goethes Zeilen »Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los«.
Frau Schmidt lässt die obigen Zitate aber an keiner Stelle so stehen, sondern
ergänzt: „Aber über die Gedanken is man dann schnell rausgekommen weil man
hat ich mein das dauert nich lang aber man merkt dann halt die wollen einem nur
helfen die wollen einem ja nichts Böses“ (8/40). An anderer Stelle bemerkt sie:
5. Interview Schmidt
91
„Aber man weiß dat is das richtige für das Kind für einen selber un so“ (5/47) und
fügt hinzu: „Aber ähm es is ja immer nur zu seinem eigenen Vorteil (betont) . macht
man sich dann auch selber immer wieder klar“ (3/13).
Mir werden an diesem Verhalten zwei Dinge deutlich: Zum einen gewinne ich den
Eindruck, dass Frau Schmidt die als hilfreich und unterstützend erlebte Familienhilfe
auch im Interview besonders positiv darzustellen versuchte. Kommentare wie die
oben genannten schienen dieses Bild zu stören. Deshalb war es ihr wichtig, ihre
Äußerungen abschließend immer ins rechte Licht zu rücken. Damit soll keinesfalls
gemeint sein, dass Frau Schmidt ihre Aussagen verfälschte. Es hätte der positiven
Bewertung jedoch nichts genommen, wenn sie ihr Genervtsein oder ihre Wut über
das Einmischen in ihr Leben einfach so hätte stehen lassen.
Die Begründung hierfür liegt in dem zweiten Aspekt, der mir auffällt. Frau Schmidt
formuliert: „Dann will man das nich aber . es is das Beste“ (5/51). Meiner Meinung
nach ist eine gelungene Beziehung zu einer SPFH-Fachkraft von genau diesem
Spagat geprägt: Familienhelfer haben innerhalb der Familie Aufgaben, die
unbequem und anstrengend sein können, und sie haben einen offiziellen Auftrag
vom Jugendamt. Wenn Familien die Hilfe dennoch als „das Beste“ (5/51) für sie
erkennen, müssen die Vorteile schwerer für sie wiegen als die Nachteile. Dies
beruht auf einer gelungenen persönlichen wie professionellen Beziehung. Die
vorübergehenden Schwierigkeiten von Frau Schmidt mit den Fachkräften gehören
wahrscheinlich zu einem SPFH-Einsatz dazu und erklären sich aus dem Auftrag der
Familienhelfer. Die vertrauensvolle Beziehung zu den Fachkräften kann diese
Schwierigkeiten jedoch auffangen.
Macht man sich alle diese Aspekte der zwischen den Familienhelfern und Frau
Schmidt entstandenen Beziehung bewusst, ist es gut nachvollziehbar, dass Frau
Schmidt mit Bedauern an den Abschluss der Hilfe denkt. Menschen an der Seite zu
haben, die immer für sie da sind, mit denen sie über alles reden kann, die ihre Sicht
auch bei Meinungsverschiedenheiten stehen lassen können und mit denen sie in
entspannter Atmosphäre zusammen sein kann – das möchte sie nicht gerne
missen. Bei all dem möchte sie den offiziellen Charakter und die zeitliche
Begrenztheit der Beziehung sicher gerne verdrängen.
5. Interview Schmidt
92
5.4.2. Die Beziehung zwischen Kind und SPFH
Paula: „schön immer“ (15/41)
Für Paula gehören die regelmäßigen Besuche der Familienhelfer von Geburt an
selbstverständlich zu ihrem Alltag, denn „das erste Mal kamen die da war [Frau
Schmidt] noch mit ihr im Krankenhaus“ (8/13). Das Mädchen scheint völlig
ungezwungen mit den Familienhelfern umzugehen, da Frau Schmidt erzählt:
„Immer wenn der [Familienhelfer] da is ich weiß nicht die is dann wie aufgedreht un
[…] es wird die Tasche vom Herrn Bauer ausgeräumt oder Handy weggenommen
ne?“ (7/41). Aber auch wenn Paula den Familienhelfer gerne „zickelt“ – dieser „is
dann immer ganz lieb […] der schimpft gar nich“ (7/45). Leider sind dies die
einzigen Bemerkungen von Frau Schmidt bzgl. der Beziehung zwischen Paula und
den Fachkräften.
Paula erlebt die regelmäßigen Treffen mit den Fachkräften eher auf eine
spielerische Art. Zusätzlich ist der Kontakt vermutlich auch durch die gemeinsamen
Unternehmungen positiv geprägt. Die Besuche im Wildpark, das Eisessen, das
Spielen mit der nahezu gleichaltrigen Tochter der Familienhelfer machen die
Betreuung für die Zweijährige „schön immer“ (15/41).
5.4.3. Absprachen / Pünktlichkeit
„das ist selten dass sie pünktlich kommen“ (11/48)
Im Zusammenhang mit einer Beschreibung des hohen Engagements der
Familienhelfer formuliert Frau Schmidt: „Die sind immer für einen da man kann sie
immer anrufen und da kommt das schon mal vor dass die dann mal ne Stunde zu
spät kommen“ (11/39). Für Frau Schmidt ist es „verständlich und nachvollziehbar“
(12/9): „Die [Familienhelfer] engagieren sich richtig für die Leute […] die se
betreuen“ (11/34), da kann es vorkommen, dass „plötzlich irgendwelche Notfälle“
(11/38) die eigentliche Terminplanung durcheinander bringen. „Die [Familienhelfer]
rufen dann allerdings immer an und fragen halt nach ob das so ok ist“ (12/1).
Zudem wird das Thema in der gemeinsamen Arbeit offen angesprochen, da Frau
Schmidt gelegentlich gefragt wird: „Ja macht ihnen das denn nichts aus oder so
wenn wir so oft zu spät kommen?“ (11/47).
5. Interview Schmidt
93
Frau Schmidt machte besonders zu Beginn der Hilfe die Erfahrung, dass sie die
Familienhelfer in Notsituationen um Hilfe bitten konnte und diese für sie andere
Termine absagten.
„ich bin dann auch wenn ich am Anfang mal viel so Probleme hatte oder so mit irgendwas mal nich weiter wusste oder so weil im Grunde genommen was ich hier un so das is ja im Grunde genommen das erste Kind also das war ja alles ganz neu un . da kam das auch schon mal vor und da war ich auch immer so froh dass die dann da waren wenn ich sie gebraucht habe und andere Termine abgesagt hatten“ (11/40) „ich hab damals am Anfang auch oft Hilfe von denen gebraucht hab sie angerufen und sie haben Termine abgesagt“ (11/50)
Sie schildert eine solche konkrete Situation, „weswegen man das Zuspätkommen
dann auch entschuldigt“ (12/40).
„zum Beispiel hatte die Paula plötzlich über vierzig Fieber un äh ich wusste nich warum un das war auch schon spät abends also acht Uhr bestimmt un da sind die normal ja nicht mehr im Dienst so un äh da wusste ich jetzt auch nich was soll ich jetzt machen so da hab ich dann direkt da angerufen .. meinten dann auch direkt ja wir kommen dann gleich fahren dann eben zum Notdienst […] hat der dann […] vielleicht zwanzig Minuten […] bis hierhin gebraucht dann sind wir dann noch wirklich dann noch ins Krankenhaus gefahren und haben sie dann halt untersuchen lassen und das war halt nur so´n kleiner Infekt also […] war nichts Schlimmes aber . die war´n halt trotzdem (betont) für einen da“ (12/15)
Aufgrund dieser Erfahrungen meint Frau Schmidt: „Mich stört das nicht weil ich das
verstehen kann wenn Leute Hilfe brauchen“ (11/49) oder an anderer Stelle: „Ich hab
damals Hilfe von ihnen gekriegt und dann wenn andre die Hilfe brauchen warum
nich?“ (12/3).
Auch wenn sie grundsätzlich Verständnis für die häufigen Verspätungen hat – „das
ist selten, dass [die Familienhelfer] pünktlich kommen“ (11/48) –, sagt sie dennoch:
„Klar manchmal stört das dann schon wenn man . dann mal noch irgendwie dann
einkaufen will und man sitzt dann da und wartet“ (12/6).
Genau diese ehrliche Äußerung, mit der sie ihre gelegentliche Unzufriedenheit zum
Ausdruck bringt, lässt ihr zuvor beschriebenes Verständnis noch authentischer
klingen. Wäre sie nicht auch in manchen Momenten verärgert über die Verspätung
oder Terminverschiebung, hätte man auch eine Gleichgültigkeit ihrerseits
gegenüber der Familienhilfe vermuten können.
5. Interview Schmidt
94
Frau Schmidts unkomplizierter und verständnisvoller Umgang mit den
Verspätungen ist zum einen ein wichtiger Hinweis auf die positive Beziehung
zwischen ihr und den Fachkräften. Zum anderen haben die Fachkräfte vermutlich
von Anfang an offen über die Problematik gesprochen, Verspätungen
»angekündigt« und erklärt und mit Frau Schmidt vereinbart, sich gegebenenfalls
telefonisch zu melden, um einen Termin zu verschieben. Frau Schmidt konnte die
Einhaltung dieser Absprache beobachten – „die rufen dann allerdings immer an und
fragen halt nach ob das so ok ist“ (12/1). Trotz der Verspätungen erlebt sie dadurch
die Verlässlichkeit der Fachkräfte.
Auch bezüglich der Einstellung der Hilfe scheint eine klare Absprache getroffen
worden zu sein: „Wenn ich jetzt […] ´n Therapieplatz kriege und die Therapie1 dann
anläuft und dann äh wird die Hilfe eingestellt“ (2/7). Schon zum Zeitpunkt des
Interviews (August 2007) ist spürbar, dass die Hilfe „wahrscheinlich Anfang
nächsten Jahres [2008]“ (2/4) auslaufen soll: „Die [Hilfe] war am Anfang bei acht
Stunden in der Woche und jetzt ist nur noch zwei Stunden in der Woche“ (2/10). Der
Abschied fällt Frau Schmidt schwer – „Ich find das dann auch schade“ (2/4) – und
es ist für sie sicherlich wichtig, auch in diesem Punkt Verlässlichkeit zu erfahren,
insofern als die getroffenen Absprachen eingehalten werden und der Abschied
langfristig vorbereitet wird.
5.4.4. Ressourcenorientierung
„als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben f ielen uns da plötzlich so
viele Sachen ein die man gern macht die man gut kan n“ (10/48)
Die aus meiner Sicht wichtigste und grundlegendste Ressource, die Frau Schmidt in
die Arbeit mit den Familienhelfern einbringt, ist die Liebe zu ihrer Tochter. Frau
Schmidt macht deutlich: „Allein wegen der Paula . weil die mir soviel bedeutet hat
und auch jetzt noch bedeutet […] .. da gibt man sich einfach Mühe, wenn man das
auf die Reihe kriegen will“ (8/47). Auch wenn sie an keiner Stelle des Interviews ein
konkretes Beispiel nennt oder ich einen sonstigen Beleg dafür heranziehen könnte,
habe ich den Eindruck, dass die Familienhelfer diese Mutterliebe von Beginn an 1 Die Gründe für die Therapie deutet Frau Schmidt nur wage an: „Bis [Paula] kam war ich auch total verschüchtert […] auch ´n Grund mit warum ich jetzt ne Therapie machen will“ (5/39). Auf die Art der Therapie oder andere Details geht sie an keiner Stelle des Interviews ein.
5. Interview Schmidt
95
wahrgenommen, ernst genommen und spürbar wertgeschätzt haben. Vermutlich
war dieses Wissen für Frau Schmidt entscheidend für den Aufbau einer
vertrauensvollen Beziehung und damit für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Meiner
Meinung nach hätte eine solche positive Beziehung nicht zustande kommen
können, wenn die Familienhelfer sich nicht an Frau Schmidts wichtigster Ressource
– also ihrer Liebe zur Tochter – orientiert hätten.
An anderer Stelle beschreibt Frau Schmidt eine konkrete ressourcenorientierte
Methode des Familienhelfers:
„mit der Familienhilfe […] ham wir auch […] irgendso´n komisches Training gemacht .. (lachend) bescheuerte Sachen musste ich dann machen […] halt was zum Selbstwertgefühl steigern […] da ham wir auch richtig so´n komischen ganz komischen Lebenslauf aufgestellt wo halt nur die guten […] Eigenschaften drinstanden weil der hatte mich mal gefragt ähm meinen Ex-Freund auch ähm was wir denn . in uns selber an guten Eigenschaften sehen würden ja un mir fiel da zum Beispiel überhaupt nichts ein mein Exfreund […] hatte gesagt . geduldig […] fiel ihm dann so ein ja aber uns fiel da nichts ein aber als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben fielen uns da plötzlich so viele Sachen ein die man gern macht die man gut kann un so das hat man vorher irgendwie gar nicht gesehen“ (10/39)
Auch wenn das gesamte Vorgehen von Frau Schmidt »komisch« und »bescheuert«
genannt wird, machte sie dabei schlussendlich eine bemerkenswerte Erfahrung.
Anstatt sich auf ihre Defizite bzw. die verschiedenen Schwierigkeiten in ihrer
damaligen Situation zu konzentrieren, wurden Frau Schmidt persönliche Stärken
und Ressourcen bewusst, die sie „vorher irgendwie gar nicht gesehen“ (10/50)
hatte.
Angesichts dieser ingesamt positiven Bilanz lassen sich ihre Bewertungen
„irgendso´n komisches Training“ (10/40) oder „bescheuerte Sachen“ (10/41) nicht
eindeutig einordnen: Entweder beschreibt sie ihre Gefühle zum Zeitpunkt vor der
Arbeit mit dem Lebenslauf. Damals wusste sie noch nicht, was auf sie zukam und
wie gewinnbringend es für sie sein würde. Oder aber es ist ihr während des
Interviews unangenehm, solche »pädagogischen Spielchen« mitgemacht zu haben.
Im Zusammenhang mit diesem „Training“ (10/41) vertritt Frau Schmidt die
Überzeugung: „Das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe […] wenn man
das will dann verändert einen das automatisch“ (11/6). Sie machte die Erfahrung,
dass sogar Außenstehende die Veränderungen an ihr wahrnahmen. Zum Beispiel
sprach eine Mitarbeiterin des Jugendamts Rundstadt sie mit den anerkennenden
5. Interview Schmidt
96
Worten an „Sie ham sich aber verändert“ (11/3). Frau Schmidt ist selbst der
Meinung: „Da konnt ich dann auf einmal auch irgendwie mit der reden weil da
wurd´s ja auch besser mit Fremden reden un so“ (11/1). Zu dieser Veränderung
haben sicherlich viele verschiedene Faktoren beigetragen. Für Frau Schmidt ist
jedoch die oben beschriebene Arbeit mit ihrem Lebenslauf das Schlüsselerlebnis:
Hier wurde sie sich ganz neu oder sogar zum ersten Mal ihrer persönlichen Stärken
bewusst.
5.4.5. Mitarbeit der Familie
„da gibt man sich einfach Mühe wenn man das auf die Reihe kriegen will“
(8/48)
Obwohl Frau Schmidt, wie bereits geschildert, auch Momente mit der SPFH erlebte,
in denen sie „keine Lust“ (3/13) hatte und es sie nervte, „wenn wieder Familienhilfe
kommt oder wenn man wieder das und das grade machen soll“ (5/46) – machte sie
„sich dann auch selber immer wieder klar“ (3/14): „es is ja immer nur zu seinem
eigenen Vorteil“ (3/13).
Besonders zu Beginn der Hilfe fiel es ihr sehr schwer, mit „so irgendjemand
Fremdes […] dann alles besprechen“ (8/15) zu müssen. Vermutlich war Frau
Schmidt während der ersten Treffen äußerst zurückhaltend bzw. schüchtern und
beschränkte sich auf das Reagieren, anstatt sich aktiv mit einzubringen. Wenn ich
an die ersten Minuten des Interviews denke, kann ich mir vorstellen, dass die ersten
Termine mit den Familienhelfern ähnlich verliefen.
Frau Schmidt ändert für Paula ihre zurückhaltende oder sogar ablehnende
Einstellung – „weil die mir soviel bedeutet hat und auch jetzt noch bedeutet“ (8/47) –
und sagt heute über ihre Mitarbeit: „Da gibt man sich einfach Mühe wenn man das
auf die Reihe kriegen will“ (8/48). Ihr scheint bewusst zu sein, dass das Erreichen
des Zieles, „dann alleine halt wieder richtig klar[zu]kommen“ (16/29), ihre Mitarbeit
erfordert, wenn dies auch manchmal mühsam, unbequem oder nervig sein sollte. In
diesem Bewusstsein stellt sich Frau Schmidt auch „Sachen die man eigentlich lieber
beiseite schieben will nicht drüber nachdenken will“ (9/2).
5. Interview Schmidt
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Um zwei konkrete Beispiele für Frau Schmidts Mitarbeit anzuführen, seien hier zum
einen ihre Haushaltsführung sowie zum anderen das »Training« zur Steigerung des
Selbstwertgefühls genannt. Zu ersterer erzählt Frau Schmidt: „Dann ham wir auch
richtig Haushaltspläne aufgestellt wann man am besten was zu tun hat“ (10/29). Am
Anfang fiel es ihr schwer, sich darauf einzulassen, heute hat sie offensichtlich eine
gewisse Gelassenheit erlernt und meint lachend: „Ich mein ich halt mich nich immer
da dran […] also manchmal hab ich dann wirklich keine Lust aber dat holt man dann
nach“ (10/30). Nach ihrer Formulierung hat sie die Haushaltspläne gemeinsam mit
den Fachkräften erarbeitet und sich also aktiv an den Überlegungen beteiligt. Diese
Mitarbeit fällt auch auf, als sie von dem „Training […] zum Selbstwertgefühl
steigern“ (10/41) spricht: „als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben“
(10/48). Frau Schmidt beteiligte sich also aktiv und erlebt diese Beteiligung selber
als Arbeit – Arbeit kann anstrengend sein, bringt aber meistens auch ein Ergebnis
zu Tage.
Möglicherweise begann die Mitarbeit von Frau Schmidt erst dann »richtig«,
nachdem sie sich von ihrem Freund getrennt hatte. Sie beschreibt Veränderungen,
die ihr Verhalten während der HPGs und ihr Zurechtkommen mit der Hausarbeit
betreffen:
„ich fand dann das erste HPG etwas schwieriger […] als ich dann nich mehr mit ihm zusammen war un das halt selber alles machen musste“ (10/10) „da war er immer zuhause hat den Haushalt gemacht un ich bin arbeiten gegangen und äh fiel mir dann auch am Anfang total schwer als ich dann plötzlich alleine gewohnt hab“ (10/22)
Es ist zu vermuten, dass sie nach der Trennung auch ganz neu zur aktiven Mitarbeit
in der Familienhilfe herausgefordert war.
Frau Schmidt weiß aus eigener Erfahrung, wie erfolglos eine Familienhilfe ohne die
Mitarbeit der Familie ist: „Wir hatten damals ne Familienhilfe […] da haben wir uns
eigentlich beide eigentlich ziemlich gesperrt“ (1/11) und kommt aus dieser
Erfahrung heraus im Umkehrschluss zu der Überzeugung:
„das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe also mir geht’s so viele die das vielleicht nicht wollen geht’s vielleicht dann nich so die streiken dann wie damals wir bei der alten Familienhelferin da . un machen dann gar nich mit aber wenn man das will dann verändert einen das automatisch“ (11/6)
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5.4.6. Kontrolle
„dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in mein Leben ein so“
(8/39)
Wahrscheinlich ist Frau Schmidts Erleben der aktuellen Familienhilfe in hohem
Maße auch von dem ersten SPFH-Einsatz geprägt. Sie beschreibt: „Und dann ist
der Kleine zu seinen Eltern gekommen und wir hatten damals ne Familienhilfe und
[…] mit der Frau kamen wir überhaupt (betont) nicht klar und da haben wir uns
eigentlich beide […] ziemlich gesperrt […] und . im Endeffekt hieß es dann der
Kleine bleibt dann halt . so lang es geht dann halt bei den Großeltern“ (1/11). Der
erlebte Kontrollfaktor dieses Einsatzes wird sehr hoch gewesen sein, da es um die
wichtige Frage ging, ob der Sohn bei seinen Eltern leben kann oder nicht. Auch
bzgl. Paula prophezeien ihr Freunde ein entsprechendes Vorgehen des
Jugendamtes: „Wenn das so un so nich klappt dann kommt das Kind weg“ (4/3).
Doch Frau Schmidt ist überzeugt: „Das denk ich mal würde in Allendorf glaub ich
nich passieren weil die zeigen einem dann eher Lösungswege un helfen dann mit
ner Familienhilfe dass man das irgendwie wieder auf die Reihe kriegt“ (4/1).
Sie geht also zum einen davon aus, dass sie durch die Kontrolle der Familienhelfer
und damit des Jugendamtes nichts zu befürchten hat. Zum anderen ist genau diese
Kontrolle, also z. B. das Bewerten ihrer Lebensumstände und das Fordern von
bestimmten Verhaltensweisen der Aspekt der Hilfe, den sie kritisiert bzw. als
belastend erlebt.
„wenn man dann […] das un das noch machen um das un das auf die Reihe zu kriegen dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in mein Leben ein so“ (8/38)
Als kontrollierend erlebte sie sicherlich auch den schon unter 6.4.1 erwähnten
Ratschlag der Familienhelfer bzgl. ihrer Besuche bei bestimmten Freunden – „die
treffen wir eigentlich relativ regelmäßig un gut die trinken da ihre Bierchen un so un
äh manche nehmen von denen Drogen“ (14/10). Die Familienhelfer sind der
Meinung, sie „sollten da nich mehr hingehen un das is kein Umgang für die Paula“
(14/14). Diese Bedenken fand Frau Schmidt „dann irgendwie schade“ (14/34),
schätzte sie die Situation doch als völlig unbedenklich ein. Möglicherweise war sie
enttäuscht, dass die Familienhelfer ihr in diesem Punkt scheinbar nicht das sonst
gewohnte Vertrauen entgegenbrachten, sondern den Freunden einen „schlechten
Einfluss auf die Paula“ (14/35) und ihr selbst „schlechtere Menschen“ (14/30) als
5. Interview Schmidt
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Freunde unterstellten. Schlussendlich ließen die Familienhelfer Frau Schmidt
jedoch mit dem Kommentar „Gut dann müssen wir mal sehen wie das so mit der
Zeit dann wird“ (15/9) die Freiheit und signalisierten ihr damit erneut ihr Vertrauen.
Für mich bleibt die Frage offen, ob die Verwirrung bzw. Enttäuschung von Frau
Schmidt über das kritische Hinterfragen der Familienhelfer auf den sehr
freundschaftlichen Charakter der Beziehung zurückzuführen ist. Bei einem mehr
offiziellen bzw. mehr distanzierten Verhältnis wäre das Verhalten der Familienhelfer
passend und vorhersehbar gewesen und wenn auch unbequem so doch sicherlich
nicht als enttäuschend erlebt worden. »Kontrolle« passte scheinbar nicht in das
Bild, das Frau Schmidt von der Beziehung zu den Familienhelfern hatte.
5.4.7. Vertrauen
„mit denen kann man über alles reden“ (1/25)
Nach dem oben beschriebenen schwierigen Einstieg in die Hilfemaßnahme – Frau
Schmidt fiel es äußerst schwer, mit den ihr fremden Familienhelfern über
persönliche Dinge zu sprechen – ist sie heute davon überzeugt: „Mit [den
Familienhelfern] kann man über alles reden […] die sind immer für einen da“ (1/25).
Frau Schmidt konnte erleben, wie die Fachkräfte ihr in Situationen helfend zur Seite
standen, „die ich glaub ich alleine […] damals nicht so hingekriegt hätte“ (1/30).
„auch wenn Erziehungsfragen oder so sind die helfen einem immer (betont)“ (1/38) „durch die Spielsucht von meinem Exfreund äh hatten sich auch auf meinen Namen halt auch ziemlich viele Schulden angesammelt und ich hab […] das irgendwie nich realisieren wollen […] und die Schulden wurden dann immer mehr […] und jetzt durch die Familienhilfe zum Beispiel bin ich jetzt in der Privatinsolvenz drin also ham die da sehr geholfen“ (1/32)
Von der Kindererziehung über die Schuldenregulierung vertraut Frau Schmidt den
Fachkräften auch in vermutlich tiefgehenden persönlichen Themen, „die man
eigentlich lieber beiseite schieben will nicht drüber nachdenken will die bringen
einen dann dazu dass man sich dem stellt un das auf die Reihe kriegt“ (9/2). Sogar
ihre Kontokarte vertraute sie den Familienhelfern an, damit ihr damaliger Partner
keinen Zugang zu dieser hatte. Frau Schmidt erzählt: „Da haben die dann richtig auf
meine Kontokarte aufgepasst […] die sind dann einmal […] in der Woche mit der
5. Interview Schmidt
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Karte halt gekommen un dann ham wir halt für die Woche halt das Geld abgehoben
und das fand ich auch gut“ (11/20). Frau Schmidt führt ihre eigene
Vertrauensbereitschaft auf die Persönlichkeit der beiden Familienhelfer zurück, mit
denen „man halt von Anfang an […] so gut reden konnte“ (8/34).
Dieses Vertrauen ist die Basis der gelungenen Zusammenarbeit mit den
Familienhelfern. Es ermöglicht eine Offenheit für den Aufbau einer persönlichen
Beziehung und für Veränderungen.
5.4.8. Themen bzw. Ziele der SPFH
„da wurden dann halt erstmal die ganzen Probleme an gesprochen wie man
die sozusagen wieder in´n Griff kriegt“ (9/45)
Im Verlauf des gesamten Interviews nennt Frau Schmidt sechs verschiedene
Themen und Ziele, die gemeinsam mit den Familienhelfern bearbeitet wurden bzw.
noch werden. Vermutlich wurden die oben genannten Aspekte im ersten
Hilfeplangespäch als Themen der Hilfe festgelegt. „Da wurden dann halt erstmal die
ganzen Probleme angesprochen wie man die sozusagen wieder in´n Griff kriegt“
(9/45).
1) Säuglingspflege
Die Hilfe scheint bei Familie Schmidt mit ganz praktischen Fragen zur Pflege und
Versorgung der neugeborenen Tochter begonnen zu haben. Es ging um
„Stillprobleme“ (8/21), die Frau Schmidt zunächst mit dem Familienhelfer und dann
mit dessen Partnerin besprach.
Ein weiterer ganz praktischer Einsatz der Familienhelferin betraf z. B. das Baden
des Babys: „Die [Paula] hat also . beim Baden nur gebrüllt und ich wusste nicht wie
ich das in den Griff kriegen sollte“ (13/28). Mit der Unterstützung der
Familienhelferin gelang es „innerhalb […] einer Woche […] dass ich sie baden
konnte ohne dass sie schreit“ (13/34).
Vermutlich waren diese alltagsnahen Erfolgserlebnisse zu Beginn wichtig für Frau
Schmidt, um sich mit Optimismus auf die gesamte Hilfe einlassen zu können.
5. Interview Schmidt
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2) Haushaltsführung
Die Familienhelfer stellten mit Frau Schmidt „auch richtig Haushaltspläne [auf] wann
man am besten was zu tun hat“ (10/29). Hausarbeit ist für Frau Schmidt etwas,
wozu sie „manchmal […] dann wirklich keine Lust hat“ (10/33). Mithilfe der
Haushaltspläne kann sie heute aber scheinbar entspannt sagen: „Ich mein ich halt
mich nich immer da dran (lachend) […] aber dat holt man dann nach“ (10/30).
3) Erziehungsfragen
Auch wenn Frau Schmidt keine konkreten Erziehungsfragen nennt, die sie mit den
Familienhelfern thematisiert hat, erzählt sie ganz allgemein: „Auch wenn
Erziehungsfragen oder so sind die helfen einem immer (betont)“ (1/38). Vielen
Eltern fällt es schwer, gerade in diesem Bereich Ratschläge oder Kritik
anzunehmen. Vermutlich konnten diese Fragen relativ unkompliziert angesprochen
werden, weil die Familienhelfer selbst auch eine Tochter haben, „die […] zehn
Monate älter als [Paula ist]“ (1/39). Frau Schmidt scheint aber auch einfach froh
gewesen zu sein, Tipps zu bekommen und sich dadurch im Umgang mit der
Tochter sicherer fühlen zu können.
4) Therapie des damaligen Partners
Zu Beginn der Hilfe lebte Frau Schmidt noch mit ihrem damaligen Lebensgefährten
zusammen, der stark spielsüchtig war. „Die [Familienhelfer] ham auch dann
mitgeholfen ´nen Therapieplatz suchen“ (2/49).
5) Schulden
Frau Schmidt erzählt: „Durch die Spielsucht von meinem Exfreund äh hatten sich
auch auf meinen Namen halt auch ziemlich viele Schulden angesammelt“ (1/32).
Die Familienhelfer halfen Frau Schmidt auf dem Weg in die „Privatinsolvenz“ (1/37)
und indem sie ihre Bankkarte verwahrten.
„die sind dann einmal mit mir äh in der Woche mit der Karte halt gekommen un dann ham wir halt für die Woche halt das Geld abgehoben und das fand ich auch gut ich verplemper manchmal ein bisschen viel (lacht verlegen)“ (11/22)
6) Selbstwertgefühl
Frau Schmidt beschreibt sich als sehr schüchtern und als im Umgang mit Fremden
sehr befangen. In der Arbeit der Familienhelfer war dies immer wieder Thema. So
erzählt Frau Schmidt z. B. von Übungen „zum Selbstwertgefühl steigern“ (10/42).
5. Interview Schmidt
102
Dieser Bereich gehört für Frau Schmidt vermutlich zu den „Sachen die man
eigentlich lieber beiseite schieben will“ (9/2), die aber von den Familienhelfern
immer wieder mit dem Ziel angesprochen wurden, „dass man sich dem stellt un das
auf die Reihe kriegt“ (9/3).
5.5. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
„kann ich nur jedem empfehlen das Jugendamt (lachen d)“ (3/37)
Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt Allendorf begann mit Frau Schmidts Bitte
um Hilfe in Erwartung ihres zweiten Kindes. „Da war [sie] noch […] schwanger und
[ist] zum Jugendamt gegangen [und hat] gesagt: Ich möchte gerne Hilfe haben!“
(1/18). Von Seiten des Jugendamts wurde ihr eine „Hilfe zugesagt“ (2/42), die dann
unmittelbar nach der Geburt der Tochter einsetzte. Allein die Zusage des
Jugendamts erlebte Frau Schmidt schon als enorme Unterstützung – über den Fall
einer Ablehnung sagt sie heute: „Ich weiß nicht ob ich sie dann gekriegt hätte äh
also ich denk mal dann hätt ich eher abgetrieben und gesagt ne dann hat das
keinen Sinn“ (2/42).
Von der dann folgenden Zusammenarbeit scheint Frau Schmidt regelrecht
begeistert, wenn sie lachend sagt: „Kann ich nur jedem empfehlen das Jugendamt“
(3/37). Sie ist der Meinung, „die helfen hier wo se können“ (4/6), indem sie „immer
unterschiedliche Lösungswege die man halt machen kann“ (3/25), aufzeigen. Im
Gegensatz zu Geschichten, die sie über andere Jugendämtern gehört hat, ist sie
überzeugt, dass es hier ein Verhalten nach dem Prinzip „Ja wenn das so un so nich
klappt dann kommt das Kind weg“ (4/3) nicht geben würde.
Frau Schmidt äußert die Vermutung: „Vielleicht liegt das auch nur an den
Sachbearbeiterinnen die man da hat“ (10/36). Besonders mit ihrer ersten
„Bearbeiterin“ (3/19) war sie „total zufrieden“ (3/20), diese war in den zwei Jahren
„halt so ne Art Bezugsperson [geworden] mit der man über alles reden konnte“
(3/43).
„man konnte auch mit denen über alles reden wenn irgendwelche Probleme aufkamen oder wenn man mal wieder irgendwie . wenn man mal Geld verplempert hat oder so (lacht) dann . die hatten immer für alles Verständnis so“ (3/20)
5. Interview Schmidt
103
Warum Frau Schmidt an dieser Stelle allerdings den Plural verwendet, obwohl sie
von einer speziellen Sachbearbeiterin spricht, wird mir nicht ganz klar.
Möglicherweise möchte sie damit das ganze Jugendamt Allendorf in ihr Lob
einschließen und dieses nicht nur an einer einzelnen Person festmachen.
Frau Schmidt findet es „besonders schade dass [diese] Sachbearbeiterin dann
weggegangen is“ (3/40), die „neue Bearbeiterin die Frau Bauer die [kennt sie] jetzt
noch nich so gut“ (3/18). Wahrscheinlich steht Frau Schmidt zu dieser aber auch
nicht in einem so engen Kontakt, da durch die gut laufende Familienhilfe vermutlich
die Hilfeplangespräche die einzigen Anknüpfungspunkte sind.
Bemerkenswerterweise lobt Frau Schmidt mit dem Jugendamt Allendorf genau die
Behörde, die zuvor über die Herausnahme ihres Sohnes entschied, eine scheinbar
erfolglose SPFH in der Familie einsetzte und dann beschloss, dass der Sohn
vorerst weiterhin bei seinen Großeltern leben soll. Dazu lassen sich drei
Hypothesen aufstellen: 1. Frau Schmidt trennt die beiden Erfahrungen völlig
voneinander und bezieht sich hier nur auf ihr aktuelles Erleben. 2. Sie bewertet die
damaligen Geschehnisse rückblickend gar nicht so negativ, wie man vermuten
könnte. 3. Sie hat ihren ersten Kontakt mit dem Jugendamt regelrecht verdrängt.
Diese Frage bleibt für mich an dieser Stelle offen. Frau Schmidts positive, fast
begeisterte Bewertung des Jugendamts scheint an keiner Stelle gespielt oder gar
ironisch. Mit der momentanen Zusammenarbeit ist Frau Schmidt einfach „total
zufrieden“ (3/20).
5.6. Abschluss der Hilfe
„ich find das dann auch schade wenn . dann […] die Hilfe dann ausläuft“ (2/4)
Für Frau Schmidt scheint festzustehen: „Wenn ich jetzt […] ´n Therapieplatz kriege
und die Therapie dann anläuft […] wird die Hilfe eingestellt“ (2/7). Voraussichtlich
wird dies „Anfang nächsten Jahres“ (2/4) der Fall sein – das Interview fand im
August 2007 statt. Schon jetzt ist der nahende Abschluss der Hilfe spürbar, da die
Betreuungszeit, „die […] am Anfang bei acht Stunden in der Woche [lag] jetzt […]
nur noch zwei Stunden in der Woche“ (2/10) beträgt. Die Hilfe soll also langsam
auslaufen. Auch wenn Frau Schmidt auf diese Art und Weise behutsam an die Zeit
5. Interview Schmidt
104
ohne Familienhilfe herangeführt werden soll, fällt ihr der Abschied schon jetzt
schwer. Sie empfindet es als „schade wenn . dann […] die Hilfe dann ausläuft“ (2/4).
Gegen Ende des Interviews bezeichnet Frau Schmidt es als Ziel einer SPFH, „dass
man dann alleine halt wieder richtig klarkommt“ (16/29). Da in ihrem Fall
offensichtlich mit klar definierten Zielen und Themen gearbeitet wurde, ist die
Antwort auf folgende Fragen spannend: Würde Frau Schmidt sagen, dass sie nun
alleine „klarkommt“ (16/29)? Ist für sie das übergeordnete Ziel also erreicht? (oder:
Wird es erreicht sein, wenn die Hilfe endet?). Sie macht hierzu keine konkrete
Aussage. Frau Schmidt erzählt im Zusammenhang mit der aktuellen geringen
Betreuungsstundenzahl: „Gut man kriegt dann nicht mehr ganz so viel hin aber die
sind trotzdem immer für einen da“ (2/13). Meine Vermutung ist daher, dass es für
sie immer wieder neue Themen geben wird, bei denen sie die Unterstützung der
Familienhelfer braucht – um der Beziehung zu ihnen willen. In diesem Satz lassen
sich zwei Hinweise finden, die meine Vermutung untermauern: Zum einen klammert
Frau Schmidt sich scheinbar an die Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft der
Familienhelfer. Zum anderen erweckt die Formulierung „man kriegt dann nicht mehr
ganz so viel hin“ (2/13) den Eindruck, als sei noch so viel zu tun, dass die Zeit mit
den Familienhelfern kaum reicht. Es hört sich nicht so an, als laufe die Familienhilfe
bald aus, als seien alle vereinbarten Themen bearbeitet und als gehe es nun
hauptsächlich um die Vorbereitung des Abschieds. Auch an dieser Stelle ist
erkennbar, wie entscheidend das Gefühl für Frau Schmidt ist, dass immer jemand
für sie da ist.
Bei den vielen positiven Aspekten der entstandenen persönlichen Beziehung
zwischen Frau Schmidt und den Familienhelfern wird hier deutlich, welche
Schwierigkeit dies auch mit sich bringt. Denn es wird für Frau Schmidt nur schwer
nachvollziehbar sein, wenn mit Abschluss der Hilfe auch die Beziehung beendet
wird: keine gemeinsamen Ausflüge mehr, keine Möglichkeit jederzeit um Rat fragen
zu können usw. Es ist zu wünschen, dass den Familienhelfern ein guter, klarer
Abschied gelingt. Es sollten keine unerfüllbaren Hoffnungen auf Freundschaft von
Frau Schmidt im Raum stehen bleiben, es sollte aber unter Umständen ein Weg
gefunden werden, den entstandenen positiven Kontakt nicht schlagartig abbrechen
zu lassen.
5. Interview Schmidt
105
5.7. SPFH als Belastung
„da waren halt die Familienhelfer mehr dafür […] da ss wir da am besten nich
mehr hingehn aber […] das fand ich dann schon nich schön weil das einfach
Freunde sind“ (14/21)
Obwohl Frau Schmidt die Familienhilfe grundsätzlich sehr positiv beschreibt, lassen
sich auch in ihren Äußerungen einige Aspekte finden, die sie schwierig oder sogar
belastend erlebt hat.
Es gab und gibt Momente, in denen sie „einfach keine Lust hat“ (3/13) und nicht
motiviert ist, die manchmal unbequemen Vorschläge der Familienhelfer
umzusetzen.
„ich mein wirklich teilweise nervt es dann wenn wieder Familienhilfe kommt oder wenn man wieder das und das grade machen soll oder so un man will das im Grunde genommen gar nich“ (5/45) „wenn man dann […] das un das noch machen [muss] um das un das auf die Reihe zu kriegen dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in mein Leben ein so“ (8/38)
Besonders diese letzte Formulierung, die wie ein kurzer Gefühlsausbruch während
des Interviews erscheint, ist diesbezüglich eindrücklich, weil Frau Schmidt an keiner
weiteren Stelle eine solche Empfindung formuliert. Vermutlich erzeugen die
ständige Betreuung und Beobachtung, die Vorschläge, Kritik und Anregungen der
Familienhelfer einen Druck, den Frau Schmidt sich nicht eingestehen möchte oder
dessen sie sich gar nicht bewusst ist – da er nicht zu ihrem ansonsten so positiven
Erleben zu passen scheint.
Wie schon beschrieben erlebte Frau Schmidt den Beginn der Hilfe als sehr
belastend, da es ihr schwer fiel, mit Fremden ins Gespräch zu kommen und sich
ihnen gegenüber zu öffnen. Dass es in den ersten Gesprächen zudem z. B. um
Stillprobleme ging, verstärkte ihr Unwohlsein.
„das war irgendwie schon komisch dann äh dass man äh da plötzlich so irgendjemand Fremdes da vor die Nase gesetzt gekriegt hat un äh . mit dem man dann alles besprechen muss wat mir sowieso nich . leicht fällt“ (8/15) „da hat man sich die erste Zeit totaal unwohl gefühlt erst recht wenn man dann mit so´nem Familienhelfer dann über (lachend) Stillprobleme oder so reden muss“ (8/20)
5. Interview Schmidt
106
Konkret auf belastende Situationen durch die Familienhilfe angesprochen – I: „Gabs
denn andersrum ne Situation die dadurch schwierig war sozusagen dass die SPFH
da war?“ (14/5) – erinnert sich Frau Schmidt an eine Meinungsverschiedenheit mit
den Familienhelfern. Es ging um den regelmäßigen Besuch bei Freunden „im Park
die trinken da ihre Bierchen un so un äh manche nehmen von denen Drogen“
(14/10). Dass die Familienhelfer der Meinung waren, „[sie] sollten da nich mehr
hingehen un das is kein Umgang für die Paula“ (14/14), fand Frau Schmidt „dann
schon nich schön“ (14/22). Sie bestand darauf: „Das sind meine Freunde un das
bleiben die auch […] da is dann nich äh für mich ´ne Situation wo ich dann sage
dass sind dann schlechtere Menschen“ (14/26). Ich vermute, die Kritik der
Familienhelfer an diesem Punkt war viel mehr als „nich schön“ (14/22) oder
„irgendwie schade“ (14/34) und Frau Schmidt tief gekränkt. Aus der Behauptung der
Familienhelfer, ihre Freunde seien kein guter Umgang für ihre Tochter, könnte Frau
Schmidt den Vorwurf abgeleitet haben, sie treffe keine verantwortungsvollen
Entscheidungen für ihr Kind. Ich sehe meine Vermutung durch Aussagen von Frau
Schmidt bestätigt, in denen sie ausführlich über die guten Eigenschaften ihrer
Freunde besonders in Verhalten gegenüber Paula berichtet – so als wolle oder
müsse sie sich rechtfertigen.
„also die passen dann teilweise äh . pingeliger auf die Paula auf als ich selber also äh teilweise sagen sie dann direkt schon ähm „Paula lass das“ bevor ich dann überhaupt irgendwie wenn ich mich am unterhalten bin oder so dann äh mitgekriegt hab dass sie wieder was angestellt hat also die passen da echt so super (betont) auf die auf“ (14/36)
Die beschriebene Situation ist die einzige, die Frau Schmidt als belastend anführt.
Für sie war und ist die Unterstützung durch die beiden Familienhelfer hilfreich und
sehr positiv. Gerade dann ist eine belastende Situation möglicherweise besonders
eindrücklich, weil sie nicht in das eigentliche Empfinden und Erleben der Hilfe passt.
5.8. SPFH als Unterstützung
„das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe “ (11/6)
Es ist anhand bereits deutlich geworden, wie vielschichtig und facettenreich Frau
Schmidt die Unterstützung der Familienhelfer erlebt hat. Um einen
zusammenfassenden Überblick über die verschiedenen unterstützenden Aspekte
5. Interview Schmidt
107
der Hilfe geben zu können, nehme ich an dieser Stelle Wiederholungen zu vorigen
Abschnitten in Kauf. Der Übersichtlichkeit wegen wird eine Zuordnung in drei
Bereiche vorgenommen: persönliche Beziehung, Beratung und praktische Hilfe.
Selbstverständlich gibt es große Überschneidungen, dann werden die Aspekte
dennoch in nur jeweils einem Bereich aufgeführt werden.
Persönliche Beziehung
Die Beziehung zwischen Frau Schmidt und den Familienhelfern wurde unter 6.4.1
ausführlich analysiert. Hier soll nun speziell auf die Bereiche geschaut werden, die
für Frau Schmidt vermutlich den über den offiziellen Rahmen hinausgehenden,
persönlichen Charakter der Beziehung ausmachten. Besonders eindrücklich scheint
für Frau Schmidt das Erleben zu sein, dass „die […] immer für einen da [sind]“
(1/27), da sie dies mehrfach und in unterschiedlichen Zusammenhängen formuliert.
„man kann die auch wenn jetzt irgendwie mit der Kleinen was is oder so man kann die auch mitten in der Nacht anrufen die sind immer für einen da“ (1/26) „dass die immer für einen da sind wenn man sie braucht“ (7/35) „da war ich auch immer so froh dass die dann da waren wenn ich sie gebraucht habe und andere Termine abgesagt hatten“ (11/44) „das war auch schon spät abends also acht Uhr bestimmt un da sind die normal ja nicht mehr im Dienst so un äh da wusste ich jetzt auch nich was soll ich jetzt machen so da hab ich dann direkt da angerufen .. meinten dann auch direkt ja wir kommen dann gleich“ (12/16)
Sicherlich wird diese ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit auch Teil des
offiziellen Aufgabenbereichs der Familienhelfer (gewesen) sein. Möglicherweise
sollte auf diese Art zu Beginn der Hilfe einer drohenden Gefährdung des Kindes
vorgebeugt werden. Frau Schmidt ist jedoch froh, sich in keiner Situation wirklich
alleine zu fühlen. Für sie ist es entscheidend, Menschen an ihrer Seite zu haben,
die immer für sie da sind.
Die persönliche Beziehung zu den Familienhelfern wurde sicherlich auch dadurch
vertieft, „dass man […] zweimal insgesamt dann auch mal jetzt [etwas
unternommen hat, das] nich was irgendwie mit der Familienhilfe zu tun hatte oder
so das man einfach in´n Wildpark gefahren is“ (15/24), oder „Eis essen gegangen
[ist]“ (2/1). Frau Schmidt ist der Meinung: „Man macht das weil das schön is“
(15/27), obwohl das „eigentlich gar nich dazu gehört“ (15/26). Da die Ausflüge mit
den Familienhelfern nach ihrem Verständnis nicht in deren Aufgabenbereich fielen,
5. Interview Schmidt
108
erlebte Frau Schmidt die Beziehung vermutlich sehr persönlich. Dies ist bis heute
wichtig und unterstützend für sie. Meiner Ansicht nach ist in genau dieser
gelungenen Beziehung eine wesentliche Erklärung für das Gelingen der gesamten
Hilfe zu finden.
Beratung
Frau Schmidt macht die unterstützende Erfahrung, dass sie mit den Familienhelfern
„über alles reden [kann]“ (1/26). Sie erzählt, „dass man halt von Anfang an mit
denen so gut reden konnte“ (8/34). Die vertrauensvolle offene Beziehung machte
offensichtlich eine persönliche Beratung in verschiedenen Bereichen möglich.
Neben Gesprächen über „Erziehungsfragen“ (1/38), die sie als sehr hilfreich
empfand, ging es aber auch um Themen, „die man eigentlich lieber beiseite
schieben will“ (9/2). Frau Schmidt erzählt: „Die bringen einen dann dazu dass man
sich dem stellt un das auf die Reihe kriegt“ (9/3). Sie nennt ein konkretes Beispiel:
„mit der Familienhilfe […] ham wir auch […] irgendso´n komisches Training gemacht .. […] halt was zum Selbstwertgefühl steigern […] und da ham wir auch richtig so´n komischen […] Lebenslauf aufgestellt wo halt nur die guten […] Eigenschaften drinstanden [und] als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben fielen uns da plötzlich so viele Sachen ein die man gern macht die man gut kann un so das hat man vorher irgendwie gar nicht gesehen“ (10/39)
Noch in den heutigen Erzählungen merkt man Frau Schmidt die Selbstüberwindung
an, die sie die Mitarbeit an dieser Stelle kostete. Sie ließ sich aber dennoch darauf
ein und erlebte eine enorme persönliche Entwicklung. Sogar von Außenstehenden
bekam sie die mutmachende Rückmeldung: „Sie ham sich aber verändert!“ (11/3).
Praktische Hilfe
Wahrscheinlich wurde die Arbeit der Familienhelfer von Frau Schmidt auch
deswegen bis heute so unterstützend und positiv erlebt, weil in ganz
unterschiedlichen Bereichen praktische Hilfe geleistet wird. Frau Schmidt macht
also die Erfahrung, dass Probleme nicht »nur« ausdiskutiert, sondern auch tatkräftig
angegangen werden.
Die Familienhelferin half z. B. beim Baden der neugeborenen Tochter:
„die hat […] beim Baden nur gebrüllt und ich wusste nicht wie ich das in den Griff kriegen sollte […] un dann is mal die Familienhelferin […] gekommen . un […] mit deren Hilfe […] hat das dann plötzlich funktioniert“ (13/28).
5. Interview Schmidt
109
Der Familienhelfer – ein „ausgebildeter Kinderkrankenpfleger“ (2/20) – gab „Tipps“
(2/25), leistete aber auch praktische Unterstützung, als Paula krank war:
„Dann sind wir dann noch wirklich dann noch ins Krankenhaus gefahren und haben sie dann halt untersuchen lassen“ (12/28).
Gemeinsam wurden „auch richtig Haushaltspläne aufgestellt wann man am besten
was zu tun hat“ (10/29), wodurch Frau Schmidt sich auch in diesem unbeliebten
Bereich „nich ganz alleine“ (10/28) fühlte. Ganz praktisch zeigte sich die
Unterstützung der Familienhelfer auch, als sie Frau Schmidt unverzüglich darüber
informierten, dass im Kindergarten ihrer Tochter „grad noch ´n Platz frei [sei]“ (4/14)
und Frau Schmidt auf diesem Weg einen Kindergartenplatz für Paula erhielt.
Die Spielsucht des Exfreundes und die dadurch entstandenen Schulden stellten
Frau Schmidt zu Beginn der Hilfe vor Aufgaben, „die [sie] alleine […] damals nicht
so hingekriegt hätte“ (1/30). Die Familienhelfer „ham auch dann mitgeholfen ´nen
Therapieplatz [für den Exfreund zu] suchen“ (2/49) und sind sogar „auch einmal
dahin gefahren mit dem um sich die Klinik anzugucken“ (3/7). Anscheinend war
diese Aktivität, dieses »Anpacken« ein wichtiges Signal für Frau Schmidt –
Optimismus statt Hoffnungslosigkeit, Aktion statt Lethargie. Es galt, den Berg, vor
dem Frau Schmidt sich selbst sah, Schritt für Schritt zu beschreiten. Dass dies
möglich war, bewiesen die Familienhelfer ganz praktisch: Mit ihrer Hilfe ist Frau
Schmidt „zum Beispiel […] jetzt in der Privatinsolvenz drin“ (1/37). Die Hilfe, die sie
jedoch offensichtlich am meisten beeindruckte, war das Angebot der Familienhelfer,
Frau Schmidts Bankkarte zu verwahren.
„[mein Exfreund] hat […] dann teilweise einfach meine Karte genommen ohne dass ich das gemerkt hab hat dann Geld abgehoben dass ich nichts mehr hatte un so und da haben die dann richtig auf meine Kontokarte aufgepasst […] die sind dann einmal […] in der Woche mit der Karte halt gekommen un dann ham wir halt für die Woche halt das Geld abgehoben“ (11/18)
Frau Schmidt meint: „Hätten sie das nich gemacht also ich weiß es nich wie das
dann gewesen wär“ (13/3).
Zusammenfassung
Die persönliche Beziehung zu den Familienhelfern, die umfassende Beratung und
die vielseitige praktische Unterstützung ließen die Familienhilfe für Frau Schmidt zu
einer Hilfe werden, mit der sie „zufrieden“ (3/10) ist und die für sie
„weiterzuempfehlen“ (7/35) ist. Selbst in schwierigen Situationen ist sie davon
überzeugt: „Es is ja immer nur zu [meinem] eigenen Vorteil“ (3/13). Entscheidend
5. Interview Schmidt
110
für diese Sichtweise ist sicherlich auch Frau Schmidts Erleben bzgl. des
Engagements der Familienhelfer:
„also die helfen in so vielen Sachen so“ (4/25)
„da merkt man die engagieren sich richtig für die Leute“ (11/34)
Enden soll dieses Kapitel mit einer bilanzierenden Feststellung von Frau Schmidt
zur Familienhilfe:
„das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe also mir geht’s so […] wenn man das will dann verändert einen das automatisch“ (11/6)
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 111
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich
Beim Vergleich der beiden Interviews auf der Grundlage der Forschungsfrage: »Wie
erleben Familien den Einsatz einer SPFH?« fällt unweigerlich die Diskrepanz
zwischen der der sehr positiven Bewertung der Hilfe durch Frau Schmidt und des
sehr negativen Erlebens derselben durch Ehepaar Müller ins Auge. Darum sollen
nun mittels des Vergleichs ausgewählter Ergebnisse Thesen dazu aufgestellt
werden, warum die beiden SPFH-Einsätze so unterschiedlich erlebt und bewertet
wurden.
In Kapitel 2.1. wurden wesentliche professionelle Kompetenzen von
Familienhelfern aufgeführt. Untersucht man die Berichte der Familien hinsichtlich
dieser Kompetenzen, können folgende Aussagen bzgl. der erlebten Professionalität
gemacht werden.
Bei den Erzählungen von Ehepaar Müller vermisst man Beschreibungen, die auf
den unbedingten Respekt der Familienhelferin vor der Persönlichkeit der Klienten
und auf ein angemessenes Zutrauen in deren Selbsthilfekräfte hinweisen.
Stattdessen wird deutlich, wie sehr die Äußerungen und das Verhalten der
Familienhelferin Frau Müller in ihrer Rolle als psychisch kranke Mutter
verunsicherten und unter Druck setzten. Die aktivierende Aufforderung, die Themen
für das jeweilige Treffen festzulegen, wurde von ihr als Überforderung anstatt als
ressourcenorientiertes Zutrauen in die eigenen Ideen erlebt. Ehepaar Müller
beschreibt die Familienhelferin zudem als äußerst unzuverlässig, da vereinbarte
Termine regelmäßig nicht eingehalten wurden. Auch die Transparenz fehlte – dem
Erleben des Ehepaars nach – völlig in der Arbeit der Familienhelferin. Ihnen ist bis
heute nicht klar, an welchen Zielen sich die Fachkraft orientierte, ob die Hilfe für die
Familie überhaupt geeignet war und wie die Familienhelferin den Abbruch der Hilfe
erlebt hat. Bzgl. der Kompetenz, eine Balance aus freundlicher Anbindung und
professioneller Distanz zu schaffen, ist festzustellen, dass Ehepaar Müller zum
einen keine freundliche Anbindung erlebte und sich zum anderen die vorhandene
Distanz nicht mit der Professionalität der Fachkraft, sondern mit der fehlenden
Sympathie erklärte.
Ganz anders dagegen sind in den Äußerungen von Frau Schmidt die wesentlichen
professionellen Kompetenzen der Familienhelfer auf den ersten Blick erkennbar.
Frau Schmidt fühlt sich als Person mit ihren Ansichten respektiert. Dies bestätigt
sich z. B. auch in Konfliktsituationen. Sie erlebt Zutrauen in ihre Selbsthilfekräfte
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 112
besonders als junge Mutter und Partnerin eines spielsüchtigen Lebensgefährten,
aber auch einfach Zutrauen in sie als Person mit (verschütteten) Potentialen. Die
Familienhelfer werden von Frau Schmidt als absolut verlässlich dargestellt: Sie
erlebt, dass sie immer für sie da sind und ihr in allen für sie wichtigen Bereichen mit
Rat und Tat zur Seite stehen. Auftretende Schwierigkeiten wie Unpünktlichkeit oder
Meinungsverschiedenheiten werden offen kommuniziert, d. h. transparent gemacht
und dadurch für Frau Schmidt nachvollziehbar. Die Zusammenarbeit mit den
Familienhelfern scheint von der Balance aus freundlicher Anbindung und
professioneller Distanz geprägt zu sein. So gewinnt man auf der einen Seite den
Eindruck eines nahezu freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Frau Schmidt und
der Fachkräften. Gleichzeitig bleiben letztere dennoch in einer Position, aus der
heraus sie das Agieren von Frau Schmidt kritisch hinterfragen und beurteilen
können. So bleiben sie z. B. trotz aller – von Frau Schmidt erlebten – Verbundenheit
beim gegenseitigen »Sie« anstatt das »Du« anzubieten. Auch bereiten sie den
Abschluss der Hilfe langfristig vor, um Klarheit bzgl. des befristeten Charakters der
Zusammenarbeit zu schaffen. Welche Gratwanderung das Ausbalancieren von
Nähe und Distanz für die Familienhelfer bedeutet, wird dann deutlich, wenn sich
speziell aufgrund von Aspekten, die im professionellen Rahmen der Hilfe begründet
sind, Probleme ergeben, wenn z. B. kritisches Hinterfragen als persönlich kränkend
erlebt wird.
An den beiden vorliegenden Interviews wird eindrück lich deutlich, welchen
immensen Einfluss die Professionalität der Familien helfer auf Verlauf und
Erfolg der Hilfe hat. Ein besonderer Aspekt dieser Professionalität ist die
Fähigkeit der Fachkräfte, positive persönliche Bezi ehungen zu den Familien
aufzubauen.
Anhand des unter 4.4.2. herausgearbeiteten Teufelskreises soll die entscheidende
Funktion und Bedeutung der Beziehung zwischen Fachkraft und Familie
verdeutlicht werden – und auch die Rolle, die die Kinder der Familien in der
entstehenden Dynamik spielen. Bei Familie Müller konnte keine vertrauensvolle
persönliche Beziehung zu der Familienhelferin aufgebaut werden, das Verhältnis
war und blieb distanziert und ablehnend. Die beiden Kinder übernahmen die
Abwehrhaltung der Eltern und reagierten verschlossen. Die Funktion der
Familienhelferin war ihnen nicht klar. Offensichtlich gelang es dieser nicht, die
Blockade der Kinder abzubauen und Vertrauen aufzubauen, was die Eltern
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 113
wiederum an der Kompetenz der Fachkraft zweifeln lässt. Eine Person, die ihnen
auf den ersten Eindruck hin unsympathisch ist und die zudem von den Kindern
abgelehnt wird, kann nicht als kompetente Fachfrau für die Belange der Familie
akzeptiert werden. Die Beziehung ist gescheitert.
Beziehungskreislauf bei Familie Müller ↑ und bei Frau Schmidt ↓
Tochter begegnet
den Fachkräften unbefangen
Akzeptanz der
Fachkräfte durch die
Mutter
Gelungene Beziehung zwischen
Mutter und Fachkräften
Fachkräfte bauen eine Beziehung zur Tochter
auf
Mutter sieht Kompetenz
der Fachkräfte bestätigt
Kinder begegnen
der Fachkraft distanziert
Keine Akzeptanz
der Fachkraft
durch Eltern
Misslungene Beziehung zwischen Eltern und Fachkraft
Fachkraft kann Kinder nicht für sich
gewinnen
Eltern hinterfragen Kompetenz
der Fachkraft
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 114
Den Familienhelfern von Frau Schmidt gelingt es dagegen recht schnell, ihr
Vertrauen zu gewinnen und eine persönliche, offene und tiefgehende Beziehung
aufzubauen. Die Tochter erlebt diese unterstützende Beziehung von Geburt an und
kann den Familienhelfern ihrerseits unbefangen und vertrauensvoll begegnen. Der
positive Umgang der Fachkräfte mit ihrer Tochter bedeutet für Frau Schmidt eine
Bestätigung von deren Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Sie kann die
Familienhelfer und deren Arbeit in ihrer Familie akzeptieren. Die gelungene
Beziehung ist Basis der gelungenen Zusammenarbeit.
Um die ausschlaggebende Bedeutung der persönlichen Beziehung in Verbindung
mit Professionalität zu verdeutlichen, sollen zwei konkrete Beispiele aus den
Interviews einander gegenübergestellt werden.
Frau Schmidt erlebt Unternehmungen mit den Familienhelfern – einen Besuch im
Wildpark oder im Eiscafe – als Höhepunkte der gemeinsamen Zeit. Zum
eigentlichen Arbeitsauftrag der Fachkräfte gehören die Ausflüge ihrer Meinung nach
nicht, sie scheint sie als eine Art »Bonus« zu sehen. Die vermutlich dahinter
stehende Idee der Familienhelfer, sich in einem außerhäuslichen Rahmen kennen
zu lernen und die vorhandene Beziehung auf diese Art und Weise zu vertiefen,
scheint zu fruchten.
Auch Ehepaar Müller berichtet von einem Spaziergang der Familienhelferin mit Frau
Müller und den Kindern. Anstatt diesen zu Beginn der Hilfe als Möglichkeit zum
ungezwungenen Kennenlernen oder als schönen Ausflug mit den Kindern zu
werten, ist bei Frau Müller Unsicherheit und bei Herrn Müller Unzufriedenheit
festzustellen. Frau Müller ist unsicher, weil sie die Unternehmung nicht einordnen
kann, und Herr Müller ist unzufrieden, weil dieser Spaziergang seinen Vorstellungen
von strukturiertem Arbeiten nicht entspricht.
Eine bestehende positive Beziehung kann also durch Erfahrungen bei
gemeinsamen Unternehmungen bereichert werden. Professionelle Kompetenzen
sind in diesem Fall besonders dann gefragt, wenn es darum geht, den offiziellen
Rahmen des Ausfluges zu verdeutlichen. Konnte keine positive Beziehung
aufgebaut werden, sind die professionellen und persönlichen Kompetenzen der
Fachkraft erforderlich, um die Bedeutung einer gemeinsamen Unternehmung, wie z.
B. das Kennenlernen in ungezwungener Atmosphäre und keine Zeitvergeudung,
transparent zu machen. Gelingt dies nicht, führen Ausflüge o. ä. eher zu Irritation
und Verärgerung.
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 115
Zu einem ähnlichen Ergebnis hinsichtlich der Bedeutung von Professionalität und
persönlicher Beziehung kommt man beim Thema Pünktlichkeit. In beiden Interviews
wird von unpünktlichem Erscheinen und durch die Familienhelfer verschobenen
Terminen berichtet, jedoch mit völlig unterschiedlicher Bewertung. Aufgrund der
vertrauensvollen Beziehung zu den Fachkräften erklärt sich Frau Schmidt
Unpünktlichkeit oder kurzfristig abgesagte Termine mit eben der Verlässlichkeit der
Familienhelfer, die sie selbst auch erlebt hat. Die Familienhelfer haben
diesbezüglich Transparenz geschaffen: Möchten sie auf der einen Seite einem
Klienten in akuten Notsituationen zur Seite stehen können, so bedeutet dies auf der
anderen Seite automatisch Terminverschiebungen oder Verspätungen für ihre
anderen Klienten. Aufgrund der entstandenen Beziehung und der offenen
Kommunikation wird die Problematik für Frau Schmidt trotz der damit verbundenen
Unannehmlichkeiten nachvollziehbar und akzeptabel.
Ehepaar Müller dagegen erlebt die regelmäßige Unpünktlichkeit der
Familienhelferin, das verfrühte Ende der Besuche und das unentschuldigte
Ausfallen vereinbarter Termine als zusätzliche Belastung durch die Familienhilfe.
Diese spezielle Unzuverlässigkeit muss als Hinweis auf eine generelle
Unzuverlässigkeit gedeutet werden, wenn keine Beziehung aufgebaut wurde, die
diese Schwierigkeiten auffängt. Vermisst man zusätzlich die Professionalität (oder
Charakterstärke), die Verspätungen oder Versäumnisse offen anzusprechen und zu
entschuldigen, ist das Infragestellen der Kompetenz der Fachkraft seitens der
Klienten nahe liegend.
So gegensätzlich die Arbeit der Familienhelfer von Ehepaar Müller und Frau
Schmidt erlebt wurde, so unterschiedlich endet(e) auch der Einsatz der Fachkräfte
in den Familien. Der Abschluss der Hilfe beruhte bei Ehepaar Müller auf der
Entscheidung, die Hilfe vorzeitig abzubrechen. Frustriert und verärgert über
enttäuschte Erwartungen sowie verunsichert und belastet durch überfordernde oder
sogar verletzende Kommentare bzw. Handlungen der Familienhelferin erschien
ihnen dieser Schritt notwendig. Leider werden auch an dieser Stelle die
misslungene Beziehung und die fehlende Professionalität der Familienhelferin
deutlich. Alle unter 2.2 genannten Aspekte, die für eine gelingende Zusammenarbeit
erforderlich sind und einen Abbruch der Hilfe hätten verhindern können, sucht man
in den Berichten der Eheleute vergeblich: Arbeitsgrundlage, Arbeitsauftrag sowie
gegenseitige Erwartungen wurden im Vorfeld nicht geklärt, es fand keine
Problemdefinition durch Helferin und Familie und keine gemeinsame Festlegung
6. Die zentralen Ergebnisse im Vergleich 116
messbarer Ziele statt. Ehepaar Müller hatte nicht den Eindruck, dass die
Familienhelferin ihr familiäres Wertesystem akzeptierte. Unter diesen Bedingungen
konnte sich keine Offenheit für Veränderungen entwickeln. Eine konstruktive und
positive Zusammenarbeit war nicht möglich.
Frau Schmidt steht der Abschluss der Hilfe zwar erst noch bevor, der grundsätzliche
Rahmen der Beendigung scheint aber auch im Vorhinein klar zu sein. Schon einige
Monate vor dem geplanten Ende der Hilfe ist die Betreuungsstundenzahl auf zwei
Stunden pro Woche verringert worden. Dadurch werden zwei Dinge
unmissverständlich klar: 1. Die Hilfe endet und damit ändern sich schon jetzt die
Rahmenbedingungen der entstandenen Beziehung. 2. Frau Schmidts
Lebenssituation hat sich so weit verbessert, dass keine stundenintensive Betreuung
mehr notwendig ist. Die Mühe hat sich gelohnt, es wurde gemeinsam etwas erreicht.
Da Frau Schmidt die Unterstützung der Fachkräfte als so wertvoll und hilfreich
erlebte, wird ihr der Abschied nicht leicht fallen – den Familienhelfern
möglicherweise auch nicht. Es wäre wünschenswert, dass der Kontakt nicht
schlagartig abbricht, sondern ein Weg gefunden werden wird, um unter den neuen
Umständen zwar eine gesunde Distanz zu halten aber dennoch Ansprechpartner zu
bleiben1.
Das Erleben der Hilfe und damit deren Erfolg hängen also entscheidend von der
Professionalität der Fachkräfte, vor allem mit der Beziehung zwischen
Familienhelfer und Familie ab. Der gelungene Beziehungsaufbau ist als
entscheidendes Merkmal der Professionalität der Fachkräfte zu betrachten.
1 Ich könnte mir z. B. vorstellen, dass Frau Schmidt die Familienhelfer telefonisch hin und wieder auf den neuesten Stand bringen wird. Dies wäre für sie insofern bedeutsam, als es das persönliche Interesse der Fachkräfte an ihr und ihrem Leben bestätigen würde.
7. Ausblick 117
7. Ausblick
Auf der Grundlage der in Kapitel 6 diskutierten Ergebnisse erscheinen mir für die
Arbeit von Familienhelfern drei Aspekte entscheidend und richtungweisend zu sein.
(1) Es gilt, die Professionalität von Familienhelfern zu fordern und zu fördern.
Hier geht es nicht darum, von den Fachkräften Allwissenheit oder
Omnipotenz zu verlangen. Vielmehr sollte die Notwendigkeit professioneller
Kompetenzen1 im Gespräch mit zukünftigen Familienhelfern intensiv
thematisiert und soweit möglich überprüft werden. Am einfachsten wäre
sicherlich eine Regelung nach bestimmten Berufsgruppen, es dürften also z.
B. nur Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen als SPFH tätig werden. Um
aber auch andere Berufsgruppen mit ihren spezifischen Kompetenzen
einzubinden und gleichzeitig eine professionelle Arbeit zu sichern, plädiere
ich für regelmäßige, verpflichtende Weiterbildungsangebote zu Themen wie
Nähe-Distanz, Ressourcenorientierung, Gesprächsführung, Kontrolle oder
Abschluss der Hilfe.
(2) Es gilt, die Suche nach einer geeigneten Fachkraft für die entsprechende
Familie sehr sorgfältig zu gestalten.
Da die gelungene persönliche Beziehung zwischen Familienhelfer und
Familie entscheidend zum Erfolg der Hilfe beiträgt, ist es wichtig, einen
Familienhelfer auszuwählen, der neben fallspezifischen Kompetenzen von
seiner Persönlichkeit her zu der betreffenden Familie passt, so dass aller
Voraussicht nach die Chancen für einen positiven Beziehungsaufbau erhöht
werden. Hierfür müssen die Jugendamtsmitarbeiter zum einen die Familie
persönlich und ausführlich kennen gelernt haben und zum anderen die
Fachkraft als Person einschätzen können.
Nach der intensiven Beschäftigung mit dem Erleben der beiden Familien
komme ich zudem zu folgender Vermutung: Es kann Familienhelfern
gelingen, mit hoher Professionalität ergänzt durch persönliche Kompetenzen
wie Respekt, Optimismus oder Toleranz selbst zu einer Familie, die nicht
»passend« erscheint, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und so
erfolgreich mit ihr zusammenzuarbeiten.
1 An dieser Stelle verweise ich auf die in Kapitel 2.1. erwähnten professionellen Kompetenzen.
7. Ausblick 118
(3) Es gilt, die Beziehung zwischen Fachkraft und Familie in regelmäßigen
Fallsupervisionen zu reflektieren.
Fallsupervision für Familienhelfer ist notwendig, um bei aller gewünschten
Nähe zur Familie auch die notwendige Distanz aufrechtzuerhalten, um nicht
selbst vom Strudel der Familiendynamik mitgerissen zu werden, um sich
über eventuelle Koalitionen mit einzelnen Familienmitgliedern bewusst zu
werden usw. Entscheidend dabei sind dafür die Bereitschaft und die
Fähigkeit der Fachkräfte zu (Selbst-)Reflexion, Kritik und Veränderung.
Die vorliegende Arbeit gab einen Einblick in das Leben von Familien mit einer
Sozialpädagogischen Familienhilfe, um so eine Antwort auf die Forschungsfrage zu
finden, wie Familien den Einsatz einer SPFH erleben. Es wurde ein
Perspektivenwechsel vorgenommen und der Einsatz einer SPFH aus der Sicht der
betroffenen Familien dargestellt. Die Auseinandersetzung mit dem Erleben der
Familien hat einen unschätzbaren Wert bei der Beurteilung und Weiterentwicklung
von Familienhilfe1.
Die beiden Familien, die von ihren Erfahrungen berichtet haben, haben
dazu beigetragen, das individuelle Erleben einer Sozialpädagogischen Familienhilfe
besser zu verstehen. Dieses Verstehen wird aber immer ein Prozess bleiben, der
durch unser konkretes Interesse aufrechterhalten werden kann und sollte.
1 »Beurteilung und Weiterentwicklung« sind hier zum einen im Zusammenhang mit der SPFH-Forschung gemeint: Hier sollte das Erleben der Familien maßgeblich für Veränderungen sein. Zum anderen geht es hier aber auch darum, im konkreten Fall einer Familie deren Erleben (z. B. in HPGs, aber auch im persönlichen Gespräch) wahr- und ernstzunehmen und den Klienten so die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf die Hilfe zu nehmen.
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119
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Persönliche Erklärung 124
Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt
habe, andere als die angegebenen Hilfsmittel nicht genutzt und
sämtliche wörtlichen und inhaltlichen Ausführungen aus der
Literatur als solche kenntlich gemacht habe.
_____________________
Gummersbach, März 2008
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
126
Das transkribierte Interview
mit Frau Schmidt
E: Frau Schmidt
P: Paula
I: Interviewerin Tabea Brand
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 1 -
I: genau . jetzt nimmt es auf . 1 E: Hm 2 I: (lacht) hoffe ich doch jetzt mal genau ja . erzählen Sie doch einfach mal wie das so bei 3
Ihnen war oder was Sie so erlebt haben mit der SPFH. Vielleicht können Sie da 4 anfangen wie das überhaupt dazu gekommen ist und dann alles was Ihnen wichtig ist 5 dazu. 6
E: Hm ja also also 2001 da hab ich ´n Sohn bekommen un äh ja weiß jetzt gar nich so 7 irgendwie das mit der ganzen Situation . un das war einfach ganz ne Miss-Situation 8 (lacht leise verlegen) un dann hatten wir schon mal da also damals war ich noch mit 9 meinem Freund zusammen und der war spielsüchtig und da hatten wir tierische 10 Probleme und dann ist der Kleine zu seinen Eltern gekommen und wir hatten damals 11 ne Familienhilfe und mit der kamen wir mit der Frau kamen wir überhaupt (betont) 12 nicht klar und da haben wir uns eigentlich beide eigentlich ziemlich gesperrt und alles 13 und . im Endeffekt hieß es dann der Kleine bleibt dann halt . so lang es geht dann halt 14 bei den Großeltern (Stimme wird sehr hoch) und dann . . äh war dann hinterher . dann 15 sie unterwegs (zeigt auf Tochter) und da war ich mir nicht sicher obs dann diesmal gut 16 geht oder ob dann wieder wat schief geht das die dann weg soll oder so und äh . da hab 17 ich da war ich noch mit ihr schwanger (lächelnd) und da bin ich äh . zum Jugendamt 18 gegangen hab gesagt ich möchte gerne Hilfe haben 19
I: hm 20 E: und diesmal hatt ich nicht (betont) die gleiche Familienhelferin ein Glück wieder 21
bekommen (lachend) 22 I: ja (lachend) 23 E: sondern äh so´n Pärchen ´n Mann und ´ne Frau un .. ja also . was bestes bessres hätt 24
ich gar nicht tun können (Stimme höher) weil die beiden die sind äh . also mit denen 25 kann man über alles reden man kann die auch wenn jetzt irgendwie mit der Kleinen 26 was is oder so man kann die auch mitten in der Nacht anrufen die sind immer für einen 27 da 28
K: da ins Zimmer müssen die (kommt mit einer Puppe und spielt dann neben uns weiter) 29 E: ja ins Wohnzimmer müssen die? Und äh . dann äh helfen die bei so vielen Sachen die 30
ich glaub ich alleine nicht so teilweise damals nicht so hingekriegt hätte zum Beispiel 31 äh . durch die Spielsucht von meinem Exfreund äh hatten sich auch auf meinen Namen 32 halt auch ziemlich viele Schulden angesammelt und ich hab irgendwie das irgendwie 33 nich realisieren wollen oder keine Ahnung hab das dann so laufen lassen und die 34 Schulden wurden dann immer mehr 35
I: hm 36 E: und jetzt durch die Familienhilfe zum Beispiel bin ich jetzt in der Privat-Insolvenz drin 37
also ham die da sehr geholfen . ne Maus?! Oder auch wenn Erziehungsfragen oder so 38 sind die helfen einem immer (betont) also die ham selber ´ne Tochter die is zehn 39 Monate älter als sie 40
I: ja 41 E: Ne? (hohe verniedlichte Stimmlage zu Tochter) Ne Paula der bleibt aus! Und da wird 42
nicht ausgemacht! .. Weil wenn man den da ausmacht den Fernseher und dann 43 anmacht ist das eine schreckliche Lautstärke. (Erklärend zu I) 44
I: Achso (lachend) Ja dann würd ich das lieber lassen ne Paula (lacht) 45 Für einige Sekunden beobachten beide Paula beim Spielen 46 E: Ne? (hoch verniedlicht) und auch nich so dass sie jetzt nur jetzt sagen wir mal so 47
Hilfen geben oder so . die äh unternehmen auch teilweise was mit einem waren zum 48 Beispiel schon so im Wildpark 49
I: hm 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 2 -
E: waren wir glaub ich schon zweimal oder Eis essen gegangen . also . mit denen is man 1 wirklich voll zufrieden 2
I: Ja 3 E: Ich find das dann auch schade wenn . dann wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres die 4
Hilfe dann ausläuft 5 I: Aha .. ja 6 E: Ja wenn ich jetzt äh äh ´n Therapieplatz kriege und die Therapie dann anläuft und dann 7
äh wird die Hilfe eingestellt 8 I: Ja 9 E: denn die ist jetzt auch die war am Anfang bei acht Stunden in der Woche und jetzt ist 10
nur noch zwei Stunden in der Woche 11 I: Ja 12 E: Un . gut man kriegt dann nicht mehr ganz so viel hin aber die sind trotzdem immer für 13
einen da un . . ja … ne? (zur Tochter) 14 K: Heia machen (hat Puppe in ein Puppenbett gelegt und zeigt ein weiteres Kuscheltier) 15 I: (lacht) 16 E: Musst du jetzt alle Spielsachen vorführen? (lachend) 17 K: schlafen hier 18 I: da kann die viel besser schlafen die Puppe ne? Super! 19 E: Und das Praktische ist der Familienhelfer der ist ausgebildeter Kinderkrankenpfleger 20 I: Ah! 21 E: Und wenn jetzt irgendwie jetzt ich mit ihr jetzt wenn die Fieber oder so kriegt und ich 22
weiß ja nicht was könnte es sein un so dann ruf ich dann auch schon mal an un 23 I: Ja 24 E: Lass mir dann mal Tipps geben was ich am besten machen soll weil die wissen das 25
dann meistens immer direkt ne? (zu Paula) Ja tust du die Püppi anrufen aber guck mal 26 die hat ja gar kein Telefon . . (Paula nicht zu verstehen) ja du hast eins die kommt auf 27 Ideen 28
I: (lacht) super so kann die jetzt mit dir telefonieren ne toll! 29 E: Ich find das immer voll süß die nimmt immer ihre Puppen regelrecht äh verwöhnen so 30
als wenn das echt kleine Kinder wären 31 I: Ja 32 E: Wie wenn wir mit dem Puppenwagen unterwegs sind dann bleibt die alle paar Meter 33
stehen guckt ob die Püppi richtig sitzt gibt der eventuell noch Fläschchen oder Nucki 34 ne richtig tolle Puppenmama ne? (zu Paula) 35
I: Ja super! 36 Für eine Minute spielen Mutter und Tochter mit der Puppe (6:00) 37 E: Ne . . ich denk auch hätt ich die Familienhilfe nicht gekriegt weiß ich nicht ob ich die 38
jetzt noch hätte 39 I: Hm 40 E: Beziehungsweise äh wenn nicht das Jugendamt nicht vorher schon gesagt hätte als ich 41
noch schwanger war äh dass die mir die Hilfe zugesagt haben also ich weiß nicht ob 42 ich sie dann gekriegt hätte äh also ich denk mal dann hätt ich eher abgetrieben und 43 gesagt ne dann hat das keinen Sinn. 44
I: Hm 45 E: . . weil . . . hätte dann irgendwie glaub ich nich so . gut funktioniert 46 I: Ja 47 E: . . oder auch dann mit meinem Ex-Freund als ich noch mit dem zusammen war die 48
ham auch dann mitgeholfen ´nen Therapieplatz suchen der war dann . ich glaub 49 dreieinhalb Monate oder so war der im Sauerland in Therapie dann 50
I: Hmhm 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 3 -
E: Gut dann ham wir uns getrennt aber (lachend) seitdem wir uns getrennt haben also so 1 gut ham wir uns schon jahrelang nich mehr verstanden wie wir uns jetzt verstehn 2 (lacht) 3
I: (lachend) Ja 4 E: Das find ich immer lustig 5 I: Hm 6 E: Hm na . . die ham auch echt superviel geholfen sind auch einmal dahin gefahren mit 7
dem um sich die Klinik anzugucken . un . das is nich grad um die Ecke da 8 I: Ja 9 E: . also .. eigentlich zufrieden mit denen (lacht) 10 I: Ja 11 E: Manchmal dann nervt es dann wenn man dann denkt hoch jetzt komm die schon 12
wieder oder so man einfach keine Lust hat oder so aber ähm es is ja immer nur zu 13 seinem eigenen Vorteil (betont) . macht man sich dann auch selber immer wieder klar 14
I: Hm 15 E: … Jetzt auch so die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt oder so . weil . es heißt ja 16
auch immer . Jugendämter is doch oäh (=Abscheu) is doch . nix also das kenn ich hier 17 vom Allendorfer Jugendamt zum Beispiel nich sagen ich hab . jetzt ja ´ne neue 18 Bearbeiterin die Frau Bauer die kenn ich jetzt noch nich so gut die hab ich noch nich 19 lange . . die davor also total zufrieden . man konnte auch mit denen über alles reden 20 wenn irgendwelche Probleme aufkamen oder wenn man mal wieder irgendwie . wenn 21 man mal Geld verplempert hat oder so (lacht) dann . die hatten immer für alles 22 Verständnis so 23
I: Ja 24 E: (drei Worte unverständlich) dann ham die immer unterschiedliche Lösungswege die 25
man halt machen kann vorgeschlagen un so ne? (verniedlicht zu Paula) ganz im 26 Gegensatz zum Rundstädter Jugendamt weil mit denen bin ich gar nicht zufrieden weil 27 da is mein Sohn ja . 28
I: Ahja 29 E: sozusagen der is ja bei seinen Großeltern als Pflegekind da hat man da auch immer 30
viel mit zu tun 31 I: Ja 32 E: . weil normalerweise soll jedes halbe Jahr ein HPG sein also Hilfeplangespräch und da 33
kommt es da schon mal vor dass es fast anderthalb Jahre sind so wars beim letzten Mal 34 I: Hmhm 35 E: Hm das is . ganz anders also Allendorf . kann ich nur jedem empfehlen das Jugendamt 36
(lachend) 37 I: Ja (lachend) 38 E: . . war aber auch besonders schade dass die andere Sachbearbeiterin dann 39
weggegangen is die hat irgendwie nen anderen Job angenommen an nem anderen 40 Jugendamt oder irgendwie ich weiß es nich mehr so genau aber das war schade weil 41 die hatte man wirklich jetzt halt etwas über zwei Jahre . un so halt so ne Art 42 Bezugsperson war se mit der man über alles re-reden konnte un nich so äh . wie jetzt 43 verschiedene andere von denen man hört ähm die nutzen das was man denen erzählt 44 dann gegen die sozusagen da war bei ner Bekannten von mir die war äh Reichshof 45 oder so war die un ja die hatte auch ziemliches Vertrauen zu der Bearbeiterin gehabt 46 und äh ja und im Endeffekt is se dann r- reingefallen un die Kleene wurde ihr dann 47 abgenommen 48
I: Hm 49 E: Un das denk ich mal würde in Allendorf glaub ich nich passieren weil die zeigen 50
einem dann eher Lösungswege un helfen dann mit ner Familienhilfe dass man das 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 4 -
irgendwie wieder auf die Reihe kriegt irgendwie so un nich ja wenn das so un so nich 1 klappt dann kommt das Kind weg oder so 2
I: Ja 3 E: Dat is bei denen überhaupt nich . die helfen hier wo se können 4 I: Ja 5 E: …hm.. was gibt’s denn sonst noch zu sagen . . hm . ja un jetzt zum Beispiel mit dem 6
Kindergartenplatz den ham wir ja auch nur durch die Familienhilfe weil von denen die 7 klene Tochter die is in den Kindergarten gegangen . ja un da hatten die halt 8 mitgekriegt da is noch ´n Platz frei joa un da hat der Familienhelfer mich direkt 9 angerufen un ob ich mir vorstellen könnte dass die Paula jetzt schon innen 10 Kindergarten geht (hustet) tschuldigung muss wieder husten un äh weil die hätten da 11 grad noch ´n Platz frei ja . un da hab ich mir so n paar Tage Zeit gelassen hab dann 12 erstmal überlegt is dass so das richtige weil ich lass die sonst ungern aus meiner Nähe 13 so raus (verlegen lachend) 14
I: Ja 15 E: un obwohl am Anfang is mir das auch schwer gefallen jetzt nich im Kindergarten aber 16
wenn se so teilweise geht die einmal im Monat das ganze Wochenende zu ihrem Papa 17 un das war anfangs der Horror un ihren Papa kennt sie ja gut den liebt sie abgöttisch 18 aber war trotzdem ne Katastrophe und da war ich erstmal am überlegen ja is das denn 19 auch das richtige für sie un dann hatten wir uns den Kindergarten angeguckt un dann 20 hat se gesagt „hierbleiben!“ (imitiert Paula) 21
I: (lacht) toll . . das war also ein Erfolg 22 E: Ja . ja durch die Familienhilfe . also die helfen in so vielen Sachen so 23 I: Ja 24 E: Ganz anders als damals die Familienhelferin die hat das auch irgendwie ehrenamtlich 25
gemacht un da hat man irgendwie gemerkt das macht der keinen Spaß die will das 26 irgendwie gar nicht die hat dann teilweise nicht irgendwie teilweise Hilfe angeboten 27 oder so das war bei der überhaupt nicht 28
I: Ja 29 E: Joa . die Hilfe würd ich auf jeden Fall befürworten aber man muss mit den Leuten 30
schon klarkommen weil sonst hat das keinen Sinn 31 I: Oh was hast du denn vor? (Lachend zu Paula die mit Schneeanzug ins Zimmer 32
kommt) 33 E: Den Schneeanzug? Der is dir aber schon viel zu klein und außerdem ist da der 34
Reißverschluss kaputt . . wir haben noch keinen Winter he?! . Die tut sich unheimlich 35 gerne verkleiden die zieht sich auch schon mal Sachen von mir an 36
I: Ja? (lachend) 37 E: Geht zum Schrank holt sich was 38 I: Das macht auch Spaß Paula ne? 39 K: Neues anziehn 40 E: Was Neues anziehn? . Jaa . um halb acht da ziehn wir dich um nen Schlafanzug an 41 I: Genau (lacht) das ist auch ne Verkleidung (Paula hustet) Ui du hustest aber he? 42 E: War noch schlimmer 43 I: Ja? 44 E: Ne Mausi … ist jetzt schon wieder nen bisschen besser ne? Bloß immer so kurz 45
nachem Hustensaft 46 I: Ja das löst dann so ne? 47 E: Jaja . . . tu den ma wieder innen Schrank ja?! (hohe Stimme zu Paula) .. . Im Moment 48
tu ich die alten zu kleinen Anziehsachen alle noch sammeln weil ne Bekannte von mir 49 hat jetzt vor nem Monat ungefähr n Baby gekriegt . obwohl ich bei der lieber sagen 50 würde bei der nen Kind eheh (lacht verlegen) 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 5 -
I: Oh 1 E: Ja also das is jetzt n Monat alt also das Kind is nich angemeldet is nich 2
krankenversichert . also ich hab den Eindruck dass das teilweise so spastische Anfälle 3 hat also das fängt dann plötzlich an so komisch zu keuchen und dann zittert so 4 komisch also ab und zu mal un . aber zum Arzt gehen das geht doch nich ich mein die 5 Frau hat so Panik vor Ärzten aber ich mein nich das Kind anmelden zu lassen ich geh 6 mal eben kurz (geht zu Paula die in einem anderen Zimmer seit kurzer Zeit gerufen hat 7 kommt bald darauf wieder) so . die hat nur Unsinn im Kopf 8
I: (lacht) Ja ich glaub das gehört dazu ne? 9 E: Ja und ich mein die is ja noch harmlos andere sind noch schlimmer 10 I: Ich find auch die is doch äh 11 E: Ja un die wird jetzt langsam müde die hat sich im Kindergarten heute wohl geweigert 12
Mittagsschlaf zu machen 13 I: Achso ja und das merkt man dann am Abend ne? 14 E: Oh ja 15 I: So ich muss jetzt grad mal gucken ob das hier weiterläuft ich hab versucht auf Pause 16
zu machen aber ich habs glaub ich gar nicht hingekriegt 17 E: (lachend) Technik ne! 18 I: genau (lacht) 19 E: Joa . (murmelnd) wo war ich stehen geblieben . achja bei der . . un noch dazu nimmt 20
die Drogen und das ist ja auch wieder wo ich sagen würde das muss ja nich sein wenn 21 man n Baby hat (wird dabei lauter) (kurze Unterhaltung mit Paula die sich ein 22 Lätzchen angezogen hat) Paula aber nich wieder alles runterschmeissen! Grad als der 23 Familienhelfer hier war hat sie nämlich den Fleischwurstaufschnitt schön aus dem 24 Kühlschrank genommen hat sich ne Scheibe genommen und der Rest plumpste auf 25 den Boden (lachend) 26
I: Oh (lacht) 27 E: Aber das is schon find ich schon ganz praktisch dass die schon so selbständig is sich 28
auch selber ausm Kühlschrank holt wat se haben will 29 I: Ja ja 30 E: Oder morgens vorm Kindergarten beim Brote machen sagt se mir immer ganz genau 31
wat se drauf haben will 32 I: Ja hat se ihre eigenen Vorstellungen ne? 33 E: Joa das find ich aber auch wichtig 34 I: Ja is auch toll ja. 35 E: Weil . ich als Kind also ich war da so schüchtern ich mein bis vor zweieinhalb Jahren 36
oder so bis sie kam war ich auch total verschüchtert mit Fremden reden oh Gott 37 I: Ja 38 E: Auch n Grund mit warum ich jetzt ne Therapie machen will aber ich mein das hat sich 39
schon gebessert da geht dat aber da mit Fremden reden nee oder überhaupt bei Ämtern 40 oder so musste immer mein Exfreund mit 41
I: Ja . . umso erstaunlicher dass sie sich dann ans Jugendamt gewendet haben oder? 42 E: Ja . weil ich hab . . ich denk mir mal so´n Kind is dat wert. Ich mein wirklich teilweise 43
nervt es dann wenn wieder Familienhilfe kommt oder wenn man wieder das und das 44 grade machen soll oder so un man will das im Grunde genommen gar nich aber man 45 weiß dat is das richtige für das Kind für einen selber un so wie jetzt die Therapie da 46 hab ich auch nich grad unbedingt die Lust zu aber ich weiß das is das Beste un 47 deswegen mach ich die dann auch un äh . ähm ja (lacht) wo war ich denn jetzt un äh . 48 ähm dann will man das nich aber . es is das beste 49
I: Ja 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
- 6 -
E: Un da ich halt mit dem Allendorfer Jugendamt vorher halt durch meinen Sohn der war 1 erst in Allendorf oah Paula nein (Laut) (Paula isst Joghurt kleckert will Mutter füttern) 2 also mindestens jeden zweiten Tag muss man bei der putzen nein Paula 3
I: Pass mal auf Paula sonst fällt da gleich noch der Klecks runter einmal schnell in Mund 4 stecken . genau! (lacht) 5
E: Oh das is bei ihr auch die teilt so furchtbar gerne un die akzeptiert das dann nich wenn 6 man nich will 7
I: Ja (lacht) 8 E: Ne? (zu Paula) Wo war ich denn jetzt? 9 I: Sie waren grad dabei dass . bei Ihrem Sohn zuerst wenn ich das richtig verstanden hab 10
zuerst das Rundstädter Jugendamt 11 E: Ne zuerst war das Allendorfer Jugendamt zuständig und dann isses hinterher dann die 12
Zuständigkeit halt geändert worden weil halt der Kleine bei seinen Großeltern in 13 Rundstadt lebt un dann 14
I: Achso 15 E: is das geändert worden 16 I: achso hmhm 17 E: un äh da die in Allendorf die hatten sich ja noch Mühe gegeben mit der 18
Familienhelferin na das hätten se sich auch sparen können aber sie habens halt 19 versucht und dann is halt die Zuständigkeit geändert worden un äh von Rundstadt kam 20 dann nich irgendwie der Vorschlag mit ner Familienhilfe oder so ich mein da war der 21 Kleine schon bei seinen Großeltern un ich mein es besteht es bestände die Möglichkeit 22 dass wenn dass man wenn man alles in Griff gekriegt hat un so dass man ihn 23 wiederkriegt aber das möchte ich gar nich mehr. Der is jetzt sechs Jahre da also fast 24 sechs Jahre ich glaub mit drei Monaten is er dahin gekommen un äh . dann äh . den 25 will ich da gar nich rausreißen das is sein Zuhause un . . . ne Mausi der Kevin der 26 gehört zu Oma un Opa ne? (hohe Stimme „niedlich“ an Paula gerichtet) . . was ich 27 schade fand als sie dann kam da waren die dann allerdings total dagegen dass sie ihren 28 Bruder kennenlernt 29
I: Ah 30 E: Also die hat den erst . ich glaub drei Mal gesehen 31 I: ahso 32 E: . ne Maus? 33 I: Und Sie wie oft sehen sie den Kevin? 34 E: Also der Kontakt ist ziemlich abgebrochen weil ich mit . äh sozusagen den 35
Schwiegereltern oder wie man das in Anführungsstrichen dann nennen soll weil ich 36 mit denen absolut nicht klarkomme (lauter) un man wurd da nie irgendwie ein . das 37 war dann ich weiß (murmelt etwas unverständlich) bei ihm weil er halt so früh auch 38 wegkam da waren dann auch nie Muttergefühle so da also . ich mein ich hab mir das 39 auch immer wieder eingeredet (lauter schneller) das renkt sich wieder ein habs dann 40 immer wieder versucht un . aber irgendwie hatte das irgendwie nich viel Sinn. Man 41 kam sich dann erstens vor wie einfach wenn wie wenn jemand kommt um einfach n 42 paar Stündchen mit dem zu spielen und at war´s un gar nich wie ne Mutter kam man 43 sich vor und dann hatten die immer soviel rumzunörgeln och (genervt) 44
I: Ja 45 E: Ne ich kann diese Leute nicht leiden ich kann die seit dreizehn Jahren nicht leiden 46
(lauter lachend) und ich glaub das wird sich auch nie ändern 47 I: Ja 48 E: Un da hat . irgendwie als sie dann da war da hab ich dann erstmal gemerkt was 49
Muttergefühle sind so richtig un äh . was sie mir bedeutet was mein Sohn mir bedeutet 50 und mein Sohn also ähm . gut er is mein Sohn aber nich das wenn ich also jetzt wenn 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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mein Exfreund dann mal gesagt hat er hatte wieder seine Bronchitis oder hatte wieder 1 so nen Asthmaanfall un äh dann äh . jaa dat is ich nehm es zur Kenntnis (Paula 2 kreischt laut im Hintergrund beim Spielen) aber das is nicht direkt als würde ich mir 3 dann Sorgen machen oder so . das is einfach nich vorhanden 4
I: Ja 5 E: Dadurch dass der so früh wegkam 6 I: Hm 7 E: Find ich zwar auch schade aber . pf . is jetzt aber auch besser weil vorher wo ich ihn 8
immer gesehn hab (redet sehr schnell) dann hab ich ihn ne Zeitlang besucht dann gabs 9 wieder Ärger mit den Großeltern un dann bin ich wieder ne Zeitlang nich hingegangen 10 dann bin ich wieder zum Jugendamt gegangen hab dafür gesorgt dass ich ihn wieder 11 sehen kann und dieses Hin und Her dauernd das war für den absolut nich richtig un 12 irgendwann hab ich gesagt so dat hat keinen Sinn mehr 13
I: Ja 14 E: Un jetzt . trifft man n schon mal wenn er mit seinem Papa aufm Trödelmarkt verkauft 15
auf Trödelmärkten verkaufen die oft un äh mein Vater und ich also wir ham immer 16 mittwochs und sonntags Opatag und wenn sonntags irgendwo Trödelmarkt is also 17 dann kann man sicher sein da sind wir (lacht) 18
I: Ahso (lachend) 19 E: Und äh . ich liebe Trödelmärkte irgendwie so das hab ich von meinem Papa irgendwie 20
un dann treffen wir die halt schon mal *ne (ab * zu Paula) und dann geh ich dann 21 übern Trödelmarkt und du bleibst beim Papa und beim Kevin ne? . . Ne dann freust du 22 dich dann immer? (Ende) Un die kriegt dann zwar gar nichts vom Trödelmarkt mit 23 aber die sacht dann immer „Trödel gehen schööön!“ 24
I: (lachend) Ja! 25 (für ca. 1 Minute toben Frau Schmidt und Paula es gibt aber auch eine „Kebbelei“ weil Paula 26
mit dem Essen im Mund herumspielt „Du Lümmel … aber ein süßer Lümmel bist du“) 27 E: Ich find das dann immer so süß wenn sie dann abends im Bett manchmal so sagt „Ich 28
liiiebe dich!“ das find ich immer so herrlich! 29 I: Oh ja das sind schöne Momente ne? 30 (Frau Schmidt erzählt von dem Hund des Vaters dem Paula immer unterschiedliche Namen 31
gab dann kurzes Schweigen) 32 I: Können Sie sich denn noch erinnern oder ich weiß ja nicht fällt ihnen sonst noch was 33
ein so zur SPFH oder? 34 E: . . hm . joa . (murmelnd bis *) außer dass die weiterzuempfehlen is dass die immer für 35
einen da sind wenn man sie braucht* . . . . (Paula erzählt unverständlich vor sich hin E. 36 spricht sie an) was fällt uns noch zum Herrn Bauer ein hm? . . Dass du den gern 37 zickelst ne? 38
I: (lacht) 39 (Paula kreischt) 40 E: So also immer wenn der da is ich weiß nicht die is dann wie aufgedreht un dann 41
meinte der Herr Bauer also der Familienhelfer schon „Is die immer so so aufgedreht? 42 Boah das is ja grausam!“ das is so schlimm da is die immer sobald der kommt (Paula 43 tönt weiter vor sich hin) wie zum Beispiel sowat ne? .. Oder es wird die Tasche vom 44 Herrn Bauer ausgeräumt oder Handy weggenommen ne? . . aber der Herr Bauer is 45 dann immer ganz lieb ne der schimpft gar nich ne? … ne? 46
Paula zeigt lächelnd auf Frau Schmidt: duuu schimpft immer 47 E: (lachend) ich schimpf immer ? Ja wenn du Blödsinn machst schimpf ich auch 48 I: (lacht) 49 E: Wie gestern hab ich se vom Kindergarten abgeholt (Paula kreischt so laut dass Frau 50
Schmidt laut sagt „Paula Schluß“)und wir waren ohne Auto ach ohne Kinderwagen 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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unterwegs Mittwoch holt eigentlich mein Papa sie immer ab und dann morgens kann 1 se dann laufen un dann hat sie sich dann geweigert bis zur Bushaltestelle zu laufen hat 2 sich hinfallen lassen boah! Da hätt ich dich erschlagen können ne? (hohe Stimme zu 3 Paula) 4
I: Sowas is anstrengend ne? 5 E: Und dann durfte ich dich den ganzen Weg bis zur Bushaltestelle tragen ne? 6 (Paula sitzt auf dem Schoß fängt an ihre Mutter zu hauen) 7 E: Nee Paula so nich dann is der Spaß vorbei. Wehtun nich Schluß mit lustig ne? 8 (Paula jammert) 9 I: … Können sie sich denn noch erinnern so an das erste Mal als die Familienhelfer die 10
jetzt aktuell da sind oder der Familienhelfer als die das erste Mal kamen was war das 11 für ne Situation? 12
E: Also das erste Mal kamen die da war ich noch mit ihr im Krankenhaus. 13 I: Ahja. 14 E: Und äh . ja das war irgendwie schon komisch dann äh dass man äh da plötzlich so 15
irgendjemand fremdes da vor die Nase gesetzt gekriegt hat un äh . mit dem man dann 16 alles besprechen muss wat mir sowieso nich . leicht fällt ich mein jetzt fällt mir so was 17 schon leichter so Sachen erzählen oder so früher überhaupt nich un äh . und .. das war 18 irgendwie . seltsam. Also ich mein man hat sich dann wenn die dann wirklich immer 19 kamen da hat man sich die erste Zeit totaal unwohl gefühlt erst recht wenn man dann 20 mit sonem Familienhelfer dann über (lachend) Stillprobleme oder so reden muss 21
I: Ja 22 E: Also ich mein da hat ich dann auch teilweise Glück dat kam nur zwei drei Mal vor . 23
am Anfang kam dann halt nur die Frau 24 I: Achso 25 E: Un ähm . die hat sich dann . mit der konnte man über so was dann halt besser reden .. 26
seitdem das mit dem Stillen aufgehört is dann eigentlich immer nur noch er gekommen 27 weil die schon so Aufgabenteilung da auch machen un äh .. nja das war irgendwie . 28 sehr seltsam .. wenn man dann (lachend) mit ner total fremden Frau dann da über 29 Stillen oder so reden muss 30
I: Ja … ja 31 E: .. Man kommt sich schon komisch vor aber man gewöhnt sich schnell dran. Ich denk 32
mal dass es auch einfach an den Familienhelfern an den beiden lag dass man halt von 33 Anfang an mit denen so gut reden konnte . ähm . das ging dann eigentlich aber die 34 ersten Treffen waren schon schwierig 35
I: Ja 36 E: Wenn man dann nach (murmelnd unverständlich) das un das noch machen um das un 37
das auf die Reihe zu kriegen dann denkt man oäh wat mischen die sich eigentlich in 38 mein Leben ein so! (laut fast kreischend aber lachend) Un .. aber über die Gedanken is 39 man dann schnell rausgekommen weil man hat ich mein das dauert nich lang aber man 40 merkt dann halt die wollen einem nur helfen die wollen einem ja nichts Böses oder so . 41 un . auch wenn se mal schimpfen wenn wieder was nich geklappt hat (lachend) 42 obwohl jetzt sch geschimpft ham die eigentlich jetzt noch gar nich kann ich mich nich 43 dran erinnern 44
I: Ham sie keinen Grund zu gegeben scheinbar. (lacht) 45 E: Ja ja n allein wegen der Paula . weil die mir soviel bedeutet hat und auch jetzt noch 46
bedeutet und .. da gibt man sich einfach Mühe wenn man das auf die Reihe kriegen 47 will. Wenn das jetzt sagn wer mal irgendwelche Frauen sind die jetzt eigentlich die 48 Familienhilfe nich wollen oder so also dann stell ich mir das schon schwierig vor also . 49
I: Ja 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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E: Da so zu machen was die sagen oder irgendwelche Hilfe dann anzunehmen die man 1 eigentlich .. sagen wir mal die reden dann teilweise über Sachen die man eigentlich 2 lieber beiseite schieben will nicht drüber nachdenken will die bringen einen dann dazu 3 dass man sich dem stellt un das auf die Reihe kriegt na du bringst jetzt hier dein 4 Mettwürstchen an? Na du bist ja ein Krümel 5
I: (lachend) Bald haben wir hier den ganzen Abendbrottisch liegen oder Paula? 6 E: Ja ich weiß nich wo die das alles immer hinsteckt. So dünn aber die isst und isst (Paula 7
wird etwas zu essen aus einer Brottüte gegeben den Rest bringt sie nach Aufforderung 8 wieder in die Küche) 9
I: Toll! 10 E: Oder auch Mülleimer und so Sachen dat macht die total toll wenn man teilweise 11
irgendwo Müll hat dann sagt se „bring Mülleimer“ 12 I: Ja super! 13 E: Nur jetzt ham wir nen neuen Mülleimer mit sonem komischen Deckel den kriegt sie 14
nicht mehr alleine auf 15 I: Ah jaja 16 E: … (zu Paula) Ja hast du super gemacht! Aber das Brötchen mitessen ne! . Am liebsten 17
nur den Belag 18 I: Das kenn ich Paula. (lacht) 19 E: .. oder Brot isst se zum Beispiel gar nicht nur Toast und da muss aber auch die Kruste 20
ab die wird sonst auch nicht gegessen die ist relativ wählerisch 21 I: Ja 22 (kurze Unterbrechung weil Paula an den Computer möchte Frau Schmidt dies nicht erlaubt; 23
Paula trinkt etwas; klettert auf einen in der Ecke stehenden alten Fernsehen muss zur 24 Strafe auf den Schoss jammert darf wieder runter haut muss wieder auf den Schoß… 25 ca. bei 32:00) 26
I: Und an das erste HPG was sind da so ihre Erinnerungen? Was war das für ne 27 Situation? 28
E: Also das . war damals in Rundstadt das erste HPG . un . jaa … war schrecklich 29 irgendwie vorher voll nervös vor allem weil da auch von meinem Sohn . und meiner 30 Tochter natürlich auch die Großeltern dabei warn un mit denen zu reden dat is immer 31 ne Katastrophe und dann is das immer gleich noch viel schlimmer alles also das war . 32 der Horror 33
I: Ja 34 E: Un das war auch überhaupt nicht gut (mumelnd) so in Allendorf is das alles immer 35
ganz anders (kurze „Diskussion“ mit Paula die ein Armband von der Mutter möchte) 36 I: Aber das war jetzt das HPG für ihren Sohn? 37 E: Ja 38 I: Ja ne? Und das erste HPG hier für sie für die SPFH hier? 39 E: Hm ne also da war ich vorher also überhaupt gar nich nervös weil ähm .. weil ähm 40
weil ich halt mit der (undeutlich) vom Jugendamt zuständigen gut klar kam mit der 41 konnte man gut reden mit der von der Familienhilfe war auch. N-n bisschen nervös 42 war man schon weil man wusste nicht was kommt jetzt auf einen zu un so 43
I: Ja 44 E: Un äh . ja aber im Endeffekt muss ich sagen . war das eigentlich ganz gut da wurden 45
dann halt erstmal die ganzen Probleme angesprochen wie man die sozusagen wieder 46 in´n Griff kriegt un äh .. da macht man sich dann vorher mehr Gedanken (lachend) als 47 es dann wirklich is das is dann eigentlich immer gar nich so schlimm aber vorher is 48 man dann schon nervös 49
I: Hm 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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E: Obwohl nich so nervös wie in Rundstadt wenn da so´n bestimmtes Ehepaar is (nervös 1 lachend) .. da wars schlimmer .. so . ich mein die . die ersten HPGs die die waren auch 2 noch mit meinem Ex-Freund zusammen da war ich noch mit dem zusammen un da 3 war das immer mei-meistens so dass dann . einfach aus lauter Gewohnheit weil das 4 schon immer so war weil der immer so viel für mich erledigt hat weil ich immer 5 überall zu allem zu schüchtern war und . äh .. da ging das eigentlich immer dann so äh 6 ab dass ich dann meistens still dasaß und er (betont) immer die Schnute aufgemacht 7 hat 8
I: Ja 9 E: Un äh . dann . erstmal ging das noch ..ich fand dann das erste HPG etwas schwieriger 10
dann schon als ich dann nich mehr mit ihm zusammen war un das halt selber alles 11 machen musste (lachend) 12
I: Ja 13 E: Naja man war halt dreizehn Jahre fast zusammen und dann war man das einfach so 14
gewöhnt ich war schon immer schüchtern un er halt dann alles immer für mich erledigt 15 so un auch als wir zusammen gewohnt haben das hat sowieso alles immer er erledigt .. 16 da war das dann schon eher schwieriger das dann plötzlich alleine alles machen zu 17 müssen 18
I: Ja 19 E: Oder auch . sagen wir auch den Haushalt allein weil er war . sehr sehr lange arbeitslos 20
ich mein der hat nich sehr viel gearbeitet in den dreizehn Jahren in denen ich ihn 21 kenne und äh .. und da war er immer zuhause hat den Haushalt gemacht un ich bin 22 arbeiten gegangen und äh fiel mir dann auch am Anfang total schwer als ich dann 23 plötzlich alleine gewohnt hab und man hat dann keine Lust gehabt („unmotivierte“ 24 Stimme) und musste ja noch nebenbei arbeiten gehen un oach war immer die 25 Katastrophe .. sich erstmal da dran zu gewöhnen alles alleine machen zu müssen 26
I: Ja 27 E: Ich mein gut nich ganz alleine die Familienhilfe war ja immer da un man dann immer 28
alles besprochen und dann ham wir auch richtig Haushaltspläne aufgestellt wann man 29 am besten was zu tun hat un . man gewöhnt sich dann langsam dran .. Ich mein ich halt 30 mich nich immer da dran (lachend) 31
I: (lacht) 32 E: Also manchmal hab ich dann wirklich keine Lust aber dat holt man dann nach aber … 33
(murmelnd) ne die erste Zeit war schon etwas schwierig doch… Aber et ging 34 eigentlich .. dat is ja nich Rundstadt (lacht) .. ne da sind einfach so himmelweite 35 Unterschiede zwischen den zwei Jugendämtern ich weiß nicht vielleicht liegt das auch 36 nur an den Sachbearbeiterinnen die man da hat .. denk mal zum Teil schon wenn ich 37 denke also früher also mit der in Rundstadt da konnt ich eigentlich auch überhaupt 38 nich reden . un dann . mit der Familienhilfe mit der ham wir auch so ich weiß nich so 39 wie hat der Familienhelfer das noch immer genannt . hmm . irgendso´n komisches 40 Training gemacht .. (lachend) bescheuerte Sachen musste ich dann machen oder 41 irgendwiesowas ähm . halt was zum Selbstwertgefühl steigern und so und da ham wir 42 auch richtig so´n komischen ganz komischen Lebenslauf aufgestellt wo halt nur die 43 guten Zei äh Eigenschaften drinstanden weil der hatte mich mal gefragt ähm meinen 44 Ex-Freund auch ähm was wir denn . in uns selber an guten Eigenschaften sehen 45 würden. Ja un mir fiel da zum Beispiel überhaupt nichts ein mein Exfreund hat da wat 46 war das noch mal der hatte gesagt . geduldig hat äh fiel ihm dann so ein ja aber uns fiel 47 da nichts ein aber als wir an diesem Lebenslauf da gearbeitet haben fielen uns da 48 plötzlich so viele Sachen ein die man gern macht die man gut kann un so das hat man 49 vorher irgendwie gar nicht gesehen also 50
I: Ja 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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E: Das war auch lustig un dann hinterher dann in Rundstadt da konnt ich dann auf einmal 1 auch irgendwie mit der reden weil da wurds ja auch besser mit Fremden reden un so .. 2 un ja hat se dann auch gesagt „sie ham sich aber verändert!“ (imitiert lobende Stimme) 3
I: Ja 4 E: Un das .. verändert einen einfach so ne Familienhilfe also mir geht’s so viele die das 5
vielleicht nicht wollen geht’s vielleicht dann nich so die streiken dann wie damals wir 6 bei der alten Familienhelferin da . un machen dann gar nich mit aber wenn man das 7 will dann verändert einen das automatisch 8
I: Ja 9 E: … also seh ich so mir ging et so (lacht).. tja …hm . Langsam hab ich glaub ich jetzt 10
alles durch … joa ….wie zum Beispiel ne Zeitlang da ham die auch mir in soweit 11 geholfen was eigentlich gar nicht in ihrem Aufgabenbereich lag oder so normalerweise 12 hätten sie das gar nicht machen dürfen weil damals wo ich noch mit meinem Freund 13 zusammen war und der hatte als ich noch arbeiten gegangen bin und dann hat er die äh 14 . er wusste den PIN von meiner Kontokarte und er hat dann halt schonma als er noch 15 spielsüchtig war ich mein er is es ja immer noch aber er is seit er die Therapie gemacht 16 hat nich mehr spielen gegangen oder so aber da hat der dann teilweise einfach meine 17 Karte genommen ohne dass ich das gemerkt hab hat dann Geld abgehoben dass ich 18 nichts mehr hatte un so und da haben die dann richtig auf meine Kontokarte aufgepasst 19 die ham äh haben wir auch extra ein Schreiben aufgesetzt un äh .. dass die die halt in 20 Verwahrung nehmen die sind dann einmal mit mir äh in der Woche mit der Karte halt 21 gekommen un dann ham wir halt für die Woche halt das Geld abgehoben und das fand 22 ich auch gut ich verplemper manchmal ein bisschen viel (lacht verlegen) 23
I: Ja (lacht) 24 E: Un äh das war dann noch n guter Aspekt dabei und äh bis er dann halt in die Therapie 25
gegangen ist so die da ham die halt für mich so gut auf meine Karte aufgepasst ich hab 26 dann hinterher zwar auch ne andere Karte beantragt mit nem andern PIN so dass er 27 dann nicht mehr dran konnte ich mein da warn wir dann auch nicht mehr zusammen 28 und da war das dann nicht mehr nötig aber äh das war auch ne supergroße Hilfe von 29 denen und die waren dazu ja nicht verpflichtet eigentlich hätten die das gar nicht 30 machen sollen ich mein die vom Jugendamt hat auch gesagt das ist ok so wenn ihr dat 31 macht aber eigentlich war das nicht der Aufgabenbereich und . da merkt man die 32 engagieren sich richtig für die Leute 33
I: Ja 34 E: die se betreuen und äh .. deswegen also zum Beispiel öfters is dass die da 35
irgendwelche Termine haben oder plötzlich irgendwelche Notfälle oder so wie gesagt 36 die sind immer für einen da man kann sie immer anrufen und da kommt das schon mal 37 vor dass die dann mal ne Stunde zu spät kommen oder so zu Termine oder so . ich 38 weiß warum und .. ich bin dann auch wenn ich am Anfang mal viel so Probleme hatte 39 oder so mit irgendwas mal nich weiter wusste oder so weil im Grunde genommen was 40 ich hier un so das is ja im Grunde genommen das erste Kind also das war ja alles ganz 41 neu un . da kam das auch schon mal vor und da war ich auch immer so froh dass die 42 dann da waren wenn ich sie gebraucht habe und andere Termine abgesagt hatten und 43 so deswegen störts mich jetzt auch nicht zum Beispiel da sagen sie auch selber 44 manchmal „ja macht ihnen das denn nichts aus oder so wenn wir so oft zu spät 45 kommen?“ ich mein das ist selten dass sie pünktlich kommen un äh da kann ich immer 46 nur sagen mich stört das nicht weil ich das verstehen kann wenn Leute Hilfe brauchen 47 dass die da sind ich hab damals am Anfang auch oft Hilfe von denen gebraucht hab sie 48 angerufen und sie haben Termine abgesagt un .. deswegen seh ich dann nicht ein dass 49 ich denen dann sage sie verschieben jetzt die rufen dann allerdings immer an und 50 fragen halt nach ob das so ok ist und meistens sag ich dann auch das ist ok weil .. ich 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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hab damals Hilfe von ihnen gekriegt und dann wenn andre die Hilfe brauchen warum 1 nich? Also 2
I: Ja 3 E: Das klar manchmal stört das dann schon wenn man . dann mal noch irgendwie dann 4
einkaufen will und man sitzt dann da und wartet 5 I: Ja 6 E: Das stört schon aber .. das is verständlich und nachvollziehbar und deswegen . is das 7
auch ok 8 I: Ja … können sie sich noch an eine Situation erinnern wo sie damals dann so am 9
Anfang äh in so ´ner Situation waren dass sie gesagt haben ich muss jetzt mal anrufen 10 ich brauch jetzt wirklich Hilfe? Was waren das für Situationen wo sie die dann so 11 eingefordert haben? 12
E: Ja äh .. das war . zum Beispiel hatte die Paula plötzlich über vierzig Fieber un äh ich 13 wusste nich warum un das war auch schon spät abends also acht Uhr bestimmt un da 14 sind die normal ja nicht mehr im Dienst so un äh da wusste ich jetzt auch nich was soll 15 ich jetzt machen so da hab ich dann direkt da angerufen .. meinten dann auch direkt ja 16 wir kommen dann gleich fahren dann eben zum Notdienst also is ja Rundstädter 17 Krankenhaus und dann gucken wir mal nach lassen wir sie direkt untersuchen ich mein 18 er is zwar Kinderkrankenpfleger aber halt kein Arzt ne? 19
I: Ja 20 E: Und dann is es doch besser ich mein er selber auch im Kinder äh klinik da in 21
Rundstadt gearbeitet . so die erste Zeit als er bei mir äh Familienhelfer war hat der 22 auch teilweise also noch teilzeit hatte der halt nur Familienhelfer gemacht und 23 teilweise halt im Krankenhaus . un-n der is dann wirklich dann halt hm gut der hat 24 damals in Reichshof noch gewohnt hat der dann halt ne halbe Stunde vielleicht 25 zwanzig Minuten hat der dann bis hierhin gebraucht dann sind wir dann noch wirklich 26 dann noch ins Krankenhaus gefahren und haben sie dann halt untersuchen lassen. Und 27 das war halt nur so´n kleiner Infekt also 28
I: Ja 29 E: war nichts Schlimmes aber . die war´n halt trotzdem (betont) für einen da 30 I: Ja 31 E: .. weil . die meinten auch dann lieber mal umsonst ins Krankenhaus fahrn oder so als 32
bevor man dann weil man denkt es is nichts schlimmes man fährt nich und dann is 33 doch irgendwas schlimmes 34
I: Ja natürlich ja. 35 E: Un vierzig Fieber is ja nu nich grad wenig 36 I: Ja 37 E: . . . un . das sind dann so Sachen weswegen man das Zuspätkommen dann auch 38
entschuldigt dann 39 I: Ja 40 („Wickelpause“) 41 I: Wie is das denn gabs mal ´ne Situation wo Sie so gedacht hätten oah hätt ich jetzt 42
keine SPFH gehabt keinen Familienhelfer dann wär´s aber echt schwierig gewesen? 43 Gab´s so Situationen mal? 44
E: Mmh . joa also doch auf jeden Fall wo zum Beispiel . äh . ja also jetzt mit der mit den 45 ganzen Schulden und so un irgendwann . wär man da gar nich mehr rausjekommen .. 46 wärn ja dann immer mehr Zinsen und Zinsen drufjekommen wär das immer nur mehr 47 geworden (Aufnahmegerät rauscht einige Worte nicht zu verstehen) das hab ich ja 48 jahrelang immer so vernachlässigt 49
I: Ja 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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E: Weil .. un . ansonsten . joa .. halt .. ja als die auf meine Kontokarte aufgepasst haben 1 also . hätten sie das nich gemacht also ich weiß es nich wie das dann gewesen wär 2 dann wär wahrscheinlich weiter immer das Geld vom Konto verschwunden *ne? 3 (von* bis * zu Paula) dann hätten wir dauernd kein Geld jehabt um was zu Essen zu 4 kaufen ne?* ..Un das wär dann nämlich auch . sehr in die Hose gegangen. 5
I: Ja 6 E: Ne das war schon ne ziemlich wichtige Sache. . Ohne Essen geht ja nix ne? Ich mein 7
in der Zeit hat ich noch gestillt aber wenn ich nich richtig gegessen hätte hätte sie uch 8 wieder nix gehabt also 9
I: Ja klar. 10 E: .. ne das Stillen so . das ham wir mit eindreiviertel Jahr glaub ich mal aufgehört dann 11 I: Achso ja! 12 E: Ja hinterher waren dann immer nur noch die Einschlafmahlzeiten weil die is dann 13
wirklich nur an der Brust eingeschlafen also anders is die gar ich eingeschlafen 14 I: Ja 15 E: Ja ne Zeitlang vorm Mittagschlag auch aber das hat ich ihr dann abgewöhnt aber das 16
war dann die Katastrophe schlechthin un dann . hab ich ziemlich lang gezögert das 17 dann abends auch noch abzusetzen weil ähm . dieses Theater wollt ich mir dann nich 18 noch mal so antun aber dann dacht ich mir nä jetzt muss et sein. Was bringst du denn 19 noch alles? (zu Paula die eine Wurstpackung gebracht hat) 20
I: Ich glaub es wird langsam Abendbrotzeit bei dir oder is wahrscheinlich schon längst 21 ne Paula? Und ich sitz hier immer noch. 22
E: Ach ne Essenszeit is bei der den ganzen Tag 23 I: (lacht) Hast du immer Hunger? 24 (Paula bekommt eine Scheibe Wurst bringt den Rest in den Kühlschrank zurück) 25 E: ….. ja .. hm …. Was fällt mir sonst noch ein? (murmelnd) .. es gibt bestimmt noch 26
mehr dazu zu sagen. … ja wie zum Beispiel am Anfang (lacht) mit dem Baden die hat 27 also . beim Baden nur gebrüllt und ich wusste nicht wie ich das in den Griff kriegen 28 sollte also das war wirklich schlimm also da hab ich immer gescheut sie zu baden weil 29 die nur gebrüllt hat also da war sie wirklich auch noch ´n ganz kleiner Säugling 30
I: Ja 31 E: Un dann is mal die Familienhelferin (betont) gekommen . un äh ja . mit deren Hilfe 32
das hat dann so schnell also innerhalb von einer Woche hat das dann plötzlich 33 funktioniert dass ich sie baden konnte ohne dass sie schreit also ich denk mal ich wär 34 da dran verzweifelt also 35
I: Ja 36 E: Weil ich selber auch wasserscheu bin also Wasser in die Augen das ist für mich die 37
Katastrophe (lachend) 38 I: (lachend) ja 39 E: Tauchen im Schwimmunterricht hab ich mich immer geweigert ich hab dannzwar 40
immer nur sechsen gekriegt aber die ham mich nicht dazu gekriegt (schnell aufgeregt 41 stolz?) 42
I: (lacht) ja 43 E: Un äh . dat war immer .. Wasser in die Augen is für mich ´n rotes Tuch un äh da dacht 44
ich halt oah is is das halt irgendwie vererbbar oder so un ich hab das dann für relativ 45 normal angesehen dass die beim Baden halt auch immer brüllte wie ich als Kind 46 immer 47
I: Ja 48 E: Und äh ja da ham die mich ganz schnell eines bessern belehrt. Ne? Die Frau Geetsch. 49
(zu Paula) 50 I: Und dann hats geklappt? 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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E: Jaa 1 I: Ja toll! 2 E: Das war dann innerhalb von einer Woche hörte das dann auf 3 I: Ja ….. und gabs denn andersrum ne Situation die dadurch schwierig war sozusagen 4
dass die SPFH da war? 5 E: Mmmh. 6 I: Erinnern Sie sich an so was auch? 7 E: Joaah doch also zum Beispiel .. so .. ja gute Bekannte ja inzwischen sind´s eigentlich 8
mehr Freunde so im Park die treffen wir eigentlich relativ regelmäßig un gut die 9 trinken da ihre Bierchen un so un äh manche nehmen von denen Drogen aber nich 10 wenn wir da sind also allein schon wegen der Paula machen die das nich also ich trink 11 nich mal Alkohol also . un äh die waren dann ähm so eigentlich mehr oder weniger 12 immer dann dafür äh .. wir sollten da nich mehr hingehen un das is kein Umgang für 13 die Paula obwohl wenn wir da sind dann äh dann nehmen die sich alle sehr zurück also 14 die sind also die Paula die freut sich auch jedes Mal wenn wir bei schönem Wetter 15 immer in den Park gehen und sie die Leute trifft 16
I: Ja 17 E: Also . das is für sie das A und O sobald die Sonne scheint dann heißt es „Park gehen“ 18 I: (lacht) 19 E: Un da war halt da waren halt die Familienhelfer mehr dafür dass ich das ähm aufhöre 20
oder so dass wir da am besten nich mehr hingehn aber da .. das fand ich dann schon 21 nich schön weil das einfach Freunde sind und nur weil die dann mal zwei drei 22 Bierchen trinken oder manche von denen Drogen nehmen aber nich wenn wir da sind 23 also äh deswegen sag ich nich also das sind nich aäh deswegen lass ich die sagen wir 24 mal fallen das sind meine Freunde un das bleiben die auch 25
I: Ja 26 E: Weil mein Freund war auch ne Zeitlang Alkoholiker un daher kenn ich die dann auch 27
teilweise un .. da sind auch einige Alkoholiker drunter also (murmelnd) . da is dann 28 nich äh für mich ´ne Situation wo ich dann sage dass sind dann schlechtere Menschen 29 oder 30
I: Ja 31 E: Ich wir kommen mit denen super klar un . da hab ich mich auch nich beirren lassen 32
also ich fand das zwar dann irgendwie schade dass gesagt wurde dann äh das soll ich 33 sein lassen oder so aber hinterher hm so nach dem Motto ja die haben ´nen schlechten 34 Einfluss auf die Paula oder so und das is überhaupt nich so also die passen dann 35 teilweise äh . pingeliger auf die Paula auf als ich selber also äh teilweise sagen sie 36 dann direkt schon ähm „Paula lass das“ bevor ich dann überhaupt irgendwie wenn ich 37 mich am unterhalten bin oder so dann äh mitgekriegt hab dass sie wieder was 38 angestellt hat also die passen da echt so super (betont) auf die auf 39
I: Ja 40 E: also auch . ziemlich am Anfang wo sie noch so bei Fremden so super schüchtern war 41
un dann ging die also mit denen ging die dann alleine also jedenfalls mit einem 42 Pärchen un dann lass ich die auch alleine zum Spielplatz gehen 43
I: Ja 44 E: Mit den andern dann teilweise wieder nich je nach dem wer´s is ja gut meine 45
Schwester is da auch bei un die is eigentlich meine beste Freundin un . tja mit der auch 46 un äh .. dat hab ich mir auch nich nehmen lassen also 47
I: Ja 48 E: Da hab ich mir dann da war das glaub ich das erste Mal dass ich mich bei den 49
Familienhelfern durchgesetzt hab dass ich meinen (betont) Willen mal durchgesetzt 50
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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hab weil das seh ich nich ein . nur weil die ma viel Alkohol trinken oder so daraus 1 dann schlechtere Menschen machen zu lassen 2
I: Hm 3 E: Also das sind die nich und 4 (kurz spielen wir beide mit Paula am Tisch die Playmobil gebracht hatte) 5 I: Und war das dann ähm mit den Familienhelfern so richtig was was Sie ausdiskutieren 6
mussten oder wie war das dann so die Situation mit denen als es dann darum ging dass 7 sie dann mal nicht einer Meinung waren? 8
E: Joa also . direkt ausdiskutieren mussten wir eigentlich nich ich hab halt so gesagt wie 9 ich das sehe und dann meinten so „gut dann müssen wir mal sehen wie das so mit der 10 Zeit dann wird“ un äh .. da sie halt keinen schlechten Einfluss auf die Paula haben also 11 das bestreite ich zu hundert Prozent also eher im Guten un . obwohl die dann schon 12 genau weiß bei wem sie dann hingehn wenn sie dann das oder das machen will wo bei 13 wem sie dann immer auf den Knien schaukeln kann mit wem sie zum Spielplatz gehen 14 kann und schaukeln also die weiß dann ganz genau wie sie ihren Willen durchsetzen 15 kann 16
I: Das ham die ganz schnell raus ne? 17 E: Das ist vielleicht das einzige was dann nachteilig ist aber ansonsten .. ne Mausi? 18 I: Ich glaub so langsam müssen wir auch mal Schluss machen. Ich glaub du bist auch 19
bald echt müde ne Paula oder? .. Eine das ist vielleicht ne schöne abschließende Frage: 20 was is so ne Sache wo Sie sich dran erinnern was ne besonders schöne ´n schönes 21 Erlebnis mit dem Familienhelfer oder der Familienhelferin was Sie so als Erinnerung 22 haben? 23
E: Hm joah . ja dass man halt hm zweimal insgesamt dann auch mal jetzt nich was 24 irgendwie mit der Familienhilfe zu tun hatte oder so das man einfach in´n Wildpark 25 gefahren is da Rehe gefüttert hat und Schweinchen gefüttert hat was ja eigentlich gar 26 nich dazu gehört aber man macht das weil das schön is oder so *ne? Und da hat der 27 Herr Bauer dann ganz viele Brötchen gehabt ne? Hat die immer kleingemacht* (* bis* 28 kindliche Stimme zu Paula) Und das fand ich da immer so toll die hat dann absolut 29 also vor Tieren hat die kein . Scheu kein nix also die will jedes Tier streicheln hat dann 30 den Schweinen den Wildschweinen den Rehen un so den Hirschen ´n paar Widder 31 waren da glaub ich auch hat sie alle so das Brötchen auf de Hand gegeben kein 32 bisschen Scheu gehabt 33
I: Ja! 34 E: (zu Paula) War ganz toll mit dem Herrn Bauer ne da im Wildpark? 35 C: Ja 36 I: Ja? Toll! 37 E: (zu Paula) Un das eine Mal von den beiden Malen war sogar die Jana mit ne die kleine 38
Tochter von dem ne? 39 I: Aha … ja schön. 40 C: Schön immer 41 E: Is das immer schön wenn die Jana hier is? Ja aber die kommt ja ganz selten nur noch 42
weil immer der Herr Bauer kommt ne? .. Un die Jana geht ja auch in´n Kindergarten 43 ne? 44
C: weg isse andern Kindergarten 45 I: Achso. 46 E: (zu mir) Ja als wir uns den Kindergarten angeguckt ham da war die Tochter von dem 47
Familienhelfer war da noch da in der Gruppe 48 I: Ja 49 E: Un da hatte sie sich schon gefreut auf den Kindergarten und dann kam sie in den 50
Kindergarten un dann war sie schon wieder weg in ´nem andern Kindergarten 51
Das transkribierte Interview mit Frau Schmidt
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I: Achso ja ja .. na aber jetzt hast du bestimmt schon andere Freundinnen da gefunden 1 ne? ….. ja super .. vielleicht könn sie ja so am Ende so dass ich so´n paar Daten von 2 Ihnen in Anführungsstrichen habe noch dass ich weiß wie alt die Paula ist wie alt Sie 3
E: Ja also ich bin 31 die Paula is zweieinhalb ne? .. Zeig mal wie alt du bist (zu Paula) 4 (alle zeigen mit Fingern wie alt sie sind Paula findet es toll dass ich so alt bin wie die 5 Schwester ihrer Mutter) 6 I: Sind Sie jetzt ne waren Sie verheiratet? 7 E: Neee 8 I: Das war einfach Ihr Freund 9 E: Ja genau 10 I: Und jetzt ist es ihr Exfreund (lacht verlegen) 11 E: Joa 12 I: Und haben Sie im Moment leben Sie in´ner Partnerschaft? 13 E: Nee möchte ich auch gar nich ich mein das is noch nich so (betont) lange her dass wir 14
uns getrennt haben aber ähm im Moment hab ich die Schnute voll lieber so alleine da 15 kann man machen und tun was man will (einige Worte unverständlich weil Paula 16 genau vor dem Aufnahmegerät kreischt) un das is eigentlich mal ganz angenehm mal 17 so nach dreizehn Jahren Beziehung 18
I: Ja . Genießen Sie das grade. 19 E: Joa . auf jeden Fall 20 I: Ja .. super okay … jetzt ich bestimmt würden mir noch tausend Fragen einfallen aber 21
ich glaube wir machen mal hm mal Ende . Wenn ich jetzt ich bin ja jetzt jemand der 22 weiß was SPFH is wenn ich jetzt jemand wäre der das gar nicht wüsste wie würden 23 Sie das jemandem erklären? Was is ne SPFH? 24
E: Hm ja also .. ich würd das dann so erklären dass man . wenn man zum Beispiel äh ja 25 irgendwelche Probleme hat oder sein Leben nich so im Griff hat un man hat ´n Kind 26 un . sind halt einfach Probleme da .. dass das halt ´ne Anlaufstelle is .. damit einem 27 geholfen wird damit man sein Leben wieder in´n Griff kriegt .. un äh . damit man dann 28 mit dem Ziel halt dass man dann alleine halt wieder richtig klarkommt 29
I: Ja 30
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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Das transkribierte Interview
mit Ehepaar Müller
M: Frau Müller
V: Herr Müller
I: Interviewerin Tabea Brand
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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I: So es läuft ... genau vielleicht kannst du einfach mal das so erzählen was du an 1 Erfahrungen mit dieser Sozialpädagogischen Familienhilfe hast. Auch wenn dieser 2 Titel dir ja nich so ganz geläufig war glaub ich ne? 3
M: Ja genau 4 I: Kannst ja vielleicht einfach da anfangen warum das überhaupt dazu gekommen ist und 5
dann wirklich alles was dir wichtig erscheint was dir wichtig ist. 6 M: Ja also dazu gekommen ist es weil ähm ich nachdem ich halt ähm mit Depressionen 7
im Krankenhaus war und nach der Entlassung mir Gedanken gemacht habe natürlich 8 mit meinem Mann wie es zuhause weitergehen kann welche Hilfen es gibt und ähm .. 9 eigentlich bin ich über Freunde da drauf gestoßen dass es vom Jugendamt ein Angebot 10 gibt halt diese Sozialpädagogische Familienhilfe . ohne aber jetzt genau zu wissen was 11 da jetzt genau hintersteckt un is die Hilfe das Richtige für uns jetzt .. und … ja .. so 12 kam es dazu dass wir uns halt ähm . da informiert haben und .. und die Hilfe . beim 13 Jugendamt beantragt haben. … Un … also …. Ich hab vom Krankenhaus aus schon 14 das beantragt beziehungsweise im Krankenhaus is halt ´ne Sozialarbeiterin die das 15 alles so (räuspert sich) in die Hände äh genommen hat und sich beim Jugendamt 16 informiert hat .. ähm und dann ein erstes Gespräch mit der Sozialarbeiterin da 17 vereinbart hat .. un ich weiß noch dass das dann für dringend also dass der Antrag halt 18 so gemacht wurde dass ich dann nich sehr lange warten muss bis die Hilfe dann 19 zustande kommt sondern dass das halt irgendwie dringend oder eilig gemacht wurde .. 20 und .. also dass is für mich jetzt schon das ich hab eben mal in meinen Unterlagen 21 geguckt das muss irgendwann 2004 also ich bin im Februar März 2004 entlassen 22 worden nach zehn Wochen Krankenhaus und .. ja dann . muss das dann irgendwann 23 gewesen sein ich hab ja leider keine Unterlagen mehr vom Jugendamt die ham wir 24 auch nich gefunden . ich weiß es wirklich nich genau also ich hab eben gedacht das 25 Ganze hat vielleicht insgesamt ´n halbes Jahr gedauert diese Hilfe ähm wobei das ja 26 nich regelmäßig war .. aber Daniel meinte dass wär viel weniger gewesen ich kann´s 27 nich genau sagen 28
I: Hm 29 M: Ähm und .. die Hilfe an sich jetzt .. war für mich nich so positiv gewesen . weil . ich 30
hatte mir erhofft also ich ähm hab halt durch die Erkrankung auch so sehr mit Struktur 31 also damit zu tun gehabt dass ich einfach ´ne Struktur im Alltag brauchte . und ´ne 32 Hilfe auch ähm . ja bei der Kindererziehung oder ich glaube vordergründig ging es 33 wirklich . um die Tagestruktur so . Und ähm auch was biet ich den Kindern an 34 Freizeitaktivitäten oder so an was kann ich (betont) mit den Kindern machen oder wo 35 kann ich wo kann ich mich selber auch entlasten und so. Hm ja ich weiß noch dass wir 36 mit der ähm .. mit dieser weiß ich nich ob das Bezirksleiterin hieß oder was zumindest 37 die so übergeordnet war zuständig war mit der ham wir uns unterhalten da war mein 38 Mann auch dabei gewesen und das war ein sehr positives Gespräch ich wurde dann ich 39 glaube da wurde auch so´n ähm Plan erstellt so´n . wie heißt das noch mal? 40
I: Hilfeplan? 41 M: Ja so was so´n Hilfeplan erstellt hm nach dem man auch nach ´ner gewissen Zeit 42
gucken sollte ob die Ziele erreicht wurden oder so ich weiß noch dass sie auch zu dem 43 damaligen Zeitpunkt gesagt hat wir setzen uns dann und dann also nach zwei Monaten 44 oder so noch mal zusammen und gucken mal aber das hatte schon nich so gut geklappt 45 also die . Rückkopplung mit der Frau die dann für uns zuständig war für unsre Familie 46 mit der bin ich halt gar nicht so gut zurecht gekommen weil ich mit der ähm eigentlich 47 nie so die Ziele erarbeitet hab. Also das war halt so gewesen dass ähm .. ich hab ja 48 auch in der gleichen Zeit noch begleitend auch so ´ne Therapie gemacht also mit ´nem 49 ambulanten Psychotherapeuten un hab mit ihm dann auch so erarbeitet so 50 Tagesstrukturen zu haben und so und sie hat dann halt öfter so gesagt ja .. dass sie nich 51
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so den Sinn drin sieht dass das ja hm weiß ich nich Quatsch is oder so und ähm hat 1 konnte mich da auch nich so unterstützen und dann bin ich mal spazieren gegangen 2 mit ihr . aber .. was mir auch ähm ziemlichen Druck gemacht hat ist dass die halt so 3 hierher gekommen is und gefragt hat „so was machen wir denn heute?“ un ich hatte so 4 die Hoffnung gehabt ähm .. dass ich das schon mit ihr erarbeiten kann also dass sie 5 jetzt nich so zu mir sagt „So Frau Müller das un das un das!“ ähm . glaub ich das wär 6 auch nich der richtige Weg gewesen aber dass wir vielleicht zusammen hätten 7 erarbeiten können . was wir in den also ich hatte halt zweimal drei Stunden die Woche 8 da äh vom Jugendamt zugebilligt gekriegt un das wir dann irgendwie so hätten planen 9 können was da auf dem Programm steht aber sie hat halt sie kam immer so in unsre 10 Familie rein . und mit den Zeiten das war auch nich gut geregelt gewesen also die hat 11 das immer so ähm gemacht wie´s grade für sie in den Kram passte un war dann nach 12 zwei Stunden wieder weg oder so also . ich konnte mich gar nich so richtig drauf 13 einstellen wie lange un wann sie jetzt da is .. un ja als sie dann da war dann hat sie 14 dann so gefragt „So was machen wir jetzt?“ un das für mich ´n totaler Druck weil ich 15 immer den Druck hatte ich muss mir vorher überlegen was ich jetzt mit der Frau 16 anstellen kann 17
I: Hm 18 M: Und das war jetzt nich so die Hilfe die ich mir erhofft habe ähm . dass ich mit ihr 19
einfach so ´ne Struktur einübe. Ich weiß dass wir das dass ich das mal bei ihr 20 angesprochen hab aber da kam halt auch nich so die Reaktion sie hatte mir halt einmal 21 gesagt dass sie eigentlich auf dem Gebiet ähm mit psychisch kranken Menschen zu 22 arbeiten gar keine Erfahrungen hat und . mit Depressionen halt auch nich un dass sie 23 eher so auf Alkohol- oder Drogenabhängige ähm . spezialisiert is. Joah (atmet 24 seufzend aus) .. also . ich hab das dann halt auch in meiner Therapie immer wieder 25 angesprochen . und .. irgendwann hat mein Therapeut mich halt dazu ermutigt dass ich 26 einfach ´n Brief schreiben soll und ´n Schlussstrich drunter ziehen soll . ähm .. um 27 dann da aufzuhören und eben hat Daniel noch zu mir gesagt dass wir zwischendurch 28 noch ´n Gespräch hatten mit der Frau . da hab ich den Namen leider vergessen mit der 29 übergeordneten Frau 30
I: Die war dann vom Jugendamt oder? 31 M: Ja die war ich weiß auch nicht wie die war ich weiß nich wie sich das nennt Leiterin 32
oder Bezirksleiterin die war also praktisch dafür zuständig dass die . ähm ja sind das 33 Sozialarbeiter oder was dass die halt in den Familien eingesetzt sind 34
I: Ja 35 M: Und ähm sie hat dann auch so gesagt dass wenn es Probleme gibt könnte man mit ihr 36
sprechen und dann hatten wir wohl noch einmal ´n Gespräch gehabt mit ihr . ach ich 37 weiß nicht hatten wir noch mal ´n Abschlussgespräch oder? (wendet sich mit der Frage 38 an ihren Mann) 39
V: Das auch 40 M: Das auch 41 V: Wir hatten ein Gespräch du hast sie mal gefragt ob da was zu ändern is mit der Person 42
die da eingesetzt ist 43 I: Hm 44 V: Ne? 45 M: Ich weiß es nicht mehr Daniel. 46 V: Ja da kam auf jeden Fall raus dass das nich geht ich weiß nicht ob du das telefonisch 47
gemacht hast und dann sind wir zum Abschlussgespräch eingeladen worden mit 48 beiden vom Jugendamt und äh wir halt und da war´n wir eigentlich ganz wo für dich 49 auch die Aufgabe war vom Herrn Adler dem Therapeuten her da auch mal klar zu 50 sagen dass das so nicht weitergeht und da warst du ganz froh dass wir dieses 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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Abschlussgespräch dann hatten wo nur die die Leiterin ich weiß nich mehr wie die 1 Beziehung war wo nur die Frau die im Jugendamt war die nich hier zuhause war 2
I: Hm 3 V: anwesend war die andere kam eigentlich nur zum Aufwiedersehn-sagen die kam zu 4
spät oder wie auch immer das war dir da ganz lieb da nich in dem Moment sagen zu 5 müssen „Es funktioniert so nich zwischen uns und so wie es is isses nich gut“ Da 6 hatten wir auch einfach Schwierigkeiten mit zu dem Zeitpunkt einfach aufgrund deiner 7 Erkrankung 8
M: Hm 9 V: Da war´n wir im Jugendamt das waren vielleicht zehn Minuten Gespräch vielleicht 10
wenn überhaupt 11 M: Hm 12 V: Von der Länge her 13 I: Hm 14 V: Wo dann halt gesagt jemand anders hätten wir vielleicht noch mal versucht aber so 15
geht’s halt nicht. 16 I: Hm 17 M: Und was mir jetzt grad noch einfällt is halt im Bezug auf die Kinder ja hat ich auch so 18
einfach die Hoffnung gehabt dass sie mir einfach Tipps geben kann wie ich mit den 19 Kindern umgehen kann weil sie . zum Teil auch auffällig waren und ich weiß dass mir 20 das totalen Stress gemacht hat so die Auffälligkeiten der Kinder irgendwie so 21 herabzuspielen oder zu vertuschen jetzt in der Gegenwart wo sie da war und ähm sie is 22 da auch nich so drauf eingegangen also ich hatte mir erhofft dass sie mir zeigen kann 23 wie geh ich jetzt damit um was kann ich mit den Kindern jetzt machen was hm . ja 24 dass sie auch damit umgehen können dass es mir nich so gut geht oder so 25
I: Hmhm 26 M: Und sie hatte dann einfach so den Tipp ich mein den hatten wir auch von der Leiterin 27
gehabt dass wir vielleicht mal überlegen sollten ob die Kinder in ´ne Betreuung also 28 jetzt Schulbetreuung beziehungsweise Kindergarten-Ganztagsbetreuung war das dann 29 glaub ich noch zu dem Zeitpunkt gehen sollten was ich (betont) mir oder wir uns auch 30 nich so richtig vorstellen konnten un dann war halt noch der Vorschlag gewesen ja ich 31 sollte doch sehen dass die Kinder in möglichst vielen Vereinen also jetzt sportmäßig 32 oder was weiß ich ähm Mitglied sein könnten damit sie auch gefördert werden können 33 und das hat mir wiederum totalen Stress gemacht weil ich das Gefühl hatte ja ich bin 34 keine gute Mutter weil ich ich hatte einfach nicht die Kraft die Kinder jetzt von . in 35 alle möglichen Vereine zu stecken 36
I: Hm 37 M: Weil das ja auch wieder Aufwand is also die Kinder dahin zubringen und abzuholen 38
und so ….. ja und dann ähm hat die Frau mir halt so bei der Hausarbeit zugeguckt als 39 sie da war .. und irgendwie ich weiß noch einmal da hat die Johanna in ihrem Zimmer 40 gespielt also unsre Tochter und ähm hm .. ich hab . irgendwie nich so richtig mit ihr 41 spielen können un dann hat die Frau Adler das Bügelbrett angeschleppt und ich sollte 42 dann halt im Kinderzimmer bügeln un irgendwie war ich da total sauer drüber weil ich 43 das überhaupt nicht wollte (gedrückt lachend) 44
I: Und . was war der Sinn da jetzt drin? 45 M: Jaa weiß ich nicht dass ich das verbinden soll auf die Kinder aufpassen und Hausarbeit 46
oder so .. aber das waren so . komische Aktionen also ohne dass man sich vielleicht 47 gemeinsam Gedanken macht wie könn wir den Alltag gestalten oder so. .. Ja und dass 48 sie halt so gegen diesen Tagesplan den ich ja im Krankenhaus schon erarbeitet hatte 49 und dann mit meinem Therapeuten so weitererarbeitet hab dass sie so ganz dagegen 50 war und so irgendwie das hing das konnte das nicht gut gehen weil sie so dagegen 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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gearbeitet hat und ich hab auch nich ähm .. ich hab auch nich gemerkt dass wir so 1 diesen Hilfeplan ähm .. dass wir uns danach gerichtet haben oder ich mein könnte jetzt 2 aus´m Kopf auch gar nich mehr sagen was die Ziele gewesen sind in diesem 3 Hilfeplangespräch … 4
V: Also .. wenn ich da einhaken darf .. ich glaube es ging stark auseinander. Mit der . 5 Frau im Jugendamt mit der Leiterin hatten wir ´ne sehr gute Wellenlänge weil ich so 6 den Eindruck hatte genau Ziele zu definieren und zu sagen wir möchten strukturierten 7 Tagesablauf sehen dass das familiäre klappt und eben diese Hilfe zu haben die 8 Wellenlänge war da und mit der .. Frau A. die dann bei uns entsprechend war eh die 9 hat das überhaupt nich umgesetzt. Und ich glaube da ging das für mich auseinander 10 dass . dass Hilfe dieser Hilfeplan da war aber nich ungesetzt wurde 11
I: Hm 12 V: Ich glaub das war der Punkt un dass wir aber auch keine Wellenlänge hatten und zu 13
dem Zeitpunkt auch keine Kraft hatten zu sagen „Das funktioniert hier nich!“ Das was 14 wir erarbeitet haben und wir ham ja auch gefragt ob nich die Frau aus´m Jugendamt 15 das machen kann weil da war die Wellenlänge da da war die Richtung da ich glaube 16 die Schwierigkeit war da dass zwei Personen da war´n dass die eine den Plan 17 erarbeitet hat das mit der Kollegin besprochen hat die´s aber nicht umgesetzt hat und 18 auch keine Wellenlänge da war das zu tun und immer für meinen Geschmack mit dem 19 Anspruch gekommen is ähm „Was wollen Sie denn?“ 20
I: Hm 21 V: So und nich gesagt hat „So jetzt machen wir ´ne Struktur und gucken was habt ihr was 22
ham sie letzte Woche geschafft was hatte´mer erarbeitet was is umgesetzt“ äh so die 23 genau . für mich war´s plan- und ziellos was umgesetzt wurde und gut geplant was wir 24 besprochen hatten und da ging das . für mich auseinander und das war genau der 25 Punkt. 26
(8 Sekunden Schweigen) 27 M: Ja un ich kann mich noch erinnern dass halt in meinen ähm Therapiegesprächen das 28
sehr oft ´n Thema gewesen is halt so dass ich mit der Frau Adler da nich 29 zurechtgekommen bin und dass mir das unheimlichen Druck macht und ähm . und 30 dass dann halt mein Therapeut gesagt hat ähm .. dass . dass er denkt es wäre das Beste 31 ich würde ´n Schlussstrich drunter zieh´n und halt im Jugendamt anrufen oder ´n Brief 32 schreiben und dann sagen ich möchte nich mehr und fertig aus. 33
I: Mhm …. 34 V: Nach dem Versuch aber dass zu ändern mit der Person 35 M: Ja 36 V: das muss man also schon sagen wo da vom Jugendamt jetzt keine Möglichkeit war 37 I: Mhm 38 V: Wo wir´s vielleicht auch nich so direkt definiert haben also einfach auch die 39
Schwierigkeit hatten so in unsrer Situation zu sagen „Gibt´s ´ne andre Möglichkeit? 40 Geht so nich.“ Ähm 41
M: .. mhm . ja un meine Frage immer so zwischendrin war ähm .. echt also ich hatte echt 42 das Gefühl ich bin jetzt ´n Einzelfall also so´n schlimmer Fall den .. den sie nich 43 kennen mit meiner Erkrankung 44
I: Mhm 45 M: Also ob sie das weil die Frau die zu uns kam die hat halt immer gesagt „ja … ich weiß 46
auch nich“ oder wenn ich mal Fragen hatte . oder sie hätte einfach keine Erfahrung mit 47 Depressionen und … dass irgendwie .. ja ich ich hab mich halt jetzt ähm nachdem ich 48 wusste dass wir uns mit dem Interview dass wir uns da verabreden hab ich mich auch 49 gefragt war das einfach die falsche Hilfe. Also is das gar nich die Aufgabe vom 50 Jugendamt .. ähm da dann weiß ich nich zu helfen oder so … ich weiß es nich. Oder 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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war es wirklich die Person ähm die mit der ich jetzt so nich zurechtgekommen bin… 1 keine Ahnung. 2
I: Hm 3 V: …. Vor allem weil man ja auch klar sagen muss .. wir haben verschiedene Hilfen 4
gleichzeitig gehabt: das Krankenhaus dann war die therapeutische Begleitung und auf 5 der andern Seite war´s uns in diesem Punkt aber wichtig wie funktioniert das zuhause 6 .. wie funktioniert´s mit den Kindern hier entsprechend das is ja eigentlich so der 7 Punkt der im Vordergrund steht. Von daher hab ich als . wir diese Idee bekommen 8 haben schon gedacht dass is eigentlich ´ne gute Idee ´ne gute Hilfe grad jetzt so wie 9 funktionierts mit den Kindern wie kommen wir damit klar un diese Fragen sind da ja 10 im Raum stehen geblieben diese Ideen die da waren die uns in dem Moment auch 11 irgendwo überfordert haben und es auch keine wahre Hilfe war zu sagen geben sie die 12 Kinder mehr in die Betreuung das tut den Kindern nich schlecht ähm war eigentlich 13 genau das das Gegenteil dessen was Heike empfunden hat zu sagen „ich bin Mutter 14 und war schon so lange im Krankenhaus und ich möchte mich jetzt um meine Kinder 15 kümmern“ und da kommt der Rat „geben Sie die Kinder in die Betreuung“ 16
M: Mhm 17 V: .. ich glaub dass war einfach in dieser Zeit ´ne Schwierigkeit so 18 (fast 20 Sekunden Schweigen) 19 M: Ich weiß im Moment 20 I: .. Is das so das was dir so einfällt wenn du an die Zeit denkst 21 M: Ja! (wie ein Seufzer) .. also mehr Belastung als (Be betont) 22 V: Oh doch mir fällt noch ein Punkt ein. Wir haben verschiedene Leute gehabt die sich in 23
den letzten Jahren um unsre Kinder gekümmert haben sei es die Anne sei es im 24 Moment haben wir ´ne Haushaltshilfe die Marion sei es die Karin wer auch immer und 25 die Kinder reagieren unterschiedlich auf die Hilfe un auf die Leute drumherum auch 26 mal mit Distanz aber so wenig . Vertrauen wie mit der Frau vom Jugendamt ham sie 27 eigentlich mit keinem aufgebaut also die Frau Schneider die hier war die war natürlich 28 zum Teil länger da aber äh die Kinder haben überhaupt (betont) gar keine Bindung zu 29 der Frau vom Jugendamt aufbauen können ähm und k-keine Vertrauensbasis so war 30 zumindest meine Empfindung das hat mich ehm äh . schon sehr gewundert also dass 31 da einfach auch ´ne starke Distanz war wo die hergekommen is weiß ich nich aber das 32 hat absolut nich funktioniert und das glaub ich auch dass das ´ne persönliche ´n 33 persönlicher Punkt dann war aber das hat zu den Kindern da hätt ich mir eigentlich 34 viel mehr Kontakt gewünscht und die Kinder ham halt auch nicht gewusst wie gehen 35 wir damit um äh .. wenn die gekommen is und gesagt hat „was machen wir denn 36 heute?“ 37
I: Hm 38 V: So und ähm . ja da ham wir uns einfach .. hab ich mir ich hab das ja so hier nich erlebt 39
zuhause da hab ich mir aber so die Frage gestellt da stimmt irgendwo was nich weil 40 die Kinder keine Bindung aufgebaut haben und ich das so nich kenne die bauen schon 41 irgendwo ´ne Bindung auf und sagen dann vielleicht auch mal „das is mir jetzt zuviel“ 42 und „will ich nich“ aber im Grunde genommen lassen sie sich auf die Bezugspersonen 43 ein und das hab ich dort nicht erlebt. 44
I: Hm 45 V: … weil das war für mich auch ´n Punkt wo ich .. wo ich´s sehr schwierig empfunden 46
hab wo ich gedacht hab es kommt jemand vom Jugendamt soll hier ´ne Hilfe . auch 47 anbieten und ´ne Bindung in der Familie zu den Kindern oder das Vertrauensverhältnis 48 is irgendwie nich aufgebaut 49
I: Hm 50
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V: (einige Worte unverständlich da gemurmelt) und wir ham´s vielleicht kann ich das 1 sagen jetzt darf ich´s sagen was wir im Moment machen? 2
M: Was jetzt? 3 V: Wo wir im Moment sind? 4 M: Ja 5 V: Ja wir sind im Moment im Baumhof .. in Rundstadt weil wir gesagt haben wir 6
brauchen Hilfe da hab ich das ganz anders erlebt also diese dieser Punkt die Bindung 7 mit den Kindern aufzubauen die war´n einmal mit und wollen wieder hin 8
I: Hm 9 V: So . weil sie´s auch interessant finden und wissen Mama und Papa ab un an da un 10
bringen so ´ne Tabelle mit (zeigt auf Punktetabelle an der Küchentür) oder andere 11 Sachen (alle lachen) was die da machen und das is so´n Punkt wo wir im Moment ´ne 12 andere Hilfe haben die hier nich zuhause is wie´s vielleicht damals nich gut 13 funktioniert hat wo wir natürlich auch vergleichen und uns so die Fragen stellen und 14 wo ich auch merke . ähm die Kinder wollen jetzt auch irgendwas die sind natürlich 15 jetzt auch zwei Jahre älter als da aber die stellen die Fragen und ham wirklich ´ne 16 Bindung und lassen sich drauf ein. Solche Strukturen wie zu sagen ich mach ´n 17 Punkteplan was gut läuft un mach damit was äh das hat´s überhaupt (betont) nich 18 gegeben in keinster Art und Weise so´ne Idee mal eingebracht . äh .. ja das war 19 irgendwo schwierig 20
I: Mhm 21 M: … und ich weiß auch noch ich meine das (räuspert sich) is jetzt auch eher ich weiß 22
jetzt nich ob das hierzu noch passt aber ähm die Frau Adler die hat halt viele Sachen 23 einfach nich so eng gesehen wie ich jetzt also . oder die hat halt ja ob man hier die 24 Einbahnstraße in die richtige Richtung reinfährt oder so 25
I: Hm 26 M: Hat sie zu mir immer gesagt „Hach das seh ich nicht so eng“ und das war für mich 27
aber ´n riesiges Problem 28 I: Mhm 29 M: Also und ähm und da ging´s dann auch um Fynn oder ob die Kinder angeschnallt sind 30
im Auto oder nich das war dann halt oder ob wir ´n Autositz halt hatten oder nich das 31 hat sie dann halt nich so eng gesehen aber das konnte ich mit meinem Gewissen nich 32 so vereinbaren un das hat mir dann wieder Stress bereitet 33
I: Mhm … ja .. das kann ich verstehen mh 34 M: (lacht) ja 35 (15 Sekunden Schweigen) 36 I: Is das das was dir so einfällt zur SPFH? 37 M: Ja im Moment is das erstmal so 38 I: Hm … ähm .. kannst du dich noch erinnern wie das war als du da Kontakt zum 39
Jugendamt aufgenommen hast also war das nur telefonisch oder habt ihr euch dann da 40 auch getroffen was war das für ´ne Situation? Ist ja vielleicht auch erstmal .. ich geh 41 zum Jugendamt und hol mir Hilfe wie war das so wie hast du das erlebt? 42
M: Ja ähm wir ham uns auch da getroffen also ich muss sagen den telefonischen Kontakt 43 hatte ich ja am Anfang auch schon mal erwähnt der wurde durch das Krankenhaus 44
I: Genau 45 M: durch die Sozialarbeiterin da ähm halt . ähm hergestellt und den ersten Kontakt den 46
hab ich dann auch schon gehabt als ich noch stationär im Krankenhaus war also da 47 wurde halt ´n Termin vereinbart weil die im Krankenhaus sagen dass es total wichtig 48 ist dass man schon bevor (betont) man entlassen wird Kontakte geknüpft hat un nich 49 erst nach der Entlassung damit anfangen soll und ähm dann bin ich mit der 50 Sozialarbeiterin dahin gefahren ich weiß jetzt nich Daniel warst du dabei gewesen nee 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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du warst bei dem ersten Gespräch nich dabei. Dann war ich mit der Sozialarbeiterin da 1 und da war halt diese Frau S. ich weiß es nich mehr wie die hieß 2
I: Ja 3 M: da und wir ham uns einfach unterhalten hm . genau also das hab ich erstmal als . 4
positiv erlebt . un einfach so ähm . dass es ´ne Hilfe sein kann (betont) .. ja .. sag du 5 mal 6
V: du warst sehr angetan 7 M: Ja 8 I: Das war dann diese die ihr Leiterin nennt oder wo ihr nich so genau wisst welche 9
Funktion hatte die aber irgendwie war die so die die das so einteilt oder so ne? 10 M: Ja 11 I: Genau. Die is zu dir gekommen? 12 M: ne 13 V: ne anders rum 14 I: du bist zu der gekommen ? 15 M: Ich bin im Jugendamt gewesen 16 I: Ach so ne ich hab grad dann fehlte mir der Bezug du solltest es machen während du 17
zwar noch stationär untergebracht warst 18 M: Ja 19 I: aber du bist dahin gegangen. 20 M: Ja wir sind dann zum Jugendamt gefahren und hatten da ´n Gespräch ich weiß nicht ob 21
das ´ne Stunde war oder was 22 I: Hm 23 M: Und dann hatten wir ´n Gespr waren die bei uns zuhause 24 V: Dann warn die bei uns zuhause 25 M: Zu zweit schon mit der Frau Adler? 26 V: Ich glaub die war erst alleine da . das erste Gespräch war mit der alleine wir ham glaub 27
ich zwei Gespräch mit ihr alleine hier gehabt . un wir dann hier mal ´n Gespräch 28 gehabt ohne die Frau Adler mein ich schon .. so. Da ham wir hier zuhause ein 29 Gespräch gehabt das war auch recht lang (einige Worte nicht zu verstehn) ich glaub 30 eher nicht aber ich weiß es nich 31
M: Mhm 32 V: Wir ham auch irgendwann mal ein Gespräch mit ihr alleine gehabt das war mal 33
irgendwann mittags oder so wo ich von der Arbeit früher gekommen bin . und da ham 34 wir hier ´n Gespräch mit ihr geführt und dann hat das irgendwann danach dann . war 35 Frau Adler hier 36
I: Mhm 37 V: Wir ham dann auch noch mal zu dritt ´n Gespräch geführt 38 I: .. ja … und so an das erste Treffen mit dieser Frau Adler is jetzt hoffentlich vertue ich 39
mich nich is jetzt die Familienhelferin 40 V: Ja 41 I: damit ich die Namen richtig sortiere 42 M: jaja 43 I: genau . wie . manchmal hat man ja Situationen noch so richtig vor Augen da sieht man 44
dann richtig wir saßen hier am Küchentisch und so wie war das als ihr die das erste 45 Mal kennengelernt habt? … Könnt ihr euch da noch so an die Situation erinnern wie 46 das war? 47
M: ….. Also ich kann mich noch dran erinnern ob das jetzt wirklich das erste Gespräch 48 war das weiß ich nicht mehr ganz genau aber . dass wir da im Wohnzimmer saßen .. 49 und ähm die Kinder waren auch dabei gewesen und die Frau Adler und der Fynn der 50 rutschte ständig bei mir runter das weiß ich noch also 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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I: Hm 1 M: Der rutschte halt immer so meinen Schoß und die Beine runter das fand der ganz toll 2
und ähm .. ja dann hat sie da eingegriffen un hat … weiß ich nich mehr hat dann halt 3 irgendwie gesagt „das macht man aber nich“ oder so .. viel mehr (verlegen lachend) 4 weiß ich jetzt gar nich mehr zu dem Gespräch also 5
I: Wie fandest du das? 6 M: … ähm (schweigt 8 Sekunden) ja ich bin mir dabei schlecht vorgekommen ich hatte 7
das Gefühl ich hab meine Kinder nich im Griff und ähm . andere Kinder machen so 8 was nich halt so die sind immer lieb und brav und nett 9
I: Hm 10 M: bei ihrer Mutter und .. ja. Ich hatte das Gefühl dass ich in meiner Erziehung .. halt 11
weiß ich nich versagt habe (7 Sekunden Schweigen) 12 V: ja kann ich da noch dann war das vielleicht auch das gemeinsame Gespräch da ham 13
wir nämlich da im Wohnzimmer gesessen un die Kinder sind irgendwie dazu 14 gekommen äh .. und ham dann so ´n ersten Kontakt gehabt . irgendwieso war das und 15 vom Gefühl her.. glaub ich war´s da mir schon ´n bisschen mulmig so 16
M: mhm 17 V: also dass man´s nich definieren konnte wo wir gesagt haben das machen wir jetzt mal 18
gucken aber so das Erstgefühl mit der Familienhelferin da war irgendwo schon ´n 19 bisschen mulmig. Also ich kann mich noch dran erinnern als ich ´s erste Mal dann 20 ganz da war hab ich Heike hinterher gefragt was habt ihr denn gemacht „ja wir waren 21 spazieren und haben ein Brötchen die Kinder haben ein Brötchen oder ein 22 Milchbrötchen bekommen unten beim Bäcker Schneider wir waren .. halt spazieren“ 23 wie hab ich gesagt „wie ihr wart spazieren? Und da un sonst?“ „Ne mehr war da nich“ 24 un irgendwie so das is bei mir so . hängengeblieben wo ich gedacht hab ne wir wollen 25 doch hier strukturiert arbeiten was war? Was kommt in der nächsten Woche? 26
I: Hm 27 V: äh war da überhaupt nich. Also das das sind so meine ersten Kontakte und Eindrücke 28 I: …… wie haben da sonst die Kinder so drauf reagiert eigentlich? Das da jetzt jemand 29
kommt .. zweimal drei Stunden in der Woche . wie war das für die? 30 M: Also ich hab das ähm das Gefühl gehabt dass die das überhaupt nich einsortieren 31
konnten ähm was die Frau Adler für ´ne Funktion hat ich mein die ham oder ich weiß 32 nich ob sie schon in dem Alter waren vielleicht ham wir´s ihnen auch ´n bisschen 33 erklärt ähm welche Funktion die Frau Adler hat .. das kann ich nich mehr genau sagen 34 aber .. ähm … also .. ich weiß . ja ich kann das eigentlich nur sagen wie der . wie der 35 Daniel die ham halt nie ähm irgendwie so´n Vertrauensbasis aufgebaut oder ich kann 36 mich eigentlich auch nich daran erinnern dass die Frau Adler dann mit den Kindern 37 mal gespielt hätte oder so doch einmal hat sie was zum Ausschneiden mitgebracht da 38 hatte sie irgendwelche . ähm .. irgendwelche Blätter von . also von . Kellogs oder so 39 wo man was ausschneiden kann hatte sie was mitgebracht . für die Kinder das lag dann 40 bei uns einfach rum (lacht) ähm ansonsten ich mein ich denke schon dass sie mal mit 41 den Kindern gespielt hat aber ich kann mich da gar nich mehr so so richtig dran 42 erinnern. Also .. dass es mir jetzt echt ´ne Entlastung gewesen wäre oder dass .. dass 43 sie mir zeigen gezeigt hätte ähm . wie kann ich mit meinen Kindern spielen oder so 44 dass war überhaupt nich .. 45
V: Ich mein auch dass Johanna da absolut auf Distanz war 46 M: Ja das kann gut sein. Ich mein die is sowieso diejenige ähm die da eher zögerlich is 47
oder einfach mehr . Distanz hat . so zu fremden Personen. 48 I: Hm 49 V: Hm … ja gut da is Fynn viel offener das stimmt. .. Aber trotzdem ähm . ich glaub 50
Johanna spürt das 51
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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M: Mhm 1 V: Aber ich kann´s auch nich mehr genau sagen ich hab so den ich mein schon dass die 2
da so´ne Distanz aufgebaut hat un die Johanna is da bei den beiden schon der 3 Stimmungsmacher im Moment von ihrem Alter her 4
I: Hm 5 V: Ähm und die kann den Fynn sehr gut anstecken (murmelt unverständlich) wobei wir 6
müssen aufpassen das is jetzt auch alles schon drei zwei Jahre her ne? Aber das is 7 schon so 8
I: Ja 9 V: bisschen von der Grundstimmung her 10 I: …. Ähm . ich überleg grad nach dem was du so erzählt hast wie sah denn so´n wenn 11
ich mir mal vorstellen soll wie so´n Nachmittag mit der Frau aussah wie muss ich mir 12 das vorstellen? .. (Mutter lächelt mich unsicher an) Also wenn die dann hierhinkam 13 und gesagt hat „was machen wir denn heute?“ wie ging das denn dann weiter? 14 (lachend) 15
M: (lacht) jaa 16 I: Also erinnerst du dich vielleicht an einen so ´nen Nachmittag wo du jetzt sagen 17
würdest das war so´n typischer Nachmittag mit dieser Frau. Was is denn da so 18 passiert? 19
M: …. Also ich glaub wir haben ganz viel auf´m Sofa gesessen .. ähm …. Mir ging es 20 zeitweise dann auch schlecht weil mich das Ganze unter Druck gesetzt hat dann hab 21 ich viel geweint un . sie konnte damit auch gar nich so richtig umgehen hatt´ ich das 22 Gefühl.. ähm .. ja ich weiß dass wir einmal noch spazieren waren ….. also ich kann 23 mich da auch gar (betont) nicht mehr so richtig dran erinnern .. aber wenn ich mir´s 24 ich glaub so überlege dann glaub ich schon dass wir ganz .. dass wir einfach ganz viel 25 da am Sofa gesessen haben und ähm .. ja dass es mir totalen Stress (betont) gemacht 26 hat so das Programm jetzt aufzustellen wozu ich mich überhaupt nicht in der Lage 27 gefühlt hab 28
I: Ja 29 M: für die Stunden und . was mir auch noch so im Hinterkopf war dass es ja nie so … 30
ähm so feste Zeiten oder so waren oder dass sie halt dann immer also ich konnte mich 31 nie drauf einstellen so jetzt kommt die Frau Adler von dreizehn bis .. weiß ich jetzt 32 nich sechszehn Uhr sondern dann is sie mal ´ne halbe Stunde später gekommen oder 33 vielleicht sogar ´ne Stunde das weiß ich nich mehr genau und dann isse aber auch 34 schon wieder nach anderthalb Stunden wegewesen. 35
I: Achso 36 M: Und das war für mich halt auch so´n Stress gewesen was ich ja auch mit den Kindern 37
so´n bisschen sortieren musste 38 I: Mhm 39 M: Ähm .. ja ich weiß es gar nich Daniel was hab ich denn mit der gemacht in der ganzen 40
Zeit? 41 V: Ich war nich da ich war arbeiten (lacht) 42 M: Aber ich dir das doch gewiss erzählt oder nich? 43 V: Ja gut was mir auf jeden Fall gefehlt hat war so´n so ´ne Zielplanung zu sagen so das 44
nehm´ wir uns vor was war in der letzten Woche was kommt in der nächsten Woche 45 un was is dran. Wenn ich jetzt sie wollte ja keinen Plan oder Struktur aber zu sagen im 46 Kindergarten is das dran in der Schule is das dran die Kinder haben dies un jenes 47 war´n die beim Turnen ne? Das hat ich denk so´n strukturiertes Arbeiten das hat mir 48 gefehlt so von der Aussage her das hätte ich erwartet dabei und das hab ich in deinen 49 Rückkopplungen nie gehört. So nur dass ihr euch unterhalten habt un jedes Mal wieder 50
Das transkribierte Interview mit Ehepaar Müller
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von vorne begonnen habt was is denn jetzt dran was woll´n wir denn machen was is 1 denn heute dran 2
I: Hm 3 V: äh also das war das was bei mir immer angekommen is dass es sich immer wieder um 4
den entsprechenden Tag was da wie zu machen is un dran war gedreht hat 5 M: Mhm 6 V: So un jetzt keine Struktur drin war in den Gesprächen was war letzte Woche was steht 7
aktuell an was is nächste Woche un was könn´ wir denn mal planen un was können 8 wir denn mal praktisch vielleicht schon umsetzen 9
I: hm 10 V: Also so das hätt´ ich mir so gewünscht. . So praktisch so zu sagen man macht was mit 11
den Kindern oder man . überlegt mal im Haushalt oder was auch immer das hat mir 12 komplett gefehlt. Von daher habt ihr euch viel unterhalten aber ich hab immer den 13 Eindruck gehabt die Gespräche .. immer wieder neu begonnen also immer wieder des 14 Pudels Kern neu erfunden um um zu starten un nich irgendwo aufzusetzen was in der 15 letzten Woche war diese Struktur die war irgendwo nicht gegeben. .. So das war mein 16 Eindruck… so un jetzt musst du wieder (murmelnd zu M) 17
M: Ja und ich glaub dass ich auch zu der Frau einfach kein Vertrauen aufgebaut hab in der 18 ganzen Zeit also dass ichhalt ähm mit ihr auch nich soo über die Schwierigkeiten jetzt 19 mit den Kindern sprechen konnte oder ähm .. ja .. was könnte mir helfen im Umgang 20 mit den Kindern oder was kann den Kindern helfen ne? So ähm ich hab halt irgendwie 21 immer versucht das zu vertuschen wie die Kinder sich . benehmen sag ich mal oder 22 ähm .. ja mir war´s dann unangenehm wenn die Kinder .. un sie hat dann immer so 23 gesagt „ach is doch alles halb so schlimm Is doch alles“ Also sie hat . ja sie hat 24 eigentlich nie . also sie hat das nie so gesagt „Ach du meine Güte wie führen sich denn 25 die Kinder auf?“ sondern hat das dann immer so gesagt „ach is doch alles ganz 26 normal“ aber es war mir in dem Moment keine Hilfe gewesen ich mein´ es is vielleicht 27 ganz nett dann zu beruhigen und sagen „ach .. ähm ihre Kinder sind schon in Ordnung 28 und so schlimm is das gar nich“ aber es war mir halt keine Hilfe gewesen 29
I: Hm 30 (15 Sekunden Pause M sinnt vor sich hin) 31 M: es war also absolut keine entspannte Sache also es war ich war total angespannt in der 32
Zeit wo die da war und … ja 33 V: Und die Schwierigkeit die ich halt so sehe war einfach .. dass zu viele Ratgeber 34
eventuell auch da waren un nich ineinander gegriffen haben also Therapeut vorher 35 Krankenhaus Leute drumherum Familie und eben die Hilfe vom Jugendamt ähm und 36 ich glaub dass das auch einfach ´ne Schwierigkeit war weil das nicht vernetzt ist. Also 37 zumindest Therapeut und wie in unserm Fall das Jugendamt weil da einfach kei- 38 keinerlei Rückkopplung war und die Sachen ja eben in unterschiedliche Richtungen 39 gegangen sind Heike sollte (betont)´nen strukturierten Tagesablauf haben un das 40 Jugendamt hat das nicht für notwendig gehalten da war halt auch diese Rückkopplung 41 zum Therapeuten oder auch zu dem was jetzt in dem Krankheitsbild in unserm Falle 42 grade notwendig war war nich da un wir haben uns halt auch einfach die Frage gestellt 43 hier passt das in dieses Krankheitsbild für uns jetzt nich diese Hilfe aber da hat 44 irgendwo isses komplett aneinander vorbei gelaufen 45
I: Hm 46 V: Und ähm diese Rückkopplung so hätt ich mir irgendwo gewünscht dass zumindest zu 47
sagen das is notwendig da müssen wir mit arbeiten ähm . das wär einfach so´n Wunsch 48 gewesen und ich glaub das war einfach auch ´ne Schwierigkeit wo Heike ja zwischen 49 den Stühlen gesessen hat und auch immer wieder gedacht hat ich muss (betont) das 50 machen damit ich ´ne gute Mutter bin und klarkomme und ich glaub das war genau . in 51
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dem Moment auch ´ne Schwierigkeit wo´s ihr dann ´ne Hilfe war zu sagen es klappt 1 jetzt nich 2
M: Hm 3 V: so wie das da zu dem Zeitpunkt so wie das abgelaufen is 4 (10 Sekunden Schweigen) 5 I: Gab´s denn so ´ne Situation wo du sagen würdest .. hätten wir diese Hilfe nicht gehabt 6
wär´s aber schwierig gewesen in unsrer Familie? Oder gab´s so was dann gar nicht? 7 M: (schweigt 8 Sekunden guckt in „die Ferne“) also ich denke schon dass ich Hilfe 8
gebraucht hätte in jedem Fall ich mein wir ham halt durch Freunde un so dann wär ich 9 wahrscheinlich hätt ich eher so da drauf zurückgegriffen dass ich ähm .. mich noch 10 stärker . an die Hilfe von Freunden . also ich hab mir halt auch schon die Frage gestellt 11 ob in meinem Fall eher der Baumhof halt so ´ne Hilfe is aber ich glaube zu dem 12 Zeitpunkt damals ähm . war ich auch noch nich so fit . jetzt weil diese Hilfe is ja auch 13 dann zuhause gewesen der Baumhof is ja ´ne Institution wo man dann hingeht ähm . 14 das .. also ich würde sagen jetzt die Hilfe vom Jugendamt . war für mich oder für uns . 15 keine Hilfe gewesen 16
V: Ich also ich seh das ´n bisschen differenziert . also ich glaube schlussendlich wie die 17 Maßnahme war war´s keine Hilfe .. wo´s ´ne Hilfe war war in dem Punkt im 18 Krankenhaus zu sagen „wenn ich nach Hause komme hab ich ´ne Unterstützung“ . 19 diesen Gedanken zu haben ich glaub der war schon gut und auch das Erstgespräch im 20 Jugendamt die Gespräche die war´n einfach gut die war´n einfach unterstützend auch 21 für dich zu sagen „Ich komm jetzt wieder nach Hause ich kann wieder nach Hause 22 kommen und ich hab ´ne Hilfe.“ Wie´s hinterher umgesetzt wurde war war genau das 23 krasse Gegenteil davon eeh entsprechend da war´s dann auch folgerichtig irgendwann 24 zu sagen wir machen dort nicht weiter das hat aber meiner Meinung nach stark an der 25 Umsetzung gehangen. Zu wissen dass diese Hilfe da is und kommt hat dir ´n Schub 26 gegeben 27
M: Mhm 28 V: im Krankenhaus auch zu dem Zeitpunkt war das gut war das in Ordnung. Wir war´n 29
zu dem Zeitpunkt selber noch nich so weit zu sagen wir brauchen Unterstützung hier 30 als Haushaltshilfe zuhause . und wir ham ja jetzt ´ne Haushaltshilfe die gelernte .. nich 31 Erzieherin 32
M: Kinderpflegerin ne Familienpflegerin 33 V: Familienpflegerin is is sie auch und das merken wir halt un die macht halt oder hat 34
mehr die Aufgabe im Haushalt aber macht auch mit den Kindern 35 I: Ja 36 V: Und das is einfach ´ne Art von Unterstützung die natürlich so von der Art von dieser 37
Art vom Jugendamt nich da war die uns aber in dem Moment aber weiterhilft wo wir 38 gar nich wo Heike da gar nich strukturiert arbeiten muss sagt das is jetzt dran sondern 39 ´ne Unterstützung im Haushalt hat und aber die Rückkopplung zu den Kindern 40 vorhanden is 41
I: Ja 42 V: Und ich glaub zu dem Zeitpunkt um auf deine Frage nochmal zu antworten im 43
Krankenhaus war´s ´ne Hilfe zu sagen wir ham ´nen Blick wenn´s nach Hause geht 44 ähm wo ich jetzt im Nachhinein sag die Hilfe die wir jetzt haben is da effektiver im 45 Moment ähm wo wir damals auch einfach noch nich so weit waren „Könn wir uns das 46 leisten? Passt das?“ ähm Wo wir einfach aber auch Unterstützung und Hilfe brauchten 47 und ich glaub das war für mich ´ne Sache zu sagen wenn Heike nach Hause kommt 48 gibt´s da neben therapeutischer Unterstützung hier Unterstützung für die Kinder und 49 da (betont) war´s gut auch die Gespräche die wir mit der Frau aus´m Jugendamt hatten 50 die war´n gut und mit der Sozialarbeiterin hier die Umsetzung war eben nich gut un 51
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das is einfach aneinander vorbei gelaufen . Da ham wir auch zwischendrin ´n 1 Gespräch gehabt was auch meines Erachtens gut war wo wir danach gesagt haben das 2 war gut das war in Ordnung . nur die Umsetzung mit der Frau Adler war eben nich gut 3 … joa von daher der Punkt im Krankenhaus der Ausblick die Hilfe kommt da war´s 4 gut un auch so ganz am Anfang aber . die Umsetzung war eben dann nich gut 5
(10 Sekunden Schweigen) 6 I: Gab´s denn auch was wo du sagst das war ´ne schöne Erinnerung an die Zeit mit der 7
Frau Adler? 8 (15 Sekunden Schweigen Nachdenken) 9 M: Also jetzt ähm wirklich an die Zeit mit der Frau Adler so .…. Ähm .. fällt mir grade 10
ein was ich eben erzählt hatte als sie für die Kinder so was zum Ausschneiden 11 mitgebracht hatte .. ähm da hab ich mal gedacht „och das is ja ´ne nette Geste!“ .. weil 12 ich glaub sonst hatte sie wirklich (betont) nich viel mit den Kindern gemacht das fand 13 ich mal so ´ne positive Geste von ihr einfach 14
I: Ja 15 M: Ähm da is dann (lacht) nich viel draus geworden weil die Kinder da . nichts mit 16
gemacht haben ne? 17 I: Ja (lachend) 18 M: .. ja . das fällt mir grade so ein … ansonsten . nee 19 I: … und ´ne konkrete Situation wo du damals gedacht hast oder jetzt sogar auch im 20
Nachhinein so sagst da wär´s echt besser gewesen sie wär´nich hier gewesen also so 21 richtig ´ne Situation (betont) nich rückblickend so´n Gesamtblick sondern richtig ´ne 22 Situation wo du gesagt hättest also da wärs echt besser gewesen sie wär die Hilfe hätte 23 es nicht gegeben? Hast du ´ne Situation an die du dich erinnerst? 24
M: Ja das sind halt so die Situationen eher wo sie dann ich weiß noch dass ich mit meinem 25 . Therapeuten halt zu dem Zeitpunkt so ´n Wochenplan erstellt habe wo ich mir 26 einfach vorgenommen hab zum Beispiel jetzt den Montag reservier ich mir zum 27 Waschen den Dienstag lass ich mir mal für Arzttermine oder so Mittwoch is halt was 28 weiß ich nich dran also so jeden Tag und wo ich dann versucht hatte mit ihr da drüber 29 zu sprechen und sie dann ähm . oder auch .. durchzuführen oder konkretisieren also 30 das is auch immer ´ne Schwierigkeit . grade auch bei psychisch Kranken ähm so Pläne 31 zu machen und sie dann auch wirklich umzusetzen ne? 32
I: Hm 33 M: Und das dann mit ihr dann wirklich mal konkret zu machen . ähm und sie da einfach . 34
immer so gesagt hat ja sie sieht da die Notwendigkeit nich oder sie denkt dass mir das 35 noch viel mehr Druck machen würde dass es mir dann noch schlechter gehen würde 36 und so das sind halt solche Punkte. Oder . ja wenn sie mir einfach so sagt . ähm oder 37 gesagt hat .. na halt meine Frage so was kann ich mit den Kindern denn machen? Oder 38 ähm .. halt .. wie kann ich sie beschäftigen die Kinder oder mit denen spielen und sie 39 mir dann gesagt hat ich sollte sehen dass ich die Kinder in möglichst viele Vereine 40 stecke .. also das war mir zumindest da keine Hilfe gewesen .. da wär´s mir wirklich 41 ´ne bessere Hilfe wenn da ´ne Peron gewesen wäre mit der ich auch mal . weiß ich 42 nich mit den Kindern zusammen hätte spielen können und ich dann hinterher einfach 43 mit der Person hätte besprechen können: Was war den jetzt gut bei dem Spielen? Oder 44 was hat nicht so gut geklappt? … ja das würde mir jetzt einfallen 45
I: Ja 46 M: ….. und halt so das Gefühl zu haben ähm .. ich bin was ganz Außergewöhnliches mit 47
meiner Erkrankung also das hat sie mir schon zu verstehen geben dass .. ja .. dass sie 48 da jetzt gar keine Erfahrung mit hat und ähm ich mein sie hat sich nie irgendwie .. jetzt 49 schlecht gegenüber psychisch kranken Menschen geäußert oder so . aber . sie hat mir 50
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halt auch hm ja klar gesagt dass sie das so noch nie gemacht hat mit psychisch 1 Kranken zu arbeiten und 2
I: Hm 3 V: Das is eigentlich genau so´n Punkt wo ich jetzt grad denke da hätt ich mir mehr 4
(betont) erwartet. Zu sagen damit hab ich keine Erfahrung hab damit noch nie 5 gearbeitet is so die eine Seite aber das einfach so auf sich zu kommen zu lassen sich 6 keine Informationen zu holen oder auch zu sagen „kann ich ich weil ich hab damit 7 noch nie gearbeitet“ wär ja auch ´ne Sache vom Jugendamt gewesen zu sagen die 8 Hilfe können wir da nich leisten. Aber es hat meines Erachtens auch keinerlei 9 Bereitschaft gegeben dort von der Frau Adler sich dort schlau zu machen oder auch zu 10 sagen könn wir mal ´nen Kontakt mit dem Therapeuten herstellen? . Das hatt´s nich 11 gegeben was ja in dem Moment vielleicht gut gewesen wäre is von uns auch nich 12 gekommen wär vielleicht auch nich gewünscht gewesen war vielleicht auch im 13 Nachhinein gut aber es hat keinerlei Anstöße gegeben zu sagen was is für Sie denn das 14 richtige? 15
I: Ja 16 V: und wo könn´ wir uns denn schlau machen? Ähm . das hat mir also gefehlt 17 (13 Sekunden Schweigen) 18 I: Ja eine Frage die ich mir noch so überlegt hatte weiß ich jetzt gar nich ob das jetzt für 19
euch hier so passend is war eigentlich so als Abschluss sozusagen: was ihr glauben 20 würdet wie eure Situation aussehen würde wenn es diesen Einsatz von der 21 Familienhilfe nich gegeben hätte. Ich frag mich jetzt grade ob das hier für euch jetzt so 22 überhaupt die Frage is (lachend) 23
V: doch . doch kann ich was zu sagen 24 I: Ja? 25 V: Aber lass erstmal Heike 26 I: Ja 27 M: .. wenn´s die Hilfe jetzt nich gegeben hätte … ja ich glaube dass ich ähm hm .. also 28
inzwischen weiß ich ja dass es in Rundstadt auch noch ich hatte ja danach noch mal 29 ´nen Krankenhausaufenthalt gehabt . un ähm auch ´ne Reha gehabt un .. durch die 30 Reha weiß ich dass es dieses Betreute Wohnen auch gibt für psychisch Kranke und 31 vielleicht wäre das zum damaligen Zeitpunkt ähm .. ´ne ehere also ´ne andere Hilfe ´ne 32 eher für mich ´ne Huilfe gewesen oder für uns jetzt wenn ich mich da erkundigt hätte 33 also ich mein´ ich hab das jetzt auch nich gehabt dieses Betreute Wohnen wenn ich das 34 jetzt damals gewusst hätte und ich meine das is halt krankenkassentechnisch noch eh 35 so´ne Sache ob man diese Hilfe überhaupt kriegt aber es gibt in Rundstadt halt auch 36 ähm … wie heißt das? Sozialpsychiatrischer Dienst mein ich heißt das wo man sich 37 zumindest hinwenden kann .. 38
V: Wo die Hilfe dir (betont) gegenüber mehr gilt die Betreuung 39 M: Ja 40 V: so un nich den Kindern 41 M: ja 42 V: das muss man ja auch seh´n 43 M: ja das stimmt jetzt so auf die Familie zugeschnitten hm also ähm aber ich schweife 44
irgendwie von deiner Frage ´n bisschen ab 45 I: Ne is doch (lacht) 46 M: glaub ich (lacht) also ähm .. was gewesen wäre wenn´s die Hilfe nicht gegeben hätte 47
ne? …. Ja ich hätte vielleicht …. mich um andere Hilfen gekümmert (räuspert sich) 48 ……. Also (10 Sekunden Schweigen) ich glaube nich dass ähm …. dass ich .. dadurch 49 ähm .. dass ich jetzt die Hilfe hatte … ähm psychisch stabiler wurde eher das 50
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Gegenteil (10 Sekunden Schweigen) ja aber ich kann das irgendwie nich so gut 1 ausdrücken was ich jetzt sagen möchte (lacht verlegen) 2
I: Hm 3 M: .. weiß nich sag du erstmal 4 V: Ja jetzt bin ich grad am überlegen .. ich glaub wenn´s diese Hilfe nich gegeben hätte 5
hätten wir vielleicht anders gemerkt dass wir Hilfe notwendig haben so sind wir 6 einfach auf den Punkt sich damit auseinanderzusetzen zu sagen das passt bei uns jetzt 7 nicht übereinander äh .. vielleicht hätten wir dann uns ´n halbes Jahr oder so uns äh 8 gespart was mir auf jeden Fall diese Sache . ja gut da sind wir jetzt bei ´ner andern 9 Sache was es mir gebracht hat dass es diese Hilfe gibt is zu sagen dass wir weiter 10 gesucht haben welche Hilfen für uns passend sind und ich vom zweiten 11 Krankenhausaufenthalt dann auch offen war zu sagen wir brauchen ´ne Haushaltshilfe 12 wir brauchen jemanden im Haus der auch hier wirklich arbeitet äh .. soweit war ich 13 vorher noch nicht und ich glaube dass die ganzen Versuche ´ne Hilfe zu finden die 14 passend is mich da mit hingebracht haben zu sagen das is notwendig äh . wenn´s diese 15 Hilfe nich gegeben hätte vielleicht wär´n wir schneller zu dem Punkt gekommen äh 16 aber ich glaube ähm dass der die Entlassung damals aus dem Krankenhaus schwieriger 17 gewesen wäre weil wir in´n luftleeres Loch gekommen wären 18
M: Mhm 19 V: Also ich glaub das is schon so dieser Übergang Krankenhaus nach Hause mit dem . 20
dem Gefühl ich hab ´ne Hilfe 21 M: Mhm stimmt. 22 I: Hm 23 V: Ich glaube diese Hilfe das das das wäre damals schwieriger gewesen auch zu sagen hm 24
Entlassungen aus´m Krankenhaus und so Sachen sind immer ´ne schwierige Sache 25 auch wenn Heike irgendwann will und stabil is aber es is immer ´ne Schwierigkeit 26 gewesen für Heike auch bei den andern Aufenthalten nach Hause zu kommen und ich 27 glaube wenn´s die Hilfe nich gegeben hätte wäre die Hürde höher gewesen 28
I: Hm 29 V: das wär sicherlich ein Punkt . gewesen der für den Moment der Entlassung die Tage 30
drumherum einfach das Gefühl hatten ich hab jetzt was unternommen . ähm es is was. 31 Und was es mir halt gebracht hat is einfach zu sagen die Hilfe mit den Personen 32 drumherum war´s jetzt nich aber wir müssen wir ham halt weitergeguckt und weiter 33 gesehen wir brauchen Hilfe. Wir sind im Moment aufgestellt also ich denke wir ham 34 ´n gewisses Gerüst an Hilfe dahinter . das im Moment trägt. Ich glaub das is das 35 Positive. 36
I: Hm ….. ja 37 M: … ja 38 I: Sonst noch was was euch wichtig is was ich wissen sollte? 39 M: (lacht) 40 I: was man (betont) wissen sollte? (lacht) 41 M: (lacht) 42 V: ne ich glaub .. 43 M: also was mich in dem Bezug einfach mal interessieren würde jetzt ohne dass ich die 44
Hilfe jetzt in Anspruch nehmen möchte aber ob es das wirklich ähm wofür die Fami- 45 ähm ..wie heißt das noch mal schnell sozial 46
I: Sozialpädagogische Familienhilfe 47 M: für welche Fälle die einfach zuständig is also was ähm 48 V: normal is (lacht) 49 M: ja was . das würde mich wirklich mal interessieren 50 I: Ja 51
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M: halt so 1 I: Was würdet ihr denn können wir ja gleich vielleicht noch mal in Ruhe drüber reden 2 M: ja 3 V: ja 4 I: was würdet ihr denn sagen das war ja ganz interessant oder fand ich ganz interessant 5
dass du ja auch mit diesem SPFH-Begriff gar nich so was anfangen konntest ne? 6 Manchmal is das dann für ähm Familien die diese Hilfe hatten ich glaub das liegt dann 7 aber auch viel daran wie denen das dargestellt wird wenn dann schon von den 8 Jugendamtsleuten und von der Frau selber die sagt dann so „ich bin die SPFH“ klar 9 dann is das so ´n Begriff so ne? 10
V: Mhm 11 I: Was würdet ihr denn jetzt jemandem der das jetzt gar nich kennt warum auch immer 12
man vielleicht darüber ins Gespräch kommt was würdet ihr denn sagen ist eine SPFH 13 was ist eine Sozialpädagogische Familienhilfe? Was würdet ihr sagen? …. Also jetzt 14 nich ´ne Definition wo ihr jetzt was richtig oder falsch sagen könnt sondern einfach 15 nur so wie ihr´s erlebt habt was is das? 16
M: Also ich denke das is ´ne Einrichtung vom Jugendamt ähm .. die Familien die 17 Unterstützung brauchen oder die sich Unterstützung wünschen halt im .. im Alltag mit 18 den Kindern ähm . Hilfestellung leisten durch .. ja Sozialpädagogen Sozialarbeiter? 19 Sozialpädagogen ja 20
I: ja 21 V: Wo die Hilfe halt praktisch vor Ort ist 22 I: ja 23 V: in der Familie und nich extern .. ich würd´s mir halt jetzt ´n andres Wort als ´ne Art 24
Coaching vorstellen so ´ne Art Super- na Supervision is vielleicht zu hoch gesehen 25 aber zu sagen dass jemand von außen mit drauf guckt ´n Stückchen aber auch 26 vielleicht auch praktisch mit anpackt aber eben Tipps gibt Steuerung gibt diese 27 Steuerung mit im Alltag überprüft. Das wäre das wie ich´s mir wünschen würde und 28 so wie ich´s verstehen würde 29
I: ja .. ja … okay dann beenden wir das hier mal (Gerät wird ausgeschaltet) 30 31