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Swiss Camp Grönland 2.pdf

Date post: 08-Apr-2016
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Corina Gamma 2
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21 NEUE LUZERNER ZEITUNG NEUE URNER ZEITUNG NEUE SCHWYZER ZEITUNG NEUE OBWALDNER ZEITUNG NEUE NIDWALDNER ZEITUNG NEUE ZUGER ZEITUNG ri Zentralschweiz U Montag, 15. April 2013 / Nr. 86 «Es ist mehr als ein reines Abenteuer» PROJEKT Die Urner Künstlerin Corina Gamma war Gast im Swiss Camp in der Eiswüste von Grönland. Nun verarbeitet sie ihre Erfahrungen in einem Dokumentarfilm. GABRIELA TSCHARNER [email protected] Wenn man an Arktis-Reisende denkt, stellt man sich Abenteurer wie Roald Amundsen oder Fridtjof Nansen vor. Ernste, ältere Herren mit eiszapfenbe- hangenen Bärten, die in von der Sonne gegerbten Gesichtern hängen. Die Urner Künstlerin Corina Gamma sprengt die- ses Klischee. Ihr ansteckendes Lachen erhellt ihr Gesicht, wann immer die Rede auf Grönland kommt. «Entweder liebst du das Eis, oder du kannst mit dieser Landschaft gar nichts anfangen», schwärmt sie, als die «Neue Urner Zei- tung» die Altdorferin in ihrer Wahlhei- mat Los Angeles besucht. Nach acht Jahren in der Wüste von Palm Desert hat Gamma ihre Zelte nun in Los An- geles aufgeschlagen, wo sie im Künstler- viertel von Los Feliz der Betonwüste der Grossstadt entflieht. In Kalifornien le- ben, wenn man das Eis liebt, ist das kein Widerspruch? «Gar nicht», ent- gegnet Gamma. «Wüste und Eis haben viel gemeinsam. Beide machen die Zi- vilisation schwer, und das fasziniert mich.» Ökosystem stark beeinträchtigt Vor zwei Jahren reiste sie zum ersten Mal ins Swiss Camp in Grönland. Pro- fessor Konrad Steffen, heutiger Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), war damals Professor an der Universität in Colorado und Direktor des Instituts für Umweltwissenschaften, Cires. Er hat diese Forschungsstation 1990 im Auftrag der ETH Zürich aufgeschlagen. Seither messen automatische Wetterstationen in Grönland die Stärke der Sonnen- strahlung, Schnee- und Eistiefe, Wind- stärke und Lufttemperatur und stellen diese Klimatologen auf der ganzen Welt zur Verfügung. Gamma lernte Steffen kennen, als sie beim Schweizer Konsu- lat in Los Angeles im Büro aushalf. «Das global Warming ist in Grönland enorm spürbar», fasst Gamma ihre Eindrücke zusammen. «Im Sommer 2012 haben die Gletscher Grönlands Eisberge ge- kalbt, die grösser waren als die Insel Manhattan. Die oberste Eisschicht wur- de auf Rekordtemperaturen erwärmt, gleichzeitig reduzierte sich das Eis im Meer. Das hat enorme Auswirkungen auf das Ökosystem.» Fondue in der Eiswüste Gamma wurde von Steffen als Artist in Residence eingeladen, zwei Wochen im Swiss Camp zu verbringen und ihre Eindrücke künstlerisch umzusetzen. Was heisst das konkret? «Ich habe viel fotografiert, gefilmt, aber auch gekocht und abgewaschen», lacht sie. «Jeder macht im Swiss Camp alle Arbeiten.» Gammas romantische Vorstellung vom Leben in der Eiswüste wurden jedoch schnell von der Realität eingeholt. «Am meisten überrascht hat mich, dass das Eis mit einer dicken Schneedecke be- packt ist, die von steifen Winden ständig umhergeblasen wird.» Die Schlafzelte müssen deshalb jeden Tag während einer Stunde mit einer Schaufel vom Schnee, der sich vor dem Eingang in Wehen aufbaut, befreit werden. «Dabei kommt man, trotz Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, ganz schön ins Schwitzen.» Am meisten mit der Kälte zu kämpfen hatte die Fotografin jedoch beim Schlafen in den völlig ungeheizten Zelten. «Jedes Luftloch im Schlafsack ist ein Problem. Die Bettflasche, die ich mitgebracht hatte, leckte, und ein nasser Schlafsack ist noch viel kälter als ein trockener.» Zu den Höhepunkten des Lebens im Swiss Camp gehörten für Gamma gemeinsame Abendessen, die auf den mit Gas angefeuerten Koch- platten des Hauptzelts zubereitet wur- den. «Zu den kulinarischen Höhenflügen gehörte ein Sushi-Dinner, und fürs Heimweh gabs auch mal ein Fondue.» Mehr als ein reines Abenteuer Um ihren Film (siehe Box) zu aktua- lisieren, macht sich Gamma dieser Tage noch einmal nach Grönland auf, um Änderungen im Leben ihrer Protagonis- ten festzuhalten. «Ich könnte noch Jah- re an diesem Projekt arbeiten«, schwärmt sie, aber sie ist sich bewusst, dass sie es sich und ihren Protagonisten schuldig ist, dieses Projekt abzuschliessen. «Es ist für mich schon fast mehr als reines Abenteuer. Es zieht mich ständig in Regionen, wo noch niemals jemand war. Vielleicht ist etwas in meinem Hirn falsch gewickelt», lacht sie laut. «In der Stadt wird es mir immer wieder zu eng. Ich nenne es meine nie endende Sturm- und-Drang-Zeit.» Corina Gamma ist Urnerin, geboren in Altdorf. «Ich bin nur ein paar hundert Meter vom Tell-Denkmal entfernt auf- gewachsen», sagt sie – nicht ohne Stolz und zur besseren Beschreibung des Wohnorts ihrer Kindheit. Ihr Vater be- trieb eine Druckerei, die sich seit Ge- nerationen in der Familie befand und die damals auch für den Druck der «Gotthardpost», der Vorgängerin der «Urner Zeitung», verantwortlich war. «Jeden Abend haben alle meine Fami- lienmitglieder Spalten korrigiert», er- innert sie sich. «Und das auf Deutsch, Italienisch und Französisch, denn die ‹Schützenzeitung› wurde in drei Spra- chen verlegt. Das war unsere Familien- beschäftigung.» Liebe für Fotografie geweckt Später begann sie, für den Vater zu arbeiten und das Fotomaterial zu orga- nisieren, Filme zu entwickeln, zu dru- cken und zu rastern, wie das im Dru- ckerjargon heisst. Arbeiten, die ihre Liebe für die Fotografie geweckt haben. Schon als Teenager machte sie mit der alten Leica-Fotokamera des Vaters Bil- der, vor allem von Uris Nachthimmel, vom Mond und den Sternen. Nach Ab- schluss des Kollegis ging sie zur Kunst- gewerbeschule in Zürich und studierte anschliessend in Lausanne an der Ecole des Beaux Arts Malerei und Fotografie. HINWEIS Mehr über Corina Gammas Dok-Film kann man auf www.gatekeepersofthearctic.com erfahren. «Gatekeepers of the Arctic» FILM gts. «Gatekeepers of the Arctic» heisst der Dokumentarfilm, in dem Corina Gamma die Erfah- rungen, die sie im Swiss Camp und anderen Besuchen in Grön- land gemacht hat, verarbeitet. «Für mich ist es die Welt, bevor das Feuer und die Wärme das Leben verändert haben. Es faszi- niert mich, wie Menschen mit dieser harten Umgebung umge- hen.» Mit Porträts verschiedener Menschen will sie den Proble- men, die die Klimaveränderung mit sich bringt, ein Gesicht geben und die Auswirkungen einer möglichen Umweltkatastrophe illustrieren. Einer ihrer Protago- nisten ist Ivaneg, ein Inuit, der seinen Bürojob im Süden von Grönland aufgegeben hat, um zu seinem Volk im Norden der Insel zurückzukehren. «Die Einheimi- schen sind Jäger. Sie ernähren sich von Walen und Robben. Die immer dünner werdende Eis- schicht macht die Nahrungssuche jedoch immer schwieriger.» Den Schlittenhunden machen auch Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt kaum etwas aus. Bilder Corina Gamma/pd Ein faszinierendes Bild: Sonnenuntergang im Swiss Camp auf Grönland. Beim Schneeschaufeln ums Schlafzelt herum kam Corina Gamma trotz eisiger Kälte ganz schön ins Schwitzen. «In der Stadt wird es mir immer wieder zu eng.» CORINA GAMMA Wie in Uri: Der Mond fasziniert sie auch in Grönland.
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Page 1: Swiss Camp Grönland 2.pdf

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Neue LuzerNer zeituNg Neue urNer zeituNg Neue Schwyzer zeituNg Neue ObwaLdNer zeituNg Neue NidwaLdNer zeituNg Neue zuger zeituNg

riZentralschweizU

Montag, 15. April 2013 / Nr. 86

«Es ist mehr als ein reines Abenteuer» Projekt Die Urner Künstlerin Corina Gamma war Gast im Swiss Camp in der Eiswüste von Grönland. Nun verarbeitet sie ihre Erfahrungen in einem Dokumentarfilm.

GabriEla [email protected]

Wenn man an Arktis-Reisende denkt, stellt man sich Abenteurer wie Roald Amundsen oder Fridtjof Nansen vor. Ernste, ältere Herren mit eiszapfenbe-hangenen Bärten, die in von der Sonne gegerbten Gesichtern hängen. Die Urner Künstlerin Corina Gamma sprengt die-ses Klischee. Ihr ansteckendes Lachen erhellt ihr Gesicht, wann immer die Rede auf Grönland kommt. «Entweder liebst du das Eis, oder du kannst mit dieser Landschaft gar nichts anfangen», schwärmt sie, als die «Neue Urner Zei-tung» die Altdorferin in ihrer Wahlhei-mat Los Angeles besucht. Nach acht Jahren in der Wüste von Palm Desert hat Gamma ihre Zelte nun in Los An-geles aufgeschlagen, wo sie im Künstler-viertel von Los Feliz der Betonwüste der Grossstadt entflieht. In Kalifornien le-ben, wenn man das Eis liebt, ist das kein Widerspruch? «Gar nicht», ent-gegnet Gamma. «Wüste und Eis haben viel gemeinsam. Beide machen die Zi-vilisation schwer, und das fasziniert mich.»

Ökosystem stark beeinträchtigtVor zwei Jahren reiste sie zum ersten

Mal ins Swiss Camp in Grönland. Pro-fessor Konrad Steffen, heutiger Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), war damals Professor an der Universität in Colorado und Direktor des Instituts für Umweltwissenschaften, Cires. Er hat diese Forschungsstation 1990 im Auftrag der ETH Zürich aufgeschlagen. Seither messen automatische Wetterstationen in Grönland die Stärke der Sonnen-strahlung, Schnee- und Eistiefe, Wind-stärke und Lufttemperatur und stellen diese Klimatologen auf der ganzen Welt zur Verfügung. Gamma lernte Steffen kennen, als sie beim Schweizer Konsu-lat in Los Angeles im Büro aushalf. «Das global Warming ist in Grönland enorm spürbar», fasst Gamma ihre Eindrücke zusammen. «Im Sommer 2012 haben die Gletscher Grönlands Eisberge ge-kalbt, die grösser waren als die Insel Manhattan. Die oberste Eisschicht wur-de auf Rekordtemperaturen erwärmt, gleichzeitig reduzierte sich das Eis im

Meer. Das hat enorme Auswirkungen auf das Ökosystem.»

Fondue in der eiswüste Gamma wurde von Steffen als Artist

in Residence eingeladen, zwei Wochen im Swiss Camp zu verbringen und ihre Eindrücke künstlerisch umzusetzen. Was heisst das konkret? «Ich habe viel fotografiert, gefilmt, aber auch gekocht und abgewaschen», lacht sie. «Jeder macht im Swiss Camp alle Arbeiten.» Gammas romantische Vorstellung vom Leben in der Eiswüste wurden jedoch

schnell von der Realität eingeholt. «Am meisten überrascht hat mich, dass das Eis mit einer dicken Schneedecke be-packt ist, die von steifen Winden ständig umhergeblasen wird.» Die Schlafzelte müssen deshalb jeden Tag während einer Stunde mit einer Schaufel vom Schnee, der sich vor dem Eingang in Wehen aufbaut, befreit werden. «Dabei kommt man, trotz Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, ganz schön ins Schwitzen.» Am meisten mit der Kälte zu kämpfen hatte die Fotografin jedoch beim Schlafen in den völlig ungeheizten Zelten. «Jedes Luftloch im Schlafsack ist ein Problem. Die Bettflasche, die ich mitgebracht hatte, leckte, und ein nasser Schlafsack ist noch viel kälter als ein trockener.» Zu den Höhepunkten des Lebens im Swiss Camp gehörten für Gamma gemeinsame Abendessen, die auf den mit Gas angefeuerten Koch-platten des Hauptzelts zubereitet wur-den. «Zu den kulinarischen Höhenflügen gehörte ein Sushi-Dinner, und fürs Heimweh gabs auch mal ein Fondue.»

Mehr als ein reines AbenteuerUm ihren Film (siehe Box) zu aktua-

lisieren, macht sich Gamma dieser Tage

noch einmal nach Grönland auf, um Änderungen im Leben ihrer Protagonis-ten festzuhalten. «Ich könnte noch Jah-re an diesem Projekt arbeiten«, schwärmt sie, aber sie ist sich bewusst, dass sie es sich und ihren Protagonisten schuldig ist, dieses Projekt abzuschliessen. «Es ist für mich schon fast mehr als reines Abenteuer. Es zieht mich ständig in

Regionen, wo noch niemals jemand war. Vielleicht ist etwas in meinem Hirn falsch gewickelt», lacht sie laut. «In der Stadt wird es mir immer wieder zu eng. Ich nenne es meine nie endende Sturm-und-Drang-Zeit.»

Corina Gamma ist Urnerin, geboren in Altdorf. «Ich bin nur ein paar hundert Meter vom Tell-Denkmal entfernt auf-

gewachsen», sagt sie – nicht ohne Stolz und zur besseren Beschreibung des Wohnorts ihrer Kindheit. Ihr Vater be-trieb eine Druckerei, die sich seit Ge-nerationen in der Familie befand und die damals auch für den Druck der «Gotthardpost», der Vorgängerin der «Urner Zeitung», verantwortlich war. «Jeden Abend haben alle meine Fami-lienmitglieder Spalten korrigiert», er-innert sie sich. «Und das auf Deutsch, Italienisch und Französisch, denn die ‹Schützenzeitung› wurde in drei Spra-chen verlegt. Das war unsere Familien-beschäftigung.»

Liebe für Fotografie gewecktSpäter begann sie, für den Vater zu

arbeiten und das Fotomaterial zu orga-nisieren, Filme zu entwickeln, zu dru-cken und zu rastern, wie das im Dru-ckerjargon heisst. Arbeiten, die ihre Liebe für die Fotografie geweckt haben. Schon als Teenager machte sie mit der alten Leica-Fotokamera des Vaters Bil-der, vor allem von Uris Nachthimmel, vom Mond und den Sternen. Nach Ab-schluss des Kollegis ging sie zur Kunst-gewerbeschule in Zürich und studierte anschliessend in Lausanne an der Ecole des Beaux Arts Malerei und Fotografie.

HinweisMehr über Corina Gammas Dok-Film kann man auf www.gatekeepersofthearctic.com erfahren.

«Gatekeepers of the arctic»FiLM gts. «Gatekeepers of the Arctic»

heisst der Dokumentarfilm, in dem Corina Gamma die Erfah-rungen, die sie im Swiss Camp und anderen Besuchen in Grön-land gemacht hat, verarbeitet. «Für mich ist es die Welt, bevor das Feuer und die Wärme das Leben verändert haben. Es faszi-niert mich, wie Menschen mit dieser harten Umgebung umge-hen.» Mit Porträts verschiedener Menschen will sie den Proble-men, die die Klimaveränderung mit sich bringt, ein Gesicht geben und die Auswirkungen einer möglichen Umweltkata strophe illustrieren. Einer ihrer Protago-nisten ist Ivaneg, ein Inuit, der seinen Bürojob im Süden von Grönland aufgegeben hat, um zu seinem Volk im Norden der Insel zurückzukehren. «Die Einheimi-schen sind Jäger. Sie ernähren sich von Walen und Robben. Die immer dünner werdende Eis-schicht macht die Nahrungssuche jedoch immer schwieriger.»

Den Schlittenhunden machen auch Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt kaum etwas aus.

Bilder Corina Gamma/pd

Ein faszinierendes Bild: Sonnenuntergang im Swiss Camp auf Grönland.

Beim Schneeschaufeln ums Schlafzelt herum kam Corina Gamma trotz eisiger

Kälte ganz schön ins Schwitzen.

«in der Stadt wird es mir immer wieder zu

eng.»CoriNa Gamma

Wie in Uri: Der Mond fasziniert sie auch in

Grönland.

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