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Suhrkamp Verlag · 2015-10-25 · geistigen Lösungsangeboten, die im Athen des fünften...

Date post: 01-Feb-2020
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Leseprobe Warburg, Aby Werke in einem Band Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare herausgegeben und kommentiert von Martin Treml, Sigrid Weigel und Perdita Ladwig © Suhrkamp Verlag 978-3-518-58531-3 Suhrkamp Verlag
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Leseprobe

Warburg, Aby

Werke in einem Band

Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare herausgegeben und

kommentiert von Martin Treml, Sigrid Weigel und Perdita Ladwig

© Suhrkamp Verlag

978-3-518-58531-3

Suhrkamp Verlag

SV

Aby Warburg

werke in einem band

Auf der Grundlage der Manuskripteund Handexemplare

herausgegeben und kommentiert vonMartin Treml, Sigrid Weigel

und Perdita Ladwig

Unter Mitarbeit vonSusanne Hetzer,

Herbert Kopp-Oberstebrink undChristina Oberstebrink

Suhrkamp

Lektorat: Werner Irro

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Erste Auflage 2010 Suhrkamp Verlag Berlin 2010

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk

und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm

oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlagesreproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.Satz und Druck: Memminger MedienCentrum AG

Printed in GermanyISBN 978-3-518-58531-3

1 2 3 4 5 6 – 15 14 13 12 11 10

Inhalt

Martin Treml und Sigrid Weigel: Einleitung . . . . . . . . . . 9

I.genese der ›pathosformel‹

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

1. Sandro Botticellis »Geburt der Venus« und»Frühling« (1893)Vier Thesen (1893-1906) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

2. Die Theaterkostüme für die Intermedienvon 1589 (1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

3. Sandro Botticelli (1898) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1684. Dürer und die italienische Antike (1905) . . . . . . . . . . 176

II.die nymphe und pagane totenklage:

die renaissance als übergangszeitalter

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

5. Ninfa Fiorentina (1900) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1986. Florentinische Wirklichkeit und antikisirender

Idealismus (1901) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2117. Francesco Sassettis letztwillige Verfügung (1907) . . . . 2348. Der Eintritt des antikisierenden Idealstils

in die Malerei der Frührenaissance (1914) . . . . . . . . . 281

III.kritische ikonologie: astrologische bilderwelt

und symbolwanderung

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

9. Die Fixsternhimmelsbilder der Sphaera Barbaricaauf der Wanderung von Ost nach West (1913) . . . . . . 326

10. Die Planetenbilder auf der Wanderung von Südnach Nord und ihre Rückkehr nach Italien (1913) . . . 349

11. Italienische Kunst und internationale Astrologieim Palazzo Schifanoja zu Ferrara (1912/22) . . . . . . . 373

IV.religionswissenschaftliche erweiterung:

magie, mathematik, technik

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

12. Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichenVorstellungswelt (1913) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

13. Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bildzu Luthers Zeiten (1920) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

V.anthropologie und kulturgeschichte

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

14. Eine Reise durch das Gebiet der Pueblo Indianerin Neu-Mexiko und Arizona (1897) . . . . . . . . . . . . . 508

15. Bilder aus dem Gebiet der Pueblo-Indianerin Nord-Amerika (1923) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

16. Reise-Erinnerungen aus dem Gebiet der Pueblo India-ner in Nordamerika (1923) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567

VI.mnemosyne: zwischen evolutionstheorie

und bilderatlas

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

17. Symbolismus als Umfangsbestimmung (1896-1901) . . 61518. Mnemosyne Einleitung (1929) . . . . . . . . . . . . . . . . 62919. Mnemosyne I. Aufzeichnungen (1927-1929) . . . . . . . 64020. Manet’s Dejeuner sur l’herbe (1929) . . . . . . . . . . . . 647

VII.wissenschafts- und wissenspolitik

Vorbemerkung der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663

21. Die Richtungen der Kunstgeschichte (1903) . . . . . . . 67222. Zum Vortrage von Karl Reinhardt über »Ovids

Metamorphosen« in der Bibliothek Warburg (1924) . 68023. Vom Arsenal zum Laboratorium (1927) . . . . . . . . . . 68324. Schlußsitzung der Burckhardt Uebung (1927) . . . . . . 69525. Ernst Cassirer (1928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nach Seite 703

AnhangEditorische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707Beschreibung der Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710Abbildungverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718Verzeichnis der Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725Verzeichnis der von den Herausgebern verwendeten

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726Verzeichnis der Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732Verzeichnis der in Warburgs Texten erwähnten Namen . . 734Wort- und Sacherläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835

Martin Treml und Sigrid Weigel

Einleitung

Aby Warburg – Außenseiter als Zentralfigur

Der Kunst- und Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866-1929), äl-tester Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie in Hamburg, zählt zu denwichtigsten Stichwortgebern der gegenwärtigen Debatte in den Kul-turwissenschaften. Seine Hinterlassenschaft ist dreifach: die Entwick-lung einer kulturwissenschaftlichen Methode, die aus dem Studiumdes europäischen Bildgedächtnisses gewonnen ist; die Schöpfungschillernder, auf ihre Weise äußerst prägnanter Sprach- und Denkbil-der; die Gründung der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg(KBW).

Warburg überschritt fachwissenschaftliche Grenzen aus Leiden-schaft, er polemisierte oft und gern gegen die »Grenzwächterei« undführte in eigenen Unternehmungen eine fruchtbare Zusammenarbeitvon Methoden und Vertretern unterschiedlicher Disziplinen herbei.Sein Engagement galt einer methodischen Grenzerweiterung derKunstwissenschaft »in stofflicher und räumlicher Beziehung«; mitseiner Studie zu Luther und der Astrologie wollte er beispielsweise ei-nen Beitrag dazu leisten, »wie sich bei einer Verknüpfung von Kunst-geschichte und Religionswissenschaft die kulturwissenschaftlicheMethode verbessern läßt«. Darum entwickelte er ein besonderes In-teresse an Figurationen des Übergangs, der Umformung, Inversionund Konversion. So faszinierten ihn Florentiner Kaufleute undKunstmäzene wie Giovanni Rucellai und Francesco Sassetti, an de-nen er eine Form »ungestörter Vereinbarkeit von christlich-asketi-schem und antikisierend-heroischem Erinnerungskultus« rühmte. IhrEmblem war Fortuna, eine heidnische Göttin, die die Mentalität desRenaissancemenschen treffend verkörpere, obwohl dessen Leben an-sonsten den Bräuchen der christlichen Kultur folgte. Denn Fortunastelle, so Tafel 48 des Bilderatlasses (in der von Martin Warnke pu-blizierten Fassung), das »Auseinandersetzungssymbol des sich befrei-

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enden Menschen« dar. Symbole waren für Warburg keine Urphäno-mene, sondern höchst komplizierte Gebilde: Produkte von »Aus-einandersetzungsprozessen«, Konflikten und Kompromißbildungen,deren Ausdruckswille Elemente aus verschiedenen Kunst- und Wis-sensgebieten und aus entfernten Epochen zu einem Bilde zusammen-fügt.

Er lehnte es entschieden ab, Bilder nur formal zu verstehen; dochdie bloße »Auflösung eines Bilderrätsels«, mochte es noch so gelehrtsein, befriedigte ihn ebensowenig. Seine Untersuchungen einzelnerBilder, Motive und Bildprogramme gründeten in gedächtnistheoreti-schen Betrachtungen und in einer umfassenden Kenntnis dessen, wasErnst Cassirer, sein Kollege und Freund, symbolische Formen ge-nannt hat. Er hat das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwartnicht einfach als zeitliches begriffen, sondern als symbolisches oderbildliches, hervorgebracht von affekt- und ritualbegabten Wesen, vonMenschen, die einen kreativen Umgang mit dem in Wort und Bild tra-dierten Erbe pflegen.

Sosehr Warburgs Neugier der Antike und Renaissance galt, so sehrist seine Denk- und Arbeitsweise doch auch durch die Signaturen derModerne geprägt. Nutzte er die von ihm entdeckten Pathosformelnund die »kunstgestaltende Gebärdensprache« seinerzeit nicht nur fürdie Erforschung der Kultur der Renaissance, sondern auch als Seis-mographen der eigenen Epoche, so ist deren erkenntnistheoretischesPotential auch heute noch nicht ausgeschöpft. Zeitlebens waren erund seine Mitarbeiter von einem Problem fasziniert: dem Nachlebender Antike. Die Vorbildhaftigkeit und Wirksamkeit von Bildlösungenund Darstellungsstrategien, von intellektuellen Fragestellungen undgeistigen Lösungsangeboten, die im Athen des fünften vorchristli-chen Jahrhunderts, im Alexandria der Zeitenwende und im Rom derKaiserzeit entstanden waren, trieben ihn um; und die darin »nachle-benden bildlichen Vorstellungen« heidnischer oder »primitiver« Kul-turen forderten – in Attraktion wie Abstoßung – die Bildung einer ei-genen Theorie und Methode heraus. Und so erweist sich WarburgsDenken dem kritischen Blick als intellektuelle Hybridform von anti-kem Material und moderner Deutung.

Seine Denkbilder – wie ›Pathosformel‹, ›Wanderstraße der Symbo-le‹, ›Doppelherme von Apollo und Dionysos‹, ›energetische Inver-

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sion‹ – behaupten die Gleichzeitigkeit symbol- und affektgeschicht-licher Überlieferungen, mit denen pagane, antike und ›primitive‹Religionskulturen in der Geschichte des europäischen Bildgedächt-nisses fortwirken und umgeformt werden. Warburgs Forschungenmünden in dem berühmten, aber unabgeschlossenen Projekt des Bil-deratlas, der nach der Mutter der Musen benannt ist: Mnemosyne,zugleich die griechische Bezeichnung für Erinnerung oder Eingeden-ken. Der Name steht noch heutigen Tags in Majuskeln als Inschriftüber dem Eingang des am 1. Mai 1926 eröffneten Neubaus der KBW

in der Hamburger Heilwigstraße, »platzsparend gebaut wie ein Schiffund mit allem technischen Gerät ausgestattet« (Fritz Saxl), dem heu-tigen Warburg Haus, dessen Gebäude 1995 der wissenschaftlichenÖffentlichkeit auf Initiative von Martin Warnke wieder zugänglichgemacht worden ist.

Warburg, dessen Einzelstudien sich durch minutiöse Untersuchungenauszeichnen, der sich bei der Lektüre aber als spröder Autor mit vie-len Idiosynkrasien erweist, mußte schon zu Lebzeiten als exzentrischeErscheinung gelten. Mit einem Blick für intellektuelle Verwandt-schaft hat ihn Walter Benjamin in seinem Aufsatz über den BaselerRechtshistoriker Johann Jakob Bachofen einen »grandseigneuralenGelehrten« genannt. Als solcher hatte Warburg eine Stellung am Ran-de des akademischen Betriebs bezogen, um mit seinen Fragen und Lö-sungen plötzlich ins Zentrum zu treten. Zwar übernahm er führendeÄmter, präsidierte etwa 1912 mit anderen Vertretern des Fachs demInternationalen Kunsthistorischen Kongreß in Rom, auf dem er einenepochalen Vortrag zu Astrologie und Kunstentwicklung hielt (Text11). Gleichwohl blieb er immer Privatier, in gewissem Sinne Unter-nehmer, leugnete bewußt nie Herkunft aus dem und Zugehörigkeitzum Bankgeschäft, ja nannte sich einmal einen »wissenschaftlichenPrivatbankier« und ging umsichtig seinen Geschäften nach. So ver-wendete er, wie Michael Diers dokumentiert hat, lange Jahre soge-nannte Kopierbücher, um Exemplare der eigenen Briefe mittels einerAbklatschtechnik aufbewahren zu können, wie dies bei geschäftli-cher Korrespondenz damals üblich war.

Warburgs Bibliothek – für deren Aufbau und Fortbestand er derFamilienlegende nach seinem ihm nächsten Bruder Max, einem Ban-

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kier, das Erstgeburtsrecht abgetreten hatte – ist aus der Leidenschaftdes lebenslangen Büchersammelns erwachsen. Und doch ist seine Bi-bliothek viel mehr als eine bloße Büchersammlung, nämlich Arsenal,Laboratorium, machine a penser. Jenseits der üblichen Bibliotheks-ordnung sind die erworbenen Bücher nach dem »Gesetz der gutenNachbarschaft« aufgestellt, während der Gesamtplan der Bibliothekdie Forschungsinteressen seiner kulturwissenschaftlichen Methoderäumlich abbildet. Die Bücher sollen einander »in Beständigkeit undWechsel« ergänzen und Warburgs Sicht in der Verfolgung von Pro-blemen und im Stellen von Fragen verdeutlichen.

Im Dezember 1933 wurden die Bestände der KBW und ihr Personalvor den Nazis gerettet und nach London gebracht, woraus das War-burg Institute hervorgegangen ist, das als eigenständige Einrichtung1944 in die Universität London inkorporiert und fünfzig Jahre späterBestandteil der School of Advanced Study wurde. Seit 1958 ist es in ei-nem Eckgebäude am Woburn Square untergebracht, nahe des BritishMuseum. Warburgs umfassender Nachlaß wird seit 1993 vom War-burg Institute Archive (im folgenden: WIA) beherbergt. Die beidenbisherigen Leiterinnen, bis 2007 Dorothea McEwan und seitherClaudia Wedepohl, haben es zu einem Ort internationaler und trans-disziplinärer Forschung über Warburg und sein Denken gemacht.

Werk und Werkstatt –Zur Entstehung der Kulturwissenschaft vor dem Bild

Im Hinblick auf Warburgs Kulturwissenschaft bilden die Buchpubli-kationen, Aufsätze und Vortragsmanuskripte nur einen Teil seinerForschungen; ihre volle Bedeutung erschließt sich nicht ohne die Ver-bindung zu seiner Bild- und Fotosammlung und der reichen Biblio-thek als Kernstück. In ihr finden sich viele Bände mit Glossen und An-streichungen von seiner Hand. Warburg selbst hat die Bibliothek, inAnlehnung an die Selbstcharakterisierung der in Platons Apologieporträtierten Zentralgestalt Sokrates, ein »Daimonion« genannt: fürden antiken Philosophen jene Stimme, durch die sein guter Geist spre-che, aber auch die eigene, wesentlich und kompromißlos zu betrei-bende Sache.

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Im Falle Warburgs existiert kein einfaches und eindeutiges Verhält-nis zwischen Werk und Werkstatt, zwischen den publizierten Schrif-ten hier und dort den Zettelkästen, Aufzeichnungen, der Bibliothekund dem Bilderatlas, deren experimenteller, ja avantgardistischerMontagecharakter seit langem und immer wieder hervorgehobenwird.Gerade die Zettelkästen dienten zu wesentlich mehr als nur demVerzeichnen wichtiger Quellen und Forschungsliteratur. In ihnen fin-den sich Reste verworfener Projekte wie Treibgut am Strand, liegen-gebliebene Namen von Göttern, Künstlern, Werken – Stichworte, dievergebens ihrer Erlösung in Form der Weiterführung, Zusammenstel-lung, Ausarbeitung harren.

Warburgs kulturwissenschaftliche Methode ist vor dem Bild ent-standen; im buchstäblichen Sinne gilt das für die Fälle, in denen er sei-ne Überlegungen vor den Bildtafeln seinen Mitarbeitern diktiert hat,wie dies in den letzten Jahren häufig der Fall war. Bei diesen Tafelnhandelt es sich um solche aus Holz mit schwarzem Leinenbezug, aufden Fotografien geheftet wurden, die leicht wieder entfernt, umge-stellt, ausgetauscht werden konnten. Sie wurden jeweils ad hoc, zumZwecke einzelner Studien und aus unterschiedlichen Anlässen arran-giert. Warburg benutzte sie für seine öffentlichen Vorträge, wie für je-nen legendär gewordenen in der Bibliotheca Hertziana (dem heutigenMax-Planck-Institut für Kunstgeschichte) in Rom am 19. Januar1929, dessen Dokumente bzw. Reste zu den Hinterlassenschaftenzählen, die noch unediert im WIA liegen. Er nutzte die Tafeln aberauch, um im kleinen Kreis ihm bedeutsame oder neu entdeckte affekt-und symbolgeschichtliche Zusammenhänge zu verdeutlichen.

Auf dem Weg einer die Disziplingrenzen überschreitenden Um-gangsweise mit Bildern ist eine umfassende Bildwissenschaft entstan-den, die heute ins Zentrum der kunstwissenschaftlichen als einer kul-turwissenschaftlichen Diskussion getreten ist. Die Kunstgeschichtesolle für eine freilich noch ungeschriebene »historische Psychologiedes menschlichen Ausdrucks« ihr Material »zur Verfügung« stellen,so hat es Warburg in einem seiner astrologischen Vorträge (Text 11)gefordert. Im Gesamtzusammenhang seiner Forschungen sind jedochdie Bilder und die auf den Tafeln des Bilderatlasses gruppierten Bild-Konstellationen keineswegs nur Gegenstand, Inventar oder Illustra-tion eines kulturgeschichtlichen Prozesses, als welche er sie selbst

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z.B. in der Einleitung zum Mnemosyne-Atlas (Text 18) bezeichnethat. Vielmehr stellen die Zeugnisse seiner Einzelstudien zur Bild- undSymbolgeschichte die materiale, anschauliche Grundlage für derenkritische Ikonologie dar, aus deren »philologisch-historisch-metho-dischem Standpunkt« Warburg die Bausteine für sein affekttheoreti-sches Konzept der europäischen Kulturgeschichte gewonnen hat. In-sofern münden nicht nur alle seine Interessen und Obsessionen in dasMnemosyne-Projekt, das als Kombination von Atlas (ein Band mitBildtafeln) und zwei Textbänden verwirklicht werden sollte; sonderndieses bildet auch den Fluchtpunkt vieler methodischer Fragen undProbleme an der Schwelle zwischen Kunstgeschichte und Kulturwis-senschaft.

Für die methodisch-theoretischen Fragen, die die Beziehung zwi-schen Bild- und Kulturwissenschaft betreffen, sind die authentischenManuskripte Warburgs von großem Interesse. Die Korrekturen undStreichungen in den publizierten Schriften, mehr noch die Vortrags-manuskripte und fragmentarischen Aufzeichnungen, die aus der un-mittelbaren Arbeit an den Bildern entstanden sind, ermöglichen es,die Genese von Warburgs Denkbildern und Deutungen in statu na-scendi zu studieren – einschließlich der erkenntnistheoretischen Pro-bleme, einschließlich auch möglicher Inkohärenzen und offener, oftauch methodischer Fragen, die mit der Entwicklung der Kulturwis-senschaft als Arbeit an Übergängen notwendig einhergehen. Geradeletztere sind für diese Debatten besonders wertvoll.

Sprache als Symptom heißer Zonen der Kulturwissenschaft

Warburgs Originaltexte sind von einer für ihn charakteristischenSprache geprägt, seine Schreibweise und seine Wortschöpfungen ma-chen einen unverzichtbaren Teil seiner Betrachtungsweise aus. Derenmethodische und erkenntnistheoretische Bedeutung ist bislang viel zuwenig beachtet und genutzt worden – und das, obwohl seine Spracheso ungewöhnlich und eigenwillig ist, daß sich kaum darüber hinweg-lesen läßt, ein Umstand, den auch schon Zeitgenossen anerkannt ha-ben. Gustav Pauli, Direktor der Hamburger Kunsthalle und FreundWarburgs, bemerkte aus Anlaß der Lektüre des Schifanoia-Vortrags

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über dessen »Art zu schreiben. Sie ist wie eine gesättigte Lösung, ent-hält viel in knapper Fassung und entbehrt diesmal auch der Würze ei-nes leisen Humors nicht, den Sie sich sonst am Schreibtisch gerne ver-bieten. Venus als ›Besitzerin einer vergnügten Gartenwirtschaft‹ istschlagend und unvergesslich.« Und Warburgs Sohn, Max Adolph,stellte eine Liste sogenannter »Warburgismen« zusammen, die sichnoch heute im WIA findet.

Unmittelbar ins Auge springend sind die in seinen Texten leitmo-tivisch verwendeten ungebräuchlichen Komposita, und zwar nichtnur solche Substantivkombinationen, die für die deutsche Sprachecharakteristisch und nur schwer in andere Sprachen übersetzbarsind, z.B. »Entwicklungstypentafel«, »Willkürverknüpfung«, »Au-genblicksgestikulation«,»mitstilbildenderKunstfaktor«,»antikerBe-wegungsmanierismus«, »Eindruckserbmasse«, »Ausdruckswertbil-dung« u.v.m., sondern auch ganz eigenwillige Konstruktionen, diezwei entfernte Bereiche sprachlich verknüpfen, wie etwa die »auto-mobilen Bilderfahrzeuge«. Daneben begegnen zahlreiche Bindestrich-konstruktionen oder Attribut-Paarungen, in denen die Verkoppelungzweier Aspekte sprachlich gesichert und die Warburgsche Deutungder Landkarte der europäischen Kulturgeschichte fixiert wird, wieetwa »pagan südlich«, »apollinisch abklärend«, »dionysisch ansta-chelnd«, »heidnisch römisch«, »christlich asketisch«, »echt antik-pa-thetisch«, »triebhaft-magisch«.

Ein besonderes Signum von Warburgs Sprache, eine Art Familien-jargon der KBW-Werkstatt, stellen die Kurzformeln dar, in denen erseine eigenen vorausgegangenen Arbeiten zitiert, die auf diese Weiseunter den Mitarbeitern der KBW kurz aufgerufen werden können.Ein schönes Beispiel dafür ist das »Fräulein Schnellbring« oder die»Eilsiegbringitte«: Spitzname für jene Pathosformel, die in der Figurder Dienerin in Ghirlandaios Geburt des Johannes zum Ausdruckkommt, welche im Eilschritt in das ansonsten Ruhe ausstrahlendeZimmer eindringt. Sie verkörpert eine Urszene der sogenannten Nin-fa/Nymphe.

Am gewichtigsten aber sind jene Sprachschöpfungen, die das Me-dium für die spezifische Warburgsche Theoriebildung darstellen, fürdie Genese seiner Denkbilder und Deutungsmodelle, wie z.B. die Po-larität zwischen Greifmensch und Begreifen – sprachliche Pathosfor-

16 Einleitung

meln, die zu so eigenwilligen Wortschöpfungen führen wie »Begriffeohne Greiflichkeit« (Text 20). In ihnen verdichtet sich eine komplexekulturgeschichtliche Deutung, in diesem Falle die Vorstellung, daßdie Begriffe dringend der erinnernden Verknüpfung mit der ›primiti-ven‹ Kultur der »Greifmenschen« bedürfen, der sie entwachsen sind,die in ihnen aber zugleich auch überwunden werden muß. Warburgbrachte in diesem Denkbild erkenntnistheoretische und affektge-schichtliche Überlegungen zusammen. Der direkt zupackende Greif-mensch ist nicht nur Abenteurer, der auf Beute hofft, sondern ihmmangelt auch das, was Warburg den Denkraum nennt, den »imKampf mit den dämonischen Lebensmächten« abgerungenen Raum,in dem – von Warburg durchaus nicht nur in autobiographischer Per-spektive gemeint – Reflexion erst möglich ist.

Die sprachschöpferischen Dimensionen der KulturwissenschaftWarburgs sind mehr als bloße Idiosynkrasien eines Autors. Sie kön-nen als Effekte der Verknüpfung heterogener Wissens- und Kulturfel-der betrachtet werden. Sein Sprachgebrauch ist aber auch ein Sym-ptom für das Bemühen, die ikonographischen Details und Bildbelegeim Horizont einer umfassenden Kulturgeschichte zu verorten undbewertend zu verallgemeinern. Dabei bewegt sich seine Rhetorik ander Schwelle zwischen kreativen Wortschöpfungen, vergleichbar demsurrealistischen Montageprinzip auf der einen und Zwangsverknüp-fungen zweier oder mehrerer Bedeutungsbausteine auf der anderenSeite. Letztere wirken wie sprachliche Sicherungspfähle auf der Kar-te einer ins Grenzenlose tendierenden Kulturwissenschaft, derenBeiträge weit in die Gegenstände und Begriffe sehr verschiedenerForschungsgebiete und ihrer Randzonen ausgreifen. Neben derKunstgeschichte sind dies klassische Philologie, Literaturgeschichte,Religionswissenschaft, Mythologie, Astrologie, Musikwissenschaft,Orientalistik, Anthropologie, Philosophie, Psychologie, Evolutions-theorie, Bibliothekskunde, Philatelie und mehr.

Warburg und die KBW

Mit und über Warburg zu arbeiten heißt: weder ohne seine eigenenTexte noch ausschließlich mit seinen Texten arbeiten. Er hat eben

17Einleitung

nicht nur die Beiträge zum Nachleben der Antike in der Renaissanceverfaßt, sondern auch eine Bibliothek als besonderes Forschungsin-strument geschaffen, das ihn überdauern sollte. In seinen Bemühun-gen stand Warburg zu Lebzeiten durchaus nicht allein. Außer auf dieFamilie konnte er sich auch auf Mitarbeiter stützen, die er seit 1908an seine Bibliothek zog. Deren wichtigste waren der aus Wien stam-mende Kunsthistoriker Fritz Saxl und die Philosophin Gertrud Bing,eine gebürtige Hamburgerin. Beide sollten später die KBW bzw. dasWarburg Institute leiten: Saxl von 1929 bis zu seinem Tod 1948, Bingvon 1955 bis 1959. In der Nachfolge trennte sie nur der Ägyptologeund Orientwissenschaftler Henri Frankfort. Saxl lernte Warburgschon als Student 1910 kennen und trat ein Jahr später mit ihm in ei-nen regen wissenschaftlichen Austausch in Briefen, wie DorotheaMcEwans Dokumentation zeigt. Von 1913 bis Anfang 1915 arbeiteteer erstmals unter dessen Anleitung an der Sichtung und Erforschungastrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften. Ab Ja-nuar 1920 war Saxl auf Initiative von Warburgs Frau, Mary Hertz,und dem Bruder Max interimistischer, seit der Bildung des Kuratori-ums 1927 zusammen mit Bing stellvertretender Direktor. Öffnungund Ausbau der Bibliothek zum Institut mit einer regen Publikations-und Vortragstätigkeit sind vor allem ihm zu verdanken. Bing wurdeEnde 1921 angestellt und arbeitete zuerst an der Katalogisierung undSystematisierung der Bücher. Ihre Tätigkeit kann man sich nichtschwer genug vorstellen, sollte die KBW doch eine Problembibliothekim emphatischen Sinn sein. Saxl charakterisierte ihre Aufgabe rück-blickend so:

Kein verfügbares Klassifikationssystem ließ sich anwenden, da diese Biblio-thek dem Studium der Kulturgeschichte – und zwar aus einem ganz bestimm-ten Blickwinkel – gewidmet war. Sie sollte das wesentliche Material enthaltenund es in Unterteilungen darbieten, die den Studenten zu Büchern und Ideenhinleiteten, mit denen er noch nicht vertraut war. Es schien bedenklich, dies instarrer Form zu tun. In gemeinsamer Arbeit mit Gertrud Bing, der neuen Assi-stentin, wurde eine Form gewählt, die so flexibel war, daß sich das Systemohne Schwierigkeit jeden Augenblick ändern ließ, jedenfalls für kleinere The-mengruppen. Daher wird es nie so einfach sein, in der Warburgbibliothek einBuch zu finden wie in einer Sammlung, die nach Alphabet und Nummern auf-gestellt ist; man zahlt einen hohen Preis dafür – aber die Bücher bleiben eineEinheit lebendigen Denkens, so wie Warburg es geplant hatte.

18 Einleitung

Neben dieser Arbeit hatte Bing auch lange Berichte über die Aktivitä-ten der KBW ins Sanatorium Bellevue nach Kreuzlingen am Bodenseezu schicken, wo Warburg sich mehrere Jahre, von April 1921 bis Au-gust 1924, aufhielt, um eine im Herbst 1918 ausgebrochene Psychoseweiter behandeln zu lassen. Mit seiner Rückkehr nach Hamburgwurde Bing seine persönliche Assistentin. Sie begleitete ihn 1927 undauch 1928 /29, als die Arbeit am Bilderatlas im Mittelpunkt stand,auf seinen Reisen nach Italien. Darüber hinaus war sie für ihn »dieBrücke, über die ich nicht ohne Erschütterung die Geistesverfassungder nächsten Generation kennenlernte«, so Warburg in einem Briefan den Bruder Max.

Saxl und Bing erwiesen sich für Warburgs Unternehmen und For-schungen bald als unverzichtbar. Beide waren wissenschaftlicheAssistenten und Mitarbeiter, zugleich aber persönliche Angestellte,ein Umstand, der gerade Saxl Schwierigkeiten bereitete, der sich als»quantite negligeable« und Warburg als »harten Saturn-Vater« emp-fand, so in Aufzeichnungen aus Kreuzlingen, die jüngst DavideStimilli veröffentlicht hat. Der Umstand, dass Bing und Saxl ein dau-erhaftes Liebesverhältnis verband, machte die Situation nicht einfa-cher. Beide verstanden sich als treue Unterstützer und Nachlaßver-walter von Warburgs Arbeit und bemühten sich um Aufschlüsselungund Verbreitung seiner Schriften; aber sie gaben seinen Hinterlassen-schaften doch auch Eigenes bei, glätteten und ergänzten, ohne daß ihrAnteil gänzlich und endgültig zu klären sein wird.

Bing edierte unter Mitarbeit von Fritz Rougemont – im Rahmeneiner von ihr und Saxl geplanten Gesamtausgabe der Werke War-burgs – seine sämtlichen zu Lebzeiten veröffentlichten Schriften(Leipzig/Berlin 1932, Reprint Nendeln 1969). Für diese zweibändi-gen Gesammelten Schriften erstellte sie auch den Index, wie sie esfür viele Publikationen der KBW seit Mitte der 1920er Jahre getanhatte. Ihre ganz eigene Methode der Verschlagwortung sollte dasDenken Warburgs systematisch umfassen und führt etwa das Lemma›Nachleben‹ spaltenlang auf, während dieser Begriff, der doch gleich-sam zum Erkennungszeichen von Warburgs Methode werden sollte,in seinen von ihr versammelten Texten selbst wörtlich nicht vor-kommt, allenfalls in Gestalt nachlebender Bildvorstellungen. Auf die-se Weise hat Bing eine Synthese unternommen, die mehr als nur Auf-

19Einleitung

schlüsselung ist; sie hat die Lesart von Warburgs Methode wesentlichgeprägt.

Bing verfaßte auch, basierend auf einem 1962 am Londoner Cour-tauld Institute gehaltenen Vortrag, eine bedeutende Einleitung zu dervon ihr herausgegebenen italienischen Ausgabe von Warburgs Schrif-ten (Florenz 1966), die mit den Gesammelten Schriften jedoch nichtidentisch ist. Für eine Biographie Warburgs aus ihrer Hand, ein Vor-haben, das sie selbst schon jahrelang im Sinn hatte, wurde sie Mitteder fünfziger Jahre von Warburgs Neffen, dem Bankier Eric M. War-burg, gewonnen. Seine Idee war es, die Stadt Hamburg könne dieArbeit daran finanziell unterstützen, was nach Mißverständnissenschließlich auch geschah. Bing konnte diese Arbeit jedoch nicht mehrfertigstellen, wie auch schon Saxl daran gescheitert war. Spuren sei-nes Versuchs finden sich noch in seinen nachgelassenen Papieren imWIA, während Bings Nachlaß inklusive ihrer Korrespondenz von ih-ren Testamentsvollstreckern weitgehend vernichtet worden ist.

Es ist also keineswegs leicht, zwischen dem Werk Warburgs undder Arbeit der KBW zu unterscheiden. Im Rahmen einer Edition derSchriften Warburgs verschiebt sich jedoch der Blick auf die Rolle derMitarbeiter; hier geht es weniger um ihre Unterstützung und ihrenForschungsbeitrag als um ihre Eingriffe. Denn auf dem Schauplatzder Publikationen und nachgelassenen Konvolute von Typoskriptenmit handschriftlichen Korrekturen im Londoner Archiv treten War-burgs Mitarbeiter vor allem in Gestalt ihrer redaktionellen Eingriffe,Glättungen, Umschreibungen, Ergänzungen und Weiterführungen inErscheinung. Notorisches Beispiel dafür ist der Kreuzlinger Vortrag,der zu Warburgs wohl berühmtesten Texten zählt. Seine akute Psy-chose ließ wenig Hoffnung auf Heilung, wenngleich Warburg in allder Zeit Perioden von Denk- und Arbeitsfähigkeit durchlebte, Besu-cher empfing, oft täglich Briefe nach Hamburg schrieb und von dortBücher und anderes erhielt. Darum vereinbarten er und sein Arzt,Ludwig Binswanger, er solle mit einem wissenschaftlichen Vortragzeigen, inwieweit er wiederhergestellt sei. Die Probe darauf gabWarburg am 21. April 1923, als er vor Binswanger und geladenenGästen »Materialien zur Psychologie primitiver Religiosität« präsen-tierte, Reminiszenzen seiner fast drei Jahrzehnte zurückliegendenAmerikareise samt weitergehenden, grundsätzlichen Überlegungen,

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die unter dem Titel Schlangenritual berühmt geworden sind (Texte 15und 16).

Schon der Titel des Vortrags geht nicht auf ihn, sondern auf dieenglischsprachige Veröffentlichung als »A Lecture on Serpent Ritual«im zweiten Band des Journal of the Warburg Institute 1938/39 zu-rück. Diese Version erweist sich bei näherer Prüfung als eine freie Be-arbeitung und Übersetzung der Notizen, die sich Warburg für seinenVortrag gemacht hatte. Entstanden waren auch sie schon in enger Zu-sammenarbeit mit Saxl, der zu diesem Zweck für insgesamt siebenWochen nach Kreuzlingen beordert worden war. Die von WarburgsHand nachgelassenen Manuskripte dieses Vortrags weisen sämtlichandere Titel auf als in der posthumen Erstpublikation und allen wei-ter folgenden. Zwei Texte bringt die vorliegende Edition: Bilder ausdem Gebiet der Pueblo-Indianer in Nord-Amerika (Text 15) und Rei-se-Erinnerungen aus dem Gebiet der Pueblo Indianer in Nordameri-ka (Text 16), wobei letztere Version zwischen dem 10. April und dem27. Oktober 1923 datiert ist. Beide Manuskripte zeigen Eingriffe vonSaxl und Bing, von denen nicht auszumachen ist, wann sie entstandensind: zu Lebzeiten Warburgs oder später, mit seiner Einwilligung oderohne sein Wissen. Er selbst wollte den Vortrag unpubliziert lassen.

Die Eingriffe, die bei der Revision von Warburgs Schriften aufGrundlage der Manuskripte und Handexemplare erkannt wordensind – und in der hier gedruckten Fassung jeweils rückgängig oderkenntlich gemacht werden –, haben überwiegend glättenden Charak-ter. Sie berühren Warburgs Schreibweise und den für ihn signifikan-ten Sprachgebrauch. Es gibt aber auch Streichungen von persönli-chen Reflexionen, insbesondere in den Manuskripten der letztenJahre, in denen wissenschaftliche und biographische Aufzeichnungenstärker ineinandergreifen, weil Warburg seine Lebensleistung bün-deln wollte, nachdem er – wie er selbst sich nannte – als Revenant, alsUntoter aus Kreuzlingen zurückgekehrt war. Vieles, was in den Ar-beitsphasen dort entstanden und dann in die Handexemplare einge-tragen ist, zeigt deutliche Spuren des Ringens um Fassung und Selbst-aufklärung.

In manchen Fällen handelt es sich bei den Eingriffen der Mitarbei-ter auch um inhaltliche Korrekturen oder Ergänzungen, die in theore-tischer Hinsicht durchaus gravierend sein können. Ein Beispiel dafür


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