Juli 2015
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STUDIE „EINKAUF 4.0 IN ÖSTERREICH“
„Einkauf 4.0“ und „to be digital“ wird eine grundlegende Veränderung in den Einkaufsprozessen nach
sich ziehen und wird mit einem neuem Verständnis für die Kernaufgaben des Einkaufs, seiner
Vernetzung und seiner Zusammenarbeit mit den ergebnisentscheidenden Bereichen im
Unternehmen selbst und mit den Lieferanten mit sich bringen. Der nächste Paradigmenwechsel steht
unmittelbar bevor bzw. hat bereits begonnen. Nach Garcia Lopez und "e-Procurement" und des
damit verbundenen verstärkten Bewusstseins um die strategische, ergebniswirksame Bedeutung des
Einkaufs und der ersten "Automatisierung" von Routineaufgaben folgt nun – zumindest sieht es
derzeit so aus – der komplette Wandel zur Digitalisierung, zur Vernetzung Mensch-Maschine-Mensch
und zur direkten Zusammenarbeit Mensch-Maschine-Mensch, Lieferant-Kunde-Lieferant etc. Und
dies entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit allen Konsequenzen auf Disposition, Bestände,
Produktions- und Beschaffungsplanung etc. Und in der Konsequenz mit weitreichenden Folgen für
die Vertragspolitik des Unternehmens.
Offenheit und Transparenz in der Wertschöpfungskette und in der Kunden-Lieferanten-Beziehung
wird für die direkte Kommunikation, für die "Digitalisierung" nötig sein. Wenn in den 90er Jahren
Automobilunternehmen ihre Produktionsplanung, ihre ERP-Systeme segmentweise für ihre
Lieferanten geöffnet haben, diese dann selbst disponiert und geliefert haben, war dies die "Alt-
Steinzeit" der digitalisierten Kunden-Lieferanten-Beziehung. Heute gilt es, Wertschöpfungsnetzwerke
neu zu definieren, und diese für die gesamte Wertschöpfungskette zum Leben zu bringen.
Industrie 4.0 eröffnet Unternehmen ein beispielloses Maß an Datengenauigkeit zu verwenden, um
Schwachstellen in bestehenden Wertschöpfungsketten zu identifizieren. In der Automobilindustrie
haben Autos die mit der Außenwelt verbunden sind die Grenzen der Selbst-Navigation und des In-Car
Entertainment erweitert. In der Logistikbranche ermöglicht der Einsatz von Sensoren, Big Data und
Analytics-Unternehmen die Effizienz der gesamten Supply Chain Operationen zu verbessern.
Gleichzeitig bedeutet digital zu sein eng mit Kunden abgestimmt zu sein; wie diese Ihre
Entscheidungen vollziehen. Das heißt, das Kundenverhalten und die Erwartungen innerhalb und
außerhalb deren Unternehmen zu verstehen, um frühzeitig Trends zu erkennen, die Wertschöpfung
liefern oder zerstören können. Hier ist der Einkauf gefordert. Einkauf 4.0 muss sich dieser Themen
annehmen.
Es geht also um die Implementierung einer zyklischen Dynamik, wo Prozesse und Fähigkeiten sich
ständig anpassen, basierend auf Inputs der Kunden, die die laufende Produkt- oder Service-Loyalität
fördern. Mehrere Kernkompetenzen sind dafür nötig:
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Proaktive Entscheidungsfindung auf Basis der Erfassung von kundenrelevanten
Informationen, Sensordaten etc. und der Auswertung von Big Data
Kontextrelevante Interaktivität: wie agieren Kunden auf Marken und das Angebot
Echtzeit Automation: personifizierte Kundeninteraktion, flexible automatisierte Supply
Chains, Produktentwicklung in Losgrößen von einem Stück erfordern eine adäquat hohe
technologische Unterstützung
Kundeorientierte Innovation: intensive Interaktion mit Kunden und Partnern, dies schafft
mehr und bessere Informationen und erhöht die Kundenbindung
Neue Geschäftszweige in benachbarten Feldern und Marktsegmenten können sich auftun
Neue Wertschöpfungsnetzwerke können in bestehenden Sektoren identifiziert und gestärkt
werden
Das finale Element der Industrie 4.0 und damit auch des Einkaufs 4.0 ist die technologische und
organisatorische Prozessanpassung, die es dem Unternehmen ermöglicht agil und schnell zu agieren.
Alle Beteiligten können schneller und besser informiert entscheiden und die System- und
Datenarchitektur für alle beteiligten Elemente wie Menschen, Maschinen und Objekte schaffen.
Für den Einkauf wird es absolute Notwendigkeit in diesem Daten- und Informationskontext und
Netzwerk integraler und aktiver Partner zu sein, um als "Dirigent/Manager im Internet der Dinge"
und "Manager der Big Data Ökonomie" von seiner bisherigen Rolle als Kommunikator zwischen
Kundenwunsch und Möglichkeiten des Beschaffungsmarktes die nächst höhere Kompetenzstufe der
unternehmerischen Wertschöpfung zu beziehen.
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Wo steht Österreichs Einkaufsmanagement in dieser Entwicklung?
Diese aktuelle Umfrage des BMÖ und IMP haben (41) Leitunternehmen in einem repräsentativen
Branchenmix von KMU bis Großbetrieben und von der verarbeitenden Industrie bis hin zum
kommunalen Sektor im Juni 2015 beantwortet.
Die Ergebnisse werden auf den folgenden Seiten präsentiert.
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78,1% sagen, dass diese neuen Möglichkeiten ihre Branche stark oder sehr stark verändern werden.
Dies ist bedingt durch folgende Entwicklungen (Wichtigkeitsgrad 1-5; 1 niedrig 5 hoch)
1. Verstärkte Nachfrage nach individualisierten Produkten (Wichtigkeit 4,2)
2. Verstärkter Wunsch bis kurz vor Auslieferung Anpassungen vorzunehmen (Wichtigkeit 4,1)
3. Deutliche Nachfrageschwankungen (Wichtigkeit 3,8)
4. Tendenz zu kleineren Aufträgen (Wichtigkeit 3,5)
5. Deutlich Verkürzung der Produktlebenszyklen (Wichtigkeit 3,3)
Knapp 80% erwarten durch Industrie 4.0 und die Möglichkeiten der Digitalisierung eine starke
Veränderung ihrer Branche.
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55,5% können bereits heute Produkte herstellen die Informationen über die Nutzung durch den
Kunden liefern (Wichtigkeit 3,3)
46,4% können bereits heute Produkte herstellen die digital vernetzt sind (Wichtigkeit 3,1)
44,4% können bereits heute Produkte herstellen, die eindeutig identifizierbar und dem individuellen
Kunden zuordenbar sind (Wichtigkeit 3,2)
Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass hier noch erhebliches Potential vorhanden ist. Hier kann
und muss der Einkauf noch von sich aus stark aktiv und eingebunden werden.
Die Frage ist in diesem Fall auch, wie intensiv binden Unternehmen Lieferanten in die
Produktentwicklung – beispielweise in die Ideenfindung, Innovation, Konstruktion, Entwicklung,
Produktgestaltung etc. ein? Die Bedeutung und Wichtigkeit eines derartigen "early supplier
involvements“ wird als recht hoch gesehen (Wichtigkeit 3,2).
7,1% der befragten CPO´s beantworten dies mit sehr stark; 28,6% mit stark und 42,9% mit teilweise
wichtig.
Ähnliche Zahlen in der Entwicklung/dem Engineering (Wichtigkeit 3,4): 10,7% sehr stark, 39,3% stark,
35,7% teilweise.
Für Test und Prototypvalidierung gilt (Wichtigkeit 3,5): 25% sehr stark, 17,9% stark, 42,9% teilweise.
Eine große Mehrheit der Befragten erwarten
eine verstärkte Nachfrage nach individualisierten Produkten,
einen verstärkten Wunsch der Kunden, bis kurz vor Auslieferung Änderungswünsche
anbringen zu können und
eine starke Tendenz zu kleineren Aufträgen.
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Die Relevanz von "Industrie 4.0" und "Einkauf 4.0" ist unbestritten mit 32,1%, 25% und 35.7% für
relevant bis sehr relevant und enthält auch einen hohen Wichtigkeitswert von 3,9.
Der Trend „Industrie 4.0/Digitalisierung“ wird von fast allen Befragten sehr ernst genommen.
93% halten das Thema „Industrie 4.0“ bzw. die revolutionären Entwicklungen der Digitalisierung für
die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens für relevant bis sehr relevant.
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Der aktuelle Kenntnisstand zum Thema Industrie 4.0, Einkauf 4.0, Digitalisierung liegt allerdings
derzeit aber noch deutlich unter einem anzustrebenden Wert, immerhin sagen aber dennoch bereits
6,7% ausgezeichnet und 30% gut zu ihren Kenntnissen über "Industrie 4.0".
Der aktuelle Kenntnisstand zu Industrie 4.0/Digitalisierung im Einkauf ist aktuell noch deutlich
ausbaubar und wird von fast 2/3 der Befragten als noch schwach bis ungenügend eingestuft.
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Gibt es eine 4.0-Strategie im Unternehmen?
die Antwort ist mit 24,1% hier noch deutlich entwicklungsfähig. Punkto Wichtigkeit wir dies aber
auch nur mit 1,8 Punkten bewertet.
Trotz der bewerteten sehr hohen Relevanz für das eigene Unternehmen haben bisher erst 24% der
Befragten eine Digitalisierungsstrategie für das eigene Unternehmen erarbeitet.
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Der Einkauf ist derzeit zu 14,3% intensiv in die Strategieentwicklung miteingebunden. Er hat daher
hier noch einen deutlichen Nachholbedarf und steht vor einer großen Überzeugungsarbeit im
Unternehmen hier mehr und verstärkt aktiv eingebunden zu werden.
Die Strategiediskussion zu Industrie 4.0/Digitalisierung wird aktuell in den Unternehmen noch
weitgehend ohne den Einkauf geführt. Aber: Bereits 14% der befragten CPO´s geben an, in die
Industrie 4.0-Strategieentwicklung eingebunden zu sein.
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Besonderes Augenmerk ist auf die Frage zu richten inwieweit Einkauf 4.0 die komplette Kollaboration
verändern wird.
Dass diese Veränderungen in allen Wertschöpfungsketten kommen, ist mit Prozentwerten zwischen
93,5% (tendenziell hoch + hoch) und 70,4% absolut klar und wird in allen Ketten mit
Wichtigkeitsindikatoren zwischen 3,2 und 2,8 auch gesehen.
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Eine ganz wesentliche Frage kommt laut Befragung der (veränderten) Qualifikation des Einkaufs zu.
Welche Konsequenzen hat Einkauf 4.0 auf die Qualifikation und Ausbildung der Mitarbeiter?
Hier wird absolut die höhere Qualifikation als top prioritär eingestuft (Wichtigkeit 3,0). Und zwar
wird das "Weg von operativen Tätigkeiten hin zu strategischen und kollaborativen Aufgaben " von
57,1% als "sehr hoch" und von 21,4% als "hoch" eingestuft.
Fast 80% der befragten CPO´s erwarten durch Industrie 4.0 hohe Anforderungen an die Qualifikation
und Ausbildung der Einkäufer.
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Die Organisations- und Führungsstruktur wird ebenfalls beeinflusst. Der Einkauf wird sich damit noch
auseinandersetzen müssen und Rollen, Aufgaben und Verantwortungen im Einkauf werden sich
durch "Industrie 4.0" und "Einkauf 4.0" ändern.
Zudem sehen 68% der Befragten einen hohen Veränderungsbedarf in Bezug auf die
Organisationsform und Führungsstruktur im Einkauf.
Intensiv mit den durch Industrie 4.0 induzierten zukünftigen Anforderungen und Rollen des Einkaufs
haben sich bisher 10% der CPO´s beschäftigt.
Alle sieben Hypothesen über die zukünftige Rolle des Einkaufs 4.0 werden weitgehend bestätigt.
Die drei Top-Hypothesen mit besonders starker Zustimmung lauten:
Vernetzung nach innen und außen wird zur Kernkompetenz des Einkaufs 4.0
Der Einkauf 4.0 wird zum Wertschöpfungsmanager über alle Stufen hinweg und sichert
nachhaltige Wettbewerbsvorteile und Wachstumschancen für das eigene Unternehmen
Einkauf 4.0 wird «Gestalter dynamischer Wertschöpfungspartnerschaften»; Netzwerk- und
Kooperationsmanagement wird zur Basis-Kompetenz
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Den größten Gap zwischen dem heutigen Reifegrad des Einkaufs und seiner zukünftigen Rolle unter
„Einkauf 4.0“ sehen die Befragten in folgenden Zukunftsbildern:
Einkauf 4.0 wird zum strategischen Kreislauf-Manager und sucht aktiv nach neuer Material-
und Rohstofflogik
Einkauf 4.0 wird zum Innovationsmotor und Wachstumstreiber und macht die „versteckten“
Innovationskräfte der Lieferanten für das eigene Unternehmen nutzbar
Einkauf 4.0 managt dynamische Wertschöpfungsbündel aus Produkt, Prozess, Mensch und IT
Physischer, von Personen getätigter Einkauf und von der IT gesteuertem Einkauf
verschmelzen analog Internet und physischer Welt
Fazit:
Ein neuer Paradigmenwechsel steht bevor bzw. ist im Gange, der Einkauf ist auf gutem Wege mit
dabei, um hier als "Digital Scout" und "Pathfinder " die digitale Struktur und das Big Data
Management der Industrie, in Entwicklung und Produktion ebenso wie in der Kunden-Lieferanten-
Beziehung und in den internen Entscheider-Netzwerken die Entwicklung aktiv mit zu gestalten und zu
tragen. Einiges an Hausaufgaben wurde gemacht, etliches ist noch zu tun.
Kontakt
Carsten Vollrath Managing Partner | CEO INNOVATIVE MANAGEMENT PARTNER [IMP] AG Hotelstrasse, Postfach 311 CH-8058 Zürich Airport Switzerland www.IMPconsulting.com Telefon: +41 (0)44 567 61 54 Mobil: +41 (0)79 3070 578 [email protected]
Michael Klemen Mitglied des Vorstandes Mobil: +43 664 445 95 66 E-Mail: [email protected] Dkfm. Heinz Pechek Geschäftsführender Vorstand Mobil: +43 664 400 12 18 E-Mail: [email protected] BMÖ – Bundesverband Materialwirtschaft Einkauf und Logistik in Österreich Liechtensteinstraße 35/1/5, A-1090 Wien Tel: +43 (0)1 367 93 52 Fax: +43 (0)1 367 93 52 - 15 Web: www.bmoe.at