15. Juni 2018 15. ZQ-Forum
Hannover
1
Status Quo und
Weiterentwicklungschancen
von MMK –
eine Befragung der Ärztekammer
Niedersachsen und der Stiftung
Patientensicherheit Schweiz
Prof. Dr. David Schwappach, MPH
Wissenschaftlicher Leiter, Stiftung für Patientensicherheit Schweiz
www.aekn.de
17. November 2015 Seite 2
Offenlegung von potenziellen Interessenkonflikten
Name: Schwappach Vorname: David
Ich bin als Referent/in für folgende Veranstaltung tätig: 15. ZQ Forum
Datum: 15.06.2018,
Sponsoring durch folgende Firmen KEINE
Meine Interessenkonflikte bezogen auf oben genannte Firmen innerhalb der letzten drei Jahre:
Honorar für Vortrags- und/ oder Beratertätigkeiten ja nein
Übernachtungs- und Reisekosten ja nein
Aktien oder Patente an o.g. Firmen ja nein
Forschungs- und Studiengelder ja nein
Sonstiges/ andere finanzielle Beziehungen _______________________
Ich versichere, die Darstellung meiner Beiträge
produkt- und firmenneutral zu halten.
Die Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz
(MMK)
3
- Zeitnahe Aufarbeitung interner Fälle, typischerweise
- Komplikationen
- unerwartete Todesfälle
- ungewöhnliche Behandlungsverläufe
- Lange Tradition als ärztliches Weiterbildungsinstrument
- Internationale Entwicklung zur „systemischen“ MMK
individuelles und organisationales Lernen
Die Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz
(MMK)
4
- Grosses Potential zur Förderung der Patientensicherheit
- Spezifisch im Fallkontext
- Übergreifend (methodisch, konzeptionell)
- MMK ist ein «Kulturträger»
- Schlechte MMK können «Schaden» anrichten
- Evidenz zeigt grosse Heterogenität bei den MMKs
- Abgrenzung zu anderen Gefässen oft unklar
CIRS, Haftpflicht, Fallkonferenzen, Fortbildung …
Hintergrund
5
«Förderung der MMK als Instrument der Patientensicherheit»
- Site visits: MMK Visitationen & Gespräche
- Erhebung Status Quo [erst CH dann Nds]
- Entwicklung von Unterstützungsmaterialien
- CH: Unterstützung durch FMH & fmCh
Methodisches Vorgehen Befragung
6
Design «Erhebung Status Quo»
Befragung von Chefärzten als «Gefäss-Eigner»
Fragebogenentwicklung
- Stiftung Patientensicherheit Schweiz
- iterativer Prozess (Literatur und Guidelines, Expertengruppe)
- Anpassung für Verwendung in Niedersachsen inkl. Pretest
- CH: 44 Items, Version Niedersachsen: 48 Items
Methodisches Vorgehen Befragung
7
Aufbau Fragebogen
- Durchführung MMK Ja/Nein
- soziodemografische Angaben
Wenn MMK JA:
- Ziele
- Struktur
- Prozess
- Zufriedenheit, subjektive Wirksamkeit
- Weiterentwicklungsbedarf
Methodisches Vorgehen Befragung
8
Online-Befragung von Chefärzten in Akutkrankenhäusern 2017
- Postalische Einladung
- E-Mail-Reminder
- Nds: kaufmännische/ärztliche Direktoren, QMB informiert
Grundgesamtheit:
- Chefärzte/-ärztinnen der Disziplinen (jeweils incl. Spezialitäten)
- Chirurgie
- Innere Medizin
- Anästhesiologie/Intensivmedizin
- Geburtshilfe/Gynäkologie
- (Pädiatrie in Nds.)
- Grundgesamtheit = 819 (Nds) 913 (CH)
Resultate, Stichprobe
9
Guter Rücklauf
- 35% (CH) n=223
- 50% (Niedersachsen) n=351
MMK bei den meisten vorhanden
- 70% (CH)
- 85% (Nds.)
Limitation: mögliche Verzerrung durch Selbstauskunft
Stichprobe Niedersachsen
10 Disziplinen annähernd, aber nicht vollständig repräsentativ zur GG
MMK Ziele
11
97
92
64
32
5
020
40
60
80
10
0
% B
efr
ag
te (
n=
350
)
Vermeiden, dass Fehler sich wiederholen
Probleme in Abläufen und Prozessen identifizieren
Zusammenarbeit verbessern
Individuelles Fachwissen erweitern
Seltene Erkrankungen kennenlernen
Trend zur «systemischen» MMK
NB: Zertifizierung
Fallauswahl für MMK
12
69
61
39
2826 25
15 14
6 51
020
40
60
80
100
% B
efr
ag
te (
n=
34
9)
Komplikationen
Unerwartete Todesfälle
Probleme in der Zusammenarbeit
Defizite in der Organisation
Zwischenfälle
Schwere Krankheitsverläufe
Medizinische Wissenslücken/Mängel
Schadensfälle
Andere
Seltene Erkrankungen
Fälle ohne Konfliktpotenzial
Vorrangig Fälle mit schlechtem Outcome
MMK Teilnehmer
13
99 9792
4337
32
26
1410 9 7 7
0.3
020
40
60
80
10
0
% B
efr
ag
te (
n=
351
)
Chefärzte
Oberärzte
Assistenzärzte
Pflegefachkräfte
Fachpersonen aus anderen Abteilungen
Studierende
Mitarbeiter aus dem Management
Mitglieder der Geschäftsführung
Belegärzte
Hebammen
Andere
Externe Fachpersonen
Patienten und Angehörige
Ärztlich dominiert
Strukturelle Merkmale
14
TOTAL CHI INM AINS GYN PÄD
1-2 wöchentlich 9.2 8.8 11.4 7.3 10.6 0.0
Monatlich 39.4 47.8 40.5 29.1 18.4 33.3
Quartalsweise 32.7 30.2 31.7 36.4 44.7 11.1
Unregelmässig 15.0 10.1 11.4 25.5 18.4 55.6
Frequenz der MMK, % Befragte je Fachgebiet
Strukturelle Merkmale
15
TOTAL CHI INM AINS GYN PÄD
1 Fall 19.2 15.2 17.5 32.7 10.8 55.6
2 Fälle 33.0 33.5 30.0 38.2 27.0 44.4
3 Fälle 26.6 24.0 35.0 18.2 37.8 0.0
4+ Fälle 21.2 27.2 17.5 10.9 24.3 0.0
Anzahl Fälle je MMK, % Befragte je Fachgebiet
Strukturelle Merkmale
16
TOTAL CHI INM AINS GYN PÄD
< 10 Minuten 9.0 13.6 8.8 0.0 5.6 0.0
10-19 Minuten 36.9 39.6 33.8 35.2 41.7 11.1
20-30 Minuten 21.6 16.9 30.0 16.7 33.3 11.1
> 30 Minuten 32.4 29.8 27.5 48.1 19.4 77.7
Zeit pro Fall, % Befragte je Fachgebiet
Wichtige Prozessmerkmale
17
0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
0 20 6040 80 100
% der Befragten
Zufriedenheit(n=342)
Verbesserungsbedarf(n=306)
PÄD
GYN / GEB
AINS
INM
CHI
PÄD
GYN / GEB
AINS
INM
CHI
Zufriedenheit & Verbesserungsbedarf
18
Ø 85%
Ø 57%
Unterschiede zwischen den Fächern jeweils signifikant (p<0.01)
Zufriedenheit und Verbesserungsbedarf negativ korreliert
Barrieren für effektive MMK
19
74
23 2219 18
10 8 8 6 4 3
020
40
60
80
10
0
% B
efr
ag
te (
n=
313
)
Zeitmangel
nicht ausreichende Beteiligung
keine Konsequenzen/Follow-up
mangelnde methodische Kompetenz
Fehlerkultur
Weitere
Hierarchie erschwert Diskussion
mangelnde Unterstützung durch Geschäftsführung
mangelnde Unterstützung durch Management (QM)
mangelnde Unterstützung durch ärztl. Führung
fehlender erkennbarer Nutzen
Zeitmangel zentrale Barriere
Gewünschte Unterstützung
20
70
52 52
46
3936
2927
4
020
40
60
80
10
0
% B
efr
ag
te (
n=
316
)
Checkliste Vorbereitung
Vorlagen Präsentation, Protokoll
Leitfaden Durchführung
Schulungsangebot Fallanalysen
Schulungsangebot Moderation
Feedbackbogen/Evaluation
Leitfaden Implementierung
Mindeststandards
Weitere
Klares Interesse an Unterstützungsmaterialien
Einer gesetzlichen Verpflichtung zur MMK…
stehen 71% eher oder sehr positiv gegenüber
(keine Unterschiede zwischen den Disziplinen)
Gründe
- PRO: Verbesserung der Patientensicherheit, Ressourcen
- KONTRA: Pro-forma-Veranstaltungen, Bürokratie, Zwang
Gesetzliche Verpflichtung zur MMK?
21
Hypothesen:
"Gute" MMK erfüllen einige strukturelle und prozedurale Kriterien
Bei diesen "guten MMK" besteht weniger Verbesserungsbedarf
Frage:
Ist die Erfüllung struktureller und prozeduraler Kriterien negativ mit einem
Verbesserungsbedarf assoziiert?
Vorgehen:
Entwicklung eines "Qualitäts-Scores" für MMK anhand 14 binärer
Kriterien (z.B. Moderatoren geschult ja/nein)
Prüfung Zusammenhang "Qualitäts-Score" ↔ Verbesserungsbedarf
MMK-Merkmale und Verbesserungsbedarf
22
"Qualitäts-Score" für MMK (CH-Daten)
23
Schwappach et al.. Chief
physicians’ perceived need for
improvement of morbidity and
mortality conferences: the role of
structural and procedural
characteristics.
BMJ Leader 2018;2(1), 43-45.
CH: 65%
Verbesserungsbedarf
Prädiktoren für Verbesserungsbedarf (CH-Daten)
24 Schwappach et al.. Chief physicians’ perceived need for improvement of morbidity and mortality conferences: the role of structural and
procedural characteristics. BMJ Leader 2018;2(1), 43-45.
Prädiktoren für Verbesserungsbedarf (CH-Daten)
25 Schwappach et al.. Chief physicians’ perceived need for improvement of morbidity and mortality conferences: the role of structural and
procedural characteristics. BMJ Leader 2018;2(1), 43-45.
0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1.0
Pre
dic
ted p
roba
bili
ty o
fin
dic
ating
im
pro
vem
ent n
ee
d
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14score
Cooperation problems not selected as M&MC case
Cooperation problems selected as M&MC case
Fazit
26
- MMK weit verbreitet, aber sehr heterogen in der Gestaltung
- Strukturelle und prozedurale Kriterien noch nicht umgesetzt
- Insgesamt grosse Zufriedenheit, aber etwa die Hälfte sieht
Verbesserungsbedarf bei ihrer MMK
- Herausforderungen vor allem bei interdisziplinären Fächern
und Fällen
- Verbesserungsbedarf deutlich negativ assoziiert mit
strukturellen und prozeduralen Qualitäts-Kriterien
- Klarer Wunsch nach Unterstützungsmateralien optimale
Voraussetzung für Fortentwicklung
Referenzen, Daten
27
- Praplan-Rudaz, I., Pfeiffer, Y., & Schwappach, D. L. Implementation status of
morbidity and mortality conferences in Swiss hospitals: a national cross-
sectional survey study, International Journal for Quality in Health Care
2018;30(4),257-264.
- Schwappach, D.L., Häsler L., Pfeiffer, Y. Chief physicians’ perceived need
for improvement of morbidity and mortality conferences: the role of structural
and procedural characteristics. BMJ Leader 2018;2(1), 43-45.
- Schwappach D.L., Häsler L., Strodtmann L., Siggelkow, A. Morbiditäts- und
Mortalitätskonferenzen in Niedersachen: Status Quo und
Weiterentwicklungsbedarf. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität
im Gesundheitswesen 2018 (in press)