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Standardisierte Dokumentation im Schockraum mit dem Kerndatensatz „Notaufnahme“ der DIVI;...

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F. Walcher und M. Kulla haben zu gleichen Teilen zu dieser Arbeit beigetragen. Hintergrund Innerhalb der letzten 10 Jahre konnte die Schockraumversorgung durch die Einfüh- rung von ATLS® („advanced trauma life support“) aber auch durch andere Kurs- konzepte wie ETC® („European Trauma Course“) vereinheitlicht werden [2, 16, 31]. Ebenfalls wurden mit der Erstellung und Publikation der S3-Leitlinie zur Schwer- verletztenbehandlung/Polytrauma der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirur- gie (DGU) entsprechende Standards nun- mehr interdisziplinär festgeschrieben [1]. Abgesehen von diesen innovati- ven Errungenschaften existiert aktuell in Deutschland keine standardisierte Dokumentation der frühen innerklini- schen Versorgung von Notfallpatienten. Kliniken aller Fachrichtungen verwenden in den Notaufnahmen meist in Eigenregie erstellte Formulare, die innerhalb der ent- sprechenden Klinik fachspezifisch kon- zipiert und etabliert wurden, aber häu- fig weder abteilungs- noch krankenhaus- übergreifend kompatibel sind. Ein konti- nuierlich weiterentwickelter Dokumenta- tionsstandard vergleichbar mit dem, der in der präklinischen Notfallmedizin nach Einführung des bundeseinheitlichen Not- arzteinsatzprotokolls und des Minimalen Notfalldatensatzes (aktuell MIND 3) er- reicht werden konnte, existiert in der kli- nischen Dokumentation nicht [18]. Die Dateneingabe des seit fast 20 Jah- ren existierenden TraumaRegisters DGU® (TR-DGU; http://www.trauma- register.de) erfolgt derzeit nur an weni- gen Traumazentren tatsächlich prozess- begleitend. Die Regel ist vielmehr eine arbeitsaufwendige retrospektive Daten- erfassung. Ähnliche Probleme bezüglich der Datenerfassung bestehen auch für an- dere Notfälle und entsprechende Regis- ter [z. B. Schlaganfallregister einzelner Bundesländer, Reanimationsregister der Deutschen Gesellschaft für Anästhesio- logie und Intensivmedizin (DGAI; http:// www.reanimationsregister.de) [11]]. Bei einer Datenerfassung in einem zeitlichen Abstand von bis zu mehreren Monaten zu der erfolgten Behandlung leidet die Datenqualität durch eine verminderte Validität und Vollständigkeit der Infor- mationen. In den Kliniken unterscheiden sich nicht nur die Dokumente und damit die Inhalte der Notaufnahmedokumentation, sondern auch die Art der Dokumentation, also die verwendeten Medien. Die Doku- mentation der komplexen Patientenver- sorgung beim Schockraummanagement erfolgt überwiegend über papiergebun- dene Formulare. Nur ein geringer Teil der Dokumentation erfolgt primär digital und wird automatisiert in einer Datenbank er- fasst [20]. Diese wenigen digitalen Doku- mentationssysteme sind jedoch bislang al- lenfalls Insellösungen, sodass ein Daten- export und -transfer in bestehende Regis- ter schwierig bis unmöglich ist. Auch vor dem Hintergrund der sich zunehmend Unfallchirurg 2012 · 115:457–464 DOI 10.1007/s00113-012-2220-1 Online publiziert: 18. April 2012 © Springer-Verlag 2012 F. Walcher 1, 3  · M. Kulla 1, 4  · S. Klinger 1, 5  · R. Röhrig 2, 6  · H. Wyen 1, 3  · M. Bernhard 1, 7  ·  I. Gräff 1, 8  · U. Nienaber 1, 9  · P. Petersen 1, 10  · H. Himmelreich 3  · U. Schweigkofler 1, 11  ·  I. Marzi 3  · R. Lefering 1, 12 1 Sektion„Notaufnahmeprotokoll“, Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Berlin 2 Sektion Informationstechnologie und Medizintechnik, Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Berlin 3 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum der Chirurgie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 4 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Bundeswehrkrankhaus Ulm 5 Abteilung X, Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz 6 Sektion Medizinische Informatik in Anästhesiologie und Intensivmedizin, Abteilung für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin, Schmerztherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen 7 Zentrale Notaufnahme/Notaufnahmestation, Universitätsklinikum Leipzig 8 Interdisziplinäres Notfallzentrum, Universitätsklinikum Bonn 9 AUC Akademie Unfallchirurgie, Berlin 10 Zentrale Notaufnahme, Klinikum Frankfurt Höchst, Frankfurt am Main 11 Abteilung für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main 12 Institut für Forschung in der operativen Medizin, Universität Witten-Herdecke, Köln Standardisierte Dokumentation im  Schockraum mit dem Kerndatensatz  „Notaufnahme“ der DIVI Berufspolitisches Forum Redaktion H. Siebert, Berlin 457 Der Unfallchirurg 5 · 2012|
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Page 1: Standardisierte Dokumentation im Schockraum mit dem Kerndatensatz „Notaufnahme“ der DIVI; Standardized documentation in emergency departments with the core dataset of the DIVI;

F. Walcher und M. Kulla haben zu gleichen Teilen zu dieser Arbeit beigetragen.

Hintergrund

Innerhalb der letzten 10 Jahre konnte die Schockraumversorgung durch die Einfüh-rung von ATLS® („advanced trauma life support“) aber auch durch andere Kurs-konzepte wie ETC® („European Trauma Course“) vereinheitlicht werden [2, 16, 31]. Ebenfalls wurden mit der Erstellung und Publikation der S3-Leitlinie zur Schwer-verletztenbehandlung/Polytrauma der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirur-gie (DGU) entsprechende Standards nun-mehr interdisziplinär festgeschrieben [1].

Abgesehen von diesen innovati-ven Errungenschaften existiert aktuell in Deutschland keine standardisierte Dokumentation der frühen innerklini-schen Versorgung von Notfallpatienten. Kliniken aller Fachrichtungen verwenden in den Notaufnahmen meist in Eigenregie erstellte Formulare, die innerhalb der ent-sprechenden Klinik fachspezifisch kon-zipiert und etabliert wurden, aber häu-fig weder abteilungs- noch krankenhaus-

übergreifend kompatibel sind. Ein konti-nuierlich weiterentwickelter Dokumenta-tionsstandard vergleichbar mit dem, der in der präklinischen Notfallmedizin nach Einführung des bundeseinheitlichen Not-arzteinsatzprotokolls und des Minimalen Notfalldatensatzes (aktuell MIND 3) er-reicht werden konnte, existiert in der kli-nischen Dokumentation nicht [18].

Die Dateneingabe des seit fast 20 Jah-ren existierenden TraumaRegisters DGU® (TR-DGU; http://www.trauma-register.de) erfolgt derzeit nur an weni-gen Trauma zentren tatsächlich prozess-begleitend. Die Regel ist vielmehr eine arbeitsaufwendige retrospektive Daten-erfassung. Ähnliche Probleme bezüglich der Datenerfassung bestehen auch für an-dere Notfälle und entsprechende Regis-ter [z. B. Schlaganfallregister einzelner Bundesländer, Reanimationsregister der Deutschen Gesellschaft für Anästhesio-logie und Intensivmedizin (DGAI; http://www.reanimationsregister.de) [11]]. Bei einer Datenerfassung in einem zeitlichen

Abstand von bis zu mehreren Monaten zu der erfolgten Behandlung leidet die Datenqualität durch eine verminderte Validität und Vollständigkeit der Infor-mationen.

In den Kliniken unterscheiden sich nicht nur die Dokumente und damit die Inhalte der Notaufnahmedokumentation, sondern auch die Art der Dokumentation, also die verwendeten Medien. Die Doku-mentation der komplexen Patientenver-sorgung beim Schockraummanagement erfolgt überwiegend über papiergebun-dene Formulare. Nur ein geringer Teil der Dokumentation erfolgt primär digital und wird automatisiert in einer Datenbank er-fasst [20]. Diese wenigen digitalen Doku-mentationssysteme sind jedoch bislang al-lenfalls Insellösungen, sodass ein Daten-export und -transfer in bestehende Regis-ter schwierig bis unmöglich ist. Auch vor dem Hintergrund der sich zunehmend

Unfallchirurg 2012 · 115:457–464DOI 10.1007/s00113-012-2220-1Online publiziert: 18. April 2012© Springer-Verlag 2012

F. Walcher1, 3 · M. Kulla1, 4 · S. Klinger1, 5 · R. Röhrig2, 6 · H. Wyen1, 3 · M. Bernhard1, 7 · I. Gräff1, 8 · U. Nienaber1, 9 · P. Petersen1, 10 · H. Himmelreich3 · U. Schweigkofler1, 11 · I. Marzi3 · R. Lefering1, 12

1 Sektion „Notaufnahmeprotokoll“, Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Berlin2 Sektion Informationstechnologie und Medizintechnik, Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für

Intensiv- und Notfallmedizin, Berlin3 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum der Chirurgie,

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main4 Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Bundeswehrkrankhaus Ulm5 Abteilung X, Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz6 Sektion Medizinische Informatik in Anästhesiologie und Intensivmedizin, Abteilung für Anästhesiologie,

Operative Intensivmedizin, Schmerztherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen7 Zentrale Notaufnahme/Notaufnahmestation, Universitätsklinikum Leipzig8 Interdisziplinäres Notfallzentrum, Universitätsklinikum Bonn9 AUC Akademie Unfallchirurgie, Berlin10 Zentrale Notaufnahme, Klinikum Frankfurt Höchst, Frankfurt am Main11 Abteilung für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main12 Institut für Forschung in der operativen Medizin, Universität Witten-Herdecke, Köln

Standardisierte Dokumentation im Schockraum mit dem Kerndatensatz „Notaufnahme“ der DIVI

Berufspolitisches Forum

RedaktionH. Siebert, Berlin

457Der Unfallchirurg 5 · 2012  | 

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durchsetzenden Zentralen Notaufnah-men stellt sich die Aufgabe, eine dem Not-arzteinsatzprotokoll vergleichbare, ein-heitliche, interdisziplinär zu verwendende Dokumentation für die frühe innerklini-sche Notfallversorgungen in Deutschland zu entwickeln und zu implementieren.

Die angestrebte valide standardisierte Dokumentation des gesamten Manage-ments der frühen klinischen Notfall-behandlung und des Behandlungsergeb-nisses ist Grundvoraussetzung für ein transparentes Benchmarking bezüglich der Prozess- und Ergebnisqualität. So er-hält auch der Anspruch auf hohe Patien-tensicherheit eine neue Dimension durch die Möglichkeit der Überprüfung und Korrektur von Behandlungsprozessen.

Entwicklung

Die 2007 gegründete Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft (IAG) „Notaufnah-meprotokoll“ der Deutschen Interdiszipli-nären Vereinigung für Intensiv- und Not-fallmedizin e. V. (DIVI) entwickelte einen standardisierten Kerndatensatz für die frühe innerklinische Notfallversorgung. Die Zusammensetzung der IAG wurde primär interdisziplinär angelegt, um die fachspezifische Sichtweise der Notfallver-sorgung für die Dokumentation zu be-rücksichtigen. Im Rahmen der Umgestal-tung der DIVI 2010 erfolgte die Umbenen-nung der IAG in die gleichnamige Sektion.

Mitglieder der Sektion sichteten die Inhalte von mehr als 15 verschiedenen, aktuell im Einsatz befindlichen Proto-kollen aus deutschen Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen. Alle Dokumentationsinhalte wurden ge-sammelt und in einem Delphi-Prozess hinsichtlich ihrer Bedeutung in Bezug auf die klinische Versorgung gewichtet. Die bei der Erfassung berücksichtigten For-men der Dokumentation unterschieden sich erheblich. Sie reichten von reinen Papierprotokollen bis hin zu aufwendi-gen EDV-gestützten Erfassungsprogram-men auf Tablet-PCs [17, 20, 33]. Gleicher-maßen wurden die Datensätze der be-stehenden Register (Trauma Register DGU® [26], Schlaganfallregister, Reani-mationsregister der DGAI) und weitere relevante Kerndatensätze wie der Kern-datensatz Anästhesie der DGAI berück-

sichtigt [5]. In insgesamt sieben Arbeits-sitzungen und Klausurtagungen der ge-samten Sektion und mehreren zusätzli-chen Kleingruppentreffen wurde ein in-terdisziplinär und interprofessionell ver-wendbarer Kerndatensatz definiert.

Der primär erarbeitete Datensatz wur-de in sechs Krankenhäusern unterschied-licher Versorgungsstufen evaluiert und wiederholt überarbeitet.

Struktur des Datensatz

Der Datensatz enthält Items mit klinisch relevantem Inhalt, wichtige Daten für das Qualitätsmanagement (QM, Prozess- und Ergebnisqualität sowie Patienten- und Prozesssicherheit) und Informationen, um medikolegale Aspekte abzubilden.

Der Kerndatensatz ist modular aufge-baut und besteht bislang aus sechs ver-schiedenen Modulen. Ausgehend von einem Basisdatensatz für alle Patienten einer Notaufnahme wurden symptom-orientierte, fachspezifische Zusatzmodule (z. B. „Trauma“ und „Neurologie“) bzw. prozessbasierte Erweiterungen in Form der Module „Überwachung“, „Anästhe-sie“ und „Konsil“ erarbeitet. Die Module sind dahingehend gestaltet, dass während der Dokumentation der Notfallbehand-lung die redundante Erfassung von Daten weitgehend vermieden wird. Die Sektion entwarf einen entsprechenden modula-ren Formularsatz als eine mögliche Form der graphischen Umsetzung dieses Kern-datensatzes. Der Datensatz wurde am 05.10.2010 dem Präsidium der DIVI zur Konsentierung eingereicht.

Aktueller Stand

Konsentierung und Verfügbarkeit

Der 676 Items umfassende Datensatz wurde im Dezember 2010 vom Präsidium der DIVI und damit von den Vertretern der an der klinischen Notfallversorgung beteiligten Fachdisziplinen konsentiert. Die Version 1.0 des Kerndatensatzes Not-aufnahme ist seit Ende 2010 verfügbar. Dieser Kerndatensatz kann kostenfrei unter http://www.notaufnahmeprotokoll.de heruntergeladen werden. Um für die Kliniken die Einführung des Kerndaten-satzes Notaufnahme so einfach wie mög-

lich zu gestalten, wurde auch die erarbei-tete graphische Umsetzung mit allen bis-her vorhandenen Modulen zum Down-load bereitgestellt. Für aktuell 35 Kliniken wurde die papiergebundene Version mit Logos der jeweiligen Kliniken bzw. ihrer Träger individuell angepasst sowie ggf. mit kleineren inhaltlichen Erweiterun-gen versehen. Die aktuelle Rückmeldung (Stand 03/2012) aus den Krankenhäusern basiert auf der Dokumentation von insge-samt 150.000 Patienten. Die individuelle Veränderung erfolgte ohne Berechnung von Gebühren durch Mitglieder der Sek-tion Notaufnahmeprotokoll.

Module

Bei den Modulen als einer möglichen Form der graphischen Umsetzung des Kerndatensatzes wurde besonderer Wert auf die Benutzer- und Anwenderfreund-lichkeit gelegt. Sofern möglich wur-den Ankreuzfelder (Checkboxen) oder Textfelder mit Buchstabenseparierung (Datenkämme) verwendet, um zum einen eine strukturierte Erfassung für die Aus-wertung zu unterstützen, zum anderen die Bearbeitungszeit so weit wie möglich zu reduzieren. Weiterhin wurden mit Hilfe einer farblichen Kodierung einzelne Ab-schnitte entsprechend der Personengrup-pen, die die einzelnen Formularabschnitte ausfüllen sollen, gekennzeichnet. So fin-den sich gelbe Felder für die Bearbeitung durch die Pflege, blaue Felder für Ärzte und rote Felder, die einer besonderen Auf-merksamkeit bedürfen (z. B. „ Allergien“). Individuelle Lösungen und Vorgehens-weisen sind jedem Anwender natürlich unbenommen.

Modul „Basis“

Als Grundlage der Gesamtdokumenta-tion dient das Modul „Basis“, welches für jeden Patienten der Notaufnahme ge-nutzt werden kann (. Abb. 1). Rund 70% der Behandlungen in einer Zentra-len Notaufnahme können allein mit die-sem nur eine Seite umfassenden Modul hinreichend dokumentiert werden. Die-ser Befund bogen kann darüber hinaus als Entlassungsbrief an den weiterbehan-delnden niedergelassenen Kollegen ver-wendet werden. Rund 30% der Patienten-

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Berufspolitisches Forum

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behandlungen benötigen aufgrund kom-plexer Erkrankungen oder Verletzungen bzw. den daraus resultierenden Therapie-maßnahmen eine weiterführende, spezifi-schere Dokumentation.

Daher beinhaltet das Modul „Basis“ neben den wichtigsten allgemeinen ad-ministrativen Informationen zu einem

Patienten (Name, Geburtsdatum, Ge-schlecht, Adresse, Versicherungsstatus, Aufnahmedatum, Aufnahmeuhrzeit und Zuweisungsart) v. a. Felder für eine Kurz-anamnese als Checkboxen mit den Fragen nach Allergien, Schwangerschaft, Teta-nus, Isolation und eine modifizierte Ran-kin-Skala [28]. Im Block „Vitalparameter

und Triage“ werden darüber hinaus die Vitalparameter (Atemfrequenz, periphere Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Herzfre-quenz, Glasgow Coma Scale, Pupillensta-tus, Körpertemperatur und Schmerz) an-hand der ATLS®-Kriterien abgefragt. Da-neben existieren Felder, um eine Erstein-schätzung durchführen zu können (z. B.

Zusammenfassung · Abstract

Unfallchirurg 2012 · 115:457–464 DOI 10.1007/s00113-012-2220-1© Springer-Verlag 2012

F. Walcher · M. Kulla · S. Klinger · R. Röhrig · H. Wyen · M. Bernhard · I. Gräff · U. Nienaber · P. Petersen · H. Himmelreich · U. Schweigkofler · I. Marzi · R. Lefering

Standardisierte Dokumentation im Schockraum mit dem Kerndatensatz „Notaufnahme“ der DIVI

ZusammenfassungIm Bereich der frühen innerklinischen Doku-mentation von Notfallpatienten ist bisher keine einheitliche Dokumentationsgrundlage etabliert worden, obgleich in der Präklinik mit dem MIND (Minimaler Notarzt Datensatz) seit 1997 ein Dokumentationsstandard für die präklinische Dokumentation von Notfall-patienten existiert. Zur Erstellung eines inter-disziplinär verwendbaren Datensatzes wur-den aktuell verwendete Dokumentations-konzepte verschiedener Notfallaufnahmen Deutschlands, internationale Standards so-wie die Inhalte bestehender Qualitätsregister analysiert und im Rahmen eines Delphi- Prozesses ein modular aufgebauter Datensatz von der Sektion Notaufnahmeprotokoll der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V.) erstellt, klinisch validiert und Ende 2010 konsentiert.

Ausgehend von einem Basisdatensatz für alle Patienten wurden symptomorientierte Zusatzmodule („Trauma“ und „Neurologie“) bzw. prozessbasierte Module (z. B. „Überwa-chung“) erarbeitet. Neben dem Datensatz gibt es Vorschläge einer graphischen Um-setzung zu jedem der aktuell vorliegenden 6 Module. Durch diese Standardisierung wird dem verantwortlichen Team, so auch dem Schockraumteam, eine bundesweit validierte Grundlage zur Dokumentation von z. T. schwerverletzten Patienten in Notaufnahmen gegeben. Außer klinikübergreifend ver-gleichbaren Parametern des Qualitäts-managements werden alle relevanten Punk-te zum lokalen Prozessmanagement (z. B. Manchester-Triage-System, Advanced Trauma Life Support, Early Warning Score) und zur Informationsweitergabe zwischen

ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal sowie zwischen einem Kollegen und dem nächsten Behandler erfasst. Zentrale Be-deutung gewinnt diese Dokumentation da-durch, dass alle Items des TraumaRegisters DGU® für die Dokumentationsphasen Präkli-nik und Schockraum (Bogen S, A und B des Standard- und QM-Bogens) enthalten sind und somit die QM-Vorgaben des Trauma-Netzwerks DGU® zur spezifischen Dokumen-tation der Behandlung von Schwerverletzten in Trauma zentren in den genannten Zeitab-schnitten voll umfänglich erfüllt werden.

SchlüsselwörterNotfallaufnahme · Schockraum · Kerndatensatz Notaufnahme · Dokumentation · Qualitätsmanagement

Standardized documentation in emergency departments with the core dataset of the DIVI

AbstractIn Germany the documentation of every pre-hospital emergency medical treatment has been standardized since 1997 based on the core data-set MIND (minimal emergency phy-sician data-set). Against this background it is very surprising that there is still no stan-dardized data-set implemented for the documentation of early inhospital emergency care. In order to create such a data-set the current state of documentation in many different hospitals all over the country was scrutinized. In addition existing registries and international requirements were taken into consideration. Finally, a modular data-set was created using a Delphi process. This data-set was tested, clinically validated and finally ratified by the executive committee of the DIVI (German Interdisciplinary Association of Critical Care Medicine).

The modular data-set was designed in such a way that a basic module forms the

foundation for every patient. Process-oriented modules (e.g. surveillance) and symptom- oriented modules (e.g. trauma, neurology) were added if necessary. Along with this data-set a set of six modules was created for graphical representation when required. This high level of standardization not only allows an internal and external quality assessment but also provides a sophisticated documenta-tion system especially to the trauma team in the emergency department. In terms of content major parameters of interhospital quality management are recorded and important factors of process management, such as MTS (Manchester triage system), ATLS (advanced trauma life support) and EWS (early warning score) have been imple-mented. The data-set includes all necessary information for transfers between physicians and non-academic staff as well as between physicians and could also be used as a funda-

mental discharge letter. Moreover, this new core data-set is the implementation of items required by existing registries into the daily routine documentation in order to reduce unnecessarily time-consuming and error-prone secondary data acquisition. For example, all items of the preclinical and emergency room documentation for the TraumaRegister DGU® (documentation phase S, A and B of the standard and QM form) have been included. This is sufficient for participation as a Trauma Netzwerk DGU® member as far as the early clinical treatment of multiple injured patients is concerned.

KeywordsEmergency department · Trauma room · Core data-set · Documentation standards · Quality assurance

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Leitsymptom, Machester Triage System (MTS [21, 22]). Die daraus resultierende MTS-Kategorie soll dann im Anschluss markiert werden.

Als Freitextfelder werden Anamnese, relevante Eigenmedikation, Befunde, Verlauf, Therapie, Procedere bzw. Ver-legung oder Entlassung an Weiterbe-handler durch den Arzt ausgefüllt. Um die Prozessqualität zeitkritisch evaluie-ren zu können, werden für die einzelnen Behandlungsschritte jeweils die entspre-chenden Uhrzeiten dokumentiert. Die Abschlussdiagnose kann sowohl als Frei-text als auch verschlüsselt mittels ICD-10-Code erfasst werden.

Modul „Trauma“

Das Modul „Trauma“ dient der Doku-mentation von schwerverletzten Patienten im Schockraum im Einklang mit den Vor-gaben der S3-Leitlinie „Schwerverletzten-behandlung/Polytrauma“ der DGU [1] und des Weißbuchs der DGU zur Schwer-verletztenversorgung ([6]; . Abb. 2). Es

handelt sich bei der vorgeschlagenen gra-phischen Umsetzung um ein farbiges DIN-A3-Formular, das den gesamten In-halt der Dokumentationsphasen „Prä-klinik“ und „Schockraum“ des Trauma-Registers DGU® beinhaltet (Bogen S, A und B des Standard- und QM-Bogens). Zudem enthält das Modul unfallchirur-gisch relevante Items, die sich im Rah-men der Expertengespräche als im klini-schen Gebrauch unabdingbar abgezeich-net haben. Damit wird eine Dokumenta-tion möglich, die von präklinischen Daten über Aufnahmebefunde, Schockraumthe-rapie und Bildgebung bis hin zur Beendi-gung der Therapie oder Verlegung des Pa-tienten zu einer nachgeschalteten Instanz (Intensivstation, Operationssaal oder eine andere Klinik im Rahmen des Trauma-Netzwerks DGU®) reicht.

Die Verwendung des Kerndatensat-zes Notaufnahme, insbesondere die Mo-dule „Basis“ und „Trauma“, werden vom AKUT (Arbeitskreis Umsetzung Trauma-Netzwerk DGU® [30]) empfohlen (s. hier-

zu auch die Stellungnahme von AKUT in der gleichen Ausgabe).

Wesentlicher Vorteil der entwickel-ten Dokumentation ist, dass alle Mitglie-der des Schockraumteams auf den Mo-dulen „Basis“ und „Trauma“ ihre Doku-mentation vornehmen können und nicht mehr eine Vielzahl von unterschiedli-chen Formularen additiv verwendet wer-den müssen. Diese neue Vorgehensweise sichert die Weitergabe wesentlicher Infor-mationen durch zentrale Informations-bündelung und reduziert den bürokrati-schen Aufwand. Eine wichtige Vorausset-zung dafür ist natürlich, dass die beteilig-ten Fachdisziplinen die Vorteile einer ge-meinsamen Dokumentation erkennen und schätzen lernen.

Modul „Konsil“

Das Modul „Konsil“ ist ein an sich allge-mein gehaltenes Modul das bei Konsulta-tionsbedarf durch eine weitere Fachdiszi-plin verwendet wird, wenn kein weiteres bisher bestehendes Spezialmodul Anwen-dung findet. Auch hier werden Prozess-parameter (Auftragszeitpunkt und Beginn der konsiliarischen Tätigkeit) sowie die Beantwortung der Fragestellung erfasst. Zusätzlich können hier, durch den Konsi-liarius, Anordnungen und Therapieemp-fehlungen getroffen werden.

Modul „Überwachung“

Das Modul „Überwachung“ ist in dem ak-tuellen graphischen Format ebenfalls ein farbiges DIN-A3-Formular zur Doku-mentation von Parametern und Maßnah-men im zeitlichen Verlauf. Dieser Verlauf ist durch eine variable Zeitleiste sehr fle-xibel. Das bedeutet, dass die Vitalfunktio-nen bei kreislaufinstabilen Patienten eng-maschig, beispielsweise alle 5 min, doku-mentiert werden, oder auch eine 24-stün-dige Überwachung erfasst werden kann [z. B. „Clinical Decision Unit/Emergency Admission Unit“ (Notaufnahmestation), Normalstation, Aufwachraum]. Gleicher-maßen ist die Dokumentation der Verab-reichung von Medikamenten flexibel aus-zuführen. Zentrale Bedeutung kommt der Erfassung des „Early Warning Scores“ (EWS) zu [9, 29]. Dieser gibt Pflegekräf-ten ein valides Tool an die Hand, um eine

Abb. 1 9 Modul „Basis“. (Mit freundl. Genehmigung der Sektion „Notaufnahme- protokoll“ der DIVI, Berlin)

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sich möglicherweise entwickelnde Ver-schlechterung eines Patienten frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Arzt oder das „Medical Emergency Team“ (MET) rechtzeitig zu informieren [12, 29].

Auf dem Modulformular „Überwa-chung“ können auch zusätzliche Anord-nungen für die Pflege getroffen, Blut und Blutprodukte, invasive Maßnahmen so-wie Zugänge oder Katheter dokumentiert werden. Bei schwerverletzten Patienten, die durch ein interdisziplinäres Schock-raumteam behandelt werden, wird emp-fohlen, das Modul „Überwachung“ als Dokumentationsgrundlage des Anästhe-sieverlaufs zu verwenden.

Modul „Neurologie“

Das Modul „Neurologie“ wurde in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) er-stellt. Dieses Modul ermöglicht die fach-neurologische Dokumentation von Pa-

tienten mit verschiedenen neurologischen Krankheitsbildern. Erfasst werden alle Daten beginnend mit der Versorgungs-situation im häuslichen Umfeld, die aus-führliche neurologische Untersuchung, Bildgebung bis hin zur Einteilung von in-trazerebralen Blutungen und Ischämien und deren Therapie. Bei diesem beson-ders umfangreichen Modul wurde be-sonderes Augenmerk auf den Doku-mentationskomfort gelegt, indem eine klare Gliederung erfolgte und, wo immer möglich, Checkboxen zur zeitkritischen Dokumentation verwendet wurden. Da-mit dient das Modul nicht nur der reinen Dokumentation, sondern kann auch die Funktion einer Checkliste erfüllen.

Modul „Anästhesie“

Dieses Modul ist kein Anästhesiepro-tokoll im eigentlichen Sinne. Vielmehr dient es dazu, die Lücke in der Dokumen-tation zwischen den Modulen „Basis“ und

„Überwachung“ und einem Anästhesie-protokoll zu schließen, um mit einer bei-spielsweise im Schockraum begonnenen Dokumentation auch eine sich anschlie-ßende Narkose gemäß den Empfehlun-gen der DGAI dokumentieren zu kön-nen. Hierzu beinhaltet das Modul den Kerndatensatz Version 2.0 der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Inten-sivmedizin (DGAI [4, 5, 8]). Dieser wur-de 2010 für die Version 3.0 grundlegend überarbeitet [3, 13, 14, 23]. Das Notauf-nahmeprotokoll wird in der nächsten Version auf die Definitionen des aktu-ellen Kerndatensatzes Anästhesie abge-stimmt und die Konzepte werden so weit wie möglich übernommen. Insbesondere werden die Risikoindikatoren und die an-ästhesierelevanten Verlaufsbeobachtun-gen (AVB) angepasst.

Abb. 2 8 Modul „Trauma“. (Mit freundl. Genehmigung der Sektion „Notaufnahmeprotokoll“ der DIVI, Berlin)

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Weitere Module

Derzeit erfolgt die Erarbeitung weite-rer Module in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medi-zin und Pädiatrie sowie mit dem Bundes-verband für Geriatrie.

Weitere Entwicklung und Aussichten

Verschiedene Hersteller von Klinikinfor-mationssystemen (KIS) arbeiten an einer Umsetzung des Notaufnahmeprotokolls in den bestehenden Systemen oder er-arbeiten eigenständige Module für die Zentrale Notaufnahme, die auf dem Kern-datensatz basieren. Einige Anbieter verfü-gen bereits über Module für die Zentrale Notaufnahme, in denen die Inhalte des Kerndatensatzes in die bestehende Doku-mentation integriert sind [10, 19]. Zentra-les Ziel ist eine flächendeckende Imple-mentierung des Kerndatensatzes in die klinischen Informationssysteme.

Zur Umsetzung eines sinnvollen Gesamtkonzeptes der Dokumentation sind jedoch weitere Entwicklungen er-forderlich. Da in allen Kliniken interdis-ziplinär und interprofessionell gearbeitet wird und die verschiedenen Disziplinen weiterhin ihre etablierten Informations-systeme [z. B. Radiologie (RIS, PACS), Anästhesie (AIMS) [3]] einsetzen, ist für eine Akzeptanz des Kerndatensatzes die zeitnahe Entwicklung eines einheit-lichen Kommunikationsstandards erfor-derlich. Um dies zu erreichen, haben sich die DIVI-Sektionen „Notaufnahmeproto-koll“ sowie „Informationstechnologie und Medizintechnik“ mit den verschiedenen Registern, Standardisierungsorganisatio-nen und Institutionen zu der Initiative AKTIN (Aktionsbündnis für Kommuni-kationstechnologie in Intensiv- und Not-

fallmedizin) zusammengefunden. Dabei hat sich AKTIN die 3 in . Infobox 1 auf-geführten zentralen Ziele gesetzt.

Es muss eine Entwicklung und Ver-breitung von Kommunikationsstan-dards mit Zusammenführung der Daten aus unterschiedlichen Informations-quellen vom Rettungsdienst über die Zentrale Notaufnahme bis zur Intensiv-station erfolgen, um eine Kontinuität der Dokumentation und damit die bestmög-liche Kommunikation zu erreichen und auf einheitlich hohem Niveau sicherzu-stellen. Damit werden gleichzeitig Feh-ler in der Befundübermittlung im Sin-ne einer Schnittstellenproblematik mi-nimiert. Die verschiedenen Protokolle und Datensätze (Rettungsdienst, Anäs-thesie, Intensivstation, Register) sind in der zentralen Drehscheibe des Notauf-nahmeprotokolls zu harmonisieren. Die Daten können nicht nur für die innerkli-nische Auswertung (Prozess und Ergeb-nisqualität), sondern auch für einrich-tungsübergreifende Abfragen zur Qua-litätssicherung (nationales Benchmar-king) und wissenschaftliche Fragestel-lungen verwendet werden.

Automatisierte Bedienung der Register und Versorgungsforschung

Ein Ziel ist die Vermeidung einer unnö-tigen, redundanten Erfassung von Daten für die klinische Versorgung und für Forschungsdatenbanken und Register („ secondary use“ oder „Single-source-Ansatz“ [7, 27]). Für die notwendige Unterstützung durch IT-Systeme sind jedoch verschiedene Rahmenbedingun-gen zu schaffen: Um einen Datenaus-tausch zwischen den verschiedenen In-formationssystemen in der Patientenver-sorgung und der Forschung zu ermögli-chen und die Führung eines Registers zu unterstützen, ist ein einheitliches, stan-dardisiertes Vokabular zur Erfassung zwingend erforderlich. Mit der Entwick-lung des DIVI-Notaufnahmeprotokolls wurde ein wesentlicher Schritt hin zur Mehrfachverwendung klinischer Daten und damit zu einem Single-source- Ansatz unternommen. Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen für eine sys-temübergreifende Dokumentation und Bedienung bundesweiter Register.

Aus Sicht des TraumaRegisters DGU® bietet die Umsetzung von AKTIN die Möglichkeit einer zeitnahen, qualitativ hochwertigen Erfassung der Daten ohne personellen Mehraufwand. Mittelfristig müssen auch qualitätsrelevante Daten Teil der Routinedokumentation werden. Nur so lässt sich die Qualität der Versorgung effektiv darstellen und verbessern.

Schließlich können umfangreiche Frage stellungen der Versorgungsfor-schung aus unterschiedlichen Fachrich-tungen bearbeitet werden. Fachverant-wortlich bleibt die interdisziplinäre Sek-tion „Notaufnahmeprotokoll“ der DIVI.

Gesundheitspolitisch hat die Entwick-lung eines zentralen Registers einen zen-tralen Stellenwert. So können wertvolle Informationen zum tagesaktuellen Gesundheitszustand der Bevölkerung be-reitgestellt werden. Dies könnte zur Ver-hinderung potenzieller Pandemien beitra-gen, da die öffentliche Hand bei Auftreten von entsprechenden sogenannten Signa-len bundesweit auf eine große Datenmen-ge zugreifen und schnell reagieren könn-te [24, 25]. Eine ähnliche Entwicklung ist auch auf europäischer Ebene anzustreben. So wäre in Bezug auf die Surveillance eine neue Dimension der Datenerfassung zu erreichen.

Datenschutz

Gerade angesichts der vielfältigen An-wendungsmöglichkeiten gilt es die Aspekte des Datenschutzes zu berück-sichtigen: Die naheliegende Lösung eines zentralen Notaufnahmeregisters sollte aufgrund des Umfangs des Datensatzes vermieden werden. Hier muss eine mo-dulare Architektur entwickelt werden, die den Datensatz des Notaufnahme-protokolls in den verschiedenen Häu-sern auf einheitliche Weise vorhält und nur die für eine konkrete Anfrage erfor-derlichen Daten anonymisiert oder pseu-donymisiert protokolliert herausgibt. Für eine einrichtungsübergreifende Zusam-menführung von Daten stehen verschie-dene, von der „Technologie und Metho-denplattform für die vernetzte medizi-nische Forschung e.V.“ (TMF) erarbei-tete Lösungen zur Verfügung [8, 15, 24, 25]. Diese Konzepte sind unter Berück-sichtigung der „Orientierungshilfe Kran-

Infobox 1: Ziele des AKTIN

F  Harmonisierung der Datendefinition und Schaffung eines Interoperabilitätsstan-dards in Intensiv- und Notfallmedizin

F  Schaffung eines nationalen Notaufnahme-registers

F  Schaffung eines generischen Konzepts für eine Kommunikationsinfrastruktur zwischen Rettungsdienst und Klinik

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Berufspolitisches Forum

Page 7: Standardisierte Dokumentation im Schockraum mit dem Kerndatensatz „Notaufnahme“ der DIVI; Standardized documentation in emergency departments with the core dataset of the DIVI;

kenhausinformationssysteme“ der Lan-desdatenschutzbeauftragten an die für unterschiedliche Zielsetzungen entwor-fene Architektur anzupassen [32].

Update

Durch die gewonnenen Erfahrungen bei der Implementierung des Notaufnahme-protokolls in den Alltag einer zentralen interdisziplinären Notaufnahme werden sich die zu erhebenden Daten verändern. Gleichermaßen werden die Datenstruktu-ren der hinterlegten Register eine gewisse Modifikation erfahren. Daher wird regel-mäßig ein Update des Kerndatensatzes er-arbeitet und durch die Sektion publiziert.

Fazit für die Praxis

Der Kerndatensatz Notaufnahme der  DIVI ist eine konsentierte praxisorien-tierte interdisziplinäre Dokumentations-grundlage für die Schwerverletzungen-versorgung im Schockraum und beinhal-tet alle Items des TraumaRegisters der DGU® für die Behandlungsphasen Präkli-nik und Schockraum.Mit der Implementierung des Datensat-zes in die Klinikinformationssysteme in Verbindung mit einer Harmonisierung und Standardisierung der Daten wird eine automatische Bedienung bundes-weiter Register möglich.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. F. WalcherKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Zentrum der Chirurgie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

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