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STADT ALS B E DIE A N - etv-hamburg.de€¦ · Wenn ein Sprung elf Fußlängen weit ist, wird es...

Date post: 20-May-2020
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ALJOSCHA IN ACTION Der Parkour-Läufer sprintet los 1 und läuft über den breiten Bogen der Nieder- baum-Brücke 2 . Im Park hüpft Aljoscha Liebe über ein Wasserbecken 3 , und in der HafenCity klettert er an einem Pfeiler hinauf 4 , um auf einer Stahl- stange zu balancieren 5 . Er springt mit einem »Lazy« über ein Geländer 6 und klettert an einer Mauer hoch 7 . 62 Dein SPIEGEL 06 | 2020 A ljoscha Liebe schaut nach oben. Er blickt auf eine Stahl- stange, auf der er balancieren möchte. Er klettert an einem Pfei- ler hoch, hockt sich auf die Stange und richtet sich langsam auf. »Puh«, sagt er, »das ist ein biss- chen wackelig.« Er streckt die Arme aus, setzt vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Die Stahl- stange ist nicht schmal, aber sie hängt mehr als zwei Meter über dem Boden. Sie ist Teil einer kunstvollen Straßenbeleuchtung im mo- dernen Hamburger Stadtteil HafenCity. Aljoscha Liebe ist sich sicher, dass er nicht stürzen wird. Er macht schon seit 13 Jah- ren Parkour. Bei der Sportart geht es da- rum, Hindernisse so schnell wie möglich zu überwinden. Er saust über Geländer, zieht sich Mauern hinauf oder balanciert über Stahlstangen. DIE STADT ALS A B E N 5 4 3
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Page 1: STADT ALS B E DIE A N - etv-hamburg.de€¦ · Wenn ein Sprung elf Fußlängen weit ist, wird es spannend. In der Stadt kann Aljo - scha Betonklötze nicht näher aneinander-rücken

ALJOSCHA IN ACTIONDer Parkour-Läufer sprintet los 1 und läuft über den breiten Bogen der Nieder-

baum-Brücke 2 . Im Park hüpft Aljoscha Liebe über ein Wasserbecken 3 ,

und in der HafenCity klettert er an einem Pfeiler hinauf 4 , um auf einer Stahl-

stange zu balancieren 5 . Er springt mit einem »Lazy« über ein Geländer 6 und

klettert an einer Mauer hoch 7 .

62 Dein SPIEGEL 06 | 2020

A ljoscha Liebe schaut nachoben. Er blickt auf eine Stahl-stange, auf der er balan cieren

möchte. Er klettert an einem Pfei-ler hoch, hockt sich auf die Stangeund richtet sich langsam auf.»Puh«, sagt er, »das ist ein biss -chen wackelig.« Er streckt dieArme aus, setzt vorsichtig einenFuß vor den anderen. Die Stahl-stange ist nicht schmal, aber siehängt mehr als zwei Meter überdem Boden. Sie ist Teil einer

kunstvollen Straßenbeleuchtung im mo-dernen Hamburger Stadtteil HafenCity.Aljoscha Liebe ist sich sicher, dass er nichtstürzen wird. Er macht schon seit 13 Jah-ren Parkour. Bei der Sportart geht es da-rum, Hindernisse so schnell wie möglichzu überwinden. Er saust über Geländer,zieht sich Mauern hinauf oder balanciertüber Stahlstangen.

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Aljoscha kletterte als Kind auf Bäu-me und Spielplatz-Hütten. Mit 17 Jah-ren sah er auf YouTube ein Video überParkour-Läufer. Sie rannten durch Ru -inen und sprangen über Betonblöcke.»Ich fand es toll, wie die Sportler ausden zerstörten Häusern etwas Schönesgemacht haben«, erinnert er sich. We-

nige Tage später nahm Aljoscha zum erstenMal an einem Parkour-Training in Ham-burg teil. Auf einmal war eine Mauer keineAbgrenzung mehr für ihn und eine Bankmehr als eine Sitzgelegenheit. Die Stadtwurde zu einem Abenteuer-Spielplatz.

Nach der Stahlstange sucht sich Aljo-scha das nächste Turnobjekt in der Hafen-

City, die Niederbaumbrücke: Brei-te Bögen spannen sich von einerKanalseite zur anderen, darunterfließen Alster und Elbe zusam-men. Aljoscha läuft an und sprin-tet über einen Bogen. Seine Armeschnellen vor und zurück, seineSchuhe machen »patsch-patsch-patsch« auf dem Stahl. Er lächelt,als er unten wieder ankommt. Al-joscha macht nur das, worin ersich sicher fühlt. Über den Bogenkann er rennen, weil der so breit

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Aljoscha Liebe, 30, spaziert nicht einfach durch

die Stadt. Viel lieber rennt er über Brücken,

balanciert über Zäune und schwingt von Ast zu Ast.

Er ist Parkour-Läufer.2

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ist. »Ich setze niemals mein Leben aufsSpiel.«

Bevor sich Aljoscha an einer Mauerhochzieht, prüft er, ob er sich oben fest-halten kann. Bevor er von einem Dachspringt, kontrolliert er, dass keine Glas-scherben dort liegen, wo er sich abrollenmöchte. Bislang hatte Aljoscha Glück. Erhat sich noch nie ernsthaft verletzt. »Wennmein Körper wehtut, dann nur, weil ichzu viel trainiert habe«, sagt er. Beim Sprin-gen, Hüpfen, Laufen, Schwingen und Klet-tern wird der ganze Körper beansprucht.

Aljoscha weiß genau, wie weit er sprin-gen kann: »So weit, wie meine Füße zehn-mal hintereinanderpassen«, erklärt er.Wenn ein Sprung elf Fußlängen weit ist,wird es spannend. In der Stadt kann Aljo-scha Betonklötze nicht näher aneinander-rücken wie Kästen in der Turnhalle. Er fordert sich heraus und geht an seine Gren-zen: »Wenn ich durch die Stadt laufe undmich bewegen kann, wie ich will, habeich das Gefühl, dass mir nichts im Wegsteht.«

Viele Sportler trainieren Parkour in derStadt. Aljoscha geht auch gern in den Park.»Das ist mein Traum-Baum«, sagt Aljo-scha und zeigt auf eine große Buche. Diedicken Äste beginnen nah am Boden undwachsen gleichmäßig in alle Richtungen.Aljoscha nimmt Anlauf, setzt zum Sprungan – und stoppt. Er läuft ein zweites Malan, aber der Sprung klappt nicht. Beimdritten Mal schwingt er seine Arme in dieHöhe, wirft seine Beine über den Ast undlandet wieder sicher auf der Erde. Aljo-schas Ziel ist es, Hindernisse flüssig zuüberwinden, ohne zu zögern oder zu stop-pen. Dafür übt er die Bewegungen immerwieder. Irgendwann sehen sie elegant undmühelos aus.

Aljoscha übt nicht nur für sich. Als Par-kour-Trainer zeigt er beim EimsbüttelerTurnverband Kindern und Erwachsenendie Grundtechniken und bringt ihnen bei,die Stadt zum Spielplatz zu machen. Siesollen sich selbst überlegen, wie sie eineTreppe hinaufhüpfen oder durch ein Git-terloch kriechen können. »Die meistenKinder sind mutig«, sagt Aljoscha. Bei Erwachsenen ist es anders. Die muss Aljoscha ermuntern, sich zu trauen unddoch zu springen.

Mira Taylor

PARKOURTIPPS

Nimm Anlauf, undspring auf eine Treppen-stufe. Probier nach und nach, immer eineTreppenstufe weiter zu springen. Wie viele Stufen schaffst du?

Such dir einen Zaun,ein Geländer oder eineMauer zum Balancieren.Setz deine Füße geradeauf die Stange oderMauer, und streck deineArme zu beiden Seitenaus, um das Gleich -gewicht zu halten.

Merk dir einen Punktam Bordstein. Springmit beiden Beinen ab,und versuch, genau aufdem Punkt zu landen,ohne zu wackeln odermit den Füßen aufzu-stampfen. Geh dafür indie Knie, und lande aufdem Fußballen, nichtauf der Ferse.

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SO WIRST DUSTADT-AKROBAT(die Turnhallen sind ja eh zu…)


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