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sicher leben 1-2015

Date post: 08-Apr-2016
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Das bfu-Magazin für Präventionspartner
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VELO UND E-BIKE Mit dem Velo zur Arbeit SAFETYKITS FÜR BETRIEBE Sofort einsetzbar, wenig Aufwand ÄLTERE AUTOLENKENDE Die Selbstverantwortung fördern Das bfu-Magazin für Präventionspartner 1/2015
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VElo UND E-BIKE

Mit dem Velo zur Arbeit

SAFETYKITS FÜR BETRIEBE

Sofort einsetzbar, wenig Aufwand

ÄlTERE AUTolENKENDE

Die Selbstverantwortung fördern

Das bfu-Magazin für Präventionspartner 1/2015

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Die Zahl: Notfälle schnell behandeln dank Tox Info Suisse

Editorial

11 674 Mal klingelte das Notfalltelefon 145 bei Tox Info Suisse im Jahr 2013. Dabei ging es meistens um Notfälle im Zusammenhang mit chemischen Pro­dukten im häuslichen Umfeld. Etwas mehr als ein Viertel dieser Fälle führte zu behandlungsbedürftigen Vergiftun­gen, 6 – 8 % hatten schwere und ver­einzelt auch tödliche Folgen. Wahr­scheinlich ist die Dunkelziffer noch viel grösser, Experten schätzen etwa 4 – 5 Mal. Dies zeigt: Es besteht Hand­lungsbedarf im korrekten Umgang mit chemischen Produkten.

Per Mitte 2015 treten neue Gefah­rensymbole in Kraft. Damit die Bevöl­kerung diese kennenlernt, informiert

das Bundesamt für Gesundheit BAG umfassend. Unter anderem auch mit einem Smartphone­App «Cheminfo», das kostenlos für iPhone und Android heruntergeladen werden kann. tg

Weitere interessante Zahlen und

nützliche Tipps zur Unfallverhütung

auch auf den neuen Social-Media-

Kanälen der bfu:

www.socialmedia.bfu.ch

EinstiEg

Im Hinterkopf behalten!«Ja, wir san mit’m Radl da», trällert man in einem Volkslied. Tatsächlich ist Velofahren auch in der Schweiz ein Volkssport: 3 Millionen Köpfe sind mit dem Velo unterwegs – auf der Strasse oder abseits, zum Ein­kaufen oder zur Arbeit, ohne oder mit elektrischer Unterstützung. Ja, Velofahren macht Spass.

Und so soll es auch bleiben. Wer sich an die Regeln hält, für andere bei Dunkelheit sichtbar ist (helle Köpfe sieht man auch im Dunkeln) und für den Fall der Fälle seinen Kopf schützt (kluge Köpfe schützen sich) fährt definitiv besser. Und wer sich wie ich auf ein bequemes E­Bike schwingt, muss im Kopf noch ein paar Meter weiter vorausplanen. Denn oft wird die Geschwindigkeit von uns E­Bikenden unterschätzt, da wir als «normale» Velofahrer wahr­genommen werden.

Der Frühling kann also kommen. Ich wünsche Ihnen eine sichere Fahrt – natürlich mit schützendem Kopfschmuck!

Tom Glanzmann

imprEssumHerausgeberin: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung, Hodlerstrasse 5a, CH-3011 Bern, [email protected], www.bfu.ch, Tel. + 41 31 390 22 22 Adressänderungen: [email protected] Redaktion: Ursula Marti (wortreich gmbh), Tom Glanzmann (bfu), Rolf Moning (bfu), Nathalie Wirtner Julmi (bfu) Redaktionsadresse: Ursula Marti, wortreich gmbh, Maulbeer strasse 14, 3011 Bern, [email protected], Tel. + 41 31 305 55 66 Korrektorat: Hedy Rudolf (bfu) Bildnachweise: Seite 1: thinkstock; Seiten 2, 5, 12, 13, 16: bfu; Seiten 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11: Iris Andermatt; Seiten 14, 15: VCS Layout: SRT Kurth & Partner AG, Ittigen Druck: AST & FISCHER AG, Wabern Auflage: Deutsch: 9400, Französisch: 3400, Italienisch: 1200. Das Magazin erscheint vierteljährlich. ISSN 2235-8846 (Print) / ISSN 2235-8854 (PDF).

© Wiedergabe von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion und unter vollständiger Quellenangabe.

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bfu-Fachexpertin und Mitglied des Forschungsteams Esther Walter: «Velofahrende können viel für ihre eigene Sicherheit tun.»

fokus VElo

VorsiCHt BEim Vortritt Während sich die Anzahl Autounfälle in den letzten Jahren reduziert hat, ist die Zahl der Velounfälle konstant geblieben. Eine besondere Herausforderung ist die Zunahme der E-Bikes. bfu-Fachexpertin Esther Walter gibt Auskunft.

Mit dem Velo zur Arbeit

Die bfu unterstützt also die Idee, den Arbeitsweg per Velo zu bewältigen? Für die Gesundheit, die Umwelt und auch für die persönliche Lebensqua ­ lität ist es von Vorteil, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren. Die bfu ermun ­ tert deshalb Betriebe, dies zu fördern und gleichzeitig die Mitarbeitenden für sicheres Velofahren zu sensibili­sieren.

Welche Sicherheitsaspekte sind besonders auf dem Arbeitsweg zu beachten?Grundsätzlich bestehen auf dem Arbeits­weg die gleichen Gefahren wie auch sonst beim Velofahren. Dazu kommt aber, dass während der Stosszeiten be ­

sonders viele Autopendler unterwegs sind. Viele sind pressiert oder gestresst und in Gedanken schon – oder noch – bei der Arbeit respektive zu Hause. Sel­ber ist man auf dem Arbeitsweg eben­falls in einer anderen Stimmung als auf einer Velofahrt, die man in der Freizeit zum Vergnügen macht.

Was können die Arbeitgeber tun, um ihre Mitarbeitenden vor Velounfällen zu schützen? Sie können ihnen Fahrtipps geben. Das bfu­SafetyKit «Keiner bremst für Unsichtbare» liefert ihnen dafür fixfer­tige Hilfsmittel, die einfach einzuset­zen sind: Plakat, Flyer mit Tipps für einen sicheren Arbeitsweg, Speichen­

Manche Arbeitnehmende ziehen es vor, mit dem Velo oder dem E-Bike zur Arbeit zu fahren anstatt mit dem Zug oder dem Auto. Wie steht es um die Sicherheit der Rad- fahrenden? Esther Walter: Von den Unfallzahlen her sind das Auto oder die öffentlichen Verkehrsmittel sicherer als das Velo. Nimmt man das Velo für den Arbeits­weg, geht man in diesem Sinn ein zusätzliches Risiko ein. Aber Velofah­rende können ihre Sicherheit entschei­dend mitbeeinflussen: Es ist ein gros­ser Unterschied, ob der Arbeitsweg direkt über die Hauptverkehrsachse oder über Umwege durch verkehrsbe­ruhigte Quartiere gefahren wird.

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fokus VElo

reflektoren, Präsentation und ein Kurz­video (siehe Kasten). Die Betriebe kön­nen aber noch mehr tun.

Das wäre?Sie können Veloparkplätze schaffen, auf denen das Velo vor Niederschlägen geschützt ist und vor Diebstahl ge sichert werden kann. Idealerweise sind dort auch gleich abschliessbare Schränke für Helm, Handschuhe, Regenschutz usw. Eine gute Ausrüstung erhöht die Sicher­heit. Wenn die Mitarbeitenden sie an Ort deponieren können, wird sie auch öfter benutzt. Die Firmen könnten zudem einmal im Jahr einen Velo­Repa­ratur­Service anbieten, damit Licht und Bremsen bei allen gut funktionieren.

Grössere Firmen bieten sogar Velo-Fahrkurse an.Ja, beispielsweise spezielle E­Bike­Kurse oder Biking im Gelände. Das ist sehr sinnvoll. Im Vergleich zu den Velofah­renden verunfallen E­Bikerinnen und E­Biker weit häufiger allein, d. h. ohne Kollision mit andern Verkehrsteilneh­menden. Der Umgang mit dem E­Bike ist nicht zu unterschätzen. Ein Kurs kann hier wertvolle Tipps liefern. Kurse von Unternehmen zielen oft eher auf das Velofahren in der Freizeit ab, was durchaus Sinn macht: Die Betriebe sind nach wie vor stärker durch Veloun­fälle in der Freizeit als durch solche auf dem Arbeitsweg belastet.

Was können denn die Velofahrenden selber für ihre Sicherheit tun? Viel! Wer stets achtsam ist, sich an die Verkehrsregeln hält, sich mit Licht und reflektierendem Material sichtbar macht und einen Helm trägt, kann sein Risiko deutlich reduzieren.

Ein wichtiges Thema ist der Vor tritt. Die bfu hat mit Partnern zusam men die Kampagne «Vorsicht beim Vortritt – du weisst nie, was kommt» lanciert. Velofahrende missachten oft den Vor­tritt, sei es bei Stopp­Strassen, Abbiege­manövern oder gar durch Überfahren des Rotlichts. Sie gefährden sich dabei massiv, sind sich dessen aber oft gar nicht bewusst. Auf dem Velo hat man schnell einmal das Gefühl «ich habs im Griff» und fährt einfach durch, wo man eigentlich anhalten sollte. Die Unfall­analysen zeigen, dass dieses Gefühl täuscht. Das Missachten der Vortritts­regeln ist eine häufige Unfallursache.

Und welche Rolle spielen dabei die Autolenkerinnen und Autolenker?Die Sicherheit der Velofahrenden hängt massgeblich auch vom Verhal­ten der Autolenkenden ab. Bei ihnen

geht es darum, dass sie die Velos nicht übersehen und sich ihrerseits an die Vortrittsregeln halten. Viele Autofah­rende lassen sich am Steuer immer häufiger von Handys oder anderen elektronischen Geräten ablenken. Ihre Aufmerksamkeit ist durch die Zunahme an E­Bikes zusätzlich gefor­dert. Wenn Autofahrende ein E­Bike als «normales» Velo wahrnehmen und folglich die Fahrgeschwindig ­ keit unterschätzen, kommt es mögli­cherweise zu einer Kollision.

Ist es so schwierig, die Geschwindigkeit einzuschätzen?Die bfu führt derzeit eine praktische Stu­die durch, bei der erfasst wird, wie gut Autolenkende die Geschwindigkeit von Velos und E­Bikes einschätzen können. Wir sind gespannt auf die Auswertung, die im Sommer 2015 vorliegen wird.

Die Zahlen• 2013 verunfallten 790 Velo- und

114 E-Bike-Fahrende schwer,

17 bzw. 4 starben.• Bei Kollisionen wurden im Jahr 2012

439 Velo- und 42 E-Bike-Fahrende

schwer oder tödlich verletzt. In zwei

von drei Fällen erfolgte die Kollision

mit einem PW. • Die Missachtung des Vortritts ist die

häufigste Ursache für Kollisionen

zwischen Auto und Velo. Beide

werden ungefähr gleich häufig als

Hauptverursacher genannt (46 %

bzw. 44 %).• Während sich die Zahl schwer

verunfallter PW-Insassen zwischen

2002 und 2012 halbierte, hat sich

die entsprechende Bilanz bei den

Velo- und E-Bike-Fahrenden

insgesamt nicht verbessert.

Die Kampagne

«Vorsicht beim Vortritt – Du weisst

nie, was kommt!» wurde gemeinsam

von Pro Velo, VCS, bfu, Suva, TCS,

Polizei und FVS lanciert. Sie dauert

von 2014 – 2016.

www.vorsicht-vortritt.ch

Tipps fürs Radfahren: Broschüre

«Radfahren – Sicher im Sattel» auf

www.sicherleben.bfu.ch

Vorsicht beim Vortritt – Du weisst nie, was kommt!

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Welche Rolle spielt eigentlich der Helm? Er kommt in dieser Kampagne gar nicht vor. Einen Helm zu tragen ist absolut not­wendig, aber reicht nicht aus. Der Helm ist keine Lebensversicherung. Er ist ein Mittel der Sekundärprävention, verhin­dert also keinen Unfall, sondern ver­mindert die Verletzungsschwere – dies jedoch effektiv. Die aktuelle Kampagne hat zum Ziel, es gar nicht erst zum Unfall kommen zu lassen. Deshalb steht der Helm nicht im Zentrum. Gleich­wohl sollten die Betriebe das Helmtra­gen propagieren.

bfu-intErn

Wechsel in der bfu-GeschäftsleitungNach 30 Jahren Einsatz ging per

Ende 2014 das Geschäftsleitungs-

mitglied Jörg Thoma in den Ruhe-

stand. Seit dem 1. Januar 2015

ist Regula Hartmann-Bertschi Mit-

glied der bfu-Geschäftsleitung.

Die bfu dankt Jörg Thoma für

seinen engagierten Einsatz und

heisst Regula Hartmann herzlich

willkommen.

bfu-SafetyKits

Das neuste SafetyKit «Keiner bremst

für Unsichtbare» soll Mitarbeitende

von KMUs dafür sensibilisieren, sicher

mit dem Velo zur Arbeit zu fahren. Es

richtet sich an Personalverantwortliche

und Sicherheitsbeauftragte, die damit

ohne grossen Aufwand Präventions-

arbeit leisten können. Im Fokus ste -

hen folgende vier Hauptbotschaften:• Vorsicht in Vortrittssituationen:

Ein Kontrollblick lohnt sich.• Machen Sie sich sichtbar – auch

am Tag.• Fahren Sie immer mit Helm.• Achtung! Ein E-Bike ist schneller

als man denkt.

Im SafetyKit enthalten sind:• Plakat A3 (für Kantine, Cafeteria,

Treppenhaus, Aufzug, Schwarzes

Brett, Empfangshalle usw.)• Flyer mit Tipps für den sicheren

Arbeitsweg mit dem Velo und

Speichenreflektoren zum Abgeben• Power-Point-Präsentation (für

Informationsanlass oder Intranet)• Kurzvideo

Mehr Informationen zum gesam ten

Angebot für Unternehmen auf

www.betriebe.bfu.ch

Alle Themen der SafetyKits auf

www.safetykit.bfu.ch Plakat aus dem SafetyKit «Keiner bremst für Unsichtbare».

Welche Botschaft zum Velohelm liegt Ihnen besonders am Herzen? Die grosse Schutzwirkung des Helms funktioniert nur, wenn der Helm richtig getragen wird. Etwa 10 % tragen den Helm falsch – bei den Kindern sind es sogar 20 %. Ein Helm, der auf dem Kopf wackelt, weil er nicht korrekt eingestellt ist, kann kontraproduktiv sein: Er be­hindert das Kopfdrehen und somit das Schauen. Hier könnten die Betriebe für ihre Mitarbeitenden und deren Familien viel wertvolle Aufklärungsarbeit leisten.

Interview: Ursula Marti

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«Der Velohelm war mein lebensretter»portrÄt Eine schöne Bike-Tour ins Üschinental sollte es werden – doch es kam anders: Urs Etter stürzte mit seinem Mountainbike schwer und brach sich mehrere Halswirbel. Dabei hatte er Glück im Unglück: Der Helm verhinderte noch schlimmere Verletzungen.

Urs Etter ist ein geübter Mountainbike­Fahrer, im Vorstand des Bike­Club Spiez und ein erfahrener Leiter von Mountainbike­Touren. An einem Frei­tag im Oktober wollte der leidenschaft­liche Biker eine schöne Tour im Üschi­nental bei Kandersteg machen. Es war eine gemütliche Fahrt. Immer wieder machte Urs Etter Pause, um das Berg­panorama zu fotografieren. Das Wetter war gut und die geplante Route ohne besondere Schwierigkeiten.

«Zum glück konnte ich nach dem telefon greifen.»Urs Etter

Der Kiesweg war zwar steil, aber solche Wege war Urs Etter schon zigmal gefah­ren und sie waren für ihn keine beson­dere Herausforderung. Trotzdem ver­passte er nach einer Kuppe eine Kurve, geriet vom Weg ab, stürzte über den Lenker und schlug mit Schulter und Kopf auf. «Ich hatte starke, glühend­warme Schmerzen in der Schulter und habe sofort versucht, Arme und Beine zu bewegen.» Er habe auf dem Bauch in einem Graben neben der Strasse gele­gen und versucht aufzustehen, aber schnell gemerkt, dass dies nicht gehe, beschreibt Urs Etter die Minuten nach dem Unfall.

Zum Glück hatte er beim Aufstieg nach dem Fotografieren sein Handy in die Rückentasche seines Trikots gesteckt, so konnte er nach dem Telefon greifen. Das sei aber aufgrund der Ver­letzung sehr schwierig gewesen und es Urs Etter aus Thun einige Wochen nach seinem schweren Velounfall.

fokus VElo

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ohne den schützenden Helm hätte dieser spitze Stein Urs Etter tödlich verletzen können.

habe wegen des schlechten Handy­Empfangs rund 25 Minuten gedauert, bis er überhaupt den Notruf habe errei­chen können. Weitere 25 Minuten spä­ter trafen Polizei, Ambulanz und der REGA­Helikopter am Unfallort ein.

Da der Helikopter wegen des aufzie­henden Nebels im Üschinental nicht landen konnte, musste Urs Etter mit der Ambulanz erst nach Kandersteg ge fahren werden. Erst von dort ging es mit der REGA weiter ins Inselspital in Bern.

Glück im Unglück Mit 12 Schrauben, jede knapp vier Zen­timeter lang, und 3 Titanstangen fixier­ten die Ärzte im Inselspital die Halswir­belsäule von Urs Etter: «Ich habe eine ähnliche Verletzung erlitten wie der ‹Wetten dass … ?›­Kandidat, der beim Überspringen von Autos stürzte und seither im Rollstuhl sitzt. Wie viel Glück ich bei dem Unfall hatte, ist mir erst richtig bewusst geworden, als ich im Spital den Helm gesehen habe.» Wäre er ohne Velohelm auf diesen spitzen Stein gestürzt, wäre er vermutlich gelähmt oder, schlimmer noch, beim Unfall gestorben, erzählt Urs Etter. Stattdessen kann er dank Operation und Physiothe­rapie nur wenige Wochen nach dem Unfall wieder Velo fahren. Natürlich ganz gemütlich und in aufrechter Sitz­position, betont der Berner Oberländer.

«ohne Velohelm wäre ich vermutlich gelähmt.»Urs Etter

Noch spürt Urs Etter die Folgen des schweren Unfalls: Er hat Schmerzen ähnlich wie bei einem starken Muskel­kater, kann nicht lange sitzen und hat Gefühlsstörungen in den Fingern. Ausserdem hat er Probleme mit der Stimme, da bei der komplizierten Ope­ration die Stimmbänder in Mitleiden­schaft gezogen wurden. Zu seinem ganz persönlichen Rehabilitationspro­

gramm gehören tägliche Spaziergänge mit der Familienhündin. Diese sei in der Zeit nach dem Unfall quasi zu sei­ner Therapeutin geworden, lacht der passionierte Sportler.

Als nächstes steht nun die Rückkehr an den Arbeitsplatz an. Als IT­Projekt­leiter habe er während seiner Abwesen­heit seine Kolleginnen und Kollegen von zu Hause aus etwas unterstützen können, erklärt Urs Etter. Nun wird er zunächst mit einem 40 %­Pensum wie­der einsteigen und dann Schritt für Schritt vollständig in den Beruf zurück­kehren.

Nie mehr ohneDie Freude am Mountainbiken hat Urs Etter trotz des Unfalls nicht verloren, er freut sich bereits auf seine nächsten Touren. Klar ist aber: «Ich werde nie mehr ohne Helm aufs Velo steigen – auch nicht für kurze Strecken.» Und dieser Nachsatz ist Urs Etter besonders wichtig. Ihm werde es manchmal fast etwas «gschmuech», wenn er Leute ohne Helm auf dem Velo sehe.

Unfälle passierten nicht nur auf anspruchsvollen Mountainbike­Stre­cken, betont er. Das erlebe er auch in seinem Bike­Club. Immer wieder

Sicher unterwegs

Über 3 Millionen Schweizerinnen

und Schweizer schätzen das

Fahrrad als schnelles und einfaches

Fortbewegungsmittel. Jedes Jahr

ereignen sich damit mehr als

8 000 Unfälle. Sicheres Radfahren

beginnt mit der Ausrüstung. Hier

finden Sie wertvolle Tipps:

bfu-Broschüre Radfahren

bfu-Broschüre Mountainbike

Checkliste von Urs Etter

Alle auf www.sicherleben.bfu.ch

geschähen Unfälle nach der eigentli­chen Tour, zum Beispiel auf dem Rück­weg vom Restaurant oder auf dem Weg zum Hotel. Für Urs Etter ist der Helm mehr als nur ein Ausrüstungsgegen­stand – er ist eine Absicherung gegen schwere Verletzungen.

Camilla Krebs

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fokus VElo

standpunkt von Jean-François Steiert, Nationalrat und Präsident von Pro Velo Schweiz zur Velo-Initiative. Diese will das Velofahren und andere Formen der sanften Mobilität stärken und attraktiver machen.

Die Förderung des Velos führt über mehr Sicherheit

Mehr als die Hälfte der Arbeiten-den legt täglich einen Weg von

weniger als fünf Kilometern zurück. Damit gibt es in der Schweiz ein grosses, aber bisher schlecht genutztes Potenzial an Strecken, die mit dem Velo zurückge-legt werden könnten, statt mit dem Auto zum Stau beizutragen oder den öffentli-chen Verkehr in den Zentren übermässig zu belasten. Seit dem Aufkommen der E-Bikes sind Steigungen kein Hindernis mehr für die vermehrte Nutzung des Velos im Alltag.

Es gibt ein unbestrittenes öffentliches Interesse, dass sich mehr Menschen mit dem Velo oder zu Fuss fortbewegen: Eine solche Entwicklung fördert die Gesund-heit und senkt damit Kosten, sie vermin-dert den Ausstoss von CO2 und weiteren Abgasen und trägt so zur Luftqualität bei. Und nicht zuletzt reduziert sie den Raumbedarf im Strassenverkehr und sichert dadurch den Autofahrenden und ÖV-Nutzenden, die längere Strecken zurücklegen müssen, mehr Komfort und weniger Staus.

Einer der wichtigsten Aspekte für die Förderung des Velos ist die Sicherheit – und zwar sowohl die reale als auch die vom Einzelnen subjektiv wahrgenom-mene. Dafür braucht es Velowege, aus-reichend breite Velospuren und vor allem eine Sicherung der heute oft gefährlichen Übergänge und Kreuzungen. Dazu kom-men immaterielle Aspekte wie das Fahrverhalten der Velofahrenden selber und der anderen Verkehrsteilnehmen-den, das über Verkehrserziehung, Infor-mation, aber auch über notwendige Sanktionen zu mehr Sicherheit für alle führen soll. Nicht zuletzt gehören zum

sicheren Velofahren auch Massnahmen gegen die jährlich rund 100 000 Velo-diebstähle und den Vandalismus sowie die Förderung des gegenseitigen Respekts im Freizeit- und Alltagsverkehr.

Die Velo-Initiative will in diesem Sinn Druck auf die nationale Politik ausüben. Dass sie von zahlreichen Or-ganisationen und Volksvertretern fast aller Parteien getragen wird, zeigt den breiten Konsens für das Anliegen – die Förderung einer sicheren, sanften Mobi -lität in der Schweiz. •

Velo-Initiative

Der Freiburger Nationalrat Jean-

François Steiert ist Präsident von

Pro Velo Schweiz und des Träger-

vereins der Velo-Initiative, die im

März 2015 lanciert wird. Diese will

erreichen, dass das Velofahren in

der Bundesverfassung ebenso ver -

ankert ist wie das Wandern und zu

Fuss Gehen. Insbesondere sollen

sichere Velonetze für den Alltags-

und Freizeitverkehr gefördert

werden.

www.pro-velo.ch

Jean-François Steiert: «Es gibt einen

breiten Konsens für die Förderung

einer sicheren, sanften Mobilität in

der Schweiz.»

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WEitErBildung Die bfu lädt die Sicherheitsdelegierten alle zwei Jahre zu einem Informationsanlass ein, um ihnen fundiertes Wissen über aktuelle Präventionsthemen weiterzugeben. «sicher leben» hat eine der zehn SD-Infotagungen besucht.

Wissen aus erster Hand für die bfu-Sicherheitsdelegierten

9 Uhr morgens im «Centre Interrégio­nal de Perfectionnement» im jurassi­schen Tramelan. Über 50 Sicherheitsde­legierte (SD) aus der Romandie haben sich eingefunden. Draussen ist es noch neblig, doch Brigitte Buhmann, Direk­torin der bfu, prophezeit optimistisch einen sonnigen Tag.

An einer SD­Infotagung, so heisst die Veranstaltung, werden einerseits Neuigkeiten aus der bfu präsentiert und andererseits in Workshops Präventions­themen behandelt. Alle zwei Jahre fin­den in allen Landesteilen der Schweiz insgesamt zehn solche Veranstaltungen statt. Rund 650 Sicherheitsdelegierte sind in diesem Jahr dabei.

Brigitte Buhmann stellt die neuen Angebote für Betriebe vor (siehe S. 5, bfu­SafetyKits) und das sich in Pla­nung befindende Paket für die Sicher­heit in Schulen. Ausserdem sind die Präventionskampagnen von 2015 ein Thema sowie die neuen Social­Media­Auftritte der bfu, über die Interessierte Neues erfahren, Tipps erhalten oder Videos ansehen können.

Es ist der bfu wichtig, ihren Präven­tionspartnern Wissen aus erster Hand weiterzugeben. Speziell für die Sicher­heitsdelegierten wird die bfu deshalb eine Ausbildung zur Sicherheitsfach­kraft anbieten. Dies auf Wunsch der Sicherheitsdelegierten selbst: In einer Umfrage bekundeten 80 % ihr Inte­resse daran. In einem Grundlagenmo­dul wird es um Normen, Risiken sowie die Kommunikation rund um Unfall­verhütung gehen. In sogenannten The­menmodulen werden daraufhin ein­zelne Präventionsthemen vertieft. Ab

lernen heisst Erfahren: Die Sicherheitsdelegierten ertasten die Rutschfestigkeit

von Bodenbelägen.

nEtZWErk GEMEINDEN

2015 testet die bfu die Weiterbildung mit ausgewählten Kandidaten, ab 2016 soll diese allen Sicherheitsdelegierten angeboten werden.

Praxis für die PraxisWeiterbildung heisst auch Lernen durch Erfahren. So steigen die Sicherheitsdele­gierten im zweiten Teil der Infotagung in drei Praxis­Workshops ein. Diese behandeln die Wirksamkeit von Infra­strukturmassnahmen im Strassenver­kehr, das Thema Wasser auf Spielplät­zen sowie die Rutschhemmung von Bodenbelägen. Angesichts der jährlich 270 000 Sturzunfälle in Haus und Frei­zeit – davon 61 % auf gleicher Ebene – sind Bodenbeläge ein zentrales Thema. Die Sicherheitsdelegierten können mit ihren Händen auf vier verschiedenen

Belagsmustern die unterschiedliche Rutschhemmung von trockenen und nassen Belägen erspüren. Das Wasser wirkt als Gleitmittel, es verändert die Haftung zwischen Haut und Bodenbe­lag erheblich. Danach gilt es für zwei konkrete Einsatzorte den geeigneten Bodenbelag zu bestimmen. Dazu dient die bfu­Fachdokumentation «Anforde­rungsliste Bodenbeläge».

Schnell geht die Zeit vorbei. Während sich die Sonne zeigt, begeben sich die Teilnehmenden zum gemeinsa­men Mittagessen – ein Dankeschön der bfu an die Sicherheitsdelegierten, die sich rühmlich für die Sicherheit engagieren.

Tom Glanzmann

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nEtZWErk BETRIEBE

safEtYkits Sofort einsetzbar, wenig Aufwand und kostenlos – das sind die wichtigsten Vorteile der SafetyKits, die die bfu Mitte 2014 lanciert hat. «sicher leben» wollte von zwei Betrieben wissen, wie diese ankommen.

«Freizeitunfälle sind das grössere Problem als Berufsunfälle»

Bein. Beim Anzünden von Feuerwerk und dann Wegrennen passierte es. Und schon fiel ich für drei Monate im Betrieb aus.

Wie ist in Ihrem Betrieb das Verhält- nis zwischen Betriebs- und Freizeit-unfällen?Wir haben praktisch keine Unfälle im Betrieb. Eine viel grössere Heraus ­ for derung sind die Freizeitunfälle. Im

Schnitt haben wir jährlich etwa zwei Fälle mit Ausfallzeiten von einer Woche bis zu fünf Monaten. Dann müssen die übrigen Mitarbeitenden mehr leisten. Tragischerweise hatten wir auch schon zwei Todesfälle.

Wo liegt für Sie die grösste Herausfor-derung von Freizeitunfällen?Ich muss meine Mitarbeitenden für ihr Verhalten in der Freizeit sensibilisieren, ohne sie einzuschränken und ihnen den Spass zu nehmen. Es braucht des­halb gerade am Anfang grössere Efforts, die sich aber langfristig auszahlen.

Was machen Sie konkret, um Unfälle zu verhindern?Mehrmals jährlich schulen wir alle Mitarbeitenden zu Unfällen im Betrieb und in der Freizeit. Und wir greifen auch dazwischen solche Themen auf. Das bfu­SafetyKit zu «Sichtbarkeit in der Nacht» haben wir eingesetzt, da wir als Bäcker selbst im Sommer auf dem Arbeitsweg im Dunkeln unterwegs sind. Den Flyer haben wir dem Lohn­brief beigelegt und das Plakat dazu hängt zur Erinnerung in Backstube, Garderobe und Kantine. Wirklich ein­fach einzusetzen.

Was hat das bewirkt?Es regt die Mitarbeitenden zum Nach­denken an. Sie werden sich der Gefah­ren bewusst und ändern ihr Verhal­ten. Sicherheit zu thematisieren ist jedoch eine Dauer aufgabe, wenn sie nachhaltig sein soll. Darum werden wir auch die nächsten bfu­SafetyKits einsetzen.

Der «Beck Lyner» ist die älteste Bäcke-rei in Winterthur. Sie be schäftigt 50 Mitarbeitende und hat zwei Filialen. Auf die bfu-SafetyKits «Stürze» und «Sichtbarkeit» ist Inhaber Peter Lyner über den Bäckereiverband aufmerk-sam ge worden.

Herr Lyner, hatten Sie selbst schon mal einen Unfall in der Freizeit?Peter Lyner: Ich brach mir einmal das

Peter Lyner in einer seiner Filialen: «Freizeitunfälle sind eine viel grössere Heraus-

forderung als die Unfälle bei der Arbeit.»

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Steve Eggenberger ist Sicherheitsbe-auftragter der «Compagnie industri-elle de Monthey SA» (Cimo). Die Firma be schäftigt rund 380 Mitarbei-tende und bietet den Firmen BASF, Syngenta und Huntsman mit total rund 1 600 Mitar bei tenden Sicher-heitsdienstleistungen auf dem ge -mein samen Chemiegelände an.

Herr Eggenberger, sind Sie schon mal in der Freizeit verunfallt?Steve Eggenberger: Ja, ich bin über einen Stein gestolpert und habe den Knöchel verstaucht – eine Woche fiel ich aus.

Welches Ausmass haben Unfälle bei Cimo?Wir hatten letztes Jahr 17 Freizeitunfälle mit Arbeitsausfall und nur zwei Ausfälle aufgrund eines Betriebsunfalls. Das Pro­blem der Freizeitunfälle ist also bedeu­tend grösser als jenes der Berufsunfälle.

Dabei ist es aber eine Herausforderung, aktiv Prävention zu betreiben und zu sensibilisieren, ohne in die Privatsphäre der Mitarbeitenden einzudringen.

Was machen Sie alles für die Sicherheit der Mitarbeitenden?Unsere Massnahmen sind vielfältig und als Industriebetrieb sind naturgemäss Berufsunfälle zentral. Angesichts der vorher erwähnten Anzahl Nichtberufs­unfälle erhält die Prävention von Frei­zeitunfällen einen immer grösseren Stel­lenwert. Neben Einführungsschulungen wenden wir uns 2 – 3 Mal pro Jahr mit Aktionen wie z. B. Workshops oder Ausstellungen an alle Mitarbeitenden.

Wie konnten Sie die Angebote der bfu einsetzen?Für unsere Workshops konnten wir einzelne Einsatzmittel aus den bfu­SafetyKits verwenden. Wir haben zum

Beispiel das Thema «Sichtbarkeit» be­ arbeitet, reflektierendes Material und den Flyer an die Mitarbeitenden ver­teilt. Hilfreich waren ebenfalls die Prä­sentationen, die wir speziell für unsere Zwecke angepasst haben. Für uns sind diese Kits für die Workshops Inspira­tion und Basis zugleich. Daneben buch­ten wir auch eine Themenpräsentation. Die Live­Demonstration der Schutzwir­kung eines Helms nahmen die Mitar­beitenden gut und interessiert auf.

Was ist bei Ihren Anstrengungen besonders wichtig?Es braucht einerseits die Unterstützung der Geschäftsleitung, andererseits das Zusammenspiel von Sicherheitsbeauf­tragten und Personalverantwortlichen. Uns ist wichtig, die Mitarbeitenden zu Akteuren punkto Sicherheit zu moti­vieren und ihre Gesundheit zu schüt­zen. Parallel dazu können sie auch die Rolle eines «Schutzengels» für ihre Arbeitskollegen und Familienangehö­rige übernehmen.

Interviews: Tom Glanzmann

Steve Eggenberger: «Für uns sind die bfu-SafetyKits Inspiration und Basis zugleich,

wenn wir Präventionsprogramme erstellen.»

ausgEZEiCHnEt

SicherheitspreisDie bfu zeichnet alle zwei Jahre eine

Gemeinde oder Stadt aus, die sich mit

grossem Engagement für die Unfall-

verhütung einsetzt. Die Preissumme

beträgt CHF 15 000.–. Die nächste

Auszeichnung wird im Herbst 2015

vergeben.

Machen Sie mit – die bfu freut sich

auf Ihre Bewerbung! Termin für die

Projekteingabe: 30. Juni 2015

Informationen zum Sicherheits -

preis auf:

www.engagierte-gemeinde.bfu.ch

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12 sicher leben 1/ 2015

nEtZWErk PARTNER

bfu-forum Mit welchen Massnahmen kann die Sicherheit der älteren Autofahrenden erhöht werden? Die Selbstbeurteilung mittels Tests ist ein vielversprechendes Konzept. Daneben ist die Qualität der ärztlichen Fahreignungsabklärung zu verbessern.

Die Selbstverantwortung der älteren Autofahrenden fördern

Das bfu­Forum Strassenverkehr vom November 2014 stand unter dem Motto «Senioren am Steuer – wie gefährlich sind sie wirklich?». Eine brisante Frage! Bis im Jahr 2030 wird der Anteil der über 65­Jährigen in der Schweiz von heute 18 % auf voraussichtlich 24 % ansteigen. Senioren sind im Allgemei­nen immer länger bei guter Gesund­heit, haben ein Mobilitätsbedürfnis und sind öfter im Besitz des Fahraus­

weises als die Generationen vor ihnen. Entsprechend wird der Anteil der Seni­oren unter den Autolenkenden grösser.

Differenzierte Betrachtung nötigDoch sind Senioren am Steuer tatsäch­lich so gefährlich, wie die Medien nach einem Unfall häufig suggerieren? «Das muss differenziert betrachtet werden», sagte bfu­Direktorin Brigitte Buhmann am Forum. «Die absoluten Unfallzah­len der Senioren sind relativ tief. Sie fahren aber auch weniger Kilometer als die jüngeren.» Das Unfallrisiko pro gefahrenen Kilometer steigt ab dem Alter von 65 Jahren zwar an, liegt aber immer noch deutlich unter dem Risiko der Junglenkenden. Das höhere Unfall­risiko der Senioren im Vergleich zum Durchschnitt hat auch damit zu tun, dass sie deutlich verletzlicher sind als Jüngere.

Dass von Senioren – im Vergleich zu jüngeren Lenkern – keine besonders grosse Gefahr ausgeht, zeigt auch die Statistik: Bei durchschnittlich 309 To ­desfällen pro Jahr im Strassenverkehr in den Jahren 2011 – 2013 gingen 36 auf das Konto von Senioren als Hauptverursa­cher der Unfälle. In 21 Fällen waren die Senioren gleichzeitig Unfallverursacher und Opfer, in 15 Fällen waren die Opfer unschuldige Beteiligte (siehe Tabelle).

Verbesserungen gemäss Via sicuraBrigitte Buhmann stellt klar, dass das Gesetz als Präventionsmassnahme auch weiterhin die Kontrolluntersu­chung durch Vertrauensärzte für Auto­lenkende ab 70 Jahren vorsieht. «Diese soll auch mit Via sicura weiterhin alle

zwei Jahre erfolgen. Die medizinischen Anforderungen sollen allerdings aktu­alisiert und erweitert werden und für die Fahreignungsabklärungen sollen gesamtschweizerisch einheitliche Qua­litätssicherungsmassnahmen gelten. Die Beschlüsse des Bundesrats dazu werden in den nächsten Monaten erwartet. Brigitte Buhmann hält fest: «Die bfu ist der Ansicht, dass alles dafür getan werden muss, dass Senio­ren möglichst lange sicher Auto fahren können. Hier spielen auch die Ärzte eine wichtige Rolle. Wenn aber Senio­ren als Autofahrende für sich und andere gefährlich werden, dann braucht es zuverlässige Instrumente, die die Entdeckung dieser Fälle ermöglichen.»

Gastreferentin Britta Lang, leitende Wissenschaftlerin am Traffic Research Laboratory TRL in London, betonte, wie wichtig die Mobilität für ältere Menschen sei. «Senioren ermöglicht das Auto die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und die Pflege von Kontak­ten. Der Verlust der Fahrerlaubnis geht häufig mit dem Verlust von Selbstver­trauen und Autonomie einher.» Lang geht deshalb davon aus, dass sich das Auto als relativ sicheres, f lexibles Ver­kehrsmittel auch neben der wachsen­den Bedeutung des öffentlichen Ver­kehrs bei Senioren behaupten wird.

Selbstregulierung wirkt Die relativ hohe Verkehrssicherheit der Senioren hat gemäss Lang viel mit «Selbstregulierung» zu tun. Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, altersbe­dingte Einschränkungen wahrzuneh­men und angemessen auf diese zu

Britta Lang, leitende Wissenschaftlerin am

britischen Traffic Research laboratory TRl, sieht

in der Selbstbeurteilung der Fahrfähigkeit mittels

Tests grosses Potenzial.

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reagieren. Also zum Beispiel riskante Verkehrssituationen zu vermeiden oder die Fahrtätigkeit nach und nach zu reduzieren, bis der Fahrausweis schliess­lich ganz abgegeben wird.

Genau dieses selbstverantwortliche Reflektieren hat viel Potenzial und könnte noch stärker gefördert werden. «Ein korrektes Timing bei der Abgabe des Fahrausweises ist unabdingbar für die Sicherheit. Wir können die Senio­ren dabei unterstützen, indem wir ihre subjektive Wahrnehmung mit einer objektiven Rückmeldung über ihre Fahrfähigkeit ergänzen», sagt Lang. Die Erfahrung zeige, dass viele ältere Menschen dieses Feedback gerne auf­nehmen und in ihre Entscheidungen einbeziehen.

Zwei TestartenGemäss Lang sind bei den Präventi­onsinstrumenten zwei Entwicklungen festzustellen: Zum einen Tests, die

darauf abzielen, die Selbstwahrneh­mung der älteren Autolenkenden zu verbessern, und zwar mit gezielten Fragen zu negativen Fahrerlebnissen oder beobachteten Schwierigkeiten beim Fahren. Zum andern Tests, die die Maximalleistung der älteren Per­son auf verschiedene fahrrelevante Fähigkeiten prüfen, um funktionelle Defizite herauszufinden. Beide Test­arten geben Senioren Hinweise darauf, was sie tun müssen, um sicheres Fah­ren weiterhin zu gewährleisten, oder wann die Abgabe des Fahrausweises angezeigt ist.

Die Tests werden bereits in verschie­denen europäischen Ländern einge­setzt und könnten, so die bfu­Direk­torin, auch in der Schweiz in Zukunft verwendet werden.

Ursula Marti

Wie gefährlich sind Senioren?

Ø 2011 – 2013 Getötete Schwerverletzte

Gesamtzahl 309 4 256

davon Senioren als PW-Lenkende beteiligt

47 537

davon in Unfällen mit Senioren als Hauptverursachern

– schuldige Senioren als Opfer– unschuldige Beteiligte als Opfer

36

21 (58 %)15 (42 %)

389

112 (29 %)277 (71 %)

frEiZEitkiCk

Schneeschuh-wandernSchneeschuhe erleichtern das Gehen

im Tief- und Neuschnee. Sie verteilen

das Körpergewicht auf eine grössere

Fläche, der Schuh sinkt weniger ein.

Damit können auch Nichtskifahrer in

unberührte Winterlandschaften vor -

dringen. Das birgt aber auch Gefah-

ren, etwa durch lawinen oder orien -

tierungsverlust. Pro Winter verunfallen

durchschnittlich drei Schneeschuhwan-

derer tödlich. Die alpine Rettung ist

ab und zu im Einsatz für verunfallte

oder blockierte Schneeschuhwanderer.

Das erhöht die Sicherheit:• Wählen Sie als Anfänger einen

markierten und gesicherten

Schneeschuhtrail. • Wählen Sie eine Route, die ihren

Fähigkeiten entspricht. • Informieren Sie sich über die

Schneeverhältnisse und das Wetter. • Unternehmen Sie Schneeschuhwan-

derungen nicht allein. • Planen Sie genügend Umkehrmög-

lichkeiten sowie Zeitreserven ein.

Betreibern von signalisierten Schnee-

schuhrouten stellt die bfu einen

leitfaden für Anlage, Signa lisation,

Unterhalt und Betrieb dieser Routen

zur Verfügung. Erhältlich auf

www.sicherleben.bfu.ch.

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nEtZWErk GEMEINDEN

Sichere SchulwegesCHulmoBilitÄtsplÄnE VCS und bfu arbeiten an verschiedenen orten in der Romandie Hand in Hand – zum Wohl von Kindern, Eltern und Partnern der Schulen. Das umfassende und partizipative Vorgehen hilft, die Unfallrisiken auf dem Schulweg zu reduzieren.

Auch in weiteren Schulhäusern in Genf und Montreux nahm der VCS in den vergangenen Monaten Schulwege unter die Lupe. Für Erreichbarkeit, Sicherheit und Nähe eines Schulgebäu­des sind zwar grundsätzlich die Gemeinden und Quartiere zuständig. Der Schulmobilitätsplan des VCS ist dabei eine wichtige Hilfe. Er zeigt auf, wie die Schulkinder normalerweise ihren Schulweg zurücklegen und wel­che Stellen von den Verkehrsteilneh­menden als gefährlich eingestuft wer­

den. Der VCS kann dadurch wichtige Empfehlungen für Verbesserungen ein­bringen.

Auch die bfu wurde beigezogen, um bei der Formulierung dieser Emp­fehlungen mitzuarbeiten und ihre tech­nischen Kenntnisse und Erfahrung auf dem Gebiet der Kindersicherheit ein­zubringen. «Der Schulmobilitätsplan nimmt die Sorgen der Eltern ernst und trägt den Anliegen der direkt Betroffe­nen Rechnung», sagt Claude Morzier, Bauingenieur und Berater Verkehrstech­nik bei der bfu. Deshalb würde bei­spielsweise die Sicht auf das Verkehrs­ge schehen aus 1 Meter Höhe überprüft, was der Augenhöhe eines Schulkindes entspricht. «Die Verbesserung der Sicht­barkeit durch Umgestaltung der Park­plätze, Erweiterung der Trottoirs oder ganz einfach Zurückschneiden der Vege­tation, Anpassen der Lichtsignale oder Einrichten einer Tempo­30­Zone und Durchsetzen der darin geltenden Regeln – das sind einige der empfohlenen Mass­nahmen», erklärt Claude Morzier.

Morzier betont zudem, dass soge­nannte Eltern­Taxis ein Problem dar­stellten, obwohl die bfu sich bewusst sei, dass es manchmal keine Alternati­ven gebe. Doch müssten die Kinder an einem sicheren Ort aussteigen können, auch wenn er 200 – 300 Meter von der Schule entfernt sei. «Und vergessen wir den Pedibus nicht – eine interessante Lösung für Kinder, die in der Nähe der Schule wohnen.» Was letztlich zählt, ist das Recht des Kindes auf Bewegungs­freiheit in Sicherheit.

Nathalie Wirtner Julmi

Was mögen Kinder an ihrem Schul­weg? «Freunde treffen, zusammen schwatzen, am Kiosk Bonbons kaufen und Autos, die anhalten, um sie über die Strasse zu lassen.» Und was mögen sie nicht? «Autos, die zu schnell fahren, Bauarbeiten, Velos und Roller, die das Stoppschild der Patrouilleurin miss­achten, zu spät kommen und … wenn es regnet!» Dies sind die häufigsten Antworten der rund 500 Kinder des Schulhauses Geisendorf in Genf auf Fragen zu ihrem Schulweg.

Chernex, hoch über Montreux: die Schule kurz nach Unterrichtsschluss.

Eine Mobilitätsbilanz wird derzeit erarbeitet.

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Wann ist für Sie jeweils der richtige Zeitpunkt, sich von der bfu beraten zu lassen?Françoise Lanci-Montant: Sobald Mobi­litätserhebung und ­bilanz vorliegen, zieht der VCS die bfu bei, und dann for­mulieren wir zusammen technische und organisatorische Empfehlungen. Die Mobilitätsbilanz beruht auf der Aus­wertung der Fragebogen, die von Eltern, Kindern und Lehrpersonen ausgefüllt wurden. Die Befragung von Partnern im Quartier – Ludothek, Quartierzent­rum, Elternvereinigung, Krippen usw. – kommt ergänzend hinzu. Die Bilanz liefert uns die Schlüsselinformationen, mit deren Hilfe wir Sicherheitsprobleme rund um den Schulweg erkennen und Verbesserungen erarbeiten kön­nen. Das betrifft die von den Schulkin­dern gewählten Routen, die von Eltern und Partnern der Schulen genannten neuralgischen Punkte, die Erfahrungen und Vorlieben der Kinder, die verschie­denen Fortbewegungsarten, die Geh­ und Fahrzeiten, die Gründe, weshalb Kinder in die Schule gefahren werden, und so weiter.

Das erste Projekt, das Sie unter Beizug der bfu leiteten, befasste sich mit der Schule Micheli-du-Crest in Genf. Wie beurteilen Sie diese Zusammenarbeit?Sehr positiv. Dank der Mobilitätsbilanz kann die bfu ihre Empfehlungen auf­grund von Zahlen und anderer objekti­ver Daten abgeben. Emotional gefärbte Auslegungen sind damit ausgeschlos­sen. Eine sehr solide Arbeitsgrundlage also, die den bfu­Empfehlungen hohe Glaubwürdigkeit verleiht. Wir arbeiten mit der bfu zusammen, weil wir vor allem von der spezifischen Wahrneh­mung und den Bedürfnissen der Kinder

ausgehen möchten und uns dabei die Meinung von Verkehrssicherheits­experten wichtig ist.

Wie sind die Reaktionen von Eltern, Kindern und Lehrpersonen?Die Kinder sind neugierig und gern bereit, darüber zu reden, wie und womit sie sich fortbewegen. Im Rah­men des Mobilitätsplans organisieren wir auf sie zugeschnittene Aktivitäten. Die Kinder stehen im Mittelpunkt des Geschehens und nehmen unsere Ange­bote begeistert auf, sei es das Mobilti­tätsmemory, den Internationalen Akti­onstag «Zu Fuss zur Schule» oder den Mobilitätstag mit den öffentlichen Ver­kehrsmitteln. Die Lehrpersonen sind ebenfalls mit von der Partie. Sie kön­nen sich Elektrovelos ausleihen und so eine alternative Fortbewegungsart aus­probieren. Ihre Meinung, wie sich die Schüler zum Unterricht ausserhalb des Schulzimmers begeben, wird ebenfalls berücksichtigt. Schliesslich sind sie an den pädagogischen Aktivitäten direkt beteiligt. Ihr Interesse wächst im Lauf

Françoise Lanci-Montant

«Eine sehr solide Arbeitsgrundlage»Françoise lanci-Montant, leiterin des VCS-Beratungsbüros Romandie, äussert sich zum Projekt und zur Zusammenarbeit mit der bfu.

der Zusammenarbeit stetig. Bei unse­ren Fragebogen stellen wir eine sehr gute Rücklaufquote fest, im Durch­schnitt 80 %. Auch die Eltern sind bes­tens vertreten. Elternvereinigungen und andere Akteure im Quartier wer­den ebenfalls befragt und spielen bei der Umsetzung eine aktive Rolle.

Welches sind die häufigsten Gründe, die zum Handeln veranlassen, und von wem kommen die entscheidenden Impulse (Gemeinden, Elternvereini-gungen usw.)?Im Normalfall werden wir beigezogen, wenn rund um ein Schulhaus immer wieder ähnliche Probleme auftreten und wenn bisherige Lösungen keine spürbare Besserung bewirkt haben. Einzelne Gemeinden möchten sich auch ein umfassendes Bild über die Schulmobilität machen, bevor sie Massnahmen ergreifen. Zurzeit arbei­ten wir im Auftrag des Schulamts der Stadt Genf, des Amts für Soziales, Familien und Jugend der Gemeinde Montreux oder des Bauamts der Stadt Sitten.

Wann lassen sich an Ort und Stelle jeweils erste Ergebnisse feststellen?Dies hängt von den empfohlenen Massnahmen ab. Information und Sen sibi lisierung oder organisatorische Massnahmen erfolgen bereits wäh­rend der Realisierung des Mobilitäts­plans. Das nimmt ungefähr zwölf Monate in Anspruch. Bei Gestaltungs­massnahmen kommt es auf die Ver­fügbar keit der mitwirkenden techni­schen Dienste und der notwendigen Finanzmittel an. nw

www.sicherleben.bfu.ch

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kampagnE

«Augen auf, auch wenn du Vortritt hast!»Die Präventionskampagne Motorrad startet mit Vollgas in die zweite Saison. Und legt gleich noch einen Zacken zu, um Motorrad­fahrende zu sensibilisieren und anzuspornen, die Augen offen zu halten und defensiv zu fahren. Denn das ist die beste Lebensver­sicherung!

Die Botschaft wird flächendeckend ver­breitet und soll auch die anderen Verkehrsteil­nehmenden erreichen. Nach der Ausstellung SWISS­MOTO wird die Fédération Motocyc­liste Suisse (FMS), die Partnerorganisation der bfu bei dieser Kampagne, an rund zwan­zig weiteren Events teilnehmen. Zum Beispiel an der 15. Moto Show des Moto Club Vevey, am Love Ride in Dübendorf oder an den Rombo Days in Locarno. Am Stand kann auf spielerische Art die Reaktionsgeschwindigkeit getestet und ein Preis gewonnen werden. Aktualitäten, neue Filme und Wettbewerbe gibt es auf der Webseite und in den sozialen Netzwerken.

Lasst euch nicht abschiessen und schützt eure Haut, liebe Biker! Im wahrsten Sinn des Wortes, denn die richtige Bekleidung steht an

1.02

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015

love Ride: Wir sind auch 2015 dabei.

oberster Stelle. Ein paar Tipps für die pas­sende Garderobe sind in einem neuen Flyer aufgelistet. Er ist online oder in Fachgeschäf­ten mit Schutzbekleidung für Motorradfah­rende erhältlich.

Mit einem risikobewussten Fahrstil und dem richtigen Equipment sind Motorradfah­rende für eine rundum erfreuliche Saison bes­tens gerüstet. Gute Fahrt! nw

www.stayin-alive.ch

www.facebook.com/stayinalive.ch


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