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sicher leben 2012/1

Date post: 29-Jan-2016
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Das bfu-Magazin für Präventionspartner
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Das bfu-Magazin für Präventionspartner 1/2012 VERKEHRS- INSTRUKTION Seit 20 Jahren fördert die bfu den Austausch bfu-FORUM Blick nach Schweden: Vision Zero im Strassenverkehr SICHERHEITSKULTUR IM BETRIEB «Drive Safely Week» bei Coca-Cola
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Das bfu-Magazin für Präventionspartner 1/2012

VERKEHRS-INSTRUKTION

Seit 20 Jahren fördert die bfu den Austausch

bfu-FORUM

Blick nach Schweden: Vision Zero im Strassenverkehr

SICHERHEITSKULTUR IM BETRIEB

«Drive Safely Week» bei Coca-Cola

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Hand in Hand in der Verkehrs-erziehungUnfälle mit Kindern im Strassenver-kehr verdeutlichen es: Kinder brauchen jemanden, der sie in Sachen Verkehrs-erziehung an die Hand nimmt. Diese wichtige Rolle kommt unter anderem den Verkehrsinstruktoren zu. 270 sind in der Schweiz aktiv. Ihnen ist in die-ser Ausgabe von sicher leben das Fokus-Thema gewidmet.

Vielleicht kommen Ihnen Erinne-rungen an die eigene Kindergarten- und Schulzeit hoch? Das Üben am Fussgängerstreifen, der Nachmittag im Verkehrsgarten oder die Ermahnung des Polizisten, mit Licht am Velo zu fahren. Das sind nach wie vor wichtige Tätigkeitsfelder der Verkehrsinstruk-torinnen und -instruktoren. Einiges mehr ist jedoch dazu gekommen. Wa-ren sie früher Einzelkämpfer, sind sie heute «Netzwerkmanager». Sie arbei-ten mit Lehrpersonen, Schulleitungen, Eltern und Behörden zusammen. Nur Hand in Hand kann Verkehrssicherheit für die Kinder erfolgreich sein.

Die Sensibilität für Sicherheit im Strassenverkehr ist allgemein gestie-gen, entsprechend steigen die Ansprü-che an die Verkehrsinstruktoren. Die bfu reicht ihnen auch in Zukunft die Hand, damit sie diesen Ansprüchen gerecht werden können. Sie ist daran, ein Massnahmenpaket für die künf-tige Sicherheit in Schulen zu schnüren. Darin spielen die Verkehrsinstruktoren eine wichtige Rolle. Etwa bei der Gestal-tung des Schulwegs oder bei Querun-gen. Dazu gibt die bfu den Verkehrsin-struktoren die nötigen Hilfsmittel in die Hand.

Tom Glanzmann

Inhalt EDITORIAL

IMPRESSUM

Herausgeberin: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung, Hodlerstrasse 5a, CH-3011 Bern, [email protected], www.bfu.ch, Tel. + 41 31 390 22 22

Adressänderungen: [email protected]

Redaktion: Ursula Marti (wortreich gmbh), Magali Dubois (bfu), Rolf Moning (bfu), Tom Glanzmann (bfu)

Redaktionsadresse: Ursula Marti, wortreich gmbh, Maulbeerstrasse 14, 3011 Bern, [email protected], Tel. + 41 31 305 55 66

Korrektorat: Hedy Rudolf (bfu)

Bildnachweise: Seiten 1, 2, 4, 5, 16: bfu; Seiten 6, 8, 11: Iris Andermatt; Seiten 7, 12, 13, 15: zVg

Layout: SRT Kurth & Partner AG, Ittigen Druck: UD Print AG, Luzern, klimaneutral gedruckt

Auflage: Deutsch: 9200, Französisch: 3300, Italienisch: 1100. Das Magazin erscheint vierteljährlich.

© Wiedergabe von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion und unter vollständiger Quellenangabe.

DIE ZAHL

Sprung ins Ungewisse 3

FOKUS VERKEHRSINSTRUKTIONErfahrungsaustausch seit 20 Jahren 4

Verkehrsinstruktion im Kindergarten: Geduldig warten, bis die Strasse frei ist 6

Standpunkt von Isabelle Chassot, Präsidentin EDK: «Das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit» 7

Verkehrsinstruktion in Berufs- und Mittelschulen: Sicherheit geht auch Junge etwas an 8

NETZWERKPartner bfu-Forum 2011: Weniger Fussgängerunfälle mit Vision Zero 10

Betriebe «Drive Safely Week» bei Coca Cola 12

Polizei Vermehrt Prävention statt nur Repression 14

KAMPAGNELiebeserklärung an Velo – und Helm! 16

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Unter Base-Jumping versteht man das Fallschirmspringen von Objekten wie Gebäuden (building), Sendemasten (antenna), Brücken (span) oder Felsen (earth). Dabei wird nach einer Phase im freien Fall für die Landung der Fall-schirm geöffnet. Sogenannte Wingsuits (Fledermaus-Anzüge) erlauben den Springern das Vorwärtsfliegen. Base-Jumping ist auch bei vorsichtigem Ver-halten mit grossen Risiken verbunden. Versicherungen betrachten es als Wag-nis und kürzen bei einem Unfall ihre Leistungen um die Hälfte oder verwei-gern sie sogar.

In einem Zeitungskommentar (Der Bund vom 29.06.2011) unter dem Ti-tel «Ein seltener Todessprung» nimmt Markus Wyler, Pressesprecher der

Swiss Base Association, Stellung zu ei-nem tödlichen Unfall, der sich im Base-Jumper-Mekka Lauterbrunnen ereignet hat. Gemäss seinen Aussagen waren in

2 Jahren 7 tödliche Unfälle zu verzeich-nen, bei jährlich rund 15 000 Sprüngen von 500 Base-Jumpern. Base-Jumping sei «sicherer, als viele meinen», steht im Untertitel des Beitrags. Die Base-Jum-

per seien schliesslich keine «todeslus-tigen Spinner» und gewillt, das Rest-risiko zu tragen, betont Wyler.

Schauen wir genauer hin: Bei 7 To-ten auf rund 30 000 Sprünge, unter Berücksichtigung der Expositionszeit (die Sprünge dauern meist kaum 1 Mi-nute), schneidet Base-Jumping im Ver-gleich mit andern Sportarten defini-tiv schlecht ab. Auch wenn man das Todesfallrisiko pro Base-Jumping-Tag ausrechnet und von 2 Sprüngen pro Tag ausgeht, ergibt das 1 Todesfall auf gut 2000 Base-Jumping-Tage. Zum Ver-gleich: Beim Ski- und Snowboardfah-ren gibt es zusammen 1 Todesfall auf 4 000 000 Pisten-Tage. Das Todesrisiko pro Tag ist damit ca. 2000-mal kleiner als beim Base-Jumping! wamo

DIE ZAHL

Unaufmerksamkeit und Ablenkung sind bei 23 % der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmenden mögliche Mitur-sache eines Unfalls. Zu den bedeutends-ten Ablenkungen am Steuer gehören vor allem Gespräche mit dem Handy oder über die Freisprechanlage. Daneben spielt auch das Schreiben von Textnach-

richten, etwa per SMS, eine zunehmend gefährliche Rolle. Bei jungen Lenkerinnen und Lenkern sind häufig die mitfahrenden Personen der Grund für die Ablenkung.

Im neuen bfu-Faktenblatt Nr. 07 «Un- aufmerksamkeit und Ablenkung» sind die Hintergründe beschrieben. Das Fak-tenblatt beinhaltet statistische Daten,

rechtliche Aspekte und eine Betrachtung aus psychologischer Sicht. Zudem wer-den mögliche Sicherheitsmassnahmen aufgezeigt. Das bfu-Faktenblatt ist in deutscher Sprache als PDF erhältlich auf www.bfu.ch/bestellen (Bestell-Nr. 2.085). um

Unaufmerksamkeit und Ablenkung im Strassenverkehr

ZOOM

ZAHLENVERGLEICH Sind 7 tödliche Base-Jumping-Unfälle in 2 Jahren viel oder wenig? Ein Vergleich zeigt, dass das Todesrisiko beim Base-Jumping pro Tag 2000-mal höher ist als jenes beim Ski- und Snowboardfahren auf der Piste.

Sprung ins Ungewisse

2000

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FOKUS VERKEHRSINSTRUKTION

Erfahrungsaustausch seit 20 JahrenVERKEHRSINSTRUKTOREN-TAGUNG Zum 20. Mal trafen sich die Verkehrs-instruktorinnen und -instruktoren auf Einladung der bfu. «Am Puls der Zeit» hiess das Motto der Tagung – im Mittelpunkt standen zeitgemässe Massnahmen für die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im Strassenverkehr.

Brigitte Buhmann, Direktorin der bfu, war stolz, die 20. Verkehrsinstrukto-ren-Tagung in Bern zu eröffnen. 1992 hatte die bfu die erste Tagung in Lu-zern durchgeführt. Der seither jähr-lich stattfindende Anlass ist die einzige Plattform, an der Verkehrsinstrukto-rinnen und -instruktoren der Polizeien aus der ganzen Schweiz teilnehmen.

Erfreut war Brigitte Buhmann auch über die Erfolge bei der Sicherheit von Kindern im Strassenverkehr. Von 1990 bis 2010 ging die Zahl der schwer ver-letzten Kinder bis 14 Jahre im Strassen-verkehr von 980 auf 262 zurück, jene der Getöteten von 48 auf 8. Die Unfall-zahlen bei Kindern sanken damit über-

durchschnittlich – nicht zuletzt dank dem Engagement der Verkehrsinstruk-toren. Die Verkehrsinstruktoren besu-chen die Kindergärten und Schulen. Sie sensibilisieren für Gefahren im Stras-senverkehr und lehren das richtige Ver-halten. Weit mehr noch: Sie beraten Be-hörden, Schulleitungen, Lehrpersonen und Eltern. Stras senverkehrsunfälle bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren sind aber nach wie vor die häufigste Unfall-Todesursache. Welche Massnahmen braucht es heute wie morgen?

Massnahmen am Puls der ZeitÜber 250 Verkehrsinstruktorinnen und Verkehrsinstruktoren strömten am 16.

November 2011 in die Bernexpo – Teil-nehmerrekord! Bereits um 9 Uhr stand einer der wichtigsten Punkte auf dem Programm: Erfahrungsaustausch. Bei Kaffee und Gipfeli wurden aktuelle Probleme diskutiert und Kontakte ge-pflegt. Dies schätzt Chef-Verkehrsins-truktor Marcel Abplanalp der Stadtpo-lizei Winterthur besonders: «An einem Tag im Jahr treffen wir uns an einem Ort. Ein Anlass, der kaum mehr wegzu-denken ist.» Seit 14 Jahren nimmt Ab-planalp teil. War es damals noch eine überschaubare Gruppe, so hat er heute kaum mehr Zeit, mit allen zu sprechen.

Jedes Jahr kommen neue Verkehrsin-struktoren dazu – und selbstverständ-lich auch Verkehrsinstruktorinnen. Über 45 Frauen nahmen an der Jubilä-umstagung teil. Eine von ihnen ist Lilian Kempf von der Kantonspolizei Uri. Sie schätzt den Austausch besonders: «Ich bin erst seit 3 Jahren dabei. Ich erfahre jedes Jahr mehr, wie andere ans Thema Verkehrserziehung herangehen.»

Beim «Wie» setzte der nächste Teil des Programms zwischen 10.00 und 12.30 Uhr an: Unter dem Motto «Verkehrs-erziehung am Puls der Zeit» beleuchte-ten Referentinnen und Referenten mo-derne Massnahmen der Verhältnis- und Verhaltensprävention. Für wirkungsvol-len Verkehrsunterricht braucht es bei-des. Denn: Je besser die Verhältnisse im Strassenraum sind, desto einfacher fällt den Schülerinnen und Schülern das si-chere Verhalten.

Die jährliche Tagung ist für die Verkehrsinstruktorinnen und -instruktoren ein wichtiger Vernetzungsanlass.

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Verkehrserziehung der besonderen Art

Ein Beispiel: Kinder können Fussgän-gerstreifen mit Mittelinseln leichter überqueren als solche ohne. Dank der Mittelinsel müssen sie den Verkehr nur aus einer Richtung aufs Mal einschät-zen. Auch das bfu-Modell 50/30 ist eine wirkungsvolle Massnahme der Ver-hältnisprävention. «Gerade in Quar-tieren mit Schulhäusern sorgt Tempo 30 für eine Reduktion der Anzahl und Schwere von Unfällen», erklärt Claude Morzier, Verkehrsingenieur bei der bfu.

Herausforderungen nehmen zu«Für Kinder ist das Verkehrsgesche-hen komplexer geworden – es hat mehr Verkehr und mehr Signale», stellt Ab-planalp fest. Entsprechend sind die Herausforderungen an die Verkehrs-instruktoren gestiegen. Sicherheits-förderndes Verhalten zu vermitteln ist nicht einfach. «Dafür verantwort-lich ist unter anderem auch das Gehirn oder die Gehirnreifung», wie Lutz Jän-cke, Professor an der Universität Zü-rich, erläutert. Die wichtigste Botschaft aus Sicht der Hirnforschung: «Wieder-holen, wiederholen, wiederholen. Und: Vorbild sein.» Hierzu müssen natürlich auch Eltern beitragen. Gerade sie sind in der Erziehung gefragt. Darauf wies

Rita Dünki-Arnold hin. Sie ging auf Kinder mit auffälligem Verhalten ein. Den Instruktoren zeigte sie auf, wie der Verkehrsunterricht mit einfachen Massnahmen zum Erfolg wird.

Schliesslich braucht es auch ganz neue Ideen für den Verkehrsunterricht. Einen besonderen Weg beschreitet das Puppentheater tiramisü. In ihrem Re-ferat erklärten die Puppenspielerinnen ihre Arbeitsweise und machten Appetit auf ihr Austauschseminar (siehe Kas-ten), eines von sechs Seminaren, das die Verkehrsinstruktoren am Nachmit-tag besuchen konnten. Doch erst stand das Mittagessen auf dem Programm – Zeit für weiteren Erfahrungsaustausch.

Tom Glanzmann

Verbunden mit einem interaktiven Puppentheater bleiben die Präventionsbotschaften bei den Kindern haften.

«Guten Nachmittag miteinander, schön, seid ihr alle hier. Ich heisse Kari Oder-matt und heute sprechen wir von der Strasse.» So begrüsste die Polizisten-Puppe in den Händen von Regina Boss-hard rund 40 Kinder. Bosshard ist Mit-glied der Theatergruppe tiramisü. Seit über 12 Jahren arbeitet die Gruppe mit Verkehrsinstruktoren zusammen. An der Tagung zeigte sie den Ablauf ih-res Verkehrsunterrichts, der sich in 3 Teile gliedert. Im ersten Teil mussten die Kinder zeigen, wie sie einen auf dem Boden ausgerollten Fussgänger-streifen überqueren. Dies hatten sie be-reits vorgängig mit einem Verkehrsins-truktor eingeübt. Alle kamen sicher an und nahmen auf den Stühlen vor ei-ner Bühne Platz. Dort zeigte die Thea-tergruppe nochmals, worauf es beim Überqueren ankommt. Mit dem Merk-

spruch «Ich kann das!» wurde das Ver-halten gefestigt.

Dann tauchten die Kinder im zwei-ten Teil in eine magische, emotionale Welt ein, die auf den ersten Blick nicht direkt mit Strassenverkehr zu tun hat: ein Märchen, in dem der Held über das Böse siegt. Hier liegt das Beson-dere an der Unterrichtsform: Durch die aktive Teilhabe an der Geschichte werden die Sinne und die Möglichkei-ten zur Einflussnahme der Kinder ge-schärft und gestärkt. Über das Mär-chen wird ein positives Gefühl erzeugt. Das Kind überträgt dieses auf den All-tag, also z. B. auf den Strassenverkehr. Das fliesst in den dritten Teil ein. Hier übernahm der Polizist wieder die Füh-rung. Er wiederholte den Merkspruch und bedankte sich bei den Kindern für ihre Mitarbeit. tg

«Ein Anlass, der kaum mehr wegzudenken ist.»

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FOKUS VERKEHRSINSTRUKTION

Geduldig warten, bis die Strasse frei istKINDERGARTEN Dank den Verkehrsinstruktoren werden Kinder von klein auf für die Verkehrssicherheit sensibilisiert. Im Kindergarten Staufen, in der Aargauer Gemeinde Lenzburg, ist Polizist Stephan Roth ein gern gesehender Gast. sicher leben durfte beim Besuch dabei sein.

Der erste Teil der Verkehrsinstruktion findet im Kindergarten statt. «Warte, luege und lose – und erscht denn laufe» üben die Kinder mit «Stoppli», der bfu-Puppe, im Chor. Vor ihnen liegt ein Stras-senteppich. Die Kinder sagen Stoppli, wo er die Strasse überqueren darf. Ein Kof-fer mit Rädern und Beleuchtung simu-liert das heranfahrende Auto. Die Kin-der ermahnen Stoppli zu warten, obwohl der Autolenker ein Lichtzeichen gibt und Handzeichen macht. Doch Stoppli darf erst gehen, wenn die Räder stillste-hen. Danach bespricht der Verkehrsin-struktor Stephan Roth mit den Kindern, wie sie sich im Strassenverkehr gut sicht-bar machen können.Die älteren Kinder der Klasse kennen Stephan Roth, Fachlehrer für Verkehr und Verkehrsinstruktor der Regional-polizei Lenzburg, bereits von seinen früheren Besuchen. Für die kleineren Kinder ist es der erste Kontakt. Bereits seit Wochen haben sich die 21 Kinder auf den Besuch des Polizisten gefreut, erzählt die Lehrerin des Kindergartens 2 in Staufen bei Lenzburg. Sie schätzt den regelmässigen Besuch des Verkehrsin-struktors sehr: «Es ist etwas anderes, wenn der Polizist mit den Kindern übt, als wenn wir mit ihnen über Verkehrs-sicherheit sprechen.»

Nach der gemeinsamen Znünipause geht es auf einen Rundgang durchs Dorf. Beim ersten Fussgängerstreifen wird nochmals die Theorie wiederholt. Zuerst zu zweit, später einzeln üben die Kinder

bei verschiedenen Strassen das sichere Überqueren. Geduldig warten sie, bis die Strasse frei ist oder ein Auto anhält. «Ab heute sagt ihr euren Eltern, wann es richtig ist, die Strasse zu überqueren – auch wenn sie es eilig haben», gibt der Verkehrsinstruktor den Kindern mit auf den Weg. Schon bald ist die zweite Lek-tion beendet. Zurück im Kindergarten wird ein letztes Mal die Theorie wieder-holt. Zum Abschluss erhalten alle vom Polizisten ein kleines Malbüchlein mit Stoppli, das verschiedene Verkehrssitu-ationen zeigt.

Bereits vor Beginn des Schuljah-res machte Stephan Roth die Eltern der neuen Kindergärteler am Elternabend

auf die Gefahren des Strassenverkehrs aufmerksam. Er forderte sie auf, mit ih-rem Kind den sichersten Weg in den Kindergarten zu finden und dafür zu sorgen, dass das Leuchtdreieck immer getragen wird. In Staufen gilt zwar über-all Tempo 30, aber es gibt einige enge Strassenabschnitte mit unübersichtli-chen Einmündungen. Wichtig ist dem Verkehrsinstruktor auch, dass nicht ein-fach «Taxi Mama» fährt, sondern dass die Kinder lernen, ihren Schulweg selbst-ständig zurückzulegen. Denn der Schul-weg soll auch zusammen mit den ande-ren Kindern zum Erlebnisweg werden.

Beatrice Suter

Das Üben mit dem Verkehrsinstruktor Stephan Roth ist für die Kinder ein eindrück-liches Erlebnis.

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Das Ergebnis einer engen ZusammenarbeitSTANDPUNKT zur Verkehrserziehung in der Schule. Von Isabelle Chassot, Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK.

Verkehrserziehung ist ein wichti-ger Pfeiler der Unfallprävention.

Es besteht kein Zweifel, dass die Kinder durch einen frühzeitigen und wiederhol-ten Verkehrsunterricht für die Gefahren im Strassenverkehr sensibilisiert werden. Dabei wird ihnen von klein auf verant-wortungsbewusstes Verhalten vermittelt – eine wichtige Grundlage für eine res-pektvolle und sichere Nutzung des öffent-lichen Raums.

In allen Kantonen findet die Verkehrs-erziehung ab dem Kindergarten nicht nur auf theoretischer, sondern auch auf prak-tischer Ebene statt. Denn ein nachhalti-ger Lerneffekt ist nur möglich, wenn die Kinder auf ihrem Schulweg mit realen Verkehrssituationen konfrontiert wer-den. Bei praktischen Übungen haben sie die Möglichkeit, sich in einem sicheren Rahmen damit vertraut zu machen. Dies geschieht unter Anleitung von Verkehrs-instruktoren der Polizei, die eigens für den Umgang mit dem jungen Zielpubli-kum geschult wurden. Verkehrserziehung in der Schule ist letztlich das Ergebnis ei-ner engen Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Polizei und verschiedenen Partnern, die ihre pädagogische Unter-stützung einbringen.

Es sei jedoch daran erinnert, dass Ver-kehrserziehung nicht nur in der Schule stattfindet: Auch die Familie spielt eine wesentliche Rolle in diesem Lernprozess – vielleicht sogar die wichtigste. Ich be-grüsse deshalb Initiativen wie den Pe-dibus, also Projekte von engagierten El-

FOKUS VERKEHRSINSTRUKTION

Isabelle Chassot: «Eine nachhaltige Verkehrserziehung ist nur möglich, wenn die Kinder mit realen Situationen konfrontiert werden.»

tern, die ihre Kinder auf dem Schulweg zur Eigenverantwortung erziehen möch-ten. Die Kinder lernen so schrittweise, sich im Strassenverkehr selbstständig zu bewegen.

Damit der Schulweg Sicherheit bietet und auch Spass macht, sind entsprechende Raumplanungs- und Verkehrsmassnah-men nötig. Die Strasseninfrastruktur ist bislang nicht genügend auf Fussgänger und Radfahrende ausgerichtet. Wäh-rend die Strassen für motorisierte Perso-nen ein zusammenhängendes Netz bil-den, werden die Fussgängerwege immer

wieder durch den Verkehr unterbrochen. So gehören zum Beispiel Verkehrsberuhi-gungsprojekte und Fussgängerinseln zu den Massnahmen, mit denen das Neben-einander aller Verkehrsteilnehmenden entscheidend erleichtert werden kann.

Zum Schluss möchte ich betonen, dass all diese Massnahmen und Bemühungen ohne das aktive Zutun jedes und jeder Einzelnen nutzlos bleiben, denn im Ver-kehr braucht es das rücksichts- und ver-antwortungsvolle Verhalten aller, um die Sicherheit auf den Strassen zu gewähr-leisten.

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BERUFS- UND MITTELSCHULEN Das Amt für Strassenverkehr und Schifffahrt (ASS) des Kantons Freiburg hat die Aufgabe, Jugendliche und junge Erwachsene für Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. Wie schwierig ist es, dieser Zielgruppe Sicherheits-botschaften zu vermitteln? Ein Gespräch mit Pierre-André Singer, Leiter des Sektors Prävention im ASS.

Sicherheit geht auch Junge etwas an

sicher leben: Pierre-André Singer, in verschiedenen Kantonen haben die Schüler schon früh keine Verkehrser-ziehung mehr, manchmal bereits ab der 7. Klasse. Im Kanton Freiburg ist die Situation offensichtlich anders …

Pierre-André Singer: Tatsächlich kom-men in Freiburg gemäss einem kanto-nalen Beschluss alle Kinder während der obligatorischen Schulzeit in den Genuss von Sensibilisierungskursen. Dafür ist die Polizei zuständig. Für die

Sekundarstufe II hat der Staatsrat den Auftrag ans ASS vergeben; entspre-chend bieten wir eine Reihe von Aus-bildungen an, die auf unser Zielpubli-kum zugeschnitten sind. Dieses kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem,

Pierre-André Singer mit einer Freiburger Handelsklasse.

FOKUS VERKEHRSINSTRUKTION

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ob wir es z. B. mit Lehrlingen der Auto-branche, Pharmazieassistentinnen oder Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zu tun haben. Die Angebotsvielfalt ist uns sehr wichtig, denn die Mittel- und Berufsschulen sind für verschiedene Themen sehr empfänglich. 2010 bildete unser Amt etwa 2000 Jugendliche in Verkehrssicherheit aus.

Welches sind die wichtigsten Botschaf-ten, die Sie den Jugendlichen vermitteln?Wir wollen ihnen bewusst machen, dass sie nicht nur Nutzen aus der Si-cherheit ziehen, sondern auch ihren Beitrag dazu leisten müssen. Unser Ziel ist, ihnen die nötigen Informationen zu liefern, damit sie die richtigen Entschei-dungen treffen und sich selber schüt-zen können, um nicht auf der Strasse zu sterben. Fahren ist kein Grundrecht, sondern eine komplexe Tätigkeit, die vielen Gesetzen unterliegt. Um das zu illustrieren, zeigen wir auf, welche Fol-gen ein Unfall strafrechtlich, adminis-trativ und persönlich nach sich zieht.

Bleibt das nicht alles sehr theoretisch? Kommt diese Botschaft an?Die Folgen der Unfälle, insbesondere die physischen und finanziellen, ma-chen den Jugendlichen grossen Ein-druck. Sie realisieren, dass zum Beispiel ein feuchtfröhlicher Abend lebenslang schwere Auswirkungen auf das sozi-ale Leben haben kann. Das ist auch das Thema des Films «Raser Bänz», den wir regelmässig vorführen. Dieser er-zählt die wahre Geschichte von Mar-tin Bänz, der gern und schnell fährt. An einem Sommernachmittag kommt der junge Mann in einer 80-km/h-Zone mit 140 km/h von der Strasse ab. Die Folge: 2 Monate Koma, 37 Brü-che, das rechte Bein kaputt, Schulden ohne Ende, 3 Jahre Wartefrist für eine IV-Rente usw. Ganz zu schweigen vom Leiden der Angehörigen. Der Film zeigt eindrücklich die dramatische Wende, die ein Leben (oder sogar mehrere) nach einem Unfall – in diesem Fall

selbst verschuldet – nehmen kann. Wir hoffen, dass diese Botschaft bei den Jungen hängen bleibt.

Heisst das für Sie, dass man mit Schockbildern arbeiten muss?Nein, wir zeigen auch keine besonders brutalen oder blutigen Bilder. Zudem weisen wir deutlich darauf hin, dass in unserem Kanton beispielsweise 2010 nur 1 % der Fahrausweise in der Probezeit wieder eingezogen wurde. Die grosse Mehrheit verhält sich also korrekt. Wir versuchen realistisch zu sein und an die Verantwortung zu appellieren.

Das ASS bietet diese Kurse seit 1995 an. Hat sich Ihr Publikum in dieser Zeit verändert? Kommen die Botschaften besser oder schlechter an als früher?Die Jungen scheinen mir heute an-spruchsvoller als früher, aber nicht we-niger offen für unsere Anliegen. Ich würde sogar sagen, die Mentalität im Bereich der Verkehrssicherheit entwi-ckelt sich positiv. Die Jungen sehen die Sache sehr klar und betrachten ihre Umwelt kritisch. Viele sind sich be-wusst, dass die «Auto-über-alles-Men-talität» vorbei ist. Sie merken, dass das Einhalten von Regeln im Strassenver-kehr unabdingbar ist für die Mobilität jedes Einzelnen. Natürlich gibt es im-mer auch solche, die das Risiko lieben. Wir dürfen uns also keineswegs zu-rücklehnen.

Sie haben es mit intensiven Nutzern von neuen Technologien zu tun. Wird das in Ihrem Amt berücksichtigt?Die Erwartungen werden diesbezüglich immer höher. Soweit möglich setzen wir einen Fahrsimulator der neusten Generation ein. Damit können wir Ri-sikosituationen in Echtzeit simulieren. Es gibt viele Wege, unsere Ziele zu ver-mitteln. Der direkte Kontakt und Dia-log ist dabei aber zentral und darf nicht vernachlässigt werden.

Interview: Magali Dubois

Ein aktives AmtDas Amt für Strassenverkehr und Schifffahrt des Kantons Freiburg (ASS) mit ungefähr 80 Mitarbei-tenden ist eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt, die verschiedene selbst finanzierte Präventionstätigkeiten durchführt: Sensibilisierung auf der Sekundar-stufe II, Auffrischungskurse für Senioren, Kurse für Alkohol-Erst-delinquenten und Verkehrserzie-hungskurse für Rückfällige oder im Hinblick auf die Wiedererlangung des Fahrausweises. Daneben ar-beitet das ASS punktuell mit Part-nern zusammen. So unterstützte es 2010 die Kampagne «Slow Down. Take it easy», indem ein Engel auf Freiburger-Strassen zu angepasster Geschwindigkeit aufforderte. 2011 organisierte das ASS zusammen mit der albanischen und der portugie-sischen Gemeinschaft eine Tagung zur Prävention von Verkehrsunfällen. www.ocn.ch

Auf www.verkehrserziehung.ch finden Eltern, Lehrpersonen und Verkehrsins-truktoren eine Übersicht aktueller Lehr-mittel für die Verkehrserziehung auf allen Alters stufen. Der Vorteil: Auf der Plattform sind nicht nur die Lehrmit-tel der bfu abrufbar, sondern auch al-ler übrigen Anbieter wie z. B. TCS, Pro Velo oder AXA Winterthur. Die Lehr-mittel können über die Plattform direkt bei den Anbietern bestellt werden.

ANGESAGT

Lehrmittel für die Verkehrserziehung

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Weniger Fussgängerunfälle mit Vision ZeroBLICK NACH SCHWEDEN Am 13. bfu-Forum stand die Sicherheit der Fussgänge-rinnen und Fussgänger im Zentrum. sicher leben sprach mit der Hauptreferentin, der schwedischen Forschungsleiterin Astrid Linder, über ihre Erfahrungen mit dem Präven-tionsansatz «Vision Zero».

sicher leben: Als Schweden 1997 sein ambitiöses Verkehrssicherheitspro-gramm «Vision Zero» zum Ziel er-klärte, war das der Beginn einer neuen Denkhaltung. Von da an sollten die Si-cherheitssysteme so ausgestaltet sein, dass schwere Unfälle gar nicht mehr geschehen können. Wie haben Sie diese Startphase damals erlebt? Astrid Linder: Als Vision Zero einge-führt wurde, reagierten viele Akteure skeptisch und sogar ungläubig. Reakti-onen wie «die Gesellschaft wird stillste-

hen, wenn wir Vision Zero umsetzen» waren an der Tagesordnung. Andere wiederum liessen sich inspirieren und erkannten die Parallelen zu den Errun-genschaften zum Beispiel im Bereich Arbeitssicherheit. Sie glaubten daran, dass im Strassenverkehrssystem ein solcher Wandel auch möglich wäre.

Vision Zero geht davon aus, dass Men-schen nicht perfekt sind, also hin und wieder Fehler machen, und das Sys-tem diese auffangen muss. Wie weit geht diese «Vorsorge» und ab welchem Punkt beginnt die Eigenverantwor-tung?Vision Zero beruht auf dem Prinzip der geteilten Verantwortung. Die Be-

nutzenden des Verkehrssystems sind immer für ihr Tun verantwortlich. Fehlerhaftes Verhalten sollte in der Ausgestaltung des Systems jedoch ein-geplant und absichtliche Verstösse ge-gen rechtliche Bestimmungen müssen geahndet werden. Der Systemanbieter (Anmerkung Redaktion: z. B. Strassen-eigentümer, Gesetzgeber usw.) sowie die Entwickler – z. B. von Fahrzeugen – stehen in der Verantwortung. Sie müs-sen ein System gestalten, das die Kon-sequenzen von menschlichem Versagen auffängt und schwere oder gar tödliche Verletzungen verhindert.

Wie gehen Sie in Schweden vor, um die bis 2020 gesetzten Ziele von Vision Zero auch tatsächlich zu erreichen? Wir hatten uns bereits für 2007 Ziele gesetzt, diese dann aber nicht erreicht. So mussten wir in Schweden auf die harte Tour lernen, dass eine kontinu-ierliche Überwachung der Fortschritte notwendig ist. Aus diesem Grund ha-ben wir 15 Indikatoren für die Ver-kehrssicherheit eingeführt, die wir messen und anhand derer wir die jähr-lichen Fortschritte überprüfen können. Das geschieht in einem offenen Forum mit Beteiligung aller Akteure.

Wo gab es bis jetzt «Sicherheitslücken» im System Strassenverkehr? Jedes Land ist mit spezifischen Heraus-forderungen konfrontiert. In Schweden hatten und haben wir noch immer Pro-

bleme mit Geschwindigkeitsübertre-tungen. Rasen ist in der schwedischen Gesellschaft akzeptiert, solange dabei nichts schief geht. Diese Akzeptanz be-ruht auf fehlendem Wissen über den Zusammenhang zwischen Tempoüber-schreitungen und Unfällen. Dem wir-ken wir nun auf unterschiedliche Art und Weise entgegen.

Welches sind die wichtigsten Mass-nahmen, die zurzeit in Schweden im Rahmen von «Vision Zero» getroffen werden, um diese Sicherheitslücken zu schliessen?Das Thema «Rasen» gehen wir mit ver-schiedenen Massnahmen und Ansätzen an. Wir haben Geschwindigkeitskame-ras eingeführt – das geschah phasen-weise mit Pilotversuchen und Evalua-tionen. Wir haben die Tempolimiten einer vollständigen Überprüfung un-

terzogen und eindeutigere Zusammen-hänge zwischen dem Sicherheitsniveau der Strassen und den darauf gültigen Tempolimiten hergestellt. Unter zahl-reichen Sensibilisierungsmassnahmen haben wir auch solche getroffen, die der Gesellschaft die Bedeutung des Themas

NETZWERK PARTNER

«Vision Zero beruht auf geteilter Verantwortung.»

«Wo Fahrzeuge und Fuss-gänger zusammentreffen, sollte die Tempolimite 30 km/h sein.»

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Dr. Astrid Linder ist Forschungsleiterin Verkehrssicherheit beim Schwedischen Verkehrsforschungszentrum VTI. Sie sprach am bfu-Forum vom 29. November 2011 in Bern.

vor Augen führen, wie z. B. verschärfte Strafen für Raser und vermehrte Poli-zeikontrollen.

Mit welchen Massnahmen kann man insbesondere die Sicherheit der Fussgän-gerinnen und Fussgänger verbessern? Wenn es um die Sicherheit von Fussgän-gern geht, gilt für alle Menschen welt-weit das Gleiche: Aufgrund der biome-chanischen Voraussetzungen werden bei einem Aufprall mit 30 km/h rund 10 % der Fussgänger getötet, je nach Art des Aufpralls und Verletzlichkeit der betroffenen Person. Bei 50 km/h liegt der entsprechende Wert bereits bei rund 80 %. Das heisst, dass bei einer Tempolimite von 50 km/h keine Inter-aktion zwischen Strassenverkehr und Fussgängern stattfinden sollte. Dort, wo Fahrzeuge und Fussgänger zusam-mentreffen, müsste die Tempolimite 30 km/h betragen.

In Ihrem Vortrag erwähnen Sie Göte-borg als erfolgreiches Beispiel, wo die Unfallzahlen dank dem Datenaus-tausch zwischen Polizei und Spitälern massiv abgenommen haben. Was hat man dort besonders gut gemacht?

In Göteborg sind viele Dinge gut ge-macht worden. Man hat viel Energie darauf verwendet, um herauszufinden, wo es bei Unfällen zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen kommt und welche Faktoren dazu beitragen. Und man hat konsequent Massnahmen getroffen, informiert und die Durch-führung der Massnahmen ständig überwacht. Das und noch vieles mehr ist notwendig, um die Anzahl der To-desfälle und Verletzungen in unserem Strassenverkehrssystem nachhaltig zu verringern.

Wie ist Ihre Zwischenbilanz heute, 11 Jahre nach dem Start von Vison Zero? Wir profitieren enorm davon, dass alle Akteure ein gemeinsames Ziel haben. Es tut gut zu wissen, dass wir die Si-cherheit nicht nur verbessern sollten, sondern es auch können.

Interview: Ursula Marti

Vom 6. bis 8. Juni 2012 findet in Bern die 4. Fachmesse für Arbeitssicher-heit und Gesundheitsschutz am Ar-beitsplatz statt. Die bfu informiert an einem gemeinsamen Stand mit Arbeits Sicherheit Schweiz sowie in Praxisforen, wie Betriebe erfolgreich die Prävention von Nichtberufsun-fällen ihrer Mitarbeitenden fördern können. Informationen: www.arbeits-sicherheit-schweiz.ch

ANGESAGT

bfu an der Arbeits-SicherheitSchweiz

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NETZWERK BETRIEBE

«Drive Safely Week» bei Coca-ColaFIRMENKULTUR Der Umgang mit Sicherheit ist Teil der Firmenkultur von Coca-Cola HBC Schweiz AG. In einer Aktionswoche, der «Drive Safely Week», wird zu sicherem Verhalten im Strassenverkehr angeregt. Die Geschäftsleitungs-mitglieder stehen voll hinter der Aktion.

«Bip bip» quittieren rund 600 Handys von Vertriebsmitarbeitenden, Stapler-fahrern und Lastwagenchauffeuren den Empfang eines SMS. Es erinnert sie an den Start der «Drive Safely Week» der Coca-Cola HBC Schweiz AG. Während dieser Aktionswoche motiviert das Un-ternehmen rund 1200 Mitarbeitende in der ganzen Schweiz, sich im Strassen-verkehr sicher zu verhalten. Pro Jahr le-gen die Mitarbeitenden beruflich rund 16 Millionen Kilometer zurück. Den Vielfahrern gilt denn auch das Haupt-augenmerk.

Die Verantwortlichen von Coca-Cola HBC Schweiz AG haben in Zusammen-arbeit mit der bfu ein abwechslungs-reiches Programm zusammengestellt. Täglich erhalten alle Mitarbeitenden Aufrufe per E-Mail oder SMS und wer-den am Schwarzen Brett über das ak-tuelle Sicherheitsthema informiert. An verschiedenen Standorten kommen In-fomodule zum Einsatz. Diese regen die Mitarbeitenden an, sich Gedanken zu ihrem eigenen Verhalten im Strassen-verkehr zu machen. Angesprochen wer-den der Umgang mit Alkohol / Drogen, Ermüdung und Telefonieren am Steuer, der Sicherheitsgurt sowie die ange-passte Geschwindigkeit. In den Pausen-räumen liegen neben bfu-Broschüren speziell für die Aktion gestaltete Karten sowie heiss begehrte Give-aways auf: Kleber der Geschwindigkeitskampagne «Slow Down. Take it easy», Leuchtbän-der für bessere Sichtbarkeit, Türhän-

Die Figur Franky Slow Down motiviert die Mitarbeitenden von Coca-Cola HBC Schweiz AG, sich im Rahmen der «Drive Safely Week» mit dem eigenen Verkehrsverhalten auseinanderzusetzen.

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«Die Fahrsicherheit war in aller Munde»Patrick Wittweiler, Country Operational Sustainability Manager der Coca-Cola HBC Schweiz AG, zur «Drive Safely Week».

sicher leben: Herr Wittweiler, Sie sind bei der Coca-Cola HBC Schweiz AG auch für das Thema Sicherheit verant-wortlich und tragen mit Ihrem Commit-ment diese Präventionskampagne mit. Was gab den Anlass, an den verschie-denen Standorten in der Schweiz eine «Drive Safely Week» durchzu führen?Patrick Wittweiler: Die Kampagne ha-ben wir im Rahmen einer internationa-len Fahrsicherheits-Initiative der Coca-Cola Hellenic Gruppe durchgeführt, zu der unser Unternehmen gehört. Ziel war, das Sicherheitsbewusstsein un-serer Mitarbeitenden im Strassenver-kehr zu stärken. Viele von ihnen sitzen schliesslich täglich hinter dem Steuer – zum Beispiel die Aussendienst-Mit-arbeitenden oder die LKW-Fahrer. Ob wir nun selber fahren oder als Beifahrer oder Fussgänger am Strassenverkehr teilnehmen – wir alle können etwas da-für tun, um Unfälle zu vermeiden. Die Botschaft ist denkbar einfach: vorsich-tig fahren, auch als Fussgänger umsich-tig sein, darüber nachdenken, wie man seine Sicherheit erhöhen und sich ver-antwortungsvoller verhalten kann.

Welche Erfahrungen machen Sie damit?Sehr gute: Die rege Teilnahme an den gemeinsam mit der bfu geplanten Ak-tionen und das schriftliche Bekenntnis vieler Coca-Cola-Mitarbeitenden wäh-rend der Aktionswoche zeigen die breite Akzeptanz und die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Fahrsicherheit war während der «Drive Safely Week» in aller Munde.

Wie verfolgt Ihr Unternehmen das Thema weiter?Die Sicherheit unserer Mitarbeitenden ist eines der wichtigsten Themen in un-

serem Unternehmen und wir führen ge-zielt zahlreiche Programme im Bereich Arbeitssicherheit durch. Dazu gehören zum Beispiel regelmässige Fahrtrainings für unsere LKW-Fahrer. Angesichts des Erfolgs der «Drive Safely Week», über-legen wir uns, die Aktion im nächsten Jahr zu wiederholen oder auch das Kon-zept auf weitere Themen im Bereich der Arbeitssicherheit auszudehnen. bs

ger aus der Turboschlaf-Kampagne und Gummibonbons in Cola-Fläschchen-Form aus der Alkoholkampagne.

Aha-Erlebnis mit dem FahrsimulatorEine besondere Attraktion steht vor der Kantine des Werks Bolligen (BE): ein Alkohol-Fahrsimulator. Ein ehemali-ger Lastwagenchauffeur will dieses ei-genartige Gefährt mit 3 Bildschirmen ausprobieren. Nach einer kurzen In-struktion durch Iwan Fuchs von der Fachstelle ASN, beschleunigt er auf 80 km/h. Plötzlich taucht ein Hindernis auf dem Bildschirm auf und er bremst kräftig ab. 0,72 Sekunden ist seine Re-aktionszeit – ein guter Wert. Dennoch ergibt das einen Bremsweg von 23 Me-tern und er touchiert das Hindernis leicht. Der Instruktor zeigt ihm an-schliessend am Monitor, welche Sicht-einschränkungen er mit einem Alko-holpegel von 0,5 Promille hätte. Und er simuliert auf dem Bildschirm, wie viele Meter er aufgrund der eingeschränkten Reaktionsfähigkeit über die Mauer hin-ausgeschossen wäre.

Iwan Fuchs ist mit der Aktion sehr zufrieden: «Die Leute hier sind gut in-formiert und kommen von sich aus vor-bei, um ihre Reaktion zu testen. Sie sind immer wieder erstaunt, welchen Ein-fluss Alkohol auf die Reaktionsfähig-keit und auf den Bremsweg hat.» Und schon kommt der nächste Mitarbeiter, der das Testgerät ausprobieren will.

Der Startschuss zur Aktion fiel an einem Kick-off-Meeting im Novem-ber 2011. Vor rund 200 Managern und Franky Slow Down gaben die 6 anwe-senden Geschäftsleitungsmitglieder ihr Versprechen, sich im Strassenverkehr verantwortungsvoll zu verhalten. Sie un-terzeichneten Poster, die anschliessend an einem gut sichtbaren Ort platziert wurden, worauf auch viele andere Mitar-beitende ihr Commitment abgaben. Da-mit nimmt das Unternehmen eine Vor-reiterrolle in der Sicherheitskultur wahr.

Beatrice Suter

Patrick Wittweiler vor dem signierten Poster mit Geschäftsleitungsmitgliedern und Franky.

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Vermehrt Prävention statt nur Repression POLIZEILICHE KAMPAGNENARBEIT Viele Kantonalpolizeien sind äusserst aktiv in der Präventionsarbeit. Neben der Verkehrsinstruktion führen sie auch zahlreiche Aktionstage und Sensibilisierungskampagnen durch. Dank guter Zusam-menarbeit untereinander und mit der bfu ergeben sich Synergien.

Die Polizei ist längst nicht nur Hüte-rin des Gesetzes, sie ist auch ein wich-tiger Akteur in der Unfallverhütung. Um die polizeiliche Präventionsarbeit schweizweit zu koordinieren, treffen sich die Verantwortlichen aus den ver-schiedenen Regionen regelmässig in

der Arbeitsgruppe Verkehrsprävention. Das Fachgremium wird präsidiert von Franz-Xaver Zemp von der Luzerner Polizei. Die Aufgaben umschreibt er wie folgt: «Wir beobachten und analysieren das Verkehrsgeschehen und ziehen die Konsequenzen für die Präventionsar-

beit.» Bei Handlungsbedarf werden Lö-sungsvorschläge vorgelegt. Oft einigen sich die Kantonalpolizeien und regio-nalen Konkordate darauf, gleichzeitig einen Schwerpunkt zu setzen mit Kon-trollen und dazu passenden Präventi-onsaktivitäten, etwa zur Alkohol- oder

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Aktionstag in Sedrun: Töfffahrende machen Pause und informieren sich über Sicherheitsfragen.

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Geschwindigkeitsproblematik. Gemäss Zemp ist das aber nicht immer möglich oder sinnvoll: «Nicht alle haben die glei-chen Ressourcen und je nach Gegend bestehen andere Herausforderungen.»

Gebirgskantone sind beispielsweise mit Töffunfällen auf Passstrassen kon-frontiert, vor allem am Anfang und am Ende der Fahrsaison, wie Damian Meier von der Kantonspolizei Uri er-läutert: «Anfangs haben die Töfffah-renden noch wenig Routine und vor der Winterpause wollen sie oft noch-mals richtig aufdrehen.» Der Polizei sei wichtig, dem Problem nicht nur mit Repression, sondern auch mit Prä-vention zu begegnen. Deshalb orga-nisieren sie regelmässig Infokampa-gnen und -anlässe. Zum Beispiel die Aktionstage in Sedrun, am Fusse des Oberalp passes (siehe Bild), die von den Urner und Bündner Kapos gemeinsam durchgeführt werden. Die Töfffahren-den werden eingeladen, auf dem gros-sen Parkplatz eine Pause zu machen, alkoholfreie Drinks zu geniessen, sich über das sichere Fahren, die Ausrüs-tung usw. zu informieren oder mit den

Polizeiangehörigen, die oft auch selber Töff fahren, zu fachsimpeln.

Die Kantonspolizei Graubünden geht noch weiter und hat 2011 erstmals einen Töfffahrer des Jahres gekürt. Um diesen Titel zu gewinnen, musste ein Parcours absolviert werden. Der Wettbewerb fand anlässlich der «Biker-Prävi-Days» im Fahrsicherheitszentrum «Driving Graubünden» in Cazis statt. Auch die-ses Jahr, am 3. Juni, wird der Event wieder abgehalten (siehe www.biker-praevi-days.ch). «Mit solchen Anlässen möchten wir erreichen, dass die Polizei für die Leute greifbar wird», sagt Ro-ger Padrun von der Kapo Graubünden,

Der bfu-Sicherheitsdelegierte von Sur-see, Marcel Büeler, hat eine beson-ders gelungene Form gefunden, um die Schülerinnen und Schüler für die Sicherheit beim Radfahren zu sensi-bilisieren und gleichzeitig zu gewähr-leisten, dass jedes Kind funktionie-rende Lichter an seinem Velo hat. Zusammen mit Lehrpersonen und Polizisten organisierte er die Aktion «Schüler kontrollieren Schüler». Eine Oberstufenklasse wurde vorgängig geschult, wie die Velos zu begutach-ten und die Resultate auf einem Kon-trollschein einzutragen sind. Danach wurden in der Turnhalle Teststatio-nen eingerichtet und während eines ganzen Vormittags durchliefen alle 33 Klassen des Schulhauses bei ihren äl-teren Kolleginnen und Kollegen den Velolichttest. Insgesamt wurden etwa 700 Fahrräder kontrolliert. Wer nicht bei allen Lichtern und Rückstrahlern ein «in Ordnung» eingetragen bekam, sondern ein «fehlt» oder «defekt», wurde aufgefordert, zusammen mit den Eltern die Mängel zu beheben. Der von den Eltern unterschriebene Kontrollschein musste danach der Klassenlehrperson abgegeben wer-den. Die Aktion konnte ohne grosses Budget organisiert werden und band die Jugendlichen geschickt in die Ar-beit mit ein – einfach genial! um

EINFACH GENIAL

Velolicht-Kontrolle durch die Schul-kollegen

«denn wir haben ein gemeinsames Ziel: das Vorbeugen von Unfällen.»

Im Kanton Zürich werden die Schwerpunkte etwas anders gesetzt. Die Verkehrsinstruktion in den Schu-len ist dort besonders gut ausgebaut, mit Power-Point-Lektionen, eigens her-gestellten Arbeitsblättern und ande-

ren Lehrmitteln. «Das Budget erlaubt es uns, auch einmal einen Lehrfilm herzu-stellen», sagt Jakob Müntener von der Kantonspolizei Zürich. Die 16 vollamt-lichen Verkehrsinstruktoren besuchen jede Schulklasse jährlich und unterrich-ten auch an Berufsschulen. Daneben führen sie Elternabende durch und refe-rieren an Seniorenveranstaltungen und andern Anlässen. Auf der Strasse In-fomaterial verteilen – solche Aktionen sind gemäss Müntener nicht üblich für die Kapo Zürich. Dafür werden regel-mässig Kampagnen mit Plakaten, TV- und Radiospots durchgeführt zu The-men wie Alkohol, Schulanfang, Abstand halten, Tag des Lichts usw. Über den Verkehrsbereich hinaus engagiert sich die Kapo Zürich auch gegen Kollisionen zwischen Schwimmenden und Schiffen auf den Zürcher Seen.

Peter Matthys, Leiter Kampagnen/Marketing bei der bfu, begrüsst es, dass die Polizeikorps derart aktiv sind: «Die bfu stellt einen Kampagnenplan sowie dazugehörende Einsatzmittel wie Pla-kate, Give-Aways usw. zur Verfügung. Wir freuen uns, wenn die Polizeistellen rege Gebrauch davon machen oder uns konsultieren, wenn sie eigene Aktionen planen.» Informationen zu den bfu-Ein-satzmitteln finden Sie auf: www.bfu.ch (unter Strassenverkehr, Kampagnen).

Ursula Marti

«Mit solchen Anlässen möch-ten wir erreichen, dass die Polizei für die Leute greifbar wird.»

«Wir haben ein gemeinsames Ziel: das Vorbeugen von Unfällen.»

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KAMPAGNE

Liebeserklärung an Velo – und Helm!

www.lovevelo.ch

Passionierte Velofahrerinnen und Velofah-rer lieben ihren «Drahtesel» heiss – in diese Liebe soll auch der Helm eingeschlossen wer-den. Das vermittelt die neue Kampagne der bfu und ihrer Partner VCS und Swiss Cycling. Sie startet am 19. März mit dem neuen Plakat «LOVE-VELO».

Neben der Liebeserklärung an Velo und Helm soll auch kommuniziert werden, wie der Helm korrekt getragen wird: 2 Fingerbreit über der Nase und mit straffen Bändern. Nur so kann er seine schützende Wirkung richtig entfalten.

Als Botschafter für die Kampagne konnte Radrennprofi Fabian Cancellara aus Bern ge-wonnen werden. Der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger ist ein überzeugter Helm-

träger, auch wenn er ausserhalb von Training und Rennen mit dem Velo unterwegs ist. Auf www.lovevelo.ch (ab 19.03.12) gibt er Tipps zum sicheren Velofahren. Auf dieser neu auf-gebauten Website findet sich übrigens auch ein attraktiver Wettbewerb: Helmträgerin-nen und -träger können ihr Bild posten. Da-nach wird elektronisch abgestimmt, wer Mis-ter oder Miss Velohelm wird.

Gleichzeitig wie die Kampagne findet die jährliche Vergünstigungsaktion für Ve-lohelme statt. Dank der Finanzierung des Fonds für Verkehrssicherheit FVS können bis zu 30 000 neue Helme mit einem Rabatt von Fr. 20.– gekauft werden. Eine Liste mit ent-sprechenden Velofachgeschäften finden Sie auf www.velohelm.ch. um

Das neue Helmplakat wird in der ganzen Schweiz zu sehen sein.


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