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Schweizer Monat, Sonderthema 27, November 2015

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Swiss Quality Im Aufstieg oder im Blindflug? Wie Schweizer Unternehmen mit dem Margendruck umgehen. Wie sie den mythischen Begriff Swiss Quality in der Welt nutzen. Mit Beiträgen und Interventionen von: Hans-Ulrich Bigler Oscar J. Schwenk Ralph Müller Ulrich W. Herzog Markus Oberholzer u.a.
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Page 1: Schweizer Monat, Sonderthema 27, November 2015

Swiss QualityIm Aufstieg oder im Blindflug?

Wie Schweizer Unternehmen mit dem Margendruck umgehen. Wie sie den mythischen Begriff Swiss Quality in der Welt nutzen.

Mit Beiträgen und Interventionen von:Hans-Ulrich BiglerOscar J. SchwenkRalph MüllerUlrich W. HerzogMarkus Oberholzeru.a.

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Leider anspruchsvoll

schwerstarbeiterinnen

Die Konsequenz der globalen Wirtschaft erkennt man erst im richtigen Zusammenhang. Jetzt abonnieren: +41 44 361 26 06

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Schweizer Monat SonDertheMa noveMber 2015

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Inhalt Bruno Affentranger

10 Im Export schlägt Qualität den Preis

Oscar J. Schwenk

12 Qualität ist kein Marktvorteil – sie ist eine Bedingung

Angel Gonzalo

22 Showcase 1: Von Luzern aus ins Weltall

Angel Gonzalo

25 Showcase 2: Oris behauptet sich mit «High Mech»

Bruno Affentranger

27 Showcase 3: Wenn Millimeter entscheiden

Markus Oberholzer

28 «Ich muss mich manchmal schämen»

06Die 50-Milliarden-ChanceHans-Ulrich Bigler

Impressum «Schweizer Monat», Sonderthema 27 ISSN 0036-7400

VERLAGSMH Verlag AG

HERAUSGEBER & CHEFREDAKTORRené Scheu (RS): [email protected]

PROjEKTLEITUnG BA Media Luzern, in Kooperation mit dem Schweizerischen Gewerbeverband und der Stiftung KMU Schweiz

REDAKTIOnELLE LEITUnG Bruno Affentranger: [email protected] Angel Gonzalo: [email protected]

GESTALTUnG & PRODUKTIOnPascal Zgraggen: [email protected]

KORREKTORATRoger Gaston SutterDer «Schweizer Monat» folgt den Vorschlägen zur Rechtschreibung der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), www.sok.ch.

InSERATEVERKAUF Roger Pfranger: [email protected]

ADRESSE«Schweizer Monat»SMH Verlag AG, Rotbuchstrasse 46, 8037 Zürich+41 (0)44 361 26 06, www.schweizermonat.ch

[email protected]

PREISEJahresabo Fr. 195.– / Euro 165.–2-Jahres-Abo Fr. 350.– / Euro 296.–Abo auf Lebenszeit / auf AnfrageEinzelheft Fr. 22.– / Euro 19.–Studenten und Auszubildende erhalten 50% Ermässigung auf das Jahresabonnement.

DRUCKVogt-Schild Druck AG, Derendingenwww.vsdruck.ch

BESTELLUnGEnwww.schweizermonat.ch

synergy: Am 4. November 2015 treffen im Kursaal in Bern die führenden Köpfe von kleinen und mittelgrossen Schweizer Unternehmen zusammen. Die KMU-Schweiz-Stiftung hat eingeladen, zusammen mit dem Schweizerischen Gewerbeverband. «synergy» heisst der Anlass, den es seit 1999 gibt. Dieses Jahr ist Swiss Quality das Thema. Mehr unter: www.synergy-schweiz.ch

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«Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt.» Hermann Tietz (1837–1907), Gründer des Warenhauskonzerns Hertie.

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SchWeIzer Monat SonDertheMa MaI 2015

Swiss Quality, dieser beinahe schon mythische Begriff, ist im Weltmarkt

fest etabliert. Wer jemals in Singapur oder Hongkong ein Produkt

oder eine Dienstleistung im Zusammenhang mit dem Siegel Schweiz

erwähnt hat, weiss: das weisse Kreuz auf rotem Grund erzeugt einen

Wiedererkennungswert, der weit überdurchschnittlich ist. Im globalen

Narrativ ist sie seit bald hundert Jahren fest eingebrannt. Schweiz

steht für Qualität – und für Wohlstand bzw. Reichtum. Die Meinung im «Welt sucht den

Superstar»-Format ist gemacht: Was aus diesem Land stammt, muss ausserordentlich

gut sein, denn dieses kleine Land hat es exakt dank dieser Leistung zu unerhörtem

Reichtum geschafft. In Hongkong, New York, Singapur oder New Delhi schaut man

deshalb nach wie vor genau hin, wenn Schweizer Unternehmen mit Produkten oder

Dienstleistungen antreten – wenn sie plötzlich aus der Masse des Anbieterheeres

heraustreten. Man kann lernen.

Für uns ist dieser positive Befund sowie die Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen

Gewerbeverband und der Stiftung KMU Schweiz Grund genug, ein Sondermagazin zu

kreieren, in dem wir uns dem Begriff von verschiedensten Seiten her nähern. In Zeiten

der allgegenwärtigen Klagelieder wollen wir bewusst einen positiven Kontrapunkt

setzen. In Interviews und Gesprächen mit Unternehmenschefs, in Reportagen, Fall-

beispielen und Analysen sind wir den völlig unterschiedlichen Erzählungen über die

spezielle Schweizer Qualität nachgegangen.

Die Fragen lauteten und lauten weiterhin:

– Existiert die Swiss Quality als Vorsprungmerkmal noch? Und wenn ja: Wie zeichnet

sie sich aus und was unterscheidet sie – zum Beispiel – von der Chinese Quality?

– Ist die Swiss Quality kopierbar? Und wenn nein: Warum bringt sie niemand anders

zustande? Und wenn ja: Was bleibt nebst der blossen Marketinghülle?

– Ist Swiss Quality eine Frage der Grösse eines Unternehmens? Anders gefragt: Sind

kleine Unternehmen nicht in der Lage, im globalen Wettbewerb Qualitätsvorsprung

zu schaffen? Wenn nein: Sind gerade die Kleinen vor allem dazu in der Lage?

– Fressen die Preisentwicklung und der, einem ökonomischen Axiom folgend, sich

durch alle Industrien bohrende Margenschwund womöglich immer mehr Swiss

Quality auf? Wenn ja: Was bleibt – und wie kann man als KMU Gegensteuer geben?

Oder ist es umgekehrt: fördert der Margendruck gerade neue Innovationen?

Es bleibt spannend. Anregende Lektüre!

Ihre Redaktion

Qualität, Qualität, QualitätWie Schweizer Unternehmen mit dem Margendruck umgehen

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Schweizer Monat SonDertheMa noveMber 2015

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Hans-Ulrich Bigler ist Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv.

Angel Gonzalo ist Publizist, Verleger und Partner (Ba Media, Luzern).

Schweizer Monat: Wie wichtig ist die Qualität von Produkten und

Dienstleistungen von Schweizer Unternehmen in den internationalen

Märkten, und verändert sich die Wichtigkeit dieses Faktors?

Hans-Ulrich Bigler: Aufgrund des starken Frankens steigt der Druck auf Schweizer Unternehmen im Export. Über den Preis wird es daher immer schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, kon-kurrenzfähig zu bleiben. Die Qualität ist das entscheidende Argu-ment dafür, dass Schweizer Produkte sich behaupten können. Die Qualität ist also eine Voraussetzung, eine conditio sine qua non, und geht Hand in Hand mit der Innovationskraft. Das sind sich die Unternehmen in der Schweiz bewusst, schon seit langem.Warum nimmt die Bedeutung von Qualität in

internationalen Märkten für Schweizer Unternehmen zu?

Durch ein starkes Anwachsen der Kaufkraft in aufstrebenden neuen Mittelschichten beispielsweise in Asien oder Südamerika wird sich die Weltwirtschaft dramatisch verändern. In einer Welt mit einer Population von über acht Milliarden Menschen im Jahr 2025 wird diese neue Mittelschicht das grösste Segment ausma-chen. Das eröffnet Chancen, Perspektiven für unsere Wirtschaft und für unsere KMU, die es zu nutzen gilt. Aber dieses veränderte Kaufverhalten in Asien wird auch die Schweizer Wirtschaft ent-scheidend beeinflussen. Auch wenn die neue globale Mittelklasse ein relativ tiefes Einkommenssegment darstellt – im Vergleich zum hohen Schweizer Standard – und deswegen bisher auch nicht im Fokus der Schweizer KMU stand, wird erwartet, dass diese schnell wachsende neue Käuferschicht die Globalisierung beschleunigen wird. Sie wird sie auf eine neue Ebene heben. In den letzten Jahren haben sich wesentliche Anteile der weltweiten Produktion nach Asien verlagert. Jetzt – so schätzt man – erleben wir den zweiten Schritt: Es wird eine Konsumveränderung folgen. 66 Prozent der neuen globalen Mittelschicht wird bis im Jahr 2030 in Asien leben. Diese Veränderung der Konsumentenlandschaft wird ohne Zwei-fel auch die Schweizer Wirtschaft stark beeinflussen. Schweizer KMU können hier insbesondere auch über die Qualität und die Swissness punkten, um ihre Produkte und Dienstleistungen er-folgreich zu positionieren. Gerade im immer noch aufstrebenden China bildet sich nach und nach eine selbstbewusste neue Käufer-schicht. Diese Möglichkeiten muss man packen!

Ist Qualität denn ein Alleinstellungsmerkmal von Schweizer

Produkten und Dienstleistungen von KMU im internationalen Markt?

Das ist sie ohne jeden Zweifel, und ich darf hier direkt auf un-seren Anlass synergy verweisen, der am 4. November 2015 im Kursaal in Bern genau diesen Aspekt aufnimmt. Hier präsentie-ren wir genau solche Unternehmerbeispiele, die trotz höherer Preise ihre Produkte dank Qualität international erfolgreich verkaufen können (Box zu synergy).Welche Beispiele sind das?

Nehmen wir die Acosim AG, eine Firma, die Mörtel herstellt und ein ganzes Verarbeitungssystem entwickelt hat, mit dem gepflästerte Böden einer viel grösseren Belastung standhalten. Die Preise für diesen Mörtel sind zwar markant höher als für herkömmliche Produkte. Trotzdem erzielt die Acosim AG be-reits bis zu zwanzig Prozent ihres Umsatzes im EU-Raum, wo sie dank der höheren Qualität ihrer Produkte die billigere Kon-kurrenz aussticht. Hier paart sich Innovationskraft mit Mut. Ein zweites Beispiel ist die Zimmerli Textil AG: Der Unterwäsche-hersteller aus Aarburg setzt auf Qualität und Swissness. Über eine konsequente Qualitätsstrategie hat Zimmerli, die in einer kleinen Produktionsstätte in Colderio im Tessin produziert, eine Marke geschaffen, die weltweit nachgefragt wird und de-ren Herrenkollektion zu den führenden Linien weltweit gehört.Sie nennen hier Nischenanbieter mit schwer kopierbaren Produkten.

Gibt es andere Beispiele?

Ja, die gibt es. Auch an der synergy vorstellen werden wir das Beispiel der Suteria AG, einer Confiserie aus Solothurn, die ihre Produkte seit 2014 auch in Harbin in China verkauft. Das ist ein interessantes und auch etwas verblüffendes Beispiel ei-nes lokal verankerten kleinen oder mittleren Unternehmens, das nun den Schritt in einen neuen Markt wagt und hier bewusst auf die Qualität und die Marke Schweiz setzt. Wir

1 Die 50-Milliarden-ChanceEr schwört auf das duale Bildungssystem, das es zu schützen gilt, plädiert für weniger Bürokratie und setzt auf den Aufstieg Chinas. Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, redet nicht um den heissen Brei herum und nimmt die Politik in die Pflicht.

Mit Hans-Ulrich Bigler sprach Angel Gonzalo

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«Unsere Kultur ist imprägniert von Qualitätsbewusstsein.»Hans-Ulrich Bigler

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Schweizer sind wahre Meister des Schokoladenkonsums mit zwölf Kilogramm pro Jahr und Mund. Die Chinesen hingegen bringen es gerade mal auf hundert Gramm. Suteria sieht hier ein enormes Potential, glaubt an ihre Chance und versucht die Gelegenheit zu nutzen. Ein mutiger Schritt.Das ist eine erstaunliche Geschichte...

Das finde ich auch. Sie sehen, es muss also nicht nur High-Tech, Maschinenbau oder Uhren sein, wofür wir Schweizer auch bekannt und erfolgreich sind. Nein, auch ganz traditio-nelle Branchen können im Ausland Fuss fassen, wenn man den Markt gut analysiert und mit Qualität überzeugt. Das sind Beispiele mit Nachahmungseffekt.Gibt es eine historische Begründung für dieses

Alleinstellungsmerkmal der Qualitätsweltmeisterschaft?

Ja, die gibt es. Wir sind ein Land mit wenigen Rohstoffen, das er-höht den Druck, innovativ und erfinderisch zu sein. Unsere Kul-tur, unser Wesen sind imprägniert von Qualitätsbewusstsein. Wir sind gründlich und fleissig. Wir haben früh gelernt zu ex-portieren. Kleine Länder wie die Schweiz sind in dieser Hinsicht agiler, weil sie es sein müssen. Und sie sind anpassungsfähiger.Wie wichtig ist der Ausbildungsstandard innerhalb des

eigenen Landes dafür?

Gute Ausbildung ist eine entscheidende Voraussetzung. Wir ha-ben einen sehr ausgeprägten Berufsstolz entwickelt, und dies auf sehr hohem Niveau. Wir haben Berufe mit Qualitätsstandards. Und wir haben mit dem dualen Bildungssystem eine typisch schweizerische Errungenschaft auf die Beine gestellt, wofür uns viele beneiden. Dieses System macht gar Schule in den USA, wo die Berufsbildung bislang wenig verbreitet ist. Hier ist Zusam-menarbeit geplant (siehe Text auf der gegenüberliegenden Seite). Man sollte die Akademisierung nicht verteufeln, doch ist das Be-wahren unseres Bildungssystems essentiell und entscheidend. Hier haben wir einen wirklich guten Wettbewerbsvorteil. Da sollten wir uns die Butter nicht vom Brot wegnehmen lassen. Hat die KMU-Schweiz in der Exportwirtschaft

noch Potential nach oben? Wie viel?

Heute erarbeiten gut ein Drittel der KMU rund fünfzig Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Das ist ein stolzer Wert! Unsere KMU sind heute bereits sehr stark internationalisiert. Der Trend der zunehmenden Bedeutung von kaufkräftigen Mittelschich-ten in grossen Märkten zeigt, dass das Potential der internatio-nalen Märkte für Schweizer KMU weiter zunehmen wird. Dies können die Schweizer KMU nutzen. Entsprechende Rahmen-bedingungen oder ausgehandelte Freihandelsabkommen, wie dasjenige mit China, begünstigen das Wirtschaften auf fremden Märkten weiter. Es gibt viel Luft nach oben – auch für Branchen und Bereiche, die man nicht in erster Priorität mit Export verbin-det, wie das Beispiel der Confiserie aus Solothurn. Das Freihandelsabkommen mit China ist demnach für Sie

von grosser Bedeutung?

Seit dem 1. Juli 2015 ist das von Bundesrat Johann Schneider-

Ammann mit seinem chinesischen Amtskollegen unterzeich-nete Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China ein Jahr in Kraft. Das umfassende Abkommen mit unserem drittwichtigsten Handelspartner ist ein Meilenstein der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik und stösst bei den Schwei-zer Unternehmen auf enormes Interesse. Die Exporte nach China nahmen seit Inkrafttreten um drei Prozent zu und die Importe um gut vier Prozent, während die Schweizer Aus-fuhren mit der übrigen Welt nur um 0,4 Prozent wuchsen. Hier können also auch Schweizer KMU davon profitieren?

In der Schweiz sind nach wie vor Perlen verborgen – KMU, die ausschliesslich für ihre Region produzieren, aber qualitativ hochwertige Produkte haben, die skalierbar wären und interna-tional erfolgreich sein könnten. Fehlt es an Mut, Erfahrung, Wis-sen? Nicht allenthalben, denn Perlen gibt es in der Tat, wie wir am Anlass synergy aufzeigen können. Auch im Umweltbereich eröffnen sich für mutige, innovative KMU ungeahnte Möglich-keiten. Gerade in China wächst das Umweltbewusstsein auf-grund der steigenden Umweltverschmutzung rasant. Die staat-lichen Behörden sind hier gefordert, endlich konkrete Massnahmen einzuleiten. Und diese sind oft technischer Natur. Wie kann das steigende Umweltbewusstsein in China

zu mehr Geschäftsaktivitäten in der Schweiz führen?

Die chinesische Regierung hat in ihrem Fünfjahresplan bin-dende Ziele im Umwelt- und Klimabereich formuliert. Bislang fokussierten Regierungsziele stets auf das Wirtschaftswachs-tum. Nun haben sich die Behörden zum Ziel gesetzt, den Ener-gieverbrauch pro BIP-Einheit um 16 Prozent und den Wasser-verbrauch pro Volumen der industriellen Produktion um 30 Prozent zu senken. Auch plant Chinas Regierung, bis 2020 eine Führungsposition bei der Elektromobilität einzunehmen. Schon in diesem Jahr sollen jährlich eine Million Elektrofahr-zeuge gebaut werden, ab 2020 fünf Millionen. Man schätzt, dass China innerhalb der kommenden fünf Jahre Investitionen von einer Billion US-Dollar in die Umwelttechnik stecken wird. Eine kolossale Summe. Einerseits, um umweltfreundliches Wachstum sicherzustellen, und andererseits, um in diesem wichtigen Zukunftssektor eine führende Rolle zu übernehmen. Diese enorme Nachfrage nach energieeffizienten Lösungen er-öffnet gerade für Schweizer Firmen eine ganze Reihe neuer Chancen, die in zahlreichen Umwelttechnik- und Energieeffizi-enz-Sektoren führend sind. Energieeffiziente Gebäude und Pro-duktionsanlagen sowie weitere nachhaltige Technologien aus der Schweiz, zum Beispiel auch aus dem Bereich der Abfallauf-bereitung und -entsorgung, werden mit Sicherheit gefragt sein.Dadurch entstehen Arbeitsplätze in China, aber nicht zwingend in

der Schweiz. Sehen Sie das auch so?

Schweizer Unternehmen haben enorm von Chinas Aufstieg pro-fitiert: Die Schweizer Exporte und die positive Handelsbilanz haben sich in zehn Jahren, von 2000 bis 2010, verdreifacht. Die Schweiz profitierte in dieser Dekade auch von einer stetig wach-

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senden, positiven Handelsbilanz mit China. Es findet also nicht unbedingt eine Verlagerung von der Schweiz nach China statt. Im Gegenteil: die sehr positive Handelsentwicklung schafft zu-sätzliche interessante Jobs in der Schweizer Wirtschaft. Das ist bereits heute die Erfahrung vieler Schweizer Unternehmen.Wie kann man Schweizer KMU in den Regionen helfen,

dass sie Mut fassen und den Export in Angriff nehmen?

Ein kleines oder mittleres Unternehmen, das international Potential nutzen will, muss sich gut darauf vorbereiten. Unter-stützung gibt es zum Beispiel von Seiten der Organisation

Switzerland Global Enterprise, welche an der synergy Partnerin ist. Und es ist wichtig, dass wir unsere Unternehmen nicht mit Administration und Bürokratie «zumüllen», wenn sie solche Projekte in Angriff nehmen wollen.Wie meinen Sie das?

Unsere Unternehmen sollen Luft und Handlungsspielraum er-halten, um in die Erschliessung des sich bietenden Potentials auf den internationalen Märkten investieren zu können. Dazu braucht es weniger Regulierungen, weniger Bürokratie oder unnötige Administration. Ich plädiere auch für weniger Steu-ern, denn die Erschliessung internationaler Märkte ist immer auch mit zum Teil beträchtlichen Investitionen verbunden. Unternehmen sollen ihre Gewinne investieren können, das schafft auch Arbeitsplätze hier und ist gesellschaftlich von Be-lang. Es kann deshalb nicht sein, dass mit viel Einsatz erzielte Gewinne mit unsinnigen Forderungen im eigenen Land ero-diert werden. Ich meine da zum Beispiel die Idee einer nationa-len Erbschaftssteuer, welche danach trachtete, denselben Ge-winnfranken der KMU gleich dreimal besteuern zu wollen. Unternehmen sollen Wachstum aus eigener Kraft schaffen, dazu benötigen sie eigene Mittel. Lassen wir ihnen diese Mittel. Hier fordere ich mehr Zurückhaltung von unseren Politiker innen und Politikern. Das braucht auch Mut. Können Sie quantifizieren, welche Mittel wir durch

unnötige Administration in den Sand setzen?

Eine Studie des Schweizerischen Gewerbeverbandes in Zusam-menarbeit mit der Uni St. Gallen hat ergeben, dass zehn Pro-zent des BIP für Regulierungen «sinnlos» ausgegeben werden. Das sind über 50 Milliarden Franken pro Jahr. Der Bundesrat hat diese Grössenordnung in einem 2013 veröffentlichten Be-richt bestätigt. Alleine für 12 Bereiche auf nationaler Ebene er-rechnete er Regulierungskosten von 10 Milliarden Franken. Alle anderen Bereiche sowie die Regulierungen auf kantonaler und kommunaler Ebene kommen da noch dazu. Wo sehen Sie die grössten Risiken für den Qualitätsanspruch der

Schweizer KMU, der im Zentrum des Erfolges zu stehen scheint?

Qualität wird erreicht, wenn wir genügend qualifizierte Fach-arbeiter, Fachkräfte haben, die Qualitätsarbeit leisten und diese weiterentwickeln können. Deshalb ist die duale Berufs-bildung in der Schweiz von derart zentraler Bedeutung. Die Konsequenz daraus ist eindeutig: Wir müssen dieses System mit allen Mitteln verteidigen und auch die höhere Berufsbil-dung als Basis für unsere hohen Qualitätsansprüche stärken! Auch dazu eine Zahl: Wir wissen, dass zwei Drittel der Inno-vationen von Mitarbeitenden in den Betrieben gemacht wer-den. Diese ersten Schritte sind häufig der Anfang auf dem Weg zu einem neuen Produkt, zu einer neuen Dienstleistung, die zum Schluss den Unterschied zur Konkurrenz ausmachen wer-den. Das Human Capital, das Know-how der einsatzfreudigen Mitarbeitenden und deren Involviertheit in Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen sind demnach entscheidend. �

Hans-Ulrich Bigler im Kampf gegen den alltäglichen UnsinnGewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler wirkt ruhig und besonnen im Gespräch, ist aber hart und konkret in der Sache. Von den Politikern wünscht sich der studierte Ökonom jene Beweglichkeit, die Schweizer KMU im harten Wettbewerb oft auszeichnet. Er fordert vom Bundesrat mehr Mut zur Tat. Biglers ausgeprägte wirtschaftsliberale Haltung prägt sein Handeln. Seit 2008 steht Bigler an der Spitze des Schweizeri-schen Gewerbeverbands sgv.

USA zeigen Interesse an dualem Bildungssystem der SchweizDas duale Bildungssystem der Schweiz ist weltweit einzigartig. Um dieses Modell mit Lehre und Berufsschule wird die Schweiz beneidet. Im Sog der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, als Länder wie Italien, Spanien und selbst Frankreich die Grenzen ihrer Wirtschaftskraft schmerzlich zu spüren bekamen, zeigten vorab diese Länder zunehmend Interesse an der pragmatischen und praxisnahen Bildung. Die Schweiz hat so wenige arbeits-lose Jugendliche wie kein anderes Land. Auch die USA hat die Stärken des dualen Berufsbildungssystems erkannt. Eine auf höchster Ebene zu Beginn dieses Jahres initiierte Zusammenarbeit, angeführt von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, zwischen der Schweiz und den USA im Bereich der Berufsbildung soll den Amerikanern das bewährte Schweizer Modell näherbringen. Ein entsprechendes Abkom-men mit der US-Regierung wurde im Juli 2015 unterzeichnet.

synergy – der Anlass der Schweizer KMU-WirtschaftDie synergy 2015 stellt KMU-Unternehmen in den Mittelpunkt, die so lange an ihrer Schweizer Qualität gefeilt haben, dass sie trotz höherer Preise international gefragt sind. Die synergy findet am 4. November 2015 ab 16.45 Uhr im Kursaal in Bern statt. Das Keynote-Referat hält Markus Bucher, CEO von Pilatus Flugzeugwerke AG. Angekündigt ist die chinesische Botschafte-rin in der Schweiz, Frau Xu Jinghu. Die Bühne der synergy wird 2015 wieder spannenden KMU-Betrieben gehören. An der synergy treffen sich rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Verbänden. Online anmelden unter: www.synergy-schweiz.ch.

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Bruno Affentranger ist Wirtschaftspublizist und Verleger (Ba Medien, Luzern).

Es ist seltsam: obwohl Unternehmen in der Schweiz durch-wegs höhere Löhne bezahlen als jene im Ausland, stechen

sie diese mit ihren Produkten und Dienstleistungen oft aus. Die Schweizer Exportwirtschaft ist nicht zuletzt deshalb seit den frühen 90er Jahren der Wachstumsmotor für dieses Land. Ein Ende dieser Entwicklung ist trotz einem ernsthaften Schwä-cheln in diesem Jahr nicht in Sicht. Frankenstärke, Asienkrise, nichts scheint unsere Wohlstandsmaschine zu stoppen. Man fragt sich: Warum ist das so?

Vorerst lohnt sich ein Blick auf die Geschäftseinheiten selber. Die meisten in der Schweiz gehören zur Klasse der kleinen und mittleren Unternehmen, den sogenannten KMU. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) operiert mit einer Zahl von 320 000 KMU, die Statistiker des Bundes kalkulieren seit jüngst gar mit 500 000 Firmen. Der Unterschied rührt von einem Definitionswechsel her, weil neuerdings eine tempo-räre Selbständigkeit genügt, um ein kleines Unternehmen zu sein. Damit haben die Statistiker gewissermassen die Öffnung der Skala nach unten vorangetrieben. Nach oben aber ist die Limite eindeutig: Wer bis zu 249 Vollzeitstellen-Äquivalente beschäftigt, gehört zu den KMU, wer eines mehr verzeichnet, ist schon gross.

Egal, welche Definition man wählt, man darf davon ausge-hen, dass rund drei Millionen Erwerbstätige hierzulande in ei-nem kleinen oder mittleren Unternehmen arbeiten. Sie ent-sprechen zwei Dritteln aller Mitarbeitenden im Land, und sie sorgen für rund sechzig Prozent der Wertschöpfung. Wobei dies eine Schätzung eines erfahrenen Mannes ist. Henrik Schneider, Chefökonom im Schweizerischen Gewerbeverband sgv, nennt sie im Gespräch. Seine Basisgleichung ist so einfach wie bewährt: Ein Drittel der Unternehmen in der Schweiz sind gross, ein Drittel staatlich oder staatsnah, ein Drittel die be-sprochenen KMU. Diese Dreiteilung wird durch alle Spezialis-ten gestützt.

Im Schweizerischen Gewerbeverband sind derzeit rund 260 000 aller KMU vereint. Sie sind besonders aktiv, wenn es sich um das Geschäft mit dem oder im Ausland dreht. Der sgv wisse, dass jedes dritte Schweizer kleine oder mittlere Unter-

nehmen mehr als die Hälfte seines Umsatzes im Exportbereich generiere. Diese Erkenntnis hat Henrik Schneider aus einer eigens durchgeführten Befragung gewonnen. Weitere Finger-zeige: ein Drittel der KMU bestreitet zehn bis fünfzig Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Nur ein Drittel der Befragten gibt an, null bis maximal zehn Prozent des Umsatzes ausserhalb der Schweiz zu realisieren.

Mit dieser beeindruckenden Zahl nähern wir uns der Ein-gangsfrage. Warum sind Schweizer KMU so extensiv im Aus-land tätig und schlagen mit ihren Produkten und Dienstleis-tungen trotz erwiesenen, höheren Lohnkosten die ausländi-schen Konkurrenten?

Nicht alles auf die Karte China gesetztDie Economic-Research-Abteilung der Credit Suisse gibt

in ihrer zusammen mit Switzerland Global Enterprise (S-GE) regelmässig erstellten Studie über Erfolgsfaktoren von Schweizer KMU1 einen Hinweis. Es gelingt ihr, in einem Mehr-jahresvergleich aufzuzeigen, dass die Schweizer KMU trotz steigender Preise vor allem dank hochqualitativen Spitzen-produkten mehr exportieren. Kurz gefasst heisst dies: Die Schweiz weicht dem erbarmungslosen globalen Preiskampf aus, indem sie bessere Qualität liefert als andere oder aber in-dem sie den ihr vorauseilenden, entsprechenden Ruf stets von neuem zu bestätigen vermag. Qualität subsumiert die techni-schen Anforderungen an das Produkt, die Erwartungen der Kunden an Service, Nutzen und Produkt, die Pünktlichkeit und nicht zuletzt die persönliche Beziehung des Kunden zum Produkt oder zum Produzenten (oder zur Schweiz als Marke des Herstellers selber). Erfreulich dabei ist zweierlei. Einer-seits, dass die KMU offenbar ihre Innovationsbestrebungen zur Erreichung einer überlegenen Qualität hochhalten. Ande-rerseits, dass die Produzenten oder Dienstleister keineswegs alles auf die Karte China setzen, sondern gemäss aktueller

2 Im Export schlägt Qualität den PreisDas Schweizer Wohlstandsniveau wäre ohne die vielen kleinen und mittleren Unternehmen nicht denkbar. Dass eine grosse Zahl die Geschäfte im Ausland macht, verblüfft und weckt Fragen. Vor allem in Zeiten der verzerrenden Frankenstärke.

von Bruno Affentranger

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Befragungen Europa als beinahe ebenso wichtigen, künftigen Expansionsmarkt sehen2.

Das ist eine gesunde Risikoverteilung und eine gute Bot-schaft, vor allem in einem Jahr wie diesem, in dem sich die Erkenntnis durchsetzt, dass nicht alles zu hundertprozenti-ger Sicherheit künftiges Gold ist, was in China erarbeitet wird. Unwägbarkeiten (gerade in Finanzmärkten) gibt es überall. Andererseits überrascht der Befund, weil im Europa-geschäft derzeit der Euro-Franken-Wechselkurs natürlich besonders schmerzt. Allgemein gilt: die Geschäftsbeziehun-gen zwischen Schweizer und europäischen KMU legen noch immer zu. Der Hauptblick geht nach Deutschland (82 Prozent der befragten KMU liefern in das nördliche Nachbarland), gefolgt von Frankreich (53 Prozent), Österreich (49 Prozent) und Italien (41 Prozent).

Doch der aktuelle Ausblick der Credit Suisse auf das dritte Quartal dieses Jahres nimmt auch einen wachsenden Pessimis-mus unter den KMU-Geschäftsstrategen wahr 3. Zwar nimmt die Nachfrage nach Schweizer Gütern und Dienstleistungen im Ausland zu, doch die Resultate kommen unter dem Strich nicht in Franken in den Unternehmen an. So liegen die aktuel-len Geschäftsergebnisse der KMU fünf Prozent unter der «wahren Zahl», verzerrt alleine durch den starken Franken.

Dennoch will sich niemand, der mit dem Ausland heute Geschäfte macht, davon zurückziehen. Der Glaube an die Ex-portwirtschaft und ihre Zugkraft für den Wohlstand hierzu-lande ist unverbrüchlich. Mehr noch: die Region Asien-Pazifik mit dem Schwergewicht China legt als kommende Geschäfts-destination für Schweizer Unternehmen im Trend nach einer leichten Formschwäche wieder leicht zu.

Bleibt die Schlussfrage, die es zu klären gilt: Welche Quali-tät wird morgen den Unterschied und damit den künftigen Wohlstand des Exportlandes Schweiz ausmachen? �

1 Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU. Perspektiven und Herausforderungen im Export; Credit Suisse, Juni 2014.

2 KMU-Exportindikator; Switzerland Global Enterprise, Januar 2015.3 KMU-Exportindikator; Switzerland Global Enterprise, September 2015.

«Jedes kleine oder mittlere Unternehmen in der Schweiz macht mehrals diehälfte desUmsatzesim ausland.»Bruno Affentranger

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roll-out des neuen Jets: oscar J. Schwenk feiert das Schweizer Produkt.

«Wir können am besten den Kompromiss bauen.»Oscar J. Schwenk

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Oscar J. Schwenk ist Verwaltungsratspräsident der Pilatus-Werke in Stans und eigentümer der Mineralquelle Knutwiler. Der Ingenieur hat zuerst ein Philosophiestudium begonnen und ist seit über dreissig Jahren für Pilatus tätig, zuletzt als Vr-Präsident und Projektleiter für den ersten Jet des Unternehmens. Schwenk ist verheiratet und hat drei Kinder.

Bruno Affentranger ist Wirtschaftspublizist und Verleger (Ba Medien, Luzern).

Angel Gonzalo ist Publizist, Verleger und Partner (Ba Media, Luzern).

Schweizer Monat: Dieses Jahr steht bei Schweizer Unternehmen

im Zeichen des Frankenschocks. In den Jahresberichten

sind Bremsspuren zu erwarten. Bei der Pilatus ebenfalls?

Oscar J. Schwenk: Nein, uns geht es sehr gut. Gut heisst: unsere Finanzen sind sehr gesund. Wir bezahlen pünktlich, und wir haben keinerlei Bankschulden. Wir stehen im neunten Jahr ohne Fremdfinanzierungen durch die Banken. Das ist komfor-tabel. Gleichzeitig bauen wir mit dem PC-24 an einem guten Flugzeug, das nach acht Jahren Entwicklungsarbeit im Mai 2015 zum ersten Mal geflogen ist. Sie sind in einem langfristigen Geschäft engagiert.

Die Investitions- und Entwicklungszyklen dauern bei uns sehr lange. Zehn Jahre Planung ohne einen Franken Ertrag aus dem Projekt sind keine Seltenheit. Wir verdauen das aber alles gut.Rechnet die Pilatus in Dollar?

Wir rechnen primär in Franken und Dollar. Wenn immer es geht, verkaufen wir unsere Trainingsflugzeuge in Franken an die interessierten Länder beziehungsweise an die Regierungen. Im Moment funktioniert das sehr gut. Wie sieht das aus, wenn Sie Flugzeuge in den Euroraum verkaufen?

Generell wird das General-Aviation-Geschäft weltweit in Dollar abgewickelt. Es kommt uns in dieser schwierigen Euro-Fran-ken-Situation sicherlich entgegen. Wir spüren das Währungs-problem somit nicht direkt.Wie spüren Sie das Problem indirekt?

Wir stehen zum Beispiel mitten in Vertragsverhandlungen mit Australien. Aufgrund des Euros hat der australische Dollar ge-genüber dem Schweizer Franken verloren. Heute steht der aus-tralische Dollar bei zirka siebzig Rappen. Vor zwei Jahren war er noch neunzig Rappen wert. Wir stehen mit Australien nach drei Jahren vorbereitenden Gesprächen jetzt in den finalen Vertragsverhandlungen für den Verkauf von Flugzeugen des Typs PC-21. Australien muss in Schweizer Franken kaufen, kriegt nach all den Jahren nun aber weniger als einst in austra-lischen Dollars gedacht. Drei Möglichkeiten stehen nun offen: Unsere australischen Vertragspartner erhöhen ihr Budget, was in demokratischen Prozessen langwierig ist, oder sie revidie-ren den Umfang des Auftrages. Oder aber wir reduzieren un-

sere eigene Marge. Der Umfang des Auftrages kann nicht ein-fach reduziert werden, da eine im voraus bestimmte Anzahl Piloten mit den Flugzeugen ausgebildet werden müssen. Sie hatten in diesem australischen Geschäft

globale Konkurrenten geschlagen?

Richtig, wir haben in einem harten Ausscheidungsverfahren gewonnen.Nun beklagen sich sicherlich diese Konkurrenten aufgrund

des veränderten Wechselkurses, dass sie zum Beispiel im Wechsel

US-Dollar zu australischem Dollar billiger gewesen wären.

Das kommt vor. Aber das dreht das Rad der Zeit nicht zurück. Am liebsten hätte ich stabile Wechselkurse, US-Dollar, Euro, Schweizer Franken pari, keine Schwankungen.Am liebsten wären Ihnen sicherlich Sofortzahlungen

und keine Termingeschäfte.

Das ist für uns kein Problem. Selbstverständlich finden Anzah-lungen statt. Und wir müssen immer auch Risiken eingehen.Sie handeln als Privatunternehmen mit Staaten. Das verringert

sicherlich das Risiko von Zahlungsausfällen, ist aber als kleinerer

Partner nicht immer leicht verhandelbar.

Bleiben wir beim Beispiel der Teilzahlungen im voraus. Für diese müssen wir als Gegenposition stets Sicherheiten einbringen. Theoretisch müssen wir frühe Zahlungen von Kunden als Ge-genposition mit Bankgarantien decken, die wir wiederum mit

3 Qualität ist kein Marktvorteil – sie ist eine Bedingung

Der Präsident der Pilatus-Flugzeugwerke, Oscar J. Schwenk, ist ein Besessener. Jetzt baut er erstmals einen Düsenjet – und sinniert über Qualität: im Verwaltungsrat, bei den Produkten, bei den Mitarbeitenden. Im Gespräch mit einem Mann, der gegen die Regeln der Industrie denkt.

Oscar J. Schwenk im Gespräch mit Bruno Affentranger und Angel Gonzalo

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drei, vier Prozent verzinsen müssen, was hohe Zusatzkosten verursacht. Es gibt also nicht nur Vorteile, wenn ein Staat im voraus bezahlt. Ist deshalb eine hohe Eigenkapitalquote Ihr Ziel?

Das ist der Grund. Ausserdem leben wir in einer anderen Welt als all die Leverage-Spezialisten. Ein Beispiel: kürzlich hat ein wohlhabender Freund aus den USA einen PC-12 kaufen wollen. Er hat mich gebeten, mit den Banken direkt zu verhandeln. Wa-rum? Weil er selber mit seinem eigenen Geld noch nie ein Flug-zeug oder auch nur ein anderes Objekt gekauft hat. Immer nur fremdfinanziert. Diesem Denken liegt ein komplett anderes System zugrunde, eine Mentalität, die mir fremd ist, die aber bei uns auch Mode geworden ist. Ich persönlich halte mich lie-ber an die alte Regel: Wenn man in einen unternehmerischen Engpass gerät und die Kasse Ebbe hat, ist man geliefert. Die Li-quidität entscheidet. Für Zwischenfinanzierungen steht in der Regel niemand bereit. Meine Lehre aus meiner bisherigen Tä-tigkeit ist einfach: Genug Eigenkapital schaffen, damit man Währungs- und andere Schwankungen ohne Schaden überste-hen kann.Haben Sie in der Zeit des freien Frankenfloatings

im Frühling gut geschlafen?

Ich schlafe nicht immer gut, aber selten wegen Währungen. Ich schlafe nicht gut, wenn Projekte ins Stocken geraten – bei-spielsweise wenn es beim PC-24 nicht so vorwärtsgeht, wie ich es gerne hätte. Schlimmer ist es, wenn wir für ein bestimmtes Land, das bei uns kaufen möchte, keine Exportlizenz kriegen. Das kann ich nicht alleine bewegen und beeinflussen, also schlafe ich schlecht.Sind Sie als Präsident persönlich in Regierungsgeschäften

eingespannt, indem Sie selber Exportlizenzen aushandeln

und Verhandlungen mit Staaten führen?

Bern ist mein Terrain. Die Vertragsverhandlungen führen meis-tens meine Leute, aber ich bin täglich involviert. Ich bin mehr als ein Stratege, ich erledige auch Operatives. Für das Projekt PC-24 bin ich der oberste Leiter. Das ist meine tägliche Arbeit, und dabei gehe ich bis in die technischen Details. Vor acht Jah-ren habe ich diese Arbeit begonnen, und ich führe sie sicher noch zwei Jahre bis zur geplanten technischen Zertifizierung weiter. Im Chairmanʼs Office ist auch die gesamte Kommunika-tion des Unternehmens angesiedelt.Sie sind Präsident und gleichzeitig operativ tätig.

Geraten da die Ebenen nie durcheinander?

Wir sind sehr gut abgestimmt in der Leitung. Der CEO und ich sehen uns praktisch jeden Morgen und sprechen uns genau ab. Wir trennen aber auch unsere Verantwortlichkeiten. Im Chairmanʼs Office sind wir auch für interne Kontrollsysteme zuständig. Wir nehmen Tieflochbohrungen in unserem Unter-nehmen vor und prüfen sehr genau, ob auf operativer Ebene die Richtlinien eingehalten werden. Die Erkenntnisse gehen an den Verwaltungsrat und an die Aktionäre. Die Qualität unseres

Unternehmens profitiert von diesem doppelten Check. Sie werden sehen: Dieses System wird sich auch anderswo durch-setzen. Die Zeiten der Lehnstuhlverwaltungsräte sind in inter-national tätigen Unternehmen vorbei. Man muss schnell ent-scheiden können, man muss über profundes Geschäftswissen verfügen – das geht nur über Kenntnisse der Details. Ausser-dem reicht es nicht, sich bei allen auf die Zukunft ausgerichte-ten Entscheiden immer auf Marktstudien abzustützen, so wie das viele aus Sicherheitsgründen tun. Verwaltungsräte wagen ja nichts mehr, sie minimieren ihre eigenen Risiken. Und dabei stützen sie sich auf Marktstudien, die jeder nach seinem Gut-dünken zimmern kann, je nach Fragestellung.Sie scheinen nicht viel von externen Beratern zu halten.

Ich bin geschädigt, das gebe ich gerne zu. Wir hatten zu Zeiten der Konzernzugehörigkeit viele namhafte Beraterteams hier, alle mit immer wieder unterschiedlichen Ideen. Einige waren gute Berater, viele nicht. Die Schlüsse waren meist nicht ziel-führend, oft rückwärtsgewandt, weil auf der Vergangenheit ba-sierend. Wenig innovativ. Die wichtigen Ideen entstehen im Unternehmen selber.Sie sind 71 und hatten sich auf die Präsidentenfunktion

zurückgezogen. Nun sehen wir: Es war gar kein Rückzug,

Sie sind nie richtig weggewesen.

Wenn ich als Verwaltungsrat nur viermal pro Jahr eine Verwal-tungsratssitzung leiten und mich ansonsten nicht mit dem Un-ternehmen beschäftigen würde, wüsste ich schlicht zu wenig, um gute Entscheide zu treffen.Dennoch, das klingt nach Qualitätssicherung, gleichzeitig nach ei-

nem persönlichen Zwang, festzuhalten.

Sie können unseren CEO fragen: Unsere Zusammenarbeit ist eng und offen. Gleichzeitig bin ich mehrere Jahrzehnte in die-ser Firma tätig, lange Zeit in der Doppelfunktion als Präsident und als CEO, ich kenne deshalb alle Bereiche im Detail. Wir sprechen uns über alles aus, auch über Befindlichkeiten. Meine Devise ist: Man muss immer alles am Anfang schon anspre-chen und nicht mit sich herumtragen. Wir laufen immer wie-der und jederzeit in das Büro des anderen.Die beiden Charaktere müssen sehr gut passen?

Richtig, die Zusammenarbeit ist der Schlüssel. Es war nicht einfach, einen passenden CEO zu finden. Ich begann mit 50, die richtige Person zu suchen. Es brauchte drei Anläufe bis zum Erfolg. Wichtig scheint mir, dass der CEO im eigenen Unter-nehmen über eine lange Zeit gewachsen ist und es ebenso ver-steht, wie derzeit ich es tue. Gleichzeitig haben wir so viele Hierarchiestufen wie möglich abgeschafft. Wir benötigen in unserem Unternehmen nur noch drei: den Groundfloor, die Büroetage, die Geschäftsleitung. Dieser Wechsel, diese Verein-fachung war anstrengend und schwierig.Was sind die Auswirkungen dieser Vereinfachung

der Organisation?

Sie sind durchwegs positiv. Wir konnten die Qualität unserer

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Arbeiten steigern. Weil Zwischenebenen wegfielen, sind plötz-lich alle selber auf ihrer Ebene verantwortlich für ihr Tun. Niemand kann sich hinter Entscheidungen von oben verste-cken. Seither wird mehr und besser gearbeitet. Die Produktivität ist gestiegen.Sie haben einst anderes über Organigramme gelernt, richtig?

Stimmt. Aber der Alltag hat mich eines Besseren belehrt. Wenn ich als CEO zuerst mit Vorgesetzten und Stabsstellen und Un-terchefs reden muss, bevor ich mit dem Techniker reden darf, dann läuft etwas falsch. Ich wittere sofort Verstecktes. Sachen, die nicht so laufen, wie sie sollen, und die nicht bis zu mir ge-langen dürfen. Ich habe mich nie an diese Umwege gehalten. Mein Führungsstil ist persönlich und beruht auf Informatio-nen aus erster Hand. Ich will keine Übersetzer.Das Unternehmen wächst.

Können Sie diese Führungsphilosophie durchhalten?

Wir haben über 2000 Mitarbeitende weltweit, in Stans sind 1750 tätig. Es wird anspruchsvoller, aber den Stil behalten wir bei. Ich muss Ihnen noch etwas sagen: Vergessen Sie Organi-gramme mit Hierarchiestufen. Es funktioniert doch nie so wie angeschrieben. Nur die Arbeitsprozesse bestimmen, wie ein Unternehmen funktioniert.Diese – sagen wir einmal – unabhängigen Zellen der Zusammen-

arbeit zu führen, stellen wir uns als anspruchsvoll vor.

Es ist nicht einfach, und es ist eine schnelle, verlässliche Füh-rung notwendig. Ich selber bin immer kooperativ bis zum Ent-scheid. In diesem Moment ändert alles: Der zuständige Chef al-leine entscheidet und trägt die Verantwortung. Gemeinsame Entscheide... das klingt wunderbar. Das passt zum Bundesrat, aber sicher nicht zu einem Unternehmen wie dem unseren.Trotzdem, das Unternehmen wird grösser,

mehr Menschen sind an Bord. Kann man da den sogenannten

Pilatus-Spirit durchhalten?

Dieser Pilatus-Spirit ist in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Wir sollten dreimal verkauft werden. Wir mussten Aktionäre suchen. Wir haben dieses Unternehmen gerettet und gedreht. Das hat uns zusammengeschweisst. Doch es stimmt, wir treten in eine neue Phase. Viele der Pioniere der neuen Pilatus sind abgetreten, Neue kommen. Wir müssen in unserem Betrieb derzeit über 40 Nationen integrieren.Wie machen Sie das?

Nehmen wir ein leicht abgeändertes Beispiel: Ein englischer In-genieur, den wir unbedingt haben wollen, kommt zu uns. Er be-sucht uns mit seiner Ehefrau, er unterschreibt und startet, er lebt hier und ist begeistert. Nach sechs Monaten kündigt er, weil die Familie nicht mitmacht. Sie lebt komplett isoliert in Buochs und weiss nicht, was mit der Freizeit anzufangen. Die Konse-quenz für uns ist klar: Wir versuchen immer von Anfang an, neue Mitarbeitende zu integrieren. Jeder, der bei uns eintritt, er-hält einen «Götti» zur Seite gestellt, der ähnlich tickt und dessen gesamte Familie sich der Neuankömmlinge annimmt.

Wie muss man sich das vorstellen?

Der «Götti» meldet sich beim Neuen und fragt die Familie, ob sie auch an die 1.-August-Feier kommen möge. Dort lernen die Neu-ankömmlinge die Traditionen kennen, die Brauchtümer des Alltags. Sie beginnen Wurzeln zu schlagen. So einfach geht das.Nicht jeder globale Topspezialist funktioniert so.

Wir haben hier Leute, die zu den zehn Besten der Welt gehören und die von Projekt zu Projekt hüpfen. So jemand bleibt zwei Jahre und reist danach in die nächste Firma weiter. Das müssen wir ebenfalls akzeptieren.Wir hören, dass derzeit Spezialisten vor allem wegen dem neuen

Flugzeug hier sind, dem PC-24, dem ersten Jet der Pilatus.

Ein Düsenjet ist Neuland für dieses Unternehmen. Weshalb baut ihr

ihn – warum soll der globale Kunde beim Neuling Pilatus einkaufen

und nicht bei den herkömmlichen Anbietern?

Alle haben einmal ihren ersten Jet gebaut.Trotzdem: sind Faktoren wie der Preis, die Qualität oder die

Zuverlässigkeit der Kaufanreiz?

Beim Preis brillieren wir nicht wirklich.Umso mehr drängt sich die Frage auf: Warum soll es Ihrem Unter-

nehmen ab Standort Stans gelingen, einen Jet in einem Markt

zu verkaufen, der international durch US-Anbieter dominiert wird?

Uns helfen die bestehenden Beziehungen. Die Zuverlässigkeit ist sprichwörtlich. Aber wir bauen hier teurer als US-Anbieter in Wichita. Was machen wir also? Wir bauen einen Jet für eine Nische und sind dort ab sofort die Nummer eins. Auf jedem an-deren Rang verlieren wir, denn wir produzieren zu teuer.Wie heisst die Nische?

Es gibt sie gar nicht, wir haben sie erfinden müssen. Wie schon einmal mit unserem PC-12. Das war unser erstes Flugzeug, das nicht nur bei Armeekunden Anklang fand, sondern in der Zivil-luftfahrt. Damit konnten wir damals die Ausschläge in unserer Auslastung glätten. Die zeitlichen Abstände der Bestellungen wurden sofort kleiner, die Marge der Bestellungen aber auch. Jetzt wagen wir einen ähnlichen, noch grösseren Schritt: den Jet. Er ist ein bisher nicht gesehenes Produkt. Er ist ein normaler Jet, kann aber kurz starten und landen, ausserdem stellen Schotter- und Graspisten für ihn kein Hindernis dar. Unsere Nische lässt sich quantifizieren. Wir haben durch eine in den USA gemachte Studie gelernt, dass unser PC-24 weltweit dop-pelt so viele Flugplätze sicher anfliegen kann als jedes Konkur-renzprodukt. Damit gewinnt jeder Benutzer sehr viel Zeit, denn er kann näher an den Zielort fliegen.Das ist ein gutes Argument – die Frage ist:

Warum ist niemand anders darauf gekommen?

Das kann man sich immer fragen. Eine Antwort ist: Wir kön-nen es, und wir können am besten den Kompromiss bauen. Das ist das Geheimnis. Flugzeugbau ist ein täglicher Kompro-miss. Stellen Sie sich vor: Der PC-24 soll auf 45 000 Fuss mög-lichst schnell über dem Wetter fliegen können, gleichzeitig sollen Start und Landung auf unterschiedlichen Pisten auch

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auf Kurzstrecke möglich sein. Das ist ein ziemlich schwieriges Anforderungspaket zum Beispiel für die Flügelprofile. Da ste-cken technische Widersprüche drin. Wir jedoch haben die Lösungen.Sind die Schweizer die bessern Tüftler als die US-Konkurrenten?

Die US-Firmen haben extrem gute Entwickler, und sie genies-sen die Unterstützung der Nasa. Unsere Stärke ist unsere Be-sonderheit: Wir sind klein, verschworen, besessen. Ich sitze bald vierzig Jahre hier, der CEO über 25 Jahre. Viele bleiben nach der Lehre hier. Das macht uns aus, und das ist genau das Gegenteil des US-Systems. Dort ist Job-Hopping normal – wir erlangen und behalten Wissen und weiten es aus.Täuscht der Eindruck oder sind die Pilatus-Flugzeugwerke

ein Freak in der internationalen Luftfahrtszene?

Das Bild stimmt. Aber wir hängen nicht rum, wir arbeiten mehr als die anderen. Wir sind klein und damit per se besser. Klein ist immer besser.Kann sich Pilatus so am Markt profilieren?

Wir sind eher für unsere besessene Kundenorientierung be-kannt. Seit 25 Jahren trimmen wir das Unternehmen täglich in diese Richtung. Der Kunde hat das Recht, unangenehm, unbe-quem und bisweilen auch ungerecht zu sein. Wir müssen ihn korrekt und zuvorkommend betreuen. Unsere Stärke ist, dass unsere Kunden sogar unsere Mechaniker direkt kennen. Das sind gelebte Beziehungen. Wir haben in den USA 14mal hinter-einander den «Best-Customer-Support-Award» gewonnen – das ist kein Zufall.Kommt dieser Ruf Ihnen beim Verkauf des PC-24 entgegen?

Wir verkauften mit drei Jahren Vorsprung auf die Auslieferung ein Flugzeug, das noch nie geflogen war und in dem noch kein Kunde hat sitzen dürfen. Natürlich ist das nur möglich, weil die Kunden an uns glauben. Sie wissen, dass sie sich auf Pilatus verlassen können. Das machen wir besser als andere.Was macht also die Qualität Ihrer Produkte aus?

Es sind die Mitarbeitenden, die ihre Kunden ernst nehmen. Die Mitarbeitenden geben diesem Unternehmen ein Gesicht, und sie sorgen damit für die Qualitätsunterschiede.Preislich können Schweizer Produzenten im Ausland

meist nicht mithalten, egal in welcher Industrie sie tätig sind.

Ist es also die Qualität, die den Unterschied macht?

Nein, das war einmal. Swiss Quality ist so alt wie Wilhelm Tell und seine Armbrust. Man muss dies alles bringen, klar, aber diese Art des Qualitätsnachweises ist kein Vorteil mehr, son-dern eine Bedingung. Keine Firma im Flugzeugbau kann sich schlechte Qualität erlauben. Meinen Sie im Ernst, dass nur Schweizer gute Qualität herstellen können? In den USA haben die Hersteller schon lange dieses Niveau erreicht.Was ist mit dem bekannten Swiss Finish – ist er eine Legende?

Nein. Im Flugzeugbau, aber auch in allen anderen Industrien ist der Standard der Qualität vorgeschrieben. Qualität ist nichts anderes als das Erfüllen von definierten Standards. Wir in der

Schweiz neigen dazu, so viel wie möglich zu leisten. In den USA reden jedoch alle von so viel Qualität wie nötig.Das hört man oft, stimmt es aber auch?

Ich beschreibe das anhand eines Beispiels: Wir lieferten und liefern Teile in die USA, zur vollen Zufriedenheit des Kunden. Während einem Gespräch in den USA wurde mir das wieder einmal bestätigt. Später gingen wir ins Warenlager des Kun-den und trafen den Leiter, der begeistert von uns war. Er schätzte die Pilatus vor allem für die handgehobelten Kisten, in denen die Teile verpackt angeliefert wurden. Intern würde es eine Warteliste für die Kisten geben, sie seien phantas-tisch. Später dann, im Abschlussmeeting mit dem kommerzi-ellen Chef, hielt mir dieser genau die erwähnte Qualität die-ser Kisten vor. Er kritisierte, dass seine Firma offenbar zu viel Marge an uns bezahle, weil wir uns Kisten dieser teuren Art leisten könnten.Welcher Art sind die Pilatus-Kisten heute?

Wir liefern in normalen Kisten, die so gut wie nötig sind. Nicht der Lagerist kauft unser Produkt, das darf man nicht vergessen.Schöner wäre diese Geschichte, wenn die Kisten weiterhin luxuriös

und erkennbar anders wären.

Wir sind eine komplett technische Unternehmung, in der die Prozesse vorgegeben sind. Wir haben die Art der Kisten geän-dert. Der Inhalt entscheidet....nicht der Preis des Produkts?

Der Preis ist wichtig, weil wir in einer global vernetzten Welt extrem vergleichbar sind. Das ist positiv. Es existiert aber aus-serdem die Jagd nach dem besten Preis auch bei uns. Sie gras-siert. Das ist die negative Seite. Das führt zu irren Auswüchsen. Denken Sie an die Menschen, die wegen ein paar Litern billige-rem Mineralwasser fünfzig Kilometer weit fahren. Fünfzig Ki-lometer für zwei Franken Einsparung. Was für ein Verhältnis-wahnsinn! Aber zurück zu Pilatus. Viel wichtiger als der Preis ist in unserem Fall unser ganzheitliches Angebot. Das Persön-liche, die Kundennähe und die Garantie, dass ein Pilatus-Flug-zeug, wo auch immer auf der Welt, maximal 24 Stunden auf dem Boden stehen wird, sollte es eine Panne haben, ein Ersatz-teil benötigen oder in Schwierigkeiten sein. Das zu organisie-ren und zu garantieren ist eine echte Herausforderung, macht uns aber speziell.Das klingt nach unternehmerischer Besessenheit

und wenig rational. Sind Sie so? Immer voll gegen die Regeln

der Industrie laufend?

Das hat schon etwas. Ich höre selten zu. Nur wenn jemand eine gute Geschichte erzählt. Oder wenn man ein Problem hat oder eine Lösung finden muss. Für Small Talk habe ich keine Zeit. Sollen andere mit dem Glas in der Hand herumstehen. Ich ar-beite jeden Tag an der Qualität und am Erfolg unseres Unter-nehmens. �

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4 Ein KMU startet durchNur gerade 140 Mitarbeitende beschäftigt die Uhrenfirma Oris. Ihre Markenkraft ist weltweit viel grösser als das Unternehmen selber. Wie das geht, zeigt ein Besuch am Vertriebspartnertreffen auf dem Flugplatz Ambri im Tessin.

Photographien: Philipp Bär, Text: Angel Gonzalo (Seite 25)

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1 | Jedes Jahr lädt oris die weltweiten Vertriebspartner nach ambri auf den

Flugplatz ein. Flugshows und Schulungen treffen sich.

2 | Wer will, darf jederzeit mitfliegen.

3 | Die Marke setzt ganz aufs Fliegen.

4 | ein hawker hunter bei der Landung.

5 | auch oldtimer und raritäten gibt es zu bewundern.

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6 | Der Firmenchef, Ulrich W. herzog, setzt auf «high Mech».

7 | Schulung im hangar.

8 | In ambri lernen die oris-Vertreter alles über die neue Big crown ProPilot calibre 111.

9 | alles klar auf dem hintersitz?

10 | Früher eine Schweizer Militärmaschine, heute ein Firmenstück.

11 | Kunststücke am himmel – passt zu oris.

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Angel Gonzalo ist Publizist, Verleger und Partner (Ba Media, Luzern).

Schon früh mit Produktionsverlagerungen konfrontiert, präsentiert sich die Schurter-Gruppe in einer soliden Ver-

fassung. Nicht allein der starke Schweizer Franken habe dazu geführt, erläutert Ralph Müller, CEO der Schurter Holding AG. Auch konkrete Bedürfnisse von internationalen Kunden und die pragmatische Erfahrung, dass die Nähe zum Markt ent-scheidend sei: «Die Kosten sind nach wie vor relevant, aber wir operieren immer mehr nach dem Grundsatz: Produziere dort, wo der Kunde die Produkte haben will. Der Transport ist heute zwar noch günstig, doch das kann sich schnell ändern. Daher behalten wir die gesamte Logistik sehr gut im Auge.»

Es kommt nicht von ungefähr, dass bei Schurter seit sechs Jahren ein Transfermanager dafür zuständig ist, wie Produktions-verschiebungen schnell, effizient und kostenwirksam voran-zutreiben sind. Heute verfügt die Entwicklerin und Produzen-tin von Elektro- und Elektronikkomponenten über zwölf Pro-duktionsstätten weltweit und ist mit 200 Distributoren auf al-len Kontinenten präsent. Das erfordert einerseits viel Denk- und Koordinationsarbeit, anderseits aber auch den Transfer von Know-how. Dennoch habe die industrielle Fertigung in der Schweiz eine Zukunft, betont Müller: «Wir überlegen uns Ver-lagerungen sehr gut, wägen behutsam ab, wann es sich lohnt, die Produktion in der Schweiz zu halten, und wann nicht.» Es wäre zwar ein hehrer Gedanke, partout in der Schweiz produ-zieren zu wollen, um der Arbeitsplätze und der Vaterlands-liebe willen. Der CEO, als Maschinenbauingenieur und Be-triebsökonom in dieser Frage eher dem Rationalen zugewandt, drückt es lieber so aus: «Wir haben in der Schweiz die denkbar besten Voraussetzungen, vor allem was die Ausbildung der Mitarbeitenden, die Kompetenz und Zuverlässigkeit von Zu-lieferern und die Infrastruktur anbelangt.» Schweizer Unter-nehmen hätten es selber in der Hand, das herausragende Know-how, die professionelle Einstellung und Erfahrung der Mitarbeitenden zu nutzen, betont der gebürtige Nidwaldner und stimmt im selben Atemzug ein Loblied auf das gutschwei-zerische, duale Bildungssystem an, verweist auf dessen Vor-teile, die es in anderen Ländern nicht gibt. Daher würde die Schweiz nach wie vor als Produktionsstandort eine wichtige

Rolle spielen, vor allem da, wo komplexe Prozesse erforderlich seien. Davon ist er felsenfest überzeugt.

Werte schaffen Vertrauen und KontinuitätDie Entwicklung des 1933 in Luzern gegründeten Familien-

unternehmens bis heute ist bemerkenswert: von der Fabrik elektrotechnischer Artikel zu einem globalen Anbieter von zum Teil hochkomplexen Elektronikkomponenten für zahl-reiche Branchen, dessen Sicherungen seit mehreren Jahren gar auf chinesischen und europäischen Satelliten die Erde umrun-den. Schurter bietet als einziger Lieferant eine durch die Euro-päische Weltraumorganisation ESA zugelassene Sicherung für die Raumfahrt. Dies sei zwar eine Nische, räumt der CEO ein, doch die Entwicklung solch spezifischer Produkte passe zum Werdegang des agilen Unternehmens.

Der Weg dorthin war nicht immer einfach, wie Ralph Müller nur zu gut weiss. Seit nunmehr zwölf Jahren im Unter-nehmen, kennt er dessen Geschichte und Kultur aus erster Hand und arbeitet mit seinem internationalen Management-team an der Gestaltung der Zukunft. Obschon Deutschland und die EU nach wie vor die Hauptabsatzmärkte bilden, weiss Müller, wo künftig die Musik vermehrt spielen wird: in China. Das seit einem Jahr bestehende bilaterale Abkommen der bei-den Regierungen Chinas und der Schweiz kommt auch Schur-ter gelegen, wenn auch das Luzerner Unternehmen schon seit über einem Jahrzehnt im Fernen Osten tätig ist, mit zwei Toch-tergesellschaften in Hongkong/Donghuan und Shenzhen (China). Ralph Müller hat von Beginn weg die Expansion in diese längst nicht gesättigten Märkte mitgestaltet und redet aus Erfahrung, wenn er sagt: «Eines ist sicher: im Fernen Osten, vorab in China, muss sich ein Unternehmen das Vertrauen er-arbeiten, ja geradezu verdienen. Es braucht viel Zeit, um bei den Chinesen Vertrauen aufzubauen, woraus dann eine nach-haltige Geschäftsbeziehung wachsen kann.» Sein Fazit: es

5 Showcase 1: Von Luzern aus ins Weltall

Das Luzerner Unternehmen Schurter hat früh und aus eigenem Antrieb gelernt, vernetzt zu agieren und dezentral zu produzieren. Auch in China. Geduld, Beharrlichkeit und das Gespür für die chinesischen Eigenarten zeigen nun erste ansprechende Erfolge. Schurter-CEO Ralph Müller erklärt die Hintergründe.

von Angel Gonzalo

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gemeinschaftliche Basis erarbeitet werden. Dann braucht es Präsenz vor Ort. Und vor allem ist es entscheidend, so bald wie möglich eine chinesische Führung zu etablieren.» Man müsse vielleicht auch den Mut haben, einem jungen tüchtigen Chine-sen die Chance zu geben. Es sei bald offensichtlich, wer wolle und die notwendigen Fähigkeiten habe oder nicht. Als Neu-ankömmling in China müsse man auch bereit sein, eine über das rein Geschäftliche hinausgehende Bindung einzugehen. Ein gutes Salär allein genüge eben nicht, zumal die emotionale Ebene in China sehr wichtig sei.

Auf Bauchgefühl hörenDer in technischen Belangen rational gesteuerte Ralph Mül-

ler mahnt auf der Führungsebene durchaus auch zur Empathie, zum Bauchgefühl, was oft zu sehr guten Entscheiden führe. Er betreibt aber das Chinageschäft auch mit einem in der Schweiz ausgebildeten chinesischen Mitarbeiter: Ein bei Schurter ange-stellter ETH-Ingenieur und gebürtiger Chinese, sechzig Jahre alt und wohnhaft in Ennetbürgen, zeichnet verantwortlich für die Frontarbeit vor Ort. Durch seine häufige Präsenz bei den wichti-gen Kunden hat er sich viel Respekt erworben bei seinen Lands-leuten, er, der es geschafft hat, in der angesehenen Schweiz zu studieren. Das sei ein absoluter Glücksfall für Schurter, betont Müller. Die Geduld, die Beharrlichkeit und das Gespür für die chinesischen Eigenarten zeigen nun erste ansprechende Er-folge. Der chinesische Markt macht bereits über zwölf Prozent des Gesamtumsatzes von rund 205 Millionen Franken aus. Die Tendenz ist steigend. Die Produktion läuft so weit in den ge-planten Bahnen, einzig beim Vertrieb ist er noch nicht gänzlich zufrieden und sieht hier viel Aufbauarbeit vor sich. Damit ist

brauche viel Geduld mit Behörden, potentiellen Partnern und Investoren.

Müller hat im Laufe der Jahre den Eindruck gewonnen, dass die Schweiz angesehen sei in China. Das verpflichte uns aber auch, gibt er offen zu, mit viel Respekt darauf einzuge-hen. Jede Beziehung, die man in China aufbaue, brauche ihre Zeit: «Wir pflegen mit der CNSA, der chinesischen Raumfahrt-behörde, eine über zehnjährige partnerschaftliche Zusammen-arbeit. Ich war gerade kürzlich in China und hatte das Gefühl, ich sei fast schon unter Freunden.» Eine auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Achtung sowie Wertschätzung basierende Partnerschaft könne aber nur aufgebaut werden, wenn man sich von der wahren Seite zeige. Man habe oft mit rang hohen Personen zu tun, die über eine ausgeprägte Affinität für solche zwischenmenschlichen Details verfügten.

Inzwischen kann Müller mit seinem chinesischen Partner oft abseits vom streng protokollarischen Vorgehen auf einer informellen, ungezwungeneren Ebene diskutieren und verhan-deln. Geduld brauche es vor allem auch in bezug auf den Return on Investment. «Ein Schweizer Unternehmen kann keinesfalls davon ausgehen, dass der Aufbau in China mit jenem in Deutschland oder den USA vergleichbar ist. Es braucht 10 bis 15 Jahre. In dieser Zeit verdient man eher wenig bis nichts. Man muss sich diese Zeit geben, wenn man Erfolg haben will.»

Die konfuzianisch geprägte chinesische Kultur ist eine Kultur des Sichherantastens: Man kann nicht auf die Schnelle Geschäfte vorantreiben oder Partnerschaften eingehen und schon gar nicht mit der Brechstange. Mit einer deutschen Men-talität funktioniere das nicht, sagt Müller und präzisiert: «Ver-trauen schaffen ist angezeigt, Schritt für Schritt. Es muss eine

«Ich war gerade kürzlich in china und hatte

das Gefühl, ich sei fast schon unter Freunden.»

Ralph Müller

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China für Schurter zum viertwichtigsten Markt avanciert. Den-noch gibt es noch reichlich Luft nach oben.

Swiss Quality ist schon gut, aber bitte etwas mehr MutAngesprochen auf die vielgepriesene Swissness oder auf die

Qualität von Produkten und Dienstleistungen aus unserem Land, rümpft der CEO die Nase. Er sieht die Thematik pragma-tisch: «Die Kunden verlangen Qualität von uns, so einfach ist das.» Er glaube schon, dass Attribute wie Sorgfalt, Zuverlässig-keit, Innovation, vielleicht gar Ausgeklügeltheit mit der Schweiz assoziiert würden. Gute Qualität werde einem Schweizer Unter-nehmen zugetraut. Schurter habe aber in den letzten zwanzig Jahren viel Geld und Zeit darin investiert, die eigenen Produkte zu zertifizieren: «Die Zertifizierungsstandards muss man sich hart erarbeiten, und darum hat sich unser Unternehmen das Vertrauen im Markt regelrecht verdient. Wir sind vielleicht eher bereit, uns mit Nischen wie jener der Sicherungen für die Raum-fahrt zu beschäftigen. Das liegt wohl auch in der Mentalität eines Familienunternehmens, wie wir es sind. Obschon dieses Geschäft nicht beliebig ausbaubar ist, trägt es doch wesentlich zur betrieblichen Innovation bei.»

Schurter verfügt denn auch über eine enorm hohe Ferti-gungstiefe, die dem Unternehmen Flexibilität und vor allem Unabhängigkeit ermöglicht. Dadurch hat es sich viele Kompe-tenzen im Haus aus eigener Kraft erarbeitet. Müller fordert von seinen Mitarbeitenden Mut zu Neuem. Das bedeutet zwar nicht die Abkehr vom reinen Standard, aber doch das Beschrei-ten neuer Wege in Richtung kundenspezifischer Lösungen. In den letzten Jahren wurden bereits einige Erfolge in dieser

Richtung erzielt: neuartige Bestückung von Leiterplatten, Touchpannel-Läufe und Touch-Tastaturen finden bereits heute regen Absatz. Müller will aber noch mehr in Richtung «Schurter Solutions» gehen: «Wir wollen dem Kunden gesamte Module und Systeme anbieten. Hier eröffnen sich für uns mehr als nur spannende, sondern auch lukrative Möglichkei-ten. In Zusammenarbeit mit namhaften Haushaltgeräteher-stellern sind wir zurzeit daran, ganze Displaysysteme für Waschgeräte zu entwickeln.» Schurter Solutions hat Müller gleich zur Chefsache gemacht. Er sei sich bewusst, dass dies nicht mit der bestehenden Crew allein zu stemmen wäre. Da-her hat er Kooperationspartner aus Lehre und Praxis mit an Bord genommen, welche diese neue Sparte mit vorantreiben. Das firmenintern oft verwendete Bonmot «Schurter, bleib bei deinen Leisten!» habe durchaus auch seine Berechtigung, räumt der CEO zwar ein, zeigt aber unbeirrt in die neue Rich-tung: «Wir sind in erster Linie Komponentenhersteller und Anbieter von sogenannten Inputsystems wie Touch- und Folien tastaturen. Als drittes Standbein möchten wir kunden-spezifische Lösungen entwickeln.»

Inspirierender Besuch im Silicon ValleyPrägend war für Müller ein Managerstudiengang an der Stan-

ford-Universität im Zentrum des Silicon Valleys. Vor allem das internationale Netzwerk, welches man in dieser inspirierenden Gegend vorfinde, sei sensationell. Eine solche Erfahrung gebe ei-nem Mut, neue Wege zu beschreiten, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich seien. Der Begriff «radikale Innovation» sei in dieser Gegend nicht bloss eine weitere Floskel in der oft etwas ab-gehobenen Managementsprache, sondern werde konkret gelebt. Müller ist fasziniert von diesem radikalen Ansatz und von der Konsequenz, mit welcher danach gehandelt wird.

Wir Schweizer seien in dieser Hinsicht manchmal zu brav, zu konsensorientiert, bisweilen gar zu konservativ: «Wir müssen agiler, mutiger und schneller werden, aber auch bereit sein, Kom-petenzen weiterzugeben, uns mehr zu vernetzen.» Dennoch, der Schweizer Manager neigt auch dazu, die helvetischen Verhält-nisse zu würdigen: «Wir haben in der Schweiz ein funktionieren-des System auf politischer, gesellschaft licher und wirtschaftli-cher Ebene, das fast schon so präzis wie ein Uhrwerk funktio-niert. In unserem Land bekommt man Leistung fürs Geld.»

Für ihn ist es essentiell, die zentralen Aufgaben seines glo-bal tätigen Unternehmens in Luzern zu bündeln. Schurter er-findet und entwickelt neue Lösungen dort, wo die Ressourcen und die Infrastruktur zur Verfügung stehen: zuverlässige Lieferanten, genügend Betriebsmittel, gut ausgebildete Mitar-beitende, gut funktionierende Infrastruktur und relativ schlanke Administration. «Sind wir Schweizer uns eigentlich bewusst, wie gut wir es hier als Produzenten haben?», fragt Ralph Müller bei der Verabschiedung seines Besuchers. Er will dies als rhetorische Frage verstanden wissen. �

Global vernetztes Luzerner UnternehmenDas Luzerner Traditionsunternehmen Schurter AG ist in der Produktion und im Vertrieb von Sicherungen, Geräteschutzschaltern, EMV-Produkten und Eingabesystemen für die elektronische Industrie tätig. Zu dessen Kunden zählen Hersteller von elektrischen Geräten aus verschiedenen Branchen wie Telecom- und Computerindustrie, Medizinaltechnik sowie im Anlagen- und Gerätebau und in der Raumfahrt. Das Unternehmen wurde 1933 als Kommanditgesellschaft von Heinrich Schurter gegründet. Seit 1990 sind sämtliche industriellen Aktivitäten unter dem Dach der Schurter Holding AG mit Sitz in Luzern zusammengefasst. Heute zählt die Firma weltweit über 1600 Mitarbeitende (wovon 320 in Luzern und 100 in Mendrisio) und erzielt einen Umsatz von rund 205 Millionen Franken. Schurter ist mit Vertretungen in rund sechzig Ländern und mit über 200 Distributoren international präsent. Produktionsstätten in Deutschland, Frankreich, Tschechien, Indien, China, Slowakei, Rumänien und der Schweiz bilden ein optimales Produktionsnetzwerk mit Synergiepotential.

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Angel Gonzalo ist Publizist, Verleger und Partner (Ba Media, Luzern).

Ende Juni ist auf dem Militärflugplatz bei Ambri ganz schön was los: Es dröhnen die Motoren. Elegante Doppeldecker

und schnittige Pilatus-Flugzeuge aus Stans sowie imposante Hunter Jets bringen an einem Sommerwochenende die Gäste in schwindelerregende Höhen. Oris Aviators Academy – so der Titel des exklusiven Anlasses für Vertriebspartner aus Dutzen-den von Ländern. Der CEO und VR-Präsident des Schweizer Uhrenherstellers Oris, Ulrich W. Herzog, kümmert sich per-sönlich und während mehrerer Tage um seine internationale Gästeschar, die in die Schweiz gekommen ist, um die neuste Uhrenkollektion unter die Lupe zu nehmen. Diese schnörkel-lose Frontarbeit, dieses Anpacken vor Ort ist typisch für den vor Energie strotzenden, 72jährigen Herzog.

«High Mech» aus ÜberzeugungOris hatte schon immer ein Flair für die Fliegerei. Das

neuste Modell, die Big Crown ProPilot Calibre 111, ist gemacht für Piloten und Reisende, die zwischen den Zeitzonen fliegen. Der gewählte Rahmen auf dem Militärflugplatz von Ambri für die Präsentation des neusten Bijous aus dem Hause Oris passt deshalb. Doch das Unternehmen hat im Verlaufe seiner Geschichte nicht nur Höhenflüge erlebt. Seit 111 Jahren produ-ziert es funktionale und präzise Zeitmesser – nicht immer mit geschäftlichem Erfolg. Nach unsicheren Jahren während der Schweizer Uhrenkrise haben erst ein Management-Buy-out in den 1980er Jahren und die Ausrichtung auf mechanische Uhren dem Unternehmen Aufwind gegeben. «High Mech» statt «High Tech» heisst der Werbeslogan des Unternehmens, der dem Erfolg zugrunde liegt.

Zukunft selbst in die Hand genommenOris, 1904 gegründet, brachte es Mitte der 1960er Jahre auf

über 1000 Mitarbeitende in vier Produktionsbetrieben. Das Unternehmen stand dennoch lange im Schatten der konkur-rierenden Uhrenhersteller aus den traditionellen Uhrenregio-nen in der Romandie ennet dem Röstigraben. Mit der Krise der Schweizer Uhrenindustrie in den späten 1970er Jahren kam fast das Aus für das traditionsreiche Unternehmen aus dem

beschaulichen Waldenburgertal in Baselland. Die Firma ver-schob ihre Produktion in Richtung billiger Quarzuhren, dennoch musste sie innert kürzester Zeit zahlreiche Entlassungen aus-sprechen. Die Rettung nahte Anfang der 1980er Jahre. Dr. Rolf Portmann vollzog zusammen mit dem 1978 als Marketingleiter zu Oris gestossenen Ulrich W. Herzog 1982 einen Management-Buy-out und löste Oris aus der ASUAG-SSIH Holding, der Vor-läuferin der heutigen Swatch Group. Zusammen mit einer Belegschaft von vierzig Mitarbeitenden ebnete er den Weg in eine Zukunft, die das in Schieflage geratene Unter nehmen laut damaligen Branchenkennern schon gar nicht mehr hatte.

Lange bevor andere Uhrenproduzenten auf die Manu-faktur rein mechanischer Uhren setzten, wagte Oris den Ein-stieg in dieses Feld. Die riskante Strategie zahlte sich bald aus, zumal das wiedererwachte Interesse an mechanischen Uhren den Absatz mehr und mehr anfeuerte. Heute beschäftigt die Oris Group rund 140 Mitarbeitende weltweit und ist mit Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Grossbritannien, China, Taiwan, Singapur, Malaysia, den USA, Kanada, Australien, Indien und Mexico direkt vertreten und überdies auf allen Kontinenten aktiv.

Uhren für vier «Welten»Ulrich W. Herzog und ein gewichtiger Teil des Oris-

Managements sind im Flughafen von Ambri zugegen, dazu noch zehn Piloten, welche in einem Fliegerbriefing die Gäste betreuen und mit in die Luft nehmen. Alles wirkt sehr professi-onell und doch ist die Stimmung locker. «Der Aufwand für solche Events ist beträchtlich», bemerkt der CEO. Dieser sei aber durchaus gerechtfertigt, zumal die Big-Crown-Serie, die Fliegeruhren, mehr als einen Viertel des Oris-Umsatzes aus-machten. Stark vertreten ist das Unternehmen mit ebenfalls rund einem Viertel Umsatzanteil im Formel-1-Autoumfeld. Weitere Themen besetzt Oris im Kulturbereich, insbesondere im Jazz, sowie in der Tauchwelt. Mit geschätzten zehn Millio-

6 Showcase 2: Oris behauptet sich mit «High Mech»

Ein Unternehmen, das ausschliesslich mechanische Uhren produziert? Das ist kein Anachronismus – und es ist gewollt. Die Uhrenmanufaktur aus dem baslerischen Hölstein behauptet sich im internationalen Markt. Wie kann das gehen?

von Angel Gonzalo

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nen Franken pro Jahr ist der Werbe- und Sponsoringaufwand für ein KMU vom Kaliber Oris’ bemerkenswert hoch.

Es sind vorwiegend maskuline Themen, die Oris besetzt. Das ist kein Zufall: Der typische Oris-Kunde ist männlich, zwi-schen 25 und 40 Jahre alt und verfügt über ein mittleres Ein-kommen. Die Preise oszillieren zwischen 1000 und 6000 Fran-ken, doch werden von Zeit zu Zeit weit teurere Uhren als Spezial editionen auf dem Markt angeboten. Oris produziert nach eigener Aussage «real watches for real people» und ver-zichtet weitgehend auf Berühmtheiten aus dem Sport- und Showbusiness für die Vermarktung seiner mechanischen Uh-ren. Dazu Herzog: «Wir konzentrieren uns auf die vier Themen-felder Motorsport, Fliegerei, Kultur und Tauchsport. Hier bieten wir solide mechanische Uhren an, die einen hohen Anspruch punkto Funktionalität und Design zu vernünftigen Preisen erfüllen. Hier sind wir stark und sehen für uns die besten Wachstumsmöglichkeiten.»

Der CEO des inhabergeführten Unternehmens redet nicht gerne über Zahlen, verrät aber immerhin so viel: «Bis 2008 betrug unser jährliches Umsatzwachstum 15 bis 20 Prozent, nach einem Zwischentief nach der Finanzkrise 2009 sind wir nun wieder im Wachstumsmodus.»

Reale Werte in einer digitalen WeltBis der Erfolg einkehrte, mussten Herzog und seine Partner

viel unternehmerisches Risiko auf sich nehmen. Der gelernte Bankkaufmann durchlief zunächst eine Karriere bei Chevron Oil, wo er das «Branding» von der Pike auf lernte, und landete schliesslich 1978 als junger Marketingmanager bei Oris. Hier entdeckte er seine Liebe «für die faszinierende Welt der Uhren», wie er es ausdrückt. Er kam zu einer Zeit in die Uhrenbranche, als bereits dunkle Wolken den Horizont trübten. So war es für ihn eine Herzensangelegenheit, das Unternehmen zusammen mit weiteren Weggefährten aus dem Oris-Management in ein anderes Fahrwasser zu führen.

Der Entscheid, künftig auf mechanische Uhren zu setzen, war zu jener Zeit kühn. Herzog und der damalige Präsident des Unternehmens, Rolf Portmann, glaubten an den emotionalen Mehrwert rein mechanischer Uhren. Zwei Banken, die damalige SBG und die Basler Kantonalbank, konnten die neuen Eigen tümer davon überzeugen, dass das vorhandene Know-how im Unter-nehmen erfolgversprechend sei. Das Geld floss, auch das eigene, die Partner übernahmen die Firma und positionierten sie neu.

Routine ist der Tod Heute besitzen insgesamt 16 Shareholders das Unterneh-

men. Für den CEO und Verwaltungsratspräsidenten in Personal-union hat sich das Risiko gelohnt: «Oris hat eine reiche, über 100jährige Geschichte, die nun fortgesetzt wird. In einer Welt, die zunehmend digitaler wird, ist die Nachfrage nach realen Produkten tendenziell wachsend. Darauf bauen wir.»

Der ehemalige Offizier der Schweizer Armee, der keine klassische Managerausbildung durchlaufen hat, packt seine Auf gaben stets mit pragmatischem Elan an. Er setzt Kaizen als betriebliches Kontrollinstrument ein, in welchem alle Produktions schritte minuziös aufeinander abgestimmt und op-timiert sind, und schwört auf den Leitsatz: «Routine bedeutet langfristig den Tod!» Dass keine Routine einkehrt, dafür sorgt der Chef mit seinen ambitiösen Vorgaben selbst: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, jedes Jahr ein Patent anzumelden. Bislang ist uns das in den letzten acht Jahren stets gelungen.» Gerade ein kleines oder mittleres Unternehmen müsse sich auf dem Pfad der Innovation stets vorwärtsbewegen, das sei die einzige Überlebenschance.

Sein Verständnis für Qualität, für die sprichwörtliche Schweizer Qualität, ist differenziert: «Es geht um die Grund-haltung aller Mitarbeitenden. Bei Oris steht die Idee am Anfang und dann deren Verwirklichung mit konkreten Zielen. Dann folgt die Durchsetzungskraft unseres Unternehmens, das sehr beharrlich und zuverlässig arbeitet. Hier kommen durchaus Schweizer Urtugenden zum Tragen. Und schliesslich, wenn operativ die richtigen Pflöcke eingeschlagen sind, richten wir unsere Strategie individuell nach den verschiedenen Ländern. Das ist wichtig, um sich nicht unnötig zu verzetteln.» In China habe Oris zum Beispiel zu Beginn wenig Erfolg gehabt, trotz einer intensiven Marktbearbeitung während mehr als zwölf Jahren. Erst mit der Eröffnung einer eigenen Firma in China vor acht Jahren habe sich der Markt für Oris geöffnet.

Der Aufwand hat sich gelohnt, mittlerweile generiert Oris rund fünfzig Prozent seines Umsatzes in Asien. Die angebote-nen Uhren, im mittleren Preissegment positioniert, passen ideal zur wachsenden Mittelklasse in diesen Ländern. Trotz der fort-schreitenden Internationalisierung produziert die Baselbieter Uhrenfirma weiterhin in der Schweiz. Die Entwicklung, das Design und die Qualitätskontrolle sind in Hölstein, Baselland, konzentriert. Oris entwickelt, wie schon zu den Anfängen, mittlerweile wieder eigene Uhrwerke mit innovativen Zusatz-funktionen. Das ist eine Praxis, die sich bislang gelohnt hat, zu-mal sich dadurch die Abhängigkeit von Dritten reduziert. Ulrich W. Herzog will seine Marke schrittweise etwas höher ansiedeln: «Wir sehen auch in höheren Preissegmenten Wachstums-chancen, aber nur dann, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.» Oris tickt auch hier beständig weiter. Im Steigflug. �

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Das muss man sich einmal vorstellen. Ein Team von zwei Leuten bohrt mit einer Spezialmaschine ein Loch in eine

Staumauer und bis in den Untergrund hinein. Bis zu hundert Meter tief geht das Gerät und schafft eine Öffnung mit einem Durchmesser von ungefähr zwölf Zentimetern. Wobei das Wort «ungefähr» in diesem Geschäft nicht existiert: präzise 122 Millimeter beträgt der Durchmesser. Es passt zu dieser Erzäh-lung, dass der Auftrag als gescheitert gilt, wenn nach hundert Metern Bohrdistanz die Abweichung von der geplanten Route mehr als plus/minus acht Millimeter beträgt. Der Besteller be-zahlt nicht, der Lieferant erhält nichts.

So einfach kann Swiss Quality funktionieren. Die Firma Stump Foratec aus Russikon im Zürcher Oberland macht es vor. In der dritten Generation bereits. 2003 hat Ökonom Reto Stump das Bohrgeschäft, das einst Grossvater Simon gründete, von Vater Hans übernommen. Geblieben ist der Qualitätsan-spruch. Gekommen ist Innovation. Und zuletzt leider – verur-sacht unter anderem durch den harten Franken – eine Liquidi-tätsproblematik, doch darüber später mehr.

Stump Foratec mit siebzig Mitarbeitenden ist auf drei Gebie-ten stark: in der erwähnten Pendelbohrung, in der sogenannten Syphondrainage und in der klassischen Bohrerei, die für die Bau-grunderkundung angewendet wird. Letztere bildet das schwin-dende Stammgeschäft. Zwischen achtzig und neunzig Prozent aller Arbeiten fallen davon in der Schweiz an. Die Pendelbohrun-gen hingegen sind vor allem dort gefragt, wo Staumauern stehen. In Staaten wie Georgien, Iran, Armenien, Schweden, Portugal, Albanien, Frankreich, Portugal, Deutschland und anderen mehr. Sie sollen das Business der Zukunft sein.

Das Bohren selber ist eigentlich eine Bedingung. Es geht darum, ein Pendel in der Mauer oder im Fundament einzu-bauen, das fortan Bewegungen ausmisst und genaue Antwor-ten liefert. Auf Fragen wie: Bewegt sich die Staumauer? Oder im Falle einer geplanten Erhöhung derselben: Kann die Stau-mauer ein bestimmtes Gewicht tragen? Welche statischen Aufgaben sind dem bereits erstellten Bauwerk zuzumuten?

In diesem Bereich ist für die Foratec exakt ein Mitbewerber auf Augenhöhe unterwegs. Er stammt aus Frankreich. Das Ren-

nen ist eröffnet. Dass die Foratec nach eigenen Angaben die teuerste Anbieterin ist, scheint nicht entscheidend. Viel wichti-ger: sie ist die präziseste. Das sagt Foratec-CEO und -Präsident Reto Stump: «Unser wichtigster Verkaufsfaktor ist klar die Qualität. Wir sind bekannt dafür, in normalen Projekten keine Nachforderungen zu stellen. Was vereinbart ist, gilt für uns.»

Das Bohrgeschäft ist kein einfaches. Nicht die womöglich sinkenden Margen sind das Problem, sondern die unstabile Auftragslage. In guten Konjunkturzeiten und normalen Ab-wärtszyklen investieren Staaten oder internationale Gemein-schaften, die oft die Auftraggeber oder Financiers sind, mehr und vorausschauend. Derzeit jedoch ist eine einmalige Phase eingetreten: Staaten sind horrend hoch verschuldet, und ihre Infrastrukturplaner stehen, von Austeritätsstrategen gepei-nigt, auf den Investitionsbremsen. Diese historisch gesehen aussergewöhnliche Delle spürt Foratec dieses Jahr besonders stark und kämpft mit Liquiditätsproblemen.

Umso mehr Bedeutung kommt einer zweiten Innovation zu: dem Verkauf und der Ausführung von Drainagearbeiten. Foratec ist Lizenznehmerin im deutschsprachigen Raum und in Tschechien für ein Patent, das ohne Strom Hänge entwäs-sern kann. Damit lassen sich bevorstehende Hangrutsche ver-hindern, aber auch rutschende Hänge wieder sichern; so zum Beispiel Bahn- und Strassentrassees oder Autobahnwände.

Stump spricht von ganzen Dörfern, die mit ihren von Was-ser gesättigten Böden wegzugleiten drohen – die sich häufen-den Meldungen in den Medien erzählen dieselben Storys. Diese gefährdeten Bereiche kann die Syphondrainage sichern. Sie garantiert ein permanentes, selbständiges Entwässern. Reto Stump sagt: «Dieser Geschäftsbereich ist interessant und wachsend.» Aufträge vor allem in Österreich, in der Schweiz oder in Tschechien sind seine Referenzen, für die wie stets gilt: Qualität kommt vor allem. Doch erst einmal muss das schwie-rige Geschäftsjahr 2015 überstanden sein. �

Bruno Affentrangerist Wirtschaftspublizist und Verleger (Ba Medien, Luzern).

7 Showcase 3: Wenn Millimeter entscheiden

Reto Stumps Firma Stump Foratec ist im Präzisionsbohrgeschäft zuhause. Bei Pendelbohrungen oder Drainagen macht das Schweizer Unternehmen keine Abstriche an der Qualität.

von Bruno Affentranger

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Markus Oberholzer ist ein Selfmademan aus dem Kanton zürich. Der «entrepreneur of the Year» von ernst & Young ist ein Multiunternehmer. einige seiner Firmen sind: – Inflight-catering: LSG Sky chefs First catering aG, beteiligt

(über First catering, die er eingebracht hatte)– First catering in Ghana, nigeria, Südafrika, Sambia (verkauft)– Industriewäscherei (verkauft)– Softwarefirma für Komplettlösungen im Inflight-catering– First Place aG, Komponentenherstellerin im Foodbereich– Fischfabrik in Ghana für Wildfang, Verarbeitung,

Veredlung und export, eU-zertifiziert

Bruno Affentranger ist Wirtschaftspublizist und Verleger (Ba Medien, Luzern).

Schweizer Monat: Herr Oberholzer, ist Qualität der Erfolgsfaktor

der Dienstleistungen und Produkte aus der Schweiz in der Welt?

Markus Oberholzer: Mit meiner Erfahrung als international tätiger Unternehmer kann ich das absolut bestätigen. Nur, das gilt für die Vergangenheit. Heute wird dieses Qualitätsdenken nicht mehr gelebt und umgesetzt, sondern nur davon gespro-chen.Das klingt hart. Lassen Sie uns zuerst definieren, was Qualität ist.

Qualität bedeutet, dass die Leistung, die man miteinander beschlossen hat, in dem Umfang wie definiert auch hergestellt, geleistet, geliefert, erbracht wird. Ich meine damit: alles, was gemeinsam auf einem Papier festgeschrieben wird, wird in der Realität auch gelebt. Leider stelle ich im Alltag fest, dass dies nicht mehr stimmt.Zum Beispiel?

Nehmen Sie ein Beispiel aus der Inflight-Catering-Industrie, in der ich zu Hause bin. Partner definieren gemeinsam detailliert das Produkt, das sie herstellen oder erwerben wollen. Dazu ge-hört zwingend eine Preisstruktur, welche die Selbstkosten deckt und für den Anbieter eine Marge garantiert. Letzteres ist heute leider nicht mehr der Fall. Heute sitzen Einkaufspartner an den Tisch und verlangen Dienstleistungen und Produkte, die von Anfang an gar nicht vernünftig in einer Preisstruktur abzubilden sind.Manchmal übernimmt ein Anbieter Aufträge aus strategischen

Gründen, gewissermassen als Investition für spätere Gewinne,

und nicht aus Gründen eines unmittelbaren Deckungsbeitrages.

Das ist Theorie. In dieser Industrie kann man ganz viele Auf-träge gar nicht mehr annehmen, weil sie die Selbstkosten bei weitem unterschreiten. Damit wird willentlich und wissentlich die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung von vornherein ausgehöhlt – und zwar durch alle Beteiligten.Das ist doch Theorie und eventuell das Lamento

eines Produzenten, der mit zu hohen Kosten operiert.

Keineswegs. Ein anderes Beispiel aus einer anderen Industrie. Ich besass eine Industriewäscherei in Zürich und Umgebung, die zuletzt durch grenznahe und ausländische Betriebe hart bedrängt wurde. Auf dem Markt hatte ich mit Konkurrenz zu

tun, die 150 Kilometer in die Stadt Zürich fuhr, dort die zu reinigenden Materialien abholte und sie anschliessend im deutschen Raum reinigte. Diese Konkurrenz verfügt über zwei Kostenvorteile: beim Personal und...... Stopp! Rechnen wir das einmal durch bitte!

Können wir machen. In der Schweiz belaufen sich die Stunden-löhne in diesem Bereich auf total 25 Franken. In Deutschland bewegen sich Wäschereien offiziell bei 8,50 bis 9,50 Euro pro Stunde. Diese Kalkulation ist einfach. Der zweite Kostenvorteil: die deutschen Anbieter geben mehr von ihrer Marge weg, als sie müssen. Konsequenz: als Schweizer Anbieter bin ich von Verhandlungsstart an mit mindestens 15 bis 20 Prozent Preis-differenz unter Druck.Was also tun? Den Laden dichtmachen?

Ich sehe Schweizer Kollegen, die mit den grenznahen und deutschen Anbietern in den Preiskampf gestiegen sind. Sie lügen sich selber in die Tasche und können gar keine Gewinne mehr erwirtschaften, schlimmer noch, sie produzieren nur Verluste, wenn sie die Qualität der Dienstleistung unverändert belassen. Was ist der logische Schritt? Diese Anbieter schrau-ben ihre Leistungen zurück. Sie schränken die vereinbarten Lieferzeiten ein. Sie beschneiden den Rhythmus der Dienst-leistungen. Was passiert? Die Hotels als Einkäufer des Services

8 «Ich muss mich manchmal schämen»Der Multiunternehmer Markus Oberholzer ist international engagiert. Schweizer Qualität sieht er in Gefahr – durch hausgemachte Faktoren und durch Preisschwund. Weil Gutes nichts mehr kosten darf. Was ist dagegen zu tun?

Markus Oberholzer im Gespräch mit Bruno Affentranger

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sprechen schon am Start über Fehler, weil wir alle genau wis-sen, dass sie unter dem Preisdiktat geschehen werden. Wir re-den nicht über gemeinsame Ziele, über Kooperation, die zur Verbesserung führen wird. Das ist ein komplett falscher Denk-ansatz. Das ist der Beginn einer Controller-Industrie, die zwi-schen den Geschäftspartnern wirkt und nichts anderes mehr macht, als Memos hin- und herzusenden, Fehler zusammenzu-zählen und Bussen zu definieren. Ein anderes Beispiel dafür, dass vieles im Bereich der Zusammenarbeit falsch läuft, auch auf die Gefahr hin, dass Sie mir erneut vorwerfen, ich würde die Vergangenheit glorifizieren: Ich kann mich erinnern, dass ein Nobelhotel in St. Moritz betrieblich mit einem Angestellten pro Gastbett rechnete. Heute ist das Verhältnis geschätzt bei drei Betten auf eine Fachkraft. Ausserdem ist gerade im Gast- und Hotelleriegewerbe in derselben Zeit die Qualität der Gast-lichkeit abgewertet worden: Sehr selten findet man Herbergen, in denen das Personal so geschult und auch entsprechend be-zahlt ist, dass es sich in der Sprache des Gastes mit diesem un-terhalten kann. Die Vorzeichen haben gedreht. Heute passt sich der Gast dem Personal an und spricht in dessen Sprache.Schauen wir ins Ausland. Sie sind oft unterwegs.

Wie werden die Schweiz und ihre Qualitätsleistungen

wahrgenommen?

Die Schweiz und ihre Werte – die Qualität als Begriff – sind hoch angesehen. Ich muss mich manchmal schämen, weil ich weiss, dass im eigenen Land die Entwicklung nicht dem-entsprechend ist.Wie lange dauert es, bis die Welt von dieser von Ihnen

beschriebenen Diskrepanz Kenntnis hat?

Es dauert sehr lange, da sich gerade das Konsumverhalten aller gegen unten nivelliert.Was führt Sie zu diesem Befund?

Schauen Sie einmal in einem Flugzeug während einer Reise darauf, wie oder was die Kinder oder jungen Menschen konsu-mieren. Alles auf dem Tableau besteht aus Einwegmaterialien. Für einen Anhänger von Nachhaltigkeit noch perverser: alles, was auf das Tableau kommt, ist fertig vorbereitet und tiefgefro-ren abgepackt angeliefert und stammt von irgendwoher aus Europa. Es muss so sein, denn die Preise, die der Kunde zu be-zahlen bereit ist, lassen nichts anderes zu. Wenn nun ein Jugendlicher eine bestimmte Salatsauce an Bord sogenannt geil findet, so ist das bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist, wenn er nicht erklären kann, was ihn zu diesem Befund führt. Man merkt aber im Gespräch schnell, dass alleine die Ver-packung den Ausschlag gibt und dass der Inhalt, die Sauce selber, gar keine Rolle spielt.Was ist Ihre Konklusion?

In den nächsten Generationen wird das Qualitätsdenken nicht diese grosse Rolle spielen, die wir uns wünschen würden. Qua-lität wird anders und neu beschrieben. Convenience im Sinne von Konsumgütern und Fertiggerichten wird wahr und für gut

zum Beispiel rufen am Freitagabend händeringend nach den teureren Schweizer Lösungen, weil sie ein ganzes Wochenende nicht bedient werden. Die Schweizer aber sind inzwischen zu Notlösungen geworden. Man sieht: es entstehen Konflikte zwi-schen definierten Angeboten, tiefen Preisen und erwarteten Dienstleistungen. Am Ende ist niemand zufrieden, und jeder Vertrag ist das Papier nicht mehr wert, auf dem er geschrieben steht.Das heisst übersetzt: der Preis isst die Qualität.

Der Preis frisst die Qualität auf. Zuungunsten aller Beteiligten. Ein anderes Beispiel: wir produzieren für europäische Flug-gesellschaften den ganzen Europaverkehr zwischen einer und vier Stunden Reisedauer.Was heisst: wir produzieren? Was machen Sie?

Alle Sandwiches und Dienstleistungen an Bord stammen von uns. Die Auflagen sind klar: frisch produziert, aus der Region stammend. Wir versuchen diese Vorgaben sowie alle einheimi-schen Löhne und weiteren Kosten mit realistischen Preisen ab-zubilden. Damit ist auch die Kommunikation gerechtfertigt, die an Bord von Schweizer, nachhaltigen, regionalen Produkten spricht. Aber: wer schon jemals eine Essensbox an Bord eines Linienflugzeuges geöffnet hat, weiss, dass ganz zum Schluss auf Rohöl basierendes Einwegbesteck wartet. Das ist absurd. Doch niemand interessiert es, ob dieses Besteck in der Region hergestellt worden, durch Kinderhände gegangen oder von weit her eingeflogen worden ist. Wie die Entsorgung organi-siert ist, ist nicht von Interesse. Dasselbe Phänomen stellen wir im Bereich der Nahrungsmittel fest: Wie viel wird heute impor-tiert, einzig allein weil die nationalen Hersteller preislich nicht mithalten können? Ein Kilogramm Rindfleisch in der Schweiz und eines aus Brasilien zum Beispiel unterscheiden sich locker preislich um fünfzig Prozent.Verstehe ich richtig? Ist das eine harsche Kritik

an den einkaufenden Kunden und an den partiell blinden

Konsumenten?

Das ist es. Vor zwanzig Jahren, als ich in die Selbständigkeit ging, standen alle für regionale, nachhaltige und saubere Pro-dukte und bezahlten den entsprechenden Preis. Ich konnte die Qualität der gesamten Herstellungs- und Lieferkette und damit des Produkts garantieren. Das während sieben Tagen und 24 Stunden. Heute werden diese Dienstleistungen und Produkte in derselben Weise verkauft, aber niemand kann mehr Garan-tien abgeben. Innerhalb der Ketten sind Produzenten und An-bieter von Dienstleistungen aus preislichen Gründen unauf-hörlich zu Kompromissen und Anpassungen gezwungen.Kann es sein, dass Sie gerade sehr schwarz malen

und das Lied der glorreichen Vergangenheit singen?

Nein, ich zeichne die perverse Realität. Einkäufer der Leistun-gen und Anbieter unterhalten sich heute am Anfang der Zusammenarbeit zunächst über sogenannte «Penalty-Agree-ments», Bussenkataloge also. Das ist doch pervers. Wir

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Wie gross ist der Preiszerfall in der Catering-Industrie im Flugzeug

innerhalb der zwanzig Jahre, in denen Sie im Geschäft sind?

Ich habe es ausgerechnet. Er beträgt 25 Prozent des ursprüngli-chen Preises. Diese 25 Prozent habe ich mit Prozessoptimie-rung und Automatisierungen abfedern müssen. Die Marge für die Garantie der Selbständigkeit blieb aber immer vorhanden. Doch jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem es in diesen Indus-trien nicht mehr weitergeht. Jetzt muss man Farbe bekennen und eigenständig den Weg entgegen den industriellen Ent-wicklungen einschlagen oder aber wie alle anderen auch voll auf die Karte Convenience-Produkte und -Dienstleistungen setzen. Die Verlockung für letzteres ist gross, weil tendenziell niemand mehr den Unterschied bemerkt. Zu Recht auch, denn

befunden. Der Spruch, dass die Milch nicht von der Kuh, son-dern vom Retailer stammt, wird groteske Realität. Wir mit un-serem Preisverhalten und der fehlenden Wertschätzung von Leistung lassen es so weit kommen.Eine negative Entwicklung?

Ja, das ist negativ.Es ist doch absurd, dass ausgerechnet Sie das sagen:

Sie verdienen Ihr Leben mit Convenience.

Mir bleibt keine andere Möglichkeit, als diesen Weg zu gehen. Ob Business- oder Economy Class, das Grundproblem der un-realistischen Preisvorstellungen und -gestaltung bleibt das-selbe. Frische zu schaffen ist nicht eine Frage der Technologie oder des Willens, es ist eine Frage des Preises.

«Der Spruch, dass die Milch nicht von der Kuh, sondern vom retailer stammt, wird groteske realität. Wir mit unserem Preisverhalten und der fehlenden Wertschätzung von Leistung lassen es so weit kommen.»Markus Oberholzer

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keit, an denen geschraubt wird. Kommt ein weiterer Punkt hinzu: Ich erlebe Manager von börsennotierten Unternehmen, die munter hier zu schrauben begonnen haben und sich ihrer Taten gar nicht bewusst sind. Sie entscheiden nicht bewusst, sondern betriebswirtschaftlich fahrlässig und auf Kurzfristig-keit ausgerichtet. In etlichen Industrien in der Schweiz sind Manager heute darauf angewiesen, ihre Geschäfte zu subventi-onieren. Sie finanzieren innerhalb der Konzerne quer. Die selbst investierten Unternehmer aber, die ins eigene Risiko ge-gangen sind, tasten die Kerne nicht an – und sie können preis-lich nicht mithalten.Querfinanzieren: Wer das nicht tut, werfe den ersten Stein.

Ich habe das noch nie gemacht. Damit verfälsche ich jedes Resul-tat. Dieser Verzicht hat sich im Verkaufsprozess meiner Wäsche-rei bewährt. Es gibt kein Leasing, keine Subventionen, keine Schulden, es gibt einen modernen Maschinenpark, gesunde Im-mobilien. Ich habe vom Start an in Automatisierung und Optimierung investiert. Das Unternehmen macht Gewinn. Die Käuferin hat genau gewusst, was sie erwartet.Diese in der Tat wenig erfreulichen Befunde lassen sich aber nicht

eins zu eins auf sämtliche Industrien übertragen.

Das stimmt. In allen Luxussegmenten sind die Konsumenten be-reit, einen hohen Preis zu bezahlen. Sie sind bei emotionalen Gütern sogar bereit, weit mehr als nötig zu erwerben und zu be-zahlen. Luxus, Leistung, Qualität und Funktion ergeben manch-mal eine Exklusivität, die andere Marktgesetze kennt. Dort aber, wo keine Exklusivität gesichert ist, ist der Verdrängungs - wett bewerb ungesund. Es bleibt nur Konsolidieren, Aufgabe oder der Gang in die Nische.Das bedeutet: Qualität ist kopierbar?

Selbstverständlich. Alle auf dieser Welt vermögen gute Arbeit zu leisten.Fazit: Qualität ist wichtig, aber als Anbieter ist es ebenso wichtig,

die Nische mit der Preissicherheit zu definieren.

Ich mache es genau so. Man sollte mit einem Angebot oder mit einem Unternehmen nicht auf zu vielen Hochzeiten tanzen und alles mitmachen wollen. Der Generalist verliert heute – niemand bezahlt mehr den angemessenen Preis. Es gibt nur einen Weg zur generellen Besserung. Wir alle müssen uns auf die Werte der Qualität und der Leistung besinnen. Wir müssen zu den defi-nierten Leistungen stehen und diese entsprechend bezahlen. Ansonsten ist gerade Schweizer Qualität schon kurzfristig nicht mehr zu halten – abgesehen natürlich von den Angeboten im Luxussegment.Macht es Ihnen überhaupt noch Spass, Unternehmer zu sein?

Natürlich, es ist phantastisch. Es ist nach wie vor das Grösste, das Optimum aus dem Personal, aus den Ideen und den Struk-turen herauszuholen. Freude und Motivation sind über-ragend – wenn man nicht immer mit dem Minimum fahren muss. Ich habe soeben wieder eine Firma gegründet. In einer Nische. �

technisch haben gerade die Fertiggerichte unglaublich aufge-holt. Leider aber wird innerhalb der Prozesse die Sorgfalt nicht immer gleich gross geschrieben.Inwiefern?

Nicht immer werden richtig gute Fertiggerichte in der passen-den Weise regeneriert, so dass sie ihre Qualität beim Passagier entfalten können. Die angebotenen Flugpreise lassen den Verdacht wachsen, dass diese Fälle zunehmen. Aber gleichzei-tig haben die Niedrigpreiskunden auch gar nicht mehr den Anspruch, hohe Qualität einer Leistung zu beziehen.Wir sprechen doch hier speziell über das Reisen

und die Preistreiberei. Im Bereich Uhren und Luxusgüter ist diese

von Ihnen beschriebene Tendenz nicht feststellbar.

Stimmt nicht. Gerade auf Reisen sind im Flugzeug Wegwerfuh-ren gefragt und sicherlich nicht 2000 oder 8000 Franken teure Stücke. In der Mode gilt dasselbe.Gehen wir davon aus, dass der Befund eines Trends

zur Bequemlichkeit hin stimmt: Das eröffnet doch allen Nischen-

anbietern von hoher und teurer Qualität Möglichkeiten.

Das stimmt, denn die Nachfrage besteht. In unserem Bereich existieren solche Anbieter. Alles ist eine Zeit- und Kostenfrage.Eigentlich klingt das alles bizarr: Wer, wenn nicht die Konsumenten

in der Schweiz mit ihrem hohen Lebenshaltungspotential,

Stichwort: Hochlohnland, wären in der Lage, für hohe Qualität

entsprechend höhere Preise zu bezahlen?

Die Entwicklung ist auf Käuferseite hausgemacht und gewollt. Auf Verkäuferseite ist man gefangen. Wer kann für acht oder neun Euro die Stunde Dienstleistungen in der Schweiz anbie-ten? Es ist schlicht unmöglich, dieses gegenzufinanzieren. Das Verrückte ist: wir sind Gefangene und Wärter zugleich. Wir nehmen uns selber gefangen in der Schweiz und bewachen uns auch noch – frei nach Dürrenmatt.Ist der Verkauf des Unternehmens der einzige Ausweg?

Aufgeben?

Sie stellen Fragen! Ich habe in der Tat zuletzt meine Wäscherei verkauft. In den letzten acht Jahren habe ich Millionen inves-tiert und über 35 Prozent an Personal reduziert. Vor zehn Jah-ren war der Kilogrammpreis pro Wäscheeinheit doppelt so gross als heute. Trotzdem haben wir zuletzt genauso viel ver-dient wie vor zehn Jahren: Daraus können Sie den Grad des Au-tomationsprozesses ablesen. Die Crux ist: nicht alle Kunden haben diesen Schritt mitgemacht.Wie meinen Sie das?

Nun, es gibt Kunden, die noch immer handgefaltet die vier Ecken genau übereinander haben wollen und diese Qualität einfordern – aber gleichzeitig nicht bereit sind, den passenden Preis zu bezahlen. Die heutige Herausforderung als Unterneh-mer lautet: Man muss so vif sein, dass man das Produkt bis auf seinen Kern optimieren kann. Der Kern aber darf nicht verän-dert werden. Dort sind wir jedoch angelangt. Ab sofort geht es um die Kerne der Produkte, um die Echtheit, um die Glaubwürdig-

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