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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923 Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 40. Jahrg., H. 2 (1923), pp. 224-269 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907555 . Accessed: 17/06/2014 14:19 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.73.226 on Tue, 17 Jun 2014 14:19:32 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 40. Jahrg., H. 2 (1923), pp. 224-269Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907555 .

Accessed: 17/06/2014 14:19

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923 1). (Sächsisches Gesetzblatt 1923 Nr. 31 S. 273.)

§1- Vom stehenden Gewerbebet riebe wird nach den Vorschriften dieses Ge-

setzes eine Gewerbesteuer erhoben.

I. Steuerpflicht.

§2.

(x) Der Gewerbesteuer unterliegen die in Sachsen betriebenen stehenden Gewerbe.

(a) Gewerbliche Unternehmungen, die ausserhalb Sachsens ihren Sitz haben, sind steuerpflichtig, wenn sie in Sachsen zur Ausübung des stehenden Gewerbes eine Betriebsstätte unterhalten; sie unterliegen der Gewerbesteuer nur in An- sehung des inländischen Gewerbebetriebes.

(3) Betriebsstelle im Sinne dieses Gesetzes ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebes eines stehenden Gewerbes dient. Ausser dem Hauptsitz eines Betriebes gelten hiernach als Betriebsstätten: Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Ein- und Verkaufsstellen, Kontore und sonstige zu Ausübung des Gewerbes durch den Unternehmer selbst, dessen Geschäftsteilhaber, Prokuristen oder andere ständige Vertreter unterstellten Ge- schäftseinrichtungen. Als Betriebsstätten gelten auch Bauausführungen, die die Dauer von 12 Monaten überschreiten.

i) Das Gewerbesteuergesetz vom 6. Oktober 1921 erfuhr duroh das Abänderungsgesetz vom 19. Juli 1923 mit Wirkung vom 1. April 1923 erhebliche Aenderungen, die auch eine neue Textierung nach sich zogen. Hervorzuheben ist besonders folgendes:

1. Die im Gesetz vom 6. Oktober 1921 § 4 erfolgte Aufführung der Aerzte, Rechts- anwälte, Architekten, Ingenieure wurde im neuen Gesetz nicht wiederholt und die anderer freier Berufe auf den Fall beschränkt, dass mit ihrer Ausübung der Betrieb besonderer An- stalten und Unternehmungen verknüpft ist (§ 4 Abs. 1).

2. Die im bisherigen Gesetz erfolgte Bemessung der Steuer nach dem Reinertrag (Ertragsanlage) und nach dem Metwert der gewerblichen Räume, sowie der Zahl der ständig beschäftigten Hilfspersonen (Betriebsanlage) wurde dahin geändert, dass an Stelle der beiden letzten Merkmale der Betrag der gezahlten Gehälter und Löhne gesetzt wurde, was eine erhebliche Vereinfachung bedeutete. Auch die Bestimmungen hinsichtlich der Er traesf est setzung erfuhren mehrfache Veränderungen.

8. Die Steuerfestsetzung musste infolge der neuen Bemessungsgrundlage ebenfalls geändert werden. Bei der Betriebsanlage wurden die 6% vom Mie t wert der gewerblichen Räume und die 5 M für jede gewerbliche Hilfsperson ersetzt durch 1h °loo der gezahlten Gehälter und Löhne. Bei der Ertragsanlage wurden der Geldentwertung entsprechend andere Zahlen eingesetzt : An Stelle 30,000, 40,000, 60,000 M. treten in § 13 Abs. 3 250,000, 500,000, 1 Mill. M., die bisherige Progression der Ertragsanlage (bei über 200|0 des Ertrags vom Betriebs- und Anlagekapital, aber mindestens über 50,000 M. Erhöhung von 2 auf 8°|0 für den Mehrbetrag, für die nächsten 100,000 M. des Mehrbetrags á%, für die weiteren Be- träge 6°|o) ist anders geordnet; siehe § 13 Abs. 4 des neuen Gesetzes. Um der weiteren Geldentwertung hinsichtlich der im Gesetz vorkommenden Zahlengrössen stets leicht Rechnung tragen zu können, sind in Art. III des Abänderungsgesetzes vom 19. Juli 1923 (siehe unten S. 235) Vorkehrungen getroffen.

4. Die bisherige Beteiligung der Gemeinden mit Ma des örtlichen Aufkommens ist im neuen Gesetz aufgehoben, dagegen ihr bisheriges Zuschlagsrecht (bis zu 26%) in der Weise geordnet, dass es nicht weniger als 100 o|o und nicht mehr als 300 ofo der Staatssteuer betragen darf.

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 225

§3. Í1) Als Gewerbebetrieb gilt jede fortgesetzt auf Gewinnerzielung gerichtete

selbständige Tätigkeit. (2) Die Annahme eines Gewerbebetriebes wird weder durch eine zeitweilige

Unterbrechung der Tätigkeit, noch durch die nur einmalige Ausübung der Tätig- keit ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, dass die Tätigkeit bei sich bietender Gelegenheit wiederaufgenommen oder wiederholt wird,

§4. (*) Als Gewerbebetrieb im Sinne dieses Gesetzes gelten insbesondere auch 1. der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, die Jagd und Fischerei, der

Obst-, Wein- und Gartenbau, der Bergbau, die Ausbeutung von Steinbrüchen und die Gewinnung und Verwertung sonstiger Bodenbestandteile;

2. die Tätigkeit der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, es sei denn, dass ihr Geschäftsbetrieb sich auf den Kreis der Mitglieder beschränkt.

(2) Die Ausübung einer wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstelle- rischen, unterrichtenden oder erziehenden selbständigen Tätigkeit gilt nur dann als Gewerbebetrieb, wenn damit der Betrieb besonderer Anstalten oder Unter- nehmungen verknüpft ist.

§5. Í1) Von der Gewerbesteuer sind befreit: 1. das Reich, 2. der sächsische Staat, 3. die Reichsbank und deren Zweiganstalten, 4. die sächsischen Gemeinden und Gemeindeverbände einschliesslich der

Bezirks- und Kreisverbände. (2) Den eigenen Unternehmungen der in Abs. 1 erwähnten Körperschaften

stehen die ausschliesslich für deren Rechnung betriebenen Unternehmungen gleich.

§6. (x) Steuerpflichtig für das Gewerbe ist derjenige, auf dessen Rechnung das

Gewerbe betrieben wird (Unternehmer). (2) Für das gepachtete Gewerbe gilt der Pächter als Unternehmer. (3) Nachfolger im Gewerbe haften für die laufende und die festgesetzte,

aber noch nicht entrichtete Gewerbesteuer ihrer Vorgänger mit diesen als Gesamt- schuldner. Die Haftung des Nachfolgers tritt nicht ein, wenn mit dem Wechsel in der Person des Unternehmers eine wesentliche Aenderung des Gewerbebetriebes (§ 27 Abs. 1 Satz 2) verbunden ist.

§7. (*) Wird ein Gewerbe von mehreren Personen gemeinschaftlich betrieben,

so ist es ebenso zu veranlagen, wie wenn es nur von einer Person betrieben würde. Die mehreren Unternehmer (Gesellschafter) haften für die Steuer als Gesamt- schuldner.

(2) Das Gewerbe ist einheitlich zu veranlagen, auch wenn es an mehreren Betriebsstätten betrieben wird.

(3) Mehrere selbständige Gewerbe desselben Unternehmers sind getrennt zu veranlagen.

II. Massstab und Steuersatz.

§8. Die Besteuerung des Gewerbes erfolgt nach Massgabe des Wertes des dem

Unternehmen dienenden gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals (Betriebs- anlage) und nach Massgabe der Ertragsfähigkeit des Unternehmens (Ertrags- anlage).

Pinanzarchiv. XXXX. Jahrg. 577 15

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226 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19* Juli 1983,

§9. (1) Das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital umfasst sämtliche dem

Gewerbebetriebe gewidmete Gegenstände mit Ausnahme der von der Grundsteuer betroffenen Bestandteile.

(2) Insbesondere sind hierher zu rechnen: a) Wasserkräfte sowie zu deren Benutzung dienende Wehre und andere

Wasserbauten, b) Dampfkessel und Maschinen, Gerätschaften, Werkzeuge, Tiere, Vorräte

an Brennstoffen und sonstige Betriebsmittel, c) Roh- und Hilfsstoffe einschliesslich der in Bearbeitung befindlichen Stoffe

und die zum Verkaufe bestimmten Waren, d) lebendes und totes Inventar bei der Landwirtschaft einachliesslich des

etwaigen Nebenbetrieben dienenden Inventars, Vorräte an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Betriebsmitteln wie Saatgut, Futter- und Düngemitteln, die vom Boden getrennten Holzvorräte bei der Forstwirtschaft,

e) bares Geld, Gold und Silber in Barren, Banknoten, Kassenscheine, Wechsel, Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere,

f) Aussenstände einschliesslich der im Kontokorrent laufenden Guthaben und der Darlehnsforderungen der Pfandbriefanstalten, der Darlehnskassen und der Kreditinstitute,

g) Urheber-, Patent- und Verlagsrechte, Realgewerbeberechtigungen, Niess- brauchs-, Gebrauchs- und sonstige Nutzungsrechte,

h) Bergbaurechte und Abbaurechte, sowie die Vorräte an geförderten Kohlen, Erzen und sonstigen Bodenbestandteilen1).

(3) Von den Aktivwerten des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals dürfen die aus der Inanspruchnahme von Warenbezugskredit oder Bankkredit sowie alle sonstigen unmittelbar aus dem laufenden Geschäftsbetriebe herrühren- den Schulden abgezogen werden. Hierzu gehören auch die Pf andbrief schulden der Pfandbriefanstalten, die solchen Pfandbriefschulden gleichstehenden Ver- bindlichkeiten der Darlehnskassen und Kreditinstitute sowie die Prämienreserven der Versicherungsanstalten. Im übrigen ist ein Schuldenabzug an dem Werte des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals nicht gestattet.

§ 10.

i1) Der Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals ist durch Be- rechnung oder Schätzung seiner Bestandteile nach dem Stande und Werte am 31. Dezember des der Veranlagung vorausgegangenen Kalenderjahrs zu er- mitteln.

(2) Für die Berechnung und Schätzung des gewerblichen Anlage- und Be- triebskapitals gelten die Vorschriften in §§ 137-141, 142 Abs. 3, §§ 143-151 der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (R.G.B1. S. 1993) mit nach- folgenden ergänzenden Bestimmungen. Die Bestandteile des Anlage- und Be- triebskapitals sind jeweils unter Berücksichtigung der allgemeinen Wirtschafts- verhältnisse zu bewerten. Für die dauernd dem Betriebe gewidmeten Gegenstände hat eine vom § 139 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung abweichende Bewertung stattzufinden, wenn und. soweit infolge der Entwicklung der Wirtschaftsverhält- nisse ein höherer dauernder Wert anzunehmen ist. Die Feststellung der Wert- erhöhung von einzelnen Betriebsgegenständen hat unter Berücksichtigung der Einheit des ganzen Unternehmens und der Annahme der Weiterführung des Betriebes zu erfolgen. Als dauernd dem Betriebe gewidmete Gegenstände gelten auch dauernde Beteiligungen an anderen Unternehmungen*

(3) Für Betriebe, in denen für ein vom Kalenderjahr abweichendes Betriebs- jahr regelmässige Geschäftsabschlüsse gemacht werden, tritt an die Stelle des 31. Dezember des der Veranlagung vorausgegangenen Kalenderjahrs der Schluss des Betriebsjahrs, das in dem der Veranlagung vorausgegangenen Kalenderjahre

i) Der Absatz h) fehlte im Entwurf v. 1921. 578

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1928* 227

endet. Enden mehrere Betriebejahre in dem Kalenderjahr, so ist der Schluss des zuletzt endenden Betriebsjahrs massgebend.

(4) Werden für das Gewerbe ordnungsmäßige Handelsbücher, insbesondere nach Vorschrift des Handelsgesetzbuchs geführt, so sind die Inventur- und Bilanzergebnisse zugrunde zu legen, soweit sie den nach Abs. 2 maßgebenden Werten entsprechen und sich nicht aus der Vorschrift in § 9 Abs. 3 Abweichungen ergeben.

(5) Ist die Steuerpflicht des Gewerbes erst nach dem in Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt eingetreten oder liegt für einen Betrieb der in Abs. 3 bezeichneten Art bis zu diesem Zeitpunkte der Schluss eines Betriebs jahrs nicht vor, so ist der Stand und Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals zur Zeit der Veranlagung massgebend.

(6) Soweit Unterlagen über das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital nicht vorhanden sind oder vom Steuerpflichtigen auf Anfordern nicht vorgelegt werden, ist der Stand und Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals schätzungsweise zu veranschlagen.

§11.

t1) Die Ertragsfähigkeit eines Gewerbes bemisst sich nach folgenden Merkmalen:

1. dem im Gewerbebetrieb erzielten Ertrage, 2. dem Betrage der im Gewerbebetriebe gezahlten Gehälter und Löhne. (2) Der Ertrag ist durch Vergleich der Betriebseinnahmen und Betriebs-

ausgaben unter Berücksichtigung des Unterschieds in dem Stande und Werte der Erzeugnisse, Waren und Vorräte des Betriebes, der dem Betriebe dienenden Gebäude nebst Zubehör, sowie des beweglichen Anlagekapitals am Schlüsse gegenüber dem Stande und Werte am Anfange des massgebenden Zeitraums festzustellen. Soweit für Gegenstände des Anlage- und Betriebskapitals ein Anschaffungs- und Gestellungspreis gegeben ist, gilt bei Ermittlung des Ertrags als Wert dieser Gegenstände der Anschaffungs- oder Herstellungspreis nach Abzug der zulässigen Absetzungen für Abnützung oder Substanzverringerung. Ist ein Anschaffungs- oder Herstellungspreis nicht gegeben, so gilt als solcher der Betrag, der für den Erwerb des Gegenstandes im Zeitpunkte seiner Anschaffung oder Herstellung durch den Unternehmer unter gemeingewöhnlichen Verhältnissen hätte aufgewendet werden müssen. Uebersteigt für einen Gegenstand der Anschaffungs- oder Herstellungspreis nach Abzug der zulässigen Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung den gemeinen Wert, so ist der gemeine Wert dieses Gegenstandes als sein Wert anzusehen. Der für den Schluss des zuletzt mass- gebenden Zeitraums angesetzte Wert eines Gegenstandes ist als dessen Wert am Beginne des für die folgende Veranlagung massgebenden Zeitraums solange in Ansatz zu bringen als er nicht den Anschaffungs- oder Herstellungspreis des Gegenstandes nach Abzug der Absetzungen für Abnutzung oder Substanzver- ringerung oder dessen gemeinen Wert übersteigt. Dem Ertrage sind zuzurechnen die aus den Betriebseinnahmen bestrittenen Ausgaben für Verbesserungen und Geschäftserweiterungen sowie für den Unterhalt des Unternehmers und seiner Angehörigen. Nicht abzugsfähig sind Zinsen für das Anlage- und Betriebskapital, gleichviel ob es dem Unternehmer oder einem Dritten gehört, und für Schulden, die zum Erwerb oder zur Erweiterung des Unternehmens, zur Verstärkung des Betriebskapitals oder zu sonstigen Verbesserungen aufgenommen sind.

(3) Werden für das Gewerbe ordnungsmäßige Handelsbücher, insbesondere nach Vorschrift des Handelsgesetzbuchs geführt, so sind die Inventur- und Bilanz- ergebnisse zugrunde zu legen, soweit sich nicht aus Abs. 2 Abweichungen er- geben.

(4) Die von den selbständigen Erwerbsgesellschaften, den Vorstandsmit- gliedern, Geschäftsführern und sonstigen Beamten und Angestellten ohne Er- füllung eines Rechtsanspruchs gewährten Anteile am Jahresgewinne dürfen vom

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228 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

Ertrage der Gesellschaft nicht abgesetzt werden; das gleiche gilt von den den Aufsichtsratsmitgliedern gewährten Vergütungen, die von der Höhe des Rein- gewinns und von dessen Feststellung durch die Generalversammlung oder Gesellschafterversammlung abhängig sind. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung gehören die an die geschäftsführenden Gesellschafter als Gehalt, Tan- tieme, Gratifikation oder unter anderer Bezeichnung gewährten Vergütungen nur insoweit zu den Betriebskosten, als sie sich als Entgelt für die auf Grund eines mit der Gesellschaft abgeschlossenen Dienstvertrags ausgeübte Tätigkeit als Ge- schäftsführer darstellen und zusammen 10 ν. Η. des nach Abzug der sonstigen Betriebskosten und der Abschreibungen verbleibenden Ertrags, höchstens aber 200,000 M. für den einzelnen Gesellschafter, nicht übersteigen.

(5) Als Gehalt oder Lohn im Sinne von Abs. 1 Nr. 2 gelten auch Tantiemen, Gratifikationen, Provisionen, Naturalbezüge, sowie alle sonstigen mit Rücksicht auf ein Arbeitsverhältnis gewährten Vergütungen und Gegenleistungen.

§ .!2.

(x) Der Feststellung der Ertragsfähigkeit ist der im letzten Kalenderjahre vor der Veranlagung erzielte Ertrag und der Betrag der im letzten Kalender- jahre gezahlten Gehälter und Löhne zugrunde zu legen.

(a) Für Betriebe, in denen für ein vom Kalenderjahr abweichendes Betriebs jähr regelmässige Geschäftsabschlüsse gemacht werden, tritt an die Stelle des Kalender- jahrs das Betriebs jähr, das in dem nach Abs. 1 massgebenden Kalenderjahr endet. Enden mehrere Betriebs jähre in dem Kalenderjahre, so wird das Ergebnis dieser Betriebsjahre zusammengerechnet. Liegt zwischen 2 Betriebs jähren ein Zeit- raum, für den ein Geschäftsabschluss nicht gemacht worden ist, so sind der in diesem Zeitraum erzielte Ertrag und die in diesem Zeiträume gezahlten Gehälter und Löhne gleichfalls, und zwar insoweit in Ansatz zu bringen, als sie auf das nach Abs. 1 massgebende Kalenderjahr entfallen. Umfasst der hiernach der Veranlagung zugrunde zu legende Zeitraum mehr oder weniger als 12 Monate, so sind der Ertrag und die Gehälter und Löhne dieses Zeitraums auf einen Jahres - betrag umzurechnen.

(3) Ist die Steuerpflicht des Gewerbes erst während des nach Abs. 1 mass- gebenden Kalenderjahrs oder nach dessen Ablauf eingetreten, so ist die Ertrags- fähigkeit nach den zur Zeit der Veranlagung vorhandenen Merkmalen zu ermitteln. Der Ertrag des Gewerbes und die Gehälter und Löhne sind mit dem Betrag an- zunehmen, der dem mutmasslichen Ertrag und dem mutmasslichen Betrage der Gehälter und Löhne des ersten vollen Jahres entspricht. Nach Ablauf dieses Zeitraums wird die Veranlagung erforderlichenfalls berichtigt. Die Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn für einen Betrieb der in Abs. 2 bezeich- neten Art bis zum Ablaufe des nach Abs. 1 massgebenden Kalenderjahrs noch kein Jahresergebnis vorliegt.

(4) Soweit Unterlagen für die Merkmale nicht vorhanden sind oder vom Steuerpflichtigen auf Anfordern nicht vorgelegt werden, sind die einzelnen Merk- male nach ihrer mutmasslichen Höhe schätzungsweise zu veranschlagen.

§ 13.

(x) Die Gewerbesteuer setzt sich aus der Betriebsanlage und der Ertrags- anlage zusammen.

(2) Die Betriebsanlage beträgt V2 v. H. des Wertes des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals.

(3) Die Ertragsanlage beträgt, wenn der Ertrag 250,000 M. nicht übersteigt, y2 ν· Η. des Ertrags, wenn er 500,000 M. nicht übersteigt, 1 ν. Η. des Ertrags, wenn er 1,000,000 M. nicht übersteigt, iy2 ν. Η. des Ertrags,

. . wenn er 1,000,000 M. übersteigt, 2 ν. Η. des Ertrags. 680

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Page 7: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923, 229

Hierzu tritt in jedem Falle ein Zuschlag von x/2 vom 1000 des Betrags der im Gewerbebetriebe gezahlten Gehälter und Löhne1).

(4) Die Ertragsanlage erhöht sich bei Erträgen von mehr als 1,000,000 M.» wenn der Ertrag 20, aber nicht 50 ν. Η. des gewerblichen Anlage- und

Betriebskapitals übersteigt, auf 3 ν. Η., wenn der Ertrag 50, aber nicht 100 ν. Η. des gewerblichen Anlage- und

Betriebskapitals übersteigt, auf 4 ν. Η., wenn der Ertrag 100 ν. Η. des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals

übersteigt, auf 5 ν. Η. Das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital im Sinne dieser Vorschrift umfasst auch die von der Grundsteuer betroffenen Bestandteile; diese sind hierbei mit dem gemeinen Werte in Ansatz zu bringen.

(5) Bei der Berechnung der Hundert- und Tausendsätze sind der Wert des Anlage- und Betriebskapitals sowie der im Gewerbebetrieb erzielte Ertrag und der Betrag der gezahlten Gehälter und Löhne auf volle Tausend nach unten ab- zurunden.

(e) Der Gesamtbetrag der Steuer wird auf volle 400 M. nach unten abgerundet.

§ 142). (*) Bei Gewerben mit einem Ertrage von nicht mehr als 200,000 M. bleibt

die Ertragsanlage ausser Ansatz. Die Befreiung von der Ertragsanlage erstreckt sich auf den in § 13 Abs. 3 Satz 2 festgesetzten Zuschlag.

(2) Wird nach Abs. 1 die Ertragsanlage nicht erhoben, so bleibt auch die Betriebsanlage ausser Ansatz, es sei denn, dass der Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals 400,000 M. übersteigt.

(3) Betreibt ein Unternehmer mehrere selbständige Gewerbe, so werden zwecks Feststellung der in Abs. 1 und 2 bestimmten Freigrenzen die mehreren Anlage- und Betriebskapitalien und die mehreren Erträge zusammengerechnet.

III. Veranlagung und Erhebung.

§ 15.

(*) Die Verwaltung der Gewerbesteuer ist den Reichssteuerbehörden zu übertragen.

(2) Bei der Veranlagung wirken die für die Veranlagung der Reichssteuern vom Einkommen und vom Vermögen bei den Finanzämtern bestehenden Aus- schüsse mit. Die nach § 31 der Reichsabgabenordnung dem Reichsminister der Finanzen zustehenden Befugnisse werden vom Finanzministerium ausgeübt.

§ 16.

(*) Soweit nicht in' diesem Gesetz oder den hierzu erlassenen Ausführungs- bestimmungen etwas anderes bestimmt ist, rinden die Vorschriften des zweiten Teiles der Reichsabgabenordnung über die Besteuerung (§§ 51 - 354) sinngemäss Anwendung3).

(2) Die hiernach dem Reichsminister der Finanzen vorbehaltenen Befugnisse stehen dem Finanzministerium zu; die auf das Reich bezüglichen Vorschriften gelten für den Staat.

§ Π. (x) Die Veranlagung erfolgt an dem Orte, an dem das steuerpflichtige Ge-

werbe betrieben wird. Findet der Betrieb an mehreren Orten statt ( § 7 Abs. 2), ]) Im Entwurf von 1921 lautete der Abs. S: Die Ertragsanlage beträgt 2 ν. Η. des

abgabepflichtigen Ertrags (§11 Abs. 2 u. 3). Hierzu tritt ein Zuschlag von 5 ν. Η. des Miet- werts der gewerblichen Räume und ein weiterer Zuschlag von je 5 M. für jede im Ge- werbebetriebe ständie: beschäftigte gewerbliche Hilfsüerson.

*) Dieser Paragraph fehlte im Entwurf von 1921. 3) Ueber die Verzinsung rückständiger Gewerbesteuer siehe die Verordnungen vom

16. Mai 1923 und vom 8. August 1923 (Ges.Bl. 1923 Nr. 15 S. 107; Nr. 34 S. 420). 581

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Page 8: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

230 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

so erfolgt die Veranlagung an dem Orte, an dem sich die Geschäftsleitung befindet. Befindet sich die Geschäftsleitung nicht in Sachsen, so erfolgt die Veranlagung an dem Orte, an dem die Hauptbetriebsstätte oder in Ermangelung einer solchen die Betriebsstätte mit den meisten gewerblichen Hilfspersonen liegt.

(a) Wird der Unternehmer oder werden die sämtlichen Unternehmer des Gewerbes (§ 7 Abs. 1) an einem andern als dem nach Abs. 1 massgebenden Orte in Sachsen zur Reichseinkommensteuer veranlagt, so ist das Gewerbe an dem Orte zu veranlagen, an dem der Unternehmer oder einer der mehreren Unter- nehmer zur Reichseinkommensteuer veranlagt wird. In gleicher Weise ist das Gewerbe einer Erwerbsgesellschaft, die an einem andern als dem nach Abs. 1 massgebenden Orte in Sachsen zur Körperschaftssteuer veranlagt wird, an diesem Orte zu veranlagen.

(3) In Zweifelsfällen bestimmt das Finanzministerium den Ort der Ver- anlagung.

§ 18. (x) Jeder Unternehmer eines Gewerbes hat auf Aufforderung innerhalb der

gestellten Frist eine schriftliche Gewerbesteuererklärung abzugeben. (2) Steuerpflichtigen, die die ihnen gestellte Frist zur Abgabe der Gewerbe-

steuererklärung nicht einhalten, kann vom Finanzamt ein Zuschlag bis zu 10 ν. Η. der endgültig festgesetzten Gewerbesteuer (§13) zugunsten des Staates auferlegt werden. Von der Auferlegung des Zuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint.

§ 19. Ueber die nach diesem Gesetze zu entrichtende Gewerbesteuer erteilt das

Finanzamt dem Steuerpflichtigen einen schriftlichen Steuerbescheid (Gewerbe- steuerbescheid).

§ 20.

(*) Gegen die Veranlagung steht dem Steuerpflichtigen der Einspruch an das Finanzamt, gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts die Berufung an das Finanzgericht zu. Bei der Entscheidung über den Einspruch wirken die in § 15 Abs. 2 Satz 1 erwähnten Ausschüsse mit.

(z) Dem Vorsteher des Finanzamts steht gegen die Veranlagung die Be- rufung an das Finanzgericht zu.

§21. (*) Gegen die Berufungsentscheidungen der Finanzgerichte kann sowohl vom

Steuerpflichtigen als auch vom Vorsteher des Finanzamts die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts durch Erhebung der Anfechtungsklage angerufen werden.

(2) Auf die Anfechtungsklage finden die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 (G.V.B1. S. 486) Anwendung, soweit nicht nachstehend etwas anderes bestimmt ist.

§ 22.

(x) Die Anfechtungsklage ist beim Finanzgericht innerhalb eines Monats, von der Bekanntmachung der Entscheidung des Finanzgerichts an gerechnet, schriftlich anzubringen; die Frist wird auch durch rechtzeitige Einreichung der Klage beim zuständigen Finanzamt oder dem Oberverwaltungsgerichte gewahrt1). Nur die Klage des Vorstehers des Finanzamts hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage des Vorstehers des Finanzamts ist dem Steuerpflichtigen vom Finanzgericht abschriftlich mit dem Eröffnen mitzuteilen, dass ihm binnen einem Monate die Einreichung einer Erwiderung freisteht.

(3) Die Vorschrift in § 41 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechts- pflege findet keine Anwendung.

i) Dieser Satz fehlte im Entwarf von 1921. Der Paragraph enthielt vor dem letzten Ab- satz noch folgenden : „Das Finanzgericht hat die Anfechtungsklage und im Falle von Abs. 2 die etwa eingegangene Erwiderung mit den Akten dem Oberverwaltungsgeriohte zu übersenden.

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Page 9: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbestenergesetz. Vom 19. Juli Uî3. 231

§23. (*) Das Oberverwaltungsgericht beschliesst nach eigenem Ermessen, ob vor

Erteilung der Entscheidung eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. (a) Anfechtungsklagen, die für versäumt oder nach § 75 unter 2 des Gesetzes

über die Verwaltungsrechtspflege für unzulässig zu erachten sind, werden ohne weiteres verworfen.

(3) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird mit den Akten dem Finanz- gericht übersandt und dem Steuerpflichtigen durch das Finanzamt bekannt gemacht.

§ 24.

(*) Andere als die in §§ 20 und 21 bezeichneten Verfügungen der Steuer- behörden unterliegen der Beschwerde.

(2) Ist im Falle des § 282 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung die Verfügung, deren Aenderung verlangt wird, von einer vom Oberverwaltungsgericht um Er- ledigung einer Beweisaufnahme ersuchten oder beauftragten Stelle oder von der Geschäftsstelle des Oberverwaltungsgerichts erlassen worden, so entscheidet, falls der Beschwerde nicht abgeholfen wird, das Oberverwaltungsgericht.

(3) Soweit in §§ 283, 351 Abs. 1 Satz 4, § 352 Satz 4 der Reichsabgabenord- nung gegen Beschwerdeentscheidungen und Verfügungen der Landesfinanzämter und Finanzgerichte die Rechtsbeschwerde an den Reichsfinanzhof gegeben ist, findet die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht statt.

(4) Auf das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (Ab. 2 und 3) finden die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege mit der Massgabe Anwendung, dass die Frist für die Einlegung der Beschwerde einen Monat beträgt und auch durch rechtzeitige Einreichung der Beschwerde bei dem zuständigen Finanzamte gewahrt wird1).

§ 25. Die allgemeine Veranlagung zur Gewerbesteuer erfolgt jeweils für ein Rech-

nungsjahr (Steuer jähr). § 26.

Tritt im Laufe des Steuerjahrs ein Wechsel in der Person des Unternehmers eines Gewerbes ohne wesentliche Aenderung des Gewerbebetriebes (§ 27 Abs. 1 Satz 2) ein, so findet eine anderweite Veranlagung des Gewerbes für das Steuerjahr nicht statt. Die Haftung des neuen und des bisherigen Inhabers für die veranlagte Steuer bestimmt sich nach § 6.

§ 27. Í1) Gewerbe, die bei der allgemeinen Veranlagung übergangen worden sind

oder die mit Beginn oder im Laufe des Steuerjahrs neu entstehen oder bei denen die Voraussetzungen der Steuerfreiheit wegfallen, sind im Wege der Nachver- anlagung zur Steuer heranzuziehen. Den neu entstandenen Gewerben stehen die in ihrer Grundlage wesentlich veränderten Gewerbe gleich.

(a) Im Falle des Eintritts der Steuerpflicht mit Beginn oder im Laufe des Steuer jahrs erfolgt die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, unbeschadet der Vorschrift in § 30 Abs. 2, bis zur nächsten allgemeinen Veranlagung nach Massgabe der Vorschriften in § 10 Abs. 5 und 6 und § 12 Abs. 3 und 4.

(3) Für Gewerbe, die im Laufe des Steuerjahrs erlöschen oder bei denen die Voraussetzungen der Steuerfreiheit eintreten, ist die Steuer in Wegfall zu stellen (§ 30 Abs. 2).

§ 28.

(x) Ist ein Gewerbe mit einer niedrigeren Steuer belegt worden, als dies nach den vorhandenen Merkmalen zufolge des Gesetzes hätte geschehen sollen, so ist der Unternehmer zur Nachzahlung des der Staatskasse hierdurch ent-

*) Die Worte „und auch - gewahrt wird" fehlten im Entwurf von 1921 533

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Page 10: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

232 Sächsisches Gewerbesteuergesetz· Vom 19t Juli 1928«

gangenen Betrags verpflichtet, gleichviel ob eine Hinterziehung vorliegt oder nicht. Der Ansprach auf Nachzahlung ist jedoch nicht weiter zu verfolgen als auf fünf, bei hinterzogenen Beträgen auf zehn Jahre, vom Anfange des Steuerjahrs an zurückgerechnet, in dem die Steuerverkürzung bekannt ge- worden ist1).

(a) Der nachzuzahlende Betrag wird für jedes Steuerjahr, für das die Nach- zahlung stattzufinden hat, gesondert festgesetzt.

(3) Die Festsetzung erfolgt im Wege der Neuveranlagung.

§ 29.

Bei Nachveranlagungen und Neuveranlagungen sowie bei der Entscheidung des Einspruchs gegen Nach- und Neuveranlagungen findet eine Mitwirkung der Ausschüsse (§15 Abs. 2 Satz 1) nicht statt. Dem Vorsteher des Finanzamts steht die Berufung an das Finanzgericht nicht zu.

§ 30.

(x) Die Gewerbesteuer ist in vier gleichen Teilzahlungen am 15. Mai, 15. Au- gust, 15. November und 15. Februar zu entrichten.

(a) Ist die Steuerpflicht im Laufe eines Rechnungsjahrs begründet worden oder weggefallen, so wird die Steuer für dieses Kechnungsjahr nur insoweit erhoben, als das Gewerbe während voller Monate des Rechnungsjahrs betrieben worden ist» Wird die Steuerpflicht am ersten Tage eines Monats begründet oder fällt sie am letzten Tage eines Monats weg, so gilt dieser Monat als voller Monat im Sinne dieser Vorschrift.

§31.

(x) Das Finanzministerium kann in einzelnen Fällen Steuern, deren Ein- ziehung eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bedeuten würde, ganz oder teilweise stunden oder erlassen. Die Stundung darf nur bewilligt werden, wenn der Steueranspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird.

(a) Diese Befugnis kann den nachgeordneten Steuerbehörden übertragen werden.

IV. Strafvorschriften.

§ 32.

Die Hinterziehung der Gewerbesteuer wird mit einer Geldstrafe in Höhe des 5 - 20fachen Betrags der hinterzogenen Steuer bestraft. Neben der Geldstrafe kann auf Gefängnis erkannt werden.

§ 33.

; (!) Die Vorschriften des dritten Teiles der Reichsabgabenordnung über das Strafrecht und Strafverfahren (§§ 355 - 443) finden, mit Ausnahme der §§ 425, 433 und 440, sinngemäss Anwendung. § 16 Abs. 2 dieses Gesetzes gilt auch in- soweit.

(2) Im Falle des § 366 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung geht die Beschwerde gegen den Beschluss des Landesfinanzamts an das Oberverwaltungsgericht; die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, im übrigen gilt § 24 Abs. 4 dieses Gesetzes.

!) Der Entwurf von 1921 enthielt als weiteren Absatz: „Der Anspruch auf Nachzahlung ist nicht durch das Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel bedingt. Es darf jedoch nicht auf eine nach Entstehung des Steueranspruchs erlassene Entscheidung des Oberverwaltungegerichts gegründet werden, in der die Steuerpflicht im Gegensatze zu einer früheren, einen gleichen Tatbestand betreffenden Entscheidung desselben Gerichtshofs be- zahlt wird.14

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz, Vom 19. Juli 1928. 233

(3) Die wegen Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz erkannten Geldstrafen iliessen in die Staatskasse.

V· Gemeindliche Zuschlagsteuer. § 34.

(*) Die Gemeinden erheben eine Zuschlagsteuer nach Hundertsätzen der für den Staat veranlagten Gewerbesteuer. Die Zuschlagsteuer darf nicht weniger als 100 und nicht mehr als 300 ν. Η. der Staatssteuer betragen. Das Besteuerungs- recht der Gemeinden beschränkt sich auf diejenigen Betriebe, die in der Gemeinde eine Betriebsstätte ( § 2 Abs. 3) unterhalten (Betriebsgemeinde).

(2) Die Steuererklärung für die Staatssteuer gilt gleichzeitig für die Zuschlag- steuer der Gemeinden.

(3) Wird die Veranlagung zur Staatssteuer im Rechtsmittelverfahren oder im Wege der Neuveranlagung geändert, so zieht diese Aenderung von selbst die entsprechende Aenderung der Zuschlagsteuer nach sich. Das gleiche gilt für den Erlass oder die Stundung der Staatssteuer.

§ 35. (*) Unterhält ein Gewerbebetrieb Betriebsstätten in mehreren Gemeinden,

so darf er in jeder Betriebsgemeinde nur anteilig zur Zuschlagsteuer herangezogen werden.

(2) Die Anteile der Betriebsgemeinden sind von dem der Staatssteuer ent- sprechenden Mindestsatze der Zuschlagsteuer ( § 34 Abs. 1 Satz 2) zu berechnen. Erhebt eine Betriebsgemeinde als Zuschlagsteuer mehr als 100 ν. Η . der Staats- steuer, so ist von dem auf sie entfallenden Anteil am Mindestsatze der Zuschlag- steuer der entsprechende Hundertsatz zu berechnen.

(3) Der Anteil der einzelnen Betriebsgemeinde am Mindestsatze der Zu- schlagsteuer wird in der Weise ermittelt, dass von dem auf die Gesamtheit der Betriebsgemeinden entfallenden Mindestsatze zunächst derjenigen Gemeinde, in der sich die Leitung des Gesamtbetriebes befindet, der zehnte Teil vorab zu- gewiesen wird und die übrigen neun Zehntel

a) bei Versicherungs-, Bank- und Kreditunternehmen nach Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden erzielten Roheinnahme,

b) in den übrigen Fällen nach Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden entstandenen Ausgaben an Gehältern und Löhnen, jedoch ausschliesslich der von dem Gesamtüberschusse berechneten Vergütungen (Tantiemen) des Ver- waltungs- und Betriebspersonals, verteilt werden. Für die Ermittlung der Roheinnahme und der Ausgaben an Gehältern und Löhnen ist das Jahr massgebend, dessen Ertrag der Besteuerung zugrunde liegt.

(4) Erstreckt sich eine Betriebsstätte dergestalt über das Gebiet mehrerer Gemeinden, dass die Massstäbe des Abs. 3 nicht anwendbar erscheinen, so hat die Verteilung der Zuschlagsteuer nach Lage der örtlichen Verhältnisse unter Be- rücksichtigung des Flächen Verhältnisses und der in den einzelnen Gemeinden durch das Vorhandensein der Betriebsstätte entstehenden Gemeindelasten zu erfolgen.

§ 36.

(*) Die Betriebsgemeinden können sich mit Zustimmung des Steuerpflichtigen über eine andere Art der Verteilung der Zuschlagsteuer einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande und ergeben sich in einzelnen Fällen aus der Anwendung der nach § 35 Abs. 3 u. 4 massgebenden Vorschriften besondere Unbilligkeiten für eine Gemeinde oder mehrere Gemeinden, so kann auf Antrag einer beteiligten Gemeinde von der Aufsichtsbehörde die Zugrundelegung eines anderen Massstabs angeordnet werden.

(a) Die Unternehmer sind verpflichtet, den Betriebsgemeinden die für die Verteilung erforderlichen Nachweisungen mitzuteilen.

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Page 12: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

234 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

§ 37.

(x) Die Vorschriften der §§ 34 - 36 gelten entsprechend für die selbständigen Gutsbezirke.

(2) Erstreckt sich ein selbständiger Gutsbezirk auf das Gebiet mehrerer Bezirksverbände, so findet die Vorschrift in § 10 Abs. 2 Satz 1 des Vollzugsgesetzes zum Landessteuergesetz vom 12. August 1920 (G.V.B1. S. 311) Anwendung.

(3) Die dem Bezirksverbande zufliessende Steuer ist der nach § 11 des Voll- zugsgesetzes zum Landesteuergesetze zu bildenden Sonderkasse zuzuführen.

§ 38. (x) Die Verwaltung der Zuschlagsteuer liegt den Gemeinden ob. (*) Für das Verfahren und die Anwendung der Vorschriften der Reichs-

abgabenordnung über die Besteuerung und das Strafverfahren gelten, soweit sich nicht aus § 34 etwas anderes ergibt, die Bestimmungen des III. und IV. Ab- schnitts mit der Massgabe, dass an die Stelle der Landesfinanzämter und der Finanzgerichte die Gemeindeaufsichtsbehörden und an die Stelle des Finanz- ministeriums das Ministerium des Innern treten.

Eine besondere Anfechtung der Zuschlagsteuer findet nur insoweit statt, als es sich um das Recht der Gemeinden (Bezirks verbände) auf Erhebung der Zuschlagsteuer oder um deren Berechnung handelt.

(3) Eine Hinterziehung oder Gefährdung der Zuschlagsteuer liegt auch vor, wenn die zur Verkürzung des Steuerinteresses der Gemeinde führenden Angaben für die Zwecke der Veranlagung zur Staatstseuer gemacht worden sind. Die auf die Steuerzuwiderhandlung angedrohta Strafe der Gemeinde ist unabhängig von den staatlichen Steuerstrafen aufzuerlegen; § 73 des Reichsstrafgesetzbuchs findet keine Anwendung. Die wegen Verletzung der Pflichten in Ansehung der Zuschlag- steuer erkannten Geldstrafen fliessen in die Gemeindekasse.

§ 39. Gemeindeaufsichtsbehörden im Sinne dieser Vorschriften sind die Kreis-

hauptmannschaften und die Amtshauptmannschaften. Diese entscheiden ohne Mitwirkung der Kreis- und Bezirksausschüsse.

VI. Uebergangs- und Schluss Vorschriften.

§ 40. Von dem Aufkommen an Gewerbesteuer hat der Staat 10 ν. Η. dem nach

§ 18 des Vollzugsgesetzes zum Landessteuergesetze gebildeten Ausgleichçtocke zuzuführen. Die gleiche Verpflichtung liegt den Gemeinden und Bezirksverbänden hinsichtlich des Aufkommens an Zuschlagsteuer ob.

§41. (x) Das Finanzministerium kann im Einvernehmen mit dem Reicheminister

der Finanzen die nach diesem Gesetze den Finanzämtern zufallenden Aufgaben den Gemeinden oder Gemeindeverbänden übertragen.

(2) Soweit dies geschieht, bleibt dem Finanzministerium die nähere Regelung des Verfahrens vorbehalten (§45).

§ 42. Solange ein Gewerbebetrieb der Steuer nach § 4 des Gesetzes, die Be-

steuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen betreffend, vom 1. Juli 1878 (G.V.B1. S. 121) unterliegt, unterbleibt seine Heranziehung zur Steuer vom stehenden Gewerbebetriebe nach dem vorliegenden Gesetze.

§43. (*) Wird die Gewerbesteuer nicht rechtzeitig entrichtet, so ist für jeden

der Fälligkeit folgenden angefangenen Kalendermonat ein Zuschlag von 20 ν. Η. 686

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Page 13: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19^ Juli 1923. 235

des Rückstandes an Steuer und Zuschlag und, falls die Zahlung länger als 3 Monate im Rückstande bleibt, 30 v. H. des Rückstandes zu zahlen. Die Steuer umfasst auch die Zuschläge nach § 18 Abs. 2.

(2) Der Zuschlag wird nur von vollen 1000 M. des rückständigen Betrags und nur dann erhoben, wenn der rückständige Betrag 10,000 M. übersteigt.

(3) Soweit ein Zuschlag erhoben wird, findet eine Verzinsung der rück- ständigen Beträge nicht statt.

§44. Die Vorschriften des § 43 gelten entsprechend für die Zuschlagsteuer der

Gemeinden (§ 34). § 45.

Mit der Ausführung dieses Gesetzes werden das Finanzministerium und das Ministerium des Innern beauftragt1).

Aus dem Gesetz Tom 19. Juli 1923 zur Âendernng des Gewerbesteuer- gesetzes· Artikeln.

Diejenigen Gemeinden, die die unentgeltliche Totenbestattung nicht eingeführt haben, sind verpflichtet, von ihrem Aufkommen an Zuschlagsteuer 50 v. H. des dem Staats- steueraufkommen entsprechenden Aufkommens an einen besonderen staatlichen Ausgleich- Stock abzuführen. Die Mittel dieses Ausgleichstocks sind ausschliesslich für die Dureh- ftihrung der unentgeltlichen Totenbestattung bestimmt.

Artikel III. (1) Vor Beginn jedes Steuerjahrs (§ 25) hat das Finanzministerium zu prüfen, ob die

in § 11 Abs. 4 Satz 2, § 13 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 und § 14 des Gewerbe- eteuergesetzes vorgesehenen Geldbeträge mit Rücksicht auf die jeweiligen Wirtschafts- verhältnisse anders festzusetzen sind. Die Neufestsetzung erfolgt durch das Finanzmini- sterium. Das gleiche gilt für die in § 43 Abs. 1 u. 2 des Gewerbesteuergesetzes vorgesehenen Hundertsätze und Grenzen des Zuschlags mit der Massgabe, dass sich die Festsetzung der Gewerbesteuer ohne weiteres auf die Zuschlagsteuer der Gemeinden erstreckt.

(2) Das Finanzministerium wird weiterhin ermächtigt, unbeschadet der Vorschrift in Abs. 1 Satz 3 die nach den Vorschriften des Gewerbesteuergeeetzes zu leistenden Zahlungen den Veränderungen des Geldwerts in der Weise anzupassen, dass für das Steuerjahr 1923 das Doppelte des mittleren Goldankaufspreises, für die folgenden Steuerjahre der mittlere Goldankaufspreis im letzten Kalenderjahre vor der Veranlagung dem mittleren Gold- ankaufspreis in den letzten drei Kalendermonaten vor Fälligkeit der jeweiligen Zahlung gegenübergestellt und die zu leistende Zahlung in dem entsprechenden Verhältnis erhöht oder ermässigt wird. Die einzelnen Terminszahlungen, insbesondere Teilzahlungen vom 15. Mai und 15. August 1923 gelten als an den Terminstagen fällig geworden, selbst wenn bis dahin ein Steuerbescheid noch nicht zugestellt worden ist.

(3) Wird eine in einem späteren Zeitpunkte fällige Teilzahlung an dem für eine frühere Teilzahlung massgebenden Zeitpunkt im voraus geleistet, so ist für die gesamte Zahlung die für den früheren Termin festgesetzte Verhältniszahl massgebend.

Begründung zu dem Gesetzentwurf vom 28. Mai 1921 2). Im allgemeinen.

A. Einleitung. 1. Nach § 8 Abs. 1 des Landessteuergesetzes vom 30. März 1920 (R.G.B1.

S. 402) erheben die Länder Steuern vom Grundvermögen und vom Gewerbe-

*) Die Ausführungsbestimmungen wurden erlassen am 18. Februar 1922. Zum Gewerbe- steuergesetz vom 19. Juli 1923 wurde die Ausführungsverordnung am 20. Juli 1923 erlassen (Sachs. Gesetzbl. 1923 Nr. 31 S. 288).

a) Beil. 62 zu den Verhandlungen des sächsischen Landtags 1921. Der Gesetzentwurf bildet die Grundlage zu dem Gewerbesteuergesetz vom 6. Oktober 1921 ; über dessen haupt- sächlichsten Aenderungen siehe oben S. 228 Anmerkung 1. Die Begründung vom 14. Juni 1923 (Vorl. Nr. 62) zum Entwurf des Abänderungsgesetzes vom 19. Juli 1923 konnte hier nicht auch mitgeteilt werden.

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Page 14: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

236 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1928,

betriebe. Die Länder sind hiernach zur Erhebung einer Grundsteuer und einer Gewerbesteuer verpflichtet, und zwar sollen sie die ihnen noch zur Ver- fügung stehenden Steuern nach Massgabe ihres Steuerbedarfs ausnutzen (§ 7 des Landessteuergesetzes) .

Eine Grundsteuer besteht bereits seit langem in Sachsen; über ihre Umgestaltung wird dem Landtag eine besondere Vorlage zugehen. Eine allgemeine Staatsgewerbesteuer wurde in Sachsen bis zum Jahre 1878 erhoben. Bei der zweiten grossen Steuerreform 1878 wurde aber auf die staatliche Gewerbe- steuer verzichtet, und die Gemeinden sind diesem Vorgange gefolgt. Auch bei den späteren Reformbestrebungen fand der Gedanke einer allgemeinen Gewerbe- steuer im Landtag eine überwiegende Ablehnung. Im Jahre 1904 legte die Staats- regierung den Ständen ein Dekret, die Neuordnung des Gemeindesteuerwesens betreffend (Nr. 29), nebst dem Entwurf eines Gemeindesteuergesetzes vor, in dem die Erhebung einer allgemeinen Gewerbesteuer seitens der Gemeinden vorgesehen war. Die Höhe dieser Steuer war im Gesetze geregelt und stufte sich ab nach dem gewerblichen Einkommen, dem Mietwerte der Gewerberäume und der Zahl der gewerblichen Hilfspersonen1). Der Gesetzentwurf fand jedoch schon in der zweiten Kammer eine fast allgemeine Gegnerschaft. Die in dem Berichte der Gesetz- gebungsdeputation der zweiten Kammer damals aufgestellten und von der Kammer angenommenen Leitsätze veranlassten die Regierung, im Dezember 1911 dem Landtag einen neuen Entwurf eines Gemeindesteuergesetzes (Dekret Nr. 19) vorzulegen. Während der Entwurf vom Jahre 1904 eine obligatorische Gewerbe- steuer vorgesehen hatte, beschränkte sich der neue Entwurf darauf, die Erhebung einer solchen Steuer in das Ermessen der Gemeinden zu stellen und damit den damaligen Rechtszustand aufrecht zu erhalten. Die allgemeine Abneigung aller Parteien gegen die Gewerbesteuer fand ihren Ausdruck in dem Beschlüsse der zweiten Kammer, die auf die allgemeine Gewerbesteuer bezüglichen Bestimmungen im Gesetze zu streichen. Demzufolge beschränkt sich das Gemeindesteuergesetz vom 11. Juli 1913 (G.V.B1. S. 195) auf Bestimmungen über einzelne Sonder- gewerbesteuern, wie die Automatensteuer ( § 55) und die Betriebssteuer von Gast- und Schankwirtschaften und Stätten des Kleinhandels mit Branntwein und Spiritus (§ 56), sowie auf die (obligatorische) Sondersteuer von Wanderlagern (§ 57)2). An der Zulässigkeit einer allgemeinen Gewerbesteuer war allerdings dadurch nichts geändert worden.

Aus dieser Entwicklung erklärt es sich, dass in Sachsen seit dem Jahre 1878 die stehenden Gewerbe - anders als der Gewerbebetrieb im Umherziehen, vgl. das Gesetz, die Besteuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen betreffend, vom 1. Juli 1878 (G.V.B1. S. 121) und das Gesetz, die Abänderung einer Be- stimmung der Revidierten Städteordnung und Landgemeindeordnung, sowie die weitere Besteuerung des Wanderlagerbetriebes betreffend, vom 23. März 1880 (G. V.B1. S. 47) - von einer Sonderbesteuerung im allgemeinen verschont geblieben sind. Dagegen haben die andern grösseren Staaten Deutschlands an einer Ge- werbesteuer nicht nur festgehalten, sondern haben sie allmählich immer ertrags- reicher ausgestaltet. So erhoben neben der allgemeinen Einkommensteuer ins- besondere Preussen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, ferner Braunschweig, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, die beiden Lippe, Waldeck eine Gewerbe- steuer als Vorausbelastung, während Elsass-Lothringen und die beiden Mecklen- burg sie ohne eine besondere Einkommensteuer erhoben. Sachsen als das gewerbe- reichste Land Deutschlands steht also ohne Gewerbesteuer nahezu allein da.

Dabei wird man sich trotz des beharrlichen Widerstandes der früheren Volksvertretung gegen die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer nicht der Erkenntnis verschliessen können, dass vom Gewerbe, das von der Entwicklung der Verkehrs-, der wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse in den Ländern und Gemeinden die grössten Vorteile geniesst, mit mindestens demselben Rechte wie vom Grund- und Kapitalbesitz eine angemessene Gegenleistung in der Form

i) Siehe näheres im Finanzarchiv 21 (1904) S. 816. 2) Das Gemeindesteuergesetz vom 11. Juli 1913 nebst Begründung zum Gesetzentwurf

ist mitgeteilt im Finanzarchiv 31 (1914) S. 767. 588

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Page 15: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 237

einer Sondersteuer gefordert werden kann. Es ist demzufolge - ganz abgesehen von dem dringenden finanziellen Bedarfe des Staates und der Gemeinden und von der reichsrechtlich den Ländern auferlegten Verpflichtung zur Einführung einer Gewerbesteuer - auch ein Gebot der steuerlichen Gerechtigkeit, dass das Gewerbe einer Sondersteuer unterworfen wird, nachdem der Kapitalbesitz durch die Kapitalertragsteuer, der Grundbesitz durch die Grundsteuer neben der all- gemeinen Reichseinkommensteuer besonders besteuert worden ist.

2. Nach § 8 Abs. 3 des Landessteuergesetzes können die Länder die Ertrag - steuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder teilweise überlassen. Dem Lande bleibt es vorbehalten, ob und inwieweit es die Gemeinden oder Ge- meindeverbände an der Gewerbesteuer beteiligen will. Es bieten sich zwei Mög- lichkeiten. Entweder das Land überläset die Gewerbesteuer in vollem Umfange den Gemeinden, sei es, dass es diesen auch den gesetzlichen Ausbau der Gewerbe- steuer im Wege der Ortsgesetzgebung aufgibt, sei es, dass es sich vorbehält, in einem Rahmengesetze grundsätzliche Bestimmungen über Art und Umfang der Steuerpflicht, über die Steuersätze und die sonstigen steuerlichen Befugnisse der Gemeinden zu treffen und den Gemeinden innerhalb der hierdurch gezogenen Grenzen den weiteren Ausbau der Steuer überläset. Die andere Möglichkeit geht dahin, das Land und die Gemeinden gemeinschaftlich an dem Ertrage der Gewerbesteuer zu beteiligen. Das führt dazu, das Gebiet der Gewerbesteuer im vollen Umfange im Wege der Landesgesetzgebung zu regeln. Die Regierung hat den letzteren Weg beschritten, da das Land bei seinem ständig steigenden Geld- bedarf und dem Verluste der Einkommensteuer als seiner bisherigen Haupt- steuerquelle schlechterdings nicht auf einen Anteil an dem Ertrage der Gewerbe- steuer verzichten konnte und eine landesrechtliche Regelung des gesamten Ge- werbesteuerwesens im Interesse der Einheitlichkeit und zur Vermeidung von unbilligen Verschiedenheiten in der steuerlichen Belastung der Gewerbe innerhalb des säschsischen Staatsgebiets geboten erschien.

B. Besteuerungsmassstab. Einen geeigneten Massstab für die gerechte und angemessene Besteuerung

des Gewerbes zu finden, war von jeher eines der schwierigsten steuertechnischen Probleme. Aus dieser Schwierigkeit erklärt sich auch das bunte Durcheinander der Vorschriften in den einzelnen Gewerbesteuergesetzen. Je mehr im Laufe des vorigen Jahrhunderts Handel und Gewerbe sich entwickelten und infolge der Ausdehnung des Verkehrs von den örtlichen und nachbarlichen Verhältnissen sich unabhängig machten, je mehr Kapital und persönliche Tüchtigkeit des Unter- nehmers auf die wirtschaftlichen Ergebnisse des Gewerbes von Einfluss wurden, desto mehr mussten sich die früheren Versuche, die Gewerbe für die Besteuerung nach Klassen und Tarifen einzuteilen und sie nach äusseren Merkmalen, wie der Grosse des Ortes, der Art der Betriebsmittel (Werkzeuge, Maschinen), der Zahl der beschäftigten Hilfspersonen, der Grosse der gewerblichen Räume, zur Steuer heranzuziehen, als unzulänglich erweisen. Das Landessteuergesetz bestimmt in § 8 Abs. 2 lediglich, dass die Ertragsteuern vom Grundvermögen und vom Ge- werbebetriebe nach Merkmalen des Wertes, des Ertrags, der Ertragsfähigkeit oder des Umfanges des Grundvermögens oder des Gewerbebetriebes veranlagt werden können. Ferner ist in § 9 des Landessteuergesetzes bestimmt, dass (Se Ertragsteuern nicht wie Einkommensteuern ausgestaltet werden dürfen, und dass Besteuerungsmerkmale, die auf die Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abzielen, nicht zugrunde gelegt werden sollen.

Der Wert eines Gewerbes hängt im Endergebnisse von dem Werte des Betriebskapitals und der HöhedesErtrags ab. Es erschien daher zweckmässig, die Steuer so einzurichten, dass sie bemessen wird einerseits nach dem Werte des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals (Betriebsanlage - eine Art Vermögenssteuer), anderseits nach dem jährlichen Ertrage (Ertragsanlage - eine Art Ertragsteuer). Durch Vereinigung beider Massstäbe kann erreicht werden, Gewerbe mit raschem und grossem Umsatz und grossem Ertrag, aber

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Page 16: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

238 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Yom 19· Juli 1923.

kleinem Betriebskapitale mehr durch eine entsprechende Ertrageanlage, Ge- werbe mit grossem Betriebskapital und geringem Ertrag aber mehr durch eine entsprechende Betriebsanlage zu treffen und so das einzelne Gewerbe mit einer seinem Werte angemessenen Gewerbesteuer zu belegen. Ein solcher doppelter Massstab wird den ausserordentlich mannigfaltigen Verhältnissen der einzelnen Gewerbearten steuerlich am ehesten gerecht und bewahrt ausserdem den Staat auch in Zeiten wirtschaftlichen Niederganges vor einem allzu weitgehenden Steuerausfalle.

Während für die Betriebsanlage das gewerbliche Anlage- und Betriebs- kapital als die gegebene Besteuerungsgrundlage zu gelten hat, läset sich der Ertrag eines Gewerbes nach verschiedenen Gesichtspunkten feststellen. In den älteren Gewerbesteuergesetzen waren die Gewerbe vielfach nach Klassen eingeteilt, oder der Ertrag des Gewerbes wurde im Anhalt an die Roheinnahme (Umsatz) oder den Roh- (rauhen) Ertrag geschätzt. Diese Ertragschätzungen mussten natur- gemäss ausserordentlich roh und unzulänglich ausfallen und standen vielfach mit dem tatsächlichen Ertrage des Gewerbes in Widerspruch. Die erwähnten Merk- male bilden daher keine geeignete Grundlage für eine gerechte, den wirklichen Verhältnissen entsprechende Besteuerung des Gewerbes. Auf den Umsatz könnte überdies - mindestens bei den Gewerben, die sich mit dem Umsätze von Waren befassen - schon im Hinblick auf die Bestimmung in § 44 des Umsatzsteuer- gesetzes vom 24. Dezember 1919 (R.G.B1. S. 2157) nicht zurückgegriffen werden, wonach Länder und Gemeinden vom Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes ab Steuern vom Warenumsätze nicht mehr erheben dürfen. Hierzu hat gelegentlich der Beratungen des Entwurfs im Ausschusse der Nationalversammlung ein Regierungsvertreter ausgeführt, dass künftig Gewerbesteuern, die auf das Merk- mal des Warenumsatzes abgestellt sind, nicht erhoben werden dürfen (zu vgl. Drucksachen der Nationalversammlung 1919 Nr. 1753 S. 54).

Die den Merkmalen der Roheinnahme ebenso wie des Rohertrags anhaftenden Unzulänglichkeiten werden vermieden, wenn man vom Rein ertrage des Ge- werbes, d. i. dem Ueberschusse der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ausgeht. Der Reinertrag trägt der Leistungsfähigkeit des Gewerbes am besten Rechnung und ist daher auch in den meisten neueren Gewerbesteuergesetzen (Preussen, Bayern) als Hauptmerkmal der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Er bildet erst den „Ertrag" des Gewerbes im allgemeinen wirtschaftlichen Sinne. Denn da jeder Gewerbebetrieb nach dem Gewerbebegriffe dem Zwecke der Ge- winnerzielung durch Vermehrung der wirtschaftlichen Güter dient, stellt der Ertrag eines Gewerbes das vom Unternehmer aus dem Gewerbebetrieb als Quelle der Gütererzeugung innerhalb eines gewissen Zeitraums (Geschäfts-, Wirtschafts- jahr) erzielte finanzielle Ergebnis, den Jahresgewinn dar. Für die Ertrags- ermittlung kommen also nur solche Einnahmen in Frage, die entweder unmittel- bar durch den Gewerbebetrieb erzielt sind oder die sich mittelbar als Früchte des in dem Gewerbebetriebe werbenden Anlage- und Be- triebskapitals darstellen. Anderseits sind abzugsfähig nur die Aufwen- dungen, die innerhalb des laufenden Geschäftsbetriebes unmittelbar oder mittelbar zur Gewinnerzielung gemacht werden.

Es war nun zu untersuchen, ob die Zugrundelegung des Gewerbeertrags in diesem Sinne mit der Bestimmung in § 9 Satz 1 des Landessteuergesetzes ver- einbar ist, wonach, wie schon bemerkt worden ist, die Gewerbesteuer nicht wie eine Einkommensteuer ausgebaut werden darf. Die Regierung glaubte, die Zu- lässigkeit des Reinertrags als Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer aus folgenden Erwägungen bejahen zu dürfen. In dem oben geschilderten Sinne stellt sich der Reinertrag des Gewerbes ausschließlich als ein Produkt des objek- tiven Gewerbebetriebes dar. Er bedeutet etwas durchaus anderes als das Ein- kommen im Sinne der Einkommensteuergesetze. Das steuerbare Einkommen eines Gewerbetreibenden mindert sich um die den Gewerbeertrag nicht berühren- den zahlreichen Ausgaben, vor allem die persönlichen Schuldzinsen, die nach den Vorschriften der Einkommensteuergesetze vom Gesamteinkommen abgezogen werden dürfen. Bei der Ertragsermittlung für den Gewerbebetrieb scheiden da-

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Page 17: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 239

gegen alle die persönliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers beeinflussenden Ausgaben aus. Schuldzinsen insbesondere dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie von Betriebs schulden zu entrichten sind und daher die Leistungsfähigkeit des Gewerbes herabsetzen. Zuzugeben ist allerdings, dass der Reinertrag eines Gewerbes vielfach mit den einen Teil des steuerbaren Einkommens bildenden gewerblichen Reineinkünften des Unternehmers ziffer- massig zusammenfallen wird. Aber ihrem Wesen nach bestehen auch zwischen diesen beiden Begriffen grundsätzliche Unterschiede. Letztere zeigen sich ins- besondere im Falle der Beteiligung mehrerer Personen an einem Gewerbebetrieb und im Falle der Vereinigung mehrerer Gewerbebetriebe in einer Hand. Im ersten Falle wird jeder Teilhaber mit seinen anteiligen Einkünften aus dem gemeinsamen Gewerbebetriebe zur Einkommensteuer herangezogen; zur Gewerbesteuer ist dagegen das Gewerbe als solches einheitlich für alle Anteile zusammen zu ver- anlagen. Im andern Falle wird der Inhaber mehrerer selbständiger Gewerbe zur Einkommensteuer mit dem Gesamtbetrage der gewerblichen Einkünfte aus allen Unternehmungen veranlagt, während zur Gewerbesteuer jedes der mehreren Ge- werbe selbständig mit seinem Ertrage heranzuziehen ist.

Neben dem Merkmale des Reinertrags, auf das die Regierung im Interesse einer der wirklichen Leistungsfähigkeit des Gewerbes Rechnung tragenden Be- steuerung am wenigsten verzichten zu können glaubt, sollen noch zwei äussere Merkmale, nämlich die Zahl der gewerblichen Hilfspersonen und der Mietwert der gewerblichen Räume, als Besteuerungsgrundlagen herangezogen werden. Eine solche Verbindung verschiedener Veranlagungsmerkmale ist bei der Gewerbe- steuer seit jeher die Regel gewesen, da auf diese Weise den vielseitigen Bedürf- nissen und Rücksichten eher entsprochen werden kann. Durch die Heranziehung solcher äusserer Merkmale wird jedenfalls auch dort, wo der Reinertrag des Ge- werbes mit den zur Einkommensteuer steuerpflichtigen gewerblichen Reinein- künften des Unternehmers ziffermässig zusammenfällt, einer einkommensteuer- . ähnlichen Ausgestaltung der Gewerbesteuer vorgebeugt. Unter den anderwärts vorkommenden äusseren Merkmalen gehören die genannten zu den häufigsten. Durch ihre Verwendung wird gleichzeitig erreicht, dass auch die Ertragsanlage bis zu einem gewissen Grade den Schwankungen des Wirtschaftslebens entzogen ist. Die durchschnittliche Kopfzahl der Gewerbegehilfen wird sich ohne grosso Schwierigkeiten feststellen lassen; das .Gleiche gilt vom Mietwerte der gewerb- lichen Räume, soweit die Steuerbehörden hierfür nicht bereits in den Unterlagen für die Reichseinkommensteuer einen Anhalt haben.

C. Veranlagung und Verwaltung.

Infolge der Reichsfinanzreform hat der Staat nicht nur seine bisher wichtigste Steuerquelle, sondern auch seine eigenen Steuerbehörden dem Reiche abtreten müssen. Die Regierung war daher vor die Frage gestellt, durch wen die den Ländern verbliebenen Ertragssteuern in Zukunft verwaltet werden sollen. Sie hatte eich hierbei insbesondere vor Augen zu halten, dass das Reich seinerzeit im Weimaraner Uebereinkommen vom 18./19. August 1919 den Ländern die Verwaltung ihrer direkten und indirekten Abgaben ausdrücklich zugesichert hat und dass der § 19 der Reichsabgabenordnung, in dem diese Zusicherung des Reichs ihre gesetzliche Grundlage gefunden hat, den Ländern die Befugnis gibt, beim Reichsfinanzminister den Antrag auf Verwaltung ihrer eigenen Landesabgaben durch die Reichssteuerbehörden zu stellen. Anderseits legten die Gemeinden grossen Wert darauf, dass ihnen die Verwaltung sowohl der Gewerbesteuer als auch der neuen Grundsteuer übertragen würde.

In Berücksichtigung dieses Wunsches der Gemeinden hatte die Regierung ursprünglich in Aussicht genommen, die Veranlagung und Verwaltung für beide Steuern gleichmässig in der Weise zu regeln, dass sie die Veranlagung und Ver- waltung zwar grundsätzlich den Reichssteuerbehörden übertragen, sich aber das Recht vorbehalten wollte, einzelne Gemeinden mit der Veranlagung und Ver- waltung der Gewerbesteuer wie der Grundsteuer zu betrauen. Das Finanz-

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240 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

ministerium wollte von diesem Vorbehalte, der gleichzeitig für die Reichssteuer- behörden eine sehr fühlbare Entlastung gebracht hätte, in möglichst weitgehen- dem Masse Gebrauch machen und den Finanzämtern die Veranlagung und Ver- waltung der beiden Steuern im wesentlichen nur für das platte Land belassen. Das Reichsfinanzministerium hat sich jedoch im Hinblick auf die derzeitige Ueber- lastung der Finanzämter zur Uebernahme beider Steuern, der Gewerbesteuer und der neuen Grundsteuer, nicht bereit finden können, sondern allein die Ueber- nahme der Gewerbesteuer in bestimmte Aussicht gestellt. Gleichzeitig hat es aber die Uebernahme davon abhängig gemacht, dass die Veranlagung und Ver- waltung der Gewerbesteuer den Finanzämtern in vollem Umfange, also auch insoweit übertragen wird, als bisher die Gemeinden hierfür in Aussicht genommen waren. Eine Teilung der Verwaltung zwischen den Finanzämtern und den Ge- meinden ist als unannehmbar abgelehnt worden.

Ob dieser Standpunkt rechtlich haltbar und insbesondere mit der Vorschrift in § 19 der Reichsabgabenordnung vereinbar ist, soll hier nicht erörtert werden. Die Berufung auf den Rechtsstandpunkt würde der sächsischen Regierung kaum nützen, wenn die Durchführung der Veranlagung und Verwaltung beider Steuern durch die Finanzämter an deren tatsächlichem Unvermögen scheitern sollte. Anderseits konnte sich die Regierung auch nicht entschliessen, die Gewerbesteuer in vollem Umfange, also auch für das platte Land, den Gemeinden zu übertragen. Die grösseren Gemeinden haben in ihren Steuerämtern zweifellos einen geeigneten Apparat zur Uebernahme der Steuerverwaltung bereit; für die kleineren Ge- meinden müsste dagegen eine vollständig neue Organisation geschaffen werden. Abgesehen hiervon erscheint es aber sehr fraglich, ob die kleinen Gemeinden, insbesondere diejenigen mit Gemeindevorständen ohne berufsmässige Ausbildung, überhaupt in der Lage sein würden, die Veranlagung gerade der Gewerbesteuer in einer den Staat befriedigenden Weise durchzuführen. Die Erfahrungen, die bei der Veranlagung der wesentlich einfacheren Umsatzsteuer in den kleineren Gemeinden gemacht worden sind, lassen eine Wiederholung dieses Versuchs nicht angezeigt erscheinen. Bei der neuen Grundsteuer, die in einfacher Form vom Werte des Grundbesitzes berechnet wird, liegen die Verhältnisse wesentlich anders als bei der in ihrem äusseren Aufbau und insbesondere bei der Zweiteilung in Betriebs- und Ertragsanlage weit verwickeiteren Gewerbesteuer. Es kommt noch hinzu, dass die meisten sächsischen Gemeinden schon bisher eine Grundsteuer, vielfach bereits als Grundwertsteuer, eingeführt hatten, während es eine allgemeine Gewerbesteuer bis zum Jahre 1920 in Sachsen fast in keiner Gemeinde gegeben hat.

Gerade die verschiedene Ausgestaltung der Gewerbesteuer einerseits und der neuen Grundsteuer anderseits führt dazu, für jede der beiden Steuern die Frage ihrer Veranlagung und Verwaltung gesondert zu lösen. Während nämlich die neue Grundsteuer als Grundwertsteuer in ähnlicher Weise wie die Besitzsteuer nur alle drei Jahre erhoben werden soll, lehnt sich die Gewerbesteuer in ihrem wichtigsten Bestandteile, der Ertragsanlage, eng an die Reichseinkommensteuer und die Körperschaftssteuer an. Der Reinertrag eines Gewerbes wird, wie schon oben unter Β ausgeführt ist, in vielen Fällen mit den bei der Reichseinkommen- steuer steuerpflichtigen gewerblichen Reineinkünften des Unternehmers oder mit dem bei der Körperschaftssteuer steuerpflichtigen Einkommen der das Gewerbe betreibenden Erwerbsgesellschaft zusammenfallen. Diese Erwägungen drängen dazu, die Verwaltung der Gewerbesteuer den für die Veranlagung der Reichs- einkommensteuer und der Körperschaftssteuer zuständigen Reichssteuerbehörden zu übertragen. Bei der Einschätzung zur Gewerbesteuer wird in weitgehendem Masse auf die Schätzungsunterlagen für die Einkommensteuer und Körperschafts- steuer sowie für sonstige Reichssteuern zurückgegriffen werden müssen. Diese Schätzungsunterlagen befinden sich allein in den Händen der Finanzämter, bei denen künftig alle Fäden der Steuerverwaltung zusammenlaufen. Die Gemeinden wären daher darauf angewiesen, die Finanzämter um vorübergehende Ueber- lassung der Unterlagen zu ersuchen. Ob die Reichssteuerbehörden gewillt und im Hinblick auf die Benötigung der Unterlagen für die Reichssteuerveranlagungen überhaupt in der Lage sein werden, einem dahingehenden Ersuchen zu entsprechen,

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19, Juli 1£23. 241

erscheint nicht unzweifelhaft. Die Präsidenten der beiden sächsischen Landes- finanzämter haben jedenfalls die Ueberlassung der Schätzungsunterlagen an die Gemeinden auch nur für kurze Zeit ohne Beeinträchtigung der Geschäftserledigung bei den Finanzämtern nicht für durchführbar bezeichnet. Ebensowenig kann nach ihrer Ansicht die Anfertigung und Mitteilung von Auszügen der Schätzungs- unterlagen seitens der Finanzämter an die Gemeinden in Erwägung gezogen werden, weil dieser Weg nicht nur erhebliche Kosten verursachen, sondern den Finanz- ämtern auch eine nicht zu bewältigende Fülle von Arbeit verursachen würde. Ueberdies aber könnten die Schätzungsunterlagen im günstigsten Falle den Ge- meinden erst nach Abschluss der Reichssteuerveranlagungen, für die sie benötigt werden, und insbesondere erst nach Abschluss der Reichseinkommensteuer- veranlagung mitgeteilt werden. Die Veranlagung zur Gewerbesteuer könnte daher von den Gemeinden frühestens nach Abschluss der Veranlagung zur Reichs- einkommensteuer bewirkt werden. Die hierdurch bedingte Verzögerung der Ver- anlagung tritt nicht ein, wenn die Veranlagung der Gewerbesteuer den Finanz- ämtern übertragen ist. Diese werden solchenfalls schon zur Vermeidung unnötiger und doppelter Arbeit die Veranlagung zur Gewerbesteuer gleichzeitig mit der Veranlagung zur Reichseinkommensteuer und zur Körperschaftssteuer vornehmen und mit dieser zum Abschlüsse bringen. Die Verbindung der Veranlagung der Gewerbesteuer mit derjenigen der Reichseinkommen- und der Körperschafts- steuer wird den Finanzämtern durch die Ausführungsverordnung noch besonders zur Pflicht gemacht werden. Hieraus ergibt sich, dass bei den Finanzämtern dauernd mit einer erheblich früheren Veranlagung gerechnet werden kann, als wenn den Gemeinden die Veranlagung der Gewerbesteuer übertragen würde.

Die Lostrennung der Veranlagung der Gewerbesteuer von derjenigen der Reichseinkommen- und der Körperschaftssteuer würde, soweit der Reinertrag des Gewerbes nach denselben Grundsätzen ermittelt wird, wie die gewerblichen Rein- einkünfte des Unternehmers oder das Einkommen der das Gewerbe betreibenden Erwerbsgesellschaft, vielfach auch* zu einer abweichenden Beurteilung derselben Verhältnisse durch den für die Veranlagung der Reichseinkommensteuer oder Körperschaftssteuer zuständigen Ausschuss einerseits und das für die Veran- lagung der Gewerbesteuer zuständige Organ anderseits führen, wie sie keineswegs im Interesse der Steuerpflichtigen liegt. So könnte es vorkommen, dass bei der Reichseinkommensteuer oder der Körperschaftssteuer Abschreibungen oder Be- triebsausgaben anerkannt werden, die bei der Gewerbesteuer abgelehnt werden, oder umgekehrt. Solche Unstimmigkeiten werden nur dann vermieden, wenn die Veranlagung der Gewerbesteuer durch dieselben Stellen erfolgt, wie die Ver- anlagung der Reichseinkommensteuer und der Körperschaftssteuer. Die in den Finanzämtern und deren Ausschüssen sowie in den Finanzgerichten gegebene Einheit der Steuerverwaltung, die auch für die Steuerpflichtigen von besonderem Werte ist, möchte gerade für die Gewerbesteuer nicht ohne zwingende Gründe wieder durchbrochen und aufgehoben werden.

Gegenüber diesen Erwägungen müssen diejenigen, die für die Uebertragung der Gewerbesteuerverwaltung auf die Gemeinden sprechen, zurückstehen. Für die Uebertragung auf die Gemeinden kann im wesentlichen nur der eine Grund geltend gemacht werden, dass die Gemeinden infolge ihrer Beteiligung am Steuer- aufkommen an einer sorgfältigen Durchführung der Veranlagung besonders interessiert sind. Der weitere, hin und wieder vorgebrachte Grund, dass im Falle der Uebertragung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden eine schnellere Ver- anlagung und Erhebung der Steuer zu erwarten stehe, hält dem Einwände nicht stand, dass der Behördenapparat, auch wenn man ihn für die neue Grundsteuer bereits in Aussicht genommen hat, zum grossen Teile, insbesondere in den Mittel- behörden und den zweitinstanzlichen Rechtsmittelorganen, erst neu geschaffen werden muss und dass auch dann die Gemeinden die Veranlagung der Gewerbe- steuer - anders als die der Grundsteuer - infolge der Benötigung der Reichs- steuerunterlagen erst nach Ueberlassung dieser Unterlagen seitens der Finanz- ämter und mithin frühestens nach Abschluss der Reichseinkommensteuerver- anlagung vornehmen könnten. Es bleibt also lediglich der erstere Grund übrig,

Finanzarchiv. XXXX. Jahrg. 593 16

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242 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1928.

dem zwar eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann, der aber durch die wiederholte bestimmte Zusage der Präsidenten der beiden sächsischen Landesfinanzämter aufgewogen wird, eine ordnungsmässige Veranlagung und Verwaltung der Gewerbesteuer selbst unter den gegenwärtigen schwierigen Ver- hältnissen gewährleisten zu können.

Die Uebertragung der Verwaltung der Gewerbesteuer auf die Reichssteuer- behörden hat übrigens für Staat und Gemeinden auch den Vorteil der Billigkeit. Nach dem Weimaraner Uebereinkommen führt das Reich die von ihm über- nommene Verwaltung direkter und indirekter Landesabgaben vom 1. April 1920 ab vollständig kostenlos. Das Reich trägt insbesondere auch die den Gemeinden für eine etwaige Mitwirkung bei der Erhebung dieser Abgaben zu zahlenden Erhebungs- und sonstigen Gebühren.

In Berücksichtigung dieser Sachlage schlägt der Gesetzentwurf den Weg ein, mit der Veranlagung und Verwaltung der Gewerbesteuer die Reichssteuer- behörden zu betrauen. Die Regierung hat sich jedoch unter Zurückstellung ihrer grundsätzlichen Bedenken auf den dringenden Wunsch der Gemeinden immerhin die Möglichkeit offenhalten zu sollen geglaubt, im Einvernehmen mit dem Reichs- minister der Finanzen, dafern dieser seinen ablehnenden Standpunkt gegen eine teilweise Uebernahme der Verwaltung der Gewerbesteuer auf die Reichssteuer- behörden doch noch aufgeben sollte, die den Finanzämtern zufallenden Aufgaben den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zu übertragen (zu vgl. § 38 des Gesetzes). Diese Ermächtigung gibt dem Finanzministerium die Handhabe, nach Befinden - allerdings nur im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen - ein- zelnen Gemeinden und insbesondere den grösseren Gemeinden die Veranlagung und Verwaltung der Gewerbesteuer zu übertragen. Soweit das Finanzministerium von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, bewendet es bei der Veran- lagung und Verwaltung der Gewerbesteuer durch die Finanzämter.

Wird die Veranlagung und Verwaltung der· Gewerbesteuer grundsätzlich den Reichssteuerbehörden übertragen, so empfiehlt es sich, das Verfahren tun- lichst den Vorschriften der Reicheabgabenordnung zu unterwerfen. Hierfür spricht schon die Vorschrift in § 14 des Landessteuergesetzes, wonach die Länder darauf Bedacht nehmen sollen, die Bestimmungen über die Veranlagung und Erhebung der Landes- und Gemeindesteuern mit den Vorschriften der Reichs- abgabenordnung in Einklang zu bringen. Die Anwendung der einschlägigen Vor- schriften der Reichsabgabenordnung erscheint aber auch sachlich im Interesse sowohl der Steuerpflichtigen als auch der mit der Veranlagung der Gewerbe- steuer betrauten Behörden um der Einheitlichkeit willen wünschenswert.

D. Steuersatz und Steueraufkommen.

Bei der Festlegung des Steuersatzes für die Gewerbesteuer war auf der einen Seite darauf Bedacht zu nehmen, dass der Steuerbedarf des Staates und der Gemeinden hinreichend gedeckt wird. Anderseits war aber auch eine Ueber- spannung der Belastung des sächsischen Gewerbes zu vermeiden. Der Entwurf will beiden Rücksichten gerecht werden. Als Steuersatz für die Betriebsanlage ist V2 v· H. des Wertes des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals vorgesehen, während die Ertragsanlage grundsätzlich mit 2 ν. Η. des gewerblichen Reinertrags zuzüglich eines Zuschlags von 5 M. für jede im Gewerbebetriebe ständig beschäftigte gewerbliche Hilfsperson und eines weiteren Zuschlags von 5 ν. Η. des Mietwerts der gewerblichen Räume erhoben wird. Für Gewerbe mit einem abgabepflichtigen Ertrage von mehr als 50,000 M. ist eine Staffelung der Abgabe vom Reinertrage bis zu 5 v. H. für den Fall vorgesehen, dass der abgabepflichtige Reinertrag den einer Verzinsung von 20 ν. Η. des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals entsprechenden Betrag übersteigt.

In die Gewerbesteuern sollen sich Staat und Gemeinden teilen. Ausserdem ist den Gemeinden ein beschränktes Zuschlagsrecht (bis zu 25 ν. Η. der Steuer) nachgelassen worden. Massgebend für die Bewilligung dieses Zuschlagsrechts war die Erwägung, dass es im Interesse der Gemeinden liegt, wie bei der neuen

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923, 243

Grundsteuer, so auch hier einen kleinen beweglichen Faktor im Gemeindehaushalte zu behalten, den sie selbst nach Bedarf einstellen können, nachdem ihnen bei der Einkommensteuer diese Möglichkeit verloren gegangen ist. Das Zuschlags- recht konnte freilich nicht unbegrenzt bleiben. Allgemeine wirtschaftliche Gründe verboten es, den Gemeinden hier völlig freie Hand zu lassen. Wennschon der Staat gezwungen ist, mit den Sätzen der allgemeinen Gewerbesteuer so hoch zu gehen, wie es ohne eine allzu grosse Belastung des Gewerbes möglich ist, so konnte es nicht den einzelnen Gemeinden, die finanziell besonders ungünstig dastehen, nachgelassen werden, die in ihrem Bezirke betriebenen Gewerbe über ein Mass hinaus zu besteuern, das letzten Endes zur wirtschaftlichen Schädigung der All- gemeinheit führen muss. Ueberdies würde durch die Einräumung eines unbe- schränkten Zuschlagsrechts an die Gemeinden örtlichen Ungleichheiten wieder Tor und Tür geöffnet und dadurch die Gleichmäßigkeit der steuerlichen Belastung des Gewerbes, die insbesondere auch zur Vermeidung einer Abwanderung von Gewerben wünschenswert erschien, wesentlich beeinträchtigt werden. Die im vorliegenden Gesetzentwurf in Aussicht genommene Belastung des Gewerbes durch die Gewerbesteuer erscheint auch bei Berücksichtigung der sonstigen steuerlichen Inanspruchnahme des Gewerbes erträglich.

Wieviel das Aufkommen an Gewerbesteuer bei Anwendung der vorgesehenen Sätze betragen wird, lässt sich bei der Neuheit der Steuer für Sachsen und der Zugrundelegung zum Teil auch sonst bisher nicht verwerteter Besteuerungs- merkmale mit ziffermässiger Genauigkeit nicht angeben. Immerhin bieten die für die bisherige Staateeinkommensteuer und Ergänzungssteuer vorhandenen statistischen Uebersichten in Verbindung mit den statistischen Erhebungen auf Grund der Wehrbeitragsveranlagung einen gewissen Anhalt für die Schätzung des mutmasslichen Aufkommens an Gewerbesteuer namentlich der natür- lichen Personen. Für die selbständigen ErWerbegesellschaften freilich versagen die erwähnten Unterlagen aus dem Grunde, weü diese Erwerbsgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eingetragene Genossenschaften) zur Einkommensteuer lediglich mit den von ihnen verteilten Ueberschüssen steuerpflichtig waren ( § 4 Abs. 1 unter a des sächsischen Einkommensteuergesetzes vom 24. Juli 1900, G.V.B1. S. 561), während die ebenfalls einen Bestandteil ihres gewerblichen Reingewinns bildenden Rücklagen und sonstigen Gewinnverwen- dungen (zur Tilgung von Schulden oder zur Verbesserung oder Geschäftserwei- terung) unberücksichtigt blieben. Ebenso unvollständig sind die für die Zwecke der Veranlagung dieser Gesellschaften zur Ergänzungesteuer und zum Wehrbeitrage getroffenen Feststellungen, weil sich die Steuerpflicht der Erwerbsgesellschaften hier auf Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien beschränkte und auch bei diesen in der Kegel nur einen Teil des Anlage- und Betriebskapitals oder dieses nach Abzug des eingezahlten Aktienkapitals umfasste (§ 3 des Er- gänzungssteuergesetzes vom 2. Juli 1902, G.V.B1. S. 259, und § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Wehrbeitragsgesetzes vom 3. Juli 1913, R.G.B1. S. 505). Ueber die durch die erwähnten Statistiken nicht nachgewiesenen Teile des Reingewinns und des Aktivvermögens der ErWerbegesellschaften kann man indessen aus früheren statistischen Erhebungen des sächsischen Finanzministeriums, die allerdings bis in das Jahr 1907 zurückreichen, sowie aus den sonstigen in den Statistischen Jahrbüchern für das Königreich Sachsen und den Vierteljahrsheften zur Statistik des Deutschen Reichs gesammelten Erhebungen über die Zahl und das Grund- (Stamm-) Kapital der einzelnen Arten der selbständigen Erwerbsgesell- schaften und namentlich der in erster Linie in Frage kommenden Aktiengesell- schaften in Sachsen oder im Deutschen Reiche einen mehr oder weniger zuver- lässigen Aufschluss finden. Ueber die Zahl der gewerblichen Hilfspersonen liegen wenigstens für die in den Fabriken und diesen gleichgestellten Anlagen beschäf- tigten Arbeiter in Sachsen statistische Erhebungen vor, und den Mietwert der gewerblichen Räume wird man im Anhalt an das in den sächsischen Einkommen- steuerstatistiken nachgewiesene gesamte Einkommen aus Grundbesitz frei zu schätzen haben.

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244 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

Unter Verwertung der hiernach zu Gebote stehenden Unterlagen würde sich der Reinertrag der von den natürlichen Personen betriebenen Gewerbe ein- schliesslich der Landwirtschaft auf rund 1250 Mill. M. und der Reinertrag der von den selbständigen Erwerbsgesellschaften betriebenen Gewerbe auf rund 250 Mill. M. berechnen. Die Zahl der gewerblichen Hilfspersonen könnte unbe- denklich mit 1 Mill. M. und der Mietwert der gewerblichen Räume mit 150 Mill. M. angenommen werden, so dass das mutmassliche Aufkommen an Ertragsanlage unter gleichzeitiger Berücksichtigung der in § 13 Abs. 4 des Gesetzes vorgesehenen Staffelung etwa 37,5 Mill. M. (vom Reinertrage) + 5 Mill. M. (von der Zahl der gewerblichen Hilfspersonen) + 7,5 Mill. M. (vom Mietwerte der gewerblichen Räume) = insgesamt 50 Mill. M. betragen würde. Der Betriebsanlage können 400 Mill. M. Wert des Anlage- und Betriebskapitals in den Gewerbe- (Landwirt- schafts-) Betrieben der natürlichen Personen zuzüglich der bisher der Ergänzungs- steuer unterliegenden Vermögensteile der selbständigen Erwerbsgesellschaften sowie rund 200 Mill. M. Wert der bisher steuerlich nicht getroffenen Vermögens- teile dieser Gesellschaften, also rund 600 Mill. M. Gesamtwert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals zugrunde gelegt werden. Die hiervon zu entrichtende Betriebsanlage würde sich auf 30 Mill. M. beziffern. Das Gesamtaufkommen an Gewerbesteuer (ohne die Gemeindezuschläge) würde sonach mit 50 Mill. M. Er- tragsanlage + 30 Mill. M. Betriebsanlage = 80 Mill. M. angesetzt werden können. Hierbei sind allerdings die in den letzten beiden Jahren eingetretenen wesentlichen Verschiebungen im Ertrag und Vermögensbestand insbesondere der Erwerbs - gesellschaften (Aktiengesellschaften) noch nicht berücksichtigt.

Im einzelnen.

Zu § 2. Der Gewerbesteuer unterliegen die in Sachsen betriebenen stehenden

Gewerbe. Hinsichtlich der Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen bewendet es bei den bisherigen Vorschriften (vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile der Begründung unter A). Steuerpflichtig sind auch nur die in Sachsen betriebenen stehenden Gewerbe. Der aussersächsische Betrieb sächsischer Unter- nehmungen bleibt daher bei der Besteuerung der Unternehmungen in Sachsen ausser Betracht.

Während grundsätzlich das Bestehen einer Betriebsstätte für das Gewerbe nicht Voraussetzung seiner Besteuerung ist, war eine Ausnahme hiervon zugunsten der aussersächsischen Unternehmungen mit Rücksicht auf die Bestimmung in § 10 des Landessteuergesetzes geboten. Hiernach dürfen Steuern vom Gewerbe- betriebe nur in dem Lande erhoben werden, in dessen Gebiet eine Betriebs- stätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. Gewerbe- betriebe aussersächsischer Unternehmungen können daher nur dann in Sachsen zur Gewerbesteuer herangezogen werden, wenn sich hier eine Betriebsstätte im Sinne von § 10 Abs. 2 des Landessteuergesetzes befindet. Solchenfalls sind sie in Ansehung des in Sachsen ausgeübten Gewerbebetriebes der Gewerbesteuer unterworfen (zu vgl. auch § 10 Abs. 3 des Landessteuergesetzes). Bei der Heran- ziehung des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals zur Gewerbesteuer werden daher die dem Betrieb ausserhalb Sachsens ausschliesslich gewidmeten Bestand- teile sowie ein entsprechender Anteil an den in keiner besonderen Beziehung zu den einzelnen Betriebsstätten stehenden, dem gesamten Unternehmen dienenden Bestandteilen des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals auszuscheiden sein. In gleicher Weise werden die ausschliesslich aus dem Betrieb ausserhalb Sachsens herrührenden Schulden sowie ein entsprechender Anteil an den in keiner be- sonderen Beziehung zu den einzelnen Betriebsstätten stehenden Betriebsschulden ausser Betracht zu lassen sein, soweit sich nicht aus § 9 Abs. 3 des Gesetzes noch weitere Beschränkungen ergeben. Der*in Sachsen steuerpflichtige Ertrag wird in Ermangelung genauer ziffermässiger Unterlagen nach einem bestimmten Ver- teilungsschlüssel (Gesamtrohertrag zum sächsischen Rohertrag oder Gesamt-

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Page 23: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 245

betrag der Gehälter und Löhne zu den in Sachsen gezahlten Gehältern und Löhnen) zu ermitteln sein. Die näheren Bestimmungen über die Ermittlung der für den sächsischen Betrieb massgebenden Besteuerungsmerkmale werden in der Aus- führungsverordnung zum vorliegenden Gesetze getroffen werden.

Zu § 3. Das Gewerbesteuergesetz will jede fortgesetzt auf Gewinnerzielung gerichtete

selbständige Tätigkeit zum Gegenstande der Besteuerung machen. Hierbei ist das Erfordernis der Fortsetzungsabsicht schon bei einer einmaligen Erwerbs- handlung gegeben, dafern noch weitere derartige Handlungen beabsichtigt sind. Diese Begriffsbestimmung wie auch die Bejahung des Gewerbebetriebes trotz zeitweiliger Unterbrechung der Erwerbstätigkeit knüpft an den allgemeinen, durch Wissenschaft und Kechtsprechung entwickelten und auch in der Reichsgewerbe- ordnung anerkannten Gewerbebegriff an. Sie ermöglicht insbesondere auch, die Tätigkeit von Schiebern und sonstigen Personen, die ihre Erwerbsabsicht in der Form einzelner, zeitlich auseinanderliegender Geschäfte betätigen, dem Gewerbe- steuergesetze zu unterwerfen.

Zu § 4. Eine weitere Ausdehnung erfährt der steuerliche Gewerbebegriff dadurch»

dass als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes eine Reihe von Erwerbsarten gelten soll, die nicht zu den Gewerben im Sinne der Reichsgewerbe- ordnung (zu vgl. § 6) gehören. Entgegen der Begriffsbestimmung im Sinne der Reichsgewerbeordnung sollen nämlich zu den steuerpflichtigen Gewerben zählen der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft einschliesslich der Jagd und Fischerei und ähnliche auf die Gewinnung und Verwertung von Bodenerzeugnissen ge- richtete Tätigkeiten, wie der Obst-, Wein- und Gartenbau, der Bergbau, ferner die (selbständige) Berufstätigkeit der Aerzte, Rechtsanwälte, Architekten und die Ausübung sonstiger freier Berufe. Als Gewerbebetrieb soll überhaupt jede fortgesetzt auf Gewinnerzielung gerichtete selbständige wissenschaftliche, künst- lerische, schriftstellerische, unterrichtende und erziehende Tätigkeit gelten.

Für die Einbeziehung der Land- und Forstwirtschaft wie auch der freien Berufe in den Kreis der steuerpflichtigen Gewerbe waren für die Regierung fol- gende Erwägungen massgebend. Wenn alle Gewerbe im Sinne der Reichsgewerbe- ordnung der Gewerbesteuer unterliegen, erschien es ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber diesen Gewerben, auch die Urerzeugung und die freien Berufe von der Gewerbesteuer nicht freizulassen. Was zunächst die Land- und Forstwirt- schaft anlangt, so steht fest, dass gerade sie in den letzten Jahren gute wirtschaft- liche Erfolge erzielt hat und daher mindestens in gleichem Masse fähig ist, die Gewerbesteuer zu tragen, wie die eigentlichen Gewerbe. Der Einwand, dass sich dadurch die für den Bedarf der Gesamtheit unentbehrlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse fühlbar verteuern müssten, widerlegt sich ohne weiteres schon dadurch, dass bei der verhältnismässigen Geringfügigkeit der Gewerbesteuer auf die Mengen des täglichen Bedarfs nur verschwindende Bruchteile von Pfennigen entfallen können. Ueberdies würde der Einwand, dass durch die Gewerbesteuer eine Ver- teuerung der Lebenshaltung eintreten werde, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern gleichermassen für zahlreiche andere Erwerbsarten zutreffen. Wollte man diesen Einwand als stichhaltig anerkennen, so würde man von der Einführung einer Gewerbesteuer überhaupt absehen müssen.

Unterwirft man die Landwirtschaft der Gewerbesteuer, so kann man auch vor den freien Berufen nicht haltmachen. Ihnen ist mit den eigentlichen Gewerben und der Landwirtschaft gemeinsam, dass sie nicht, wie die Arbeiter, Angestellten und Beamten, auf feste Bezüge angewiesen sind, sondern dass der wirtschaftliche Erfolg zum Vorteil oder Nachteile des Unternehmers steht. Es würde nicht zu rechtfertigen sein, wenn man die freien Berufe von der Gewerbesteuer freilassen wollte, während man jedem kleinen Gewerbetreibenden die Steuer auferlegt. Allerdings sind die freien Berufe vielfach, wie Rechtsanwälte, Notare, Land-

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Page 24: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

246 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1985.

messer, Aerzte, an bestimmte Taxen gebunden, so dass sie insoweit das Entgelt für ihre Tätigkeit nicht unbeschränkt erhöhen können. Abgesehen indessen davon, dass die Konkurrenz auch den eigentlichen Gewerben und der Landwirt- schaft eine unbegrenzte Steigerung der Preise für ihre Erzeugnisse verbietet, lassen selbst solche .Taxen den betreffenden freien Berufen noch hinreichenden Spielraum.

Zu den gewerblichen Unternehmungen im Sinne des vorliegenden Entwurfs gehören schliesslich auch die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Reichs- gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, in der Fassung des Gesetzes vom 17. Mai 1898, R.G.B1. S. 810), sowie die Ver- sicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, vorausgesetzt, dass ihr Geschäftsbetrieb sich nicht lediglich auf den Kreis der Mitglieder beschränkt. Diese Regelung entspricht im wesentlichen derjenigen, die in § 4 Abs. 1 des Körperschaftssteuer- gesetzes vom 30. März 1920 (R.G.B1. S. 393) hinsichtlich der Heranziehung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit wegen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zur Körperschaftssteuer getroffen worden ist. Die Gründe, die zur Freilassung dieser Einkünfte bei den genannten Personvereinigungen von der Körperschaftssteuer geführt haben, rechtfertigen auch die Freilassung von der Gewerbesteuer, wenn der Geschäfts- betrieb sich lediglich auf den Kreis der Mitglieder beschränkt. Ob diese letztere Voraussetzung im einzelnen Falle zutrifft, ist reine Tatfrage.

Indem das Gesetz den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Gewerbe- steuer unterwirft, obwohl er mit Rücksicht auf den überwiegenden Charakter als Eigenproduktion nach volkswirtschaftlicher Auffassung nicht als Gewerbe- betrieb gilt, lässt es die Steuerpflicht unabhängig davon bestehen, ob und inwie- weit die Erzeugnisse durch Verbrauch im eigenen Haushalte des Steuerpflichtigen oder durch Absatz an Dritte verwendet werden.

Für den Begriff des Bergbaubetriebes ist es ohne Belang, ob die Erzeugnisse auf Grund einer Bergbauberechtigung oder des Eigentums am Grund und Boden gewonnen werden.

Zu § 5. Die Befreiung des Reichs von der Gewerbesteuer beruht auf § 2 des Reichs-

besteuerungsgesetzes vom 15. April 1911 (R.G.B1. S. 187), wonach das Reich Freiheit geniesst von allen zur Erhebung gelangenden Staatssteuern. Die Reichs- bank und ihre Zweiganstalten waren nach §21 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 (R.G.B1. S. 177) steuerfrei zu lassen.

Dagegen würde die Besteuerung des sächsischen Staates und der sächsischen Gemeinden wegen der von ihnen betriebenen Gewerbe an und für sich zulässig sein. Allerdings wäre der Staat solchenfalls für den auf ihn entfallenden Steuer- anteil Gläubiger und Schuldner der Steuer in einer Person gewesen, und das Be- steuerungsrecht hätte lediglich für den Anteil und die Zuschläge der Gemeinden (zu vgl. §§ 14, 16 des Gesetzes) praktische Bedeutung gewonnen. Die Gemeinden wiederum wären wegen ihres Anteils und ihrer Zuschläge insoweit Gläubiger und Schuldner in einer Person gewesen, als sie innerhalb ihres eigenen Gebietes Ge- werbebetriebe unterhalten. Wohl aber würde die Besteuerung des von einer Gemeinde innerhalb des Gebiets einer andern Gemeinde betriebenen Gewerbes durch die Betriebsgemeinde grundsätzlich nicht ungerechtfertigt erscheinen. Die Gründe, die für die Steuerpfücht der Staats- und Gemeindebetriebe insbesondere von den Vertretern des Handels und Gewerbes geltend gemacht worden sind, liegen freilich auf einem ganz andern Gebiet und laufen darauf hinaus, dass die Freilassung der von den öffentlich-rechtlichen Körperschaften in eigene Ver- waltung übernommenen Betriebe von der Gewerbesteuer die Wirtschaftlichkeit dieser Betriebe besonders günstig erscheinen lassen und dazu beitragen würde, immer mehr Betriebe der Gemeinwirtschaft zuzuführen. Diesen Gründen konnte jedoch für die Regelung der Steuerfrage eine ausschlaggebende Bedeutung nicht beigelegt werden. Vom steuerlichen Standpunkte begegnet die Einbeziehung der Staats- und Gemeindebetriebe in den Kreis der steuerpflichtigen Betriebe

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 247

zunächst deshalb erheblichen Bedenken, weil sich die Veranlagung dieser Betriebe auserordentlich schwierig gestalten würde und insbesondere die Auseinander- setzung zwischen den verschiedenen beteiligten Gemeinden unter Umständen kaum durchführbar wäre. Man braucht nur an den Betrieb einer elektrischen Strassenbahn oder an den Betrieb eines Elektrizitäts- oder Gaswerks zu denken, der sich über eine ganze Reihe von Gemeinden erstreckt. Hierzu kommt, dass allgemein in der Steuergesetzgebung das Bestreben dahin geht, das gegenseitige Besteuerungsrecht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften auszuschliessen, so dass sich Reich, Länder und Gemeinden (Gemeinde verbände) gegenseitig nicht mehr besteuern sollen. Dieser Grundsatz ist bereits im Körperschaftssteuergesetze (zu vgl. § 2 Nr. 1) durchgeführt und hat auch im Entwürfe des neuen sächsischen Grundsteuergesetzes Ausdruck gefunden.

Diese Erwägungen haben dazu geführt, die Gewerbebetriebe des sächsischen Staates und der sächsischen Gemeinden (Gemeinde verbände) ebenso wie die des Reichs von der Gewerbesteuer freizulassen. Dabei sind den eigenen Unternehmun- gen des Reichs, des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände die aus- schliesslich für deren Rechnung betriebenen Unternehmungen gleichgestellt worden. Hier ist insbesondere an die Sächsische Staatsbank, an die Altersrenten- bank und ähnliche Einrichtungen, auf seiten der Gemeinden an den Giroverband sächsischer Gemeinden zu denken. Aus dem Erfordernisse der „Ausschliesslich- keit" erhellt, dass die in der Form selbständiger juristischer Personen des Privat- rechts betriebenen Unternehmungen ungeachtet der Mitbeteiligung des Staates, einzelner Gemeinden oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften (gemischt- wirtschaftliche Unternehmungen) der Gewerbesteuer unbeschränkt unterliegen.

Zu § 6.

Gegenstand der Besteuerung ist nach § 1 des Gesetzes der Gewerbebetrieb. Die subjektive Steuerpflicht ist nur die Folge der Notwendigkeit einer Vertretung des steuerpflichtigen Betriebes. Diese Vertretung kommt dem Unternehmer als demjenigen zu, auf dessen Rechnung das Gewerbe während des Bestehens der Steuerpflicht betrieben wird. Als Unternehmer soll auch der Gewerbepächter gelten. Ob der Unternehmer eine natürliche oder juristische Person ist, bildet für die Steuerpflicht keinen Unterschied.

Bei juristischen Personen und den als solchen steuerpflichtigen Personen- Vereinigungen trifft die Steuerpflicht die juristische Person oder die Personen- vereinigung, nicht deren gesetzliche Vertreter oder Vorstände (Geschäftsführer). Letztere sind aber für die Erfüllung der Steuerpflicht verantwortlich (vgl. §§84 und 86 der Reichsabgabenordnung in Verbindung mit § 18 Abs. 1 des Gesetzes).

Die in § 6 Abs. 3 bestimmte Haftung von Nachfolgern im Gewerbe für die laufende und die festgesetzte, aber noch nicht entrichtete Gewerbesteuer ihrer Vorgänger entspricht ebenso der Eigenschaft der Gewerbesteuer als einer Objekt- steuer wie auch dem Grundsatz in § 96 der Reichsabgabenordnung. Die Haftung besteht in gleicher Weise für die auf Grund der allgemeinen Veranlagung (§ 27 des Gesetzes) wie für die auf Grund einer Nach- oder Neu Veranlagung (§§ 29, 30 des Gesetzes) zu entrichtende Gewerbesteuer. Unter der laufenden Steuer ist die vor dem Erwerbe des Unternehmens durch den Nachfolger bereits ent- standene, aber noch nicht festgesetzte Steuerschuld zu verstehen, soweit sie auf den zur Zeit der Uebernahme massgebenden Steuerabschnitt entfällt (vgl. § 32 Abs. 1 des Gesetzes). Da die Steuerschuld mit der Verwirklichung des Tatbestandes entsteht, an den das Gesetz die Steuer knüpft (§81 der Reichsabgabenordnung in Verbindung mit § 18 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes), gehört die erst nach der Uebernahme festgesetzte Nachsteuerschuld (§§ 29, 30 des Gesetzes), soweit sie auf den zur Zeit der Uebernahme massgebenden Steuerabschnitt entfällt, ebenfalls zu den laufenden Steuern im obigen Sinne. Ausser für die laufende Steuer haftet der Nachfolger für die festgesetzte, aber noch nicht entrichtete Gewerbesteuer seiner Vorgänger. Die Steuer (Nachsteuer) muss also insoweit zur Zeit der Uebernahme des Unternehmens durch den Nachfolger

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bereits festgesetzt sein. Dass sie bereits fällig gewesen wäre, wird nicht vorausgesetzt. Soweit die Steuer im Zeitpunkte der Uebernahme festgesetzt war, kommt es nicht darauf an, auf welchen Zeitraum sie sich erstreckt; der Nachfolger haftet also solchenfalls auch für die infolge zu niedriger Veranlagung des Gewerbes auf fünf bzw. zehn Jahre nachgeforderte Gewerbesteuer. Durch diese Haftung des Nachfolgers sollen für den Staat Verluste an Steuer möglichst vermieden werden. Für den Nachfolger im Gewerbe aber kann eine Unbilligkeit in der Haftung deshalb nicht erblickt werden, weil er es in der Hand hat, sich bei dem Erwerbe des Unternehmens darüber zu vergewissern, ob Steuerbeträge für die frühere Zeit noch unentrichtet sind.

Die Haftung des Nachfolgers im Gewerbe für Steuern aus der Zeit seiner Vorgänger tritt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 dann nicht ein, wenn der Erwerb mit einer wesentlichen Aenderung des Gewerbebetriebes im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes verbunden ist. Da solchenfalls das alte Gewerbe als weggefallen anzusehen ist, kann eine Haftung des Nachfolgers für die das alte Gewerbe be- treffenden Steuern nicht in Frage kommen.

Durch die Haftung des Nachfolgers wegen der Gewerbesteuer seiner Vor- ganger wird die Haftung der letzteren für die zur Zeit ihrer Inhaberschaft ent- standenen Steuer- und Nachsteuerschulden sowie für diejenigen Steuerbeträge, für die sie nach § 6 Abs. 3 als frühere Nachfolger im Gewerbe haftbar geworden sind, nicht berührt. Der Nachfolger tritt als weiterer Steuerschuldner hinzu und haftet mit den Vorgängern als Gesamtschuldner (§ 421 des Bürgerlichen Gesetz- buchs).

Auch soweit eine Haftung des Nachfolgers für das Gewerbe nach § 6 Abs. 3 des Gesetzes nicht begründet ist, kann eine persönliche Haftung des Nach- folgers für Gewerbesteuern seines Vorgängers nach § 97 Abs. 1 und 2 der Reichs- abgabenordnung in Verbindung mit § 18 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzes in Frage kommen. Erkennt nämlich der Nachfolger, dass der Vorgänger seine steuerlichen Verpflichtungen in Ansehung des Gewerbes verletzt hat, und zeigt er dies gleichwohl dem Finanzamte binnen Monatsfrist nicht an, so haftet er nach der angezogenen Bestimmung der Reichsabgabenordnung persönlich für die vor- enthaltenen Gewerbesteuerbeträge seines Vorgängers. Diese persönliche Haftung des Nachfolgers wird, da sie sich nicht auf die Nachfolge im Gewerbe, sondern lediglich auf die schuldhafte Unterlassung der Anzeige gründet, weder dadurch, dass die nachzuentrichtende Steuer erst festgesetzt werden muss, noch durch eine wesentliche Veränderung des Gewerbebetriebes beim Nachfolger ausge- schlossen.

Zu § 7. Der Natur der Gewerbesteuer als einer auf das Objekt gelegten Steuer

entspricht es, das Gewerbe als einheitliches Ganzes zu veranlagen, auch wenn es von mehreren Unternehmern (offene Handelsgesellschaft, Kom- manditgesellschaft, Verein) betrieben wird. Hierin zeigt sich der Unterschied von der Einkommensteuer, zu der die einzelnen Unternehmer mit ihren Anteilen am Gesamtertrage steuerpflichtig sind. Die gesamtschuldnerische Haftung der mehreren Unternehmer des gleichen Gewerbebetriebes entspricht dem Grund- gedanken der Objektsteuer und dient der Vereinfachung in der Einhebung und Beitreibung der Steuer.

Dass das von einer Person an mehreren Betriebsstätten betriebene einheit- liche Gewerbe auch einheitlich zu veranlagen ist, folgt ohne weiteres aus der Ein- heitlichkeit des Gewerbes; die Besteuerungsmerkmale müssen solchenfalls nach Massgabe des Gesamtbetriebes ermittelt werden. Umgekehrt sind verschiedene selbständige Gewerbe, auch wenn sie von demselben Unternehmer betrieben werden, getrennt zu veranlagen.

Zu § 8.

Wegen der Erwägungen, die zur Veranlagung nach dem doppelten Mass* ßtabe des gewerblichen Anlage- und Betriebekapitals und. der Ertragsfähigkeit

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mit einer Betriebsanlage und einer Ertragsanlage geführt haben, wird auf die allgemeinen Bemerkungen unter Β verwiesen.

Zu § 9.

Die Bestandteile des Betriebsvermögens, die bereits von der Grundsteuer getroffen sind, sollen bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Anlage- und Betriebs- kapitals zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen grundsätzlich ausgeschieden werden. Im übrigen umfasst das letztere sämtliche dem Gewerbebetriebe ge- widmete Sachen und Rechte. Zum gewerblichen Anlage- und Betriebskapitale gehört hiernach das gesamte zur Erzielung des gewerblichen Ertrags tatsächlich verwendete oder doch bestimmte Vermögen, also sowohl das sogenannte stehende Betriebskapital (Anlagekapital) als auch das umlaufende Betriebskapital (Be- triebskapital im engeren Sinne). Es umfasst auch die zum Betriebe gemieteten oder gepachteten Sachen oder Rechte und die hierzu geliehenen Kapitalien. Für die Zugehörigkeit von Gegenständen zum Betriebsvermögen ist ihre tatsächliche Beziehung zum Gewerbebetrieb entscheidend, wobei es ohne Belang ist, ob sie unmittelbar oder mittelbar, wie ζ. Β. vom Unternehmer geleistete Kautionen, dem Betriebe gewidmet sind.

Die Aufzählung der einzelnen Bestandteile des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals im zweiten Absatze will nicht erschöpfend sein. In der Regel wird es sich um körperliche Gegenstände (Sachen) und um Forderungen handeln. Immaterielle Werte, wie das Recht zur Führung einer Firma, das Recht auf ein Warenzeichen, polizeiliche Konzessionen und Approbationen, Kundschaft, guter Ruf des Geschäfts, Praxis eines Rechtsanwalts oder eines Arztes, sind als solche der Gewerbesteuer nicht unterworfen. Wird aber bei dem entgeltlichen Erwerb eines Gewerbes ein Preis bezahlt, der höher ist als der bisherige Buchwert, und bucht der Erwerber den Mehrbetrag auf einem besonderen Konto (Firmenkonto, Verlagskonto bei einem Zeitungsunternehmen), so ist hieraus zu entnehmen, dass der gemeine Wert des Anlage- und Betriebskapitals beim Erwerbe des Gewerbes um den Mehrbetrag höher war als der Buchwert.

Das Gewerbesteuergesetz lehnt sich bei der Ermittlung des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals an die bisherige sächsische Ergänzungssteuer und an die bisherigen Reichsvermögenssteuern, insbesondere den Wehrbeitrag und die allerdings nur für natürliche Personen in Frage kommende Besitzsteuer, an. Die Ermittlung dessen, was zum gewerblichen Anlage- und Betriebskapitale gehört, wird daher der Praxis keine Schwierigkeiten bereiten.

Die Verwendung des Betriebsvermögens zum Veranlagungsmassstabe für die Gewerbesteuer und der dieser im Landessteuergesetze beigelegte Charakter machen es notwendig, einen Schuldenabzug an dem Gesamtwerte des Betriebs- vermögens nur in beschränktem Umfange zuzulassen. Die Schulden müssen, sollen sie abzugsfähig sein, unmittelbar aus dem laufenden Geschäftsbetriebe herrühren. Nicht abziehbar sind zunächst die mit dem Gewerbebetrieb überhaupt nicht zusammenhängenden (persönlichen) Schulden des Geschäftsinhabers, ferner Kapitalschulden, die aus der Gründung, Erwerbung oder Erweiterung des Be- triebes herrühren, und Bilanzpassivposten, die reine Reserven oder Rückstellungen für künftige Ausgaben sind. Auch das Grundkapital einer Aktiengesellschaft ist hiernach nicht abzugsfähig.

Unter den abzugsfähigen Schulden sind besonders aufgeführt die Pfand- briefschulden der Pfandbriefanstalten und die solchen Pfandbriefschulden gleich- stehenden Verbindlichkeiten der Darlehnskassen und Kreditinstitute. Hierzu gehören die Verpflichtungen aus umlaufenden Noten der Notenbanken. Ab- ziehbar sind ferner die Prämienreserven der Versicherungsanstalten. Diese Prämienreserven stellen sich, soweit sie in der hierfür erforderlichen Höhe be- messen sind, als Rücklagen aus den gezahlten Prämien zu dem Zwecke dar, die gegen die Leistung der Prämien übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Freistellung des Grundvermögens von der Gewerbesteuer beruht, wie bereits bemerkt wurde, auf der Erwägung, dass eine doppelte Belastung dieses

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Vermögens unbillig erscheinen würde. Wäre eine solche doppelte Belastung für den Fabrikbesitzer vielleicht noch erträglich, so wäre sie jedenfalls für den Land- wirt, für dessen Gewerbebetrieb der landwirtschaftlich benutzte Grund und Boden eine ganz andere Rolle spielt als das Fabrikgrundstück für den Fabrik- betrieb, geradezu unerträglich.

Zu § 10. Als Stichtag für den Stand und Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebs-

kapitals ist der 31. Dezember jedes Jahres angenommen worden. Das hat den Vorteil, dass für die Jahre, in denen eine Veranlagung zur Besitzsteuer stattfindet, bei den zur Besitzsteuer steuerpflichtigen Personen das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital in unmittelbarem Anschluss an die Besitzsteuerveranlagung er- mittelt werden kann. Hat der Steuerpflichtige für seinen Betrieb ein vom Kalender- jahr abweichendes Wirtschafts- (Betriebs-) Jahr angenommen, so kann an Stelle des 31. Dezember der Stand am Schlüsse des letzten vor der Veranlagung liegenden Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs zugrunde gelegt werden. Diese Möglichkeit offen zu lassen, erschien insbesondere im Interesse der Landwirtschaft, bei der das Wirtschaftsjahr in der Regel am 31. Juli schliesst, wie auch im Interesse zahl- reicher Kaufleute geboten. Ihnen kann nicht zugemutet werden, lediglich für steuerliche Zwecke ihr Betriebsvermögen für einen nicht mit dem Schlüsse ihres Wirtschaftsjahrs zusammenfallenden Zeitpunkt besonders zu ermitteln. Werden für das Gewerbe Handelsbücher nach Vorschrift des Handelsgesetzbuchs geführt, so sind die Inventur- und Bilanzergebnisse im Hinblick auf das der kaufmännischen Buchführung innewohnende grössere Mass von Beweiskraft grundsätzlich anzu- erkennen. Hierbei wird allerdings verausgesetzt, dass die durch die Bilanz aus- gewiesenen Bestandteile des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals den- jenigen Wert des Unternehmens wiedergeben, wie er sich nach den hierfür mass- gebenden allgemeinen Bewertungsgrundsätzen berechnet. Ist das nicht der Fall, so können die Bilanzergebnisse nicht zugrunde gelegt werden. Solchenfalls sind sie vielmehr entsprechend den allgemeinen Bewertungsvorschriften richtigzu- stellen. In jedem Falle sind die nach § 9 Abs. 3 des Gesetzes nicht abzugsfähigen Schulden auszuscheiden.

Für Gewerbe, die erst nach dem 31. Dezember entstanden sind oder für die zur Zeit der Veranlagung der Schluss eines Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs noch nicht vorliegt, ist der Stand und Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebs- kapitals im Zeitpunkte der Veranlagung auf Grund der vorhandenen Unterlagen zu ermitteln. Soweit Unterlagen nicht vorhanden sind oder auf Anfordern vom Steuerpflichtigen nicht vorgelegt werden, ist der Stand und Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals schätzungsweise zu veranschlagen.

Die Berechnung und Schätzung de3 gewerblichen Anlage- und Betriebs- kapitals soll unter Anwendung der Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die Wertermittlung erfolgen (§§ 137 ff.). Hiernach ist grundsätzlich vom ge- meinen Werte auszugehen, wobei das Anlage- und Betriebskapital als wirt- schaftliche Einheit zu bewerten und sein Wert demzufolge im ganzen festzu- stellen ist (§ 137). Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehre nach der Beschaffenheit des Gegenstandes unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Ver- äusserung zu erzielen wäre (§ 138). Gerade zugunsten der gewerblichen Unter- nehmen besteht aber eine wichtige Ausnahme von der Zugrundelegung des ge- meinen Wertes insofern, als für die Bewertung der dauernd dem Betriebe gewidmeten Gegenstände der Anschaffungs- oder Herstellungspreis abzüglich angemessener Abnutzung massgebend ist unter Zulassung des Ansatzes eines niedrigeren Wertes, wenn er dem wirklichen (gemeinen) Werte zur Zeit der Bilanz- aufstellung entspricht (§139 Abs. 2). Der Unternehmer braucht also für die in Frage kommenden Gegenstände höchstens den um eine angemessene Abschreibung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungspreis einzustellen ohne Rücksicht auf den wirklichen (gemeinen) Wert der Gegenstände zur Zeit der Bilanzaufstellung. Ist dieser aber niedriger als der dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis ent«

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 251

sprechende buchmäßige Wert, so kann er statt des letzteren den gemeinen Wert in Ansatz bringen. Die Vorschriften in § 142 Abs. 1 und 2 sind nicht mit angeführt worden, weil die daselbst behandelte Festsetzung besonderer Steuerkurse und Steuerwerte der Wertpapiere für das Gebiet der Gewerbesteuer ohne Bedeutung ist. Weggelassen sind ferner die besonderen Vorschriften der Reichsabgaben- ordnung über die Bewertung von Grundstücken (§§ 152 ff.), da letztere nach | 9 Abs. 1 des Gesetzes als von der Grundsteuer betroffene Bestandteile aus dem gewerblichen Anlage- und Betriebskapital auszuscheiden sind (wegen der Be- sonderheit im Falle des § 13 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes wird auf die Bemerkungen zu § 13 verwiesen).

Zu § 11. Von den für die Ertragsanlage massgebenden drei Merkmalen ist das wich-

tigste Merkmal der Ertrag. Der der Besteuerung zugrunde zu legende Ertrag < Reinertrag) wird gefunden durch Abzug

1. der Betriebskosten, d. h. der zur Erzielung des Gewinnes gemachten Aufwendungen, und

2. der Abschreibungen von der gesamten Betriebseinnahme (Roheinnahme).

Zur Roheinnahme gehören insbesondere der erzielte Preis für alle gegen Barzahlung oder auf Kredit verkauften Erzeugnisse und Waren, die für geschäftliche oder gewerbliche Leistungen jeder Art bedungenen oder gewährten Vergütungen, Zinsen und sonstigen Gegenleistungen, der Geldwert der zum Gebrauch oder Verbrauche des Steuerpflichtigen, seiner Angehörigen und der nicht zum Gewerbebetriebe gehaltenen Dienstboten und sonstigen Hausgenossen aus dem Betrieb entnommenen Erzeugnisse und Waren.

Als Betriebskosten sind insbesondere abzugsfähig die Kosten der Unterhaltung der dem Betriebe dienenden Grundstücke, Gebäude und baulichen Anlagen sowie die Kosten der Erhaltung des vorhandenen lebenden und toten Betriebsinventars, die Kosten der Versicherung dieser Gegenstände sowie der Warenvorräte gegen Brand und sonstigen Schaden, der Pacht- und Mietzins für die zum Geschäftsbetriebe gepachteten und gemieteten Grundstücke, Gebäude, Räumlichkeiten und sonstigen Gegenstände, die Ausgaben für die im Betrieb erforderliche Heizung und Beleuchtung. Zu den Betriebskosten gehören ferner die Anschaffungskosten für die eingekauften Rohstoffe, Hilfsstoffe und Waren sowie die sonst im Betrieb erforderlichen Materialien, die Zinsen für die laufenden Geschäftsschulden, die Löhnung der für den Gewerbebetrieb angenommenen Arbeiter und Angestellten einschliesslich des Geldwerts der etwa gewährten Be- köstigung und sonstigen Naturalleistungen, die vom Unternehmer gesetz- oder vertragsmässig für das Betriebspersonal zu entrichtenden Kassen- und Ver- sicherungsbeiträge.

Von der Roheinnahme dürfen ferner in Abzug gebracht werden diejenigen Abschreibungen, die einer angemessenen Berücksichtigung der Wert- verminderung der^dem Gewerbebetriebe gewidmeten Gegenstände und Rechte entsprechen, insbesondere für die Abnutzung von Gebäuden, Maschinen, Betriebs- gerätschaften, für Substanzverminderungen, für unsichere Forderungen u. dgl.

Nicht abgezogen werden dürfen die Zinsen für das Anlage- und Betriebskapital, weil diese Zinsen im steuerlichen Sinne einen Teil des gewerb- lichen Ertrags darstellen. Ausgaben - Schulden wie Schuldenzinsen - , die für den Erwerb oder die Erweiterung des Geschäfts, für Verstärkung des Betriebs- kapitals oder für sonstige Verbesserungen des Betriebes aufgewendet werden, gehören um deswillen nicht zu den abzugsfähigen Betriebskosten, weil keine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht, diese Ausgaben aus den Roheinnahmen zu bestreiten. Ausgaben für den Unterhalt des Gewerbetreibenden und seiner Aligehörigen dürfen nicht abgesetzt werden, weil sie mit dem Betrieb überhaupt nicht in ursächlichem Zusammenhange stehen.

Eine besondere Bestimmung (Abs. 3 Satz 1) regelt die Behandlung der von den selbständigen Erwerbsgesellschaften den Mitgliedern des Aufsichtsrats ge-

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währten Vergütungen (Tantiemen), soweit diese von der Höhe des Reingewinns und von dessen Feststellung durch die Generalversammlung oder Gesellschafter- versammlung abhängig sind. Sie löst die viel umstrittene Frage, ob solche Tantiemen zu den Betriebskosten gehören, für das Gewerbesteuergesetz im Sinne der bis- herigen Rechtsprechung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts und in An- lehnung an die Bestimmungen in § 22 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über eine ausser- ordentßche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1918 vom 26. Juli 1918 (R.G.BL S. 964) dahin, dass diese Vergütungen nicht zu den Betriebskosten gehören und demzufolge vom Ertrage der Gesellschaft nicht abgesetzt werden dürfen. Anteile am Jahresgewinne hingegen, auf die die Vorstandsmitglieder, Geschäfts- führer oder sonstigen Beamten und Angestellten der Gesellschaft einen Rechts- anspruch haben, sind als abzugsfähige Betriebskosten anzusehen. Eine Ein- schränkung gilt nach Abs. 3 Satz 2 für die bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung den geschäftsführenden Gesellschaftern gewährten Entschädigungen. Die bei der bisherigen Besteuerung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung und namentlich der hier besonders häufigen Familiengründungen gemachten Erfahrungen legten es nahe, eine Schranke für die unter dem Gesichtspunkte der Betriebskosten abzugsfähigen Entschädigungen an die geschäftsführenden Gesellschafter zu setzen. Diese Schranke besteht in doppelter Beziehung. Zu- nächst müssen die den Geschäftsführern gewährten Vergütungen als Entgelt für die auf Grund eines mit der Gesellschaft geschlossenen Dienstvertrags ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer gewährt werden, wobei jedoch die Annahme eines Dienstverhältnisses nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, dass die Bestellung als Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrage selbst erfolgt ist. Entspricht diese Regelung der Bestimmung in § 22 Abs. 3 des bereits erwähnten Gesetzes vom 26. Juli 1918, so geht die weitere Einschränkung noch darüber hinaus, dass das auf Grund des Dienst Vertrags gewährte Entgelt insgesamt 10 ν. Η. des nach Abzug der sonstigen Betriebskosten und der Abschreibungen verbleibenden Ertrags, höchstens aber 50,000 M. für den einzelnen Gesellschafter, nicht über- steigen darf. Ohne diese Einschränkungen hätte es die Gesellschaft in der Hand, den von ihr erzielten Gewinn ganz oder teilweise in der Form irgendwelcher Ent- schädigungen an den oder die Geschäftsführer-Teilhaber auszuschütten und auf diese Weise der Besteuerung zu entziehen.

Als weitere Merkmale der Ertragsfähigkeit stellt der Entwurf neben dem tatsächlichen Ertrage den Mietwert der zum Gewerbebetriebe benutzten Räume und die Zahl der im Gewerbebetriebe ständig beschäftigten gewerblichen Hilfs- personen auf. Insoweit lehnt er sich an die Besteuerungsgrundlagen an, die seiner- zeit im Entwurf eines Gemeindesteuergesetzes vom Jahre 1904 aufgestellt waren. Beide Merkmale sind für die Ertragsfähigkeit von nicht unwesentlicher Bedeutung, indem sowohl der grössere Umfang der gewerblichen Räume als auch die grössere Zahl der gewerblichen Hilfspersonen ertragsteigernd wirken. Man könnte auch noch an andere äussere Merkmale, wie die Zahl und Grosse der benutzten Ma- schinen, die Art und Beschaffenheit der Arbeitsmittel (Werkzeuge, Maschinen), die Grosse des Ortes (Ortsanlagen), denken. Allen diesen äusseren Merkmalen haftet aber der Mangel der Unzulänglichkeit an, worauf bereits im allgemeinen Teil (unter B) hingewiesen worden ist. Auch der Mietwert der gewerblichen Räume und die Zahl der beschäftigten Hilfspersonen sind daher nur als weitere Merkmale neben dem Hauptmerkmale des Ertrags herangezogen worden. Als Mietwert der gewerblichen Räume gilt im Falle der Ermietung der Räume durch den Unter- nehmer kraft ausdrücklicher Vorschrift ( § 11 Abs. 4 Satz 1) der hierfür zu zahlende Mietzins. Dient ein Raum gleichzeitig anderen als gewerblichen Zwecken, wie ζ. Β. der gleichzeitig als Werkstatt benutzte Wohnraum eines kleinen Schuhmachers, so kommt nur ein entsprechender Teilbetrag des Mietwerts in Ansatz.

Der Begriff der gewerblichen Hilfspersonen umfasst alle Personen, die auf Grund eines Dienst- (Arbeits-) Vertrags in einem unter das vorliegende Gesetz fallenden Gewerbe mit der Verrichtung gewerblicher Arbeiten im weitesten Sinne beschäftigt werden. Als im Gewerbebetriebe „ständig" beschäftigt ist die Zahl derjenigen Hilfspersonen anzusehen, die innerhalb des massgebenden Kalender-

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 253

jahrs oder Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs in dem in Frage kommenden Betriebe regelmassig beschäftigt worden ist. Ein blosser Wechsel in der Person ist unbe- achtlich. Werden bei der Art des Betriebes Hilfspersonen nur vorüber- gehend, aber regelmässig während einer bestimmten Zeit des Jahres beschäftigt, wie bei der Landwirtschaft während der Ernte oder bei sonstigen auf Saisonarbeit abgestellten Betrieben, so sind die vorüber- gehend beschäftigten Hilfskräfte mit einem der Dauer ihrer Beschäftigung ent- sprechenden Teilbetrag ihrer Arbeitskraft (ζ. Β. bei einem Monat ein Zwölftel, bei drei Monaten ein Viertel) zu berücksichtigen. Näheres wird in der Ausführungs- verordnung zu bestimmen sein.

Eine besondere Regelung machte sich für die Hausgewerbetreibenden nötig, da diese nicht selten selbst Gewerbegehilfen beschäftigen und häufig für mehrere Unternehmer gleichzeitig arbeiten. Solchenfalls kann nicht ohne weiteres die Zahl der im Durchschnitte des massgebenden Jahres vom Unternehmer beschäf- tigten Hausgewerbetreibenden zugrunde gelegt werden. Der Entwurf eines Ge- meindesteuergesetzes vom Jahre 1904 (zu vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teil unter A) stellte daher eine Verhältnisrechnung auf, wonach die Zahl der Haus- gewerbetreibenden nach dem Verhältnisse des Jahresarbeitslohns aller vom Unternehmer beschäftigten Hausgewerbetreibenden zum durchschnittlichen Jahresbetriebsverdienst eines einzelnen Hausgewerbetreibenden in Ansatz ge- bracht werden sollte. Die Feststellung der Unterlagen für diese Ermittlung würde aber nur durch eingehende Befragung nicht nur des Unternehmers, sondern vor allem auch der einzelnen Hausgewerbetreibenden erfolgen können und mithin ausserordentlich umständlich sein. Der vorliegende Entwurf vermeidet diese Schwierigkeiten, indem er im Falle der Beschäftigung eines Hausgewerbetreiben- den durch mehrere Unternehmer lediglich eine - nach Befinden im Wege der Schätzung vorzunehmende - anteilige Berücksichtigung der auf die mehreren Unternehmer entfallenden Arbeitskraft und im Falle der Beschäftigung eigener Gehilfen durch den Hausgewerbetreibenden für den Unternehmer eine ent- sprechende Vervielfältigung der für den Hausgewerbetreibenden anzusetzenden Kopfzahl vorsieht. Etwaige Bruchteile von Arbeitskräften sind wegzulassen, soweit sie zusammengerechnet keine volle Arbeitskraft ergeben. Ein Unternehmer beschäftigt z. B. 10 Hausgewerbetreibende, von denen 5 nur ihre halbe Arbeits- kraft zur Verfügung stellen und im übrigen gleichzeitig für einen dritten Unter- nehmer tätig sind. Solchenfalls würden dem ersten Unternehmer nur 5 + 5U - ? volle Arbeitskräfte anzurechnen sein, während die überschiessende halbe Arbeits- kraft unberücksichtigt bleibt.

Zu § 12. Indem das Gesetz den im letzten Kalenderjahre vor der Veranlagung er-

zielten Ertrag für massgebend erklärt, legt es den für die Einkommensbesteuerung nach dem Reichseinkommensteuergesetze^bisher massgebenden Zeitraum zugrunde. Das inzwischen verabschiedete Gesetz vom 24. März 1921 zur Aenderung des Einkommensteuergesetzes (R.G.B1. S. 313) hat die Veranlagung zur Reichs- einkommensteuer zwar an den S c h 1 u s s des Rechnungsjahrs verlegt, für das sie erfolgt (zu vgl. § 29 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung von Art. I Nr. 12 des genannten Abänderungsgesetzes). Indem es aber der für das ablaufende Rechnungsjahr stattfindenden Einkommens Veranlagung das Einkommen zugrunde legt, das der Steuerpflichtige in dem im betreffenden Rechnungsjahr endenden Kalenderjahre bezogen hat, geht es von demselben Zeitraum aus, der das letzte Kalenderjahr vor der für das folgende Rechnungs- jahr stattfindenden Gewerbesteuerveranlagung ist. Der Ertrag dieses Kalender- jahrs ist mithin von den Finanzämtern beziehentlich den bei diesen bestehenden Ausschüssen auch bei der Veranlagung der Reichseinkommensteuer mit fest- zustellen. Seine Verwertung für die Zwecke der Gewerbesteuer wird daher keine Schwierigkeiten bereiten. Ebenso soll die im Durchschnitte des letzten Kalender- jahrs beschäftigte Zahl von gewerblichen Hilfspersonen für die Merkmalsbesteuerung massgebend sein. Für Betriebe mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirt-

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254 Sächsisches Gewerbestenergesetz. Vom 19. Juli 1928.

Schafts- (Betriebs-) Jahre soll auch hier das letzte Wirtschafts- (Betriebs-) Jahr» dessen Ergebnisse zur Zeit der Veranlagung festgestellt werden können, an die Stelle des an sich massgebenden Kalenderjahrs treten. Dies entspricht ebenfalls den bisherigen Vorschriften des Reichseinkommensteuergesetzes. Das Abänderungs- gesetz laset solchenfalls an die Stelle des Kalenderjahrs das Wirtschaftsjahr treten, dessen Ende in das im betreffenden Rechnungsjahr endende Kalenderjahr fällt. Das hiernach in Frage kommende Wirtschaftsjahr wird wiederum - wenigstens in aller Regel - mit dem für die Gewerbesteuerveranlagung maßgebenden letzten Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre zusammenfallen. Vorsorge war zu treffen, dass nicht durch Aenderungen der regelmässigen Wirtschaftsjahre oder durch Ein- schieben von Perioden, für die Abschlüsse nicht gemacht werden, der Ertrag des Gewerbes der Besteuerung teilweise entzogen werden kann. Das solche abträg- liche Massnahmen ausschliessende Verbot, die Reihenfolge der Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre zu unterbrechen, entspricht der bisherigen Vorschrift in § 29 Abs. 2 Satz 3 des Reichseinkommensteuergesetzes. Als Mietwert der gewerblichen Räume ist der Einfachheit halber der Jahresmietwert nach dem Stande am 31. Dezember des der Veranlagung vorausgegangenen Kalenderjahrs angenommen worden. Der in diesem Zeitpunkte gezahlte Mietzins oder der damalige Mietwert der eigenen gewerblichen Räume ist auf den Jahresbetrag umzurechnen. Ist das Gewerbe neu entstanden oder liegt bei Betrieben mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre bei der Veranlagung noch kein Jahresergebnis vor, so sind die zur Zeit der Veranlagung vorhandenen Merkmale massgebend. Der Ertrag des Gewerbes ist hierbei mit dem Betrag anzunehmen, der dem mutmasslichen Ertrage des ersten vollen Jahres oder des ersten vollen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs entspricht. Nach Ablauf des ersten vollen Jahres oder des ersten vollen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs ist die Veranlagung erforder- lichenfalls zu berichtigen (zu vgl. § 214 der Reichsabgabenordnung). Die Zu- lassung nachträglicher Berichtigung entspricht der Vorschrift in § 29 Abs. 2 Satz 5 des Reichseinkommensteuergesetzes in seiner bisherigen Fassung.

Für den Fall, dass Unterlagen überhaupt nicht vorhanden sind oder vom Steuerpflichtigen auf Anfordern nicht vorgelegt werden, bleibt auch hier nur eine freie Schätzung der Merkmale übrig.

Zu § 13. Während die Betriebsanlage stets nach einem bestimmten Hundertsatze des

Wertes des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals erhoben wird, ist für die Ertragsanlage eine Staffelung in der Weise vorgesehen, dass der Ertrag in ein bestimmtes Verhältnis zum gewerblichen Anlage- und Betriebskapitale mit der Massgabe gesetzt wird, dass als Normalertrag der einer 20%igen Verzinsung des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals entsprechende Ertrag angenommen wird. Das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital im Sinne dieser Vorschrift ist nicht dasselbe, das der Betriebsanlage unterliegt ( § 9 des Gesetzes). Vielmehr unterscheidet es sich von dem letzteren dadurch, dass es auch die von der Grund- steuer betroffenen Bestandteile umfasst.

Letztere sind hierbei mit ihrem gemeinen Werte anzunehmen. Dies stimmt zwar mit den auch in den Entwurf des neuen Grundsteuergesetzes übernommenen Bewertungsvorschriften in § 152 Abs. 2 - 5 der Reichsabgabenordnung nicht überein, wonach bei Grundstücken, die dauernd land- oder forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Zwecken, sowie bei bebauten Grundstücken, die gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, grundsätzlich der Ertragswert anstatt des gemeinen Wertes zugrunde zu legen ist. Die Einstellung des Ertragswerts erschien jedoch im vorliegenden Falle schon deshalb nicht angebracht, weil solchenfalls die der Land- und Forstwirtschaft dienenden Gebäude und Betriebsmittel nicht besonders bewertet, sondern bei der Ermittlung des Ertragswerts einbegriffen werden (§ 152 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung), während bei der Gewerbe- steuer die Betriebsmittel bereits in dem der Gewerbesteuer unterliegenden Anlage- und Betriebskapital enthalten sind. Sie müssten also zum Zwecke der Gegenüber- stellung von Betriebsvermögen und Betriebsertrag im Falle des § 13 Abs. 4 aus

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Sächsisches Gewerb eeteuergesetz. Vom 19. Juli 1928. 255

dem Betriebsvermögen wieder ausgeschieden werden. Auch würden die dem Gewerbebetriebe mit dienenden unbebauten Grundstücke - wie Lager* platze einer Holzhandlung - ohnehin mit dem gemeinen Werte einzustellen sein, weil sich die Vorschriften in § 152 Abs. 3 und 5 der Reichsabgabenordnung aus- echliesslich auf die gewerblichen Zwecken dienenden bebauten Grundstücke beziehen. Abgesehen hiervon würde sich die Zugrundelegung des Ertragswerts für die von der Grundsteuer betroffenen Bestandteile des gewerblichen Anlage· und Betriebskapitals den für die Bewertung der übrigen Bestandteile geltenden Vorschriften ( § 10 Abs. 2 des Gesetzes) nicht anpassen. Da überdies die Ver- anlagung zur neuen Grundsteuer nur alle 3 Jahre erfolgen soll, könnte der für die Zwecke der Grundsteuer ermittelte Ertragswert ohnehin für das zweite und dritte Jahr bei der Veranlagung der Gewerbesteuer im Falle des § 13 Abs. 4 nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Denn der Ertragswert unterliegt in den einzelnen Jahren weit grösseren Schwankungen als der gemeine Wert. Anderseits wird die durch die besondere Ermittlung des gemeinen Wertes für die von der Grundsteuer betroffenen Bestandteile bei der Gewerbesteuer bedingte Mehrarbeit nicht wesentlich sein, weil die Staffelung erst bei Betrieben mit besonders hohem Ertrage (mehr als 50,000 M.) Platz great. Falls Inventur- und Bilanzergebnisse vorliegen, sind auch in Ansehung der von der Grundsteuer betroffenen Bestand- teile des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals die bilanzmäßigen Werte nur insoweit massgebend, als sie den gemeinen Wert der Bestandteile wieder- geben (zu vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes und die hierzu gegebene Begründung).

Die Einbeziehung der von der Grundsteuer betroffenen Bestandteile, soweit sie dem Gewerbebetriebe dienen, in das gewerbliche Anlage- und Betriebskapital war für die Feststellung des Verhältnisses zwischen Betriebsvermögen und Be- triebsertrag nicht ,zu umgehen, da andernfalls die Gegenüberstellung ein völlig falsches BUd gegeben hätte und der damit verfolgte Zweck hinfällig geworden wäre. Zweck der Staffelung ist die stärkere Heranziehung derjenigen Unternehmen, die ohne grösseres Anlage- und Betriebskapital einen erheblichen Ertrag abwerfen. Es wäre eine Unbilligkeit, wollte man den Inhaber eines solchen Unternehmens, der eine nennenswerte Betriebsanlage nicht zu entrichten haben wird, nur in dem- selben Masse zur Ertragsanlage heranzuziehen, wie beispielsweise denjenigen Unternehmer, der ein kostspieliges Fabrikunternehmen, in dem vielleicht Millionen - werte angelegt sind, unterhalten und dafür die entsprechend höhere Betriebs- anlage entrichten muss. Diese Erwägungen führten dazu, von einem bestimmten Normalertrag auszugehen und den darüber hinausgehenden Ertrag einer erhöhten Steuer zu unterwerfen. Hierbei erschien ein Ertrag von 20,000 M. bei einem Betriebskapitale von 100,000 M. angemessen. Uebersteigt der Ertrag diesen Hundertsatz, so soll sich die Ertragsanlage nach bestimmter Staffelung prozentual erhöhen. Diese Staffelung ist den Vorbildern bei den Kriegssteuergesetzen nach- gebildet.

Die Rücksicht jedoch auf die freien Berufe und die diesen verwandten Tätig- keiten im Sinne von § 4 Nr. 2 und 3 des Gesetzes, wie auch nicht minder die Rück- sicht auf die kleineren Landwirte und Handwerker liess eine Milderung dieser Staffelung aus dem Grunde geboten erscheinen, weil diese Berufe in der Regel nur mit einem niedrigen Betriebskapital arbeiten und daher durch die Staffelung der Ertragsanlage in besonderem Masse getroffen würden. Die hierin hegende Unbilligkeit soll dadurch vermieden werden, dass in jedem Falle der abgabe- pflichtige Ertrag bis zu 50,000 M. von der Staffelung der Ertragsanlage verschont bleiben soll, und zwar auch dann, wenn er 20 v. H. des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals (den angenommenen Normalertrag) übersteigt. Gewerbe mit einem abgabepflichtigen Ertrage von nichtmehrals 50,000 M. unterliegen hiernach stets nur der einfachen Ertragsanlage von 2 v. H., ohne dass geprüft zu werden braucht, ob der abgabepflichtige Ertrag den nachgelassenen Normal- ertrag übersteigt. Beträgt der abgabepflichtige Ertrag mehr als 50,000 M., so unterliegt dieser Ertrag bis zur Grenze von 50,000 M. ohne Rücksicht auf die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals ebenfalls nur der einfachen Ertragsanlage. Erst für die Besteuerung des über 50,000 M. hinausgehenden Ertragsteils ist zu

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256 Sächsisches Gewerbesteuergesetz: Vom 19. Juli 1923.

untersuchen, ob der gesamte abgabepflichtige Ertrag einschliesslich der nur der einfachen Ertragsanlage unterliegenden 50,000 M. den Normalertrag von 20 ν. Η. des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals übersteigt. Trifft dies zu, so unterliegt der über 50,000 M. hinausgehende Ertragsteil (nicht der gesamte abgabepflichtige Ertrag) der erhöhten Ertragsanlage nach den in Abs. 4 für den Mehrbetrag vorgesehenen Sätzen.

Zur Erläuterung der Staffelung und ihrer Wirkung mögen folgende Bei- spiele dienen: Ein Unternehmer betreibt ein Geschäft mit einem Betriebskapitale von nur 25,000 M. und erzielt durch günstigen Einkauf und vorteilhafte Weiter- veräusserung der eingekauften Waren einen Gewinn von 200,000 M. Solchenfalls würden 50,000 M. der einfachen Ertragsanlage von 2 ν. Η. unterliegen, ohne Rücksicht darauf, dass dem gewerblichen Anlage- und Betriebskapitale von 25,000 M. ein „Normalertrag" von nur 5000 M. = 20 v. H. entspricht. Für die zweiten 50,000 M. würden 3 v. H. und für die restlichen 100,000 M. 4 ν. Η., mithin 1000 + 1500 + 4000 = 6500 M. als Ertragsanlage zu entrichten sein, wozu noch die in § 13 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes vorgesehenen Zuschläge zu treten hätten. Hätte derselbe Unternehmer ein Betriebskapital von 500,000 M., so würde der abgabepflichtige Ertrag nach Höhe von 100,000 M. der einfachen Ertragsanlage von 2 v. H. unterliegen (nämlich nach Höhe von 20 v. H. von 500,000 M. Betriebs- kapital). Für weitere 50,000 M. würden 3 v. H. und für die restlichen 50,000 M. 4 v. H., mithin 2000 + 1500 + 2000 = 5500 M. Ertragsanlage zu entrichten sein. Dafür hätte dieser Unternehmer allerdings noch eine Betriebsanlage von 2500 M. ( = i/2 v. H. von 500,000 M.) zu entrichten.

Die Abmilderung der Wirkung der Staffelung durch die in § 13 Abs. 4 gleich- zeitig vorgesehene Beschränkung lässt sich insbesondere aus folgenden Beispielen erkennen. Ein Künstler çder Ingenieur, der mit einem Betriebskapitale von vielleicht nur 1000 M. einen Reinertrag von 50,000 M. erzielt, hat ohne Rücksicht auf die Höhe seines Anlage- und Betriebskapitals nur die einfache Ertragsanlage von 2 v. H. = 1000 M. zu entrichten. Die Staffelung beginnt bei ihm erst bei einem Ertrage von mehr als 50,000 M., so dass bei einem Ertrage von 100,000 M. und demselben Anlage- und Betriebskapitale für die ersten 50,000 M. 2 ν. Η. und für die weiteren 50,000 M. 3 v. H', mithin 1000 + 1500 = 2500 M. zu zahlen sind. Ohne die Bestimmung einer ziffermässigen Mindestgrenze für den Eintritt der Staffelung hätte er im ersten Falle für 200 M. ( = 20 v. H. von 1000 M. Betriebs- kapital) die einfache Ertragsanlage von 2 v. H. = 4M. und für die weiteren 49,800 M. 3 v. H. = 1494 M., also insgesamt 1498 M. gegenüber 1000 M., im zweiten Falle für 200 M. 2 v. H. = 4 M., für die weiteren 50,000 M. 3 v. H. = 1500 M. und für die restlichen 49,800 M. 4 v. H. = 1992 M., also insgesamt 3496 M. gegen- über 2500 M. Ertragsanlage zu entrichten. In jedem Falle würden hierzu noch die in § 13 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes vorgesehenen Zuschläge zu treten haben.

Die Abrundungsvorschrift in Abs. 5 soll die Berechnung der beiden Anlagen erleichtern.

Zu § 14 (Ges. gestrichen). Da die Gewerbesteuer als Staatssteuer ausgebaut ist, wird sie in vollem

Umfange für Rechnung des Staates erhoben. Die (bürgerlichen) Gemeinden sollen, unbeschadet der späteren Richtigstellung des Beteiligungsverhältnisses (vgl. § 42 des Gesetzes und die hierzu gegebene Begründung), am Ertrage der Gewerbesteuer zur Hälfte beteiligt werden. Diese Beteiligung beschränkt sich auf die eigentliche Steuer. Die nach § 20 Abs. 3 des Gesetzes dem Unternehmer auferlegten Zuschläge wegen verspäteter Abgabe der Gewerbesteuererklärung gehören nicht zum Ertrage der Gewerbesteuer im Sinne von § 14. Dagegen ge- hören hierzu die infolge Zahlungsverzugs des Steuerpflichtigen aufgekommenen Zinsen, wie sich umgekehrt 4er Ertrag mindert um die dem Steuerpflichtigen zu erstattenden Zinsen (zu vgl. §§ 104 und 132 der Reichsabgabenordnung in Verbindung mit § 18 des Gesetzentwurfs).

Vor der Verteilung des Aufkommens auf den Staat und die Gemeinden ist zunächst ein Voraus von 10 v. H. für den nach § 18 des Vollzugsgesetzes zum

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923, 257

Landessteuergesetze gebildeten Ausgleichstock auszuscheiden (zu vgl. § 18 Abs. 2 unter c des genannten Gesetzes). Derselbe Hundertsatz ist von dem Betrage der von den Gemeinden erhobenen Zuschläge zur Hauptsteuer (zu vgl. § 16 des Gesetzes und die Begründung hierzu) an den Ausgleichstock abzuführen. Dass die Gemeinden und entsprechend die Bezirksverbände (vgl. § 39 des Gesetzes) auch von den ihnen zufliessenden Zuschlägen einen Teilbetrag an den Ausgleich- stock abgeben, erscheint um so mehr gerechtfertigt, als der Ausgleichstock aus- schliesslich dem Lastenausgleich unter den Gemeinden und unter den Bezirks- verbänden dient, gleichwohl aber im übrigen zum ganz überwiegenden Teile vom Staate gespeist wird. Als Ueberweisung aus den Gemeindeanteilen und den Zu- schlägen der Gemeinden stellt die Ueberweisung gleichzeitig einen angemessenen Ausgleich gegenüber den Gemeinden mit geringem oder keinem Gewerbe- betriebe dar.

Der Wunsch der Gemeinden ging allerdings dahin, ihnen den Ertrag der Gewerbesteuer ganz und den Ertrag der neuen Grundsteuer zu zwei Dritteilen zu überlassen. Dem Staate wäre solchenfalls lediglich ein Drittel des Ertrags der neuen Grundsteuer verblieben. Da der Gesamtertrag der Gewerbesteuer einschliesslich eines 25%igen Gemeindezuschlags auf etwa 100 Mill. M. (vgl. die Ausführungen im allgemeinen Teile der Begründung unter D), der der Grund- steuer einschliesslich des Gemeindezuschlags auf etwa 175 Mill. M. zu veran- schlagen ist, würde der Staat von dem Gesamtaufkommen der neuen Ertrag- steuern an etwa 275 Mill. M. lediglich ein Drittel von 140 Mill. M. Grundsteuer- aufkommen ohne Zuschläge, mithin knapp 47 Mill. M. erhalten, während die übrigen rund 228 Mill. M. den Gemeinden zufallen würden. Eine derartige Teilung des Ertrags der den Ländern und Gemeinden vom Reiche überlassenen haupt- sächlichsten Steuerquellen' war für den Staat schlechterdings unannehmbar, da sie die Aufrechterhaltung eines geordneten Staatshaushalts unmöglich machen würde. Wennschon anzuerkennen ist, dass die Gemeinden sich in bedrängter Lage befinden und dass der Staat das grösste Interesse an dem Fortbestande lebensfähiger Gemeinden hat, so kann dies doch nicht dazu führen, dem Staate durch einseitige Bevorzugung der Gemeinden die Existenzmöglichkeit zu nehmen. Es kommt dazu, dass die obigen Ertragschätzungen auf ganz schwankender Grundlage beruhen und dass sich insbesondere das wirkliche Aufkommen an Gewerbesteuer auch nicht mit annähernder Zuverlässigkeit übersehen läset. Deshalb und da es auch an jedem ausreichenden Anhalte dafür fehlt, wie sich das Aufkommen an Gewerbesteuer zum Aufkommen an der neuen Grundsteuer verhalten wird, konnte der Staat auf keinen Fall im vorhinein auf eine Beteiligung an der Gewerbesteuer verzichten. Abgesehen von der UngeWissheit über das künftige Gewerbesteueraufkommen, lässt sich zurzeit noch 'nicht überblicken, wie die Verteilung der Schul-, Polizei- und Armenlasten zwischen dem Staate und den Gemeinden endgültig geregelt werden wird. Die in § 14 des Gesetzes vorgesehene Regelung konnte daher nur eine vorläufige sein. Wenn hierbei der Ertrag der Gewerbesteuer (ohne Zuschläge) je zur Hälfte dem Staate und der Gesamtheit der Gemeinden überwiesen worden ist, so entspricht diese Teilung der in § 1 des Vollzugsgesetzes zum Landessteuergesetze vorgesehenen vorläufigen Ueberweisung der Hälfte des auf den Staat und die Gemeinden entfallenden Ertrags der Reichseinkommensteuer und der Körperschaftsteuer an Staat und Gemeinden.

Zu § 15 (Ges. gestrichen). Der Anspruch der Gemeinden auf den ihnen vom Staate überwiesenen

Gewerbesteueranteil soll sich in Anlehnung an die Vorschriften des Landessteuer- gesetzes über die Beteiligung der Länder und Gemeinden am Ertrage der Reichs- einkommen- und Körperschaftssteuer in gleicher Weise wie dort nach dem ört- lichen Aufkommen bemessen (zu vgl. § 18 des Landessteuergesetzes).

Besondere Bestimmungen waren für den Fall zu treffen, dass sich der Betrieb eines gewerblichen Unternehmens über mehrere Gemeinden erstreckt. Die be- teiligten Gemeinden nehmen solchenfalls entsprechend den in der einzelnen Ge-

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258 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

meinde vorhandenen Besteuerungsmerkmalen (Anlage- und Betriebskapital, Er- trag, Mietwert der gewer buchen Räume, Zahl der gewerblichen Hilfspersonen) an dem auf die Gesamtheit der Gemeinden entfallenden Betrage teil. Die Höhe des Anteils der einzelnen Gemeinde ist mithin unter Berücksichtigung aller für den Betrieb im einzelnen Falle massgebenden Verhältnisse zu ermitteln. Soweit der Gewerbebetrieb in den Gemeinden durch Halten von Betriebsstätten im Sinne von § 10 Abs. 2 des Landessteuergesetzçs erfolgt, werden die in den §§24 und 25 des Landessteuergesetzes für den entsprechenden Fall bei der Reichs- einkommensteuer bestehenden eingehenden Vorschriften einen geeigneten Mass- stab für die Verteilung des Ertrags unter die Gemeinden an die Hand geben ► Das Nähere wird in der Ausführungsverordnung zum vorliegenden Gesetze zu regeln sein. -

Zu § 16 (Ges. gestrichen). Die Ausübung des Zuschlagsrechts der Gemeinden ist in ähnlicher Weise

geregelt wie das den Gemeinden nach dem Landessteuergesetze ( § 30) vorbehalten gewesene Recht zur Besteuerung des ursprünglich von der Reichseinkommensteuer nicht erfassten Mindesteinkommens (zu vgl. insbesondere § 31 des Landessteuer- gesetzes).

Das Zuschlagsrecht der Gemeinden beschränkt sich auf die in ihrem Bezirke betriebenen Gewerbe. Nur soweit sie ein Anrecht auf Beteiligung am örtlichen Aufkommen haben, können sie Zuschläge erheben. Das wird namentlich für die im Bezirke mehrerer Gemeinden betriebenen Gewerbe wichtig, bei denen das Zuschlagsrecht entsprechend den bei der Verteilung des Aufkommens aus dem betreffenden Gewerbebetrieb auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteilen zwischen diesen geteilt ist (zu vgl. § 16 Abs. 3).

Den Gemeinden konnte die Form der Durchführung ihres Zuschlagsrechts nicht freigestellt werden, da ein besonderes Steuerverfahren für die Gemeinde - zuschlage unter allen Umständen vermieden werden musste. Es ist daher be- stimmt worden, dass für die Verwaltung der Zuschläge dieselben Vorschriften gelten wie für die Gewerbesteuer selbst. Ihre Veranlagung und Erhebung findet gleichzeitig mit der Hauptsteuer statt. Die Gemeinden werden auch aus diesem Grunde, abgesehen von der in § 31 des Landessteuergesetzes vorgeschriebenen Frist, genötigt sein, ihre Zuschläge rechtzeitig zu beschliessen.

Besondere Rechtsmittel gegen die Zuschläge sollen nur insoweit gegeben sein, als es sich um das Recht der Gemeinden auf Erhebung des Zuschlags handelt. Im übrigen erstreckt sich die Wirkung der Rechtsmittel gegen die Hauptsteuer ohne weiteres auch auf die Zuschläge. In § 34 Abs. 3 des Gesetzes ist überdies vorgeschrieben, dass auch ein Erlass oder eine Stundung der Hauptsteuer sich auf die Zuschläge mit erstreckt.

Die Zuschläge müssen für alle Gewerbe gleichmässig sein, d. h. es darf keine Staffelung der Zuschläge nach Gewerbearten oder besonderen Merkmalen statt- finden. Nachdem - von der einzigen Ausnahme in § 13 Abs. 4 des Gesetzes abgesehen - für die gesamte Gewerbesteuer ein einheitlicher ungestaffelter Satz festgelegt ist, konnte eine Durchbrechung dieses Grundsatzes bei den Gemeinde- zuschlägen nicht geduldet werden.

Zu § 17 (Ges. § 15). Wegen der Erwägungen, die zur Uebertragung der Verwaltung der Gewerbe-

steuer auf die Reichssteuerbehörden gedrängt haben, wird auf die allgemeinen Bemerkungen unter C verwiesen.

Besonders wichtig ist die in § 17 Abs. 2 Satz 2 ausgesprochene Uebertragung der in § 31 der Reichsabgabenordnung dem Reichsminister der Finanzen für das Gebiet der Reichssteuern vor behaltenen Kontrollbefugnisse gegenüber den Aus- schüssen auf das Finanzministerium. Auf Grund dieses Vorbehalts kann das Finanzministerium für das Gebiet der Gewerbesteuer das in § 31 der Reichs- abgabenordnung vorgesehene Aufsichtsrecht gegenüber den bei den Finanzämtern bestehenden Ausschüssen ausüben.

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Sächsisches Gewerbeßteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 259

Zu § 18 (Ges. § 16). Die im allgemeinen Teil unter C erwähnten Erwägungen haben gleichzeitig

dazu geführt, eine ganze Keine wichtiger Vorschriften der Reichsabgabenordnung für das Verfahren in Sachen der Gewerbesteuer zu übernehmen. Es sollen daher die gesamten Vorschriften des zweiten Teiles der Reichsabgabenordnung über die Besteuerung (§§ 51 - 354) sinngemäss Anwendung finden, soweit nicht im vorliegenden Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Besonders geregelt sind im vorliegenden Gesetz insbesondere die örtliche Zuständigkeit (§ 19), die Schrift- form der Gewerbesteuererklärung (§ 20), das Rechtsmittelverfahren in gewisser Hinsicht, vor allem das Verfahren im dritten Rechtsgange (§§ 22 - 26), die Nach- und Neuveranlagung (§§ 29 - 31), der Erlass und die Stundung (§ 34). Dagegen gelten beispielsweise in betreff der Fristen, der Nachsicht wegen Versäumnis einer Ausschlussfrist und der Zustellungen die §§ 64 - 72, in betreff der Bekanntgabe und Abänderung von Verfügungen die §§ 73 - 78, in betreff der Entstehung und Fälligkeit des Steueranspruchs die §§ 79-82, in betreff der Geschäftsfähigkeit, Vertretung und Haftung die §§ 83 - 100, in betreff der Zahlung und Sicherheits- leistung die §§ 102-104, 109-119 (die §§ 105-108 regeln die Fälle der Stundung und des Erlasses), in betreff der Verjährung die §§ 120 - 126, in betreff der Er- stattungsansprüche die §§ 127 - 134, 136 (Vergütungsansprüche kommen nicht in Frage), in betreff der Ermittlung und Festsetzung der Steuer die §§ 162 - 216, in betreff der Rechtsmittel die §§ 221 - 223, 225 - 264, 281 (teilweise auch die §§ 282 und 283), 285-297, in betreff der Beitreibung die §§ 298-354 der Reichs- abgabenordnung. Soweit in den in Frage kommenden Vorschriften der Reichs- abgabenordnung von Befugnissen des Reichsministers der Finanzen (so § 102 Abs. 2, §§ 112, 113, 119, 215, 216, 293 Abs. 3) die Rede ist, stehen nach dem aus- drücklichen Hinweis in § 18 Abs. 2 diese Befugnisse dem Finanzministerium zu; soweit die Vorschriften sich auf das Reich und dessen Steueransprüche beziehen (so §§ 103, 116, 319 Abs. 2, § 321 Abs. 2, §§ 349, 350), gelten sie für den sächsischen Staat und seinen Steueranspruch. Ausser denjenigen Bestimmungen, deren Gegenstand für das Gebiet der Gewerbesteuer besonders geregelt ist, fallen von den in § 18 Abs. 1 in complexu aufgeführten Vorschriften der Reichsabgaben- ordnung selbstverständlich auch die aus, die sich - wie die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen nach § 135 und § 223 - in den Rahmen des vor- liegenden Gesetzes nicht einfügen oder - wie die Vorschrift in § 101 - auf anders geartete Abgaben beziehen.

Zu § 19 (Ges. § 17). Die Veranlagung des Gewerbes soll - entsprechend der Objektsbesteuerung -

an dem Orte erfolgen, an dem das Gewerbe betrieben wird. Beim Vorhandensein mehrerer Betriebsstätten innerhalb Sachsens erfolgt die Veranlagung des ge- samten Unternehmens am Orte der Geschäftsleitung. Befindet sich die Geschäfts- leitung nicht in Sachsen, so erfolgt die Veranlagung des an mehreren Betriebs- stätten innerhalb Sachsens betriebenen Gewerbes am Orte der Hauptbetriebs- stätte oder in Ermangelung einer solchen am Orte der Betriebsstätte mit den meisten gewerblichen Hilfspersonen. ;.

Eine wichtige Ausnahme von dem Grundsatze, dass Veranlagungsort der Betriebsort ist, war mit Rücksicht auf den engen Zusammenhang der Gewerbe- steuer mit der Reichseinkommensteuer und Körperschaftssteuer und das sich hieraus ergebende Bedürfnis geboten, das Gewerbe möglichst an dem Orte zur Gewerbesteuer zu veranlagen, wo der Unternehmer zur Reichseinkommensteuer oder zur Körperschaftssteuer herangezogen wird. Ist die Steuerpflicht des Unter- nehmers zur Reichseinkommensteuer oder Körperschaftssteuer in Sachsen begründet, so soll daher das von ihm in Sachsen ausgeübte Gewerbe ohne Rücksicht darauf, ob es an einem andern als dem Wohnorte des Unternehmers oder dem Orte der Geschäftsleitung des Unternehmen^ betrieben wird, an dem Orte mit zur Gewerbesteuer veranlagt werden, an dem der Unternehmer seine Steuerpflicht zur Reichseinkommensteuer oder zur Körperschaftssteuer zu er-

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Page 38: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

250 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

füllen hat. Die Veranlagung des Gewerbes an dem letzteren Orte wird daher die gegenüber der Regel in § 19 Abs. 1 häufigere Ausnahme werden. Nur wenn der Unternehmer in einem aussersächsischen Orte zur Reichseinkommensteuer oder zur Körperschaftssteuer veranlagt wird, bewendet es dabei, dass das Gewerbe an dem Orte zu veranlagen ist, an dem es tatsächlich ausgeübt wird. Hierbei ist zu beachten, dass das ohne Unterhaltung einer Betriebsstätte von einem ausser- halb Sachsens zur Reichseinkommensteuer veranlagten Unternehmer ausgeübte Gewerbe der sächsischen Steuerpflicht nur dann unterliegt, wenn esausschliess- lich in Sachsen betrieben wird. Denn die Besteuerung aussersächsischer Gewerbe in Sachsen setzt stets die Begründung einer Betriebsstätte im Sinne von § 10 Abs. 2 des Landessteuergesetzes voraus (zu vgl. die Bemerkungen zu § 2).

Ergeben sich trotz der eingehenden Vorschriften im einzelnen Falle Zweifel darüber, an welchem Orte die Veranlagung zu erfolgen hat, so soll das Finanz- ministerium den Ort der Veranlagung bestimmen.

Zu § 20 (Ges. § 18). Zur Abgabe der Gewerbesteuererklärung ist jeder Unternehmer eines Ge-

werbes verpflichtet, dem eine Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zugestellt worden ist, auch wenn er kein Betriebskapital besitzt und keinen Ertrag erzielt. Die Entscheidung, ob Steuerfreiheit einzutreten hat, bleibt dem Ausschusse be- ziehentlich bei Nachveranlagungen dem Finanzamte vorbehalten. Für Personen, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehen, sowie für juristische Personen haben deren gesetzliche Vertreter, für selbständig steuerpflichtige Personenvereinigungen deren Vorstände oder Geschäftsführer die Gewerbesteuererklärung abzugeben (§§84 und 86 der Reichsabgabenordnung).

Das Erfordernis der schriftlichen Einreichung der Gewerbesteuererklärung bedeutet eine Abweichung von § 170 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung, wonach Steuererklärungen auch mündlich vor dem Finanzamt abgegeben werden können. Da die Gewerbesteuererklärungen schon im Hinblick auf die verschiedenen Be- steuerungsmerkmale in der Regel ziemlich umfänglich sein werden, vielfach auch die Beifügung von Unterlagen, insbesondere von Abschriften der massgebenden Bilanzen geboten sein wird, erschien die mündliche Abgabe der Steuererklärung vor dem Finanzamte hier nicht zweckmässig.

Die Bestimmung, dass die Steuererklärung gleichzeitig für die Zuschläge der Gemeinden gilt ( § 20 Abs. 2), ist für ein etwaiges Strafverfahren insofern wichtig, als sich die Höhe der Geldstrafe nach dem Betrage der hinterzogenen Steuer zu richten hat, und als hinterzogen nur diejenige Steuer angesehen wird, auf die sich die Steuererklärung ausdrücklich erstreckt.

Die Androhung eines geldlichen Nachteils für diejenigen, die die ihnen gestellte Frist nicht eingehalten haben, wozu auch diejenigen gehören, die über- haupt keine Erklärung abgeben, entspricht der für das Gebiet der Reichssteuern geltenden Bestimmung in § 170 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung. Durch die Bezugnahme auf § 13 in Abs. 3 soll zum Ausdrucke gebracht werden, dass der Zuschlag nur von der festgesetzten Hauptsteuer - nicht auch vom gemeind- lichen Zuschlage (§16 des Gesetzes) - erhoben wird.

Zu § 21 (Ges. § 19). Der Gewerbesteuerbescheid ist vom Finanzamte schriftlich zu erteilen. Auf

ihn finden nach § 18 Abs. 1 die Vorschriften in § 211 der Reicheabgabenordnung Anwendung. Er muss also die Höhe der Steuer angeben und soll ferner eine Be- lehrung über das zulässige Rechtsmittel, die Grundlagen der Veranlagung, eine Anweisung über die Zahlungsstelle und die Punkte enthalten, in denen von der Steuererklärung abgewichen worden ist. Seine Zustellung hat verschlossen zu erfolgen.

Zu § 22 (Ges. § 20). Das Rechtemittelverfahren ist im ersten und zweiten Rechtsgang ent-

sprechend den Vorschriften der Reichsabgabenordnung über das Berufungs- 612

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Page 39: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 261

verfahren geregelt (zu vgl. § 18 des vorliegenden Gesetzes in Verbindung mit §§ 218, 221 ff., insbesondere §§ 244-264 der Reichsabgabenordnung).

Die Entscheidung über den Einspruch ist, wie für die direkten Reichssteuern vom Einkommen und Vermögen, den bei den Finanzämtern bestehenden Aus- schüssen übertragen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung). Dem Vor- steher des Finanzamts ist gegen die Veranlagung durch den Ausschuss die Be- rufung an das Finanzgericht gegeben (zu vgl. § 245 der Reichsabgabenordnung).

Zu § 23 (Ge?. § 21). Mit Rücksicht auf das Weiterbestehen des sachsischen Oberverwaltungs-

gerichts erschien es angezeigt, als letztes Rechtsmittel gegen die Berufungsent- scheidungen der Finanzgerichte nicht die Rechtsbeschwerde an den Reichsfinanz- hof, wie sie in der Reichsabgabenordnung vorgesehen ist, sondern die Anfechtungs- klage an das Oberverwaltungsgericht zu geben. Die Anfechtungsklage kann sowohl vom Steuerpflichtigen, als auch vom Vorsteher des Finanzamts erhoben werden. Die Klagberechtigung des letzteren entspricht einmal dem nach dem bisherigen Einkommensteuerrechte (§ 64 des sächsischen Einkommensteuergesetzes) dem Vorsitzenden der Reklamationskommission zustehenden Rechte zur Erhebung der Anfechtungsklage, und sodann der Berechtigung der den Steuerbescheid erlassenden Finanzbehörde zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäss § 265 der Reichsabgabenordnung. Auf die Anfechtungsklage sollen ebenso, wie auf die Anfechtungsklage gegen die Entscheidungen in Einkommensteuersachen nach dem sächsischen Einkommensteuergesetze, die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 (G.V.B1. S. 486) Anwendung finden, soweit nicht im Gewerbesteuergesetz etwas anderes bestimmt ist.

Zu §§ 24 und 25 (Ges. §§ 22 und 23). Die besonderen Bestimmungen für die Anfechtungsklage in Gewerbesteuer-

sachen sind genau den bisherigen Sonderbestimmungen in Einkommensteuersachen (§§65 und 66 des Einkommensteuergesetzes) nachgebildet. Nur ist die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage in Anlehnung an die Frist für die Geltend- machung der Rechtsmittel im ersten und zweiten Rechtsgange ( § 230 der Reichs- abgabenordnung) ebenfalls auf einen Monat - gegenüber 4 Wochen für die An- fechtungsklage in sächsischen Einkommensteuersachen - festgesetzt worden. Die Frist für die Erwiderung des Steuerpflichtigen auf die Anfechtungsklage des Vorstehers des Finanzamts ist anstatt auf „14 Tage" ebenfalls auf „1 Monat" bemessen worden.

Zu § 26 (Ges. § 24). Die Beschwerde ist in demselben Umfange zugelassen, in dem sie § 224

der Reichsabgabenordnung für das Gebiet der Reichssteuern vorsieht. Eine besondere Regelung machte sich für die nach § 282 Abs. 3 der Reichs-

abgabenordnung der Entscheidung des Reichsfinanzhofs unterliegende Beschwerde erforderlich. Da auf dem Gebiete der Gewerbesteuer der Reichsfinanzhof als Rechtsmittelinstanz nicht tätig wird, vielmehr an seine Stelle das sächsische Ober- verwaltungsgericht als höchstrichterliche Instanz tritt (zu vgl. die Begründung zu § 23), kann hier der Fall eintreten, dass die Verfügung, deren Aenderung ver- langt wird, von einer vom Oberverwaltungsgericht um Erledigung einer Beweis- aufnahme ersuchten oder beauftragten Stelle oder von der Geschäftsstelle des Oberverwaltungsgerichts erlassen worden ist. Solchenfalls soll, falls der Beschwerde nicht abgeholfen wird, das Oberverwaltungsgericht entscheiden. Ebenso bedurfte die Anfechtung der nach den §§ 283, 351 Abs. 1 Satz 4 und § 352 Satz 4 der Reichs- abgabenordnung mit der Rechtsbeschwerde an den Reichsfinanzhof anfechtbaren Beschwerdeentscheidungen der Landesfinanzämter und Finanzgerichte im Zwangs- und Sicherungsverfahren einschliesslich der Zwangsanordnungen der Finanz- gerichte besonderer Regelung. Mit Rücksicht auf die in solchen Anordnungen Segenden einschneidenden Massnahmen für den Steuerpflichtigen glaubte die

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2ß2 Sächsisches Gewerbesteuergesetz; Vom 19« Juli 1923.

Regierung diesem für die entsprechenden Fälle bei der Gewerbesteuer die Be- schwerde an das Oberverwaltungsgericht nicht vorenthalten zu können. Das Rechtsmittel der Anfechtungsklage konnte nicht in Frage kommen, weil es sich hier nicht um Entscheidungen über den Steueranspruch, sondern lediglich um einstweilige Massregeln handelt, die im Ermittlungsverfahren oder bei Durch- führung der Steueraufsicht (zu vgl. § 202 der Reichsabgabenordnung) oder zur Sicherung der im Zwangsverfahren beitreibbaren Ansprüche (§351 Abs. 1 Satz 4, § 352 Satz 4 a. a. 0.) von den Finanzbehörden getroffen worden sind (vgl. hierzu § 75 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über die Verwaltungsre.chtspflege).

Im Falle des § 283 der Reichsabgabenordnung richten sich der Umfang und die Zulässigkeit der Beschwerde nach den daselbst in Abs. 2 für die Rechts - beschwerde gegebenen Vorschriften, d. h. die Beschwerde gegen die Androhung eines Zwangsmittels erstreckt sich auf die Anordnung, die erzwungen werden soll, dafern diese nicht Gegenstand eines besonderen Beschwerdeverfahrens geworden ist. Ferner ist die Beschwerde wegen Verhängung und Ausführung eines Zwangs- mittels nur insoweit zulässig, als darin eine Anordnung oder Androhung enthalten ist und der Verhängung oder Ausführung des Zwangsmittels keine besondere Anordnung oder Androhung vorausgegangen ist.

Das Beschwerde verfahren vor. dem Oberverwaltungsgerichte richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechts- pflege (zu vgl. insbesondere §§ 70 - 72). Jedoch bewendet es bei der in § 230 der Reichsabgabenordnung für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Frist von einem Monate.

Zu"§ 27 (Ges. §25). Die Veranlagung zur Gewerbesteuer soll jeweils für ein Rechnungsjahr

erfolgen. Das Rechnungsjahr umfasst die Zeit vom 1. April bis zum 31. März.

Zu § 28 (Ges. § 26). Die einmal veranlagte Gewerbesteuer wird durch einen im Laufe des Steuer-

jahrs eintretenden Wechsel in der Person des Unternehmers grundsätzlich nicht berührt. Ein solcher Wechsel zieht weder die Wegfallstellung der Steuer beim bisherigen Inhaber noch eine Nachveranlagung des neuen Inhabers des Gewerbes nach sich. Die Haftung des bisherigen und des neuen Inhabers für die veranlagte Steuer bestimmt sich nach § 6 des Gesetzes. Auf Grund der in § 18 Abs. 1 des Gesetzes für sinngemäss anwendbar erklärten Vorschriften in § 79 Abs. 2 und § 99 der Reichsabgabenordnung kann der neue Inhaber gegen seine Heranziehung diejenigen Rechtsmittel geltend machen, die dem bisherigen Inhaber zustehen. Ist die Steuerschuld dem bisherigen Inhaber gegenüber bereits rechtskräftig fest- gestellt, so muss der neue Inhaber als Rechtsnachfolger des bisherigen Inhabers diese Feststellung gegen sich gelten lassen.

Tritt beim Personenwechsel gleichzeitig eine wesentliche Aenderung des Gewerbebetriebes (zu vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes) ein, so ist genau so, wie wenn das alte Gewerbe weggefallen und ein neues begründet worden wäre, nach den Vorschriften in § 32 Abs. 2 des Gesetzes zu verfahren, d. h. die Steuer wird vom bisherigen und vom neuen Inhaber des Gewerbes für das betreffende Rechnungsjahr nur insoweit erhoben, als jeder von ihnen das Gewerbe während voller Monate ausgeübt hat. ·

Zu § 29 (Ges. § 27). Mehrungen oder Minderungen im Laufe des Steuer jahrs an dem für das

S teuer jähr festgestellten Betriebsvermögen oder am Ertrage werden nicht be- rücksichtigt, gleichviel ob die Mehrungen oder Minderungen nur auf reichlichere oder geringere Ergebnisse des bereits besteuerten Gewerbebetriebes zurückzu- führen sind, oder ob sie die Folge einer Veränderung der gewerblichen Einkommens- quelle (Erweiterung oder Einschränkung des Gewerbes) sind. Ist dagegen das Gewerbe bei der Einschätzung übergangen worden oder im Laufe des Steuer jahrs

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 263

neu entstanden oder nach Wegfall der Voraussetzungen der Steuerfreiheit steuer- pflichtig geworden, so ist es im Wege der Nachveranlagung nachträglich zur Steuer heranzuziehen. Ist die Steuerpflicht erst im Laufe des Rechnungsjahrs begründet worden, so ist nach § 32 Abs. 2 des Gesetzes zu verfahren und die Steuer nur für die vollen Monate der Ausübung des Gewerbes zu erheben.

Nach der ausdrücklichen Vorschrift in § 29 Abs. 1 Satz 2 sind die im Laufe des S teuer jahrs in ihrer Grundlage wesentlich veränderten Gewerbe wie neu ent- standene Gewerbe zu behandeln. Die für das Gewerbe ursprünglich veranlagte Steuer wird daher nur für die vollen Monate seiner unveränderten Ausübung erhoben. Für die nach der Veränderung liegenden vollen Monate des S teuer jahrs dagegen wird das Gewerbe unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse anderweit veranlagt. Voraussetzung einer solchen anderweiten Veranlagung ist aber, dass das Gewerbe in seiner Grundlage verändert wird. Diese Aenderung kann ihren Grund insbesondere in einer Umstellung des ganzen Betriebes (Ueber- gang vom blossen Verkaufe zur Fabrikation oder Aenderung des Fabrikations- zweigs) haben. Blosse Erweiterungen des Betriebsumfangs durch Anschaffung neuer Maschinen oder Vermehrung der Zahl der Hilfspersonen rechtfertigen die Annahme einer wesentlichen Veränderung ebensowenig, wie eine Veränderung im Gesellschaftsverhältnisse der mehreren Unternehmer durch Ein- oder Austritt von Teilhabern.

Die Neuentstehung einer weiteren Betriebsstätte bedingt - vom Falle der Ausdehnung eines aussersächsischen Betriebes auf Sachsen ( § 2 Abs. 2 des Gesetzes) abgesehen - für sich allein keine Nachveranlagung. Es ist vielmehr in jedem Falle zu prüfen, ob hierdurch ein selbständiger Betrieb neu entstanden ist oder ob nur eine Erweiterung des bereits bestehenden Betriebes vorgenommen worden ist. So wird ζ. Β. die Eröffnung eines weiteren Verkaufsladens nicht als ein neuer Betrieb angesprochen werden können. Dagegen wird ein solcher an- zunehmen sein, wenn der Inhaber eines Unternehmens eine neue Fabrik mit einem anderen Fabrikationszweig eröffnet.

Für Gewerbe, die im Laufe des Steuer jahrs erlöschen oder nach § 5 des Gesetzes steuerfrei werden, ist die Steuer in Wegfall zu stellen. Die Steuer wird solchenfalls wiederum nur für die vollen Monate erhoben, während deren der steuerpflichtige Betrieb stattgefunden hat ( § 32 Abs. 2 des Gesetzes). Erloschen ist das Gewerbe, wenn es tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird. Die Abmeldung eines Gewerbes begründet für sich allein noch keinen Anspruch auf Wegfallstellung der Steuer. Die nachträgliche Einziehung einer Betriebsstätte hat, wenn man auch hier vom Falle der Auflösung der einzigen sächsischen Betriebsstätte eines aussersächsischen Unternehmens absieht, auf die Veranlagung ebensowenig Einfluss, wie die Begründung einer weiteren Betriebsstätte. Selbst der Wegfall des bisherigen Inhabers bedingt, wie bereits zu § 28 des Gesetzes ausgeführt ist, in der Regel noch keinen Wegfall der Steuer.

Im Falle des Eintritts der Steuerpflicht mit Beginn oder im Laufe des Steuerjahrs soll die Feststellung der Besteuerungsmerkmale nach dem Stande des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals im Zeitpunkte der Nachveranlagung und nach den zur Zeit der Nachveranlagung vorhandenen Merkmalen der Ertrags - fähigkeit erfolgen; die Besteuerungsmerkmale sind gegebenenfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln ( § 10 Abs. 4 und 5, § 12 Abs. 4 und 5 des Gesetzes). Der Ertrag ist also auch hier stets mit dem vollen mutmasslichen Jahresbetrag anzu- nehmen, vorbehaltlich der späteren Berichtigung nach Ablauf des ersten vollen Jahres oder des ersten vollen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahrs. Die Zulassung nach- träglicher Berichtigung (zu vgl. die in § 29 Abs. 2 mit angezogene Vorschrift in § 12 Abs. 4 Satz 3) entspricht der für Nachveranlagungen bei der Reichseinkommen- steuer geltenden Vorschrift in § 30 Abs. 1 Satz 2 des Reichseinkommensteuer- gesetzes in seiner bisherigen Fassung.

Zu § 30 (Ges. § 28). Die zu niedrig veranlagten Gewerbe sind zur Nachzahlung der entgangenen

Steuer einschliesslich der gemeindlichen Zuschläge verpflichtet. Die Voraus - 615

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2g4 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1983.

Setzungen der Nachzahlung und die Durchführung der nach dem Sprachgebrauche der Reichsabgabenordnung als „Neuveranlagung" bezeichneten Nachzahlung sind in der gleichen Weise geregelt, wie das bisherige Einkommensteuernachzahlungs- verfahren ( § 77 des sächsischen Einkommensteuergesetzes). Während aber letzteres das Bekanntwerden einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels voraus- setzte, die eine höhere Veranlagung rechtfertigen, ist der Anspruch auf Nachzahlung von Gewerbesteuer zweckmässigerweise nicht von dem Bekanntwerden solcher neuer tatsächlicher Unterlagen abhängig gemacht worden. Es genügt im Gegen- satze zum früheren Einkommensteuernachzahlungsverfahren schlechthin das Vorliegen einer Steuerverkürzung infolge einer zu niedrigen Veranlagung des Gewerbes. Einen Vorgang hierfür bieten das Gesetz über eine ausserordentliche Kriegsabgabe für das Rechnungsjahr 1918 vom 26. Juli 1918, R.G.BL S. 964 (§ 42), und das Gesetz über das Reichsnotopfer vom 31. Dezember 1919, R.G.BL S. 2189 (§ 56), wonach Neuveranlagungen zur Kriegssteuer und zum Reichs- notopfer im Falle einer zu niedrigen Veranlagung auch dann zulässig sind, wenn die höhere Veranlagung nicht auf das Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel gegründet werden kann. Auch in § 212 Abs. 2 der Reichsabgaben- ordnung ist ein solcher Verzicht auf das Erfordernis des Bekanntwerdens neuer Tatsachen oder Beweismittel für die Neuveranlagung ausdrücklich vorgesehen.

Die uneingeschränkte Anwendung dieses Grundsatzes würde eine Neu- veranlagung auch für den Fall bedingen, dass die zu niedrige Veranlagung auf einer von der neuerlichen Rechtsauffassung abweichenden rechtlichen Beurteilung bereits bekannter Verhältnisse beruht. Dies könnte, soweit die höchste Instanz die Rechtsauffassung wechselt, zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen. Ihr soll durch den Vorbehalt in § 30 Abs. 2 Satz 2 vorgebeugt werden, wonach die Neuveranlagung nicht auf eine nach Entstehung des Steueranspruchs erlassene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gegründet werden kann, dafern in dieser Entscheidung die Steuerpflicht im Gegensatze zu einer früheren, einen gleichen Tatbestand betreffenden Entscheidung desselben Gerichtshofs bejaht wird. Dieser Vorbehalt entspricht dem in § 212 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung enthaltenen Verbote der Neuveranlagung für den ähnlichen Fall des Erlasses einer von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsauffassung abweichenden Entscheidung des Reichsfinanzhofs.

Die Zurück Verfolgung des Nachforderungsanspruchs bis auf 5, bei hint er- zogenen Beträgen bis auf 10 Jahre entspricht der Vorschrift in § 212 Abs. 1 in Verbindung mit § 121 der Reichsabgabenordnung und steht auch in Einklang mit § 52 Abs. 1 des Gemeindesteuergesetzes in der Fassung vom 20. Oktober 1920 (G.V.B1. S. 431).

Zu § 31 (Ges. § 29). Das Verfahren bei Nach- und Neuveranlagungen und die hiergegen zulässigen

Rechtsmittel richten sich grundsätzlich nach denselben Vorschriften, wie sie für die allgemeine Veranlagung und die hiergegen gegebenen Rechtsmittel gelten* Eine Abweichung besteht nur insofern, als eine Mitwirkung der Ausschüsse weder für die Veranlagung noch für das Rechtsmittelverfahren vorgesehen ist. Infolge der Ausschaltung der Ausschüsse fehlt es gleichzeitig an dem Bedürfnisse, dem Vorsteher des Finanzamts die Berufung gegen die Nach- oder die Neuveranlagung zu geben. Denn das Finanzamt hat es hier ohne weiteres in der Hand, bei der Veranlagung das Steuerinteresse in vollem Umfange zu wahren. Diese Regelung entspricht übrigens auch der in § 18 Abs. 1 des Gesetzes mit aufgeführten Vor- schrift des § 245 der Reichsabgabenordnung, wonach der Vorsteher des Finanz- amts nur gegen solche Entscheidungen des Finanzamts Berufung einlegen kann, an denen Ausschüsse teilgenommen haben.

Zu § 32 (Ges. § 30). Die Gewerbesteuer soll in vierteljährlichen gleichen Teilzahlungen zu den

für die Reichseinkommensteuer massgebenden Zahlungszeiten entrichtet werden. Da die Gewerbesteuer mit der Reichseinkommensteuer in engem Zusammenhange

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 265

steht und demzufolge auch gleichzeitig mit dieser Steuer veranlagt werden soll, empfahl es sich, die Teilzahlungen für die Gewerbesteuer mit denen für die Reichs- einkommensteuer zusammenzulegen.

Bei den Teilzahlungen erschien es zur Vermeidung kleinerer Teilbeträge als solcher von 10 Pf. und insbesondere halber Pfennigbeträge bei der Betriebs- anlage (1/2 v. H.) angebracht, eine Abrundungsvorschrift für die Einzelbeträge in das Gesetz aufzunehmen. Die Vorschrift ist der in § 70 Abs. 4 des Besitzsteuer- gesetzes vom 3. Juli 1913 (R.G.B1. S/524) nachgebildet.

Soweit die Steuerpflicht im Laufe des Rechnungsjahrs entsteht oder weg- fällt, soll die Steuer billigerweise nur für die vollen Monate erhoben werden, während deren das Gewerbe ausgeübt worden ist.

[ Zu § 33 (Gee. gestrichen). Die Zerlegung der Steuer in die Anteile der Gemeinden erfolgt gleichzeitig

mit der Veranlagung der Steuer durch die hierfür zuständige SteUe. Zur Fest- setzung der Anteile im Streitfall ist ein den Vorschriften des Landessteuergesetzes (§§ 14 48) nachgebildetes, aber vereinfachtes Verfahren vorgeschrieben, bei dem ausser den Gemeinden auch der Steuerpflichtige als Beteiligter zugelassen ist, da er wegen verschieden hoher Zuschlagsrechte unter Umständen ein wesent- liches Interesse an der Ermittlung der Anteile hat (zu vgl. § 16 Abs. 3 in Verbindung mit § 33 Abs. 5 des Gesetzes).

Eine Besonderheit des Verfahrens gegenüber dem im Landessteuergesetze vorgesehenen Verteilungsverfahren besteht darin, dass die Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzamts nicht endgültig ist, sondern einer weiteren Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht unterliegt. Für diese Beschwerde gelten dieselben Vorschriften, wie für die in § 26 Abs. 2 und 3 des vorliegenden Gesetzes vor- gesehenen Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht (zu vgl. § 26 Abs. 4).

Zu § 34 (Ges. § 31). Für den Erlass und die Stundung der Gewerbesteuer ist das Finanz-

ministerium zuständig. Da diese Befugnis einen Ausfluss der Steuerhoheit bildet, musste das Finanzministerium sich die Erlass- und Stundungsbefugnis vor- behalten.

Die Eigenschaft der Gewerbesteuer als einer auf den Gegenstand gelegten Steuer würde an sich die ♦Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ausschliessen und lediglich solchen Ereignissen Bedeutung zu- kommen lassen, die den Ertrag des Gewerbes beeinträchtigen. Die dem Erlass und der Stundung solchenfalls gezogenen engen Schranken würden all- gemeinen Billigkeitserwägungen keinen genügenden Raum lassen. Es erschien jedoch wünschenswert, die Möglichkeit zu schaffen, auch in anderen als den bei einer Extrasteuer an sich gegebenen Fällen Gewerbesteuererlasse und -Stundungen im Falle des Bedürfnisses eintreten zu lassen. Der § 34 sieht daher ganz allgemein die Bewilligung von Erlass oder Stundung für den Fall vor, dass die Einziehung der Steuer für den Steuerpflichtigen eine erhebliche Härte bedeuten würde. Bei der Stundung ist ausserdem eine Schranke insofern gesetzt, als der Steueranspruch durch die Stundung nicht gefährdet werden darf (zu vgl. § 105 Abs. 2 der Reichs- abgabenordnung). Die in der Erhebung der Steuer für den Unternehmer liegende erhebliche Härte kann sowohl in äusseren Umständen (Brand der Betriebsstätte) wie auch in der Person des Unternehmers (ungünstige Einkommens- und Ver- mögensverhältnisse) begründet sein. Auf Grund des Härteparagraphen werden aber immer nur in einzelnen Fällen Erleichterungen geschaffen werden dürfen. Ein allgemeines Darniederliegen einzelner Wirtschaftszweige oder ein allgemeiner Preisabbau würden dagegen ein Eingreifen auf Grund dieser Vorschrift nicht rechtfertigen.

Zweckmässig erschien es, die Uebertragung der Erlass- und Stundungs- befugnis auf die nachgeordneten Steuerbehörden vorzubehalten. Im Falle einer solchen Uebertragung richtet sich die Ausübung der Befugnis durch die hiermit

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2gß Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

beauftragten Stellen, soweit nicht im vorliegenden Gesetz oder den zu erlassenden Ausführungsbestimmungen etwas anderes vorgeschrieben ist, nach den ent- sprechenden Bestimmungen der Reichsabgabenordnung (zu vgl. § 18 Abs. 1 des Gesetzentwurfs in Verbindung mit § 105 Abs. 2, § 106 der Reichsabgabenordnung).

Der Erlass oder die Stundung erstreckt sich ohne weiteres auch auf die von den Gemeinden beschlossenen Zuschläge. Selbstverständlich ist es den Ge- meinden unverwehrt, in einzelnen Fällen, in denen ein Erlass oder eine Stundung der Hauptsteuer nicht nachgesucht oder nicht bewilligt worden ist, ihrerseits auf die Erhebung der Zuschläge zu verzichten oder deren Zahlung zu stunden.

Zu § 35 (Ges. § 32). Die Strafbestimmung lehnt sich an die Strafbestimmungen des Reichs in

seinen neuen Steuergesetzen an (vgl. z. B. § 53 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920, R.G.B1. S. 359; § 30 des Körperschaftssteuergesetzes vom 30. März 1920, R.G.B1. S. 393).

Die als Nebenstrafe vorgesehene Gefängnisstrafe kann im Hinblick auf die in § 5 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 (Bundesgesetzblatt S. 195) dem Landesrechte gezogenen Schranken auf höchstens 2 Jahre lauten. In das Gesetz selbst ist diese - nach dem geltenden Rechte selbstverständliche - Beschränkung nicht mit aufge- nommen worden, weil es nicht ausgeschlossen erscheint, dass bei der bevorstehenden Neubearbeitung des Strafgesetzbuchs diese Schranke ganz fällt oder doch hinauf- gezogen wird.

Zu § 36 (Ges. § 33). Auf die Zuwiderhandlungen gegen das vorliegende Gesetz und auf das

Strafverfahren wegen solcher Zuwiderhandlungen finden wieder - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die eingehenden Vorschriften der Reichsabgabenordnung über Straf recht und Strafverfahren (§§ 355 - 443) sinngemäss Anwendung. Unter diesen Vorschriften sind in materieller Beziehung insbesondere die über tätige Reue (§ 374), über den Rückfall (§ 369) und über Verjährung (§ 384) hervor- zuheben. Weggelassen sind ausser dem Falle einer präjudiziellen Entscheidung des Reichsfinanzhofs (§ 433) nur die Vorschrift in § 425 und die für gerichtliche Strafen geltende entsprechende Vorschrift in § 440, dass die erkannten Geld- strafen dem Reiche zufallen. An Stelle der §§ 425 und 440 ist in Abs. 3 bestimmt, dass die wegen Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz erkannten Geldstrafen in die Staats kasse fliessen. Dies erscheint deshalb gerechtfertigt, weil es sich um die Hinterziehung einer Landessteuer handelt und die Bestrafung - gleich- gültig ob durch die Reichssteuerbehörden oder Landesbehörden - stets in Aus- übung eines staatlichen Hoheitsrechts erfolgt. Die Geldstrafen fliessen auch insoweit in die Staatskasse, als sie auf die gemeindlichen Zuschläge (vgl. § 20 Abs. 2 des Gesetzes und' die Begründung hierzu) entfallen. Die in § 433 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung dem Reichsfinanzminister vorbehaltene Nieder- schlagungsbefugnis steht nach dem in § 36 Abs. 1 Satz 2 angezogenen § 18 Abs. 2 dem Finanzministerium zu.

Eine besondere Regelung erschien noch hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses erforderlich, durch den das Landesfinanzamt dem Steuerpflichtigen wegen Unzuverlässigkeit die Fortsetzung seines Betriebes oder seines Berufs auf Zeit oder Dauer untersagt (§ 366 Abs. 1). Die Reichsabgabenordnung gibt gegen einen solchen Beschluss des Landesfinanzamts die Beschwerde an den Reichsfinanzhof ( § 366 Abs. 3). Die Regierung glaubte, auch in diesem Falle dem Steuerpflichtigen für das Gebiet der Gewerbesteuer eine entsprechende Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht nicht versagen zu sollen. Diese Be- schwerde hat, wie die in § 366 Abs. 3 behandelte Beschwerde an den Reichsfinanz- hof, aufschiebende Wirkung; im übrigen gelten für sie dieselben Vorschriften, wie für die in den Fällen von § 26 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes gegebenen Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht (vgl. § 26 Abs. 4 und die Begründung hierzu).

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Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 267

Zu § 37 (Ges. gestrichen). So sehr es an sich erwünscht gewesen wäre, der Staatskasse schon für das

Rechnungsjahr 1920 den Ertrag der Gewerbesteuer zu sichern, und obwohl die Regierung deshalb den Gesetzentwurf mit tunlichster Beschleunigung fertig- gestellt hat, war sie doch aus anderen Gründen nicht in der Lage, den Entwurf dem Landtage früher vorzulegen. Die Verzögerung ist insbesondere darauf zurück- zuführen, dass bis in die letzten Wochen hinein die Frage noch ungeklärt war, wem die Verwaltung der neuen Landessteuern (Gewerbesteuer und Grundsteuer) übertragen werden sollte. Wie bereits in der allgemeinen Begründung (unter C) dargelegt worden ist, hatten die Gemeinden und namentlich die grösseren Ge- meinden den dringenden Wunsch auf Ueberlassung dieser Verwaltung geäussert, während sich anderseits die Reichsfinanzbehörden zur Uebernahme der Ver- waltung der Gewerbesteuer in toto bereit erklärt, dagegen die Ueber- nahme der Grundsteuer ebenso wie eine nur teilweise Uebernahme beider Steuern abgelehnt hatten. Die Frage ist Gegenstand wiederholter Besprechungen der sächsischen Regierung mit dem Reichsfinanzministerium, dem Landesfinanz - Präsidenten und den Vertretern des Sächsischen Gemeindetags gewesen.

Eine Inkraftsetzung des Gesetzes noch für das Rechnungsjahr 1920 konnte unter diesen Umständen nicht mehr in Frage kommen. Die Präsidenten der beiden sächsischen Landesfinanzämter haben aber dem Finanzministerium die Zusicherung gegeben, dass die Veranlagung der Gewerbesteuer von den Finanz- ämtern alsbald nach der Verabschiedung des Gesetzes und, dafern die Veranlagung der Reichseinkommensteuer zu dieser Zeit noch nicht durchgeführt sein sollte, zusammen mit dieser vorgenommen werden wird. Sollte die Veranlagung zur Reichseinkommensteuer für das Rechnungsjahr 1920 beim Inkrafttreten des Gewerbesteuergesetzes bereits ganz oder teilweise durchgeführt sein, so bleibt nichts übrig, als die bei den Finanzämtern bestehenden Ausschüsse anderweit zur Veranlagung der Gewerbesteuer einzuberufen. Die Landesfinanzämter hatten zwar den Wunsch geäussert, dass solchenfalls bei der erstmaligen Veranlagung der Gewerbesteuer für das Rechnungsjahr 1921 von der Mitwirkung der in § 18 Abs. 2 des Gesetzes vorgesehenen Ausschüsse ausnahmsweise abgesehen werden möchte. Die Regierung glaubte jedoch, im Hinblick auf die Bedeutung gerade der erstmaligen Veranlagung und in Anerkennung der von den Berufsvertretungen gegen eine solche Ausschaltung der Ausschüsse erhobenen Bedenken auf die Mitwirkung der Ausschüsse bei der erstmaligen Veranlagung nicht verzichten zu können.

Die besondere Vorschrift in § 37 Abs. 2 Satz 2 machte sich deshalb notwendig, weil es im Hinblick auf die Hinausschiebung der erstmaligen Veranlagung zweck- niässig erschien, beim Vorliegen besonderer Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre zwar noch diejenigen Wirtschafts- (Betriebs-) Jahre zu berücksichtigen, deren Er- gebnisse am 1. April 1921 festgestellt werden konnten, nicht aber diejenigen, deren Ergebnisse erst nach diesem Zeitpunkte, wenn auch zur Zeit der Veran- lagung für das Rechnungsjahr 1921 feststellbar sind.

Zu § 38 (Ges. § 41). Die in § 38 vorgesehene Ermächtigung des Finanzministeriums, die Veran-

lagung der Gewerbesteuer im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu übertragen, entspricht einem drin- genden Wunsche der Gemeinden (zu vgl. die Ausführungen in der allgemeinen Begründung unter C). Zweckmässig erschien es, für diesen Fall die nähere Regelung des Verfahrens dem Finanzministerium vorzubehalten. Auf Grund dieses Vor- behalts kann das Finanzministerium die erforderlichen Bestimmungen im Ver- ordnungswege treffen (vgl. § 43 des Gesetzes.)

Zu § 39 (Ges. § 37). Da bis zur endgültigen Eingemeindung der selbständigen Gutsbezirke noch

geraume Zeit vergehen wird, machten sich Uebergangs Vorschriften notwendig, 619

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Page 46: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

268 Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923.

die Bestimmung über die Verteilung der innerhalb der selbständigen Gutsbezirke aufgebrachten Gewerbesteuer treffen. Das Recht, Zuschläge zur Gewerbesteuer zu erheben, soll solchenfalls dem Bezirksverbande zustehen, dem der selbständige Gutsbezirk angehört, wie umgekehrt dem Bezirksverband auch die Verpflichtung obliegt, zu der in § 14 Abs. 2 des Gesetzes vorgesehenen Ueberweisung aus den Anteilen und den Zuschlägen der Gemeinden an den Ausgleichstock beizutragen. Im übrigen entspricht die Regelung den massgebenden Vorschriften des Vollzugs- gesetzes zum Landesteuergesetze (§§ 10 - 14).

Zu § 40 (Ges. gestrichen). Dass mit dem Inkrafttreten der staatlichen Gewerbesteuer die von einzelnen

Gemeinden namentlich noch in den letzten Monaten eingeführten allgemeinen Gewerbesteuern ausser Kraft zu treten haben, ist im Hinblick auf die Beteiligung der Gemeinden am Steueraufkommen selbstverständlich. Neben der allgemeinen Gewerbesteuer kann aber auch die Forterhebung der bisher von einzelnen Ge- meinden auf Grund der §§55 und 56 des Gemeindesteuergesetzes vom 11. Juli 1913 (vgl. §§26 und 27 des Gemeindesteuergesetzes in der neuen Fassung vom 20. Ok- tober 1920 - G.V.B1. S. 431) eingeführten Sondergewerbesteuern nicht mehr zugelassen werden. Die Weitererhebung solcher Sondergewerbesteuern würde zu einer besonderen Belastung einzelner Arten von Gewerben führen; solche Ungleichheiten in der Besteuerung sollen künftig nicht mehr bestehen. Sonder- steuern dieser Art können daher auch denjenigen Gemeinden nicht belassen werden, die sich zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. April 1921) bereits ein- geführt haben. Die Bestimmungen über solche Sondersteuern mussten deshalb aufgehoben werden. Für ihre Forterhebung in den Gemeinden ist kein Raum mehr.

Unter Sondergewerbesteuern im Sinne der angeführten Bestimmungen sind aber nur direkte, also jährlich wiederkehrende Abgaben zu verstehen (zu vgl. Koch, Erläuterungsbuch zum Gemeindesteuergesetze, 2. Bd., Anm. 1 zu § 55). Abgaben, die - wie z. B. Vergnügungssteuern - für den einzelnen Fall (Veranstaltung) erhoben werden oder die - wie die den Gemeinden nachgelassene Biersteuer - auf den Verbrauch abgestellt sind und damit zu den indirekten Ab- gaben gehören, fallen selbst dann nicht unter die nach § 40 unzulässigen Sonder- gewerbesteuern, wenn sie vom Unternehmer eines Gewerbes zu entrichten sind. Dagegen werden Reklamesteuern unter die nach § 40 künftig verbotenen Steuern fallen (vgl. das Urteil des sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 1912, Nr. 315 II S/12, Jahrbücher Bd. 19 S. 317). Dass die Erhebung von Wander- lagersteuern den Gemeinden nach wie vor nachgelassen ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass das Wanderlager keinen stehenden Gewerbebetrieb darstellt. Dem- zufolge ist auch die Bestimmung in § 58 des Gemeindesteuergesetzes (vgl. § 28 der neuen Fassung) in § 40 dieses Entwurfs nicht mit aufgehoben worden.

Auch den Bezirksverbänden konnte das ihnen in § 7 Abs. 3 des Vollzugs- gesetzes zum Landessteuergesetze verliehene Recht zur Besteuerung des Gewerbe- betriebes nicht mehr belassen werden, soweit es den Gemeinden genommen worden ist. Für die Bezirksverbände gilt daher dasselbe Verbot wie für die Gemeinden. Soweit sie hiernach Steuern vom Gewerbebetriebe nicht mehr erheben dürfen, erledigt sich die ihnen in § 7 Abs. 3 des Vollzugsgesetzes zum Landessteuergesetze vorbehaltene Ermächtigung ohne weiteres; denn diese besteht nur, „soweit nicht Vorschriften des Reichs- oder Landesrechte entgegenstehen".

Soweit beim Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes gemeindliche Gewerbe- steuern der in § 40 erwähnten Art von Steuerpflichtigen für die Zeit nach dem 31. März 1921 bereits entrichtet sind, bleibt es ihnen überlassen, die Erstattung dieser Beträge von den Gemeinden (Bezirks verbänden) zu beanspruchen.

y Zu § 41 (Ges. § 42). Da ein ausserhalb des Wohnorts des Inhabers feilgebotenes Wanderlager

nach § 4 des Gesetzes, die Besteuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen betreffend, vom 1. Juli 1878 (G.V.B1. S. 121) auch dann, wenn die Feilbietung

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Page 47: Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923

Sächsisches Gewerbesteuergesetz. Vom 19. Juli 1923. 269

in der Form des steh en den Gewerbebetriebes erfolgt, zunächst für die Dauer des Kalenderjahrs, in dem der Gewerbebetrieb begonnen hat, und weiter solange, als nicht ausser Zweifel steht, dass der Inhaber eine dauernde gewerbliche Niederlassung begründet hat, der Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen unterliegt, erschien es ein Gebot der Billigkeit, den Gewerbebetrieb solchenfalls für die Dauer seiner Heranziehung zur Wanderlagersteuer von der Steuer auf Grund des vorliegenden Gesetzes freizulassen. Es wird sich hierbei regelmassig nur um die Dauer des Kalenderjahrs handeln, in dem der Gewerbe- betrieb begonnen worden ist; für die nach Schluss dieses Kalenderjahrs liegenden Monate des Rechnungsjahrs ist der Gewerbebetrieb nach dem vorliegenden Gesetz- entwurfe zur Gewerbesteuer heranzuziehen. Einen gleichen Vorbehalt für die Dauer der Besteuerung des Wanderlagers auf Grund von § 2 des Gesetzes, die Abänderung einer Bestimmung der Revidierten Städteordnung und Landgemeinde- ordnung, sowie die weitere Besteuerung des Wanderlagerbetriebes betreffend, vom 23. März 1880 (G.V.B1. S. 47) zu treffen, erübrigte sich deshalb, weil die Heranziehung des Unternehmers zur gemeindlichen Wanderlagersteuer durch die Begründung einer gewerblichen Niederlassung schlechthin, also im Gegensatze zu § 4 des Gesetzes vom 1. Juli 1878 auch für das erste Jahr der Feilbietung des Wanderlagers, ausgeschlossen wird (zu vgl. L ο r e y, Die Besteuerung des Gewerbe- betriebs im Umherziehen, Abschnitt IV, Anm. 3 a zu § 2 des Gesetzes vom 23. März 1880, S. 169).

Zur Ergänzung der für die Besteuerung der Wanderlager massgebenden gesetzlichen Bestimmungen wird noch auf das vom Landtage kürzlich verab- schiedete Gesetz zur Abänderung der Bestimmungen über die (gemeindliche) Wanderlagersteuer vom 23. März 1921 (G.V.B1. S. 74), sowie auf den dem Land- tage bereits vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über Abänderung des Gesetzes vom 1. Juli 1878, die Besteuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen betreffend (Vorlage Nr. 47) Bezug genommen.

Zu § 42 (Ges. gestrichen). Solange sich die Lastenverteilung zwischen dem Staate und den Gemeinden,

im besonderen hinsichtlich der Uebernahme der persönlichen Schullasten und der Polizeilasten auf den Staat, nicht klar übersehen lässt, kann, wie bereits zu § 14 des Gesetzes ausgeführt ist, auch das Beteüigungsverhältnis von Staat und Ge- meinden am Ertrage der Gewerbesteuer nicht endgültig festgelegt werden. Die endgültige Regelung wird vielmehr auch hinsichtlich des Beteiligungsverhältnisses von Staat und Gemeinden am Gewerbesteuerertrag in demjenigen Gesetz erfolgen müssen, das nach § 1 Abs. 1 Satz 3 des Vollzugsgesetzes zum Landessteuergesetz über den Lastenausgleich zu ergehen hat (zu vgl. § 55 des Landessteuergesetzes).

Nachtrag sur Salzsteuer (siehe oben S. 99). Durch Verordnung vom 1«. November 1983 (R.G.B1. 1 Nr. 116 S. 1083) wurde mit Wir-

kung vom 16. November 1923 ab die Steuer von Salz auf 0,74 Goldpfennig für 1 Kilogramm Reingewicht festgesetzt.

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