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reformiert 3.2012

Date post: 04-Mar-2016
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"Lasset die Kinder zu mir kommen, ..." berichten Matthäus, Markus und Lukas übereinstimmend in ihren Evangelien über die Segnung von Kindern durch Jesus. Mehr als 15.000 Kinder leben in den Kirchengemeinden der Evangelisch-reformierten Kirche. Wie leben sie, wie beten sie, darum soll es in der 3. Ausgabe von "reformiert" gehen.
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reformiert Berichte und Bilder aus der Evangelisch-reformierten Kirche 3 reformiert 2012 Juni Juli August Kinderleben Gemeindewahlen am 18.11.2012 www.gemeindewahlen.reformiert.de Meine Kirche! mehr auf Seite 10
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Page 1: reformiert 3.2012

v

r e f o r m i e r tBerichte und Bilder aus der Evangelisch-reformierten Kirche

3 reformiert 2012

Juni

Juli

August

Kinderleben

Gemeindewahlen am 18.11.2012

www.gemeindewahlen.reformiert.de

MeineKirche!

mehr auf Seite 10

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23 reformiert 2012

„Die Arbeit ist kind-

zentrierter geworden“

„Wer betet, schaut sich

sein Leben genau an“

Seite 4

„Jedes Kind ist kompetent“

Kindergärten sind evangelische

Bildungseinrichtungen

Seite 6

Kinder beten

Fragen an Bernhard Schmeing

Seite 8

Zwei Gesichter einer Reise

Seite 10

Gemeindewahlen am 18.11.2012

Seite 12

Langer Atem

Seite 13

Ein Dorf ist stolz auf seine Orgel

Seite 14

„Diese sinnlose Tat hat uns

alle überfordert“

Seite 16

Reformierter Reisetipp:

Friedensstadt Osnabrück

Seite 17

Personen

Seite 18

Aktuelles, Impressum

Seite 20

Position: „Günter Grass geht

es um den Weltfrieden“

Kinderleben

S. 12

S. 6

S. 4

S. 13

Die Mitgliedszeitschrift ,reformiert’ wird an alle

Haushalte der Evangelisch-reformierten Kirche kos-

tenlos verteilt. Möchten Sie auch ,reformiert’ lesen?

Tel. 0491 / 91 98 212, E-Mail: [email protected]

Möchten Sie unsere Zeitschrift unterstützen?

Spenden Sie auf folgendes Konto:

Reformiert, Konto-Nr. 90 60 08

Sparkasse LeerWittmund, BLZ 285 500 00

Spendenquittung wird zugesandt.

Titelbild: Claudia Paulussen - Fotolia.com

Foto: Andre Berends

Foto: Sebastian Bete

Page 3: reformiert 3.2012

33 reformiert 2012

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Lasset die Kinder zu mir kommen, ...“ berichten Matthäus, Markus und Lukas übereinstimmend in

ihren Evangelien über die Segnung von Kindern durch Jesus. Mehr als 15.000 Kinder leben in den

Kirchengemeinden der Evangelisch-reformierten Kirche. Wie leben sie, wie beten sie, darum soll es in

dieser Ausgabe von „reformiert“ gehen - zwei Blickrichtungen auf das Kinderleben.

Freuen Sie sich mit mir auch über die schönen Bilder von Kindern in der Gemeinde. Und in der nächsten

Ausgabe berichten wir über Pastoren, die für ihre Kinder „Elternzeit“ hatten.

Mit dieser Ausgabe von „reformiert“ startet eine kleine Kampagne zu den Gemeindewahlen im Novem-

ber. Am 18.11. haben Sie die Gelegenheit, mit Ihrer Stimme Kirche zu gestalten. Sie sind aufgerufen,

Ihren Kirchenrat oder Ihr Presbyterium zu wählen und sich damit demokratisch am Gemeindeleben zu

beteiligen. Auch hier ein Blick auf die nächste Ausgabe: Sie steht ganz im Zeichen der Wahlen – mit

dem Ziel, dass Sie sich dann möglichst an den Wahlen in Ihrer Kirchengemeinde beteiligen. Der Einstieg

dazu auf den Seiten 10 bis 11.

Ich wünsche Ihnen eine gute Sommerzeit und hoffe auf eine inspirierende Lektüre.

Ihr Ulf Preuß - Pressesprecher der

Evangelisch-reformierten Kirche

Foto: Richard Irmer

Kinderleben im Michaelskindergarten in Neuenkirchen bei Bremen

Berichte und Bilder über Kinder und Kirche

Page 4: reformiert 3.2012

85 Kinder in Neuenkirchen haben in diesem

Jahr richtig Glück gehabt. Sie durften aus ihrem

alten Michaelskindergarten, auf dem Kirchenge-

lände direkt neben dem Gemeindehaus, in einen

Neubau direkt nebenan umziehen. Anfang Mai

war die offizielle Eröffnung. Auf jetzt 700 qm sind

helle, freundliche Räume entstanden, viele von

ihnen in einer L-Form, so wie es sich die Erzie-

herinnen im Planungsprozess gewünscht hatten.

„Diese Form bietet gute Möglichkeiten, für die

Kinder in einem Raum auch Rückzugsmöglichkei-

ten zu schaffen“, erzählt die Kindergartenleiterin

Heike Ahlers. Auch die Kinder durften bei der

Planung mithelfen. Sie malten ihren Wunschkin-

dergarten und wünschten sich dabei, so Heike

Ahlers, helle Räume und viele Treppen. Und das

ist auch in Erfüllung gegangen. Besonders das

Treppenhaus haben die Kinder als Spielplatz ent-

deckt. „Das ist so beliebt, dass wir inzwischen

dort manchmal eingreifen müssen.“

Mit den neuen Räumen ließ sich auch das Kon-

zept der Kindergartenarbeit in Neuenkirchen auf

die Wünsche des Erzieherinnenteams umstellen.

So gibt es jetzt sechs Themenräume, die die Kin-

der nach ihren Wünschen und Begabungen selb-

ständig aufsuchen können: Bauen und Logisches

Denken, Sprache und Kreativität, Musik und Rol-

lenspiel, Bewegungsraum und Kuschelraum. Be-

sonders beliebt ist der Forscher- und Experimen-

tierraum. „Wir sehen jedes Kind als kompetentes

Kind“, meint Heike Ahlers und man spürt, dass in

Neuenkirchen diese Haltung gegenüber dem Kind

in die Kindergartenarbeit einfließt.

Der Kindergarten im fränkischen Bayreuth ist

kleiner, 19 Kinder kommen hier jeden Tag und

davon sind fünf behindert. Damit ist schon be-

schrieben, was den Kindergarten auszeichnet.

„Jedes Kind ist kompetent“ Kindergärten sind evangelische Bildungseinrichtungen

Etwa 3000 Kinder besuchen die 44 Kindergärten in den Kirchengemeinden der Evangelisch-

reformierten Kirche. Der neueste steht in Neuen kirchen bei Bremen, obwohl es ihn auch

schon seit 41 Jahren gibt. Ende November sind 85 Kinder mit ihren zwölf Erzieherinnen um-

gezogen. In Bayreuth setzt man schon seit 40 Jahren auf integrative Arbeit

„ ... jeder kommt einen Schritt

auf seinem Lebensweg voran.“

Sylvia Jahn

„ ... manchmal beißt man sich

vor Lachen auf die Zunge.“

Heike Ahlers

Fotos: Richard Irmer

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„Jedes Kind ist kompetent“ Kindergärten sind evangelische Bildungseinrichtungen

Etwa 3000 Kinder besuchen die 44 Kindergärten in den Kirchengemeinden der Evangelisch-

reformierten Kirche. Der neueste steht in Neuen kirchen bei Bremen, obwohl es ihn auch

schon seit 41 Jahren gibt. Ende November sind 85 Kinder mit ihren zwölf Erzieherinnen um-

gezogen. In Bayreuth setzt man schon seit 40 Jahren auf integrative Arbeit

Die meisten der 44 Kindergärten liegen in der Grafschaft Bentheim

und in Ostfriesland. Etwa 260 pädagogische Fachkräfte arbeiten in

den 117 Kindergarten- und 11 Krippengruppen. Die wichtigste Finan-

zierungsquelle sind Zuschüsse der Bundesländer und der Kommunen

sowie die Elternbeiträge. Das Diakonische Werk der Evangelisch-

reformierten Kirche zahlt jedes Jahr 430.000 Euro für die Kindergar-

tenarbeit.

Adressen der Kindertagesstätten:

www.diakonie.reformiert.de/index.php/Unsere_Mitglieder.html

Kindergarten Neuenkirchen:

www.neuenkirchen.reformiert.de/michaelskindergarten.html

Kindergarten Bayreuth:

www.kita-bayern.de/bt/erlangerstrasse/index.htm

Von einer Elterninitiative gegründet, gab es 1971

den Aufnahmeantrag von Eltern eines behinder-

ten Kindes. Das, was heute überall gesetzlich

geregelt ist, dass nämlich behinderte Kinder in

den Kindergartenalltag integriert werden müssen,

wurde in Bayreuth schon vor 40 Jahren mit Willen

aller Eltern umgesetzt. „Auch heute tragen alle El-

tern den Gedanken der Inklusion mit“, sagt Sylvia

Jahn, seit neun Jahren Leiterin in Bayreuth. Und

auch noch immer spielt die Elternarbeit eine we-

sentliche Rolle. Einmal im Monat ist Elternabend

und alle Eltern verpflichten sich, zwei Wochen pro

Jahr Elterndienst im Kindergarten zu leisten. Das

ist so erfolgreich, dass es sogar Väter gibt, die

dafür Urlaub nehmen, sagt Sylvia Jahn. Und wenn

Besuchern des Kindergartens gar nicht auffällt,

dass von den Kindern fast ein Viertel behindert

ist, spricht auch das für den Erfolg des Konzepts

der Inklusion.

Heike Ahlers aus Neuenkirchen und Sylvia

Jahn aus Bayreuth stehen beide stellvertretend

für eine Entwicklung in der Kindergartenarbeit.

Die Kinder sind immer noch zwischen drei und

sechs Jahren alt, aber der Blick der Erzieherinnen

auf die Kinder hat sich gewandelt. „Die Arbeit ist

kindzentrierter geworden“, sagt Ahlers. Und die

Kinder seien in der Lage, sich intensiv einzubrin-

gen. Früher hätten die Erzieherinnen Bilderbücher

vorgelesen, Singspiele und Bastelangebote ge-

macht, heute entscheiden die Kinder mit, womit

und wie sie sich beschäftigen. Sylvia Jahn formu-

liert es so: „Die Frage ist immer, wie kann ich alle

erreichen, so dass vom Angebot alle profitieren

und jeder auf seinem Lebensweg ein Stück vor-

ankommt.“

von Ulf Preuß

I N F O

Kindergartenkinder

aus Bayreuth auf

dem Außengelände

Neuenkirchener

Kinder führen ein

Singspiel beim Fest-

akt zur Kindergar-

teneröffnung auf.

Zuvor gestalte-

ten sie auch den

Gottesdienst in der

Michaelskirche mit.

Einmal im Monat

leiten Pastorin

und Pastor im

Kindergarten einen

Aktionstag zu einer

biblischen Geschich-

te an.

Foto: privat

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63 reformiert 2012

Welche Rolle spielt das Beten mit Kindern in Ih-

ren Augen heute?

Wer betet, weiß wie es ihm geht! Das heißt: Wer

betet, wird sich seiner Wünsche, seiner Ängste,

seiner Hoffnungen bewusst. Und das gilt in glei-

chem Maße für Erwachsene und Kinder. Wer be-

tet, schaut sich sein Leben genau an!

Erwachsene und Kinder machen sich in unseren

Kirchengemeinden gemeinsam auf die Spurensu-

che nach dem, was uns trägt und was uns tröstet.

Dabei hören sie biblische Geschichten von Men-

schen, die Erfahrungen mit Gott gemacht haben.

Und sie hören dabei von Menschen, die sich im

Gebet an Gott gewendet haben. Wir dürfen und

können also von den Vorfahren des Glaubens ler-

nen, wie man beten kann. Wir müssen, Gott sei

Dank, das Beten nicht „neu erfinden“.

Wie haben Sie mit Ihren Kindern gebetet?

Meine Frau und ich haben unseren Kindern, als

sie klein waren, abends am Bett ein Gebetslied,

eine leicht veränderte Fassung des Wiegenlieds

von Brahms vorgesungen:

„Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit

Blümlein bedeckt, schlüpf unter die Deck! Morgen

früh, weil Gott will, wirst du wieder geweckt.“

Wir beten zusammen mit unseren Kindern am

Tisch; dabei haben sich unsere Kinder eine Zeit

lang selbst ein Gebet aus einem Büchlein mit Ge-

beten von Erwin Grosche ausgesucht und gespro-

chen.

Was ist bei der Auswahl und Formulierung von

Gebeten wichtig?

Ein Gebet kann kurz oder lang sein, im Stillen ge-

sprochen oder in der Öffentlichkeit. Das richtige

Gebet gibt es nicht.

Für mich sollte ein Gebet vor allem ehrlich sein

– ich kann im Gebet auch das sagen, was mir an

mir selbst nicht gefällt. Vor Gott im Gebet darf ich

so sein, wie ich bin; darf ich so reden, wie mir

gerade zumute ist. Gebete müssen nicht hoch-

kompliziert formuliert werden. Gerade wenn ich

mit Kindern bete, kann ich das gut einüben.

Wo können Eltern für ihre Kinder Gebete finden?

Ich persönlich finde die Gebetbücher von Erwin

Grosche sehr ansprechend. Grosche geht in sei-

nen Gebeten immer wieder auf alltägliche Gefühle

ein. Seine Gebete sind einfach und schön formu-

liert. Die Gebetsbücher sind liebevoll illustriert.

Kinder betenFragen an Bernhard Schmeing, Landesjugendpastor der Evangelisch-reformier-

ten Kirche und Beauftragter für die Kindergottesdienstarbeit

Einige Bücher von Erwin Grosche:

Du bist für uns da - 250 Kindergebete

Hier ist noch Platz für dich - 50 Tischgebete

Ich sag dir Danke - 50 Dankgebete

Internet:

www.kinderkirche.de/themen/gebet/div-gebete.htm

I N F O

Der Magen knurrt,

der Magen knurrt,

er will zu essen haben.

Doch danken wir

erst Gott dafür

und preisen seine Gaben.

aus: Erwin Grosche, Hier ist noch Platz für dich

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73 reformiert 2012

Foto: epd-Bild/Jörg Stipke

Page 8: reformiert 3.2012

83 reformiert 2012

Kleinbauern. Das Wissen darum ist Jahrhunder-

te alt, doch fast wäre es in Vergessenheit gera-

ten. Firmen versprachen den Kleinbauern große

Ertragssteigerungen beim Grundnahrungsmittel

Mais, wenn sie nur ihr Saatgut kauften, heute

zumeist gentechnisch verändert. Eine Ertragsstei-

gerung war allerdings nur mit Hilfe des teuren

Kunstdüngers möglich, den die Firmen gleich mit

verkauften. Hatten sie Saatgut früher selbst ge-

wonnen, mussten die Bauern nun in jedem Jahr

Saatgut und Dünger kaufen. Da die Felder mehr

und mehr auslaugten, musste es immer mehr

Kunstdünger sein. Die Familien der Kleinbauern

gerieten in einen Kreislauf, an dessen Ende sie

nicht mehr genug hatten, um sich zu ernähren –

Mangel und Hunger waren die Folge.

Kleinbauernorganisationen suchten einen Weg,

der aus diesem Teufelskreis herausführte. „Brot

für die Welt“ unterstützte sie dabei. Am Anfang

dieses Weges stand die Wiederentdeckung vieler

traditioneller Methoden der Kleinbauern, im Zen-

trum dabei „Milpa“. In dieser Mischkultur wird

Mais gemeinsam mit Bohnen und Kürbis auf ei-

nem Feld ausgesät. Die Bohnen ranken am Mais,

Zwei Gesichter einer ReiseMit „Brot für die Welt“ in Mexiko

Kleinbäuerinnen erklären

mit einem Bild, wie ein

Familienbetrieb ausse-

hen sollte

„Siembre nuestra Milpa“ – „Sät unsere

Milpa aus“ – so prangt es auf einem gro-

ßen Wandgemälde, das eine Kleinbäuerin

auf ihrem Feld zeigt. „Milpa“, ein Begriff,

der uns auf unserer Reise begleitet. Wir

sind unterwegs mit „Brot für die Welt“

durch Mexiko. Als Mitglieder der zustän-

digen Gremien wollen wir uns über ge-

förderte Projekte in der kleinbäuerlichen

Landwirtschaft informieren.

Es wird eine Reise mit zwei völlig unterschiedli-

chen Gesichtern: Das Staunen und Entsetzen lie-

gen auf dieser Reise ganz dicht beieinander: Wie

Menschen mit Hilfe von „Brot für die Welt“ ihre

Lebensbedingungen grundlegend verändern und

Unrecht und Gewalt, die Menschen in diesem Land

widerfahren.

Für die erste Erfahrung ist „Milpa“ so etwas

wie ein Schlüsselbegriff. Er bezeichnet die alte

traditionelle Mischkultur auf den Feldern der

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93 reformiert 2012

die großen Blätter der Kürbispflanzen schützen

den wertvollen Ackerboden. Ausgesät wird nun

wieder die ganze Vielfalt traditioneller Maissor-

ten. Anstatt Kunstdünger zu verwenden, lernen

die Kleinbauern Gründüngung und Herstellung

von organischem Dünger. Zahlreiche andere Maß-

nahmen zur Tierhaltung und zum Anlegen von

Gemüse- und Kräutergärten ergänzen das Pro-

gramm. Immer ist es verbunden mit Maßnahmen

zu Wiederaufforstung, um der dramatischen Bo-

denerosion entgegenzutreten. Hunderttausende

von Bäumen wurden so schon gepflanzt. Aber

auch das Nachdenken über die Rolle von Frau-

en und Männern, Maßnahmen gegen häusliche

Gewalt und der Kampf gegen HIV/Aids gehören

dazu. Zum Gelingen trägt ganz wesentlich die Me-

thode bei, dass die Kleinbauern und Kleinbäue-

rinnen ihre gewonnenen Erkenntnisse und Erfah-

rungen miteinander teilen. Von „Bauer zu Bauer“

heißt die Methode ganz offiziell.

Im Ergebnis hat sich die Ernährungssituation

der Kleinbauernfamilien enorm verbessert. Meist

verbleibt ein Überschuss, den sie auf den Märk-

ten verkaufen können. Zudem trägt das Programm

ganz wesentlich zu einem schonenden Umgang

mit den natürlichen Ressourcen bei. Nicht um-

sonst wurde der Gründer einer der Kleinbauernor-

ganisationen, Jesús León Santos, mit dem Gold-

man Umweltpreis ausgezeichnet. Das Programm

wird ständig weiterentwickelt und ist längst zu

einem Vorbild geworden, wie die Situation von

Kleinbauern verbessert werden kann - nicht nur

in Mexiko, sondern weit darüber hinaus.

Leider ist in manchen Bundesstaaten Mexikos

diese positive Entwicklung immens gefährdet.

Und das ist das andere Gesicht dieser Reise: Das

organisierte Verbrechen bedroht die Menschen

und ihre Lebensgrundlage. Ihr Land wird ihnen

genommen. Sie werden eingeschüchtert, vertrie-

ben, verschwinden einfach oder werden ermordet.

Tief erschüttert lauschen wir den Schilderungen

von Mitgliedern einer anderen Kleinbauernorga-

nisation, die all das aus eigenem Erleben berich-

ten. Und wir bewundern ihren Mut, dass sie trotz

allem nicht aufgeben wollen. Sie, die anderen

Kleinbauernorganisationen und die Menschen-

rechtsorganisationen in Mexiko brauchen unser

Gebet und unsere Unterstützung.

von Dietmar Arends

Fotos: Dietmar Arends

Dietmar Arends ist Pastor für Diakonie und Ökumene in der Evangelisch-reformierten

Kirche. Er vertritt seine Kirche im Ausschuss für ökumenische Diakonie beim Diako-

nischen Werk und war im März dieses Jahres im Rahmen einer Informationsreise in

Mexiko und hat dort von „Brot für die Welt“ geförderte Projekte besucht.

Kleinbauern tauschen

sich über den Anbau

von Chili aus

Vielfalt

traditioneller

Maissorten

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Am 18. November* sind etwa 150.000 Menschen aus den Kirchengemeinden der Evangelisch-refor-

mierten Kirche aufgerufen, ihre Leitungsgremien neu zu wählen. Dabei sind rund 520 Personen für die

Kirchenräte/Presbyterien zu bestimmen, rund 640 für die Gemeindevertretungen.

Wahlberechtigt sind alle konfirmierten oder als Erwachsene getauften Gemeindeglieder. Neu zu beset-

zen ist jeweils die Hälfte der Plätze in den Kirchenräten oder Presbyterien sowie in den Gemeindever-

tretungen der 146 Kirchengemeinden. Die Neugewählten sind dann für sechs Jahre im Amt.

Im Anschluss an diese Gemeindewahlen werden auch die Synodalverbandssynoden und die Gesamt-

synode neu gewählt. Diese treten dann erstmals zu Beginn des Jahres 2013 neu zusammen.

* in einigen Kirchengemeinden weicht der Wahltag aus regionalen Gründen ab.

„Wenn Sie sich an den Wahlen in Ihrer Kirchen-

gemeinde beteiligen, ist das auch eine Aus-

zeichnung für die vielen Ehrenamtlichen. Ohne

ihr Engagement wäre das kirchliche Leben nicht

denkbar.“

Kirchenpräsident Jann Schmidt

„Mir gibt der in der Gemeinde gelebte Glaube Kraft

für den Alltag. Dafür möchte ich der Gemeinde gern

etwas zurückgeben. Ich übernehme gerne Verant-

wortung, um unseren Pfarrer in der Organisation

und Leitung der Gemeinde zu unterstützen.“

Annette Brand, Lüneburg

Gemeindewahlen am 18.11.2012

Scannen Sie diesen QR-Code ein.

So haben Sie die Internetadresse

www.gemeindewahlen.reformiert.de

auf Ihrem Handy.

103 reformiert 2012

18.11Kirche gestalten

- ich mache mit !

Meine

Kirche!

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Lydia Lödden - bad bentheim

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Informieren Sie sich über

die Mitarbeit in Ihrer Kirche.

Die Faltbroschüre erhalten

Sie in Ihrer Gemeinde.

Gemeindewahlen

am 18.11.2012

Page 11: reformiert 3.2012

18.11Kirche gestalten- ich mache mit !

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Meine

Kirche!

Lydia Lödden - bad bentheim

Page 12: reformiert 3.2012

123 reformiert 2012

Es waren junge Männer, die vor 125 Jahren

frischen Wind in den Gottesdienst der Kirchen-

gemeinde Gildehaus brachten. Sie hatten im be-

nachbarten Westfalen von einer anderen, neuen

Form der Kirchenmusik gehört: Dort wurde der

Gottesdienst nicht mehr nur mit der Orgel, son-

dern auch mit Posaunen, Hörnern und Trompe-

ten begleitet. „Das war damals schon ziemlich

revolutionär“, sagt

Landesposaunen-

wartin Helga Hoog-

land aus Veldhau-

sen.

Blasmusik im

Gottesdienst – das

machte die Män-

ner des evangeli-

schen Jünglings-

vereins Gildehaus

neugierig. Sie hat-

ten sich 1875 zu-

sammengeschlossen und gründeten zwölf Jahre

später den ersten Posaunenchor in der heutigen

evangelisch-reformierten Landeskirche. Damit

war die christliche Posaunenmusik, die 1843 in

Bielefeld ihren Anfang genommen hatte, auch in

die Grafschaft Bentheim geschwappt. In die Sta-

tuten des Vereins schrieben die Musiker damals:

„Der Posaunenchor Gildehaus ist gegründet im

Jahre 1887 zur Ehre Gottes, zur Erbauung und

christlichen Freude seiner Mitglieder und der Ge-

meinde.“ Das gelte auch heute noch, sagt Frank

Holke, seit 2004 Chorleiter.

Dem Posaunenchor Gildehaus gehören im Ju-

biläumsjahr 18 Musiker an. Das jüngste Mitglied

ist Maren Lankhorst. Die Elfjährige spielt im Tenor

das Euphonium. Der 80-jährige Ludwig ter Horst

ist am längsten dabei. Er spielt seit 64 Jahren im

Bass die Tuba und wird dabei von seinen Enkeln

Markus (Tuba) und Sandra (Euphonium) tatkräftig

unterstützt. Es sei in Gildehaus eigentlich immer

schon so gewesen, dass ganze Familien im Po-

saunenchor aktiv waren, berichtet Frank Holke

und fügt hinzu: „Das ist wie in einem Fußballver-

ein.“ Die Gruppe besteht etwa zu gleichen Teilen

aus Schülern und Erwachsenen.

Musikalisch habe sich der Posaunenchor Gilde-

haus in den vergangenen 20 Jahren wieder stark

an seine Wurzeln erinnert, sagt Helga Hoogland:

„Das Kirchliche steht heute eindeutig im Vorder-

grund, auf eine sehr zeitgemäße Art.“ Der älteste

Posaunenchor in der Landeskirche sei damit einer

der modernsten, meint sie. „Wir spielen zu 80, 90

Prozent kirchliche Lieder, gehen dabei aber auch

in Rock, Pop und Swing“, erklärt Frank Holke,

der Rest sei weltliche Musik. In Gildehaus komme

die ehrenamtliche Arbeit der Musiker sehr gut an,

sagt er. Der Posaunenchor habe mit seiner Form

der Verkündigung in der Kirchengemeinde seit

langem einen festen Platz.

von Andre Berends

Langer AtemDer erste evangelisch-reformierte Posaunenchor entstand 1887 in Gildehaus

I N F O

Sonderbriefmarke zum

Jubiläum, erhältlich im

Landeskirchenamt

Foto: Andre Berends

Das Jubiläum des Posaunenchores wird mit einem Landesposaunenfest mit mehr als 500 Musikern vom 6.

bis 8. Juli in Gildehaus gefeiert. Es beginnt am Freitag mit den Jungbläsertagen. Am Samstagabend gibt

das hochkarätige Ensemble „German Brass“ ab 20 Uhr ein Konzert. Am Sonntag beginnt um 11 Uhr ein

Festgottesdienst mit Kirchenpräsident Jann Schmidt. Nachmittags ist ein Gemeindefest geplant. Bei einer

Diskussion soll es um den „Gemeindegesang im 21. Jahrhundert“ gehen. Gegen 17.30 Uhr endet das Fest

mit einer Abschlussandacht mit mehreren Posaunenchören. Zum Jubiläum erscheint die Festschrift „125

Jahre Posaunenchöre in der Evangelisch-reformierten Kirche“.

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133 reformiert 2012

Der Schatz steht direkt im Zentrum, auf dem

höchsten Punkt der Rundwarf. Ein kulturelles

Erbe, ein wahres Vermächtnis von Weltrang. Denn

die Orgel in der Rysumer Kirche gehört zu den

vier ältesten auf der ganzen Welt, in Nordeuropa

gibt es keine, die früher gebaut wurde und heu-

te noch so gut erhalten und bespielbar ist. 1457

wurde das Instrument in Groningen gefertigt und

nach Rysum gebracht – vor genau 555 Jahren. Ein

Grund für die Evangelisch-reformierte Kirchenge-

meinde, nun ausgiebig zu feiern: Das internatio-

nale Jubiläum „555 Jahre – die gotische Orgel in

der Rysumer Kirche“.

Die Vorbereitungen für das Festjahr haben

bereits 2009 begonnen. „Wir haben uns vorge-

nommen, ein Jubiläum zu feiern, von dem auch

alle Rysumer etwas haben“, erzählt Pastor Hol-

ger Balder. Gesagt, getan. Heißt: Es soll nicht nur

ein kleiner Kreis von Orgelexperten dabei sein,

nicht nur wenige Kenner von Kirchenmusik bei

Konzerten nach Rysum kommen. Ganz im Gegen-

teil. „Wir möchten bei uns für viele etwas bieten,

nicht nur für einen speziellen Kreis“, sagt Balder.

Doch um groß zu feiern, war den Rysumer

schnell klar, dass man Unterstützung benötigt.

Man machte sich auf die Suche nach Kooperati-

onspartnern – und die waren schnell gefunden.

Die Ländliche Akademie Krummhörn und das

Organeum in Weener, die Ostfriesische Land-

schaft und die Stichting Groningen Orgelland, der

Krummhörner Orgelfrühling und das Musikfest

Bremen – alle sind mit im Boot, gestalten das

Jubiläum gemeinsam. „Aber“, sagt Balder, „wir

waren uns auch sicher, dass wir im Ort sehr viel

Unterstützung bekommen.“ Denn man habe in

dem rund 700 Einwohner zählendem Dorf einen

„starken Zusammenhalt“.

Die Rysumer sind stolz auf ihre Orgel, darauf,

dass Menschen aus der ganzen Welt anreisen,

um sie zu sehen, um ihren einzigartigen Klang zu

hören. Und deshalb beteiligen sich viele an der

Feier, bewahren ihr historisches Erbe und packen

mit an. „Es gibt einen großen Pool an Menschen,

die das Dorfleben aktiv mitgestalten“, freut sich

Holger Balder. Diese starke Gemeinschaft ist ei-

nes der vielen Pfunde, mit denen die Rysumer

wuchern können. Und genau diese Verbundenheit

sorgt auch dafür, dass man das wuchtige Fest-

programm überhaupt auf die Beine stellen kann.

Rund 40 Veran-

staltungen haben

die Krummhörner

für das Jubiläum

organisiert – unter

anderem Konzerte

und Führungen,

Musiktheater und

ein internationales

Symposium. Im

April wurde begon-

nen, am 1. Advent

endet das Festjahr

mit einem NDR-Radiogottesdienst. Auch viele

junge Leute sind bei den Aktionen dabei, gestal-

ten unter anderem ein Mittelalterwochenende im

Juli. „Sie nähen zum Teil die historische Kleidung

selbst“, sagt Balder und ergänzt: „Viele Rysumer

bringen sich hier mit ein.“

Aber warum wurde nicht schon früher gefeiert?

„Zum 500. Jubiläum war hier noch niemandem

bekannt, was für einen Schatz wir besitzen“, er-

zählt der Pastor, „und zum 550. Geburtstag wur-

de die Kirche gerade restauriert. Also haben wir

uns für die 555-Jahr-Feier entschieden.“ Ein gro-

ßes Fest für ein Kulturerbe von Weltrang.

von Sebastian Bete

Das Dorf ist stolz auf seine Orgel555 Jahre gotische Orgel in Rysum

www.rysum.reformiert.de

Pastor Holger Balder

(links) mit dem Orga-

nisten Prof. Wolfgang

Zerer, der an der Rysu-

mer Orgel im Rahmen

der Festveranstaltungen

ein Konzert gab.

Fotos: Sebastian Bete

Page 14: reformiert 3.2012

143 reformiert 2012

„Diese sinnlose Tat hat uns alle überfordert“

Er hat gar nicht erst versucht, irgendeinen Sinn

in dem Mord an der elfjährigen Lena zu sehen.

„Dieser Tod war nicht Gottes Wille. Er machte

keinen Sinn“, sagt Manfred Meyer, Pastor der

Kirchengemeinde Emden. Er begleitet seit dem

24. März, dem Tag, an dem die elfjährige Lena

im Emder Parkhaus starb, die Familie des Opfers.

Mit vielen anderen versucht er, der Familie „jeden

Tag ein ganz kleines Stückchen mehr“ den Weg

zurück in den Alltag zu ebnen. Es sei ausdrücklich

Wunsch der Familie, allmählich den Weg zurück

ins Leben zu finden. Wie, wann und wo immer

das auch gelingen mag.

Die Suche nach dem Sinn, nach einer Erklärung

für das, was geschehen ist, fällt auch dem Pastor,

dem ausgebildeten Notfallseelsorger, schwer. Er

hat keine Antwort. Aber er kann im Alltag helfen,

„das Leid aushalten, an der Seite sein“. Das sei

und bleibe ureigenste Aufgabe der Kirche. „Wenn

wir angesichts des Todes nichts mehr zu sagen

haben, ja wann denn dann?“, fragt Meyer.

„Diese sinnlose Tat hat uns alle überfordert“,

sagt Meyer. Die Familie, die Polizei, die Stadt Em-

den, den Pastor. Auch diejenigen, „die mit ihren

Forderungen nach Selbstjustiz zu wenig nachge-

dacht haben“. Emden sei „völlig zu Unrecht“ als

„Stadt des Hasses“ bezeichnet worden. Aber Em-

den sei auch nicht die heile Welt. Das war schon

vor dem Mord an Lena der Fall, das wird auch

hinterher so bleiben. Es waren ungeheuer schwe-

re Schicksalsschläge, die die Familie ereilten. Erst

der Tod des Kindes, dann die Gewissheit, dass

die Tat sexuell motiviert war. Letztlich das Wis-

sen darum, dass Fehler geschehen sind. Ob der

Fehler nun bei der Polizei, den Psychologen oder

den Jugendbehörden lag: „Die Familie hat ein

Recht auf eine schnelle, lückenlose Aufklärung“,

sagt der Pastor. Der Prozess werde die Wahrheit

ans Licht bringen, wobei es ein weiterer Schlag

für die Familie wäre, wenn alle Einzelheiten des

Verbrechens in der Öffentlichkeit ausgebreitet

würden. Aber das sei Sache der Juristen, darauf

zu achten, sagt Meyer. Die offensichtlichen Pan-

nen behinderten auf jeden Fall die Trauerarbeit

„in großem Umfang“, machten es Meyer schwer,

der Familie den Trost zu spenden, „dass sie in

keinem Moment von Gott verlassen ist“.

So ein Moment, in dem die Familie sich nicht

Pastor Manfred Meyer begleitet die Familie der am 24. März in Emden ermordeten Lena. In ganz Deutschland ist über den Mord berichtet worden.

Die letzten sechs Wochen stand Meyer an der Seite der Familie, hat ihr Leid ausgehalten und ihr im Alltag geholfen.

Dabei ging es auch darum, die Familie bei ihrem Wunsch, ganz allmählich wieder in den Alltag zurück zukommen, zu unterstützen.

„Gibt es im Himmel Erdbeereis?“

„Natürlich gibt es im Himmel Erdbeereis.

Sogar Himbeereis, wenn das heißt, dass es

denen, die dort sind, gut geht!“

Pastor Manfred Meyer

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„Diese sinnlose Tat hat uns alle überfordert“

verlassen fühlte, war der 13. April. An diesem

Abend trauerte Emden, entschuldigte sich, ge-

dachte würdevoll der Geschehnisse der 14 Tage

zuvor. Dieser Moment hätte früher kommen kön-

nen. Aber er kam noch früh genug, um in das Be-

wusstsein der Familie einzudringen. „Für diesen

13. April bin ich dankbar“, sagt Meyer. Seitdem

kehre etwas Ruhe ein. Jetzt sind wieder Kleinig-

keiten möglich, die das Weiterleben etwas erträg-

licher gestalten. Und sei es die Gewissheit, dass

die Familie in Ruhe auf den Friedhof zu Lena ge-

hen kann, ohne Angst, beobachtet, verfolgt, be-

fragt zu werden. Vorher war das kaum möglich.

Sogar die von Meyer ausdrücklich gelobten Kon-

taktbeamten der Polizei, die die Familie betreu-

ten, hatten ihre liebe Mühe und Not, den überre-

gionalen Fernsehteams zu entkommen.

Auch Manfred Meyer möchte wieder den ganz

normalen Alltag erleben. Während des Gesprächs

über den Mord und die Opfer ruft jemand aus

der Kirchengemeinde an, der ein Detail zu einer

Gemeindefahrt wissen möchte. Meyer nimmt sich

Zeit, antwortet ruhig, fast heiter. Auch in der Ge-

meinde wird er gebraucht und genießt es jetzt,

mit Fragen konfrontiert zu werden, die einfach zu

beantworten sind. Darauf hofft auch Lenas Fami-

lie, „sich zu erlauben, irgendwann mal wieder zu

lachen“. Kinder finden diesen Weg zur Normalität

manchmal etwas einfacher zurück, sind direkter.

Meyer war auch an der Emsschule, in die Lenas

Bruder seit einigen Wochen wieder geht. Es gibt

die unangenehmen, kindlich direkten Fragen, wie

denn Lena nun gestorben ist. Fragen, mit de-

nen Lenas Bruder umzugehen gelernt hat. Aber

es gibt auch die Fragen, ob denn Lena im Him-

mel Eis essen kann – Meyer hatte daraufhin den

Schülern von einem Buch mit dem Titel „Gibt es

im Himmel Erdbeereis?“ erzählt. Natürlich gibt es

im Himmel Erdbeereis. Sogar Himbeereis, wenn

das heißt, dass es denen, die dort sind, gut geht,

erzählt der Pastor. Und dann seien die Kinder

in der Emsschule zufrieden, sagt der 51-Jährige,

denn sie wissen, dass es Lena jetzt gut geht, wo

sie ist. Vielleicht ist es das, was Meyer mit Hoff-

nung meint.

von Heiner Schröder

Pastor Manfred Meyer begleitet die Familie der am 24. März in Emden ermordeten Lena. In ganz Deutschland ist über den Mord berichtet worden.

Die letzten sechs Wochen stand Meyer an der Seite der Familie, hat ihr Leid ausgehalten und ihr im Alltag geholfen.

Dabei ging es auch darum, die Familie bei ihrem Wunsch, ganz allmählich wieder in den Alltag zurück zukommen, zu unterstützen.

Foto: Heiner Schröder

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Der 1648 in Osnabrück und im benachbarten

Münster geschlossene Westfälische Frieden prägt

die Stadt bis heute. Er war auch ein Friedens-

schluss der Konfessionen. Heute ist die Ökume-

ne in Osnabrück längst selbstverständlich. Sie

spiegelt sich im Stadtbild wieder. Der katholische

Dom, die lutherische Marienkirche und die refor-

mierte Bergkirche liegen in Reichweite. Die Berg-

kirche wartet seit kurzem mit einer Besonderheit auf.

Nach zweijähriger Renovierungsphase erstrahlt

ihr Inneres wieder in altem Glanz: Den Bogen

über der Orgel schmücken bunte Malereien. En-

gel, Löwe, Stier und Adler - die Symbole der vier

Evangelisten ziehen den Blick des Besuchers un-

weigerlich an. Die Kapitelle der Säulen leuchten

golden. Diese ursprünglichen, in den 50er Jahren

jedoch übertünchten Malereien wurden wieder

freigelegt. Die Bergkirche war vor rund 120 Jah-

ren der erste reformierte Kirchenneubau in Osna-

brück. Architekt war 1892/93 der damals berühm-

te Berliner Regierungsbaumeister Otto March. Er

brach mit dem in der reformierten Kirche streng

beachteten Bilderverbot und malte das Innere mit

Blumenmustern, Schriftzügen und Bildern aus.

Von der Bergkirche gelangt der Besucher durch

das Heger Tor und die Altstadt zum Marktplatz. Er

wird umsäumt von alten Giebelhäusern, der Ma-

rienkirche, der Stadtwaage und dem Rathaus des

Westfälischen Friedens. Letzteres steht in diesem

Jahr besonders im Mittelpunkt. Der spätgotische

Bau wird 500 Jahre alt. Osnabrück feiert den Ge-

burtstag mit einem umfangreichen Programm ab

dem 23. Juni.

Im Friedenssaal wurden die Verhandlungen um

den Westfälischen Frieden geführt. Im Stil dieser

Zeit präsentiert er sich auch heute. Am auffälligs-

ten ist der mehrfach gegliederte Leuchter aus der

ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Wände

zieren 42 Porträts der „Friedensmacher“, die zwi-

schen 1643 und 1648 den Westfälischen Frieden

ausgehandelt haben. An der Wand gegenüber der

Eingangstür sieht man die drei bedeutendsten

Persönlichkeiten: den französischen Sonnenkönig

Ludwig XIV., den Kaiser Ferdinand III. und Königin

Christina von Schweden.

von Martina Schwager

Osnabrück ist Friedensstadt

Tourist Information Osnabrück

Bierstraße 22-23

49074 Osnabrück

Tel.: 0541 / 323-22 02

Fax: 0541 / 323-27 09

E-Mail: [email protected]

www.osnabrueck.de

Bergkirche

Die Bergkirche ist täglich mindestens von 10 bis 17

Uhr geöffnet. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag ist um

19 Uhr eine kurze Abendandacht. Adresse: Bergstr. 16,

49076 Osnabrück

I N F O

(1) Türgriff Rathaus(2) Deckenmalerei Bergkirche

(3) Rathaus Osnabrück(4) Schlüsselübergabe

nach Renovierung der Bergkirche

1

2 3

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173 reformiert 2012

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ENNeu im Amt

Verena Hoff ist neue Pastorin der Kirchengemein-

de Lingen, die 30-Jährige wird am 3. Juni in ihr

Amt eingeführt. Zuvor war sie persönliche Refe-

rentin von Kirchenpräsident Jann Schmidt und als

Pastorin in den Gemeinden südlich von Leer tätig.

Christoph Rehbein ist neuer Pastor der Kirchen-

gemeinde Hannover. Der 53-Jährige wechselt von

Göttingen in die Landeshauptstadt und wird dort

die dritte Pfarrstelle neben Elisabeth Griemsmann

und Martin Goebel besetzen.

Jörg Schmid ist neuer Pastor der Kirchengemein-

de Aurich, er wechselt von Wybelsum und Logu-

mer Vorwerk nach Aurich. Der 46-Jährige stammt

aus Murrhardt in Württemberg. Er kam 1995 als

Vikar nach Ostfriesland.

Antje Bracht und Felix WillertEhrenamtliche der Jugendkirche Osnabrück

Die 23-jährige Theologiestudentin Antje Bracht

und der 20-jährige Politikstudent Felix Willert

sind zum Finale des Eurovision Song Contest mit

dem Auto nach Aserbaidschan gereist. Ihr „Road-

trip to Baku“ führte sie über 5.000 Kilometer

durch sieben Länder und 16 Städte. „Mich hat

begeistert, dass sich in Baku ganz Europa für ei-

nen kurzen Moment an einem Ort trifft - nicht für

irgendwelche Krisengipfel, sondern um Musik zu

machen und zu feiern“, sagte Antje Bracht vor

der Reise.

www.facebook.com/Roadtrip.to.Baku

www.eurovision.de

Karl Friedrich Ulrichs ist jetzt am Evangelischen

Predigerseminar, einer Ausbildungsstätte für Vi-

karinnen und Vikare, in Wittenberg tätig. Ulrichs

(45) war von 2000 bis 2010 Pastor in den Kir-

chengemeinden Eddigehausen und Reyershausen

bei Göttingen.

Daniel Metelerkamp (33) ist der erste Kranken-

hausseelsorger am Krankenhaus Rheiderland in

Weener. Die Errichtung der Pfarrstelle am Kran-

kenhaus in Weener wurde möglich, weil sich der

Krankenhausverein Rheiderland, das Klinikum

Leer und das Wohnheim Haus Fresena etwa zur

Hälfte an den Personalkosten beteiligen.

Reinhard HegewaldLandtagsabgeordneter ist als Organist tätig

Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Emden Rein-

hard Hegewald ist wahrscheinlich der einzige

niedersächsische Politiker, der als Organist für

die evangelisch-reformierte Kirche tätig ist. Der

47-Jährige spielt derzeit in wechselnden Kirchen

in Emden und Umgebung.

Annette KurschusPräses der Evangelischen Kirche von Westfalen

Mit Annette Kurschus steht seit dem Frühjahr

erstmals eine Frau an der Spitze der viertgröß-

ten Landeskirche in Deutschland. Die 49-jährige

Theologin war zuvor Superintendentin im refor-

miert geprägten Siegerland und ist auch Mitglied

im Reformierten Bund, dem Dachverband der Re-

formierten in Deutschland.

Judith Riefel-LindelOrgellehrerin in Ostfriesland

Die gebürtige Amerikanerin Judith Riefel-Lindel

ist von der Kulturorganisation Ostfriesische Land-

schaft für ihre langjährige Ausbildung von Orgel-

schülern ausgezeichnet worden. Sie erhielt das

Totius-Frisiae-Siegel in Bronze.

Osnabrück ist Friedensstadt

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ELLE

S Kloster Frenswegen wiedereröffnetDas Kloster Frenswegen bei Nordhorn hat nach

über einjähriger Bauphase wieder geöffnet. Zum

einem Festakt kam Anfang April der niedersächsi-

sche Ministerpräsident David McAllister . Er nann-

te die ökumenische Besinnungs-, Bildungs- und

Begegnungsstätte „ein modernes Kloster in der

heutigen Zeit, das allen offen steht ohne Frage

nach Herkunft oder Religion“. Das 600 Jahre alte

Anbau des Klosters Frenswegen

Gebäude erhielt einen komplett neuen Anbau mit

neuer Küche, neuen Speise- und Tagungsräumen

sowie modernen Gästezimmern. Außerdem wur-

den die bestehenden Räume saniert. Das Kloster

Frenswegen wird von den sechs in der Grafschaft

Bentheim ansässigen christlichen Kirchen getragen.

Förderung für Emden

Die Johannes a Lasco Bibliothek und die Neue

Kirche in Emden werden aus Bundesmitteln zum

„Reformationsjubiläum 2017“ gefördert. Die Jo-

hannes a Lasco Bibliothek erhält 128.000 Euro

und die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde

Emden 60.000 Euro für die Neue Kirche. Der Bund

fördert in dem Programm Substanzsicherungs-

und Restaurierungsarbeiten an Orten und Stätten

der Reformation mit nationaler Bedeutung.

EKD gegen Rechtsextremismus

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat

rechtsextreme Gewalt scharf verurteilt. Das christ-

liche Gebot der Nächstenliebe verlange es, sich

in aller Klarheit gegen solche menschenverach-

tenden Einstellungen und Taten auszusprechen,

heißt es in einer Erklärung anlässlich des Endes

des Zweiten Weltkrieges. Der Rat der EKD ruft

auf neonazistischen, rassistischen, antijüdischen

und islamophoben Äußerungen auf allen Ebenen

energisch entgegenzutreten. (epd)

Neuer Name für Berliner BibelwochenDie Berliner Bibelwochen treten jetzt unter dem

neuen Titel „Europäische Bibeldialoge“ auf. Die

nächste Tagung vom 11. bis 15. Juli steht unter

der Überschrift „Heimat – Home: Wohin ich ge-

höre – Where I belong“. Die Bibeldialoge verste-

hen sich als eine Art europäische Denkwerkstatt

für Gemeinden, in denen Bibeltexte und Fragen

unserer Zeit diskutiert werden. Sie richten sich

an engagierte Gemeindeglieder. Veranstalterin ist

die Union Evangelischer Kirchen (UEK). Die Ber-

liner Bibelwochen wurden 1953 als Reaktion auf

die deutsche Teilung eingerichtet. Seitdem haben

mehr als 40.000 Menschen an 1.300 Begegnungs-

tagungen teilgenommen.

www.eaberlin.de/europaeische-bibeldialoge.php

Neuer Posten für Weusmann

Der Vizepräsident der Evangelisch-reformierten

Kirche, Johann Weusmann, ist neuer Schatzmeis-

ter der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen

(WGRK). Das Exekutivkomitee des Dachverbands

aller Reformierten wählte den 46-jährigen Juristen

am 11. Mai auf Nordsumatra, Indonesien.

Neuer Schatzmeister des WGRK Johann Weusmann

Das Leitungsgremium beriet dabei auch über eine

Verlegung des Sitzes der Organisation von Genf

in die Eurozone. Wegen des ungünstigen Wech-

selkurses des Schweizer Franken zum Euro verlie-

ren die Spendeneinnahmen seit Jahren beträcht-

lich an Wert. Der größte Teil der Einnahmen der

WGRK stammt aus Kirchen in Ländern Europas.

Die WGRK vereint rund 80 Millionen Christinnen

und Christen in der ganzen Welt in 230 Mitglieds-

kirchen.

Foto: Gerold Meppelink

Foto: Ulf Preuß

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30 Jahre Partnerschaft nach SüdafrikaMit einem Partnerschaftsfest in Schüttorf feiern

neun Kirchengemeinden das 30-jährige Beste-

hen der New World Foundation in Lavender Hill.

Mit Unterstützung aus Deutschland gründete die

Schwarze Reformierte Kirche Südafrikas in dem

Township bei Kapstadt 1981 das Sozial- und Trai-

ningszentrum, um den Bewohnern in der Zeit der

Apartheid Hilfe und Unterstützung zukommen zu

lassen. „Ohne die anhaltende Unterstützung des

Evangelischen Entwicklungsdienstes und der Kir-

chengemeinden hätte es die NWF nie gegeben“,

sagt der südafrikanische Direktor der NWF, Jan de

Waal. Er wird auch beim Partnerschaftsfest erwar-

tet. Das Fest beginnt am 10. Juni um 11 Uhr mit

einem Gottesdienst.

„Kirche muss Social-Media-fähig werden“Der Greifswalder Theologe Roland Rosenstock hat

an die Kirchen appelliert, „Social-Media-fähig“ zu

werden. Die Kirche müsse sich fragen, wie sie

sich in soziale Netzwerke einbringen könne, sag-

te er im westfälischen Villigst. Rund 90 kirchliche

Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter diskutierten

darüber, wie Kirche sich im Internet und sozialen

Netzwerken präsentieren kann. Der Hamburger

Kommunikationsexperte Wolfgang Lünenburger-

Reidenbach betonte bei einer Fachtagung: „Einen

Computer einzuschalten und online zu sein, ist

heute völlig normal.“ Die Kirche müsse lernen,

die „kulturellen Codes“ in den sozialen Netzwer-

ken zu entschlüsseln.

Erfahrungsaustausch mit Angola

Zu einem Erfahrungsaustausch waren zwei refor-

mierte Kirchenvertreter aus Angola im Mai Gäste

der Evangelisch-reformierten Kirche. Pastor Jero-

nimo Panda aus der Kirchenleitung und Diakonie-

direktor Antonio Maiandi besuchten diakonische

Einrichtungen und Gemeinden. Nach zehn Jahren

Frieden im Land seien die Folgen des 30-jähri-

gen Bürgerkriegs noch immer nicht überwunden,

sagte Maiandi in einem Gespräch mit Kirchenprä-

sident Jann Schmidt. Ganze Landstriche Angolas

seien von großer Armut geprägt. Die hohen wirt-

schaftlichen Wachstumsraten des rohstoffreichen

v.l.: Ursula von Lessen (Diakonisches Werk), Wolfgang Wa-genfeld (Geschäftsführer des Diakonischen Werkes), Dia-koniedirektor Antonio Maiandi, Rev. Jeronimo Panda und Diakoniepastor Dietmar Arends nach dem gemeinsamen Er-fahrungsaustausch.

Landes kämen beim Großteil der Bevölkerung

nicht an. Panda bezeichnete es als eine Aufgabe

der Kirchen in Angola, sich bei der Regierung des

Landes immer wieder für eine verantwortungsbe-

wusste Führung des Landes einzusetzen.

Läufer für Ostfriesischer Kirchentag

Etwa 50 Läuferinnen und Läufer aus der evan-

gelisch-lutherischen und evangelisch-reformierten

Kirche werben beim Auricher Citylauf für den 6.

Ostfriesischen Kirchentag. Sie treten am 16. Juni

in der Auricher Innenstadt im Kirchentagslaufshirt

an. Der 6. Ostfriesische Kirchentag wird am 13. Juli

mit einem Gottesdienst eröffnet. Am Sonnabend

finden zahlreiche Veranstaltungen in und um die

Innenstadtkirchen statt. Der Kirchentag endet mit

einem Gottesdienst am Sonntag, 15. Juli, in dem

Kirchenpräsident Jann Schmidt in plattdeutscher

Sprache predigt.

Foto: Ulf Preuß

Reformiert: ,reformiert’ ist die Mitgliedszeitung der Evangelisch reformierten Kirche.

Herausgeberin: Evangelisch- reformierte Kirche, Saarstraße 6, 26789 Leer, www.reformiert.de

Verantwortlich: Jann Schmidt

Redaktion: Ulf Preuß, Pressesprecher, Tel. 0491 / 91 98-212, E-Mail: [email protected]

Redaktionsbeirat: Klaus Bröhenhorst, Antje Donker, Andreas Flick, Matthias Lefers, Günter Plawer, Steffi Sander, Jann Schmidt, Burkhart Vietzke

Konzeption, Gestaltung und Layout: Designagentur projektpartner, Leer, www.projektpartner.info

Druck und Vertrieb: SKN Druck und Verlag, Norden www.skn-druck.de

Auflage: 130.000 Exemplare

Page 20: reformiert 3.2012

„Günter Grass geht es um den Weltfrieden“

Fragen an Werner Keil

Sie haben sich in der Debatte um Günter Grass‘ Gedicht „Was gesagt werden muss“ in Ihrem Gemein-

debrief zu Wort gemeldet, warum?

Meiner Ansicht nach ist die Debatte um Grass nur eine Ablenkung von den eigentlichen Fragen, die

der Dichter aufwirft und die uns beschäftigen sollte. Sie erinnert mich an die Diskussion um Margot

Käßmanns Äußerung „Nichts ist gut in Afghanistan“ und die anschließende Debatte, ob sie so etwas

in der Öffentlichkeit sagen darf. Auch seinerzeit haben wir nicht über die Lage in dem Land am Hindu-

kusch geredet und uns den Fragen nach unserer Rolle und Verantwortung gestellt. Es war leichter über

die Bischöfin zu reden und heute ist es leichter über Günter Grass zu reden

Was ist in Ihren Augen die wichtigste Aussage von Grass?

Grass geht es um die Debatte über die Gefährdung des Weltfriedens. Das klingt groß, aber um nicht

weniger geht es. In einer Region, die vieles ist, aber nicht friedlich, wird von allen Seiten mit ver-

dächtigten, geplanten und vor allem echten Waffen gerasselt. In einer Region, in der die Waffen nie

wirklich schweigen, reden sowohl demokratische Politiker als auch unberechenbare Diktatoren über

Gewalt und Krieg, als ginge es nicht um Menschen, die dabei getötet werden. Und diese Gewalt kann

sich schneller als wir ahnen können zu einem beängstigend großen Krieg ausweiten. Und wenn wir

wirklich glauben, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein darf, dann werden wir die Angst, die sich

in Grass‘ Gedicht ausdrückt, teilen.

Fühlen Sie sich von Günter Grass in seinem Gedicht auch persönlich angesprochen?

Ganz deutlich: Ja. Warum habe ich nicht früher gesprochen? Das ist Grass‘ Frage an sich selbst in dem

Gedicht. Diese Frage kann sich jede und jeder selbst stellen, der zu den bedrohlichen Entwicklungen in

der Welt schweigt, auch wenn man jünger als 85 Jahre ist. Nutzen wir die Chance, auch uns diese Frage

zu stellen, und fangen wir an, über das zu reden, worum es wirklich geht. Und dann werden wir zu

allererst über die Rolle reden müssen, die unser Staat und unsere Gesellschaft in diesem Konflikt spie-

len. Welche Rolle spielt unsere Regierung, welche Mittel setzt sie ein, um nach echten Friedensschritten

zu suchen, und nicht nach Beweisen für einen Krieg. Zu jung sind die Erfahrungen mit vermeintlichen

„Beweisen“ und deren tödlichen Folgen. Welche Rolle spielt unsere Wirtschaft in einer Rüstungsspirale,

die jeden kleinen Funken zu einem Inferno werden lassen kann? Und welche Rolle spielt eine Gesell-

schaft, die lieber über einen Dichter debattiert, als sich den eigentlichen Fragen zu stellen? Und nicht

zuletzt, welche Rolle spielt eine Kirche, die zu alldem schweigt? Ich denke, darum geht es.

Evangelisch-reformierte Kirche

Landeskirchenamt - Saarstraße 6 - 26789 LeerPostvertrieb DPAG Entgelt bezahlt

Werner Keil ist Pastor der Evange-

lisch-reformierten Kirchengemeinde

Bremerhaven. Im aktuellen Bremerha-

vener Gemeindebrief schreibt er unter

der Überschrift „Worum es geht“

über das aktuelle Gedicht von Günter

Grass „Was gesagt werden muss“.

Der Dichter meldete sich damit

Anfang April zum Konflikt zwischen

Israel und Iran zu Wort und stieß eine

breite Debatte um seine Person an.

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