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Recht Aktuell 4/2010 - Home | Lutz Abel · 2018-01-04 · 1 Recht Aktuell 4/2010 Nicht nur der...

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1 RECHT AKTUELL 4/2010 Nicht nur der jüngste Schneeeinbruch, sondern auch die vorliegende vierte Ausgabe von Recht Aktuell im Jahr 2010 läutet das Jahresende ein. Auch in diesem Jahr soll nicht versäumt werden, an die in vielen Fällen dro- hende Jahresendverjährung zum 31.12. zu erinnern. Wir regen an, Ihre Unterlagen auf Ansprüche zu prüfen, die möglicherweise von der Verjährung betroffen sein könnten, in erster Linie solche Ansprüche, die im Jahr 2007 entstanden sind und der gesetzlichen Regelverjährung von drei Jahren ab dem 01.01.2008 unterliegen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um den Verjährungseintritt zu unterbinden oder jedenfalls zu hemmen. Auch in unserer Kanzlei hat sich wieder einiges getan: Unser Partner Dr. Thomas Schönfeld ist neben Prof. Dr. Robert Kaufmann, Dr. Reinhard Lutz und Dr. Wolfgang Abel zum vierten Geschäftsführer der Rechts- anwaltsgesellschaft bestellt worden. Herr Rechtsanwalt Sebastian Stich sorgt darüber hinaus für eine weitere Verstärkung unseres Teams im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts, mit Schwerpunkt und wertvollen beruflichen Erfahrungen im Steuerrecht. Unser für Kapitalmarktrecht zuständiger Partner Dr. Ferdinand Unzicker gehört seit kurzem zum Bearbeiterkreis des vierbändigen investmentrechtlichen Standardkommentars „Investment“ (ESV-Verlag, Berlin, Loseblattsamm- lung). Herr Dr. Unzicker hat darin die Kommentierung der §§ 90a ff. des Investmentgesetzes (InvG) übernommen. Diese Vorschriften befassen sich mit der Verwaltung von sog. Infrastruktur-Sondervermögen, insbesondere bei Beteiligungen von Kapitalanlagegesellschaften an ÖPP- bzw. PPP-Projektgesellschaften. Die nachfolgenden Seiten enthalten – wie immer – eine Auswahl relevanter Beiträge zu den in unserer Kanzlei betreuten Rechtsgebieten. Wir hoffen, Ihnen damit einen anregenden und informativen Lesestoff an die Hand geben zu können, und möchten Ihnen auch auf diesem Weg eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest sowie ein gesundes und glückliches Jahr 2011 wünschen. Herzliche Grüße Ihre Kaufmann Lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH EDITORIAL Recht Aktuell 4/2010
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Recht Aktuell 4/2010

Nicht nur der jüngste Schneeeinbruch, sondern auch die vorliegende vierte Ausgabe von Recht Aktuell im Jahr 2010 läutet das Jahresende ein. Auch in diesem Jahr soll nicht versäumt werden, an die in vielen Fällen dro-hende Jahresendverjährung zum 31.12. zu erinnern. Wir regen an, Ihre unterlagen auf Ansprüche zu prüfen, die möglicherweise von der Verjährung betroffen sein könnten, in erster linie solche Ansprüche, die im Jahr 2007 entstanden sind und der gesetzlichen Regelverjährung von drei Jahren ab dem 01.01.2008 unterliegen. unsere kanzlei unterstützt Sie gerne, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um den Verjährungseintritt zu unterbinden oder jedenfalls zu hemmen.

Auch in unserer kanzlei hat sich wieder einiges getan: unser Partner Dr. thomas Schönfeld ist neben Prof. Dr. Robert kaufmann, Dr. Reinhard lutz und Dr. Wolfgang Abel zum vierten Geschäftsführer der Rechts-anwaltsgesellschaft bestellt worden. herr Rechtsanwalt Sebastian Stich sorgt darüber hinaus für eine weitere Verstärkung unseres teams im Bereich des handels- und Gesellschaftsrechts, mit Schwerpunkt und wertvollen beruflichen erfahrungen im Steuerrecht.

unser für kapitalmarktrecht zuständiger Partner Dr. Ferdinand unzicker gehört seit kurzem zum Bearbeiterkreis des vierbändigen investmentrechtlichen Standardkommentars „Investment“ (eSV-Verlag, Berlin, loseblattsamm-lung). herr Dr. unzicker hat darin die kommentierung der §§ 90a ff. des Investmentgesetzes (InvG) übernommen. Diese Vorschriften befassen sich mit der Verwaltung von sog. Infrastruktur-Sondervermögen, insbesondere bei Beteiligungen von kapitalanlagegesellschaften an ÖPP- bzw. PPP-Projektgesellschaften.

Die nachfolgenden Seiten enthalten – wie immer – eine Auswahl relevanter Beiträge zu den in unserer kanzlei betreuten Rechtsgebieten. Wir hoffen, Ihnen damit einen anregenden und informativen lesestoff an die hand geben zu können, und möchten Ihnen auch auf diesem Weg eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest sowie ein gesundes und glückliches Jahr 2011 wünschen.

herzliche Grüße

Ihre kaufmann lutz Rechtsanwaltsgesellschaft mbh

eDItoRIAl

Recht Aktuell 4/2010

3Recht Aktuell 4/2010

Arbeitsrecht AGB-kontrolle von Dienstverträgen – Der Fremdgeschäftsführer als Verbraucher

Privates Bau- und Architektenrecht haftungsfalle für Architekten: Beratungspflichten bei der Vergabe Sondervorschläge des unternehmers auf eigenem leistungsverzeichnisunklare Mangelverantwortlichkeit: Auftragnehmer kann keine kostenübernahmeerklärung vom Auftraggeber verlangen!

Öffentliches Baurecht Geltungsdauer eines baurechtlichen Vorbescheides – hemmung bei Nachbarklage?Das (Bau-)Grundstück und seine erschließung

Bank- und KapitalmarktrechtBasel III und die Auswirkungen der neuen kapitalvorschriften auf Banken und unternehmen – eine Bestandsaufnahme

Erneuerbare EnergienVergütung für Strom aus erneuerbaren energien bei mehreren Biogasanlagen

Gewerblicher Rechtsschutz technologietransfer

Handels- und Gesellschaftsrecht Fakultativer Gmbh-Aufsichtsrat: haftung der Mitglieder nur für Schäden der GesellschaftDie Amtsniederlegung des Gmbh-GeschäftsführersGeschäftsordnung für die Geschäftsführung bei der Gmbh

InsolvenzrechtInsolvenzantragspflicht in der Gmbh und damit zusammen- hängende haftung von Geschäftsführern

Mietrecht Anforderungen an die Wirksamkeit einer kündigung wegen eigenbedarfs

Vergaberechtkeine Wertung von Nebenangeboten bei Preis als alleinigem Zuschlagskriterium

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Dr. Susanne Adlberger

Dr. Robert castorDr. hubert Bauriedl

Dr. Michael t. Stoll

Dr. thomas Schönfeld

Dr. christian Braun

thomas Mack

Dr. Mathias Mantler

carsten huch-hallwachs

Dr. Reinhard lutz

Dr. christian DittertSebastian Stich

Björn Weidehaas

Dr. Sebastian Schwartz

Dr. Mathias Mantler

INhAltSVeRZeIchNIS

Recht Aktuell 4/2010

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ARBeItSRecht

1. Ausgangslage

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeits-gerichts (BAG) gelten Arbeitnehmer als Verbraucher, so dass Arbeitsverträge der AGB-kontrolle schon bei nur einmaliger Verwendungsabsicht unterliegen. Der Gmbh-Fremdgeschäftsführer gilt im sozialversiche-rungsrechtlichen Sinne zwar als abhängig Beschäf-tigter, seiner organstellung liegt jedoch überwiegend ein Dienstverhältnis und kein Arbeitsverhältnis zu-grunde. Das BAG hat nun in der entscheidung vom 19.05.2010 (Az.: 5 AZR 253/09) klargestellt, dass auch zumindest ein Gmbh-Fremdgeschäftsführer als Ver-braucher einzustufen ist, so dass auch sein Dienst-vertrag der AGB-kontrolle unterliegt, was weitrei-chende Folgen haben kann. Die entscheidung ist zunächst nur für einen Geschäftsführer getroffen, der nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine Sperrminorität verfügt und leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.

2. Entscheidung

In dem Verfahren vor dem BAG stritten die Parteien über Annahmeverzugslohnansprüche des klägers, der auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags vom April 2004 als Fremdgeschäftsführer der Beklagten ab 01.06.2004 tätig gewesen war.

Im Anstellungsvertrag war eine Verfallsfrist enthal-ten, wonach alle Ansprüche aus dem Dienstvertrag in erster Stufe innerhalb von drei Monaten nach Fäl-ligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schrift-lich und in einer zweiten Stufe nach Ablehnung oder fruchtlosem Verstreichen der erklärungsfrist inner-halb von weiteren drei Monaten gerichtlich geltend zu machen waren. Anderenfalls waren sie verfallen. Die Parteien hatten darüber hinaus die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte vereinbart.

Das Dienstverhältnis wurde im April 2005 von der Beklagten außerordentlich gekündigt. Der kläger hat gegen die kündigung eine klage auf Feststellung der unwirksamkeit der kündigung eingereicht und zu-gleich unter Bezugnahme auf die Verfallsfristen auch sämtliche Vergütungsansprüche dem Grunde nach geltend gemacht. konkrete Zahlungsanträge wurden jedoch erst ab Februar 2006 gestellt. Die Beklagte hat sich gegen die Zahlungsansprüche auf die Ver-fallsfristen berufen.

Das Arbeitsgericht hatte die klage hinsichtlich der anhängigen Zahlungsansprüche abgewiesen. Das landesarbeitsgericht hatte die unwirksamkeit der kündigung und die Beendigung des Anstellungsver-trags erst zum ende Mai 2007 zwar festgestellt, so dass dem Grunde nach Annahmeverzugslohnansprü-che bis dahin bestanden hätten, die Berufung des klägers jedoch diesbezüglich zurückgewiesen, da die Zahlungsansprüche aufgrund fehlender gerichtlicher Geltendmachung verfallen seien.

In der Revisionsinstanz vor dem BAG bekam der klä-ger Recht. Das BAG entschied, dass die Zahlungsan-sprüche nicht verfallen sind, sondern die Verfallsfrist durch die kündigungsschutzklage als gerichtliche Geltendmachung gewahrt wurde. letztlich entschei-dend war für das BAG die Auslegung dieser Ver-fallsfrist nach den Auslegungsregeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen, da nach Ansicht des BAG der Geschäftsführer beim Abschluss seines Anstel-lungsvertrags als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB gehandelt hat und die Vertragsbedingungen demge-mäß selbst bei nur einmaliger Verwendung gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB als Verbrauchervertrag der AGB-kontrolle unterliegen.

Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Per-son, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck ab-

ARBeItSRecht

AGB-Kontrolle von Dienstverträgen – Der Fremdgeschäftsführer als Verbraucher

Dr. Susanne Adlberger | [email protected]

5Recht Aktuell 4/2010

schließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen tätigkeit zugerechnet werden kann. Weder der Abschluss des Anstellungs-vertrags noch die Geschäftsführung einer Gmbh stellt jedoch nach Ansicht des BAG eine gewerbliche oder selbstständige tätigkeit im Sinne des § 13 BGB dar. Die Geschäftsführung einer Gmbh sei keine selbst-ständige, sondern eine angestellte berufliche tätig-keit. Maßgeblich für die einordnung einer beruflichen tätigkeit als selbstständig ist nach dem BAG neben der weitgehenden Freiheit von Weisungen, dass die tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung, im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird, so dass das wirtschaftliche Risiko der tätigkeit un-mittelbar selbst getragen wird. Der Geschäftsführer einer Gmbh übe aber seine tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft aus. Überdies unter-liege er im Innenverhältnis den Weisungen der Ge-sellschaft. Wenn aber die Geschäftsführung in einer Gmbh keine selbstständige tätigkeit im Sinne des § 13 BGB darstellt, so gilt dies nach Ansicht des BAG erst recht für den Abschluss des Anstellungsver-trags, jedenfalls dann, wenn wie hier der Geschäfts-führer nicht zugleich als Gesellschafter über zumin-dest eine Sperrminorität verfügt und leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann. Gegen die An-wendbarkeit der AGB-kontrolle ist für das BAG auch nicht nachgewiesen worden, dass seitens der Be-klagten dem kläger gegenüber eine Bereitschaft zur Abänderung dieser klauseln bestanden hätte. Der kläger hatte keine Möglichkeit der einflussnahme in dem Sinne, dass der Verwender den gesetzesfrem-den kerngehalt seiner ABG ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Verwendungsgegner gestaltungs-frei zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt hätte, was zur Verneinung eines Vorliegens von Allgemei-nen Geschäftsbedingungen führt.

Das Gericht kam in diesem Zusammenhang dann dazu, dass die Verfallsfristen im Anstellungsvertrag so auszulegen waren, dass mit erhebung einer klage auf Feststellung der unwirksamkeit einer kündigung zugleich auch die hiervon abhängigen Zahlungsan-sprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Gemäß BAG sind vorformulierte Vertragsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt so auszulegen, wie sie von verständigen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrs-

kreise verstanden werden, wobei die Verständnis-möglichkeit des durchschnittlichen Vertragspart-ners des Verwenders zugrundezulegen ist. Auf dieser Grundlage ist das BAG davon ausgegangen, dass aus Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers die erhebung einer kündigungsschutzklage genüge, um das erlöschen der vom Ausgang des kündigungs-rechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprü-che des Arbeitnehmers zu verhindern. Diese Sicht-weise kann nach Ansicht des Gerichts auch auf einen Geschäftsführer übertragen werden. Sie wird auch dem Zweck einer Verfallsfristklausel gerecht, denn schon mit der erhebung einer kündigungsschutz-klausel kann sich der Anspruchsgegner auf die vom Ausgang des kündigungsschutzverfahrens abhän-gigen Forderungen einstellen.

3. Fazit

Diese entscheidung des BAG hat mit ihrer klar-stellung der Verbrauchereigenschaft von zumin-dest Fremdgeschäftsführern zur Folge, dass kraft gesetzlicher Fiktion des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die Dienstvertragsklauseln als vom unternehmer ge-stellt gelten und gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht zur Verwendung in einer Vielzahl von Fällen bestimmt sein müssen, sondern bereits die einmalige Verwen-dung ohne einflussnahme des Geschäftsführers für die Anwendbarkeit der AGB-kontrolle ausreicht. Ver-mieden werden kann dies nur durch dokumentiertes, individuelles Verhandeln der einzelnen klauseln im Sinne einer Möglichkeit der echten einflussnahme des Geschäftsführers auf die Ausgestaltung.

unklar ist zwar noch, ob die für die Arbeitsverträge geltende AGB-Rechtsprechung des BAG nun auch auf die Anstellungsverträge der Geschäftsführer über-tragen werden wird. In der Praxis muss nun aber ver-stärkt in den auch dort problematischen Bereichen wie Freiwilligkeitsvorbehalten, Widerrufsvorbehal-ten, Vertragsstrafen oder Überstundenabgeltung künftig auf klare, widerspruchsfreie und zugleich die Interessen des Geschäftsführers angemessen berücksichtigende Regelungen geachtet werden. un-klarheiten gehen grundsätzlich gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu lasten des Verwenders. Weitere entwick-lungen bleiben abzuwarten.

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1. Überblick

Zu den leistungen eines Architekten im Rahmen der leistungsphase 7 („Mitwirken bei der Vergabe“) ge-hört auch die Vorbereitung der Ausschreibungsunter-lagen und der Bauverträge. hierbei wird der Architekt zumindest in gewissem umfang auch in rechtlicher hinsicht beratend tätig. obwohl der Architekt selbst-verständlich keine umfassende Rechtsberatung schuldet, wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Architekt dem Bauherrn zumindest bei der Vervollständigung üblicher Standardverträge behilf-lich sein muss. Nach der Rechtsprechung des BGh kann vom Architekten dabei erwartet werden, dass er als „sachkundiger Berater des Bauherren … nicht un-erhebliche kenntnisse des Werkvertragsrechts, des Bürgerlichen Gesetzbuches und der entsprechenden Vorschriften der VoB/B besitzen muss“ (BGh, urteil vom 26.04.1979, Az.: VII ZR 190/78). eine haftung des Architekten ist dementsprechend von den Gerichten angenommen worden, wenn

- der Architekt nicht dafür sorgt, dass vertragliche Änderungswünsche des Bauherrn hinreichend klar in den Vertrag aufgenommen werden (BGh, urteil vom 02.12.1982, Az.: VII ZR 365/80), und

- der Architekt nicht darauf hinweist, dass zulässige Regelungen zur Vertragsstrafe eine betragsmäßige obergrenze voraussetzen (olG Brandenburg, urteil vom 26.09.2002, Az.: 12 u 63/02).

2. Entscheidung des OLG Nürnberg

eine weitere „Falle“ für Architekten ist Gegenstand der entscheidung des olG Nürnberg vom 13.11.2009 (Az.: 2 u 1566/06). Im konkreten Fall hatte der Archi-tekt für die Beauftragung der Wasserinstallation ei-nen Vertragsentwurf verwendet, der auf die damals

gültige VoB/B 1996 Bezug nimmt. Nach § 13 Nr. 4 VoB/B 1996 war dort für Gewährleistungsansprüche eine Verjährungsfrist von nur zwei Jahren vorgese-hen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist haben sich erhebliche Mängel an der Installation herausgestellt, die eine umfangreiche Sanierung erforderlich mach-ten. Da sich die ausführende Firma auf Verjährung berufen hat, nahm der Bauherr den Architekten in Anspruch und verlangte die erstattung der Sanie-rungskosten sowie die damit verbundenen Mietaus-fallschäden. Das olG Nürnberg gab dem Bauherrn Recht. Nach Auffassung des Gerichtes lag ein Man-gel am Architektenwerk vor, weil der Architekt es versäumt hatte, im Rahmen des vereinbarten VoB/B-Vertrages auf eine fünfjährige Gewährleistungsfrist hinzuwirken. Der Architekt habe wissen müssen, dass Mängel an Installationsarbeiten häufig nicht so-fort erkennbar sind, sondern sich erst im laufe der Zeit zeigen. Der Architekt sei daher verpflichtet ge-wesen, auf die fünfjährige Verjährungsfrist gem. BGB hinzuwirken. Im ergebnis haftete der Architekt daher für den gesamten Schaden. Dies soll nach Auffas-sung des Gerichts selbst dann gelten, wenn der Ver-trag vom Bauherrn selbst stammt (!) und von diesem bereits vollständig ausgefüllt vorgelegt wurde.

3. Praxistipp

Auch wenn die aktuelle VoB/B in der Regel eine vierjährige Verjährung vorsieht, werden Architekten stets darauf hinwirken müssen, dass die längere Ver-jährungsfrist nach BGB vereinbart wird. Anderenfalls setzt sich der Architekt einem erheblichen haftungs-risiko aus. um die haftungsrisiken des Architekten im Zusammenhang mit der Vergabe wirksam einzu-schränken, ist es weiter sinnvoll, im Architektenver-trag zu klären, wer die rechtliche Ausgestaltung der Vergabe- und Vertragsunterlagen übernimmt.

PRIVAteS BAu- uND ARchItekteNRecht

Haftungsfalle für Architekten: Beratungspflichten bei der Vergabe

Dr. Robert castor | [email protected]

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Recht Aktuell 4/2010

7Recht Aktuell 4/2010

unter einem Sondervorschlag oder einem Neben- bzw. Alternativangebot versteht man einen von der ursprünglichen Planung des Auftraggebers abwei-chenden Vorschlag des unternehmers zur optimie-rung des Produktes hinsichtlich der Faktoren Qua-lität, Zeit und Geld, vor allem aus Bauherrensicht. Mit anderen Worten soll etwas anderes als das ur-sprünglich Ausgeschriebene beauftragt werden, um schneller und/oder billiger zu bauen. oder es soll eine technisch hochwertigere Ausführung zum glei-chen Preis und in längstens der gleichen Bauzeit re-alisiert werden.

1. Sondervorschläge vor Vertragsabschluss

ein unternehmer macht Sondervorschläge vor Ver-tragsschluss, weil er sich durch ein kostengüns-tigeres Alternativangebot zumindest eine vordere Platzierung bei der Submission erhofft, um so über-haupt in Auftragsnähe zu gelangen.

Daneben verspricht sich der unternehmer seinerseits Rationalisierungseffekte bei Durchführung des Son-dervorschlags, indem er die bei anderen Projekten gesammelte spezifische technologieerfahrung in seine kalkulation einfließen lässt.

häufig ist dem unternehmer dabei aber gar nicht bewusst, dass sich seine werkvertragliche erfolgs-haftung durch einen Sondervorschlag erheblich ver-schärft und er sich dadurch zugleich die chance auf Nachträge infolge geänderter bzw. zusätzlich erfor-derlich werdender leistungen verbaut.

letzteres ist nur dann nicht der Fall, wenn der spä-tere Anlass für die Änderung des leistungsumfangs mit dem Sondervorschlag nichts zu tun hat (vgl. kG Berlin, urteil vom 17.10.2006, Az.: 21 u 70/04 – „lehr-ter Bahnhof, Berlin, los 1.4 (Baugruben, Rohbauar-beiten)“):

In vorbezeichnetem Rechtsstreit vor dem kG Ber-lin waren in Position 5.3.10. des leistungsverzeich-nisses Bauhilfsmaßnahmen zu einer ersatztrasse

ausgeschrieben. Danach hatte der Auftragnehmer „Behelfsbrücken einschließlich der erforderlichen Gründung nach statischen, konstruktiven, verkehrs-technischen und umweltschutztechnischen erfor-dernissen“ herzustellen und später wieder zu beseiti-gen. Diese teilleistung hatte der Auftragnehmer zum teilpauschalpreis zu erbringen. Der Auftragnehmer unterbreitete für drei andere Positionen des leis-tungsverzeichnisses ein Nebenangebot („Minder-kostenangebot“) nebst technischem erläuterungs-bericht und zugehörigem Plan. Danach sollten zwei weitere provisorische trassen zur ersatztrasse her-gestellt und statt der vertraglich vorgesehenen vier Behelfsbrücken nur eine ausgeführt werden. Mit der klage begehrte der Auftragnehmer die Zahlung von Werklohn aus der ersten Abschlagsrechnung. Der Rechnung lag ein Nachtrag wegen erschwernissen, die infolge des Sondervorschlags für die Ausfüh-rung der Bauhilfsmaßnahmen unter Position 5.3.10 entstanden sind, zugrunde. Das kG wies die klage ab, weil die Voraussetzungen einer Preisanpassung wegen Änderungen des leistungsumfangs nach Vertragsschluss nicht vorlägen. Die Parteien hätten das zu Position 5.3.10. des leistungsverzeichnisses ausgeschriebene und zunächst vom Auftragnehmer angebotene Bausoll durch einbeziehung des Min-derkostenangebots in den Bauvertrag abgeändert. Infolge dessen schuldete der Auftragnehmer wei-terhin diejenigen leistungen, die in der technischen erläuterung zu Position 5.3.10. beschrieben waren. Zwar bezog sich das Nebenangebot nur auf die Posi-tionen 5.6., 5.7. und 5.8. des leistungsverzeichnisses. Dadurch, dass die „einhaltung der Verfahrensweise gemäß technischer erläuterung“ [Anmerkung des Verfassers: ausschreibungsgemäß, zum Zweck der Vergleichbarkeit mit dem Amtsentwurf] ausdrücklich als Voraussetzung für das Minderkostenangebot be-zeichnet wurde, konnte und musste der Auftraggeber das Angebot des Auftragnehmers aber so verstehen, dass davon auch die dort beschriebenen und in dem beigefügten Plan zeichnerisch dargestellten Bauhilfs-maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der ersatztrasse ufer erfasst waren. Gemäß Position 5.3.10. hatte der Auftragnehmer alle im Zusammen-

Sondervorschläge des Unternehmers auf eigenem Leistungsverzeichnis

Dr. hubert Bauriedl | [email protected]

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PRIVAteS BAu- uND ARchItekteNRecht

Recht Aktuell 4/2010

hang mit der herstellung und dem Betrieb der Brü-cken erforderlichen leistungen zu erbringen sowie die Brücken nach Abschluss der Arbeiten zu besei-tigen. Im ergebnis waren damit diejenigen Arbeiten, die zur Aufrechterhaltung des über die ersatztrasse fließenden Verkehrs für die Zeit der Bauarbeiten er-forderlich waren, vollständig vom Bausoll erfasst. Stellen die Vertragsparteien unter Vereinbarung eines Festpreises das leistungsziel in den Vorder-grund bzw. pauschalieren sie den leistungsumfang durch ein grobes Raster, sind Mehr- oder Minder-leistungen und erschwernisse grundsätzlich nicht auszugleichen, soweit sie sich im Rahmen des ver-traglichen leistungsumfangs und des vertraglichen leistungsziels halten. Das Minderkostenangebot mit der abweichenden lösung unter einsatz von ersatz-trassen und nur einer hilfsbrücke änderte nichts am funktionalen charakter der leistungsbeschreibung zu den Bauhilfsmaßnahmen gemäß Position 5.3.10. Durch die Pauschale abgegolten war ferner die Aus-bildung der hilfsbrücke als Brücke mit Mittelpfeiler. Veränderungen im Baugrubenverlauf mit der Folge, dass [Anmerkung des Verfassers: infolge des Son-dervorschlags] eine längere Brücke zum einsatz kommen musste, gehörten grundsätzlich in den Ri-sikobereich des Auftragnehmers.

Folglich übernimmt der Auftragnehmer durch einen Sondervorschlag das Risiko von erschwernissen, die infolge dieses Sondervorschlags bei den übrigen ver-traglichen leistungen auftreten.

hiervon sind die sog. „Sowieso-kosten“ abzugrenzen. Das sind diejenigen kosten, um die das Bauwerk bei von Anfang richtiger Planung teurer geworden wäre. Diese muss grundsätzlich der Besteller tragen, ggf. auch erst im Rahmen der Nacherfüllung (vgl. olG Jena, urteil vom 30.04.2002, Az.: 3 u 1144/01):

In vorbezeichnetem, vom olG Jena zu entschei-denden Fall klagte der Auftragnehmer auf Werklohn für die errichtung einer Stützwand und die vor Ab-nahme (misslungene) Sicherung eines hanges ge-mäß seinem Sondervorschlag; der Auftraggeber verteidigte sich nach außerordentlicher kündigung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Beauf-tragung eines Drittunternehmens zur herstellung der hangsicherung und errichtung der Stützwand gemäß Amtsvorschlag. Der Auftragnehmer bot auf der Grundlage des der Ausschreibung beigefügten Bodengutachtens des hanges, an dem die hangsi-cherung und die Stützmauer errichtet werden sollte, einen Sondervorschlag an, der die Bodenvernage-

lung von Pfählen in das Felsgestein beinhaltete. Das Angebot des Auftragnehmers lag bei 25% des Amts-vorschlagspreises von ca. € 1,0 Mio. Die entwurfs-planung für diesen Sondervorschlag erstellte der Auftragnehmer durch einen Subunternehmer selbst. Den Versuch der Führung des statischen Nachweises der Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 unter-nahm der Auftragnehmer jedoch nicht.

Im Anschluss an einen hangrutsch entzündete sich ein Rechtsstreit. Das olG entschied zwar, dass dem Auftragnehmer für die von ihm erbrachten leistungen unter keinem rechtlichen Aspekt eine Vergütung zu-stand. Jedoch wies es auch den widerklagenden Auf-traggeber ab mit dem Argument, dass es sich bei den Mehrkosten zwischen Sonder- und Amtsvorschlag um Sowieso-kosten handele. Bei erstellung eines ordnungsgemäßen Baugrundgutachtens durch den Auftraggeber und dem Versuch der Führung des Ge-ländebruchnachweises durch den Auftragnehmer wäre die vereinbarte Ausführung der Bodenverna-gelung mit Pfählen nicht gewählt und die konventi-onelle Ausführung realisiert worden. In diesem Fall wären die mit der Widerklage geltend gemachten kos- ten der Beauftragung der Drittfirma von über € 0,8 Mio., von denen der Auftraggeber ca. € 0,6 Mio. als Schadensersatz geltend machte, von vornherein ebenfalls entstanden.

es ist folglich festzuhalten, dass der Auftragnehmer durch einen Sondervorschlag grundsätzlich nicht den Sowieso-kosteneinwand verliert.

Mit der haftung des vom unternehmer beauftragten Sondervorschlagsplaners befasst sich eine entschei-dung des olG Düsseldorf (urteil vom 08.07.2005, Az.: 23 u 213/04): ein erfolgreicher Bieter verklagte seinen Sondervorschlagsplaner (Sondervorschlag: tunnelwände eines eisenbahntunnels nicht wie in der Ausschreibung vorgesehen aus Stahlbeton, sondern als dauerhaft im Boden verbleibende Stahlspund-wände) auf Schadensersatz wegen Nichtberücksich-tigung der geltenden Brandschutzrichtlinien. Das olG entschied, dass die Planung der optimierung des Angebots durch den Planer mangelhaft war, weil sie die im eisenbahnbau geltenden Brandschutzrichtli-nien außer Acht gelassen hatte und deshalb nicht zu den kalkulierten Minderpreisen realisierbar war. Geschuldet war eine realisierbare Planung bei gerin-geren kosten. Der leistungserfolg konnte nur ein-treten, wenn die Planung alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften einhielt und zu der auf der Basis der Planung berechneten – und angebotenen – Vergütung

9Recht Aktuell 4/2010

ohne nachträgliche Mehrkosten des Auftragnehmers umsetzbar war. Für die Frage des Planungsfehlers ist es unerheblich, dass der Planer ebenso wie der Auftragnehmer die Richtlinien zum Brandschutz bei Auftragsvergabe nicht kannten. es war Sache der Planer, sich kundig zu machen. ein Schaden des Auf-tragnehmers ist nicht unter dem Gesichtspunkt der „Sowieso-kosten“ zu verneinen. Der Planer schul-dete die Planung zu einer kostenreduzierung. Dass die von dem Beklagten berechneten kosten wegen seines Planungsfehlers nicht einzuhalten waren, be-trifft gerade seine werkvertragliche erfolgshaftung. Ausgehend von dieser erfolgshaftung sind sämtliche Mehrkosten zusätzliche kosten und ein Schaden des Auftragnehmers. Dass der Auftragnehmer auch bei einer erhöhung des Angebots um die Mehrkosten für den Brandschutz den Auftrag erhalten hätte, hat der Planer nicht bestritten.

Sondervorschlagsplaner haften also nicht nur für die Realisierbarkeit, sondern auch für die einhaltung der kalkulation.

2. Konkludenter Sondervorschlag durch selbst er-stelltes Leistungsverzeichnis des Unternehmers

unternehmer können dem Besteller nicht nur be-wusst, unter Inkaufnahme der obigen Vergütungs- und Mangelrisiken, ein Nebenangebot unterbreiten, sondern auch durch schlüssiges handeln („kon-kludent“) bei Vorlage eines selbst erstellten leis-tungsverzeichnisses (vgl. olG hamm, urteil vom 25.09.2003, Az.: 21 u 8/03):

Der Auftragnehmer bot türblätter mit Massivholz-futter für ein hotel an, die einen Schallschutz von 32 Dezibel einhalten mussten. um diesen Schallschutz zu erreichen, beinhaltete das selbst erstellte Ange-bot des Auftragnehmers für herkömmliche türen eine „Zulage Röhrenspan 32 Dezibel“ und ein „un-teres Dichtungsband“. Mit dieser vom Auftragneh-mer vorgesehenen Ausführung der türen und zu dem angebotenen Preis war der vereinbarte Schallschutz nicht zu erreichen. Nach dem Vertrag wäre der Auf-tragnehmer verpflichtet gewesen, wie vereinbart schallgeschützte türen zu dem angebotenen Preis zu montieren. Im Rahmen der getroffenen Vereinba-rung schulde der Auftragnehmer ein funktionstaug-liches und zweckentsprechendes Werk. An dieser erfolgshaftung ändere sich grundsätzlich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktions-tauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann.

Allerdings könne der Werklohn nur die vereinbarte herstellungsart umfassen, wenn diese auf Anre-gung des Auftraggebers oder des Auftragnehmers zum Gegenstand des Vertrages gemacht worden ist. Dies gelte jedoch nicht, wenn die kalkulation des Werklohns allein auf den Vorstellungen des Auftrag-nehmers beruhe. So liege der Fall hier. Der Auftrag-nehmer hat sein Angebot für die hoteltüren, die einen Schallschutz von 32 Dezibel haben sollten, soweit er-sichtlich, eigenständig erstellt. Wie die Anhörung der Parteien im termin ergeben habe, wollte der Auftrag-geber das Angebot – wie der Auftragnehmer wusste – seiner Bank oder Brauerei zwecks Gewährung eines Darlehens vorlegen. es sollte deshalb nicht zu nied-rig, sondern entsprechend den tatsächlichen kos- ten verfasst werden. Auf das Angebot, das auf der Vorstellung des Auftragnehmers beruhte, türen zu dem ausgewiesenen Preis mit Schallschutz anbieten zu können, durfte sich der Auftraggeber unter diesen umständen verlassen, ohne mit einer Preiserhöhung rechnen zu müssen.

Als weiteres Zwischenergebnis ergibt sich: Wer mit eigenem leistungsverzeichnis zum Pauschalpreis etwas verspricht, muss sich daran festhalten lassen.

3. Sondervorschläge nach Vertragsschluss

Weitere Sondervorschlagsszenarien können sich für den unternehmer aber auch erst nach Vertrags-schluss ergeben, z.B. durch

- „einvernehmliche“ Abweichung von der vereinbar-ten Beschaffenheit nach Bedenkenhinweis und än-dernder Anordnung des Bestellers (Beweislast vor Abnahme beim Auftragnehmer!),

- umplanungen des Bestellers nach berechtigtem Bedenkenhinweis, aber ohne (beweisbare) Anord-nung des Bestellers,

- umplanung des unternehmers, § 1 Abs. 3 oder Abs. 4, § 2 Abs. 9 VoB/B 2009,

- Nachträge auf eigenem leistungsverzeichnis des Auftragnehmers.

4. Einseitige Abweichungen des Auftragnehmers vom Bausoll ohne Bedenkenhinweis

Besonders risikoträchtig für Vergütung und Mängel-haftung des unternehmers sind erfahrungsgemäß einseitige Abweichungen des Auftragnehmers vom Bausoll ohne Bedenkenhinweis. Inzwischen sollte sich unter den unternehmern herumgesprochen haben, dass einseitige Abweichungen von der vereinbarten

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PRIVAteS BAu- uND ARchItekteNRecht

Recht Aktuell 4/2010

Beschaffenheit dazu führen, dass der Werkerfolg z.t. verfehlt wird, wofür es regelmäßig keine Vergütung gibt, vgl. § 2 Abs. 8 Nr. 1 VoB/B 2009. Darüber hinaus ist der unternehmer bei positiver kenntnis von der Abweichung verpflichtet, den Besteller bei Abnahme hierauf hinzuweisen. unterlässt er dies, haftet er we-gen arglistigen Verschweigens bis zu zehn Jahre lang auf Schadensersatz für diese Mängel.

Folgende Auswege kommen aus unternehmersicht in Betracht:

- eine vorbehaltlose Abnahme des Bestellers in do-kumentierter positiver kenntnis der Abweichung (siehe aber §§ 640 Abs. 2, 634 Nr. 4, 254 BGB)

- eine vorbehaltlose Zahlung bzw. einvernehmliche Abgeltung dieses Mangels, z.B. durch Minderung allein wegen der Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit, während die Mängelhaftung für Standsicherheit, Verkehrssicherheit, Dauerhaftig-keit und Gebrauchtstauglichkeit im Übrigen weiter bestehen bleibt, oder

- zumindest eine (dokumentierte) „Duldung ohne Ver-gütung“, um sich die kosten für Abriss und Neuher-stellung sowie den Schadensersatz zu sparen.

Nicht verlassen sollte sich der unternehmer auf eine „anerkennende“ Schlussrechnungsprüfung durch den Rechnungsprüfer des Bestellers, da diesem hierfür regelmäßig die Vertretungsbefungnis fehlt.

5. Schadensersatzhaftung des einen Sondervor-schlag übernehmenden Planers

Mit der Schadensersatzhaftung eines Planers, der einen Sondervorschlag übernommen hatte, muss-te sich das olG hamm beschäftigen (urteil vom 09.01.2003, Az.: 17 u 91/01):

ein Auftraggeber verlangte von seinem Planer Scha-densersatz wegen undichtigkeiten des Flachdachs ei-ner 1985/86 errichteten Produktionshalle. Nach dem vom Planer erstellten leistungsverzeichnis sollte die Dacheindeckung mittels einer einlagigen Dichtungs-bahn mit Glasgewebeeinlage und einer darauf ver-legten, ebenfalls einlagigen Bitumen-Schweißbahn erfolgen. Das war auch Inhalt des Bauvertrages des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer. In Abände-rung dieses Vertrages vereinbarte man auf Sonder-vorschlag des Auftragnehmers eine Folienabdich-tung mit ecB-Bahnen, wobei der Preis unverändert blieb und die Gewährleistung für die Dachisolierung auf zehn Jahre verlängert wurde.

Das Gericht erblickt eine mangelhafte Architektenleis- tung darin, dass der Planer in Abweichung von sei-ner ursprünglichen (richtigen) Planung die geänderte Abdichtung mit ecB-Bahnen zugelassen habe. hier seien abweichend von der ursprünglichen Planung auf Vorschlag des Auftragnehmers im Dachbereich der lagerhalle die ecB-Bahnen verlegt worden. un-abhängig davon, dass der Auftraggeber selbst die-ser Vertragsänderung am 09.05.1985 zugestimmt hat, war auch der Planer in die Verhandlungen über die Änderung des für die Dachisolierung zu verwen-denden Baustoffes eingeschaltet. Das maßgebliche Schreiben des Auftragnehmers vom 07.05.1985 rich-tete sich an den Planer, der es am darauf folgenden tage an den Auftraggeber weiterreichte, ohne gegen die darin liegende Planungsänderung einwände zu erheben. Damit habe er sich die umplanung zueigen gemacht. Die vom Planer hingenommene Verwen-dung der ecB-Bahnen stelle somit eine objektiv feh-lerhafte Architektenplanung dar.

Wer sich also als Planer einen Sondervorschlag des unternehmers zueigen macht, haftet, als ob er den Sondervorschlag selbst geplant hätte.

6. Verschärfte Verantwortung für Ordnungs- widrigkeiten und Straftaten, insbesondere bei Gewässer- und Bodenverunreinigungen

Zusammen mit dem Anwachsen der Planungsmit-verantwortung für den Sondervorschlag des Auf-tragnehmers steigt auch dessen verwaltungs- und strafrechtliche Verantwortung. Denn im havariefall wird sowohl von den Verwaltungs- als auch von den ermittlungsbehörden danach gefragt, wer was wann wie geplant und gebaut hat und welche Pflichtverlet-zung ursächlich war für eine drohende oder tatsäch-lich eingetretene, unbefugte Verunreinigung. Dann drohen auch den fahrlässig handelnden Verantwort-lichen persönlich Freiheits- oder Geldstrafen. unab-hängig davon muss die ausführende Firma mit einem Bußgeld rechnen sowie ggf. mit einem eintrag im Ge-werbezentralregister, was einigen erklärungsbedarf bei künftigen Ausschreibungen nach sich zieht.

7. Fazit

Sondervorschläge gehören mit zu den riskantesten Dingen, die einem Bauunternehmer, aber auch einem Planer beruflich begegnen können. Geht alles gut, passiert nichts, und alle sind zufrieden. Geht etwas schief, schneidet der unternehmer meist wesentlich schlechter ab als der Bauherr.

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1. Problemstellung

Jeder Auftragnehmer kennt das Problem: er erhält die Aufforderung, einen angeblich ihn betreffenden Mangel zu beseitigen. obwohl der ort des Gesche-hens mehrere hundert kilometer vom unterneh-menssitz entfernt ist, schickt der Auftragnehmer sofort zwei Monteure los, die den Mangel beseitigen sollen. Vor ort wird jedoch schnell klar, dass mitnich-ten ein Mangel an den eigenen leistungen vorliegt, sondern die ursache für das Mangelsymptom in einem Fremdgewerk liegt bzw. eine mutwillige Be-schädigung oder zufällige, nicht in die Risikosphäre des Auftragnehmers fallende Verschlechterung nach Abnahme vorliegt, so dass die Monteure des Auftrag-nehmers unverrichteter Dinge wieder abreisen.

Auf diesen frustrierten Aufwendungen bleibt regel-mäßig der Auftragnehmer sitzen. unter den deut-schen Gerichten herrscht weitgehend einigkeit, dass der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Vergütung der ihm entstandenen kosten zur Prüfung einer un-berechtigten Mängelrüge hat, wenn er seinen Vergü-tungsanspruch nicht vor Beginn der Mangelbeseiti-gung dem Auftraggeber gegenüber angekündigt und sich der Auftraggeber damit auch einverstanden er-klärt hat.

Findige Auftragnehmer haben dem Auftraggeber nach erhalt einer Mangelbeseitigungsaufforderung daher in einem Schreiben mitgeteilt, dass sie zwar den Mangel prüfen werden, aber den dadurch ent-standenen Aufwand vergütet haben wollen, wenn sich als ergebnis der Prüfung herausstellt, dass kein Mangel an den leistungen des Auftragnehmers vor-liegt. Weiter möge der Auftraggeber dieses Schreiben zum Zeichen seines einverständnisses unterschrie-ben zurücksenden, da andernfalls mit der Mangelbe-seitigung nicht begonnen werden könne.

2. Höchstrichterliche Rechtsprechung

Dieser mittlerweile recht weit verbreiteten Praxis hat der Bundesgerichtshof (BGh) nun mit urteil vom

02.09.2010 (Aktenzeichen: VII ZR 110/09) einen Riegel vorgeschoben. In diesem urteil hat der BGh zunächst festgestellt, dass das Recht eines Auftraggebers, von einem für einen Mangel verantwortlichen Auftrag-nehmer Mängelbeseitigung zu fordern, grundsätzlich nicht dadurch eingeschränkt wird, dass die Verant-wortlichkeit des Auftragnehmers bei der erstmaligen Inanspruchnahme noch unklar ist. Der Auftragneh-mer hat also keinen Anspruch gegen den Auftragge-ber, dass dieser nach dem Auftreten eines Mangel-symptoms zunächst dessen ursache klärt. Weiter hat der BGh entschieden, dass der in Anspruch genom-mene Auftragnehmer Maßnahmen zur Mangelbesei-tigung nicht davon abhängig machen darf, dass der Auftraggeber eine erklärung abgibt, wonach er die kosten der untersuchung und ggf. weiterer Maßnah-men für den Fall übernimmt, dass der Auftragneh-mer nicht für den Mangel verantwortlich ist.

Verweigert der Auftragnehmer die Mangelbeseiti-gung, weil der Auftraggeber nicht bereit ist, eine sol-che kostenübernahmeerklärung zu unterzeichnen, so tut der Auftragnehmer dies auf eigenes und volles Risiko, da der Auftraggeber nach fruchtlosem Ab-lauf der von ihm gesetzten angemessenen Frist zur Mangelbeseitigung seine weiteren Mängelrechte, v.a. Anspruch auf Vorschuss, Selbstvornahme und kos-tenerstattung, Minderung oder Anspruch auf Scha-densersatz ausüben kann, wenn tatsächlich ein Man-gel an den leistungen des Auftragnehmers vorliegt.

Die Prüfung einer Mangelanzeige auf ihre Berechti-gung durch den Auftraggeber ist daher im Normalfall eine Nebenleistung des Auftragnehmers, die dieser „unentgeltlich“, also zumindest ohne zusätzliche Ver-gütung, durchzuführen hat. Denn genau genommen hat der Auftragnehmer über den Zuschlag für die Allgemeinen Geschäftskosten (AGk), der Bestandteil seines Vergütungsanspruches ist, einen gewissen Ausgleich für die Prüfung von Mangelbeseitigungs-aufforderungen erhalten.

Da der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, die Man-gelursachen zu ermitteln, nimmt der Auftragnehmer

Unklare Mangelverantwortlichkeit: Auftragnehmer kann keine Kostenübernahmeerklärung vom Auftraggeber verlangen!

Dr. Michael t. Stoll | [email protected]

Recht Aktuell 4/2010

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PRIVAteS BAu- uND ARchItekteNRecht

Recht Aktuell 4/2010

bei der Prüfung der Mangelbeseitigungsaufforde-rung keine fremden Geschäfte wahr, sondern handelt im eigenen Interesse, so dass auch ein kostenerstat-tungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig ausscheidet.

Nur wenn der Auftraggeber bei Verfassen der Man-gelrüge entgegen den üblichen Sorgfaltspflichten nicht erkennt, dass kein Mangel an den leistungen des Auftragnehmers vorliegt, kann der Auftragneh-mer den ihm entstandenen Prüfungsaufwand beim Auftraggeber als Schadensersatz geltend machen. Denkbar ist dies z.B. in Fällen, in denen der Auf-traggeber dem Auftragnehmer eine Mangelbeseiti-gungsaufforderung schickt, obwohl ganz offensicht-lich Gewaltschäden oder Verschleiß und zufällige Verschlechterung vorliegen (z.B. Außenlampe durch Fremdeinwirkung beschädigt, Filter offensichtlich laut Filteranzeige verstopft), die Schadensursache in einem Drittgewerk oder im eigenen Verantwor-tungsbereich des Auftraggebers liegt, sich bei der Überprüfung vor ort der Mangel nicht mehr nachvoll-ziehen lässt oder der Auftraggeber bei seiner Man-gelanzeige die vertraglichen Vereinbarungen außer Betracht lässt.

Allerdings dürfen die Anforderungen an den Auftrag-geber im Rahmen einer Mangelbeseitigungsauffor-derung nicht überspannt werden, da der Auftragge-ber, wie vom BGh festgestellt, vor Ausspruch seiner Mangelbeseitigungsaufforderung nicht verpflichtet ist, die ursachen des Mangelsymptoms zu ermitteln. eine Pflichtverletzung des Auftraggebers durch eine falsche Mangelbeseitigungsaufforderung wird daher allenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich dem Auftraggeber hätte aufdrängen müssen, dass die von ihm gerügte Mangelerscheinung keinen Mangel an den leistungen des Auftragnehmers darstellt.

Für das hinsichtlich der Mängelhaftung an das Bau- und Werkvertragsrecht angenäherte kaufrecht hatte der 8. Zivilsenat des BGh, der allerdings für Bausa-chen nicht zuständig ist, bereits am 23. Januar 2008 entschieden (Az.: VIII ZR 246/06), dass ein unberech-tigtes Mangelbeseitigungsverlangen des käufers eine zum Schadensersatz verpflichtende, schuld-hafte Vertragsverletzung darstellt, wenn der käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel der kaufsache nicht vorliegt, sondern die ur-sache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.

es bleibt daher abzuwarten, ob sich auch der für Bausachen zuständige 7. Zivilsenat des BGh diese Rechtsprechung zueigen macht. einige erstinstanz-liche Gerichte, wie z.B. das landgericht essen mit urteil vom 27.04.2010 (Az.: 12 o 393/08) haben sich der vom 8. Zivilsenat des BGh vertretenen Auffas-sung bereits angeschlossen.

3. Praxistipp

Grundsätzlich muss einem Auftragnehmer geraten werden, Mangelanzeigen ernst zu nehmen und un-verzüglich zu überprüfen, ob sie berechtigt sind. Bei einer Prüfung vor ort sollte auch immer ein Vertreter des Auftraggebers hinzugezogen werden. Stellt sich heraus, dass die Mangelbeseitigungsaufforderung unberechtigt ist, so kann aus der Not eine tugend gemacht werden: ein Gewaltschaden z.B. muss oh-nehin behoben werden, so dass es nahe liegt, den vor ort befindlichen unternehmer damit zu beauftragen. Aber auch wenn ein anderes unternehmen für den Mangel verantwortlich ist, so ist es oft weiterführend, dies dem Auftraggebervertreter vor ort darzulegen und ihn zu bitten, die Mangelbeseitigungsaufforde-rung für erledigt zu erklären.

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1. Einführung

Der baurechtliche Vorbescheid ist ein im Grund-stücksverkehr wesentliches Instrument zur klärung der grundsätzlichen Bebaubarkeit eines Grund-stückes. Nach Art. 71 BayBo kann vor einreichung des Bauantrages auf Antrag des Bauherrn zu einzel-nen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid erteilt werden; der in der Praxis wichtigste Fall ist der Vor-bescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens (sog. „Bebauungsgenehmigung“).

Im Gesetz geregelt ist die Geltungsdauer des Vor-bescheides. Nach Art. 71 S. 2 BayBo gilt der Vorbe-scheid drei Jahre, soweit im Bescheid keine andere Frist bestimmt ist. Die Frist kann nach Art. 71 Abs. 3 BayBo auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu zwei Jahre verlängert werden.

Nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist die Frage, welche Auswirkungen eine Nachbarklage auf die Gel-tungsdauer des Vorbescheides hat. Für Baugeneh-migungen ist in Art. 69 Abs. 1 hS 2 BayBo geregelt, dass die einlegung eines Rechtsbehelfes den lauf der Geltungsdauerfrist bis zur unanfechtbarkeit der Genehmigung hemmt. In Art. 71 S. 4 BayBo wird für den Vorbescheid zwar auf mehrere gesetzliche Re-gelungen für das Baugenehmigungsverfahren und die Baugenehmigung verwiesen, allerdings nicht, je-denfalls nicht ausdrücklich, auf Art. 69 Abs. 1 hS 2 BayBo.

Nicht anders war dies in der Vorgängerfassung der BayBo. Dennoch entsprach es der herrschenden Auffassung und damit auch Praxis der Baugeneh-migungsbehörden, die Geltungsdauer eines Vorbe-scheides im Falle einer Nachbarklage gegen diesen Vorbescheid als gehemmt anzusehen.

2. Entscheidung des BayVGH vom 15.03.2010 (Az.: 1 BV 3157/08)

Der BayVGh hat sich in vorbezeichnetem, jüngst er-gangenem urteil mit dieser Frage befasst und – ent-gegen der bisher herrschenden Auffassung – ent-schieden, dass die einlegung eines Rechtsbehelfes den lauf der Geltungsfrist eines Vorbescheides nicht hemmt. Begründet wird die entscheidung mit dem nach Auffassung des BayVGh klaren Gesetzeswort-laut. Das Gesetz sehe eine hemmung des Fristab-laufes durch Rechtsbehelfe nur bei der Baugenehmi-gung und der teilbaugenehmigung vor, nicht jedoch beim Vorbescheid. Diese „Nichtverweisung“ auf die hemmungsregelung für Baugenehmigungen in Art. 69 Abs. 1 hS 2 BayBo stelle keine ungewollte Regelungs- lücke dar, eine entsprechende Anwendung der Rege-lung komme deshalb nicht in Betracht.

Die unterschiedliche Behandlung von Baugenehmi-gung und Vorbescheid beruhe auf sachgerechten er-wägungen. Angesichts der für die Realisierung eines Bauvorhabens erforderlichen, beträchtlichen Inves-titionen sei es sachgerecht, dass der Bauherr erst dann durch den drohenden Ablauf der Geltungsdauer gezwungen sein soll, mit seinem Bauvorhaben zu be-ginnen, wenn die Genehmigung bestandskräftig sei. Demgegenüber könne der Bauherr von einem Vor-bescheid stets Gebrauch machen, indem er eine an den Vorbescheid anknüpfende Baugenehmigung be-antrage. Die Aufwendungen für den Bauantrag seien regelmäßig erheblich geringer als diejenigen für eine Realisierung des Bauvorhabens.

3. Anmerkungen und Folgen für die Praxis

Die vor allem mit dem Wortlautargument begründete entscheidung des BayVGh erscheint nicht zwingend.

ÖFFeNtlIcheS BAuRecht

Geltungsdauer eines baurechtlichen Vorbescheides – Hemmung bei Nachbarklage?

Dr. thomas Schönfeld | [email protected]

ÖFFeNtlIcheS BAuRecht

Recht Aktuell 4/2010

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Übergangen wurde, dass die Regelung über die Gel-tungsdauer eines Vorbescheides selbst auslegungs-bedürftig ist. Wie bereits dargelegt, wird in Art. 71 Abs. 2 BayBo lediglich geregelt, dass der Vorbe-scheid (grundsätzlich) drei Jahre gilt. eine Regelung zur Berechnung dieser Dreijahresfrist enthält das Gesetz nicht. Insbesondere wird nicht definiert, ab wann diese Frist zu laufen beginnt.

Die Regelung zur Geltungsdauer der Baugeneh-migung in Art. 69 BayBo ist demgegenüber anders aufgebaut. Die Geltungsdauer der Baugenehmigung wird letztlich indirekt bestimmt über eine gesetz-liche Regelung zum erlöschen der Baugenehmigung. Nach Art. 69 Abs. 1 BayBo erlischt die Baugenehmi-gung, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer er-teilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen oder die Bauausführung vier Jahre unter-brochen worden ist. Zu der vom BayVGh problema-tisierten und im ergebnis abgelehnten Frage einer entsprechenden Anwendung von Art. 69 Abs. 1 hS 2

BayBo kann man nur gelangen, wenn die Regelung zur Geltungsdauer des Vorbescheides in Art. 71 S. 2 BayBo so ausgelegt wird, dass der Vorbescheid drei Jahre ab erteilung gilt. Diese Auslegung wird jedoch durch den Wortlaut des Gesetzes in keiner Weise zwingend vorgegeben. ohne Weiteres möglich wäre auch eine Auslegung von Art. 71 S. 2 BayBo dahin, dass der Vorbescheid drei Jahre ab unanfechtbarkeit des Vorbescheides gilt. Bei einer solchen Auslegung stellt sich dann aber die Frage einer entsprechenden Anwendbarkeit von Art. 69 Abs. 1 hS 2 BayBo schon dem Grunde nach gar nicht und wäre demzufolge der fehlende Verweis auf diese Regelung in Art. 71 S. 4 BayBo ohne jeden rechtlichen Belang.

Für die Praxis ist die vorliegende entscheidung des BayVGh freilich in jedem Falle zu beachten. Auch im Falle einer Nachbarklage gegen den Vorbescheid ist deshalb rechtzeitig vor Ablauf der Dreijahresfrist (ab erteilung) zumindest ein Verlängerungsantrag zu stellen.

Recht Aktuell 4/2010

ÖFFeNtlIcheS BAuRecht

Beim erwerb von Grundstücken wird die Frage nach der erschließung oft vernachlässigt bzw. unter-schätzt. Dies kann weitreichende Folgen haben. Zum einen ist es denkbar, dass das Baugrundstück wegen seiner unzureichenden erschließung nicht oder nicht wie gewünscht bebaut werden kann. Zum anderen können – je nach vertraglicher Gestaltung – auf den käufer oder Verkäufer noch unerwartete erschlie-ßungskosten in erheblichem umfang zukommen.

1. Begriffsbestimmungen

a) ein Grundstück darf nur bebaut oder gewerblich genutzt werden, wenn es erschlossen ist. eine ge-setzliche Definition des Begriffes erschließung exis-tiert nicht. Aufgabe der erschließung ist das Baureif-machen von Grundstücken. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung sind unter erschließung daher alle Maßnahmen zu verstehen, die erforderlich sind, da-

mit ein Grundstück sich für die vorgesehene bauliche Nutzung eignet (vgl. BVerwG, urteil vom 13.11.1992, Az.: 8 c 41/90). Zu den erforderlichen erschließungs-anlagen gehören insbesondere eine Anbindung an das öffentliche Straßen- und Wegenetz, die Wasser-versorgung und die Abwasserbeseitigung.

b) Die wegemäßige erschließung ist in den §§ 123 ff. BauGB geregelt und ist Aufgabe der Gemeinde. Die bei der Gemeinde für die erstellung der „erschlie-ßungsstraße“ anfallenden kosten werden auf die von der Straße erschlossenen Grundstücke durch die erhebung von sogenannten erschließungsbeiträgen umgelegt (vgl. Art. 5a BaykAG, §§ 127 ff. BauGB).

c) Nach § 123 BauGB und den jeweiligen kommunal-ordnungen obliegt es den Gemeinden, auch die An-lagen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung herzustellen. Die anfallenden kosten werden nach

Das (Bau-)Grundstück und seine Erschließung

Dr. christian Braun | [email protected]

15Recht Aktuell 4/2010

Maßgabe der kommunalabgabengesetze erhoben (vgl. § 127 Abs. 4 BauGB, Art. 5 BaykAG). Gesprochen wird hier nicht von „erschließungsbeiträgen“, son-dern von „Anschlussbeiträgen“.

2. Das erschlossene Grundstück

a) Nach den §§ 30 ff. BauGB ist ein Vorhaben nur zu-lässig, wenn die erschließung gesichert ist, bzw. eine ausreichende erschießung gegeben ist. Die landes-bauordnungen enthalten weitere Anforderungen zu den einzelnen erschließungsanlagen.

b) Das Vorhandensein einer Wasserver- und einer Abwasserentsorgung dient u.a. der Gewährleistung von gesunden Wohnverhältnissen und einer zeitge-mäßen umsetzung der umweltrechtlichen Vorgaben. Die wegemäßige erschließung soll gewährleisten, dass ein Baugrundstück für kraftfahrzeuge (u.a. Müllabfuhr und Feuerwehr) erreichbar ist. Art und umfang der geforderten erschließungsanlagen sind nach der jeweils konkret vorgesehenen Nutzung zu bestimmen (vgl. BVerwG, urteil vom 30.08.1985, Az.: 4 c 48/81). Damit verbleiben stets unsicherheiten, ob das Grundstück für eine geplante Nutzung aus-reichend erschlossen ist. Die wegemäßige erschlie-ßung ist z.B. nur gesichert, wenn die Straße, an die das Baugrundstück grenzt, hinsichtlich Befestigung und Breite gewisse Mindestanforderungen erfüllt. Zur Veranschaulichung wird im Folgenden eine ak-tuelle entscheidung des VGh München (urteil vom 17.02.2010, Az.: 1 B 2123/09) besprochen.

c) ein landwirt beantragte im Außenbereich u.a. die Genehmigung zur errichtung eines Milchviehstalls. Das Baugrundstück wurde durch einen gewidme-ten – aber nicht ausgebauten – Feld- und Waldweg erschlossen. Die Gemeinde hatte sich in einem Ver-gleich vor dem olG München gegenüber dem land-wirt außerdem verpflichtet, den Weg widmungs-gemäß auszubauen. Das landratsamt lehnte die Genehmigung ab. Die erschließung wurde für nicht ausreichend erachtet, da der nicht ausgebaute öf-fentliche Feld- und Waldweg zum teil eine Breite von weniger als 2m aufweist. Gegen die ablehnende ent-scheidung des landratsamtes wurde klage erhoben. Das VG München gab der klage statt. Im hinblick auf den Vergleich mit der Gemeinde genüge es, wenn die erschließung zum Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme gesichert sei. Die Gemeinde müsse den Weg entspre-chend ausbauen (VG München, urteil vom 25.01.2007, Az.: M 11 k 582/06). Die Gemeinde hat gegen das ur-teil des VG München einen Antrag auf Zulassung der

Berufung eingereicht. Die Berufung wurde zugelas-sen, das urteil des VG München aufgehoben und die klage des landwirts abgewiesen. Die erforderliche ausreichende straßenmäßige erschließung sah der VGh München als nicht gesichert. eine durchgehende Mindestbreite von 2m wurde für die wegemäßige er-schließung eines landwirtschaftlichen Betriebes auch im Außenbereich als unerlässlich angesehen. ein Anspruch auf ausreichende erschließung stehe dem landwirt gegenüber der Gemeinde nicht zu. Der widmungsgemäße Ausbau des Feld- und Waldweges müsse nicht zwingend zu einer Verbreiterung des Weges führen. Auch ein ausgebauter Feld- und Wald-weg diene der Bewirtschaftung von unbebauten Fel-dern und nicht der erschließung landwirtschaftlicher Anwesen (vgl. VGh München, urteil vom 17.02.2010, Az.: 1 B 2123/09).

d) Soweit die gesicherte bzw. ausreichende erschlie-ßung eines Grundstückes nicht eindeutig gegeben ist, sollte vor erwerb des vorgesehenen Grundstückes die Frage der gewünschten baulichen Nutzbarkeit daher zunächst durch einen Antrag auf Vorbescheid abgeklärt werden.

3. Die Erschließungskosten

a) Für die herstellung der verschiedenen erschlie-ßungsanlagen fallen kosten in erheblichem umfang an, die auf die erschlossenen Grundstücke durch Bei-tragserhebung umgelegt werden. Beim erwerb bzw. Verkauf von Grundstücken haben die Parteien aber oft keine Vorstellung darüber, ob bereits sämtliche Bei-träge erhoben worden sind oder ob eine solche erhe-bung erst noch ansteht. Vielmehr wird bei Grundstü-cken an einer geteerten Straße und entsprechenden Anschlussmöglichkeiten für Wasser und Abwasser unterstellt, dass keine „kosten“ mehr anfallen.

b) Selbst bei einem seit langem bebauten Grundstück ist es aber keine Seltenheit, dass bisher noch keine Beiträge erhoben worden sind. Die fehlende Berück-sichtigung von ausstehenden Beiträgen führt dann zu einer unzutreffenden kaufpreisermittlung. Zu wes-sen lasten diese Fehlvorstellung von den Wertver-hältnissen des Grundstücks geht, hängt wiederum von der im notariellen kaufvertrag getroffenen Re-gelung ab.

c) häufig wird vereinbart, dass der Verkäufer die Zahlung auf alle Bescheide für erschließungs- und Anschlussbeiträge schuldet, die bis zum tage der Beurkundung ergehen. Der käufer schuldet dann die

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ÖFFeNtlIcheS BAuRecht

Zahlung auf alle nachfolgend ergehenden Bescheide. Diese Formulierung räumt für den Verkäufer beste-hende Rechtsunsicherheiten vollständig aus. Über etwaige noch nicht erhobene Beiträge muss sich der Verkäufer keine Gedanken mehr machen. Sämtliche noch zu erwartenden Belastungen treffen den käufer.

d) eine für den käufer günstige lösung ist dagegen die Vereinbarung, dass der Verkäufer alle erschlie-ßungs- und Anschlussbeiträge für Maßnahmen zu tragen hat, die bis zum tage der Beurkundung bau-technisch begonnen sind, unabhängig vom Zeitpunkt des entstehens der Beitragsschuld. Die Beiträge für später begonnene Maßnahmen hat der käufer zu tra-gen. Dies führt dazu, dass im Falle eines nach dem äußeren erscheinungsbild bereits erschlossenen Grundstückes auf den käufer für die bereits vorhan-denen Anlagen keine kosten mehr zukommen.

e) Alternativ zu der Durchsetzung einer für die jewei-lige Partei günstigen vertraglichen Regelung bietet es sich an, dass die Parteien einvernehmlich eine Anliegerbescheinigung über die abgerechneten, be-zahlten und noch offenen erschließungs- und Anlie-gerbeiträge von der Gemeinde oder dem sonstigen erschließungsträger anfordern. hinsichtlich der noch offenen Beiträge kann oder wird sich die Gemeinde allerdings nicht verbindlich äußern. Die Gemeinde wird aber in der Regel auch auf zukünftig zu erwar-tende Beitragserhebungen hinweisen. Auf diesem Weg können zumindest klarheit über den bisherigen Abrechnungszustand des Grundstückes erlangt und die verbleibenden Risiken eingegrenzt werden.

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BANk- uND kAPItAlMARktRecht

Recht Aktuell 4/2010

Die Staats- und Regierungschefs der G-20-Nationen haben am 12. November 2010 auf dem G-20-Gipfel in Seoul den neuen Regelungen von „Basel III“ zuge-stimmt. Dieser Begriff dient zwar der Öffentlichkeit als allgemein gebräuchliches Schlagwort im Zu-sammenhang mit strengeren eigenkapitalquoten der Banken, wird aber nicht immer einheitlich gebraucht. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlich-ten Vorschläge zur Reformierung des internationalen Aufsichtsrechts, die am 17. Dezember 2009 in einem konsultationspapier mit dem titel „Strengthening the Resilience of the Banking Sector“ veröffentlicht wurden. Die anschließende Beratungsphase wurde im September 2010 abgeschlossen. Den kern der Bestimmungen bilden die neuen eigenkapitalvor-schriften. Diese verpflichten die Banken, größere ka-pitalpuffer zu bilden. letztlich soll der Bankensektor hierdurch so stabilisiert werden, dass Bankenret-tungen durch den Staat in krisenzeiten künftig ver-mieden werden können.

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die ge-planten eigenkapitalvorschriften gegeben, um an-schließend mögliche Auswirkungen für die Banken einerseits und die Finanzierung der unternehmen andererseits aufzuzeigen.

1. Neudefinition des Eigenkapitalbegriffs und Erhöhung des Kernkapitals

Das eigenkapital von kreditinstituten wird durch die Summe aus dem kernkapital und dem ergänzungs-kapital berechnet. Das kernkapital wiederum setzt sich aus dem harten kernkapital und dem weichen kernkapital zusammen. Insgesamt muss das eigen-kapital einer Bank mindestens 8% der Risikopositi-onen betragen (sog. Gesamtkapitalquote).

Dabei kommt dem kernkapital zur Absicherung von Risiken eine besondere Funktion zu, da der Risi-kopuffer eines kreditinstituts durch die sog. kern-kapitalquote angezeigt wird. Zur Bestimmung der kernkapitalquote ist das kernkapital einer Bank ins Verhältnis zu ihren Risikoposten (kredite, risikobe-haftete Wertpapiere etc.) zu setzen. eine Bank gilt als gesund, wenn sie mindestens eine kernkapitalquote von 7% aufweist. Risikopositionen in höhe von € 1 Mrd. müsste somit ein kernkapital von € 70 Mio. ge-genüber stehen.

Die Mindestkernkapitalquote beträgt bislang 4%. Da sich die höhe der kernkapitalquote nach einschät-zung des Baseler Ausschusses im Verlauf der Fi-nanzkrise als unzureichend erwiesen hat, wurde nun beschlossen, die kernkapitalquote bis 2015 schritt-weise auf 6% zu erhöhen.

Daneben werden die aufsichtsrechtlichen kriterien für die Zurechenbarkeit von Finanzierungsinstru-menten zum kernkapital enger gezogen und harmo-nisiert. Nationale unterschiede bei der eigenkapi-talermittlung sollen damit vermieden werden. Dies kann insbesondere bei Banken, die nicht in der Form einer Aktiengesellschaft geführt werden, handlungs-bedarf auslösen (vgl. nachfolgend unter Ziffer 3.).

Zukünftig soll das harte kernkapital vornehmlich aus dem eingezahlten kapital und den Rücklagen eines kreditinstituts bestehen, wobei das eingezahlte ka-pital nach der jeweiligen Rechtsform des kreditinsti-tutes zu bestimmen ist. Der Baseler Ausschuss hat einen detaillierten kriterienkatalog erstellt, welche eigenkapitalkomponenten zum harten kernkapital zu zählen sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Finanzierungsinstrumente nachrangig zu al-len anderen Formen der Finanzierung sein müssen.

BANk- uND kAPItAlMARktRecht

Basel III und die Auswirkungen der neuen Kapitalvorschriften auf Banken und Unternehmen – eine Bestandsaufnahme

thomas Mack | [email protected]

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BANk- uND kAPItAlMARktRecht

Sie müssen der Bank unbegrenzt zur Verfügung ste-hen und ohne einschränkung für die kompensation von Verlusten genutzt werden können.

Waren bislang jeweils 2% hartes und weiches kern-kapital verlangt, soll sich nun das zwingend notwen-dige harte kernkapital auf 4,5% erhöhen, so dass ein weiches kernkapital von 1,5% erforderlich ist, um die Mindestquote von 6% kernkapital zu erfüllen. Da die Quote von mindestens 8% eigenkapital prinzipi-ell weiter gilt, müssen folglich 2% ergänzungskapital ausgewiesen werden, um die zwingend erforderliche Gesamtkapitalquote zu erfüllen. Das ergänzungska-pital setzt sich unter anderem aus Genussrechten und anderen langfristigen nachrangigen Verbindlich-keiten zusammen.

2. Antizyklische Risikovorsorge

Ab 2016 muss jedoch das harte kernkapital zusätz-lich um einen sog. kapitalerhaltungspuffer ergänzt werden, der bis zum Jahr 2019 schrittweise auf 2,5% anwachsen soll. Dieser kapitalerhaltungspuffer ist jedoch nicht starr, sondern kann in krisenfällen un-terschritten werden. Daneben ist es den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden überlassen, in Zeiten übermäßigen kreditwachstums einen antizyklischen kapitalpuffer von bis zu 2,5% einzufordern, da man beobachtet hatte, dass sich exzessive kreditvergaben im Vorfeld einer Rezession verstärkend auf den Ab-schwung ausgewirkt hatten.

Damit wurde auf die als prozyklisch kritisierten Re-gelungen von Basel II reagiert. Diese sahen einen risikobasierten Aufbau von eigenkapital in krisen-zeiten vor. Bei sinkender Bonität der kreditnehmer hatten die kreditinstitute also höhere kapitalan-forderungen zu erfüllen. letztlich wirkte sich dies krisenverschärfend aus, da auf diese Weise gerade in Zeiten geringen wirtschaftlichen Wachstums die Neukreditvergabe verringert wurde.

Bis März 2011 will die eu-kommission die Vorgaben in einen Richtlinienentwurf übertragen. erst danach erfolgt die konkrete umsetzung in nationales Recht. Die Regelungen sollen ab 2013 gelten, wobei eine Übergangsphase bis 2018/2019 geplant ist. hierauf hatte insbesondere Deutschland bestanden, um die Banken nicht zu stark zu belasten und der Gefahr ei-ner kreditklemme zu entgehen. ob dieses Ziel aber tatsächlich erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.

3. Die Anerkennung von Genossenschaftsanteilen und stillen Einlagen als Kernkapital

Besonders Genossenschaftsbanken und Sparkas-sen, die nicht in der Rechtsform einer Aktiengesell-schaft geführt werden und somit über kein Grundka-pital verfügen, beobachteten argwöhnisch, ob mit der einführung von Basel III eine Reform des deutschen Bankensystems einhergehen könnte.

Die Geschäftsguthaben der Genossenschaftsbanken werden aber weiterhin zum kernkapital gezählt wer-den, wie dies bislang in § 10 Abs. 2a Nr. 3 kWG gere-gelt ist.

Auf Seiten der Sparkassen sorgten einzelne Stim-men, die sich für eine Privatisierung der Sparkassen laut gemacht haben, für Beunruhigung. Zum anderen drohte die in Deutschland bislang gültige Regel des § 10 Abs. 4 kWG, wonach Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen dem kernkapital zuzurechnen sind, aufgrund der geplanten harmonisierung als nationale eigenart zu entfallen, da dieses Finanzinstrument anderen län-dern unbekannt ist. Dies würde unter anderem be-sonders Sparkassen und landesbanken hart treffen.Die hiervon betroffenen Banken machten sich da-her dafür stark, zumindest für eine Übergangspha-se weiterhin stille einlagen als kernkapital nutzen zu können. letztlich hat auch die commerzbank, obwohl als Aktiengesellschaft geführt, an einer sol-chen Regelung Interesse, da der Bund mit 25% als stiller teilhaber an der zweitgrößten deutschen Bank beteiligt ist. Bisher scheint Deutschland seine natio-nalen Besonderheiten erfolgreich verteidigen zu können, so dass stille einlagen weiterhin als kernka-pital anerkannt werden. Die kriterien der Zurechen-barkeit werden sich aber wahrscheinlich verändern und enger gefasst, so dass unter umständen hierauf reagiert werden muss. Die konkrete umsetzung der Bestimmungen in europäisches Recht bleibt daher abzuwarten. Stille einlagen bei Aktiengesellschaften werden hingegen nicht mehr als kernkapital gelten. Diesbezüglich wird voraussichtlich lediglich Be-standsschutz gewährt werden.

4. Die Finanzierung von Unternehmen

Die unternehmen, die auf Fremdkapital angewiesen sind, dürften den durch die Zustimmung zu Basel III eingeleiteten Prozess ebenso gespannt verfolgen.

19Recht Aktuell 4/2010

erste Berechnungen der Deutschen Bundesbank er-gaben, dass die kreditinstitute in den nächsten Jah-ren € 50 Mrd. zusätzlich allein an hartem kernkapital aufbringen müssen. Die Bundesbank rechnet daher damit, dass es den Banken nicht gelingen wird, den erhöhten eigenkapitalbedarf ausschließlich über einbehaltene Gewinne aufzubringen. Vielmehr wür-den externe kapitalmaßnahmen erforderlich sein. Inwieweit die Banken hier erfolgreich sein können, ist von der entwicklung der Finanzkrise abhängig. unsi-cherheit erwächst aufgrund der weiterhin instabilen lage des Finanzsystems. Die Bundesbank verweist in diesem Zusammenhang auf die haushaltslage der In-dustrienationen und die Notwendigkeit vieler Banken, sich bei den Notenbanken liquidität zu beschaffen, da der Interbankenmarkt nach wie vor nicht vollumfäng-lich funktioniere.

eine Bank, der es unter diesen umständen nicht ge-lingt, das benötigte eigenkapital am kapitalmarkt oder über die einbehaltung von Gewinnen aufzubau-en, wird letztlich die Risikoaktiva reduzieren müs-sen. Dies kann zu einem Rückgang des Neukredit-geschäfts führen. Zwar wurde unter maßgeblichem einfluss Deutschlands eine lange einführungsphase beschlossen. Dass der Markt den Banken aber Zeit lassen wird, diese voll auszuschöpfen, kann dadurch nicht garantiert werden.

Daher müssen unternehmen mit einer (noch) stär-keren Risikoorientierung der kreditinstitute und letztlich steigenden konditionen rechnen. Schließlich gelten die Rating- und Risikostrategievorschriften nach Basel II weiter fort.

hiervon werden insbesondere diejenigen kleinen und mittelständischen unternehmen (kMu) betroffen sein, die keinen direkten Zugang zum kapitalmarkt haben und auf bankübliche kredite angewiesen sind. Aufgrund der schematischen Vorgaben könnten sol-che kMu über alternative Finanzierungsformen ihre

eigenkapitalausstattung vorteilhafter darstellen und so ein besseres Rating erreichen. Damit stärken sie wiederum die Verhandlungsposition gegenüber den Banken und gelangen zu günstigeren konditionen. eine solche Verbesserung des Ratings ließe sich bei-spielsweise durch Mezzanine-kapital wie Genuss-rechte und atypisch stille Beteiligungen erreichen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Vorausset-zungen zur bilanziellen Anerkennung als eigenkapital eingehalten werden. Die konkrete Finanzierung hat sich aber letztlich stets an den konkreten unterneh-mensspezifischen Besonderheiten zu orientieren.

5. Fazit

es ist daher wichtig, dass sowohl Banken als auch unternehmen die umsetzung der nun beschlossenen Rahmenregelungen von „Basel III“ in europäisches und nationales Recht genau verfolgen.

Die kreditinstitute müssen sich trotz der langen umsetzungsphase möglichst frühzeitig überlegen, wie sie das benötigte eigenkapital aufbringen kön-nen. Die kapitalerhöhung der Deutsche Bank AG war richtungsweisend und Indiz für einen raschen hand-lungsbedarf.

ein besonderes Augenmerk wird auf das kernkapital zu richten sein. Die kernkapitalquote wurde nicht nur wesentlich erhöht, sondern auch die kriterien zur Zu-rechenbarkeit bestimmter Finanzierungsinstrumente zum kernkapital wurden enger gefasst und harmoni-siert. Gerade kreditinstitute, die sich großteils über stille einlagen finanzieren, müssen darauf achten, dass sie die zukünftigen kriterien erfüllen.

unternehmen wiederum müssen sich der Gefahr ei-ner kreditrationierung bewusst sein und immer mehr über alternative Finanzierungsformen nachdenken, die ihr Rating und so ihre kreditwürdigkeit stärken.

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eRNeueRBARe eNeRGIeN

1. Hintergrund

Gemäß dem Gesetz für den Vorrang erneuerbarer energien, kurz „erneuerbare-energien-Gesetz“ (eeG), richtet sich die Vergütung für Strom aus erneuerbaren energien aus Biogasanlagen nach deren leistung, wobei die Vergütung degressiv ausgestaltet ist, also nicht linear mit der Anlagengröße zunimmt. Zwei Bio-gasanlagen mit jeweils 500 kW leistung können also eine höhere Vergütung nach eeG erzielen als eine Anlage mit 1 MW leistung. Die Abgrenzung, wann von „einer“ Biogasanlage auszugehen ist und wann von „mehreren“, ist also von erheblicher wirtschaft-licher Bedeutung. Wertvolle hinweise zum Verständ-nis des Anlagenbegriffs und auch des § 19 eeG liefert die aktuelle entscheidung des olG Brandenburg vom 16.09.2010 (Az.: 12 o 79/10).

2. Entscheidung

ein Anlagenbetreiber hat im Jahr 2003 eine Biogasan-lage mit einem Fermenter und einem Blockheizkraft-werk (BhkW) mit einer leistung von 250 kW Strom errichtet und im Jahr 2005 zwei weitere BhkW mit ei-ner leistung von jeweils 250 kW zzgl. eines weiteren Fermenters. Insgesamt sind also drei BhkW instal-liert, das Biogas wird in zwei Fermentern produziert. Die Feststoffzufuhr erfolgt über einen gemeinsamen Feststoffdosierer. Die Anlagen werden durch eine Güllepumpe, die aus dem gleichen Güllebehälter för-dert, und über eine gemeinsame leitung mit Gülle versorgt. Für die Anlage steht ein Gärstoffrestbehäl-ter zur Verfügung. Der einspeisevertrag bezog sich auf eine leistung von insgesamt 750 kW aus allen drei BhkW. Der Anlagenbetreiber verlangt nun vom Netzbetreiber erhöhte Vergütung, weil er sich auf den Standpunkt stellt, dass er aus zwei getrennten Anla-gen einspeise.

Das olG Brandenburg hält zunächst fest, dass sich der Vergütungsanspruch nach dem eeG orientiert und nicht nach dem geschlossenen Vertrag. Deshalb sei allein entscheidend, ob von einer Gesamtanlage oder von zwei Anlagen auszugehen sei. Für die alte Rechtslage nach eeG 2004 (der Betreiber verlangt die Mehrvergütung ab dem Jahr 2006) stellt das olG zunächst fest, dass die Frage, ob eine oder zwei An-lagen vorliegen, nicht nach § 3 Abs. 4 hS 2 eeG 2004 zu beantworten ist, d.h. nach der Frage, ob es sich um eine wesentliche erneuerung handelt. Denn diese Bestimmung regelt nicht den Fall, dass eine wesent-liche erneuerung zu einer zweiten Anlage führt.

Das olG kommt dann für die alte Rechtslage nach eeG 2004 durch heranziehung des § 3 Abs. 2 S. 2 eeG 2004 zu dem Schluss, dass es sich nur um eine An-lage handelt.

Dabei stellt das olG fest, dass ein Fall einer beson-deren Missbrauchsabsicht durch Aufteilung einer gewünschten Gesamtleistung auf mehrere kleinere BhkW nicht gegeben ist, weil eine solche nicht von Anfang an geplant gewesen sei. Vorliegend sei 2003 ein BhkW mit einer leistung von 250 kW errichtet worden und zwei Jahre später ein erweiterungsbau hinzugetreten, und zwar ohne dass dem Anlagenbe-treiber unterstellt werden könne, er habe von vornhe-rein diese künstliche Aufspaltung beabsichtigt, um die ansonsten geltenden Vergütungsstufen zu umgehen.

Allerdings sei über die Fiktion des § 3 Abs. 2 S. 2 eeG 2004 vorliegend von nur einer Anlage auszugehen. Die BhkW seien im Sinne der Norm mit gemeinsam für den Betrieb technisch erforderlichen einrich-tungen oder baulichen Anlagen unmittelbar verbun-den. So existiere ein gemeinsamer Feststoffdosierer für beide Fermenter, es erfolge eine gemeinsame

eRNeueRBARe eNeRGIeN

Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien bei mehreren Biogasanlagen

Dr. Mathias Mantler | [email protected]

21Recht Aktuell 4/2010

Güllebeschickung aus den gleichen Güllebehältern und es werde derselbe Gärrestebehälter verwendet. Insbesondere handele es sich bei diesen Bauteilen nicht um reine Infrastruktureinrichtungen, sondern um technisch notwendige einrichtungen im Sinne der eeG-Bestimmung.

Die gleiche Beurteilung ergebe sich auf der Basis des derzeit gültigen eeG. Zunächst stellte das olG fest, dass nach der Gesetzesbegründung ein weiter Anla-genbegriff zugrunde zu legen ist, um Auslegungsun-sicherheiten zu beseitigen, die insbesondere bei der Abgrenzung von zu Anlagen gehörenden Bestandtei-len aufgetreten sind. Neben der stromerzeugenden einrichtung sollen auch sämtliche technischen und baulich erforderlichen einrichtungen vom Anlagen-begriff erfasst werden. Dabei sei zunächst nach § 3 Nr. 1 eeG 2009 zu untersuchen, ob eine oder meh-rere Anlagen vorliegen. Nur wenn mehrere Anlagen vorliegen, ist der Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 eeG 2009 erst eröffnet. Allein der umstand, dass § 3 Nr. 1 eeG 2009 keine fiktive Bestimmung des Anla-

genbegriffes mehr enthält, bedeutet nicht, dass keine Abgrenzung mehr dahingehend stattzufinden hat, ob das konkrete Vorhaben als eine Anlage zu bewerten ist oder nicht. Nur im letzteren Fall kommt es dann überhaupt auf § 19 Abs. 1 eeG 2009 an.

3. Praxishinweis

Interessierte Anlagenbetreiber, die ein Vorhaben zur erzeugung von Strom aus erneuerbaren energien planen, sollten bei der Projektierung also darauf achten, dass nicht (nur) § 19 eeG 2009 für die Fra-ge der Vergütung von Strom aus mehreren Anlagen zu beachten ist, sondern nach wie vor § 3 Nr. 1 eeG 2009, auch wenn diese Bestimmung im Gegensatz zur Bestimmung in § 3 Abs. 2 eeG 2004 keine fiktive Definition der Anlage mehr enthält. Dabei ist davon auszugehen, dass der Anlagenbegriff durch die neue Regelung des eeG 2009 tendenziell erweitert wurde, d.h. die Möglichkeiten, über mehrere kleinere Anla-gen eine höhere Gesamtvergütung zu erzielen, noch weitergehend eingeschränkt worden sind.

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GeWeRBlIcheR RechtSSchutZ

1. Einleitung

Der nationale wie internationale technologietransfer hat in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeu-tung gewonnen. Infolge der Globalisierung und im-mer komplexer werdenden technologien sind unter-nehmen zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit angehalten, entwicklungsprozesse zu beschleunigen und angrenzende technologien zu erwerben, um ei-gene marktfähige Produkte herstellen zu können. unternehmen besitzen oftmals nicht die erforder-lichen Finanzmittel oder das notwendige know-how bzw. die Schutzrechte, um entwicklungs- und Fer-tigungsprozesse allein im eigenen unternehmen bewerkstelligen zu können. Vor diesem hintergrund erfolgen in zunehmendem Maße eine Fremdvergabe von Forschungs- und entwicklungsaufträgen sowie die einlizenzierung bzw. der kauf von Rechten Dritter, insbesondere von Patenten.

2. Vertragliche Gestaltungsformen im Rahmen von Technologietransfers

Wegen der hohen Wertigkeit von technologischen errungenschaften für das wirtschaftliche Fortkom-men eines unternehmens müssen im Rahmen von technologietransfers die komplexen Vorstellungen der Beteiligten in umfangreichen vertraglichen Re-gelungen Niederschlag finden. es muss klarheit bestehen über den Inhalt des zumeist vertraulichen Informations- und erfahrungsaustausches, über die beabsichtigten entwicklungen, über die Rechte an den erhofften (und unvorhergesehenen) ergebnis-sen sowie über den umfang einer etwaigen künftigen langjährigen Zusammenarbeit. Bereits im Vorberei-tungsstadium werden deshalb z.B. Geheimhaltungs-vereinbarungen, „Memorandum of understanding“ oder „letter of Intent“ abgeschlossen. Vertrauliche Informationen und elementares geistiges Betriebs-eigentum werden preisgegeben, bevor Art und um-

fang einer zukünftigen Zusammenarbeit von Parteien feststehen. Im Falle der Durchführung von For-schungs- und entwicklungstätigkeiten ist in der Re-gel noch völlig offen, ob verwertbare entwicklungen erzielt werden und eine spätere profitable Verwer-tung der ergebnisse in Betracht kommt. All diese As-pekte werden beim Abschluss von Forschungs- und entwicklungsverträgen (F&e-Verträge) mitgeregelt. oftmals folgen dann noch kauf- und/oder lizenzver-träge über Patente und know-how, wenn eine fort-dauernde Zusammenarbeit und/oder eine konkrete Rechteübertragung/lizenzierung feststehen. Dies kann dann in sehr unterschiedliche kooperations-formen münden und beispielhaft Ausdruck finden in horizontalen oder vertikalen F&e-/lizenzverträgen, in Material transfer Agreements oder in cross-li-zenzverträgen, bei denen sich Parteien wechselseitig lizenzen einräumen.

Bei der Durchführung von technologietransfers müssen im Übrigen immer auch kartellrechtliche Überlegungen mit angestellt werden. Mit der eG-Ver-ordnung Nr. 1/2003 entfiel ab Mai 2004 die grundsätz-liche Anmelde- und Genehmigungspflicht für wettbe-werbsbeschränkende Vereinbarungen. Diese gelten nunmehr als freigestellt, wenn sie die Freistellungs-voraussetzungen von Artikel 101 Abs. 3 AeuV bzw. der einschlägigen europarechtlichen Verordnungen erfüllen. Beispielhaft sind die eG-Verordnungen GVo Nr. 2659/2000 für Forschungs- und entwicklungs-vereinbarungen und GVo 772/2004 für technologie-transfervereinbarungen zu erwähnen.

3. Forschungs- und Entwicklungsverträge

F&e-Verträge nehmen eine zentrale Rolle im Rahmen von technologietransfers ein. unternehmen müssen erheblich mehr Geld in Forschung und entwicklung investieren und vergeben aus bereits erwähnten Gründen Forschungsaufträge häufiger an Dritte.

GeWeRBlIcheR RechtSSchutZ

Technologietransfer

carsten huch-hallwachs | [email protected]

23Recht Aktuell 4/2010

hinzu kommt, dass Forschungsprojekte durch den Bund und die eu verstärkt gefördert werden, so dass Forschungsaufgaben in zunehmendem Maße von öffentlich geförderten Forschungspartnern wie z.B. universitäten und hochschulen oder Forschungs-einrichtungen wie den Max-Planck-Instituten, der helmholtz-Gemeinschaft oder der Fraunhofer-Ge-sellschaft wahrgenommen werden. Diese verfügen sogar z.t. bereits über eigene Vertragsbestimmungen wie z.B. das Bundesministerium für Bildung und For-schung. Daneben hat sich aber auch eine Vielzahl von privatwirtschaftlich organisierten unternehmen ge-bildet, welche Innovation als Dienstleistung am Markt anbieten.

Forschung und entwicklung vollziehen sich im We-sentlichen in zwei Phasen: In der ersten Phase lie-fert die Forschung neue erkenntnisse und schafft wissenschaftlichen Fortschritt durch Aufzeigen neuer Ansätze, komponenten oder eigenschaften. Die gewonnenen erkenntnisse werden dann in einer zweiten Phase (weiter-)entwickelt, getestet und fort-gesetzt, bis hin zur Schaffung von Prototypen oder serienreifen Produkten.

Die hauptaufgabe eines Forschungsinstituts liegt deshalb zunächst in der bloßen Durchführung von Forschungsarbeiten durch Bereitstellung der nöti-gen Forschungskapazität und der einbringung von vorhandenem know-how. Nachdem gerade bei For-schungsarbeiten wissenschaftliches und technisches Neuland betreten wird, wird sich eine Forschungs-einrichtung deshalb nicht binden, bestimmte Arbeits-ergebnisse herbeizuführen, einen konkreten erfolg in Aussicht zu stellen oder eine Mängelhaftung für ihre ergebnisse zu übernehmen. Fehlschläge gehören naturgemäß zum Inhalt von Forschungsarbeiten.

entwicklungsarbeiten zielen demgegenüber bereits auf eine bestimmte Produkt- oder Verfahrensent-wicklung ab mit dem Ziel der herstellung eines ers-ten Prototyps auf der Basis einer relativ detaillierten leistungsbeschreibung. Während deshalb bei einem Forschungsauftrag noch dienstvertragliche elemente durch ein nach den Regeln der Wissenschaft und technik geschuldetes Vorgehen im Vordergrund ste-hen, beinhalten entwicklungsaufträge eine stärkere werkvertragliche Prägung infolge der geforderten herbeiführung konkreter entwicklungsergebnisse. Der Auftragnehmer haftet aber dann grundsätzlich auch u.a. für die Mangelfreiheit seiner leistungen, so dass er sich bei der Vertragsgestaltung darüber im klaren sein muss, wozu er zu leisten imstande ist.

4. Schutzrechte

Forschungs- und entwicklungsarbeiten sowie sons-tige technologietransfers dienen dem Zweck, Inno-vationen herbeizuführen, die dem Inhaber einen Vor-sprung im gewünschten Marktsegment ermöglichen sollen. Durch Anmeldung bzw. Ankauf/lizenzierung von Schutzrechten, insbesondere Patenten, wird eine Monopolstellung erzeugt. Allein der Patentin-haber ist befugt, die patentierte erfindung zu benut-zen und so einzigartige Produkte herzustellen. Vor diesem hintergrund stellen die Inhaberschaft und handhabung von schutzfähigen Arbeitsergebnissen/Schutzrechten im Bereich des technologietransfers eine zentrale Frage dar. Wichtig ist dabei zu wissen, dass ein Auftraggeber nicht automatisch mit seiner Projektfinanzierung sämtliche Rechte an gewon-nenen ergebnissen erwirbt, da die Übertragung von erfindungen nicht per se von einem Forschungs- und entwicklungsauftrag erfasst ist und daher erfinder-rechte zunächst allein dem erfinder zustehen. hinzu kommt, dass ein überwiegender teil aller schutzfä-higen erfindungen Diensterfindungen im Sinne des in Deutschland gültigen Arbeitnehmererfindungs-gesetzes darstellen und dieses u.a. vorsieht, dass patentfähige Arbeitsergebnisse durch den Arbeitge-ber in Anspruch genommen werden müssen, bevor diese übergehen. Während allerdings insoweit noch bis ende 2009 eine explizite schriftliche Inanspruch-nahme durch den Arbeitgeber erfolgen musste, gilt seit 2010 eine Übertragung auf den Arbeitgeber als erfolgt, wenn er die gemeldeten erfindungen nicht explizit gegenüber dem Mitarbeiter freigibt.

Jeder technologietransfer erfordert daher unmiss-verständliche Bestimmungen, wer Inhaber bzw. Nut-zungsberechtigter eines Schutzrechtes ist. Gerade wenn mehrere Parteien mit eigenen geschäftlichen Interessen und eigenen technologien zusammenar-beiten, bedarf es komplexer Feststellungen über vor-handene Alt- und entstehende Neuschutzrechte und über die exklusiven, alleinigen oder einfachen Nut-zungsrechte hieran einschließlich weiterer Berechti-gungen wie z.B. das unterlizenzieren. Auch müssen Anmeldung, Aufrechterhaltung und Verteidigung von Schutzrechten stets geregelt sein. Sofern all dies noch nicht umfassend bei Abschluss eines F&e-Ver-trages erfolgt ist oder noch nicht möglich war, wird dies im Rahmen von Patentübertragungs- oder li-zenzverträgen erfolgen. Bereits bei Abschluss eines F&e-Vertrages sollten aber dann zumindest bereits (exklusive) optionsrechte auf Abschluss von lizenz-verträgen etc. vereinbart werden.

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hANDelS- uND GeSellSchAFtSRecht

Das Gesetz schreibt für die Gmbh – anders als für die AG – grundsätzlich keinen Aufsichtsrat als wei-teres organ neben der Gesellschafterversammlung und den Geschäftsführern vor. Ab einer gewissen Mitarbeiterzahl (bei regelmäßig mehr als 500 Arbeit-nehmern nach dem sog. Drittelbeteiligungsgesetz und bei regelmäßig mehr als 2.000 Arbeitnehmern nach dem Mitbestimmungsgesetz) muss allerdings auch bei der Gmbh aus Gründen der Arbeitnehmer-Mitbestimmung ein sog. „obligatorischer“ Aufsichts-rat gebildet werden. Darüber hinaus entscheiden sich manche Gmbh-Gesellschafter – auch ohne eine sol-che Verpflichtung – zur einrichtung eines freiwilligen, sog. „fakultativen“ Aufsichtsrats.

1. Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats bei der GmbH

Zentrale Aufgabe eines solchen Aufsichtsrats ist – wie bei den Pflicht-Aufsichtsräten – die Überwa-chung der Geschäftsführung. Für Gesellschaften mit größerem Gesellschafterkreis dient die einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats deshalb vorrangig dazu, ein Gremium erfahrener und sachkundiger Personen zu erhalten, das zusätzlich oder anstelle der Gesellschafterversammlung effektiv Prüfungs- und kontrollaufgaben gegenüber den Geschäftsfüh-rern wahrnehmen kann. Die besondere Sachkunde dieses Gremiums kann zudem dazu genutzt werden, dass dem Aufsichtsrat die Prüfung und weiterge-hend sogar die Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft übertragen wird. In kleineren Ge-sellschaften soll die einrichtung eines Aufsichtsrats häufig Streitigkeiten unter den Gesellschaftern über die Geschäftsführung verhindern, etwa indem dem Aufsichtsrat bei Patt-Situationen in Gesellschafter-versammlungen die Aufgabe übertragen wird, über die Vornahme zustimmungspflichtiger Geschäfts-

führungsmaßnahmen (z.B. größere Investitionen) verbindlich anstelle der Gesellschafterversammlung zu entscheiden. Durch die Übertragung der Aufgabe, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen so-wie die Bedingungen deren Anstellungsverträge zu regeln, werden schließlich Streitigkeiten unter den Gesellschaftern über die Besetzung des Geschäfts-führeramts und die Vergütung der Geschäftsführer, vor allem geschäftsführender Gesellschafter, ver-mieden.

Die Gmbh-Gesellschafter sind hinsichtlich der ver-traglichen Regelung des fakultativen Aufsichtsrats weitestgehend frei. Die Gesellschafter können – re-gelmäßig in der Satzung – ohne zwingende gesetz-liche Vorgaben Bestimmungen zur Größe des Auf-sichtsrats, der Art und Weise der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, den Rechten und Pflichten des Aufsichtsrats sowie der Amtszeit, inneren ord-nung, haftung und Vergütung des Aufsichtsrats treffen. Soweit die Satzung keine abweichenden Re-gelungen enthält, gelten zudem auch für den fakulta-tiven Aufsichtsrat in der Gmbh aufgrund Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbhG eine Reihe aktienrechtlicher Vorschriften.

2. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

a) Überblick

Aufgrund der Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbhG haf-ten die Aufsichtsratsmitglieder (nicht der Aufsichts-rat als solcher) der Gmbh für Schäden, die durch verschuldete Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats verursacht worden sind, §§ 52 Abs. 1 GmbhG, 116 S. 1, 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Die Schadenshaftung jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds kann immer bereits dann ausgelöst werden, wenn entweder das betref-

hANDelS- uND GeSellSchAFtSRecht

Fakultativer GmbH-Aufsichtsrat: Haftung der Mitglieder nur für Schäden der Gesellschaft

Dr. Reinhard lutz | [email protected]

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fende Aufsichtsratsmitglied oder der Aufsichtsrat als solcher schuldhaft Pflichtverletzungen begangen hat. es besteht eine Gesamtverantwortung aller Auf-sichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft. Dies bedeutet nicht, dass ein Aufsichtsratsmitglied bei Fehlern der übrigen Aufsichtsratsmitglieder bzw. des gesamten Gremiums in jedem Fall haftbar ge-macht wird. Das einzelne Mitglied kann der persön-lichen haftung entgehen, indem es hinsichtlich einer Pflichtverletzung, die zu Schäden der Gmbh geführt hat, seinerseits alles Zumutbare unternommen hat, um die Pflichtverletzung des Aufsichtsrats zu ver-hindern (etwa durch eigene Prüfung, Information der anderen Aufsichtsratsmitglieder, entsprechende Ausübung seines Stimmrechts, ggf. unterrichtung der Geschäftsführer, klage gegen einen Aufsichts-ratsbeschluss etc.).

Die haftung der Aufsichtsratsmitglieder setzt eine Pflichtverletzung voraus. Maßstab für die korrekte Aufgabenerfüllung ist jeweils die Sorgfalt eines „or-dentlichen und gewissenhaften“ Mitglieds eines Prü-fungs- und Überwachungsorgans (§§ 116 S. 1, 93 Abs. 2 S. 1 AktG). eine haftungsbegründende Sorgfaltspflicht- verletzung liegt also dann vor, wenn ein ordentlich handelndes, gewissenhaftes Mitglied eines solchen Gremiums die entsprechenden Nachlässigkeiten oder Fehler nicht begangen hätte.

Vorbehaltlich einer anderslautenden Satzungsrege-lung haftet jedes Aufsichtsratsmitglied im Falle von Pflichtverletzungen bei jeder Form des Verschuldens, also insbesondere auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Bei einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats wird der Verschuldensmaßstab zugunsten des Aufsichts-rats allerdings häufig durch Satzungsbestimmung gemildert, so dass die Mitglieder des Aufsichtsrats nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit einzuste-hen haben (dies ist dann allerdings der zwingende Mindeststandard). laut Gesetz gilt schließlich eine Beweislastumkehr: Im Falle einer Pflichtverletzung und eines daraus resultierenden Schadens der Gmbh hat das in Anspruch genommene Aufsichtsratsmit-glied seinerseits zu beweisen, dass es die Pflichtver-letzung nicht schuldhaft begangen hat (§§ 52 Abs. 1 GmbhG, 116 S. 1, 93 Abs. 2 S. 2 AktG).

b) haftung nur bei Schaden der Gesellschaft

Die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats haf-ten andererseits nur, wenn durch eine schuldhafte Pflichtverletzung ein Schaden der Gmbh selbst ent-standen ist. Die Gesellschafter, die sich durch die

Pflichtverletzung des Aufsichtsrats geschädigt fühlen (z.B. weil ihre Gewinnansprüche oder der Wert ihres Geschäftsanteils gemindert wurden), haben demge-genüber keinen unmittelbaren Schadensersatzan-spruch gegen die Aufsichtsratsmitglieder. Wichtig ist ferner, dass bei der Gmbh auch eine ersatzpflicht gegenüber Gläubigern der Gmbh ausscheidet.

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGh) in einem ur-teil vom 20.09.2010 (Az.: II ZR 78/09) nochmals aus-drücklich bestätigt: kläger war hier der Insolvenz-verwalter über das Vermögen einer Gmbh. er nahm ehemalige Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats der Gmbh auf Schadensersatz in Anspruch, da sie es pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen hatten, den Geschäftsführer nach eintritt der Insolvenzreife der Gmbh an Auszahlungen aus dem Gesellschaftsver-mögen gemäß § 64 S. 1 GmbhG zu hindern. Nach Auf-fassung des BGh war die klage unbegründet. Durch die – unstreitig rechtswidrigen – Auszahlungen des vormaligen Geschäftsführers sei der Gesellschaft selbst kein Schaden entstanden. Die Zahlungen hät-ten nur die Insolvenzmasse verringert, was zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger führte. Die früheren Aufsichtsratsmitglieder hätten zwar eine Pflichtverletzung begangen (schuldhafte Verletzung der Überwachungspflicht gegenüber der Geschäfts-führung), müssten bei einem fakultativen Aufsichts-rat jedoch nicht für diesen Drittschaden (der Insol-venzgläubiger) einstehen. Dies ergibt sich – so der BGh – bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung: Die Bestimmung in § 52 Abs. 1 GmbhG verweist aus-drücklich nur auf die aktienrechtlichen haftungsre-gelungen in §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 und Abs. 2 AktG. Die haftungserweiterungen des § 93 Abs. 3 bis Abs. 6 AktG werden für einen fakultativen Aufsichtsrat (an-ders als für einen obligatorischen Aufsichtsrat) aber gerade nicht in Bezug genommen. Die haftung der Aufsichtsratsmitglieder für Schäden der Insolvenz-gläubiger sei aber gerade in § 93 Abs. 3 bis Abs. 6 AktG geregelt. Die Mitglieder des fakultativen Auf-sichtsrats der Gmbh sind demnach bei solchen Aus-zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Insolvenzreife der Gesellschaft und entsprechender eigener Pflichtverletzung nur haftbar zu machen, wenn durch diese Auszahlungen ausnahmsweise ein eigener Schaden der Gesellschaft entstanden ist.

26 Recht Aktuell 4/2010

hANDelS- uND GeSellSchAFtSRecht

1. Beendigung der Organstellung eines GmbH- Geschäftsführers

eine der grundsätzlichen unterscheidungen im Ge-sellschaftsrecht betrifft die Abgrenzung zwischen der Bestellung und der Anstellung des Gmbh-Geschäfts-führers (ebenso etwa des Vorstands einer Aktienge-sellschaft). Gemeint ist damit die unterscheidung zwischen der organstellung des Geschäftsführers, die diesem in erster linie kraft Gesetzes (§ 35 Abs. 1 GmbhG) die gerichtliche und außergerichtliche Ver- tretung der Gmbh überantwortet sowie die Ge-schäftsführungsverantwortung überträgt, und dem Anstellungsverhältnis, das die vertraglichen Rechts-beziehungen zwischen der Gmbh und ihrem Ge-schäftsführer regelt, klassischer Weise also die üblichen elemente eines Dienstvertrags von den monatlichen Bezügen über entgeltfortzahlung im krankheitsfall bis zu urlaubsansprüchen.

Geschäftsführendes organ der Gmbh wird eine natür-liche Person durch den Akt der „Bestellung“, gemäß § 46 Nr. 5 GmbhG in der Regel durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, sofern nicht die Satzung der Gesellschaft oder ein Sondergesetz eine kompetenzverlagerung auf ein anderes Bestellungs-organ vorsieht. unberührt hiervon bleiben Sonder-konstellationen wie etwa die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB.

Spiegelbildlich hierzu erfolgt die Beendigung der organstellung in den meisten Fällen durch einen Be-schluss des vorbezeichneten Bestellungsorgans mit dem Inhalt der Abberufung bzw. – dem Gesetzeswort-laut folgend – dem „Widerruf der Bestellung“ (vgl. §§ 38, 46 Nr. 5 GmbhG). Daneben kann sich eine Beendigung der organstellung des Geschäftsfüh-rers auch anderweitig ergeben, nämlich etwa durch Zeitablauf bei einer von vornherein befristeten Be-stellung, durch tod des Geschäftsführers, durch eintritt einer auflösenden Bedingung, durch eintritt der Amtsunfähigkeit wegen Wegfalls der Vorausset-zungen zur Geschäftsführerbestellung nach § 6 Abs. 2 GmbhG, durch bestimmte konstellationen der Ver-schmelzung oder des Formwechsels bei der Gmbh

sowie durch Amtsniederlegung des betreffenden Ge-schäftsführers. letzteres soll in diesem Beitrag nä-her beleuchtet werden.

2. Grundsätzliches zur Amtsniederlegung

es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung an-erkannt, dass im Grundsatz jeder Geschäftsführer seine organstellung bei der Gesellschaft durch Nie-derlegungserklärung jederzeit und fristlos beenden kann (vgl. hierzu BGh, urteil vom 08.02.1993, Az.: II ZR 58/92). Dieser Grundsatz steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Satzung der Gesellschaft Rege-lungen vorsehen kann, durch die an die Niederlegung besondere, auch strengere Voraussetzungen ge-knüpft sind, z.B. hinsichtlich der Form. Grundsätzlich bedarf die Amtsniederlegung nicht des Vorliegens eines wichtigen Grundes; dies kann aber ggf. in der Satzung abweichend geregelt sein, wobei bei unbefris- tet bestellten Geschäftsführern eine derartige ein-schränkung problematisch erscheint.

Im einklang mit der oben unter Ziffer 1 beschrie-benen trennung zwischen organverhältnis und An-stellungsverhältnis beendet die Amtsniederlegung nicht ohne Weiteres auch den Geschäftsführer-An-stellungsvertrag.

Im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Niederlegung oder einer Niederlegung zur unzeit können sich un-ter umständen Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer ergeben. In der konstellation der ein-Mann-Gmbh, in der der einzige Gesellschaf-ter auch gleichzeitig Geschäftsführer ist, soll mit der herrschenden Meinung die Amtsniederlegung des Gesellschafter-Geschäftsführers ohne gleichzeitige Bestellung eines neuen Geschäftsführers rechts-missbräuchlich und sogar körperschaftsrechtlich unwirksam sein (vgl. nur BayoblG, Beschluss vom 15.06.1999, Az.: 3Z BR 35/99; olG Zweibrücken, Be-schluss vom 15.02.2006, Az.: 3 W 209/05; olG köln, Beschluss vom 01.02.2008, Az.: 2 Wx 3/08). Dies ist mit Blick auf sich daraus ergebende Zweifel hinsicht-lich des Fortbestehens der organstellung und den damit verbundenen Befugnissen bedenklich, aber

Die Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers

Dr. christian Dittert | [email protected]

27Recht Aktuell 4/2010

im ergebnis richtig, wenn man die Pflichten des Ge-schäftsführers bedenkt, denen er sich in dieser be-sonderen konstellation nicht ohne Nachfolgerege-lung entziehen kann. es wäre nicht hinnehmbar, dass der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer ei-ner ein-Mann-Gmbh auf diese Weise eine dauerhafte Führungslosigkeit der Gmbh provoziert. Der Rechts-verkehr wird in diesen konstellationen geschützt, da die Registergerichte im einklang mit der herr-schenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig die eintragung der Amtsniederlegung verweigern werden und so der öffentliche Glaube des handelsregisters (mit dort fortbestehender eintra-gung des niederlegungswilligen Geschäftsführers) außenstehenden Dritten zugute kommt.

3. Adressat der Niederlegungserklärung

Der Geschäftsführer muss seine Amtsniederlegung an das Bestellungsorgan richten, mangels abwei-chender Satzungsregelung also üblicherweise an die Gesellschafterversammlung, d.h. an die Gesell-schafter der Gmbh. Die Rechtsprechung stellt hieran jedoch keine übertrieben strengen Anforderungen. Bereits im Jahr 1993 entschied der BGh (urteil vom 08.02.1993, Az.: II ZR 58/92), dass die Übermittlung der erklärung an einen der Gesellschafter ausreicht, wenn sie den anderen Gesellschaftern im Anschluss zur kenntnis gebracht wird. Mit weiterem urteil vom 17.09.2001 (Az.: II ZR 378/99) akzeptierte der BGh so-gar, dass die erklärung lediglich einem Gesellschafter zugeht, ohne dass die anschließende Information der weiteren Gesellschafter zusätzliches Wirksamkeits-erfordernis für die Niederlegung wäre. Dies folgert der BGh aus dem Rechtsgedanken des § 35 Abs. 2 S. 2 und S. 3 GmbhG, wonach einer Gmbh gegenüber erklärungen abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden können, indem dies gegenüber einem ledig-lich gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsfüh-rer erfolgt. Diesen Gedanken überträgt der BGh auch auf die Fälle, in denen die Gesellschaft – gegenüber ihrem Geschäftsführer – durch die Gesellschafter-versammlung bzw. ein anderes, kompetentes organ vertreten wird und dieses organ durch ein gesamt-vertretungsberechtigtes organmitglied repräsen-tiert wird. Zwar ist der einzelne Gesellschafter nicht im rechtlichen Sinne vertretungsbefugt für die Ge-sellschafterversammlung; aus der zwischen den Gesellschaftern untereinander und gegenüber der Gesellschaft bestehenden treuepflicht ergeben sich jedoch Bindungen, die eine zuverlässige Weiterlei-tung und Information innerhalb des kollegialorgans gewährleisten (so der BGh a.a.o.). Die kenntnisnah-

me sämtlicher Mitglieder des kollegialorgans von der Amtsniederlegungserklärung zur Wirksamkeitsvo-raussetzung für diese zu machen, erscheint vor die-sem hintergrund zu weitgehend und rechtfertigt die zumindest analoge heranziehung von § 35 Abs. 2 S. 2 und S. 3 GmbhG.

In diesem kontext ist auch eine aktuelle entscheidung des olG hamm (Beschluss vom 10.08.2010, Az.: I-15 W 309/10) zu sehen, in der ein Geschäftsführer sei-ne Amtsniederlegung an die Gesellschaft, zu händen eines Gesellschafter-Geschäftsführers, adressierte. Zwar sprach die Art der Adressierung im vorliegenden Fall möglicherweise für eine Willenserklärung ge-genüber der insoweit unzuständigen Geschäftsfüh-rung der Gesellschaft. Da der angeschriebene Ge-schäftsführer jedoch gleichzeitig Gesellschafter der Gesellschaft war, ließ das olG hamm dies ausrei-chen und hielt die Niederlegungserklärung für wirk-sam. Mit dem olG hamm hätte es vorliegend gegen das Gebot von treu und Glauben nach § 242 BGB ver-stoßen, bei ein und derselben Person des Adressaten zwischen dessen Geschäftsführer- und Gesellschaf-terstellung aufzuspalten. ergänzend verweist das Gericht auf das vorstehend erwähnte urteil des BGh vom 17.09.2001 (Az.: II ZR 378/99). Dies ist konse-quent und folgerichtig und auch im einklang mit der BGh-Rechtsprechung (vgl. hierzu auch den aktuellen Beschluss des olG hamburg vom 06.05.2010, Az.: 11 W 36/10). Zwar hätte es nicht ausgereicht, die Nieder-legungserklärung gegenüber der Geschäftsführung der Gmbh zu erklären. Da aber die erklärung einem Gesellschafter-Geschäftsführer zuging, kam der vom BGh herangezogene Rechtsgedanke des § 35 Abs. 2 S. 2 und S. 3 GmbhG zur Anwendung. Die Niederle-gungserklärung war wirksam.

4. Form der Niederlegungserklärung und Anmeldung zum Handelsregister

Die Amtsniederlegung ist grundsätzlich an keine be-sondere Form gebunden, es sei denn, die Satzung der Gmbh statuiert entsprechende erfordernisse.

Davon zu unterscheiden ist jedoch die erforderliche Form, um die eintragung der Amtsniederlegung im handelsregister herbeizuführen. Gemäß § 39 Abs. 1 GmbhG ist jede Änderung in den Personen der Ge-schäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungs-befugnis eines Geschäftsführers zur eintragung in das handelsregister anzumelden. Diese Anmeldung ist rechtlich rein „deklaratorisch“, also keine Wirk-samkeitsvoraussetzung für die Amtsniederlegung

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hANDelS- uND GeSellSchAFtSRecht

als solche. Dennoch ist die löschung der Geschäfts-führerstellung im handelsregister mit Blick auf des-sen Funktion als Rechtsscheinsträger wesentlich (vgl. § 15 hGB). Den Geschäftsführer, der sein Amt gegenüber der Gesellschaft wirksam niedergelegt hat, können unabhängig davon allein aufgrund des im handelsregister verkörperten Rechtsscheins, der ihn weiter als Geschäftsführer ausweist, unliebsame Überraschungen ereilen. ebenso kann im Verhältnis zu Dritten die Gesellschaft noch kraft Rechtsscheins des handelsregisters wirksam durch einen Ge-schäftsführer vertreten werden, obwohl dieser zuvor bereits – wirksam – die Amtsniederlegung gegenü-ber der Gesellschaft erklärt hat. Freilich wird der-artiges Fehlverhalten im Fall der Amtsniederlegung eher seltener sein, da der Geschäftsführer hier in der Regel aus eigenem entschluss die weitere Vertretung der Gesellschaft aufgibt (im Gegensatz zu der oftmals unfreiwilligen Abberufung durch Gesellschafterbe-schluss). Zudem liegt in diesen Fällen die Schadens-ersatzpflicht des vermeintlichen Geschäftsführers auf der hand, kann aber je nach Fall für die betrof-fene Gesellschaft auch ein nur schwacher trost sein, wenn die Forderung gegen den Geschäftsführer z.B. nicht durchsetzbar sein sollte.

§ 39 Abs. 2 GmbhG bestimmt zur Form der Anmel-dung der Amtsniederlegung zum handelsregister, dass der Anmeldung die urkunden über die Bestel-lung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis „in urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift“ beizufügen sind. Dies rela-tiviert die Formfreiheit der Niederlegungserklärung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft, und in der Praxis wird mit Blick auf die handelsregis-teranmeldung eine schriftliche oder gar notarielle Niederlegungserklärung der Regelfall sein.

ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist, ob der Zugang der Mitteilung der Amtsniederlegung beim zuständigen organ der Gesellschaft ebenfalls in der Form des § 39 Abs. 2 GmbhG nachzuweisen ist. Dies verlangt die herrschende Ansicht in der Recht-sprechung (vgl. olG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2004, Az.: 3 Wx 177/04; olG hamm, Beschluss vom 26.09.2002, Az.: 15 W 321/02; olG Naumburg, Beschluss vom 21.02.2001, Az.: 7 Wx 5/00; BayoblG, Beschluss vom 10.07.1981, Az.: BReg 1 Z 44/81). Nach Auffassung des olG Frankfurt a.M. soll dies jeden-falls dann gelten, wenn nach den umständen Zweifel am Zugang der Amtsniederlegungserklärung beste-hen (olG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.07.2006, Az.: 20 W 229/06).

In einer aktuellen entscheidung hat sich das olG hamburg mit Beschluss vom 06.05.2010 (Az.: 11 W 36/10) der vorstehend dargestellten, herrschenden Meinung unter den oberlandesgerichten ange-schlossen, wobei es angesichts berechtigter Zwei-fel am Zugang der Amtsniederlegungserklärung im betreffenden Fall nicht entscheiden musste, ob der Zugangsnachweis nur in diesem Fall oder – wie von der strengeren Auffassung vertreten – generell zu fordern ist.

Abschließend ist noch auf einen anderen, tückischen umstand hinzuweisen, der bei Anmeldung der Amts-niederlegung zum handelsregister nicht vergessen werden darf: § 78 GmbhG bestimmt, dass insoweit ein Geschäftsführer für die Vornahme der Anmel-dung zuständig ist. Die Amtsniederlegung gegenüber der Gesellschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit gera-de nicht der handelsregistereintragung (siehe oben). Daraus folgt, dass nach einmal wirksam erklärter Amtsniederlegung der betroffene Geschäftsführer selbst nicht mehr zur handelsregisteranmeldung befugt ist, da er nicht mehr Geschäftsführer der Ge-sellschaft ist. Die Anmeldung kann nur ein weiterer Geschäftsführer vornehmen. Ist ein solcher nicht vorhanden, muss er entweder durch das zuständige Bestellungsorgan der Gesellschaft (in der Regel die Gesellschafterversammlung) oder ggf. nach den Grundsätzen der Notgeschäftsführung (§ 29 BGB) auf Antrag gerichtlich bestellt werden. um dieses Pro-blem zu umgehen, kann die Amtsniederlegung mit Wirkung zum eintragungszeitpunkt erklärt werden – in diesem Fall kann der niederlegende Geschäfts-führer auch die Registeranmeldung noch selbst vor-nehmen.

5. Fazit

Die Amtsniederlegung des Gmbh-Geschäftsführers weist einige tücken auf, hinsichtlich der empfangs-zuständigkeit für die Niederlegungserklärung ebenso wie etwa in Bezug auf die erforderliche handelsregis-teranmeldung. Die Anforderungen an letztere gem. § 39 Abs. 2 GmbhG sind in Bezug auf den Nachweis des Zugangs der Niederlegungserklärung bei der Gesellschaft noch nicht höchstrichterlich geklärt, so dass das olG hamburg in seinem Beschluss vom 06.05.2010 (Az.: 11 W 36/10) die Rechtsbeschwerde gem. § 70 FamFG zum Bundesgerichtshof (BGh) aus-drücklich zugelassen hat. es darf mit Spannung auf die entscheidung aus karlsruhe gewartet werden.

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1. Allgemeines zur Gestaltung von Geschäfts- ordnungen für die Geschäftsführung

Bei der Ausgestaltung der Befugnisse von Geschäfts-führern einer Gmbh wird häufig auf das Instrument einer Geschäftsordnung zurückgegriffen. In solchen Geschäftsordnungen werden meist Zustimmungs-erfordernisse für einen katalog außerordentlicher Geschäftsführungsmaßnahmen aufgestellt und im Falle der existenz mehrerer Geschäftsführer die Ge-schäftsführungsbefugnisse zwischen den Geschäfts-führern verteilt. Der in der Praxis geschätzte Vorteil gegenüber einer Aufnahme solcher Regelungen in die Satzung liegt insbesondere in der höheren Flexibilität einer Geschäftsordnung. Anders als die Abänderung einer Satzung bedarf die Änderung einer Geschäfts-ordnung, je nach deren Inhalt, nicht zwingend eines mit satzungsändernder Mehrheit von 75% der Stim-men gefassten Beschlusses der Gesellschafterver-sammlung oder notarieller Beurkundung. Damit steht aber die Verlagerung von bedeutsamen Regelungen wie Zustimmungserfordernissen für bestimmte Ge- schäftsführungsmaßnahmen im Spannungsfeld zwi-schen der den Mehrheitsgesellschafter begünsti-genden Flexibilität der Geschäftsordnung einerseits und dem Bedürfnis der Minderheitsgesellschafter nach einem Schutz vor ungewollten Änderungen der Geschäftsführungsbefugnisse andererseits. Bei der Formulierung der Geschäftsordnung und der Sat-zung ist daher von jeder Seite zu prüfen, in welchem umfang eine flexible Abänderungsmöglichkeit wirk-lich erwünscht ist. Vor allem in Fällen, in denen ein Minderheitsgesellschafter mit einer Sperrminorität (mehr als 25 % der Stimmrechte) beteiligt ist und der Mehrheitsgesellschafter zugleich Geschäfts-führer ist, sollte der Minderheitsgesellschafter zum frühest möglichen Zeitpunkt darauf hinwirken, dass der Geschäftsführer nicht seine Befugnisse im Nach-hinein aufgrund einer zu weit reichenden Flexibilität der Geschäftsordnung ungehindert erweitern kann. Mit Abschluss der Satzung und Wirksamwerden der Geschäftsordnung begäbe sich der Minderheitsge-sellschafter sonst seiner einwirkungsmöglichkeiten. Wurde für die Änderung der Geschäftsordnung in diesen Fällen nicht ein qualifiziertes Mehrheitserfor-

dernis vereinbart, ist der Minderheitsgesellschafter weitgehend der Willkür des Mehrheitsgesellschafters ausgesetzt. Dies ist die kehrseite der vom olG hamm in einem urteil vom 28.07.2010 (Az.: I-8 u 112/09) nunmehr bestätigten Flexibilität von Geschäftsord-nungen. einzige Möglichkeit des Minderheitsgesell-schafters ist es folglich, bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Beschluss der Ge-schäftsordnung, eine hinreichende Verhandlungs-macht vorausgesetzt, die Aufnahme missbrauchs-fester Zustimmungserfordernisse durchzusetzen. Dies gelingt nur, wenn nicht der Mehrheitsgesell-schafter nach der Satzung mit einfacher Mehrheit eine Geschäftsordnung mit einem ihm günstigen In-halt beschließen kann.

2. Urteil des OLG Hamm

Zu der Frage, welche Mehrheitserfordernisse für die Abänderung oder Aufhebung einer Geschäftsord-nung für die Geschäftsführung einer Gmbh im Zu-sammenspiel zwischen Satzung und Geschäftsord-nung gelten, hat das olG hamm in seinem urteil vom 28.07.2010 die oben beschriebene, bisher übliche Ge-staltungspraxis bestätigt und durch die getroffenen Feststellungen für die Zukunft zusätzliche Gestal-tungssicherheit geschaffen.

In der dem urteil zugrunde liegenden konstellati-on war der Gesellschafter, der auf Feststellung der Nichtigkeit eines die Geschäftsordnung aufhebenden Gesellschafterbeschlusses klagte, mit einem Anteil von 30% an der Gmbh beteiligt, der die Aufhebung der Geschäftsordnung initiierende Gesellschafter war mit 40% beteiligt und neben dem kläger Geschäftsführer. In höhe von 30% hielt die Gmbh eigene Anteile. Die Satzung sah die Möglichkeit vor, mit einfacher Mehr-heit eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung zu beschließen. Daneben unterwarf die Satzung sol-che Geschäftsführungsmaßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen sowie – unter Verweis auf die Geschäftsordnung – die dort in einen katalog aufgenommenen Geschäfte dem er-fordernis der Zustimmung durch die Gesellschafter-versammlung. einen katalog zustimmungspflichtiger

Geschäftsordnung für die Geschäftsführung bei der GmbH

Sebastian Stich | [email protected]

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hANDelS- uND GeSellSchAFtSRecht

Geschäfte enthielt ausschließlich die Geschäftsord-nung für die Geschäftsführung. Für die Änderung der Satzung sah diese eine Beschlussfassung mit einer Mehrheit von 75% der „stimmberechtigten“ Stimmen vor. Insoweit ging das Mehrheitserfordernis über das gesetzliche Minimal-Mehrheitserfordernis von 75% der „abgegebenen“ Stimmen hinaus. Da eigene Anteile der Gesellschaft keine Stimmrechte vermit-teln, entsprach der Geschäftsanteil des klägers in höhe von 30% einem Stimmgewicht von ca. 42,9% der stimmberechtigten Stimmen, der zu 40% beteiligte Gesellschafter vereinigte einen Anteil der stimm-berechtigten Stimmen von ca. 57,1% der stimmbe-rechtigten Stimmen auf sich. keiner der beiden Ge-sellschafter konnte also in dieser konstellation mit seiner Stimme einen satzungsändernden Beschluss herbeiführen. Nach der wirksamen Abberufung des klägers als Geschäftsführer berief der nunmehr al-leinige Geschäftsführer der beiden Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ein und kündigte eine „Beschlussfassung über eine Geschäftsord-nung“ an. Der Gesellschafter-Geschäftsführer schlug einen Beschluss vor, mit dem die zur Regelung der Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern verabschiedete Geschäftsordnung aufgehoben wer-den sollte, da die Geschäftsführung nun nur noch einem Geschäftsführer obliege und die Regelung der Aufgabenverteilung daher überflüssig geworden sei. Diesem eigenen Beschlussvorschlag stimmte er ge-gen die Stimme des klägers zu. Der kläger wandte sich vor dem landgericht erfolgreich gegen diesen Gesellschafterbeschluss mit der Begründung, die Aufhebung des kataloges zustimmungspflichtiger Geschäfte sei willkürlich.

Das olG hamm entschied, auch eine vollständige Auf-hebung der Geschäftsordnung sei mit einem in ein-facher Mehrheit gefassten Gesellschafterbeschluss möglich und erfordere keine qualifizierte Mehrheit von 75%. ein Gesellschafterbeschluss, durch den die Geschäftsordnung vollständig aufgehoben wird, sei gerade nicht einer Satzungsänderung gleichzu-setzen. Werde in die Geschäftsordnung selbst keine Regelung zu den Mehrheitserfordernissen für eine Abänderung der Geschäftsordnung aufgenommen, so gelte nicht die in der Satzung vorausgesetzte qua-lifizierte Mehrheit für Satzungsänderungen. Nach Auffassung des olG hamm ändert sich daran auch nichts, wenn die Satzung ihrerseits für die satzungs-mäßigen Zustimmungserfordernisse auf den katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte in der Geschäfts-ordnung verweist. eröffnet die Satzung ausdrücklich die Möglichkeit, eine Geschäftsordnung mit einfacher

Mehrheit zu beschließen, und bedarf deren Aufhe-bung der Zustimmung seitens der Gesellschafterver-sammlung, ohne dass hierfür ein bestimmtes Mehr-heitserfordernis konstituiert wäre, kann nach der urteilsbegründung stets auch die Aufhebung der Ge-schäftsordnung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die Aufhebung der Geschäftsordnung sei in einem solchen Fall lediglich der gegenläufige Akt zum Beschluss der Geschäftsordnung, für den keine anderen Mehrheitserfordernisse gelten dürften.

3. Schlussfolgerungen für die Praxis

Das urteil des olG hamm erhält die bereits bisher von der Gestaltungspraxis geschätzte Flexibilität von Geschäftsordnungen für die Geschäftsführer einer Gmbh. eine Geschäftsordnung kann nicht nur ohne den zusätzlichen Aufwand notarieller Beurkundung und nachfolgender handelsregisteranmeldung geän-dert werden. Die Änderung ist auch lediglich mit ein-facher Mehrheit zu beschließen, sofern hierfür nicht eine qualifizierte Mehrheit vereinbart ist. Außerdem billigt das urteil des olG hamm ausdrücklich die Aufteilung einzelner Zustimmungserfordernisse auf Satzung und Geschäftsordnung. Beispielsweise kön-nen wie im entschiedenen Fall in der Satzung nur sol-che Geschäftsführungsmaßnahmen einem general-klauselartigen Zustimmungserfordernis unterstellt werden, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, während daneben in eine Geschäftsord-nung ein katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufgenommen wird. Damit bleibt es den Gesellschaf-tern überlassen, in welchem umfang sie Zustim-mungserfordernisse oder andere Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnisse zu einem teil in die vor Abänderungen weitergehend geschützte Sat-zung und im Übrigen in die flexibler zu handhabende Geschäftsordnung aufnehmen. eine Variante hierzu ist es, sämtliche Zustimmungserfordernisse in die Geschäftsordnung aufzunehmen und dort zu regeln, welche der Zustimmungserfordernisse im katalog mit einer einfachen und welche nur mit einer quali-fizierten Mehrheit von 75% der Stimmen abgeändert oder aufgehoben werden können. ein angemessener Ausgleich der Interessen von Mehrheits- und Min-derheitsgesellschaftern wird auch erreicht, indem einem Beirat oder Aufsichtsrat (vgl. dazu den Beitrag von Dr. Reinhard lutz in dieser Ausgabe) die Befugnis zur Abänderung oder Aufhebung der Geschäftsord-nung eingeräumt wird und zugleich die Satzung eine Änderung der Geschäftsordnung durch Gesellschaf-terbeschluss nur mit einer qualifizierten Mehrheit von 75% der Stimmen ermöglicht.

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INSolVeNZRecht

Die Insolvenz wird gern als „tod“ der Geschäftstätig-keit bezeichnet und ist ähnlich gefürchtet. So ist auch der umgang damit: Man befasst sich damit nur un-gern und am besten gar nicht. Dennoch ist es ratsam, sich vorzubereiten und sich mit den konsequenzen zu befassen, denn anders als den tod überlebt der Mensch die Insolvenz und hat möglicherweise die konsequenzen zu tragen. In den letzten Jahren ist ein Anstieg der Inanspruchnahme von Gmbh-Geschäfts-führern zu verzeichnen. Im folgenden Beitrag sollen daher einige Pflichten rund um die Insolvenzantrags-pflicht für den Fall der Gmbh skizziert und die Folgen deren Verletzung dargestellt werden, um sie vermei-den zu helfen.

1. Antragsverpflichtete

Im Insolvenzfall antragsverpflichtet ist bei der Gmbh gemäß § 15a der Insolvenzordnung (Inso) jeder Ge-schäftsführer, bei Auflösung einer Gmbh jeder liqui-dator. Im Fall der Führungslosigkeit einer Gmbh ist jeder Gesellschafter subsidiär antragspflichtig. Dies gilt aber nur, wenn der gesetzliche Vertreter fehlt.

2. Antragsfrist

Der Antrag ist ohne schuldhaftes Zögern, längstens aber innerhalb von drei Wochen nach eintritt der Zah-lungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen.

Droht die Zahlungsunfähigkeit erst, beginnt die Frist noch nicht zu laufen, eine Antragspflicht besteht noch nicht, wohl aber ein Antragsrecht des Schuld-ners (bzw. der Geschäftsführer in vertretungsbe-rechtigter Anzahl) selbst, § 18 Abs. 1 Inso, etwa wenn die Geschäftsführung glaubt, der frühzeitig gestellte Insolvenzantrag ist für die Gesellschaft vorteilhafter als weiteres Zuwarten, weil dann möglicherweise

höhere Sanierungsaussichten bestehen. In diesem Fall sollten die Geschäftsführer nach Möglichkeit ei-nen Gesellschafterbeschluss einholen, um sich nicht später wegen verfrühter Antragstellung verantwor-ten zu müssen.

Die Antragsfrist beginnt mit erkennbarkeit des Insol-venzgrundes der „Zahlungsunfähigkeit“ oder „Über- schuldung“. Bei den drei Wochen ab diesem Zeit-punkt handelt es sich um eine höchstfrist, innerhalb der der Insolvenzantrag zu stellen ist. Sie dient der ernstlichen Prüfung und Durchführung von außer-gerichtlichen Sanierungsmaßnahmen, darf jedoch nicht überschritten werden, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt noch erfolgversprechende Sanierungsver-handlungen geführt werden. kommen keine ernst-haften Sanierungsmaßnahmen in Betracht oder zer-schlagen sie sich noch vor Ablauf der Dreiwochenfrist, ist unverzüglich, also wiederum ohne schuldhaftes Zögern, Insolvenzantrag zu stellen.

3. Insolvenzgründe bei einer GmbH

Für eine Gmbh gilt nach § 17 Abs. 1 Inso der allge-meine eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit so-wie gem. § 19 Abs. 1 Inso der eröffnungsgrund der Überschuldung, da die Gmbh eine juristische Person ist.

a) Die Gmbh ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu er-füllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzu-nehmen, wenn die Gmbh ihre Zahlungen eingestellt hat, § 17 Abs. 2 Inso. Nach der Rechtsprechung ist in diesem Sinne zahlungsunfähig, wer 10% oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann. eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn aufgrund begründeter Anhalts-

INSolVeNZRecht

Insolvenzantragspflicht in der GmbH und damit zusammenhängende Haftung von Geschäftsführern

Björn Weidehaas | [email protected]

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INSolVeNZRecht

punkte mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-lichkeit zu erwarten ist, dass die liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen umständen des einzelfalls zuzumu-ten ist.

Wohlgemerkt kommt es ausschließlich auf die Zah-lungspflichten des Schuldners an, also nur auf sei-ne Geldschulden und nicht auch auf seine sonstigen Verpflichtungen wie z.B. lieferverpflichtungen. Zah-lungspflichten, die von einem Gläubiger behauptet, aber vom Schuldner ganz oder teilweise bestritten werden, sind ggf. mit einem Schätzbetrag zu berück-sichtigen. Maßstab für die Schätzung ist die Wahr-scheinlichkeit der drohenden Inanspruchnahme. Zu berücksichtigen sind solche streitigen Zahlungs-pflichten, wenn (und in der höhe, in der) mit einer In-anspruchnahme überwiegend zu rechnen ist.

b) Die Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 Inso vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des unternehmens ist nach den um-ständen überwiegend wahrscheinlich. Dieser bereits früher heftig kritisierte sog. zweistufige Überschul-dungsbegriff wurde am 18.10.2008 durch das Finanz-marktstabilisierungsgesetz wieder eingeführt und gilt bis 31.12.2010. Überschuldung liegt danach vor, wenn das Vermögen des Schuldners bei Ansatz von liquidationswerten die bestehenden Verbindlich-keiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des unternehmens ausreicht (Fortfüh-rungs- oder Fortbestehensprognose). Für die positive Fortbestehensprognose verlangt die Rechtsprechung den Fortführungswillen der organe der Gmbh sowie die objektive und aus einem aussagekräftigen unter-nehmenskonzept mit entsprechender ertrags- und Finanzplanung herzuleitende Überlebensfähigkeit des unternehmens. Daraus muss sich die überwie-gende Wahrscheinlichkeit ergeben, dass das unter-nehmen mittelfristig Überschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlich-keiten gedeckt werden können. In der Praxis wird als „mittelfristige“ ertrags- und Finanzplanung eine sol-che für das laufende und das folgende Geschäftsjahr als erforderlich angesehen. Dies ist derzeit proble-matisch, weil der aktuelle Überschuldungsbegriff nur noch bis 31.12.2010 gilt und danach wieder der davor gültige Überschuldungsbegriff anzuwenden ist, der wie folgt lautet:

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des unterneh-mens zugrundezulegen, wenn diese nach den um-ständen überwiegend wahrscheinlich ist.“

Danach bewirkt die positive Fortführungsprognose nur, dass die Vermögenswerte nicht nach liquida-tionswerten angesetzt werden müssen, sondern zu Fortführungswerten bewertet werden können.

4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit

Im Folgenden werden lediglich die Insolvenzstraf-taten im engeren Sinne herausgegriffen. Sogar sta-tistisch häufiger im Zusammenhang mit Insolvenzen sind Verurteilungen wegen allgemeiner Straftaten wie Betrug oder untreue. Im Interesse einer kom-pakten Darstellung unterbleibt an dieser Stelle eine gesonderte Darstellung.

a) Insolvenzverschleppung

Wird der gemäß § 15a Abs. 1 Inso zu stellende In-solvenzantrag vom Geschäftsführer nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig gestellt, so kann dieser gemäß § 15a Abs. 4 Inso mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Bei Fahrlässigkeit ist der Strafrahmen gemäß § 15a Abs. 5 Inso Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstra-fe. tauglicher täter ist, wer verpflichtet ist, den Insol-venzantrag zu stellen. Das kann auch ein faktischer Geschäftsführer sein, der als solcher nach außen er-kennbar geworden ist.

b) Bankrott

Wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Strafgesetz-buch (StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe kann – vereinfacht ausgedrückt – bestraft werden, wer bei Überschuldung oder beidrohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

- Vermögensbestandteile beiseite schafft, verheim-licht, zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,

- unwirtschaftliche Verlust- oder Spekulationsge-schäfte abschließt oder mit Wettspiel Vermögen verbraucht oder Schulden macht,

- Waren oder Wertpapiere auf kredit beschafft und unter Wert veräußert,

- Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,

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- keine Bücher führt oder die Vermögensverhältnisse verschleiert,

- Buchhaltungsunterlagen beiseite schafft, verheim-licht, zerstört oder beschädigt,

- Bilanzen nicht rechtzeitig oder verschleiernd auf-stellt, oder

- unwirtschaftlich seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

Bei Fahrlässigkeit ist der Strafrahmen gemäß § 283 Abs. 4 bzw. 5 StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. eine höhere Strafandrohung gibt es für besonders schwere Fälle.

Die tat ist nur dann strafbar, wenn der täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der eröffnungs-antrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

c) Verletzung der Buchführungspflicht

Die Strafandrohung für eine unterlassene oder ver-schleiernde Buchführung oder deren Beiseiteschaf-fen, Verheimlichung, Zerstörung oder Beschädigung beträgt gemäß § 283b StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei Fahrlässigkeit bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Die Pflicht zur ordnungs-gemäßen Buchführung ergibt sich aus § 41 GmbhG.

Die tat ist nur dann strafbar, wenn der täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der eröffnungs-antrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

d) Gläubigerbegünstigung

Wer in kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begüns-tigt, kann nach § 283c StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Die tat ist nur dann strafbar, wenn der täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der eröffnungs-antrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

e) Schuldnerbegünstigung

Die Schuldnerbegünstigung kommt statistisch nur

sehr selten vor und hat die Besonderheit, dass täter nicht der Schuldner selbst, sondern lediglich ein au-ßenstehender Dritter sein kann.

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld-strafe kann nach § 283d StGB bestraft werden, wer in kenntnis der einem anderen drohenden Zahlungs-unfähigkeit oder nach Zahlungseinstellung, in einem Insolvenzverfahren oder in einem Verfahren zur herbeiführung der entscheidung über die eröffnung des Insolvenzverfahrens eines anderen Bestandteile des Vermögens eines anderen, die im Falle der er-öffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmas-se gehören, mit dessen einwilligung oder zu dessen Gunsten beiseite schafft oder verheimlicht oder in unwirtschaftlicher Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht.

Die tat ist nur dann strafbar, wenn der täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der eröffnungs-antrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

5. Zivilrechtliche Haftung

a) kapitalerhaltung

Gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Gmbh-Gesetz (GmbhG) darf das zur erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschaf-ter ausgezahlt werden, andernfalls diese Zahlungen gemäß § 31 Abs. 1 GmbhG der Gesellschaft erstattet werden müssen. hierbei geht es nicht um Schadens-ersatz, sondern nur um die betroffenen Zahlungen. haftbar ist der Gesellschafter, der Zahlungen erhal-ten hat. Ist von dem empfänger keine erstattung zu erlangen und fällt dem Geschäftsführer ein Verschul-den zur last, so haftet er gemäß § 31 Abs. 6 GmbhG.

b) Allgemeine Geschäftsführerhaftung

Nach § 43 Abs. 1 GmbhG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Geschäftsführer, welche ihre obliegenheiten verlet-zen, haften gemäß § 43 Abs. 2 GmbhG der Gesell-schaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

Selbstverständlich gehört das eingehen von Risiken zur unternehmerischen Freiheit und widerspricht nicht per se der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-schäftsmannes. Die Geschäftsführer haben insoweit einen unternehmerischen ermessensspielraum.

34 Recht Aktuell 4/2010

INSolVeNZRecht

Üben die Geschäftsführer ihr ermessen fehlerfrei aus, haften sie auch dann nicht, wenn sich hinterher herausstellt, dass die darauf beruhende entscheidung falsch war und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist. Sorgfaltswidrig ist das Verhalten nur dann, wenn das erlaubte Risiko überschritten wurde. Je höher der drohende Schaden und je wahrschein-licher dessen eintritt ist, desto höher sind die Anfor-derungen an die vorherige Informationsbeschaffung und desto geringer ist der ermessensspielraum der Geschäftsführer.

Insbesondere sind die Geschäftsführer zum er-satz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 GmbhG zuwider Zahlungen aus dem zur erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht worden sind, § 43 Abs. 3 S. 1 GmbhG.

Daneben kann der Geschäftsführer der Gesellschaft gem. § 43 Abs. 2 GmbhG für den Schaden haften, der ihr durch die verspätete oder unterlassene Stellung eines Insolvenzantrags entstanden ist, sofern dahin eine Pflichtverletzung zu sehen ist. Der Schaden der Gesellschaft kann darin liegen, dass das Gesell-schaftsvermögen aufgrund der Antragsverzögerung weiter gemindert worden ist, insbesondere durch die Begründung neuer Verbindlichkeiten.

c) existenzvernichtungshaftung

Die existenzvernichtungshaftung stellt eine besonde-re Fallgruppe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schä-digung gemäß § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar. existenzvernichtung bedeutet schlicht, dass die Gesellschaft durch missbräuchlichen, un-wirtschaftlichen oder planmäßigen Vermögensent-zug insolvent geworden ist. Als Rechtsfolge ist der Zustand herzustellen, der ohne die existenzvernich-tung bestehen würde; der Anspruchsgegner haftet somit für den gesamten Ausfall der Gläubiger und gegebenenfalls die kosten des Insolvenzverfahrens. Anspruchsgegner sind nicht nur die Gesellschaf-ter, sondern über § 830 Abs. 2 BGB jeder, der zur existenzvernichtung Beihilfe geleistet hat, häufig die Geschäftsführer, die erst entsprechende Zahlungen angewiesen haben oder pflichtwidrig nicht verhindert haben.

d) Vermögensvermischungshaftung

Bei der Vermögensvermischungshaftung handelt es sich um eine Durchgriffshaftung, bei der ähnlich

wie bei nicht haftungsbeschränkten Personengesell-schaften auf das Privatvermögen der Gesellschafter unbeschränkt Zugriff genommen wird. Als gesetz-liche Grundlage wird auf §§ 128, 129 handelsge-setzbuch (hGB) analog zurückgegriffen. Vorausset-zung ist, dass die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine un-durchsichtige Buchführung oder auf andere Weise allgemein verschleiert wird, so dass insbesondere die einhaltung der kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbhG) unkontrollierbar wird.

e) Masseschmälerungshaftung

Gemäß § 64 GmbhG sind die Geschäftsführer der Ge-sellschaft zum ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung gelei-stet werden. Dies gilt lediglich nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind; dabei kann es sich insbesondere um Zahlungen han-deln, die nicht zu einer Schmälerung der Insolvenz- masse führen, deren Nichterbringung unter Strafe steht, oder durch die größere Nachteile für die Insol-venzmasse abgewendet werden. Dies gilt insbeson-dere für Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung oder lohnsteuer. Daneben sind solche Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar, durch die größere Nachteile für die Mas-se abgewendet werden. Das sind beispielsweise die zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlichen Zahlungen für Strom und Wasser, Mieten, leasingra-ten und löhne. Dass die Zahlungen im Interesse der Masseerhaltung notwendig waren, stellt jedoch eine Ausnahme dar, für die der Geschäftsführer in einem etwaigen Zivilprozess darlegungs- und beweispflich-tig ist. eine einmal eingetretene haftung kann auch durch eine Amtsniederlegung vor eröffnung des In-solvenzverfahrens nicht beseitigt werden.

f) Insolvenzverschleppungshaftung

Wer zur Insolvenzantragstellung gemäß § 15a Inso verpflichtet ist, kann in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung in die zivil-rechtliche haftung genommen werden, wenn er der Pflicht nicht rechtzeitig nachkommt. § 15a Inso ist ein Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Inhaltlich ist der Geschäftsführer zum ersatz desje-nigen Schadens verpflichtet, welcher vor eintritt der

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Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschul-dung) dadurch entstanden ist, dass noch weitere Gläubiger hinzugekommen sind (Quotenschaden). Die nach eintritt der Insolvenzreife hinzugekommenen Gläubiger sind so zu stellen, als hätten sie nie mit der Insolvenzschuldnerin kontrahiert.

Soweit Gesellschafter oder unmittelbar oder mit-telbar beherrschende Personen einen pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer vorsätzlich unterstüt-zen oder gar durch entsprechende Weisungen an der Antragstellung hindern, haften auch diese Personen über § 840 Abs. 2 BGB gesamtschuldnerisch mit dem Geschäftsführer. Dies gilt bei Gesellschaftern auch im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft.

6. Fazit

Die Fallstricke für Geschäftsführer einer Gmbh in angespannter haushaltslage können vermieden werden. Allerdings sind die Aufgaben, die sich den Geschäftsführern dann stellen, häufig spezifischer, als dass sie durch einen kursorischen Überblick wie vorstehend erklärt werden können. In kritischen Si-tuationen kann entscheidend sein, sich rechtzeitig Beratung von außen zu holen, bevor die Weichen ge-stellt werden.

36 Recht Aktuell 4/2010

MIetRecht

1. Sachverhalt (vereinfacht)

ein Vermieter klagte auf Räumung und herausga-be eines von ihm auf unbestimmte Zeit vermieteten 1-Zimmer-Appartements. Der Mieter lebte dort zu-sammen mit seiner ehefrau. Die Wohnung misst ungefähr 45 qm Wohnfläche, bestehend aus einem Zimmer, küche, Diele und Bad.

Mit Schreiben vom 23.04.2008 kündigte der Vermie-ter den Mietvertrag zum 31.01.2009 wegen eigenbe-darfs. Diesen begründete der Vermieter damit, dass seine tochter nunmehr volljährig sei und deshalb ei-nen eigenen hausstand gründen wolle. Nach Ansicht des Vermieters habe die Wohnung eine zweckmäßige Größe. Sie eigne sich für die Gründung eines eigenen hausstandes daher besonders gut.

Der Mieter widersprach der erhaltenen kündigung. Der Mieter ist der Ansicht, dass die kündigung un-wirksam sei. hierzu behauptet er, dass aus dem kündigungsschreiben selbst nicht deutlich werde, wie die bisherige Wohnsituation der tochter genau sei. Außerdem behauptet er, dass im Sommer 2008 im selben Anwesen eine Wohnung frei geworden sei. Diese habe der Vermieter an einen Dritten vermietet, anstatt sie seiner tochter zu überlassen. Überdies ist der Mieter der Ansicht, dass der Vermieter jedenfalls verpflichtet gewesen sei, ihm diese Wohnung anzu-bieten.

2. Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGh) (urteil vom 13.10.2010, Az.: VIII ZR 78/10) gibt im ergebnis dem Mieter Recht. Dem Vermieter steht kein Anspruch auf Räumung und herausgabe der Wohnung gegen den Mieter zu. Nach Ansicht des Gerichts ist das Mietverhältnis

nicht durch die kündigung vom 23.04.2008 beendet worden.

Nach den Ausführungen des BGh kann sich der Ver-mieter zwar auf den kündigungsgrund wegen eigen-bedarfs i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen. Das kündigungsschreiben vom 23.04.2008 enthalte hier-für eine den Anforderungen des § 573 Abs. 3 S. 1 BGB hinreichende Begründung. hierzu führt der BGh aus: „Der Zweck des Begründungszwangs besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn in die lage zu versetzen, rechtzeitig alles erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Die-sem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das kündigungsschreiben den kündigungsgrund so benennt, dass er identifiziert und von anderen Grün-den unterschieden werden kann.“ Nach Auffassung des BGh entspricht das kündigungsschreiben diesen Anforderungen. Aus diesem Grund musste der Ver-mieter auch keine weiteren erklärungen darüber ab-geben, wie die Wohnverhältnisse seiner tochter zuvor waren. Der Vermieter habe auch ein berechtigtes In-teresse zur Beendigung des Mietverhältnisses i.S.d. § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB hinreichend dar-getan. Wie der BGh betont, reicht es bei einer kün-digung wegen eigenbedarfs grundsätzlich aus, dass der Vermieter hierfür „vernünftige und nachvollzieh-bare Gründe“ hat.

eine wirksame kündigung scheiterte im vorliegenden Fall aber daran, dass der Vermieter es versäumt hat-te, dem Mieter die im Gebäude zwischenzeitlich frei gewordene Wohnung anzubieten. Der wegen eigenbe-darfs kündigende Vermieter hat dem Mieter eine wäh-rend der kündigungsfrist frei gewordene Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese vergleich-bar ist und sich im selben haus oder in derselben

MIetRecht

Anforderungen an die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Eigenbedarfs

Dr. Sebastian Schwartz | [email protected]

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Wohnanlage befindet. kommt der Vermieter dem nicht nach, verstößt die kündigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die kündigung ist dann rechts-missbräuchlich und somit unwirksam. Der Vermieter sei zwar in seiner entscheidung grundsätzlich frei, welche von mehreren Wohnungen er selbst bewoh-nen möchte. Andererseits sei zu beachten, dass eine kündigung eines Mietvertrages für den Mieter einen erheblichen eingriff in seine lebensführung bedeute. Dem Mieten von Wohnraum komme eine hohe soziale Bedeutung zu. Aus diesem Grund muss der Vermieter dafür Sorge tragen, dass dieser eingriff so weit wie möglich entschärft wird. hat der Vermieter eine ver-gleichbare freie Wohnung im selben Gebäude oder in derselben Wohnanlage, so muss er diese dem Mieter anbieten. kündigt der Vermieter ohne ein solches An-gebot, verhält er sich rechtsmissbräuchlich. Die kün-digung wird dann ausnahmsweise unwirksam.

3. Stellungnahme

kündigungen wegen eigenbedarfs beschäftigen die Gerichte immer wieder. In der Ausgabe 4/2009 von Recht Aktuell berichteten wir über einen Schadens-ersatzanspruch des Mieters bei einer kündigung we-gen eigenbedarfs, der in Wahrheit nicht bestand. Im vorliegenden Fall war dies zwar nicht so. hier sollte die volljährig gewordene tochter des Vermieters tat-sächlich in die Wohnung einziehen, um ihre „Selbst-ständigkeit zu fördern und ihr die Gründung eines von den eltern unabhängigen, eigenen hausstandes zu ermöglichen.“ Zutreffend weist der BGh darauf hin, dass das kündigungsschreiben eine ausreichende Begründung enthält. Denn nach den Ausführungen

des BGh besteht der Sinn und Zweck des Begrün-dungszwangs darin, den Mieter möglichst früh über seine Rechtslage zu informieren, so dass dieser ggf. geeignete Mittel zu seiner Interessenwahrnehmung ergreifen kann. hierfür soll es nach Ansicht des Gerichts ausreichen, wenn aus der kündigungser-klärung der kündigungsgrund so hervorgeht, dass dieser „identifiziert und von anderen Gründen un-terschieden werden kann“. Dann kann es aber nicht – wie der Mieter meinte – darauf ankommen, ob sich der Vermieter zur bisherigen Wohnsituation seiner tochter äußert.

ebenso zutreffend stellt das Gericht darauf ab, dass eine kündigung für den Mieter meist einen ganz er-heblichen einschnitt in seine private lebensführung bedeutet. um für den Mieter die nachteiligen Folgen einer kündigung so gering wie möglich zu halten, ist es dem Vermieter auch zumutbar, dem Mieter eine freistehende Wohnung anzubieten. unterlässt der Vermieter dies, verletzt er eine zum Schadensersatz führende Nebenpflicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB.

es zeigt sich einmal mehr, dass Vermieter bisweilen recht große Schwierigkeiten haben, eine wirksame und vor Gericht strapazierfähige kündigung auszu-sprechen. keiner weiteren Ausführungen bedarf es, dass für die Wirksamkeit einer kündigung die tat-sächlichen Voraussetzungen vorliegen müssen. Der geschilderte Fall macht aber auch deutlich, dass die rechtlichen Voraussetzungen nicht zwingend nur sol-che sind, die man dem Gesetz durch bloße lektüre entnehmen kann.

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VeRGABeRecht

1. Hintergrund

In zahlreichen Vergabeverfahren, vielleicht sogar in der überwiegenden Zahl der Fälle, ist es üblich, dass einerseits Nebenangebote zugelassen sind, anderer-seits als einziges Wertungskriterium der Preis ange-geben ist.

Auftraggeber überprüfen in solchen Fällen bislang die erfüllung der Mindestanforderungen durch die Nebenangebote sowie gegebenenfalls die Gleichwer-tigkeit und erteilen – wenn das Nebenangebot diese Prüfung bestanden hat und preisgünstiger ist als die haupt- oder Nebenangebote anderer Bieter – darauf den Zuschlag.

2. Entscheidung

ein derartiges Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des olG Düsseldorf (Beschlüsse vom 18.10.2010, Az.: VII Verg 39/10, und vom 23.03.2010, Az.: VII Verg 61/09) nicht zulässig. Dies betrifft jedenfalls Vergabever-fahren, deren Auftragswert oberhalb der für die An-wendung der Richtlinien 2004/17/eG und 2004/18/eG gültigen Schwellenwerte liegen. Denn nach diesen Richtlinien ist die Berücksichtigung von Varianten nur

zulässig, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird und nicht auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis. Das wirtschaftlichste Angebot muss aber zumindest auch nach anderen Zuschlags-kriterien bestimmt werden als nur nach dem Preis. hat der Auftraggeber dagegen den Preis als einziges Zuschlagskriterium definiert, darf er Nebenangebote nicht werten.

3. Praxishinweis

Öffentliche Auftraggeber werden sich im Zusam-menhang mit der Zulassung von Nebenangeboten ein weiteres Mal umzustellen haben. Die Notwendigkeit der Definition von Mindestanforderungen an Neben-angebote hat es Auftraggebern bereits erschwert, Nebenangebote überhaupt im Wettbewerb zuzulas-sen. Nach der Rechtsprechung des olG Düsseldorf müssen sie nun noch weitergehende hürden über-winden und können nicht mehr lediglich den Preis als Zuschlagskriterium definieren. Vielmehr müssen sie einzelfallabhängig weitere Zuschlagskriterien festle-gen, anhand derer sie die Wirtschaftlichkeit der An-gebote und insbesondere auch der Nebenangebote bestimmen wollen.

VeRGABeRecht

Keine Wertung von Nebenangeboten bei Preis als alleinigem Zuschlagskriterium

Dr. Mathias Mantler | [email protected]

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