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Psychologie - 16., aktualisierte Auflage - *ISBN 3 … · 2004-07-21 · ps psychologie Philip G....

Date post: 28-Feb-2020
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p s psychologie Philip G. Zimbardo Richard J. Gerrig Psychologie 16., aktualisierte Auflage Ein Imprint von Pearson Education München • Boston • San Francisco • Harlow, England Don Mills, Ontario • Sydney • Mexico City Madrid • Amsterdam Bearbeitet und herausgegeben von Ralf Graf, Markus Nagler und Brigitte Ricker
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pspsychologie

Philip G. ZimbardoRichard J. Gerrig

Psychologie16., aktualisierte Auflage

Ein Imprint von Pearson Education

München • Boston • San Francisco • Harlow, EnglandDon Mills, Ontario • Sydney • Mexico City

Madrid • Amsterdam

Bearbeitet und herausgegeben von

Ralf Graf, Markus Nagler und Brigitte Ricker

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Psychologie als Wissenschaft

ÜB

ER

BL

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K

1.1 Was macht Psychologie einzigartig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Ziele der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Psychologie im Alltag: Warum Psychologie studieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.2 Die Entwicklung der modernen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Historische Grundlagen der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Aktuelle Perspektiven der Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Perspektivenvergleich: Thema Aggression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.3 Was machen Psychologen eigentlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Psychologie im 21. Jahrhundert: Die Zukunft beginnt jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

1.4 Das Wichtigste in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

6.1 BEWUSSTSEIN UND BEWUSSTSEINSVERÄNDERUNGEN

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Das Gutachten von Kenneth Clark verdeutlicht die potenzielle Bedeutung psychologischer For-

schung sowohl für das Leben des Einzelnen als auch für das Leben der Gesellschaft. Sie können in diesem Beispiel die Hauptanliegen des vorliegenden Buches Psychologie erkennen: Wir wollen Sie auf eine Reise mitnehmen, in der sorgfältige Forschung die Komple-xität menschlicher Erfahrungen enthüllt; wir wollen Ihnen eine bessere Kontrolle über die Kräfte ermögli-chen, die Ihr Leben formen. Psychologie wird Sie vom Inneren des Gehirns und der Psyche zu den Außenbe-

zirken menschlichen Verhaltens führen. Wir werden die Prozesse untersuchen, die Ihren Erfahrungen bedeutungshaltige Strukturen zuordnen, beispiels-weise wie Sie die Welt wahrnehmen, kommunizieren, lernen, denken und erinnern. Wir werden uns um ein Verständnis der dramatischeren Ausdrucksformen der menschlichen Natur bemühen, beispielsweise, wie und warum Menschen träumen, sich verlieben, sich schüchtern fühlen, sich aggressiv verhalten oder psy-chisch erkranken. Schlussendlich werden wir zeigen, wie psychologisches Wissen für ein Verständnis der in

Im Jahre 1954 erließ der höchste Gerichtshof der USA, der United States Supreme Court, ein Urteil zu einem Fall, der als Brown gegen Board of Education of Topeka (Bildungsbehörde von Topeka) bekannt wurde. In dem Urteil wurden getrennte Schulen für farbige und für weiße Kinder als nicht rechtens erklärt. Da das ame-rikanische Rechtssystem auf Präzedenzfällen basiert, hatte diese Entscheidung weit reichende Folgen. Das Urteil ist ein Meilenstein in der Überwindung der Seg-regation, der Rassentrennung. Daher wird häufig auch nur unter dem Stichwort „Brown“ auf den Fall und seine historische Bedeutung verwiesen. Die Entschei-dung des höchsten Gerichtshofs wurde zu einem nicht geringen Teil durch Gutachten von Psychologen und anderen Sozialwissenschaftlern beeinflusst, die For-schungsergebnisse zu nachteiligen psychischen Aus-wirkungen für schwarze Kinder anführten, die durch die Trennung von schwarz und weiß entstehen. Hier ist ein Auszug aus der Aussage des Psychologen Ken-neth Clark zu einem Fall, im Vorfeld der Streitsache von Brown – Clark berichtet über seine Forschungs-ergebnisse an einer Gruppe junger schwarzer Kinder (Whitman, 1993, S. 49-51):

Ich führte diese Tests am Donnerstag und Freitag ver-

gangener Woche auf Ihre Anfrage hin durch. Ich habe sie

Kindern der Scott‘s Branch Grundschule vorgegeben und

konzentrierte mich dabei insbesondere auf die Elementar-

klasse. Ich benutzte diese Methode, von der ich Ihnen berich-

tete – die Negerpuppen und die weißen Puppen, die in jeder

Hinsicht identisch waren, mit Ausnahme der Hautfarbe. Ich

bot sie zusammen mit einem Blatt Papier dar, auf dem diese

Zeichnungen von Puppen waren ...

Ich zeigte ihnen diese Puppen und stellte ihnen folgende

Fragen in folgender Reihenfolge: „Zeige mir die Puppe, die

du am meisten magst oder mit der du gerne spielen wür-

dest“, „Zeige mir die Puppe, die die ‚schöne‘ Puppe ist“,

„Zeige mir die Puppe, die ‚hässlich‘ aussieht“, ...

Es zeigte sich, dass von den Kindern zwischen sechs und

neun Jahren, die ich testete, es waren 16 an der Zahl, zehn

dieser Kinder die weiße Puppe bevorzugten; die Puppe, die

sie am meisten mochten. Zehn von ihnen beurteilten die

weiße Puppe als „nette“ Puppe. Und Sie sollten nicht ver-

gessen, dass diese zwei Puppen absolut identisch waren, mit

Ausnahme der Hautfarbe. Elf dieser 16 Kinder wählten die

braune Puppe als jene aus, die „böse“ aussieht. Dies stimmt

mit früheren Ergebnissen überein, die wir durch Tests an

mehr als 300 Kindern erhalten haben. Wir interpretieren

dies so, dass schwarze Kinder bereits im Alter von sechs,

sieben oder acht Jahren die negativen Stereotypen über ihre

eigene Gruppe akzeptiert haben ...

Ich musste die Schlussfolgerung ziehen, dass diese Kinder

in Clarendon County, wie andere menschliche Wesen auch,

die offensichtlich einen minderwertigen Status in der Ge-

sellschaft, in der sie leben, innehaben, definitiv in der Ent-

wicklung ihrer Persönlichkeit Schaden genommen haben;

dass die Zeichen der Instabilität ihrer Persönlichkeit klar

zu sehen sind, und ich glaube, dass jeder Psychologe diese

Zeichen als solche erkennen und interpretieren würde.

Können Sie erkennen, warum diese Aussage – ein Stück lebendiger Geschichte psychologischer For-schung – große Auswirkungen auf den Supreme Court und das Verständnis der Nation für die psychischen Kosten der Rassentrennung hatte?

1.1 PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

33

unserem Leben wirksamen kulturellen Kräfte und de-ren Veränderung – in Fällen wie der Rassentrennung – genutzt werden kann.

Als Autoren von Psychologie glauben wir an die Kraft psychologischer Fachkenntnis. Was Psychologie für uns persönlich spannend macht, ist uns im Laufe unserer Karrieren als Lehrer und Forscher erwachsen. In den letzten Jahren gab es geradezu eine Explosion neuer Informationen über die grundlegenden Mecha-nismen, die geistige und Verhaltensprozesse bestim-men. Während neue Ideen die alten ersetzen oder modifizieren, sind wir ständig neugierig und heraus-gefordert von den vielen faszinierenden Puzzleteilen der menschlichen Natur. Wir hoffen, dass Sie am Ende dieser Reise Ihren Vorrat an psychologischem Wissen ebenfalls zu schätzen wissen werden.

Auf unserem Reiseplan ganz oben steht die wissen-schaftliche Suche nach Verständnis. Wir werden das Wie, Was, Wann und Warum menschlichen Verhal-tens untersuchen und die Gründe und Konsequenzen von Verhalten erforschen, das Sie bei sich selbst, bei anderen Menschen und bei Tieren beobachten. Wir werden erklären, warum Sie gerade so und nicht an-ders denken, fühlen und sich verhalten. Was macht Sie einzigartig gegenüber anderen Menschen? Warum verhalten Sie sich dennoch häufig so wie andere Men-schen auch? Sind Sie durch Vererbung oder stärker durch persönliche Erfahrungen geformt? Wie können Aggression und Hilfeleistungsverhalten (Altruismus), Liebe und Hass, Wahnsinn und Kreativität Seite an Seite in diesem komplexen Geschöpf – dem Menschen – existieren? In diesem Eröffnungskapitel werden wir betrachten, wie und warum all diese Arten von Fragen für die Psychologie als Disziplin relevant wurden.

1.1 Was macht Psychologie einzigartig? 1.1Um die Einzigartigkeit und Einheitlichkeit der Psy-chologie wertzuschätzen, muss man die Art und Weise betrachten, in der Psychologen und Psychologinnen ihr Forschungsfeld definieren und welche Ziele sie sich für ihre Forschung und Anwendungen stecken. Am Ende des Buches werden wir Sie dazu ermutigen, wie ein Psychologe oder eine Psychologin zu denken. In diesem ersten Abschnitt wollen wir Ihnen eine klare Vorstellung davon vermitteln, was wir damit meinen.

1.1.1 Definitionen

Viele Psychologen suchen Antworten auf die grund-legende Frage: Was ist das Wesen des Menschen? Die Psychologie beantwortet diese Frage, indem sie sowohl die Prozesse innerhalb eines Individuums als auch die Kräfte in seiner physischen und sozialen Um-welt betrachtet. So gesehen definieren wir Psychologie formal als die wissenschaftliche Untersuchung des Verhaltens von Individuen und ihren mentalen Pro-zessen. Lassen Sie uns die entscheidenden Begriffe dieser Definition genauer untersuchen: wissenschaft-lich, Verhalten, Individuum und mental.

Um Psychologie wissenschaftlich zu betreiben, müssen die psychologischen Schlussfolgerungen auf Belegen gründen, die entsprechend der Prinzipien der wissenschaftlichen Methode gesammelt wurden. Die wissenschaftliche Methode besteht aus einer Menge geordneter Schritte zur Analyse und Lösung von Pro-blemen. Diese Methode benutzt objektiv erhobene In-formationen als Faktenbasis des Schlussfolgerns. Wir werden die Merkmale der wissenschaftlichen Metho-de genauer in Kapitel 2 darstellen, wenn wir betrach-ten, wie Psychologen ihre Forschung durchführen.

Verhalten ist das Mittel, durch welches sich der Orga-nismus an die Umwelt anpasst. Verhalten bedeutet Ak-tivität. Der Gegenstand der Psychologie ist zum großen Teil das beobachtbare Verhalten von Menschen und anderen Tierarten. Lachen, weinen, rennen, schlagen, sprechen und berühren sind einige offensichtliche Beispiele von beobachtbarem Verhalten. Psychologen untersuchen, was das Individuum tut und wie es die-ses Tun in einer vorgegebenen Verhaltensumgebung und im größeren sozialen und kulturellen Kontext umsetzt.

Der Gegenstand psychologischer Untersuchungen ist meistens das Individuum – ein Neugeborenes, ein Athlet im Teenageralter, eine Studentin, die versucht,

Psychologie | Die wissenschaftliche Untersuchung von Verhalten von Individuen und ihren mentalen Prozes-sen.

Wissenschaftliche Methode | Jene Methoden, die zum Sammeln und Interpretieren objektiver Daten benutzt werden, so dass Fehler minimiert werden und zuver-lässige Verallgemeinerungen entstehen.

Verhalten | Die Aktivitäten, durch die sich der Organis-mus an seine Umwelt anpasst.

Was macht Psychologie einzigartig?

1.1 PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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sich an das WG-Leben zu gewöhnen, ein Mann, der sich Mitte 40 einer Veränderung seiner Karriere gegenübersieht, oder eine Frau, die mit dem Stress zurechtkommen muss, dass sich der Zustand ihres Ehemanns aufgrund seiner Alzheimererkrankung verschlimmert hat. Die Untersuchungseinheit kann aber auch ein Schimpanse sein, der lernt, Symbole zur Kommunikation zu benutzen, eine weiße Ratte, die durch ein Labyrinth läuft, oder eine Seeschnecke, die auf ein Gefahrensignal reagiert. Ein Individuum kann in seinem natürlichen Lebensraum oder unter den kontrollierten Bedingen eines Forschungslabors untersucht werden.

Viele Forscher in der Psychologie haben erkannt, dass sie das menschliche Verhalten nicht verstehen können, ohne auch die mentalen Prozesse zu verstehen, die Arbeitsweise des menschlichen Geistes. Viele Aktivitäten des Menschen finden als private, innere Ereignisse statt – denken, planen, schlussfolgern, phantasieren und träumen. Viele Psychologen glau-ben, dass mentale Prozesse den wichtigsten Aspekt psychologischer Untersuchungen darstellen. Wie Sie

noch sehen werden, haben Forscher in der Psycho-logie ausgefeilte Techniken entwickelt, um mentale Ereignisse und Prozesse zu untersuchen – und diese privaten Erfahrungen somit offen zu legen.

Die Kombination dieser Anliegen definiert die Psychologie als einzigartiges Feld. Während sich Psychologen stark auf das Verhalten von Individuen konzentrieren, untersuchen Soziologen das Verhalten von Menschen in Gruppen oder Institutionen, und Anthropologen konzentrieren sich auf den breiteren Kontext von Verhalten in unterschiedlichen Kulturen. Dennoch profitieren die Psychologen auch viel von den Erkenntnissen anderer Disziplinen. Als eine der Sozialwissenschaften profitiert die Psychologie von Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft, Sozi-ologie und Kulturanthropologie. Psychologen teilen viele Interessen mit Forschern aus den Biowissenschaf-ten, insbesondere mit jenen, die Prozesse im Gehirn und die biochemischen Grundlagen des Verhaltens untersuchen. Als Teil des aufkommenden Feldes der Kognitionswissenschaften stehen die Fragen der Psychologen zum Funktionieren des menschlichen

Psychologische Untersu-chungen finden meistens an Individuen statt – üblicher-weise am Menschen, manch-mal aber auch an anderen Spezies. Welche Aspekte Ihres eigenen Lebens sollten von Psychologen untersucht werden?

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Geistes in Beziehung zu Forschungen und Theorien der Informatik, der Künstlichen Intelligenz und der angewandten Mathematik. Als Gesundheitswissenschaft – mit Verbindungen zur Medizin, Pädagogik, Rechts- und Umweltwissenschaften – versucht die Psycholo-gie, etwas zur Verbesserung der Lebensqualität von Individuen und Kollektiven beizutragen. Die Psycho-logie hält nach wie vor Verbindungen zur Philosophie und zu Bereichen der Humanwissenschaften und der Kunst, wie beispielsweise der Literatur-, Theater- und Religionswissenschaft.

Obwohl die beachtliche Breite und Tiefe der mo-dernen Psychologie für fortgeschrittenere Studierende der Psychologie eine Quelle der Freude sein kann, bil-den die gleichen Merkmale eine Herausforderung für Studierende, die sich zum ersten Mal mit Psychologie beschäftigen. Das Studium der Psychologie hält so viel mehr bereit, als man zunächst annimmt – und daher gibt es auch jede Menge wertvollen Wissens, das Sie aus dieser Einführung in die Psychologie mitnehmen können. Der beste Weg, etwas über dieses Gebiet zu lernen, besteht darin, sich die Ziele von Psychologen und Psychologinnen zu Eigen zu machen. Lassen Sie uns diese Ziele betrachten.

1.1.2 Ziele der Psychologie

Bei Psychologen, die Grundlagenforschung betreiben, kann man folgende Ziele ausmachen: Verhalten be-schreiben, erklären, vorhersagen und kontrollieren. Psychologen, die in der Anwendung arbeiten, verfol-gen ein fünftes Ziel – die Lebensqualität des Menschen zu verbessern. Diese Ziele bilden die Grundlage des psychologischen Gesamtunternehmens. Was muss man beim Verfolgen dieser Ziele jeweils beachten?

Beschreibung

Die erste Aufgabe in der Psychologie besteht darin, Verhalten genau zu beobachten. Psychologen be-zeichnen typischerweise solche Beobachtungen als ihre Daten. Verhaltensdaten sind Aufzeichnungen von Beobachtungen, wie sich Organismen verhalten, und den Bedingungen, unter denen das Verhalten auftritt. Wenn Forscher Daten sammeln, dann müssen sie eine angemessene Analyseebene wählen und Verhaltensma-ße entwickeln, die Objektivität garantieren.

Um das Verhalten eines Individuums zu erfor-schen, können Forscher unterschiedliche Ebenen der Analyse verwenden – von der obersten, gröbsten bis hin zu der genauesten, spezifischsten Ebene. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie wollten das Gemälde (siehe Abbildung 1.1) beschreiben, das Sie in einem Museum gesehen haben. Auf einer globalen Ebene könnten Sie es durch den Titel „Die Badenden“ und an-hand des Künstlers „George Seurat“ beschreiben. Auf einer spezifischeren Ebene könnten Sie Merkmale des Gemäldes anführen: Einige Menschen sonnen sich am Flussufer, während andere sich im Wasser vergnügen, usf. Auf einer sehr spezifischen Ebene könnten Sie die von Seurat verwendete Technik beschreiben – kleine Farbtupfer –, um die Szene entstehen zu lassen. Die Beschreibung auf jeder Ebene würde jeweils eine an-dere Frage über das Gemälde beantworten.

Unterschiedliche Ebenen der psychologischen Be-schreibung beziehen sich ebenfalls auf unterschiedli-che Fragen. Auf der obersten Ebene psychologischer Analyse untersuchen Forscher das Verhalten der gesamten Person in komplexen sozialen und kultu-rellen Kontexten. Auf dieser Ebene könnten Forscher kulturelle Unterschiede bei der Gewaltbereitschaft, den Ursachen von Vorurteilen sowie den Folgen psy-chischer Störungen untersuchen. Auf der nächsten Ebene konzentrieren sich Psychologen auf engere, kleinere Verhaltenseinheiten, wie beispielsweise die Reaktionszeit auf ein Stoppsignal hin, Augenbewe-gungen während des Lesens und grammatische Feh-ler, die Kinder beim Spracherwerb machen. Forscher können auch noch kleinere Verhaltenseinheiten un-tersuchen. Sie können daran arbeiten, die biologische Grundlage des Verhaltens zu entdecken, indem sie die Gehirnregionen identifizieren, in denen verschiedene Arten von Erinnerungen gespeichert werden, die bio-chemischen Veränderungen, die während des Lernens auftreten, und die sensorischen Bahnen, die für das Sehen und das Hören verantwortlich sind. Jede Ana-lyseebene liefert Informationen zu dem Gesamtbild der menschlichen Natur, das Psychologen am Ende zu entwickeln hoffen.

Verhaltensdaten | Aufzeichnungen aus Beobachtun-gen über das Verhalten von Organismen und über die Bedingungen, unter welchen dieses Verhalten auftritt oder sich ändert.

Was macht Psychologie einzigartig?

1.1 PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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Abbildung 1.1: Analyseebenen Stellen Sie sich vor, Sie wollten sich mit einem Freund vor diesem Gemälde verabreden. Wie würden Sie es beschreiben? Ange-nommen, Ihr Freund wollte das Bild exakt kopieren. Wie würden Sie es dann beschreiben?

Wie grob oder fein die Auflösung bei der Beobach-tung auch ist: Psychologen versuchen, das Verhalten objektiv zu beschreiben. Die Fakten so zu erheben, wie sie sind, und nicht so, wie die Forscher sie erwarten oder gerne hätten, ist von größter Wichtigkeit. Da je-der Beobachter in jede Beobachtung seinen subjektiven Blickwinkel einbringt – Verzerrungen, Vorurteile und Erwartungen –, ist es grundlegend, dass diese per-sönlichen Faktoren nicht zum Tragen kommen und die Datenerhebung negativ beeinflussen. Wie Sie im nächsten Kapitel sehen werden, hat die psychologi-sche Forschung eine ganze Reihe von Techniken ent-wickelt, um Objektivität zu gewährleisten.

Erklärung

Während Beschreibungen sich an wahrnehmbare Informationen halten müssen, gehen Erklärungen absichtlich über das Beobachtbare hinaus. In vielen Bereichen der Psychologie besteht das zentrale Ziel darin, regelhafte Muster im Verhalten und in mentalen Prozessen zu finden. Psychologen wollen entdecken,

wie das Verhalten funktioniert. Warum lachen Sie in Situationen, die von Ihren Erwartungen abweichen, was als Nächstes kommen wird? Welche Umstände können jemanden dazu bringen, Suizid oder eine Ver-gewaltigung zu begehen?

Erklärungen in der Psychologie gehen in der Regel davon aus, dass Verhalten durch eine Kombination von Faktoren beeinflusst wird. Einige Faktoren sind innerhalb des Individuums zu finden, beispielsweise die genetische Ausstattung, Motivation, Intelligenz oder Selbstwertgefühl. Diese inneren Determinanten des Verhaltens werden als organismische Variablen be-zeichnet. Sie sagen etwas Bestimmtes über den Or-ganismus aus. Bei Menschen spricht man von diesen Determinanten auch als dispositionelle Variablen. Einige Faktoren kommen jedoch auch von außen. Stellen Sie sich beispielsweise ein Kind vor, das einem Lehrer ge-fallen möchte, um einen Preis zu gewinnen, oder einen Verkehrsteilnehmer, der in einem Stau steckt und frus-triert und aggressiv wird. Diese Verhaltensweisen sind stark durch Einflüsse außerhalb der Person bestimmt. Externale Einflüsse auf das Verhalten werden als Umweltvariablen oder situationale Variablen bezeichnet. Wenn Psychologen versuchen, Verhalten zu erklären, dann berücksichtigen sie fast immer beide Arten von Erklärungsmöglichkeiten. Angenommen, Psychologen suchen eine Erklärung dafür, dass Menschen mit dem Rauchen anfangen. Die Forscher könnten in Betracht ziehen, dass einige Individuen besonders anfällig für Risikoverhalten (eine dispositionelle Erklärung) sind oder dass einige Individuen starkem Gruppendruck ausgesetzt sind (eine situationale Erklärung) – oder dass sowohl eine Disposition zum Risikoverhalten als auch situationaler Gruppendruck notwendig sind (eine kombinierte Erklärung).

Oftmals besteht das Ziel eines Psychologen darin, eine große Bandbreite von Verhaltensweisen auf der Grundlage einer einzigen Ursache zu erklären. Be-trachten Sie folgende Situation: Der Dozent sagt, dass sich jeder Studierende, um eine gute Note zu erhalten, regelmäßig an den Diskussionen während des Semi-nars beteiligen muss. Ihr WG-Mitbewohner, der sich immer gut auf den Unterricht vorbereitet, meldet sich nie, um Fragen zu beantworten oder um Informationen anzubieten. Der Dozent tadelt ihn ob seines Mangels an Motivation und nimmt an, er sei nicht klug. Dieser gleiche WG-Mitbewohner geht auch auf Partys, aber er fragt nie ein Mädchen, ob es mit ihm tanzen will, verteidigt seinen Standpunkt nicht, wenn dieser von jemandem mit geringerem Wissen angegriffen wird,

Organismische Variablen | Die inneren Determinanten des Verhaltens eines Organismus.

Dispositionelle Variablen | Organismische Variablen beim Menschen.

Umweltvariablen | Externe Einflüsse auf das Verhalten.

Situationale Variablen | Externe Einflüsse auf das Verhalten.

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und er beteiligt sich kaum am Small Talk beim Essen. Was wäre Ihre Diagnose? Welcher Grund könnte für all diese Verhaltensweisen verantwortlich sein? Wie wä-re es mit Schüchternheit? Wie viele andere Menschen auch, die unter intensiven Gefühlen der Schüchtern-heit leiden, kann Ihr WG-Mitbewohner sich nicht in gewünschter Weise verhalten (Cheek, 1989; Zimbardo, 1990). Wir können das Konzept der Schüchternheit einsetzen, um das ganze Muster des Verhaltens Ihres Zimmergenossen zu erklären.

Um solche kausalen Erklärungen zu finden, müssen die Forscher oftmals einen kreativen Prozess durch-laufen, in dem sie eine Vielzahl verschiedener Daten sammeln. Der Meisterdetektiv Sherlock Holmes hat spitzfindige Schlussfolgerungen aus Hinweisschnip-seln gezogen. In ähnlicher Weise muss jede Forscherin und jeder Forscher eine durch Sachwissen fundierte Vorstellungskraft einsetzen, die in kreativer Weise dasjenige zusammenbringt, was bereits bekannt ist und was noch nicht bekannt ist. Ein gut ausgebildeter Psy-chologe kann Beobachtungen erklären, indem er seine Einsicht in die menschliche Erfahrung zusammen mit den Fakten nutzt, welche die frühere Forschung zu dem in Frage stehenden Phänomen beigesteuert hat. Oft versucht psychologische Forschung zu bestimmen, welche der verschiedenen Erklärungen am genauesten dem gegebenen Verhaltensmuster Rechnung trägt.

Vorhersage

Vorhersagen in der Psychologie sind Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Verhalten auftreten wird oder ein bestimmter Zu-sammenhang nachgewiesen werden kann. Oftmals erlaubt eine zutreffende Erklärung der Ursachen, die einer Verhaltensweise zugrunde liegen, eine zutreffen-de Vorhersage über zukünftiges Verhalten. Wenn wir also beispielsweise glauben, dass Ihr WG-Mitbewoh-ner schüchtern sei, dann könnten wir mit Zuversicht vorhersagen, dass er sich unwohl fühlen würde, wenn er sich mit einem Fremden unterhalten sollte. Wenn mehrere verschiedene Erklärungen ins Feld geführt werden, um ein bestimmtes Verhalten oder einen be-stimmten Zusammenhang zu erklären, dann werden sie üblicherweise danach bewertet, wie gut sie zutref-fende und umfassende Vorhersagen treffen. Sollte Ihr WG-Mitbewohner im Kontakt mit einem Fremden ge-radezu aufblühen, dann wären wir gezwungen, unsere Diagnose zu überdenken.

So wie Beobachtungen objektiv gemacht werden müssen, müssen auch wissenschaftliche Vorhersagen hinreichend exakt formuliert werden, um getestet und zurückgewiesen werden zu können, falls es keine po-sitiven Belege geben sollte. Eine wissenschaftliche Vor-hersage basiert auf dem Verstehen der Art und Weise, wie Ereignisse zusammenhängen, und sie trifft Aus-sagen darüber, welche Mechanismen diese Ereignisse mit bestimmten Prädiktoren verbinden. Eine kausale Vorhersage spezifiziert die Bedingungen, unter denen sich das Verhalten ändert. Beispielsweise bringt die Anwesenheit eines Fremden Menschen- und Affenba-bys jenseits eines bestimmten Alters zuverlässig dazu, mit Anzeichen von Angst zu reagieren. Veränderungen des beobachteten Verhaltens können jedoch in einer Variation der genaueren Beschaffenheit einer Situati-on begründet liegen – beispielsweise im Ausmaß der Fremdheit. Gäbe es weniger Anzeichen von Angst bei Menschen- und Affenbabys, wenn der Fremde ebenfalls ein Baby und nicht ein Erwachsener wäre oder wenn der Fremde der gleichen Spezies angehö-ren würde und nicht einer anderen? Um eine kausale Vorhersage zu verbessern, würde der Forscher die Umweltbedingungen systematisch variieren und den Einfluss dieser Änderungen auf die Reaktionen des Babys beobachten.

Eine psychologische Vorhersage.

Was macht Psychologie einzigartig?

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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Kontrolle

Für viele Psychologen ist Kontrolle das zentrale und wirksamste Ziel. Kontrolle bedeutet, Verhalten auftre-ten oder auch nicht auftreten zu lassen – es zu starten, aufrechtzuerhalten, zu beenden, seine Form, Stärke und Auftretenswahrscheinlichkeit zu beeinflussen. Eine kausale Erklärung von Verhalten ist dann über-zeugend, wenn sie Bedingungen herstellen kann, un-ter denen das Verhalten kontrolliert werden kann.

Die Möglichkeit der Verhaltenskontrolle ist wich-tig, da sie den Psychologen Wege eröffnet, Menschen dabei zu helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Durch das ganze Buch Psychologie hindurch werden Sie Beispiele für Interventionen sehen. Diese haben Psychologen entwickelt, um Menschen zu helfen, Kontrolle über problematische Aspekte in ihrem Le-ben zu erlangen. In Kapitel 16 beispielsweise werden Behandlungsmethoden bei psychischen Störungen besprochen. Wir beschreiben auch, wie Menschen psychische Kräfte nutzen können, um gesundheits-schädliche Verhaltensweisen wie das Rauchen auf-zugeben und gesundheitsfördernde Verhaltensweisen wie regelmäßigen Sport aufzunehmen (vergleiche Kapitel 13). Sie können lernen, welche Erziehungs-praktiken Eltern helfen können, eine stabile Bezie-hung zu ihren Kindern aufzubauen (Kapitel 11); Sie werden lernen, welche Kräfte Fremde davon abhalten, in Notfallsituationen zu helfen, und wie diese Kräfte überwunden werden können (Kapitel 18). An diesem kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl von Situationen zeigt sich, wie Psychologen ihr Wissen nutzen, um das Leben von Menschen zu kontrollieren und zu verbes-sern. In dieser Hinsicht sind Psychologen eine eher optimistische Gruppe; viele sind der Ansicht, dass nahezu jedes unerwünschte Verhaltensmuster durch eine angemessene Intervention modifiziert werden kann. Psychologie teilt diesen Optimismus.

Interessanterweise wird in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern eher das Verstehen denn die Kontrolle als oberstes Ziel genannt (Nobles, 1980; Triandis, 1990). Kritiker haben argumentiert, dass der Fokus auf Kontrolle in der westlichen Psychologie ei-ne kulturelle Verzerrung widerspiegelt, die durch die Industrialisierung und den Kolonialismus der Euro-päer entstanden sei, ebenso wie durch die gewaltsame Erschließung des amerikanischen Westens, welche die amerikanische Mentalität prägte. Die Betonung der Kontrolle in der westlichen Psychologie wurde auch als typisch männliche Perspektive bezeichnet, die so

nicht Platz gegriffen hätte, wenn Frauen eine größere Rolle in der Entwicklung der Psychologie gespielt hät-ten (Bornstein & Quina, 1988; Riger, 1992).

Was verleitet Menschen zum Rauchen? Können Psychologen Be-dingungen herstellen, unter denen Menschen diesem Verhalten mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit nachgehen?

Zusammenfassung

In diesem Einführungskapitel nehmen wir uns einen Moment Zeit, die Besonderheiten von Psychologie vorzustellen – Besonderheiten, die wir entworfen haben, um Ihnen ein effektiveres Lernen mit dem Text zu ermöglichen. Ein Abschnitt mit der Überschrift „Zusammenfassung“ folgt auf alle Hauptteile jedes Kapitels. Sie können diese Zusammenfassungen dazu nutzen, das Verständnis der wichtigsten Punkte des vorangehenden Materials zu überprüfen. Jedes Kapitel endet mit einem Abschnitt, der als Überschrift „Das Wichtigste in Kürze“ trägt. Sie sollten diesen Abschnitt nutzen, um Ihr Verständnis des Textes zu überprüfen. Falls Sie eine dort angeführte Kurzzusammenfassung nicht verstehen, sollten Sie sich erneut mit dem Text befassen und den entsprechenden Stoff nochmals durchgehen, bis Sie sich sicher sind, ihn verstanden zu haben. Sie können die eingestreuten Zusammenfas-sungen und die Abschnitte „Das Wichtigste in Kürze“ auch als Ausgangpunkt für das Lernen auf Klausuren benutzen. Hier kommt die erste Zusammenfassung.

1.2

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Z u s a m m e n f a s s u n g

Psychologinnen und Psychologen benutzen die wissen-schaftliche Methode, um Schlussfolgerungen über das Verhalten und die mentalen Prozesse von Individuen zu ziehen. Die Psychologie hat mehrere Ziele: Verhalten objektiv und auf angemessener Ebene zu beschreiben; die Kräfte zu erklären, die Verhalten entstehen lassen; vorherzusagen, wann Verhalten auftritt; und Verhalten zu kontrollieren, um die Lebensqualität zu verbessern.

Z u s a m m e n f a s s u n g

1.2 Die Entwicklung der modernen Psychologie 1.2Im 21. Jahrhundert fällt es uns relativ leicht, Psycho-logie zu definieren und die Ziele psychologischer Forschung anzugeben. Gerade zu Beginn eines Studiums der Psychologie ist es jedoch wichtig, die vielen Kräfte zu verstehen, die zum Aufkommen der modernen Psychologie geführt haben. Im Zentrum dieses historischen Rückblicks steht ein einfaches Prinzip: Es kommt auf Ideen an! Ein Großteil der Ge-schichte der Psychologie war geprägt von hitzigen Debatten darüber, welcher Gegenstand und welche

Psychologie im Alltag: Warum Psychologie studieren?

Als Sie dieses Eröffnungskapitel gelesen haben, wird Ihnen vielleicht ein- oder zweimal die Frage in den Sinn gekommen sein, die wir als Überschrift dieses Kastens wählten: Warum Psychologie stu-dieren? Wir haben eine schnörkellose Antwort auf diese Frage: Wir glauben, dass psychologische For-schung unmittelbare und entscheidende Beiträge zu wichtigen Themen aus der alltäglichen Erfah-rungswelt liefert. Eines der vordersten Ziele von Psychologie besteht darin, die persönliche Relevanz und soziale Bedeutsamkeit psychologischen Fach-wissens zu betonen.

Jedes Semester, wenn die Vorlesungen anfan-gen, sehen wir uns Studierenden gegenüber, die eine Lehrveranstaltung zur Einführung in die Psychologie mit ganz bestimmten Fragen im Hin-terkopf besuchen. Manchmal entspringen diese Fragen eigener Erfahrung der Studierenden („Was soll ich tun, wenn ich denke, meine Mutter ist psychisch krank?“, „Werde ich in dieser Lehrver-anstaltung lernen, wie ich meine Noten verbessern kann?“); manchmal entspringen solche Fragen der Art psychologischer Informationen, wie sie sich in populärwissenschaftlichen Beiträgen finden („Stimmt es, dass die ältesten Geschwister die konservativsten sind?“, „Sind Frauen wirklich

immer die besseren Elternteile als Männer?“). Die Herausforderung für uns als Lehrende liegt darin, die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung auf jene Fragen zu übertragen, die unsere Studieren-den bewegen.

Nahezu jeder Abschnitt von Psychologie spricht Fragen an, die von unseren Studierenden direkt an uns herangetragen wurden. In dieser Auflage haben wir zusätzlich eine Besonderheit aufgenom-men, einen Informationskasten wie diesen, den Sie gerade lesen, und den wir Psychologie im Alltag nennen. Jeder dieser Kästen beantwortet eine Fra-ge, die wir wiederholt sowohl von unseren eigenen Studierenden als auch von solchen gehört haben, die frühere Auflagen dieses Buches gelesen haben. Wir hoffen, dass Sie beim Lesen jedes Themas der Psychologie im Alltag das Gefühl haben, dass die von Ihren Kommilitonen gestellten Fragen auch in Bezug auf Ihr eigenes Leben wichtig und relevant sind. Bitte lesen Sie diese Kästen sehr aufmerksam durch. Unser Ziel war, wissenschaftliche Belege zu Themen anzuführen, die Studierende wie Sie be-treffen. Wir hoffen, dass auch für Sie das Studium der Psychologie eine bereichernde Erfahrung sein wird!

Die Entwicklung der modernen Psychologie

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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Methodologie für eine Wissenschaft von Geist und Verhalten angemessen sind.

Unser historischer Rückblick wird zwei Ebenen berücksichtigen. Im ersten Abschnitt werden wir je-nen geschichtlichen Zeitraum darstellen, in dem die wichtigsten Grundsteine für die moderne Psychologie gelegt wurden. Dieser enge Zuschnitt wird Ihnen die Möglichkeit geben, den Wettstreit der Ideen aus nächster Nähe zu beobachten. Im zweiten Abschnitt beschreiben wir aus einem größeren Blickwinkel sie-ben Perspektiven, die in der modernen Psychologie aufgetaucht sind. Sie sollten sich auf beiden Betrach-tungsebenen die intellektuelle Leidenschaft vorstel-len, mit der die Theorien sich entwickelt haben.

1.2.1 Historische Grundlagen der Psychologie

„Die Psychologie besitzt eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte“, schrieb einer der ersten Experimentalpsychologen, Herrmann Ebbing-haus (1908). Gelehrte hatten sich seit langem wichtige Fragen über die menschliche Natur gestellt – wie Men-schen die Realität wahrnehmen, wie das Bewusstsein beschaffen ist und worin die Ursprünge des Wahn-sinns liegen –, sie besaßen jedoch nicht die Mittel, sie zu beantworten. Betrachten Sie einmal die fundamen-talen Fragen, die die klassischen griechischen Philo-sophen Sokrates, Platon und Aristoteles im 4. und 5. Jahrhundert vor Christus stellten. Obwohl Formen von Psychologie in alten indischen Yogi-Traditionen existierten, geht der Ursprung westlicher Psychologie auf die Dialoge dieser berühmten Denker zurück. Sie diskutierten die Funktionsweise des Geistes, das We-sen der Willensfreiheit und die Beziehung des einzel-nen Bürgers zu seiner Gemeinschaft oder dem Staat. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Psychologie zu einer eigenen Fachdisziplin, als die Forscher Labortechniken aus anderen Wissenschaften – beispielsweise der Physiologie und der Physik – zur Untersuchung dieser fundamentalen Fragen aus der Philosophie benutzten.

Eine entscheidende Person für die Entwicklung der modernen Psychologie war Wilhelm Wundt, der 1879 in Leipzig das erste ausgewiesene Labor für experi-mentelle Psychologie gründete. Obwohl Wundt als Physiologe ausgebildet war, verlagerte sich sein Inter-esse im Zuge seiner Forschungskarriere weg von Fra-gen des Körpers hin zum Geist: Er wollte die elemen-

taren Prozesse der Empfindung und Wahrnehmung und die Geschwindigkeit einfacher mentaler Prozesse verstehen. Zu der Zeit, als er sein psychologisches La-bor einrichtete, hatte Wundt bereits eine große Menge an Forschung betrieben und die erste von mehreren Auflagen seiner Grundzüge der Physiologischen Psycho-logie (zuerst 1874) veröffentlicht. Als Wundts Labor in Leipzig fertiggestellt war, begann er, die ersten Doktoranden speziell im aufkommenden Gebiet der Psychologie auszubilden. Diese Studierenden wurden oftmals zu Gründern eigener psychologischer Labore rund um den Erdball.

Im Jahre 1879 gründete Wilhelm Wundt das erste formal als sol-ches ausgewiesene Labor für experimentelle Psychologie. Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr eigenes Labor gründen. Welche Themen würden Sie darin untersuchen?

Als sich die Psychologie als eigenständige Disziplin etabliert hatte, wurden auch psychologische Labore in Universitäten Nordamerikas eröffnet, das erste an der Johns Hopkins University im Jahre 1883. Diese frühen Labore waren oft stark von Wundt beeinflusst. Beispielsweise wurde Edward Titchener, er hatte bei Wundt studiert, einer der ersten Psychologen der USA, der im Jahre 1892 ein Labor an der Cornell University gründete. Etwa zur gleichen Zeit jedoch entwickelte ein junger Harvard-Professor der Philosophie, der Me-dizin studiert hatte und ein starkes Interesse an Litera-tur und Religion besaß, eine spezifisch amerikanische Perspektive. William James, Bruder des berühmten Romanautors Henry James, schrieb ein zweibändiges

1.2

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Werk mit dem Titel The Principles of Psychology (1890; deutsch 1950 unter dem Titel Psychologie), das viele Experten für den bedeutsamsten psychologischen Text halten, der jemals geschrieben wurde. Kurz darauf, im Jahre 1892, gründete G. Stanley Hall die American Psychological Association, die bis heute existieren-de nationale wissenschaftliche Fachgesellschaft der USA. (Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie wurde demgegenüber 1904 gegründet). Bis zum Jah-re 1900 gab es mehr als 40 psychologische Labore in Nordamerika (Hilgard, 1986).

Beinahe gleichzeitig mit dem Entstehen der Psycho-logie entfachte sich eine Debatte über den richtigen Gegenstand und die Methoden der neuen Disziplin. Diese Debatte schälte einige Themen heraus, die in der Psychologie noch immer wichtig sind. Wir werden die Spannung zwischen Strukturalismus und Funktiona-lismus herausgreifen und näher betrachten.

Strukturalismus: Der Inhalt des Geistes

Das Potenzial der Psychologie, einen einzigartigen Beitrag zum Wissen zu leisten, wurde deutlich, als die Psychologie eine Laborwissenschaft wurde, deren zentraler Baustein das Experiment war. In Wundts Labor gaben die Versuchsteilnehmer einfache Reak-tionen (Ja oder Nein sagen, einen Knopf drücken) auf Stimuli, die sie unter Bedingungen wahrnahmen, die von Laborinstrumenten kontrolliert wurden. Da die Daten mit systematischen, objektiven Methoden er-hoben wurden, konnten unabhängige Beobachter die Ergebnisse dieser Experimente replizieren. Die Beto-nung der wissenschaftlichen Methode, das Bemühen um exakte Messung und eine statistische Analyse der Daten charakterisierte die psychologische Tradition Wundts.

Als Titchener die Psychologie Wundts nach Amerika brachte, trat er dafür ein, mit Hilfe dieser wissenschaftlichen Methoden das Bewusstsein zu un-tersuchen. Seine Methode, die Elemente bewussten geistigen Lebens zu untersuchen, war die Introspek-tion. Bei der Introspektion untersuchen die Individuen systematisch ihre eigenen Gedanken und Gefühle im Hinblick auf spezifische Wahrnehmungs- und Empfindungserlebnisse. Titchener betonte das „Was“ mentaler Inhalte und weniger das „Warum“ und „Wie“ des Denkens. Sein Ansatz wurde als Strukturalismus be-kannt, die Untersuchung der Struktur des Geistes und des Verhaltens.

Der Strukturalismus fußte auf der Vorannahme, dass jedwede geistige Erfahrung des Menschen als Kombination verschiedener grundlegender Kompo-nenten aufgefasst werden kann. Das Ziel dieses An-satzes bestand darin, die zugrunde liegende Struktur des menschlichen Geistes dadurch zu enthüllen, dass die konstituierenden Elemente von Empfindungen und anderen Erfahrungen, die das geistige Leben ei-nes Individuums ausmachen, bestimmt werden. Viele Psychologen haben den Strukturalismus von drei Seiten her angegriffen: (1) Er sei reduktionistisch, da er jede komplexe menschliche Erfahrung auf einfache Empfindungen zurückführt; (2) er sei elementaristisch, da er versucht, Teile oder Elemente zu einem Ganzen zusammenzufügen, anstatt komplexes, ganzheitliches Verhalten direkt zu untersuchen; und (3) er sei menta-listisch, da er lediglich verbale Berichte des menschli-chen Bewusstseins untersucht, unter Ausschluss von Individuen, die ihre Introspektionen nicht berichten konnten, wie beispielsweise Tiere, Kinder und geistig Verwirrte.

Eine wichtige Alternative zum Strukturalismus wurde von dem deutschen Psychologen Max Werthei-mer erstmalig eingeführt. Er konzentrierte sich darauf, wie der menschliche Geist eine Erfahrung, statt als Summe einfacher Teile, als Gestalt – als organisiertes Ganzes – auffasst: Ihre Erfahrung eines Gemäldes ist mehr als die Summe der einzelnen Farbtupfer. Wie wir in Kapitel 5 sehen werden, besitzt die Gestaltpsycholo-gie noch immer einen Einfluss auf die Untersuchung der Wahrnehmung.

Wir werden hier eine zweite wichtige Gegenpositi-on zum Strukturalismus anführen, die als Funktiona-lismus bekannt geworden ist.

Funktionalismus: Absichtsvoller Geist

William James stimmte mit Titchener darin überein, dass das Bewusstsein zentral für die Wissenschaft der Psychologie sei; für James war die Untersuchung des Bewusstseins jedoch nicht auf Elemente, Inhalte und Strukturen reduziert. Stattdessen war für ihn Bewusst-sein ein stetiger Strom, eine Eigenschaft des Geistes,

Strukturalismus | Die Untersuchung der Struktur von Geist und Verhalten; die Auffassung, dass jede menschliche Erfahrung als Kombination einfacher Elemente oder Ereignisse verstanden werden kann.

Die Entwicklung der modernen Psychologie

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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der in fortlaufender Interaktion mit der Umwelt steht. Das menschliche Bewusstsein erleichtert die Anpas-sung an die Umwelt; daher wurden die Tätigkeiten und die Funktionen der mentalen Prozesse als wichtig erachtet und nicht die Inhalte des Geistes.

Der Funktionalismus legte besonderes Augenmerk auf erlernte Gewohnheiten, die den Organismus in die Lage versetzen, sich an seine Umwelt anzupassen und effektiv zu funktionieren. Für die Funktionalisten lautet die durch Forschung zu beantwortende zentra-le Frage: „Was ist die Funktion oder der Zweck eines Verhaltensaktes?“ Gründer der funktionalistischen Schule war der amerikanische Philosoph John Dewey. Seine Beschäftigung mit der praktischen Anwendung mentaler Prozesse führte zu wichtigen Fortschritten in der Pädagogik. Die Theorien Deweys lieferten den Im-puls für fortschrittliche Erziehung in seiner eigenen La-borschule und allgemein in den Vereinigten Staaten: „Auswendiglernen wurde zugunsten von handlungs-orientiertem Lernen abgeschafft; man erwartete, dass die intellektuelle Neugier dadurch gefördert und das Verständnis erhöht würde“ (Kendler, 1987, S. 124).

Obwohl James an sorgfältige Beobachtung glaubte, maß er den exakten Labormethoden Wundts nur wenig Wert bei. In der Psychologie von James war Platz für Emotionen und das Selbst, für Wille, Werte und sogar religiöse und mystische Erfahrungen. Seine „warmher-zige“ Psychologie erkannte in jedem Individuum eine Einzigartigkeit, die nicht auf Formeln oder Zahlen aus Testergebnissen reduziert werden konnte. Für James lag das Ziel der Psychologie eher im Erklären und we-niger in experimenteller Kontrolle (Arkin, 1990).

Das Vermächtnis dieser Ansätze

Trotz der Unterschiede haben die Erkenntnisse sowohl des Strukturalismus als auch des Funktionalismus einen intellektuellen Kontext hergestellt, in dem die zeitgenössische Psychologie aufblühen konnte. Psy-chologen untersuchen heutzutage sowohl die Struktur als auch die Funktion von Verhalten. Betrachten wir den Prozess der Sprachproduktion. Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Freund ins Kino einladen. Um

dies zu tun, müssen Ihre Wörter die richtige Funk-tion erfüllen – Star Wars, mit mir, heute Abend – und sie müssen auch die richtige Struktur besitzen: eine Phrase wie „Würdest gehen Star Wars mir zu in mit du Abend heute gerne?“ würde nicht funktionieren. Um zu verstehen, wie Sprachproduktion funktioniert, untersuchen Forscher, wie Sprecher Bedeutungen (Funktionen) in die grammatikalischen Strukturen ihrer Sprache einfügen (Bock, 1990). (Wir werden in Kapitel 9 einige der Prozesse der Sprachproduktion beschreiben.) Im gesamten vorliegenden Buch Psycho-logie werden wir sowohl Struktur als auch Funktion betonen, wenn wir die klassische und zeitgenössische Forschung darstellen. Psychologen wenden nach wie vor eine Vielzahl von Methoden zur Untersuchung der allgemeinen Kräfte an, die für alle Menschen gelten, und jener Kräfte, welche die Einzigartigkeit eines je-den Individuums ausmachen.

1.2.2 Aktuelle Perspektiven der Psychologie

In diesem Abschnitt werden die Perspektiven und konzeptuellen Ansätze dargestellt, die die zeitgenössi-sche Psychologie dominieren. Jede Perspektive – bio-logisch, psychodynamisch, behavioristisch, humanis-tisch, kognitiv, evolutionär und kulturvergleichend – definiert Standpunkte und Annahmen, die sowohl beeinflussen, was Psychologen untersuchen, als auch, wie sie es tun: Besitzen Menschen einen freien Willen oder führen sie nur ein Skript aus, das ihnen durch Vererbung (biologischer Determinismus) oder durch die Umwelt (Umweltdeterminismus) auferlegt wur-de? Sind Organismen grundlegend aktiv und kreativ oder reaktiv und mechanistisch? Können psychologi-sche und soziale Phänomene anhand physiologischer Prozesse erklärt werden? Ist komplexes Verhalten le-diglich die Summe vieler kleiner Komponenten, oder besitzt es neue und unterschiedliche Qualitäten? Die Perspektive eines Psychologen bestimmt, wonach er sucht, wo er sucht und welche Methoden zur Anwen-dung kommen. Beachten Sie beim Lesen der folgenden Abschnitte, wie jede Perspektive die Gründe und Kon-sequenzen von Verhalten festmacht.

Eine kurze Anmerkung zur Vorsicht: Obwohl jede Perspektive für einen unterschiedlichen Ansatz zu den zentralen Themen der Psychologie steht, sollten Sie sich darüber bewusst werden, warum die meisten Psychologen von mehr als einer dieser Perspektiven

Funktionalismus | Jene Perspektive auf Geist und Ver-halten, die sich auf die Untersuchung der Funktionen im Hinblick auf die Interaktionen eines Organismus mit der Umwelt bezieht.

1.2

13

Konzepte entlehnen und sie miteinander verschmel-zen. Jede Perspektive erweitert das Verständnis der Gesamtheit menschlicher Erfahrung. In den folgen-den Kapiteln werden wir genauer auf die Beiträge jedes Ansatzes eingehen, da sie zusammengenommen dafür stehen, was zeitgenössische Psychologie heute ausmacht.

Die biologische Perspektive

Die biologische Perspektive ist das Leitbild jener Psy-chologen, welche die Ursachen des Verhaltens in der Funktionsweise der Gene, des Gehirns, des Nerven-systems und des endokrinen Systems suchen. Das Funktionieren eines Organismus wird anhand der zugrunde liegenden körperlichen Strukturen und biochemischen Prozesse erklärt. Erfahrungen und Verhalten werden weitgehend als das Ergebnis che-mischer und elektrischer Aktivitäten, die zwischen Nervenzellen stattfinden, angesehen.

Forscher, welche die biologische Perspektive einnehmen, gehen davon aus, dass psychische und soziale Phänomene letztendlich auf biochemische Prozesse zurückgeführt werden können: Sogar die komplexesten Phänomene können dadurch verstan-den werden, dass man sie analysiert und auf immer kleinere, spezifischere Einheiten reduziert. Sie wür-den beispielsweise zu erklären versuchen, wie sie die Wörter dieses Satzes lesen, indem sie die exakten zellphysiologischen Prozesse im Gehirn heranziehen. Aus dieser Sicht wird Verhalten durch körperliche Strukturen und Vererbungsprozesse determiniert. Er-fahrung kann dadurch Verhalten modifizieren, indem sie diese zugrunde liegenden biologischen Strukturen und Prozesse verändert. Forscher könnten sich fragen „Welche Veränderungen traten im Gehirn auf, wäh-rend wir lesen lernten?“ Die Aufgabe psychobiologi-scher Forschung ist es, Verhalten auf der präzisesten Analyseebene zu verstehen.

Viele dieser psychobiologischen Forscher arbeiten in den Labors von Universitäten und medizinischen Hochschulen, andere in klinischen Einrichtungen. Laborforscher untersuchen zum Beispiel, ob das Gedächtnis einer älteren Ratte dadurch verbessert werden kann, dass man ihr Gehirngewebe eines Rat-tenfötus implantiert. Forscher in klinischen Einrich-tungen untersuchen demgegenüber beispielsweise Patienten mit einem Gedächtnisverlust infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung. Das gemeinsame An-

liegen dieser Forscher besteht in der Untersuchung derjenigen Verhaltensaspekte, die durch biologische Kräfte entstehen.

Die psychodynamische Perspektive

Entsprechend der psychodynamischen Perspektive wird das Verhalten durch starke innere Kräfte angetrieben und motiviert. Nach dieser Perspektive rühren Hand-lungen von ererbten Instinkten, biologischen Trieben und dem Versuch her, Konflikte zwischen persönli-chen Bedürfnissen und sozialen Erfordernissen zu lösen. Zustände der Deprivation, physiologische Erregung und Konflikte liefern die Energie für das Verhalten, genauso wie Kohle eine Dampflokomotive antreibt. Nach diesem Modell enden die Reaktionen des Organismus, wenn seine Bedürfnisse befriedigt und seine Triebe reduziert sind. Der Hauptzweck von Handlungen besteht in der Reduktion von Spannung.

Die psychodynamischen Mechanismen der Motiva-tion wurden am deutlichsten durch den Wiener Arzt Sigmund Freud im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert herausgearbeitet. Freuds Ideen erwuch-sen aus seiner Arbeit mit psychisch gestörten Pati-enten; er glaubte aber, dass diese beobachteten Prin-zipien für normales wie gestörtes Verhalten zuträfen. Nach Freuds psychodynamischer Theorie wird eine Person durch ein komplexes Netzwerk innerer und äußerer Kräfte gezogen und geschoben. Freuds Modell erkannte als erstes, dass die menschliche Natur nicht immer rational ist und dass Handlungen durch Moti-ve gesteuert sein können, die dem Bewusstsein nicht zugänglich sind. Seit Freud haben viele Psychologen das psychodynamische Modell in neue Richtungen ge-lenkt. Freud selbst betonte die frühe Kindheit als jene

Biologische Perspektive | Jener Ansatz, der sich bei den Ursachen des Verhaltens auf die Funktionsweise der Gene, des Gehirns, des Nervensystems und des endokrinen Systems konzentriert.

Psychodynamische Perspektive | Ein psychologisches Modell, in dem Verhalten auf vergangene Erfahrun-gen und motivationale Kräfte zurückgeführt wird. Nach diesem Ansatz rühren Handlungen von ererbten Instinkten, biologischen Trieben und dem Versuch her, Konflikte zwischen persönlichen Bedürfnissen und sozialen Erfordernissen zu lösen.

Die Entwicklung der modernen Psychologie

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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Phase, in der sich die Persönlichkeit ausbildet. Neo-Freudianer haben die Theorie Freuds dahingehend erweitert, dass sie soziale Einflüsse und Interaktionen, die im Laufe des gesamten Lebens eines Individuums auftreten, mit einbeziehen.

Freuds Ideen hatten einen großen Einfluss auf viele Bereiche der Psychologie. Sie werden in diesem Buch verschiedenen Aspekten seiner Beiträge begegnen, beispielsweise bei der Entwicklung von Kindern, dem Träumen, Vergessen, unbewusster Motivation, Persön-lichkeit und psychoanalytischer Therapie. Sie werden vielleicht überrascht sein, dass seine Ideen nie das Er-gebnis systematischer wissenschaftlicher Forschung waren. Stattdessen waren sie das Ergebnis eines au-ßergewöhnlich kreativen Geistes, der geradezu davon besessen war, die tieferen Mysterien menschlicher Gedanken, Gefühle und Handlungen aufzudecken.

Die behavioristische Perspektive

Entsprechend der behavioristischen Perspektive wird danach gesucht, wie bestimmte Umweltstimuli be-stimmte Arten des Verhaltens kontrollieren. Erstens untersuchen Verhaltensanalytiker die Antezedensbe-dingungen der Umwelt – jene Bedingungen, die dem Verhalten vorangehen und die den Rahmen für einen Organismus schaffen, eine Reaktion zu zeigen oder sie zurückzuhalten. Dann betrachten sie die Verhal-tensreaktion, die der Hauptgegenstand der Untersu-chung ist – die Verhaltensweise, die es zu verstehen, vorherzusagen und zu kontrollieren gilt. Schließlich untersuchen sie die beobachtbaren Konsequenzen, die auf die Reaktion folgen. Beispielsweise könnte ein Behaviorist daran interessiert sein, wie Strafzettel un-terschiedlicher Höhe (Konsequenzen) für Geschwin-digkeitsüberschreitungen die Wahrscheinlichkeit ändern, dass Kraftfahrer vorsichtig oder unvorsichtig fahren (Verhaltensreaktionen).

Behavioristen sammeln ihre Daten typischerweise in kontrollierten Laborexperimenten; sie benutzen dabei etwa elektronische Apparaturen und Computer, um die Stimuli zu präsentieren und die Reaktionen aufzuzeichnen. Sie bestehen auf präzisen Definitionen der zu untersuchenden Phänomene und auf strengen Standards für Belege, üblicherweise in quantifizier-barer Form. Oftmals untersuchten sie Tiere (meistens Tauben und Ratten), da sie hierbei die Versuchsbedin-gungen weitaus umfassender kontrollieren können als bei menschlichen Versuchsteilnehmern. Behavio-risten sind der Ansicht, dass die bei Tieren untersuch-ten grundlegenden Prozesse allgemeine Prinzipien darstellen, die für unterschiedliche Spezies Gültigkeit besitzen.

Der Behaviorismus hinterließ ein bedeutsames Erbe in der Praxis. Seine Betonung der Notwendigkeit genauen Experimentierens und sorgfältig definierter Variablen beeinflusste die meisten Bereiche der Psy-chologie. Obwohl die Behavioristen einen Großteil ihrer Grundlagenforschung an Tieren durchführten, wurden die Prinzipien des Behaviorismus in vielen

Behavioristische Perspektive | Jene psychologische Perspektive, die sich hauptsächlich mit beobachtba-rem Verhalten, das objektiv aufgezeichnet werden kann, sowie mit der Beziehung zwischen beobachtba-rem Verhalten und Umweltstimuli beschäftigt.

Behaviorismus | Ein wissenschaftlicher Ansatz, der das Feld der Psychologie auf messbares, beobachtbares Verhalten reduziert.

Sigmund Freud und seine Tochter Anna, photographiert während einer Reise in den italienischen Alpen 1913. Freud nahm an, dass Verhalten oftmals durch Motive beeinflusst wird, derer man sich nicht bewusst ist. Was ergibt sich aus dieser Perspektive für die Art und Weise, wie Sie Lebensentscheidungen treffen?

1.2

15

Bereichen auf menschliche Probleme angewandt. Behavioristische Prinzipien haben einen humaneren Ansatz der Kindererziehung (durch die bevorzugte Nutzung positiver Verstärkung an Stelle von Bestra-fung) erbracht, neue Therapien zur Modifikation von Verhaltensstörungen und Richtlinien zur Gestaltung idealer utopischer Gemeinschaften.

Die humanistische Perspektive

Die humanistische Psychologie erschien in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Alternative zu den psychodynamischen und behavioristischen Modellen. Aus humanistischem Blickwinkel werden Menschen weder durch starke, instinktive Kräfte getrieben, wie sie von den Freudianern angeführt werden, noch wer-den sie durch ihre Umgebung manipuliert, wie von den Behavioristen vorgeschlagen. Stattdessen werden Menschen als aktive Geschöpfe angesehen, die von Grund auf gut sind und über die Freiheit der Wahl ver-fügen. Nach der humanistischen Perspektive besteht die Hauptaufgabe des Menschen darin, nach Wachstum und Entwicklung des eigenen Potenzials zu streben.

Humanistische Psychologen untersuchen Verhal-ten, allerdings nicht, indem sie es auf Komponenten, Elemente und Variablen in Laborexperimenten redu-zieren. Vielmehr halten sie in der Lebensgeschichte eines Menschen nach Verhaltensmustern Ausschau. In starkem Gegensatz zu den Behavioristen konzentrieren sich humanistische Psychologen auf die von einem In-dividuum subjektiv erfahrene Welt und nicht auf die objektive Welt, wie sie von externen Beobachtern und Forschern gesehen wird. Insofern werden sie auch als Phänomenologen betrachtet, jene, die die persönliche Sicht auf Ereignisse des einzelnen handelnden Indivi-duums untersuchen. Humanistische Psychologen ver-suchen auch der ganzen Person gerecht zu werden; sie vertreten einen holistischen Zugang zur menschlichen Psyche. Sie sind der Ansicht, dass wirkliches Verste-hen eine Integration des Wissens über den Geist eines Individuums, seines Körpers und Verhaltens, im Be-wusstsein sozialer und kultureller Kräfte, erfordert.

Der humanistische Ansatz erweitert das Gebiet der Psychologie um wertvolle Erkenntnisse aus Untersu-chungen zur Literatur, Geschichte und den Künsten. Dadurch wird die Psychologie eine vollständigere Disziplin. Humanisten vertreten die Ansicht, dass ihr Blickwinkel so etwas wie ein Enzym sei, das der Psychologie hilft, sich über die Konzentration auf ne-

gative Kräfte und tierähnliche Aspekte des menschli-chen Daseins zu erheben. Wie wir in Kapitel 16 sehen werden, hatte die humanistische Perspektive einen starken Einfluss auf die Entwicklung neuer Ansätze in der Psychotherapie.

Die kognitive Perspektive

Die kognitive Wende in der Psychologie entstand als weitere Herausforderung an die Beschränkungen des Behaviorismus. Der zentrale Fokus der kognitiven Pers-pektive ist das menschliche Denken und all seine wis-sensbasierten Prozesse – Aufmerksamkeit, Denken, Erinnern und Verstehen. Aus kognitiver Perspektive handeln Personen, weil sie denken, und Personen denken, da sie menschliche Wesen sind, die herausra-gend mit dieser Fähigkeit ausgestattet sind.

Nach dem kognitiven Modell ist Verhalten nur zum Teil durch vorangehende Umweltereignisse und frühere Verhaltenskonsequenzen bestimmt, wie Behavioristen annehmen. Einige der augenfälligsten Verhaltensweisen treten durch völlig neue Wege des Denkens auf und nicht durch vorhersagbare Wege, die in der Vergangenheit benutzt wurden. Die Fähigkeit, sich Optionen und Alternativen vorzustellen, die sich komplett von dem unterscheiden, was ist oder war, verschafft dem Menschen die Möglichkeit, sich in eine Zukunft zu bewegen, die die aktuellen Umstände transzendiert. Ein Individuum reagiert nicht so auf die Realität, wie sie in der objektiven gegenständlichen Welt ist, sondern wie sie sich in der subjektiven Reali-tät der inneren Welt der Gedanken und Vorstellungen des Individuums darstellt. Kognitive Psychologen betrachten Gedanken sowohl als Ergebnis als auch als Ursache offen gezeigten Verhaltens. Dass es einem Leid tut, wenn man jemanden verletzt hat, ist ein Bei-

Humanistische Perspektive | Ein psychologisches Modell, das die Welt eines Individuums auf phänome-naler Ebene sowie die dem Individuum innewohnende Fähigkeit betont, rationale Entscheidungen zu treffen und ein Maximum an Potenzial zu entwickeln.

Kognitive Perspektive | Jene Perspektive auf Psycholo-gie, die das menschliche Denken und wissensbasierte Prozesse betont, wie etwa Aufmerksamkeit, Denken, Erinnern, Erwartungen, Problemlösen, Phantasieren und Bewusstsein.

Die Entwicklung der modernen Psychologie

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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spiel für Gedanken als Ergebnis. Sich jedoch für sein Verhalten zu entschuldigen, nachdem es einem Leid getan hat, ist ein Beispiel für Gedanken als Ursache von Verhalten.

Kognitive Psychologen untersuchen höhere geistige Prozesse wie etwa Wahrnehmung, Gedächtnis, Spra-che, Problemlösen und Entscheiden auf einer Viel-zahl von Ebenen. So untersuchen sie beispielsweise Durchblutungsmuster im Gehirn bei verschiedenen Arten kognitiver Aufgaben, die Erinnerung einer Stu-dierenden an ein Ereignis aus ihrer frühen Kindheit oder Veränderungen der Gedächtnisfähigkeit im Laufe des Lebensalters. Bedingt durch die Ausrichtung auf geistige Prozesse sehen viele Forscher die kognitive Perspektive als dominierend in der heutigen Psycho-logie an.

Die evolutionäre Perspektive

Die evolutionäre Perspektive versucht, die zeitgenössi-sche Psychologie mit einer zentralen Idee der Biowis-senschaften zu verknüpfen, der Theorie von Charles Darwin zur Evolution durch natürliche Selektion. Die Idee der natürlichen Selektion ist recht einfach: Diejenigen Organismen, die besser an ihre Umwelt angepasst sind, tendieren dazu, mehr Nachkommen zu produzieren (und ihre Gene weiterzugeben) als Organismen mit schlechterer Anpassung. Über viele Generationen hinweg verändern sich die Spezies in Richtung der bevorzugten Anpassung. Die evolutionä-re Perspektive in der Psychologie geht davon aus, dass geistige Fähigkeiten, ebenso wie körperliche Fähigkei-ten, sich über Millionen von Jahre entwickelten, um spezifischen Anpassungserfordernissen gerecht zu werden.

Bei der Ausübung evolutionärer Psychologie kon-zentrieren sich die Forscher auf die Umweltbedin-gungen, unter welchen sich das menschliche Gehirn entwickelte. Die Menschen verbrachten 99 Prozent ih-rer Evolutionsgeschichte als Jäger und Sammler, die in

kleinen Gruppen während des Pleistozäns (einer Pe-riode von etwa zwei Millionen Jahren, die vor 10.000 Jahren endete) lebten. Die evolutionäre Psychologie nutzt das reiche theoretische Rahmengerüst der Evo-lutionsbiologie, um die zentralen Probleme adaptiven Verhaltens dieser Spezies zu identifizieren: vermeiden von Beutejägern und Parasiten, Sammeln und Austau-schen von Nahrung, Partner zur Paarung finden und behalten und gesunde Kinder großziehen. Nachdem die Anpassungsprobleme, welchen sich diese frühen Menschen gegenübersahen, identifiziert sind, können Psychologen mit evolutionärer Ausrichtung Schluss-folgerungen über die Arten geistiger Mechanismen und psychologischer Anpassungen ziehen, die sich zur Lösung solcher Probleme entwickelten.

Die evolutionäre Psychologie unterscheidet sich von den anderen Perspektiven am grundlegendsten in ihrer Konzentration auf zeitlich extrem lange Prozes-se der Evolution, die als zentrales Erklärungsprinzip dienen. Beispielsweise versuchen Evolutionspsy-chologen die unterschiedlichen Geschlechterrollen als Produkt der Evolution anzusehen und nicht als

Welche geistigen Fähigkeiten benötigte der Australopithecus afarensis vor vier Millionen Jahren und wie könnten sich diese Fähigkeiten bis heute weiterentwickelt haben?

Evolutionäre Perspektive | Jene Herangehensweise an Psychologie, welche die Wichtigkeit der Anpassungs-fähigkeit durch Verhalten und Denken unterstreicht, basierend auf der Annahme, dass sich die geistigen Fähigkeiten über Millionen von Jahre hinweg entwi-ckelt haben, um spezifischen Anpassungserfordernis-sen gerecht zu werden.

1.2

17

Produkt aktueller gesellschaftlicher Zwänge. Da evo-lutionäre Psychologen keine Experimente ausführen können, die den Gang der Evolution variieren, müssen sie ausgesprochen erfinderisch sein, um Belege für ih-re Theorien zu liefern.

Die kulturvergleichende Perspektive

Psychologen, die eine kulturvergleichende Perspektive einnehmen, untersuchen interkulturelle Unterschiede der Ursachen und Konsequenzen von Verhalten. Die kulturvergleichende Perspektive ist eine wichtige Re-aktion auf die Kritik, dass psychologische Forschung allzu häufig auf einer westlichen Konzeption der menschlichen Natur basiert und dass sie als Untersu-chungspopulation ausschließlich weiße Amerikaner der Mittelklasse (Gergen et al., 1996) heranzog. Eine angemessene Betrachtung der kulturellen Kräfte kann Vergleiche zwischen Gruppen innerhalb gemeinsamer nationaler Grenzen beinhalten. Beispielsweise können Forscher die Prävalenz von Essstörungen innerhalb der USA zwischen weißen und afro-amerikanischen Teenagern vergleichen (siehe Kapitel 12). Kulturelle Einflüsse können auch zwischen Nationalitäten unter-sucht werden, wie beispielsweise ein Vergleich zwi-schen moralischen Urteilen in den USA und Indien (vergleiche Kapitel 11). Kulturvergleichende Psycho-logen wollen herausfinden, ob die Theorien, welche die psychologische Forschung hervorgebracht hat, auf alle Menschen oder nur auf eine engere, spezifischere Population zutreffen.

Die kulturvergleichende Perspektive lässt sich auf nahezu jeden Gegenstand psychologischer Forschung anwenden: Wird die menschliche Wahrnehmung von der Welt durch Kultur beeinflusst? Beeinflusst die Sprache, die wir sprechen, die Art und Weise, wie wir die Welt erfahren? Wie beeinflusst Kultur die Art und Weise, wie sich Kinder zu Erwachsenen entwickeln? Wie formen kulturelle Einstellungen das Erleben des höheren Alters? Wie beeinflusst Kultur unser Selbst-verständnis? Beeinflusst Kultur die Wahrscheinlich-keit, dass ein Individuum spezifische Verhaltenswei-sen zeigt? Beeinflusst Kultur die Art und Weise, wie Menschen ihre Gefühle ausdrücken? Beeinflusst Kul-tur die Häufigkeit, mit der Menschen an psychischen Störungen leiden?

Die Folgerungen aus kulturvergleichender Perspek-tive stellen die aus den anderen Perspektiven gezoge-nen Schlüsse oftmals unmittelbar in Frage. Beispiels-

weise haben Forscher die Auffassung vertreten, dass viele Aspekte von Freuds psychodynamischen Theori-en nicht auf Kulturen übertragbar wären, die sich stark von Freuds Wien unterscheiden. Diese Bedenken wur-den bereits 1927 von dem Anthropologen Bronislaw Malinowski (1927) formuliert. Dieser kritisierte mit stichhaltigen Argumenten Freuds vaterzentrierte Theorie, indem er Familienpraktiken der Trobriander auf Neuguinea beschrieb; in diesem Stamm liegt die Familienautorität bei den Müttern und nicht bei den Vätern. Die kulturvergleichende Perspektive lässt also erkennen, dass einige der universellen Behauptungen der psychodynamischen Perspektive so nicht zutref-fen. Die kulturvergleichende Perspektive leistet einen beständigen und wichtigen Beitrag, Generalisierungen über menschliche Erfahrungen zu relativieren, die der Unterschiedlichkeit und Reichhaltigkeit von Kulturen keine Rechnung tragen.

1.2.3 Perspektivenvergleich: Thema Aggression

Jede der sieben Perspektiven beruht auf einem unter-schiedlichen Satz von Annahmen und führt zu unter-schiedlichen Arten der Antwortsuche auf Fragen zum Verhalten. Tabelle 1.1 fasst die Perspektiven zusam-men. Lassen Sie u≤ns anhand des Beispiels, warum sich Menschen aggressiv verhalten, kurz vergleichen, wie Psychologen unter Heranziehung der jeweiligen Modelle mit dieser Frage umgehen. Alle Ansätze soll-ten dem Bemühen dienen, das Wesen von Aggression und Gewalt zu verstehen. Für jede Perspektive geben wir Beispiele, welche Behauptungen die Forscher aufstellen und welche Experimente sie durchführen könnten.

Biologisch. Untersucht die Rolle spezifischer Gehirnsysteme für die Aggression, indem ver-schiedene Gehirnregionen stimuliert und dann alle hervorgerufenen destruktiven Handlungen aufgezeichnet werden. Analysiert auch das Gehirn von Massenmördern im Hinblick auf

Kulturvergleichende Perspektive | Jene psychologische Perspektive, die sich auf interkulturelle Unterschiede in den Ursachen und Konsequenzen von Verhalten konzentriert.

Die Entwicklung der modernen Psychologie

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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Abnormalitäten; untersucht Aggression bei Frauen im Zusammenhang mit den Phasen des Menstruationszyklus.

Psychodynamisch. Untersucht Aggression als Reaktion auf Frustrationen, die durch Barrie-ren auf dem Weg zur Freude, beispielsweise durch ungerechte Autoritäten, entstanden sind. Betrachtet Aggression beim Erwachsenen als Resultat der Verschiebung der Feindseligkeit, die ursprünglich als Kind gegenüber den Eltern gefühlt wurde.

Behavioristisch. Identifiziert die Verstärker ver-gangener aggressiver Reaktionen, wie etwa ein Mehr an Aufmerksamkeit, die einem Kind von seinen Klassenkameraden oder Geschwistern zukommt. Behauptet, dass Kinder von körper-lich züchtigenden Eltern lernen, später mit ihren Kindern genauso zu verfahren.

Humanistisch. Sucht nach persönlichen Werten und sozialen Bedingungen, die selbst-einschrän-kende und aggressive Perspektiven, anstelle von wachstumsfördernden und geteilten Erfahrun-gen, nähren.

Kognitiv. Erfasst die feindseligen Gedanken und Phantasien, die Menschen bei der Wahrneh-mung gewalttätiger Handlungen erleben. Be-achtet sowohl aggressive Vorstellungen als auch Absichten, andere zu verletzen. Untersucht den Einfluss von Gewalt in Filmen und Videos, in-klusive pornographischer Gewaltdarstellungen, auf Haltungen zur Kontrolle von Waffenbesitz, Vergewaltigung und Krieg.

Evolutionär. Betrachtet, welche Bedingungen Aggression zu einem Anpassungsverhalten für Urmenschen machten. Identifiziert psychologi-sche Mechanismen, die in der Lage sind, unter diesen Bedingungen selektiv aggressives Verhal-ten hervorzurufen.

Vergleich von sieben Perspektiven zeitgenössischer Psychologie

Perspektive Menschenbild Verhaltens-determinanten

Untersuchungs-schwerpunkt

Primäre Forschungs-themen

Biologisch Passiv, Mechanistisch

Erblichkeit, Biochemische Prozesse

Prozesse in Gehirn und Nervensystem

Biochemische Basis von Verhalten und mentalen Prozessen

Psychodynamisch Instinkt-getrieben

Erblichkeit, Frühe Erfah-rungen

Unbewusste Triebe, Konflikte Verhalten als sichtbarer Ausdruck unbewusster Motive

Behavioristisch Reaktiv auf Stimulation, Modifizierbar

Umwelt, Stimulus-bedingungen

Spezifische gezeigte Reaktionen

Verhalten und seine Ver-ursachung durch Stimuli und Konsequenzen

Humanistisch Aktiv, Unbegrenztes Potenzial

Potenziell selbst gesteuert Menschliches Erleben und Potenziale

Lebensmuster, Werte, Ziele

Kognitiv Kreativ aktiv, Stimulusreaktiv

Stimulusbedingungen, Geistige Prozesse

Geistige Prozesse, Sprache Schlussfolgern auf geistige Prozesse durch Verhaltensindikatoren

Evolutionär Angepasst an Lösung von Problemen des Pleistozäns

Anpassung zum Über-leben

Evolutionär entstandene psychische Anpassungs-vorgänge

Geistige Mechanismen als evolutionär entstan-dene adaptive Funk-tionen

Kulturvergleichend Modifizierbar durch Kultur

Kulturelle Normen Interkulturelle Muster von Haltungen und Verhalten

Universelle und kultur-spezifische Aspekte menschlicher Erfahrung

Tabelle 1.1

1.3

19

Kulturvergleichend. Betrachtet, wie Mitglieder verschiedener Kulturen Aggression zeigen und interpretieren. Finden heraus, wie kulturelle Kräfte die Wahrscheinlichkeit verschiedener Arten aggressiven Verhaltens beeinflussen.

Nicht nur professionelle Psychologen haben Theo-rien darüber, warum Menschen das tun, was sie tun. Auch Sie haben vielleicht einige Überzeugungen, ob das Verhalten mehr durch das Erbe oder durch die Umwelt beeinflusst wird, ob Menschen im Grunde genommen gut oder böse sind und ob Menschen Willensfreiheit besitzen oder nicht. Wenn Sie die Er-kenntnisse, die auf der Grundlage dieser Perspektiven gewonnen wurden, lesen, dann vergleichen Sie diese Schlussfolgerungen mit Ihren eigenen Ansichten. Prüfen Sie, woher Ihre persönlichen Überzeugungen stammen, und denken Sie über einige Wege nach, wie Sie diese erweitern oder modifizieren könnten.

1.3 Was machen Psychologen eigentlich? 1.3Sie wissen jetzt hinreichend viel über Psychologie, um Fragen zu formulieren, welche die ganze Bandbreite

psychologischer Fragestellungen abdecken. Wenn Sie eine solche Frageliste erstellen, dann werden Sie mit den Spezialgebieten einer Vielzahl von Personen in Berührung kommen, die sich als Psychologen bezeich-nen. In Tabelle 1.2 zeigen wir Ihnen unsere eigene Fassung solcher Fragen und geben Hinweise darauf, welche Art von Psychologen sich damit beschäftigen. Wenn Sie die Zeit finden, dann erstellen Sie Ihre ei-gene Frageliste. Machen Sie einen Haken hinter jede Frage, wenn das vorliegende Buch Psychologie sie beantwortet.

Vielleicht haben Sie sich die Frage gestellt, wie viele Psychologen weltweit diesen Beruf ausüben? Schätzungen nennen eine Zahl deutlich über 500.000. Hiervon arbeiten etwa 62.000 bis 82.000 in der psy-chologischen Forschung (siehe Abbildung 1.2). Ob-wohl der prozentuale Anteil an Psychologinnen und Psychologen in den westlichen Industrienationen am größten ist, steigt das Interesse an Psychologie in vie-len Ländern kontinuierlich an. Unter dem Dach der International Union of Psychological Science sind Mitgliedsorganisationen aus mehr als 64 Ländern vereint (Rosenzweig, 1999a). Die amerikanische Psy-chologen-Vereinigung American Psychological Asso-ciation (APA) zählte Ende 1998 mehr als 155.000 Mit-glieder aus allen Teilen der Welt (Fowler, 1999). Eine zweite internationale Organisation, die American Psy-

Die Unterschiedlichkeit psychologischer Fragestellungen

Die Frage Wer beschäftigt sich damit?

Wie können Menschen besser mit Alltagsproblemen umgehen? Klinische Psychologen, Beratungspsychologen, Gemeindepsychologen, Psychiater

Wie werden Gedächtnisinhalte im Gehirn gespeichert? Biologische Psychologen, Psychopharmakologen

Wie kann man einem Hund beibringen, dass er auf Kommandos hört? Experimentelle Psychologen, Verhaltensanalytiker

Warum kann ich mich nicht immer an Informationen erinnern, von denen ich sicher bin, dass ich sie weiß?

Kognitive Psychologen, Kognitionswissenschaftler

Was unterscheidet den einen Menschen vom anderen? Persönlichkeitspsychologen, Verhaltensgenetiker

Wie funktioniert „Gruppendruck“? Sozialpsychologen

Was wissen Babys von der Welt? Entwicklungspsychologen

Warum ruft meine Arbeit depressive Verstimmungen hervor? Arbeits- und Organisationspsychologen

Wie sollten Lehrer mit Schülern umgehen, die ständig stören? Pädagogische Psychologen, Schulpsychologen

Warum ist mir vor jeder Prüfung übel? Klinische Psychologen, Gesundheitspsychologen

War die Angeklagte psychisch gestört, als sie das Verbrechen beging? Forensische Psychologen

Warum bekomme ich bei wichtigen Fußballspielen immer Atemnot? Sportpsychologen

Tabelle 1.2

Was machen Psychologen eigentlich?

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

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chological Society, mit mehr als 16.000 Mitgliedern, konzentriert sich stärker auf wissenschaftliche As-pekte der Psychologie und weniger auf die klinischen und Anwendungsaspekte. In Deutschland entspricht diese Zweiteilung der Existenz der Deutschen Gesell-schaft für Psychologie (DGPs; akademische Aspekte: www.dgps.de) und des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP; klinische und Anwendungsaspekte: www.bdp-verband.org).

Es wird Sie vielleicht nicht überraschen zu hören, dass Forschung und Praxis der Psychologie in ihrer frühen Geschichte von Männern dominiert wurden. Auch wenn sie noch gering an Zahl waren, leisteten Frauen dennoch einen wichtigen Beitrag zu dem Ge-biet (Russo & Denmark, 1987; Scarborough & Furomo-to, 1987). Im Jahre 1894 beendete Margaret Washburn als erste Frau ihre Studien an der Cornell University mit einem Doktorgrad in Psychologie. Sie hat in der Folge ein einflussreiches Lehrbuch, The Animal Mind, geschrieben. Im Jahre 1895 erfüllte Mary Calkins die entsprechenden Anforderungen an der elitären Har-vard University mit Bestleistungen. Dennoch weigerte sich damals die Universitätsleitung von Harvard, den Doktortitel einer Frau zu verleihen. Trotz dieses Af-fronts wurde Calkins eine erfolgreiche Forscherin und die erste weibliche Präsidentin der American Psycho-logical Association. Anna Freud, die wir zuvor schon mit ihrem Vater auf einer Urlaubsreise zeigten, leistete viel für wichtige Fortschritte der Psychoanalyse, einer Therapieform, die auf der psychodynamischen Pers-pektive beruht. Charlotte Bühler, in den 20er Jahren bereits Professorin, leistete vor und nach ihrer Emi-gration aus Nazi-Deutschland Beachtliches als Ent-

wicklungspsychologin und Therapeutin und kann als Mitbegründerin der Humanistischen Psychologie gelten. Wir werden die Pioniertätigkeiten von Forscherinnen im Laufe des Buches immer wieder hervorheben.

In der zeitgenössischen Psychologie teilen sich Männer und Frauen die lohnende Aufgabe, Theorien und Anwendungen voranzutreiben. Wie Abbildung 1.3 zeigt, wird in Deutschland knapp die Hälfte der Doktorgrade in der Psychologie – der Titel für fortge-schrittene Forschungsarbeiten, den wissenschaftliche

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Entwicklungspsychologinnen benutzen Puppen oder andere Spielzeuge, um zu untersuchen, wie Kinder sich verhalten, den-ken oder fühlen. Warum könnte es für ein Kind leichter sein, sei-ne Gedanken einer Puppe als einem Erwachsenen mitzuteilen?

Abbildung 1.2: Arbeitsgebiete von Psychologen Prozentanteile der Arbeitsgebiete von Psychologinnen und Psychologen, die ei-nen Doktorgrad in Psychologie besitzen und der American Psychological Associa-tion (APA) angeschlossen sind.

1.3

21

Ant

eil F

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(Pro

zent

)

1973–1982früheres Bundesgebiet

1983–1992früheres Bundesgebiet

1993–2002Deutschland

60

50

40

30

20

10

0

28.84

36.37

49.39

Abbildung 1.3: Prozent an Doktor-graden, die an Frauen verliehen wurdenDer Verlauf der letzten 30 Jahre: Mittlerweile bilden Frauen knapp die Hälfte der doktoralen Graduierungen (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Nachwuchskräfte meistens erwerben – nun an Frauen vergeben (Quelle: Statistisches Bundesamt). Indem die Psychologie weiterhin einen Beitrag zur wissenschaft-lichen Erforschung des Menschen leistet, fühlen sich immer mehr Menschen – Frauen und Männer, Mit-glieder aller Teile der Gesellschaft – zu diesem Beruf hingezogen.

Sie sind auf dem Weg. Wir hoffen, dass Psycho-logie für Sie zu einer lohnenden Reise wird, voller denkwürdiger Augenblicke und voller unerwarteter Freuden. Lassen Sie uns loslegen oder, wie man im Italienischen sagt: „Andiamo!“

Z u s a m m e n f a s s u n g

Die ersten Psychologen zeigten, dass psychologische Prozesse dem Determinismus unterliegen – geistige und körperliche Ereignisse werden von spezifischen Kausal-faktoren bestimmt. Ein früher Ansatz, der Strukturalismus, konzentrierte sich auf mentale Inhalte und die Struktur des Verhaltens; ein zweiter Ansatz, der Funktionalismus, kon-zentrierte sich auf die Funktionen des Verhaltens.Die zeitgenössische Psychologie umfasst sieben wichtige Perspektiven: Die biologische Perspektive untersucht Bezie-hungen zwischen Verhalten und Mechanismen des Gehirns;

die psychodynamische Perspektive sieht den Antrieb des Verhaltens in bewussten und unbewussten Motiven; die behavioristische Perspektive versteht Verhalten als durch externe Stimulusbedingungen determiniert; die humanis-tische Perspektive betont die einem Individuum innewoh-nende Fähigkeit, persönliches Wachstum zu erreichen; die kognitive Perspektive unterstreicht geistige Prozesse, die Verhaltensreaktionen beeinflussen; die evolutionäre Perspektive versteht Verhalten als einen Anpassungsme-chanismus an die Umwelt, der sich im Laufe der Evolution entwickelt hat, um in der Umwelt zu überleben; die kultur-vergleichende Perspektive untersucht Verhalten und seine Interpretation in kulturellen Kontexten.Psychologinnen und Psychologen beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Fragen. Der Beruf des Psychologen hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert. Er wurde internationaler in seiner Ausrichtung und wird von mehr Frauen ausgeübt.

Z u s a m m e n f a s s u n g

Was machen Psychologen eigentlich?

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

22

Psychologie im 21. Jahrhundert: Die Zukunft beginnt jetzt

In dieser Auflage von Psychologie haben wir eine Besonderheit hinzugefügt: kurze Essays, die den Übergang der Psychologie zum 21. Jahrhundert zum Thema haben. Im vorliegenden Kapitel haben wir Ihnen einen kurzen Abriss gegeben, wie sich die Disziplin in den letzten 100 Jahren veränderte, speziell im Hinblick auf theoretische Perspekti-ven. Was werden die nächsten 100 Jahre bringen? Es fällt nicht schwer, Veränderungen sowohl im Inhalt als auch in der Anwendung der Psychologie vorherzusehen.

Obwohl einige Themen, welche die Psychologie zu beantworten sucht, zeitlos sind, wie beispiels-weise die grundlegenden Prozesse des Spracher-werbs, treten andere Fragen aufgrund spezifischer Umstände der menschlichen Geschichte auf den Plan. Beispielsweise wurde viel der sozialpsycho-logischen Forschung, die wir in den Kapiteln 17 und 18 anführen, durch Forscher angeregt, die ver-suchten, die Kräfte zu verstehen, die zu den Schre-cken des Zweiten Weltkriegs führten. Wir können zwar nicht vorhersagen, welche großen sozialen Bewegungen den Globus im 21. Jahrhundert ergrei-fen werden, aber wir können uns recht sicher sein, dass Psychologen schnell reagieren werden, um die Ursprünge und Implikationen dieser Bewegun-gen zu erforschen. Die psychologische Forschung wird sehr wahrscheinlich durch die Technologien beeinflusst werden, die die Distanzen zwischen den Individuen unterschiedlicher Kulturen und Orte schrumpfen lässt. Mithilfe des World Wide Web erhalten die Menschen unmittelbaren Zugang zu Informationen aus der ganzen Welt, und Fragen zu kulturellen Unterschieden und Ähnlichkeiten werden wahrscheinlich in der Psychologie des 21. Jahrhunderts eine größere Bedeutung erlangen.

Ebenso wie technologische Innovationen die Fragen beeinflussen, die Psychologen beantwor-ten wollen, werden diese Fortschritte auch die Art und Weise beeinflussen, wie die Forschung diese

Fragen beantworten kann. Im 20. Jahrhundert revolutionierten die auf-

kommenden Computer und bildgebenden Verfah-ren die Untersuchung mentaler Prozesse auf eine Weise, die Wundt und seine Kollegen der frühen experimentellen Psychologie sich schwerlich vorstellen konnten. Mit weiterer technologischer Verbesserung werden Forscher vielleicht in der Lage sein, die Beziehung zwischen gerade ablau-fenden mentalen Prozessen und Gehirnaktivitäten mit faszinierender Genauigkeit festzumachen. In ähnlicher Weise werden Fortschritte bei den tech-nologischen Werkzeugen der Genforschung mögli-cherweise schnell die Art und Weise verändern, in welcher die Forscher die Einflüsse von Erbe und Umwelt auf die Lebenslinie eines Individuums bestimmen.

Dies sind die Arten von Themen – Innovationen im Gegenstand und der Praxis von Psychologie – denen wir mit diesem speziellen Informationse-lement Psychologie im 21. Jahrhundert nachgehen werden.

Webseiten:

www.dgps.de, die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Psychologie

www.bdp-verband.org, die Webseite des Be-rufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen

www.apa.org, die Webseite der American Psy-chological Association

www.psychologicalscience.org, die Webseite der American Psychological Society

1.4

23

1.4 Das Wichtigste in Kürze 1.4Was macht Psychologie einzigartig?

Psychologie ist die wissenschaftliche Unter-suchung des Verhaltens und der mentalen Pro-zesse von Individuen.

Die Ziele der Psychologie bestehen darin, zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und zu helfen, Verhalten zu kontrollieren.

Die Entwicklung der modernen Psychologie

Strukturalismus entstand aus den Arbeiten von Wundt und Titchener. Er betonte die Struktur des Geistes und Verhalten, das sich aus elemen-taren Empfindungen zusammensetzt.

Funktionalismus wurde durch James und Dewey entwickelt und betont die Absicht hinter dem Verhalten.

Zusammen genommen bildeten diese Theorien die Agenda der modernen Psychologie.

Jeder der sieben zeitgenössischen Ansätze zu psychologischen Untersuchungen unterscheidet sich in seinem Menschenbild, den Determinan-ten des Verhaltens, dem Hauptaugenmerk der Untersuchungen und dem bevorzugten For-schungsansatz.

Die biologische Perspektive untersucht Bezie-hungen zwischen Verhalten und Mechanismen des Gehirns.

Die psychodynamische Perspektive betrachtet Verhalten als getrieben durch Instinktkräfte, in-nere Konflikte sowie bewusste und unbewusste Motive.

Nach der behavioristischen Perspektive ist Verhalten durch externe Stimulusbedingungen determiniert.

Die humanistische Perspektive betont die einem Individuum innewohnende Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen.

Die kognitive Perspektive unterstreicht mentale Prozesse, die Verhaltensreaktionen beeinflus-sen.

Die evolutionäre Perspektive betrachtet Verhal-ten als etwas, das sich zur Anpassung an die Umwelt entwickelt hat.

Die kulturelle Perspektive untersucht Verhalten und seine Interpretation im kulturellen Kon-text.

Was machen Psychologen eigentlich?

Psychologen arbeiten in einer Vielzahl von Um-gebungen und nutzen Expertise aus einer ganzen Bandbreite von Spezialgebieten. Nahezu jede Fragestellung aus dem Bereich der Alltagserfah-rungen wird von Mitgliedern des Berufsstandes der Psychologen bearbeitet.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde der Beruf des Psychologen internationaler in seiner Aus-richtung und erfuhr eine Ausdifferenzierung in Praxis und Forschung.

Schlüsselbegriffe

Schlüsselbegriffe sind innerhalb des Kapitels in far-bigem Fettdruck gesetzt, so dass sie beim Lesen sofort ins Auge fallen. Wie Sie hier sehen, werden sie am Ende jedes Kapitels zusammen mit der Seitennummer aufgelistet, auf der sie zuerst auftauchen. Wenn Sie sich auf Prüfungen vorbereiten, dann stellen Sie si-cher, dass Sie jeden Begriff definieren können. Zusätz-lich sind alle Schlüsselbegriffe am Ende des Buches im Glossar alphabetisch aufgelistet und definiert. Das Glossar liefert Definitionen der Schlüsselbegriffe und zeigt die Seitenzahlen ihres Erscheinens. Sie können es zum Auffrischen Ihres Gedächtnisses benutzen.

Das Wichtigste in Kürze

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Schlüsselbegriffe

Behaviorismus S. 14

Behavioristische Perspektive S. 14

Biologische Perspektive S. 13

Dispositionelle Variablen S. 6

Evolutionäre Perspektive S. 16

Funktionalismus S.12

Humanistische Perspektive S. 15

Kognitive Perspektive S. 15

Kulturvergleichende Perspektive S. 17

Organismische Variablen S. 6

Psychodynamische Perspektive S. 13

Psychologie S. 3

Situationale Variablen S. 6

Strukturalismus S. 11

Umweltvariablen S. 6

Verhalten S. 3

Verhaltensdaten S. 5

Wissenschaftliche Methode S. 3

PSYCHOLOGIE ALS WISSENSCHAFT1.4


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