Politischer Humanismus und europäische Renaissance · Niccolò Machiavelli 06.2017 Staatstheorie...

Politischer Humanismus und europäische Renaissance

Prof. Dr. Alexander Thumfart

Niccolò Machiavelli:

XX.XX.2017 Staatstheorie des italienischen Bürgerhumanismus 2

Geboren: 3. Mai 1469; Florenz Gestorben: 21. Juni 1527; Florenz Ausbildung: Erfahrung und Gespräch (gerade auch mit Büchern) Leben: Machiavelli entstammt einer angesehenen, aber verarmten Familie. Nach dem Sturz Savonarolas wird er 1498 zum Staatssekretär der 2. Kanzlei von Florenz gewählt. Ihm obliegt die Führung der Außenpolitik und Verteidigung. 1506 stellt er in dieser Funktion eine Bürgermiliz auf. 1512 kehren die Medici nach der Niederlage der Republik gegen den Papst zurück; Machiavelli wurde gefangen genommen und aus allen Ämtern entfernt. Er lebt in der Verbannung in San Casciano (San Andrea in Percussina). Machiavelli versucht in die Politik zurück zu kehren und verfasst mit aus diesem Grund 1513 den wegweisenden Text Il Principe/Der Fürst. Die vollständige Rehabilitierung gelingt ihm nicht. Kontakte: Francesco Vettori; Leonardo da Vinci; Francesco Guicciardini Werke: Il Principe; Discorsi sopra il primo deca di Tito Livio; Geschichte der Stadt Florenz, Über den Krieg, Mandragola

Niccolò Machiavelli

06.2017 3 Staatstheorie des italienischen Bürgerhumanismus

„Denn man kann von den Menschen im allgemeinen sagen, dass sie undankbar (ingrati), wankelmütig (volubili), unaufrichtig (simulatori), heuchlerisch (dissimulatori), furchtsam (fuggitori) und habgierig (cupidi di guadagno) sind“.

(ll Principe, Kap. XVII)

„vor allem aber muss er (der Fürst, A.T.) das Eigentum anderer achten; denn die Menschen vergessen schneller den Tod ihres Vaters als den Verlust ihres Erbes.“

(ll Principe, Kap. XVII)



„Prüft man weiter ihre Taten und ihr Leben (gemeint sind hervorragende Männer, A.T.), so sieht man, dass sie vom Glück nichts anderes erhalten haben als die Gelegenheit; diese bot ihnen den Stoff, in den sie die Form prägen konnten, die ihnen vorschwebte; ohne diese Gelegenheit wäre die Tüchtigkeit erlahmt, und ohne ihre Tüchtigkeit wäre die Gelegenheit vergebens eingetreten.“

(ll Principe, Kap. VI)

„Ed esaminando le azioni e vita loro, non si vede che quelli avessino altro dalla fortuna che la occasione; la quale dette loro materia a potere introdurvi dentro quella forma parse loro; e sanza quella occasione la virtú dello animo loro si sarebbe spenta, e sanza quella virtú la occasione sarebbe venuta invano.”



„Für einen Fürsten ist es also nicht erforderlich, alle oben genannten Eigenschaften wirklich zu besitzen, wohl aber den Anschein zu erwecken, sie zu besitzen. Ich wage gar zu behaupten, dass sie schädlich sind, wenn man sie besitzt und ihnen stets treu bleibt; dass sie aber nützlich sind, wenn man sie nur zu besitzen scheint; so musst du milde, treu, menschlich, aufrichtig sowie fromm scheinen und es auch sein; aber die musst geistig darauf vorbereitet sein, dies alles, sobald man es nicht mehr sein darf, in sein Gegenteil verkehren zu können.“

(ll Principe, Kap. XVIII)

„denn die Menschen werden sich dir (Fürst, A.T.) gegenüber immer als böse erweisen, wenn sie nicht gezwungen werden, gut zu sein (non sono fatti buoni).“

(ll Principe Kap XXIII)



„Daraus ergibt sich die Streitfrage, ob es besser ist, geliebt (amato) als gefürchtet (temuto) zu werden oder umgekehrt. Die Antwort ist, dass man das eine wie das andere sein sollte; da es aber schwerfällt, beides zu vereinigen, ist es viel sicherer (sicuro), gefürchtet als geliebt zu werden (temuto che amato).“ „Auch scheuen sich die Menschen weniger, einen zu verletzen, der sich beliebt macht, als einen, den sie fürchten; denn Liebe wird durch das Band der Dankbarkeit aufrechterhalten, das, weil die Menschen schlecht (tristi) sind, von ihnen bei jeder Gelegenheit (occasione) des eigenen Vorteils willen zerrissen wird; die Furcht aber wird durch die Angst vor Strafe aufrechterhalten, die dich niemals verlässt.“ (ll Principe, Kap. XVII)

Donato Giannotti:

XX.XX.2017 Staatstheorie des italienischen Bürgerhumanismus 7

Geboren: 27. November 1492; Florenz Gestorben: 27. Dezember 1573; Rom Ausbildung: Philosophiestudium im Studio in Florenz durch Marcello Virgilio Adriani und Francesco da Diacceto Leben: Giannotti entstammt einer Florentiner Familie. Er war einer der Anführer der kurzen Republik Florenz von 1527-30. Nach der Rückkehr der Medici wurde er gefangen genommen, gefoltert und 1533 verbannt. Er im Exil in Rom, und schrieb dort Schriften über den Republikanismus, welche eine Gewaltenteilung vorsahen. Kontakte: Niccolò Ridolfi (Kardinal); Michelangelo; Niccolò Machiavelli Werke: Dialogi de Republica Venetorum, Della repubblica fiorentina

Donato Giannotti


„Die Menschen sind eher schlecht als gut und kümmern sich weit mehr um ihr privates Wohlergehen als um das öffentliche Wohl“. „essendo gli uomini più malvagi che buoni et curandosi molto più dei privati commodi che del publico bene”. Giannotti; Die Republik von Florenz

Donato Giannotti


Da die politischen Ordnungen insgesamt „auf der Gesinnung von Menschen aufbauen“ (fondata sopra gli animi degli uomini), „sind“ die Strukturen „aus sich selbst stets dem Verfall ausgesetzt“. Es ist theoretisch-konzeptionell der katastrophale Fehler, dass man in „allen dreien (gemeint sind die guten Ordnungen, A.T.) ja gute Menschen voraussetzt“ (si presuppongono gli uomini buoni) – aber eben keine guten Menschen findet Giannotti. „(L)e tre specie di republiche (…) essendo fondate sopra gli animi degli uomini, (…), sono sempre per se medesime alla corruzzione esposte“. Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


„Weil man also die guten Verfassungen (le buone republice) nicht einführen kann (…), ist es nötig, eine Regierungsart und -form (uno modo, una forma di governo) zu finden, deren Einführung sowohl möglich als auch gerecht ist“.

Giannotti, Republik von Florenz.

Donato Giannotti


„In jeder Stadt gibt es Bewohner verschiedener Art: überall findet man Vornehme und Reiche – mit anderen Worten Grandi – einerseits, Arme und Niedrige (Popolari, A.T.) andererseits, sowie Mediocri, die an beiden Extremen teilhaben.“

Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


„Wir können somit sagen, dass in jeder Stadt einige nur Freiheit (libertá) begehren, andere zur Freiheit hinzu noch die Ehre (onore); wieder andere streben nach Größe (grandezza), entweder für sich allein oder zusammen mit anderen.“


Donato Giannotti


„Zusammenfassend halte ich fest, dass die Stadt Florenz alle erforderlichen Eigenschaften (tutte quelle qualità) besitzt, um die (…) gute Verfassung übernehmen zu können. Man findet in ihr wenige Grandi, viele Mediocri, viele Popolari und eine angemessene Zahl an Plebejern“. „Es ist zu beachten, dass die Bürger jenem Regiment zugetan sind, in dem sie ihre Begehren erlangen oder zu erlangen glauben”. Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


„Mit der Einführung der gemischten Verfassung wird es möglich, die genannten, in jeder Stadt vorhandenen Kräfte allesamt zu befriedigen“. „In der gesuchten Ordnung braucht es somit einen Fürsten, dessen Herrschaft aber nicht von ihm selbst abhängt; die Grandi müssen befehlen können, ihre Macht darf aber nicht in ihnen selbst gründen; die Menge muss frei sein, diese Freiheit bedarf aber der Bindung; die Mediocri schließlich müssen neben der Freiheit auch Ehre erlangen können, wobei die Befähigung dazu nicht in ihrem eigenen Ermessen liegen darf.“ Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


„Besonders nützlich aber ist, dass niemand diese Ordnung (ordinazione) irgendwo verletzen kann, ohne dass sie als ganze diese Verletzung spürt, worauf sie sofort reagiert und sich nicht zerstören lässt; dies darum, weil die wichtigsten Organe miteinander verbunden sind und gegenseitig von einander abhängen (perchè i membri principali sono insieme colligati et hanno dipendenza l’uno dell’altro).“

Donato Giannotti


„Unsere Republik wird sich daher aus drei Hauptteilen zusammensetzen: ein Teil verkörpert die Volksherrschaft, einer die Wenigenherrschaft und einer das Königtum. Der Teil, der die Volksherrschaft verkörpern soll, wird ein alles umfassender Rat sein (…) Da dieser Herr der Stadt sein soll, wird von ihm die gesamte übrige Republik abhängen (…) Der Teil, der die Wenigenherrschaft verkörpert, wird ein Senat sein (…) Jener Teil, der das Königtum verkörpert, wird ein Oberhaupt sein, das diesen Rang auf Lebenszeit innehat.“ Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


„Durch den Rat befriedigt man den Wunsch nach Freiheit, durch den Senat das Verlangen nach Ehre, durch das oberste Amt das Streben nach dem Prinzipat. Es gilt nun noch das Mittel zu finden, um jene zufriedenzustellen, die nach Grandezza streben, da nicht mehr als einer das Prinzipat erlangen kann. Es drängt sich daher auf, zwischen dem Senat und dem Oberhaupt ein Organ einzufügen. Dies wird eine Versammlung einiger Behörden sein, die mit dem Oberhaupt zusammen die wichtigsten Angelegenheiten (…) beraten und ausführen werden. Dieses Organ kann man (…) Collegio nennen.“ Giannotti, Republik von Florenz

Donato Giannotti


So sei zu beachten, „dass die Lebenskraft der gesamten Republik in vier Bereichen zum Ausdruck kommt: in der Wahl der Behörden, in der Beschlussfassung über Krieg und Frieden, in der Anhörung von Beschwerden und in der Einführung der Gesetze.“

So „erfordert jede öffentliche Tätigkeit – vor allem im Bereich Krieg und Frieden – drei Dinge: Beratung, Beschlussfassung und Ausführung“ (azione publica et massimamente che appartenga alla pace o a guerra, ricerca tre cose: consiglio, deliberazione, essecuzione”).

Donato Giannotti


Die jungen Männer haben die Gelegenheit, „schon früh die schönen Seiten der Republik (zu, A.T.) genießen“ (gustare la dolcezza della republica) und zu erleben, „wie angenehm die bürgerliche Lebensweise ist“ (quanto sia dolce il vivere civile). Die Erfahrung der bürgerlichen Existenz machen „die Jungen“ (i giovani), indem sie „früh beginnen (…), öffentliche Geschäfte zu erörtern“ (a trattare cose publiche). In dieser aktiven Teilnahme am politischen Diskurs in der Arena des Großen Rates würden die Jungen sich „so eine großmütige Gesinnung aneignen und sich ernsthaften Gedanken zuwenden“ (elevarebbono gli animi loro et li volgerebbono a pensieri gravi et quello che è belissimo in una republica).

Donato Giannotti


„Weil er (der Gonfaloniere, A.T.) durch die Verfassung der Republik (ordinazione della republica) von allen Seiten eingebunden ist, wird er geradezu gezwungen (costretto), gut zu sein (ad essere buono), und weil er gut ist, bringt er unweigerlich nur Gutes hervor und werden auch die übrigen gut (altri ancora divinghino buoni), so dass man in einer derart geordneten Republik lauter Beispiele an Tugend und Güte sehen kann (una republica così ordinata, non si può vedere se non essempli di virtù et bontà).“


Donato Giannotti


„Als gut (buoni) sollen jene Bürger gelten, die das öffentliche Wohl (bene publico) glühend lieben und bereit sind, Leben, Hab und Gut sowie alles übrige dafür einzusetzen (…) Weil sie glauben, dass im öffentlichen Wohl das private enthalten sei, lassen sie die eigenen Geschäfte ruhen und gehen unermüdlich den öffentlichen nach, wenn ihnen die Leitung der Republik übertragen wird. (…) Dies wären die besten Heilmittel gegen die Heuchelei der Bürger, vor allem jener, die das jugendliche Alter überschritten haben. Denn alle anderen, die nachfolgen, würden durch die Verfassung der Republik (forma della republica) und durch die militärischen Übungen zu hochherzigen Menschen; sie würden von sich aus ein derartiges Laster (vizio) hassen.“

Donato Giannotti


Im Prozess der politischen Zivilisierung vollzieht sich zugleich die Produktion der politischen Tugend. Es ist die republikanische Institutionenordnung, die kommunikative Interaktionsstruktur selber, die den tugendhaften und guten Bürger erst und überhaupt erzeugt, formt und (mit mehr oder weniger sanftem Druck) stanzt.

Die Tugend entsteht durch die Tugend der Form.

Date post:	04-Jun-2018
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