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Politik The Nazi- TT - Kuhle Wampe · PDF fileBuches graphisch das NSKK Emblem mit dem...

Date post: 06-Feb-2018
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Poli tik 10 megaphon III/12 D ie sportliche Leistung von Georg Meier bei der im Juni 1939 stattgefun- denen TT (und anderer deut- scher Fahrer während des Nati- onalsozialismus) ist durchaus anerkennenswert und sollte doch gleichzeitig in einem wei- teren Licht betrachtet werden: die Propagandamaschine des NS-Faschismus hat den Sport und hierin eingeschlossen auch den Motorsport, instru- mentalisiert. Die Fahrer muss- ten damals entweder bei der Wehrmacht, Polizei oder di- rekt beim NSKK (Nationalso- zialistisches Kraftfahrkorps) Mitglied sein. Meier hatte den Rang eines Feldwebels und war im besetzen Paris Fahrer des Generals Wilhelm Canaris. Die Teilnahme und der Sieg an der IoM Tourist Trophy (TT) 1939 durch das BMW Werks- team wurden wie viele ande- ren Motorsportengagements (auch von Mercedes und Auto- Union) vom NS-Staat massiv fi- nanziell unterstützt. Der popu- läre Sport als „Treibmittel für die Mobilisierung der Massen im Sinne des Faschismus“? Der Journalist Eberhard Reuß wagte sich 2006 sich mit dem Buch Hitlers Rennschlachten 2 an diese These. „Im Zuge von Hitlers Pro- gramm der „nationalen Moto- risierung“ erscheint sie plau- sibel. Die bestimmende Figur in der Rennszene ist längst ein Mann in Uniform. Unter der Führung des Hitler-Ge- treuen Adolf Hühnlein wur- de das NSKK zu einer parami- litärischen Hilfsorganisation Jetzt bricht unter vielen Motorrad- fahrern/innen wieder das „Isle-of- Man“( IoM) Fieber aus. Motorsport- zeitschriften, besonders die den klas- sischen Fahrzeuge gewidmeten, werden begeistert über den Sieg von Georg-Schorsch-Meier in der 500cc Klasse während der TT 1939 berich- ten. In diesen Beiträgen 1 fehlt meist die Einordnung in den zeitlichen Kontext des Nationalsozialismus, der von Motorsport-Begeisterten oft vergessen wird. Der englische Au- tor Roger Willis bearbeitet das The- ma in seinem 2009 erschienenen Buch „The Nazi TT“. Roger Willis hat sein Buch dem jüdischen ehemaligen DKW-Werksfahrer Leo Steinweg ge- widmet. 3 Titel des Buches »The Nazi TT« Reichsadler Tris- kele. Statt Hakenkreuz mit IoM-Logo The Nazi- TT
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Poli tik

10 megaphon III/12

Die sportliche Leistung von Georg Meier bei der im Juni 1939 stattgefun-

denen TT (und anderer deut-scher Fahrer während des Nati-onalsozialismus) ist durchaus anerkennenswert und sollte doch gleichzeitig in einem wei-teren Licht betrachtet werden: die Propagandamaschine des NS-Faschismus hat den Sport und hierin eingeschlossen auch den Motorsport, instru-mentalisiert. Die Fahrer muss-ten damals entweder bei der Wehrmacht, Polizei oder di-rekt beim NSKK (Nationalso-zialistisches Kraftfahrkorps) Mitglied sein. Meier hatte den Rang eines Feldwebels und war im besetzen Paris Fahrer des Generals Wilhelm Canaris.

Die Teilnahme und der Sieg

an der IoM Tourist Trophy (TT) 1939 durch das BMW Werks-team wurden wie viele ande-ren Motorsportengagements (auch von Mercedes und Auto-Union) vom NS-Staat massiv fi-nanziell unterstützt. Der popu-läre Sport als „Treibmittel für die Mobilisierung der Massen im Sinne des Faschismus“? Der Journalist Eberhard Reuß wagte sich 2006 sich mit dem Buch Hitlers Rennschlachten2 an diese These. „Im Zuge von Hitlers Pro-gramm der „nationalen Moto-risierung“ erscheint sie plau-sibel. Die bestimmende Figur in der Rennszene ist längst ein Mann in Uniform. Unter der Führung des Hitler-Ge-treuen Adolf Hühnlein wur-de das NSKK zu einer parami-litärischen Hilfsorganisation

Jetzt bricht unter vielen Motorrad-fahrern/innen wieder das „Isle-of-Man“( IoM) Fieber aus. Motorsport-zeitschriften, besonders die den klas-sischen Fahrzeuge gewidmeten, werden begeistert über den Sieg von Georg-Schorsch-Meier in der 500cc Klasse während der TT 1939 berich-ten. In diesen Beiträgen1 fehlt meist die Einordnung in den zeitlichen Kontext des Nationalsozialismus, der von Motorsport-Begeisterten oft vergessen wird. Der englische Au-tor Roger Willis bearbeitet das The-ma in seinem 2009 erschienenen Buch „The Nazi TT“. Roger Willis hat sein Buch dem jüdischen ehemaligen DKW-Werksfahrer Leo Steinweg ge-widmet.

3 Titel des Buches »The Nazi TT«

Reichsadler Tris-kele. Statt Hakenkreuz mit IoM-Logo

The Nazi-TT

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der Wehrmacht ausgebaut, die sich um die Ausbildung des Kraftfahrer- und Kraftfahr-sportnachwuchses kümmerte und während des Krieges als Transportorganisation auch in den besetzten Gebieten und bei Deportationen in die Ver-nichtungslager eingesetzt wurde.Im NSSK lernten junge deut-sche Männer auf Kommando Kradfahren und übten zuneh-mend Geländefahrten für ganz andere Schlachten. Sie erklär-ten Brauchitsch, Hans Stuck, Rudolf Caracciola oder Bernd Rosemeyer, SS-Mitglied seit 1932, zu ihren Idolen.“3 Für den Motorradsport übten u. a. Georg Meier und Ewald Kluge, die auch nach dem Krieg ak-tiv waren, eine vergleichbare Funktion aus.

Das National-sozialistische KraftfahrkorpsDie herausragende Rolle des NSKK wird in dem Buch Mo-torisierung und Volksgemein-schaft im Detail beschrieben.Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) wurde im „Dritten Reich“ als „Ban-ner- und Willensträger des Mo-torisierungsgedankens der deutschen Nation“ bezeich-net. Was sich hinter diesem To-pos verbirgt, untersucht Doro-thee Hochstetter in ihrer Stu-die über das NSKK. Sie legt die erste Gesamtgeschichte dieser Organisation vor, die zeigt, dass das NSKK nicht nur ein Exekutivorgan der NSDAP war, sondern in vielen Gesell-schaftsbereichen Macht aus-übte: im Motorsport, in der Au-tomobilindustrie, im Vereins-wesen und im Verkehr. Indem die Autorin die Beteiligung des NSKK an der Verfolgung und Ermordung der Juden und an Kriegsverbrechen nachweist, wird der Mythos des NSKK vom unpolitischen Kraftfahrertreff und von der unwichtigen, weil untergeordneten Parteigliede-rung zerstört.4

Der „Heil-Hitler“-Gruß des deutschen Teams nach Siegen, auch nach dem TT-Sieg 1939 war für die NS-Propaganda ein

weiterer Baustein in der Dar-stellung deutscher „Überle-genheit“ im Ausland.

Jüdische Rennfahrer hatten keine Chance auf TT-Teilnah-men, wie das Beispiel von Leo Steinweg zeigt, der 1925 ei-ne viel versprechende Karri-ere mit 175 und 250 cc Ma-schinen begann. Nachdem er den Arier-Nachweis für sei-ne Rennfahrerlizenz ab 1934 nicht erbringen konnte, muss-te Leo Steinweg den Motor-sport aufgeben. Nach einer Warnung flieht er mit seiner Frau 1938 in die Niederlande, wo sich das Paar mit Hilfe von Nachbarn und anderen Gön-nern versteckt. Steinweg wur-de schließlich doch denunziert und am 28. August 1942 von der SA deportiert und erlebt die Befreiung nicht mehr. In dem Buch DKW Motorradsport 1920-1939 wird Leo Steinweg nur kurz erwähnt, wohingegen die arischen Rennfahrer ohne tiefere Beschreibung des hi-storischen Kontextes gefeiert werden. In der Broschüre zu dem Buch steht: „Für den jü-dischen Sportler war die Kar-riere trotz vieler DKW-Erfolge […] bald beendet […]. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges verstarb Leo 1945 im Konzen-trationslager Flossenburg.“5 Eine Analyse dieses Satzes verführt dann doch zu der sar-kastischen Überlegung, ob denn DKW-Siege vor Antisemi-tismus schützen können… In diesem Stil ist leider die überwältige Mehrheit der Ar-tikel und Bücher über Motor-radtechnik- und Sport abge-fasst, die Zeit von 1932 bis 1945 umgreifen. Die Verharm-losung der Rolle des Natio-nalsozialismus und des NSKK zeigt sich auch in der viel-fach naiven, doch oft auch be-wussten Dekoration oder dem Umbau von chinesischen und russischen Gespannen zu Ma-schinen im Wehrmachtslook. Da mischt sich vielleicht das Interesse an den technischen Details der Motorräder mit dem Irrglauben, dass es un-politisch sei, Replikas (oder Originale) von Wehrmachts-gespannen zu fahren. Waren

es nicht auch die geländegän-gigen Gespanne, die den Über-fall auf Polen im September 1939 und die Angriffe auf un-sere westlichen Nachbarn in den folgenden Jahren ermög-licht haben? Die nach Spezifi-kationen des Militärs bei BMW und Zündapp gebaut wurden?

Die deutschen Teilnahme an der TT 1939 war gekennzeich-net durch den Einsatz von Top-Material von BMW, DKW und NSU, sowie der beiden Renn-profis Feldwebel der Reichs-wehr Georg -Schorsch- Meier (500 cc) und Ewald Kluge (250 cc). Das Team war „big-money outfit“. Neben den „arischen“ Spitzenfahrern und dem Leiter der Rennabteilung von BMW war der Rennstall ausgestat-tet mit Werksmechanikern, einem Sporttrainer und Mann-schaftsarzt. Das war in diesem Umfang nicht üblich zu der Zeit. Allein die BMW 255 Kom-pressor war das Hi-Tech-Bike der Zeit.

Ein weiterer Aspekt des BMW-Sieges ist, dass Norton 1939 kein Werksteam auf die IoM senden konnte, da die Fabrik durch einen Auftrag des eng-lischen Kriegsministeriums die Entwicklungsarbeiten für Rennmaschinen einstellen musste. BMW hatte also tech-nisch nicht entsprechend gut vorbereitete Wettbewerber und damit in der Rüstungspha-se Ende der dreißiger Jahre ei-nen beachtlichen Vorteil.

Motorsport in der Zeit der Kriegs-vorbereitungAm 30. September 1938 wur-de das Münchener Abkommen unterzeichnet, ein paar Ta-ge später besetzen deutsche Truppen das tschechische Su-detenland. Der „Anschluß“ Österreichs erfolgte im März 1938. Am 3. April 1939, kurz vor der TT, begann die Wehr-macht mit den konkreten Pla-nungen des Überfalls auf Po-len. In diesem zeitlichen Kon-text sollten nun „unpolitische“ Motorsportwettbewerbe statt-finden.

3 Adolf Hühnlein, seit 1933 Korpsführer des NSKK

4 Buchtitel »Leben mit Leo«

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nections. He was in jail until 1949.“ und bei wikipedia als Opfer dargestellt: „Die ihm wie vielen Fahrerkollegen „ange-tragene“ Mitgliedschaft im NSKK führte nach Kriegsende dazu, dass er als Nationalsozi-alist denunziert und von 1946 bis 1949 im Speziallager Nr. 1 Mühlberg inhaftiert war“.Hier soll keine posthume „in-dividual-moralische“ Bewer-tung stattfinden. Vielmehr verdient die Betrachtung des Mechanismus der systema-tischen Instrumentalisierung durch das Regime Beachtung.7

Neben der eindeutigen Pro-pagandafunktion des NSKK sollten auch die Rennfahrer selbst nicht vergessen wer-den. Denn diese werden meist von der Motorradpresse als Autoren des „sensationellen Sieges“ von 1939 gefeiert. Hel-den, Mitläufer, Opfer?Die unterschiedliche Wahr-nehmung zur Rolle der Sport-ler zeigt sich am Beispiel von Ewald Kluge in englischen blogs und bei Roger Willis be-nannt als NSKK Rennfahrer, „he went to prison after the war because of his Nazi con-

Um während der Nazizeit als Spitzensportler aktiv sein zu können, musste der Ariernach-weis ab 1934 erbracht wer-den. Für den Motorsport war die Mitgliedschaft im NSKK Pflicht. Gleichwohl erlaubt die indivi-duelle Betrachtung Einsichten in das Beziehungspaar „instru-mentalisiert – aktiver Volksge-nosse“: Nach dem Sieg von Georg Meier auf der 1939er TT soll sich Meier entgegen der Anweisung aus Berlin„abfällig und beleidigend über die eng-lischen Fahrer und die Quali-tät der englische Motorräder geäußert haben“, wie Ober-gruppenführer Kraus, die rech-te Hand des NSKK-Chefs Hühn-lein in einem Bericht nach Berlin bemerkte. Die NSKK Lei-tung hatte nämlich die Devise ausgegeben, bei öffentlichen Auftritten höflich zu sein, um nicht unnötig im Ausland zu provozieren. Kraus griff damit in die Redefreiheit der Sport-ler und Manager ein, „nach-dem sich auch der BMW-Ma-nager eine Rede wie Kriegsver-einsvorstand erlaubt hat“.8 An diesem vermeintlichen Para-dox wird deutlich, wie fein die Steuerung der Motorsportver-

anstaltungen für Propaganda-zwecke erfolgte.

KollaborationRoger Willis spart das Thema der Kollaboration nicht aus: Während der Vorbereitung und bei der Durchführung der TTs von 1938 und 1939 gab es offene und versteckte Zusam-menarbeit mit Vertretern des NS-Regimes seitens einiger TT Organisatoren. Diese führte offenbar so weit, dass der Autor des Nazi-TT Buches graphisch das NSKK Emblem mit dem Dreifuß-Sym-bol der Isle of Man verknüpft, indem eben diese Triskele im Buchdruck das Hakenkreuz er-setzt.Der Journalist George Brown schrieb in der „IoM Week-ly Times“ kurz vor den 1939er Rennen: „of course we don’t want German or Italian riders to win and still less do we desire a victory for a British ri-der using a German or Italian machine“. Es ging Brown je-doch nicht (nur) darum, sehr gute bezahlte Rennfahrer an-zuschwärzen oder nur um pa-triotische Gefühle, sondern dass der Krieg im Kommen war, schien klar zu sein: „there is more than a chance that the countries these famous British riders represent will be at war with Britain before the year is out.“Brown wandte sich in dem gleichen Artikel auch gegen Hitler und seine Unterstützer. Der Journalist Brown hatte zu-gleich einen free-lance Ver-trag mit der BBC als Berichter-statter aus Creg-ny-Baa an der Mountain Road im Nordwe-sten der Insel. Vier Tage nach-dem sein Leitartikel erschie-nen war, wurde dieser Vertrag fristlos gekündigt. Der bereits erwähnte NSKK Obergrup-penführer Kraus hatte sich beim Gouverneur der IoM be-schwert. In der Begründung der BBC wurde aufgeführt, dass die TT doch als „purely as a sporting event“ betrachtet werden solle.

Nachdem Chamberlain nach der Besetzung des Sudeten-

3 Hakenkreuz auf Lederkombi – Georg Meier 1939

4 „Schorsch“ Meier auf seiner BMW, 1939

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landes im Frühherbst 1938 endlich aufgewacht war und seine Appeasement Politik als gescheitert betrachten muss-te, hielten dennoch bis zum Überfall auf Polen große Teile des britischen Establishment (auch auf der IoM) an der Ap-peasementpolitik fest und be-trieben weiterhin freundliche Kontakte zu den deutschen Vertretern auf der IoM wäh-rend der TT.

Der Sieg in der 500cc Klasse wurde von Meier und seinem Team mit dem Hitlergruß gefei-ert. Ein rein sportlicher, unpoli-tischer Gruß?Karsten, Bremen

4 Das Ende: Wehrmachts-Gespann an der Front

Erklärungen:

1) Wie z. B. „Doppelsieg anno 1939“ zum 70. Jahrestag des Isle of Man TT Sieges von Meier in Motorrad Classic Juni/Juli 4/2009, „Szene“ Seite 6

2) Eberhard Reuß, Hitlers Rennschlachten: Die Silberpfeile un-term Hakenkreuz, Aufbau Verlag 2006

3) http://www.faz.net/s/Rub8C6F3503328B4FC2843206F-67CB1BB67/Doc~E9879F0E8335247C794BC3DCD58625EE4~ATpl~Ecommon~Scontent.html

4) Werbetext des Verlages

5) Steffan Oettinger, DKW Motorradsport 1920 – 1939

6) Dorothee Hochstetter, Motorisierung und „Volksgemein-schaft“: Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931-1945, München 2005, S. 292 7) Diese Betrachtung kann an dieser Stelle nicht ausführlich er-folgen.

8) ebda. S. 285

Quellennachweis:

•RogerWillis„TheNaziTT – Hitler’s 1939 Propa- ganda Victory on the Isle of Man“ (Peel 2009, ISBN 978- 0-9562457-0-0)•EmmyHerzog,Lebenmit Leo. Ein Schicksal im Na- tionalsozialismus, Müns- ter: Aschendorff 2000; ISBN 3-402-05369-1•DERSPIEGEL19/1949vom 07.05.1949, Seite 15 •http://www.exil-archiv.de/ html/biografien/steinweg. htm•http://www.ralph-roese. de/page5.php


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