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Politik mal anders: Die Politikdarstellung in „Harald Schmidt“ im Kontrast zur „Tagesschau“;...

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AUFSATZ Publizistik (2013) 58:389–407 DOI 10.1007/s11616-013-0188-7 Politik mal anders: Die Politikdarstellung in „Harald Schmidt“ im Kontrast zur „Tagesschau“ Cordula Nitsch · Dennis Lichtenstein Zusammenfassung: Im Fernsehen findet die Darstellung von Politik längst nicht mehr nur in- nerhalb der klassischen Nachrichtensendungen statt, sondern zunehmend auch in vorwiegend unterhaltenden Formaten wie z. B. in Late-Night-Shows. Diese Sendungen und ihr Potential für den politischen Diskurs sind in der deutschsprachigen Forschung bislang jedoch kaum reflektiert worden. Der Beitrag unternimmt eine Analyse der Late-Night-Show Harald Schmidt und arbeitet im Vergleich mit der Nachrichtensendung Tagesschau spezifische Merkmale der Politikdarstel- lung heraus. Neben dem Anteil politischer Themen interessieren die angesprochenen politischen Akteure und ihre Darstellung sowie die Aufbereitung der politischen Beiträge. Die quantitative Inhaltsanalyse bezieht sich auf eine Vollerhebung der wöchentlich gesendeten Ausgaben einer Harald Schmidt-Staffel (2009/10) sowie auf die jeweils drei vorangehenden Ausgaben der Ta- gesschau. Erwartungsgemäß finden sich in Harald Schmidt weniger politische Themen als in der Tagesschau. Bei der Akteursauswahl werden Individualakteure und nationale Akteure bevorzugt und diese häufiger anhand privater Aspekte dargestellt. Hinsichtlich der Aufbereitung der politi- schen Beiträge zeigen sich ein geringerer Informationsgehalt, ein höherer Personalisierungsgrad und eine weniger ausgewogene Kommentierung. Schlüsselwörter: Politikdarstellung · Late-Night-Show · Harald Schmidt · Tagesschau · Information · Unterhaltung A different serving of politics: the depiction of politics in Harald Schmidt as opposed to Tagesschau Abstract: Politics on television is no longer reserved for the news media; it is rather increasingly expanding into formats with their main focus on entertainment, e.g. late night comedy. However, so far research in German-speaking countries has more or less neglected these programs and their potential for political discourse. This article focuses on the specific characteristics in the depiction of politics in the German late night comedy Harald Schmidt and compares the results with the news-show Tagesschau. The interest is on the share of political issues, on the political actors and Online publiziert: 28.09.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Dr. C. Nitsch () · D. Lichtenstein, M.A. Institut für Sozialwissenschaften (Abteilung Kommunikations- und Medienwissenschaft III), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, Deutschland E-Mail: [email protected] D. Lichtenstein, M.A. E-Mail: [email protected]
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AufsAtz

Publizistik (2013) 58:389–407DOI 10.1007/s11616-013-0188-7

Politik mal anders: Die Politikdarstellung in „Harald Schmidt“ im Kontrast zur „Tagesschau“

Cordula Nitsch · Dennis Lichtenstein

Zusammenfassung: Im Fernsehen findet die Darstellung von Politik längst nicht mehr nur in-nerhalb der klassischen Nachrichtensendungen statt, sondern zunehmend auch in vorwiegend unterhaltenden Formaten wie z. B. in Late-Night-Shows. Diese Sendungen und ihr Potential für den politischen Diskurs sind in der deutschsprachigen Forschung bislang jedoch kaum reflektiert worden. Der Beitrag unternimmt eine Analyse der Late-Night-Show Harald Schmidt und arbeitet im Vergleich mit der Nachrichtensendung Tagesschau spezifische Merkmale der Politikdarstel-lung heraus. Neben dem Anteil politischer Themen interessieren die angesprochenen politischen Akteure und ihre Darstellung sowie die Aufbereitung der politischen Beiträge. Die quantitative Inhaltsanalyse bezieht sich auf eine Vollerhebung der wöchentlich gesendeten Ausgaben einer Harald Schmidt-Staffel (2009/10) sowie auf die jeweils drei vorangehenden Ausgaben der Ta-gesschau. Erwartungsgemäß finden sich in Harald Schmidt weniger politische Themen als in der Tagesschau. Bei der Akteursauswahl werden Individualakteure und nationale Akteure bevorzugt und diese häufiger anhand privater Aspekte dargestellt. Hinsichtlich der Aufbereitung der politi-schen Beiträge zeigen sich ein geringerer Informationsgehalt, ein höherer Personalisierungsgrad und eine weniger ausgewogene Kommentierung.

Schlüsselwörter: Politikdarstellung · Late-Night-Show · Harald Schmidt · Tagesschau · Information · Unterhaltung

A different serving of politics: the depiction of politics in Harald Schmidt as opposed to Tagesschau

Abstract: Politics on television is no longer reserved for the news media; it is rather increasingly expanding into formats with their main focus on entertainment, e.g. late night comedy. However, so far research in German-speaking countries has more or less neglected these programs and their potential for political discourse. This article focuses on the specific characteristics in the depiction of politics in the German late night comedy Harald Schmidt and compares the results with the news-show Tagesschau. The interest is on the share of political issues, on the political actors and

Online publiziert: 28.09.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Dr. C. Nitsch () · D. Lichtenstein, M.A.Institut für Sozialwissenschaften (Abteilung Kommunikations- und Medienwissenschaft III),Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, DeutschlandE-Mail: [email protected]

D. Lichtenstein, M.A.E-Mail: [email protected]

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their depiction and on the presentation of the political stories. The quantitative content analysis includes all weekly episodes of one season of Harald Schmidt (2009/10), and for each episode the three preceding episodes of the Tagesschau. As expected Harald Schmidt has a lower share of political issues than Tagesschau. With regard to the selection of political actors, the late night comedy favors individual and national actors and focuses more frequently on private aspects. The presentation of the political stories is characterized by a lower degree of information, a higher degree of personalization and less balanced comments.

Keywords: Depiction of politics · Late night comedy · Harald Schmidt · Tagesschau · Information · Entertainment

1 Einleitung

Die Darstellung politischer Prozesse, Themen und Akteure findet in einer breiten Vielfalt medialer Angebote statt. Dabei kommt dem Fernsehen eine besondere Relevanz zu, da es aufgrund seiner hohen Reichweite als zentraler Informationskanal fungiert (vgl. Hase-brink und Schmidt 2013, S. 4; Mende et al. 2012, S. 7). Als Quelle für das Wissen über politische Themen und Akteure sowie für deren Bewertungen entscheidet es „zunehmend darüber, wer und was politisch und sozial existiert“ (Matzen 2009, S. 12).

Insbesondere die Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF sind als seriöse Quellen der politischen Information renommiert (vgl. Hasebrink und Schmidt 2013, S. 9). Aufgrund der ihnen zugeschriebenen Qualität haben sie sich als wichtiges Struktur-element im Tagesablauf vieler Menschen etabliert. In den letzten Jahren sind ihre Ein-schaltquoten aber rückläufig. So werden die klassischen Nachrichtensendungen gerade von jüngeren Menschen immer seltener rezipiert, wohingegen die zu späterer Stunde gesendeten Talkshows, Comedy-Sendungen und Late-Night-Shows beim Publikum und in den Programmen an Stellenwert gewinnen (vgl. Knop 2007, S. 126; Krüger 2013, S. 235–236). Diese verfolgen zwar nicht das explizite Ziel, die Bürger politisch zu infor-mieren, sondern setzen auf unterhaltende Elemente wie Ironie und Satire, doch auch hier ist von Politik die Rede.

Formate, in denen Politik nicht mit dem primären Ziel der Informationsvermittlung und inhaltlichen Diskussion thematisiert wird, sind bislang in der Kommunikations-wissenschaft allerdings weitgehend unbeachtet geblieben. Hier liegt ein fruchtbares Forschungsfeld brach, denn zum heutigen Zeitpunkt ist unbestritten, dass auch Unterhal-tungsangebote einen Einfluss auf politikrelevante Vorstellungen, Einstellungen und Ver-haltensabsichten der Rezipienten haben (vgl. z. B. Baek und Wojcieszak 2009; Gerbner et al. 1982; Holbert et al. 2003; Wünsch et al. 2012). Wirkungen von Unterhaltungsan-geboten können sogar prägender sein als Effekte, die von Informationssendungen aus-gehen. In fiktionalen (z. B. Kanzleramt, Lindenstraße) wie non-fiktionalen (z. B. Markus Lanz, Stern TV) Unterhaltungssendungen „wird Politik (…) subtil und latent dargestellt und kann damit Selektionsbarrieren beim Rezipienten umgehen“ (Schwer und Brosius 2008, S. 203). Insbesondere auf Wirkungseffekte von Late-Night-Shows weist eine Viel-zahl vorwiegend US-amerikanischer Studien hin (vgl. z. B. Baek und Wojcieszak 2009; Baumgartner und Morris 2006; Cao 2008; Feldman und Young 2008; Guggenheim et al. 2011; Hart und Hartelius 2007; Hollander 2005; Landreville et al. 2010; Moy et al. 2004;

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Young 2006). Auch wenn die Effekte zwischen den einzelnen untersuchten Sendungen variieren, belegen die Studien insgesamt, dass Late-Night-Shows nicht nur den Wissens-stand eines politisch weniger interessierten und überwiegend jungen Publikums erhöhen, sein Selbstbewusstsein stärken, Politik zu verstehen, und es dazu motivieren, sich auch über andere Kanäle politisch zu informieren. Während zur Wirkungsperspektive also erste Befunde vorliegen, bleibt weitgehend offen, wie Politik in unterhaltenden Angebo-ten wie z. B. in den Late-Night-Shows dargestellt wird.

Der Beitrag begegnet diesem Defizit, indem er die Politikdarstellung in der Late-Night-Show Harald Schmidt in einer quantitativen Inhaltsanalyse der Politikdarstellung in der klassischen Nachrichtensendung Tagesschau gegenüberstellt. Dies verdeutlicht die Spezifika der Late-Night-Show bei der Darstellung politischer Themen, Akteure und der Aufbereitung politischer Beiträge. Im Folgenden werden zunächst unterschiedliche For-men der Politikdarstellung im Fernsehen differenziert (Abschn. 2). Anschließend werden die Merkmale der Politikdarstellung in Nachrichtensendungen (2.1) und in Late-Night-Shows (2.2) herausgearbeitet. Abschn. 3 stellt die empirische Studie vor; in Abschn. 4 werden die Ergebnisse zur Darstellung von Politik in Harald Schmidt und in der Tages-schau präsentiert. Der Beitrag schließt mit einem Fazit (Abschn. 5), das die wesentlichen Unterschiede diskutiert.

2 Politikdarstellung im Fernsehen

Der seit den 1990er Jahren zu erkennende Trend in der Politikdarstellung lässt sich in Anlehnung an den Begriff „Infotainment“ als „Politainment“ bezeichnen. Politainment wird vor allem in Bezug auf das Fernsehen diskutiert und ist definiert als „eine bestimmte Form der öffentlichen, massenmedial vermittelten Kommunikation, in der politische The-men, Akteure, Prozesse, Deutungsmuster, Identitäten und Sinnentwürfe im Modus der Unterhaltung zu einer neuen Realität des Politischen montiert werden“ (Dörner 2001, S. 31). Der Begriff verweist also in erster Linie auf eine neue Präsentationsform, er bedeu-tet aber keineswegs eine pauschale Entpolitisierung des Programms. Vielmehr ist der poli-tische Diskurs durch seine Expansion in eine Vielzahl hybrider Formate, die von den für klassische Informationsangebote charakteristischen Standards und Sprachstilen deutlich abweichen und vermehrt fiktive Elemente einbeziehen (vgl. z. B. Delli Carpini und Wil-liams 2001; Jones 2005; van Zoonen 2005), wesentlich vielschichtiger und komplexer geworden. Diese Trendwende ist vor allem von der deutschsprachigen kommunikations-wissenschaftlichen Forschung bisher nur begrenzt nachvollzogen worden (vgl. z. B. Eil-ders und Nitsch [im Druck]; Klaus 2008, S. 53; Kleinen-von Königslöw 2013, S. 35).

Um sich dem breiten Spektrum an Politikdarstellungen im Fernsehen zu nähern, sind Systematisierungen der unterschiedlichen Angebotsformen ein erster wichtiger Schritt. Mit ihrem „Sphärenmodell der Politikvermittlung im Fernsehen“ unterscheiden Schwer und Brosius (2008; vgl. auch Friedrich 2011) anhand der beiden Dimensionen Intensität des Politischen und Grad der Informations- bzw. Unterhaltungsorientierung vier ineinander geschachtelte Sphären. Der explizite Politikgehalt nimmt dabei von innen nach außen ab, und die Rezeptionserwartung verschiebt sich von einer Informations- zu einer Unterhaltungsorientierung. In der ersten Sphäre sind die ‚genuinen Informationsan-

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gebote‘ verortet, also Fernsehnachrichten wie z. B. die Tagesschau, politische Magazine (z. B. Panorama) und Diskussionssendungen (z. B. Hart aber fair). Ganz im Sinne des „klassischen Informationsjournalismus [werden] politische Themen, Entscheidungen und politische Akteure im Rahmen ihrer Funktion aufgegriffen“ (Schwer und Brosius 2008, S. 201). Die zweite Sphäre umfasst ‚unterhaltende Informationsangebote‘: unpolitische Talkshows wie z. B. Beckmann, Ratgebersendungen und boulevardorientierte Magazine wie explosiv, in denen über Politiker Informationen vermittelt werden, die nicht unmit-telbar mit ihrer Berufsrolle zusammenhängen. In der dritten Sphäre sind ‚non-fiktionale Unterhaltungsangebote‘ angesiedelt wie z. B. Abend- und Gameshows, Reality-TV-For-mate und Late-Night-Shows. In Late-Night-Shows wie Harald Schmidt werden aktuelle politische Themen und Akteure explizit zum Inhalt der Sendung – allerdings über eine stark satirische und humoristische Darstellung. In den anderen Angeboten dieser Sphäre treten politische Akteure meist nicht in ihrer beruflichen Rolle auf, und politische Themen finden sich nur selten. Die vierte Sphäre umfasst schließlich die ‚fiktionalen Unterhal-tungsangebote‘. Hierunter fallen Spielfilme, Serien und Comedy-Sendungen wie z. B. Die Simpsons (vgl. Schwer und Brosius 2008, S. 201–203).

Mit der „4-Felder-Matrix zur Analyse der politischen Kommunikation zwischen Infor-mation und Unterhaltung“ hat Kleinen-von Königslöw (2013) unlängst eine ähnliche Systematisierung vorgelegt. Zwar verwendet sie die gleichen zwei Dimensionen wie Schwer und Brosius (2008), in Abgrenzung zu diesen Autoren argumentiert sie jedoch, dass der politische Gehalt der Sendungen nicht an die Unterhaltungs- bzw. Informations-orientierung gekoppelt sei. Vielmehr könne die Politikintensität sowohl in Formaten mit hoher Unterhaltungsorientierung als auch in Formaten mit hoher Informationsorientie-rung beachtlich oder auch marginal ausfallen (vgl. Kleinen-von Königslöw 2013, S. 40; vgl. auch Baym 2005, S. 273). Dieser Sichtweise entsprechen auch Systematisierungen, die sich ausschließlich auf fiktionale Unterhaltungsangebote konzentrieren und Filme (vgl. Christensen und Haas 2005) oder Fernsehserien (vgl. Eilders und Nitsch im Druck) nach ihrem politischen Gehalt differenzieren.

Während die Forschung zur Politikdarstellung in den Formaten der ersten Sphäre bereits fortgeschritten ist, sind die übrigen Sphären in dieser Hinsicht erst vage bestimmt. Um hier Fortschritte zu erzielen, lohnt es sich, die Politikdarstellung in Formaten unter-schiedlicher Sphären empirisch miteinander in Beziehung zu setzen. Mit Nachrichtensen-dungen und Late-Night-Shows werden für einen Vergleich zwei non-fiktionale Angebote herangezogen, wobei die Charakteristika der Nachrichtensendung Maßstäbe für die Poli-tikdarstellung in der Late-Night-Show bereitstellen.

2.1 Politik in Nachrichtenformaten

Nachrichtensendungen sind der genuine Ort politischer Information und verfolgen das explizite journalistische Ziel, ihrem Publikum „einen allgemeinen politischen, wirt-schaftlichen und sozialen Orientierungsrahmen“ (Kamps 1998, S. 47–48) zu vermitteln. Die Auswahl der Themen, über die sie berichten, erfolgt nach Nachrichtenfaktoren wie Aktualität und Relevanz, Konflikt und Personalisierung, aber auch nach fernsehspezi-fischen Kriterien wie Visualisierungsmöglichkeiten. Dies und der begrenzt zur Verfü-gung stehende Raum im Programm haben zur Folge, dass Nachrichtensendungen den

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Schwerpunkt auf die Vermittlung von Politik-Ergebnissen und Programmatiken bzw. gegensätzliche Standpunkte legen und die Prozessebene vernachlässigen (vgl. Brosius et al. 2005, S. 14). Sie orientieren sich außerdem an einem Publikum mit hohem Bil-dungsstand, pflegen einen vergleichsweise komplexen Sprachstil (vgl. Gombert 2006, S. 13) und enthalten nur wenige Unterhaltungs- und Auflockerungselemente (vgl. Brosius 1998, S. 288–289; Schäfer 2007, S. 103).

Auch wenn die klassischen Merkmale und der daraus resultierende elitäre Charakter der Nachrichtensendungen mit der Einführung des dualen Rundfunks und der wachsen-den Konkurrenz zwischen den Sendern etwas aufgeweicht worden sind (vgl. Donsbach und Büttner 2005, S. 34; Wix 1996, S. 12), fällt die Politikdarstellung darin noch immer am substantiellsten aus. Allerdings zeigen sich zwischen den einzelnen Sendungen Unter-schiede. So weisen vergleichende Studien die Tagesschau regelmäßig als die „politik-intensivste“ (Krüger und Zapf-Schramm 2012, S. 521; vgl. auch Gombert 2006, S. 109) Nachrichtensendung in Deutschland aus: Die Tagesschau berichtet in der Hälfte ihrer Sendezeit über politische Themen, während der Anteil bei den Nachrichten der Privat-sender RTL und Sat.1 mit 21 bis 26 % wesentlich geringer ausfällt (vgl. Krüger und Zapf-Schramm 2012, S. 522). Anders als die Nachrichtenformate privater Sender und ähnlich anderen öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen legt sie innerhalb der poli-tischen Themen den Schwerpunkt nicht allein auf Deutschland, sondern berichtet über deutsche und internationale Politik etwa gleich viel (vgl. Krüger und Zapf-Schramm 2012, S. 531). Im Vergleich zu den Nachrichten privater Sender stellen nichtpolitische Ereignisse wie Wettkämpfe, Katastrophen, Unglücke und saisonale Begebenheiten wie der Karneval weitaus seltener Informationsanlässe dar, während Themen mit sachlich-neutralem Eigenwert wie Konferenzen, Regierungstätigkeiten, Partei- und Gedenktage in der Berichterstattung zentral sind (vgl. Krüger und Zapf-Schramm 2012, S. 522). Auch in der Behandlung politischer Akteure konzentriert sich die Tagesschau auf politische Informationen. Dazu gehören vor allem Auseinandersetzungen und Entscheidungen in den politischen Institutionen und das politische Handeln in Hinblick auf gesellschaftli-che und ökonomische Probleme. Für den politischen Prozess irrelevante und damit poli-tikferne Informationen wie Affären, Krankheiten und Marotten von Politikern spielen hingegen eine nur marginale Rolle. Zwar werden auch öffentlich-rechtliche Nachrichten-sendungen und damit auch die Tagesschau „zunehmend personenbezogener, emotionaler, skandalträchtiger, sensationeller und spekulativer“ (Donsbach und Büttner 2005, S. 34), der Trend fällt aber weitaus schwächer aus als bei den privaten Sendungen. In der Auf-bereitung politischer Themen berichten die Tagesschau und andere öffentlich-rechtliche Nachrichten zudem hintergründiger, da sie stärker auf politische Entscheidungsprozesse und Debatten eingehen und nicht bloß über die Entscheidung selbst informieren (vgl. Donsbach und Büttner 2005, S. 34). In der Darstellung bemühen sie sich um eine sach-liche und ausgewogene Berichterstattung, um damit eine umfassende Meinungsbildung zu ermöglichen. Diesen Qualitätsmerkmalen entsprechend ist die Tagesschau nach wie vor die am stärksten nachgefragte Nachrichtensendung.1

1 Im Jahr 2012 erreichte die Tagesschau eine durchschnittlichen Tagesreichweite von 8,79 Millio-nen Zuschauern und einem Marktanteil von 31,4 %, für die Sendung heute lag der Marktanteil bei 15,9 % und für RTL aktuell bei 16,9 % (vgl. Zubayr und Gerhard 2013, S. 138).

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2.2 Politik in Late-Night-Shows

Anders als Nachrichtensendungen erheben Late-Night-Shows keinen journalistischen Anspruch und verfolgen damit nicht das vorrangige Ziel der Informationsvermittlung; stattdessen sind sie vor allem auf Unterhaltung ausgerichtet (vgl. Fox et al. 2007, S. 216). Entstanden und am weitesten verbreitet ist das Genre Late-Night-Show in den USA. In ihrem formalen Aufbau sind die Shows ursprünglich durch eine Dreiteilung charakteri-siert (vgl. Bewley 2001, S. 210): Nach einem monologartigen Stand-up-Teil moderiert der Showmaster vom Schreibtisch aus und interviewt am Ende der Show einen prominen-ten Gast. Ein typisches Merkmal ist auch die Skyline im Hintergrund. Inzwischen hat sich das Genre aber in weitere Formen der politischen Comedy wie Nachrichtenparodien aus-differenziert (vgl. z. B. die amerikanische The Daily Show oder die deutsche heute-show).

In den USA thematisieren Sendungen wie The Tonight Show with Jay Leno, Late Show with David Letterman oder The Daily Show with Jon Steward regelmäßig poli-tische Ereignisse und Akteure und erreichen damit vor allem ein junges Publikum (vgl. Hmielowski et al. 2011, S. 108), das die Sendungen zumindest auch zur politischen Infor-mation nutzt. Laut einer Umfrage des Pew Centers informierten sich zu den Präsident-schaftswahlen in den USA 2004 etwa 21 % der 18- bis 34-jährigen US-Amerikaner über die Wahlkampagnen bei Saturday Night Life und The Daily Show – im Jahr 2000 waren es erst 9 % (vgl. Pew Center 2004; vgl. auch Feldman 2007, S. 406; Williams und Delli Car-pini 2011, S. 7–8). Die Politiker nutzen den Trend und präsentieren sich auf den Bühnen dieser Shows: So sind bei der Präsidentschaftskampagne im Jahr 2000 sowohl George W. Bush als auch Al Gore in Late-Night-Shows zu Gast gewesen. Barack Obama besuchte im Jahr 2009 die Show von Jay Leno und hat damit als erster amtierender Präsident bei einer Late-Night-Show gastiert. In Deutschland haben Late-Night-Shows eine noch junge Tradition. Erste Versuche gab es mit Gottschalk Late Night (1992–1995) und der RTL Nachtshow von Thomas Koschwitz (1994–1995). Nach nur fünf Monaten auf Sendung scheiterte zehn Jahre später Anke Late Night (2004); ein neues Experiment mit dem Genre hat im Dezember 2010 ZDF neo mit der Sendung Stuckrad Late Night begonnen,2 seit 2009 ist im ZDF zudem die heute-show auf Sendung. Der einzige langfristig erfolgreiche Vertreter in Deutschland ist die Show von Harald Schmidt, die von 1995 bis 2003 und von 2011 bis 2012 auf Sat.1 gesendet und in der Zwischenzeit in der ARD fortgeführt wurde. Heute wird die Sendung auf dem Pay-TV-Sender Sky ausgestrahlt (zu Harald Schmidt vgl. z. B. Lau 2003; Reinwarth 2006; Sokolowsky 2004; Reichertz 2009). Trotz der geringeren Prominenz von Late-Night-Shows in Deutschland nutzen auch deutsche Politiker diese Bühnen für Gastauftritte. Für das Publikum erfüllt Harald Schmidt ähnlich wie die US-Sendungen neben einer Unterhaltungs- auch eine Orientierungs- und Infor-mationsfunktion, und einigen Rezipienten dient die deutsche Late-Night-Show sogar als „vollständige[r] Ersatz für klassische Nachrichtensendungen“ (Hartmann 2006, S. 136).

Empirische Erkenntnisse zur Politikdarstellung in Late-Night-Shows stammen jedoch fast ausschließlich aus Forschungsaktivitäten in den USA. Für die Daily Show von Jon

2 Die erste Staffel der Sendung Stuckrad Late Night endete im Mai 2011 nach 20 Folgen und wurde im Februar 2012 fortgesetzt. Seit Oktober 2012 wird die Sendung im Programm des Pri-vatsenders Tele 5 ausgestrahlt.

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Steward arbeiten qualitative Studien übereinstimmend heraus, dass die Sendung Nar-rative verwendet, in denen sie nicht nur unterhält, sondern in einer kommentierenden und unterhaltenden Art wesentliche Informationen zur Politik liefert (vgl. Baym 2005; Gaines 2007). Ein hoher Anteil politischer Information bestätigt sich auch in quantita-tiven Analysen (vgl. Brewer und Marquardt 2007; Fox et al. 2007; Young 2004). In der Daily Show sind mehr als die Hälfte der Themen politisch (vgl. Brewer und Marquardt 2007, S. 259). Im Vergleich mit originären Nachrichtensendungen, die sich während der US-Wahlkampagne 2004 in einem hohen Maße auf den Wettbewerb zwischen den Kan-didaten konzentrieren, geht sie sogar ähnlich stark auf politische Inhalte ein (vgl. Fox et al. 2007, S. 221). Allerdings gilt dieser Befund nicht notwendig für alle Late-Night-Shows. So zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung der Monologe im Stand-up-Teil der Shows von Jay Leno, David Letterman und Jon Stewart, dass die Daily Show am stärks-ten auf politische Themen eingeht, anstatt den schnellen Witz über Politiker anzustreben (vgl. Young 2004, S. 3). Stärkere Parallelen zwischen den Sendungen zeigen sich bei den politischen Akteuren, die in den Sendungen sichtbar werden. Niven et al. (2003) weisen nach, dass sich die Shows von David Letterman und Jay Leno über mehrere Jahre hinweg in ihren Zielobjekten sehr ähneln und beide Moderatoren auf dasselbe kleine Spektrum an Politikern Bezug nehmen. Im Mittelpunkt stehen hochrangige Amtsträger und allgemein bekannte politische Themen und Ereignisse. Dies lässt sich mit dem „comprehension-elaboration model of humor“ (vgl. Wyer und Collins 1992, S. 670) erklären, nach dem Witze auf Basis verfügbarer Wissensbestände verstanden werden und deshalb nur im Kontext bereits bekannter Informationen funktionieren. Darüber hinaus werden in der Darstellung der politischen Akteure lebensnahe Aspekte betont und Positionen z. B. zu Steuern, Abtreibung oder Schusswaffenkontrollen in den Witzen deutlich seltener ange-sprochen als persönliche und private Aspekte wie z. B. Alter, Affären, Essgewohnheiten und Eskapaden (vgl. Niven et al. 2003, S. 126). Über die Zeit gesehen bleibt das Reper-toire an Witzen konstant, während die angesprochenen politischen Akteure wechseln. Auf diese Weise betreiben die Shows eine Stereotypisierung von Politikern (vgl. Niven et al. 2003, S. 127).

Auch die wenigen Studien zu deutschen Late-Night-Shows deuten auf einen rele-vanten Anteil politischer Themen hin (vgl. Nieland und Lovric 2004, S. 210; vgl. auch Kleinen-von Königslöw und Keel 2012, S. 74–76). Vor der Bundestagswahl 2002 spie-gelte sich dies in Harald Schmidt unter anderem in den über Monate hinweg regelmä-ßig durchgeführten Wahlumfragen im Studiopublikum wider (vgl. Nieland und Lovric 2004, S. 205–208). Ähnlich wie in den US-Shows sind darüber hinaus nationale poli-tische Akteure in den deutschen Shows durch Gastauftritte sichtbar. Dabei wagen sich allerdings anders als in den USA weniger die Spitzenpolitiker der großen Parteien auf die Bühnen der Shows. Vielmehr haben vor allem Politiker der kleinen Parteien Gast-auftritte in den Sendungen (vgl. Nieland und Lovric 2004, S. 203; vgl. auch Kleinen-von Königslöw und Keel 2012, S. 75–76). Über die Aufbereitung der politischen Beiträge – den Anteil an Hintergrundinformationen und die Ausgewogenheit an Meinungen zu politischen Themen – geben schließlich weder die wenigen deutschen noch die US-ame-rikanischen Studien Aufschluss.

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3 Forschungsfrage und Methode

Die vorliegende Studie untersucht die Inhalte der deutschen Late-Night-Show Harald Schmidt. Erkenntnisse über die Politikdarstellung in der Sendung sollen über einen Ver-gleich mit einem klassischen Nachrichtenformat, der Tagesschau, gewonnen werden. Damit stehen zwei Formate im Blickpunkt, die im Modell von Schwer und Brosius (2008) den Sphären der genuinen Informationsvermittlung (Sphäre 1) und der non-fiktio-nalen Unterhaltung (Sphäre 3) zuzuordnen sind. Um die Darstellung von Politik in die-sen beiden Formaten zu ermitteln, wurde eine quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Die Forschungsfrage lautet: Welche Charakteristika zeigt die Darstellung von Politik in Harald Schmidt gegenüber der Tagesschau?

Aufgrund der im Theorieteil dargelegten divergierenden Zielsetzung der beiden For-mate sind bei einem Vergleich von Tagesschau und Harald Schmidt deutliche Unter-schiede hinsichtlich der Politikdarstellung zu erwarten. Diese Differenzen sollten bei den behandelten Themen, den politischen Akteuren und der Aufbereitung der Beiträge zum Vorschein kommen. Hierzu lassen sich fünf Hypothesen formulieren: Die erste Hypo-these bezieht sich auf die Themenstruktur der Sendungen. Weil Harald Schmidt im Ver-gleich zur Tagesschau keinen expliziten Anspruch auf politische Informationsvermittlung erhebt, ist hier ein geringerer Anteil politischer Themen zu vermuten. Unter politischen Themen werden Themen verstanden, die sich auf Politik im engeren Sinne beziehen, also die institutionelle Politik betreffen und z. B. politische Entscheidungen und Pro-zesse behandeln. Davon sind Themen z. B. aus Wirtschaft und Gesellschaft abzugrenzen, die zwar ebenfalls politisch relevante Probleme wie Konjunktur oder Arbeitslosigkeit beinhalten können, in denen aber nicht die politische Problembearbeitung im Vorder-grund steht.

Hypothese 1 bezieht sich auf den Anteil politischer Themen und lautet:

H1: Der Anteil politischer Themen fällt in Harald Schmidt geringer aus als in der Tagesschau.

Drei weitere Hypothesen (H2, H3 und H4) beziehen sich auf die in den Sendungen ange-sprochenen oder in Erscheinung tretenden politischen Akteure. Als politische Akteure gelten in einem engen Begriffsverständnis alle nationalen und internationalen Kollektiv- und Individualakteure aus der institutionellen Politik. Dazu zählen Parteien, Regierung und Opposition sowie Regierungschefs, Kabinettsmitglieder und einzelne Parlamenta-rier. Unter der Prämisse, dass sich Late-Night-Shows stärker als Nachrichtensendungen auf dem Publikum vertraute Politiker beziehen, kann angenommen werden, dass sie stärker auf nationale als auf internationale Akteure abheben. Weiterhin ist zu erwarten, dass Late-Night-Shows sich häufiger auf Individualakteure konzentrieren als Nachrich-tensendungen, da diese zum einen leichter zur Zielscheibe für Witze zu machen sind und zum anderen die Nachrichtensendungen in einem stärkeren Maße über politische Prozesse berichten, in denen politische Institutionen als Kollektivakteure relevant sind. Daher werden in Hypothese 2a und 2b Unterschiede in der Akteursauswahl zwischen den Sendungen vermutet:

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H2a: Harald Schmidt bezieht sich häufiger auf nationale politische Akteure als die Tagesschau.

H2b: Harald Schmidt bezieht sich häufiger auf Individualakteure als die Tagesschau.

Hypothesen 3 und 4 gehen davon aus, dass die sachorientierte Nachrichtensendung und die satirische Late-Night-Show unterschiedliche Informationen zu den politischen Akteu-ren hervorheben, die politiknah, aber auch politikfern sein können. Als politiknah werden Informationen zum Zuständigkeitsbereich oder zu politischen Handlungen des jeweiligen Akteurs gewertet, die sich sowohl für Individual- als auch für Kollektivakteure erheben lassen. Politikferne Informationen werden für Individualakteure erhoben und beinhalten Informationen zum Familienleben, Freizeitverhalten oder Aussehen des jeweiligen Poli-tikers. Gegenüber der Tagesschau ist für Harald Schmidt ein höherer Anteil politikferner Informationen zu erwarten, da Harald Schmidt nicht den Kriterien des Qualitätsjournalis-mus genügen muss und sich die politikfernen Informationen für eine humoristische Auf-bereitung eignen können. Die Tagesschau dürfte hingegen vorrangig auf das politische Handeln der Politiker und in den politischen Institutionen abzielen und daher vor allem politiknahe Informationen berücksichtigen. In Hypothese 3a und 3b vermuten wir also:

H3a: In Harald Schmidt werden seltener Informationen über den Zuständigkeits-/Kom-petenzbereich politischer Akteure gegeben als in der Tagesschau.

H3b: In Harald Schmidt werden seltener Informationen über das politische Handeln politischer Akteure gegeben als in der Tagesschau.

Hypothese 4 bezieht sich auf politikferne Informationen und lautet:

H4: In Harald Schmidt werden häufiger politikferne Informationen über die Politiker gegeben als in der Tagesschau.

Hypothese 5 bezieht sich schließlich auf die Aufbereitung der politischen Beiträge, die aufgrund der stark unterschiedlichen Formatansprüche ebenfalls divergieren sollte. Dies betrifft den Informationsgehalt der politischen Beiträge, den Personalisierungsgrad und die Ausgewogenheit der Kommentierung. Um den Informationsgehalt der politischen Informationen zu bestimmen, wurde erhoben, ob in den Beiträgen von Tagesschau und Harald Schmidt Hintergründe dargestellt oder nur kurze politische Sachinformationen zu den jeweiligen Themen gegeben werden. Beim Personalisierungsgrad wurde festge-halten, ob in den Beiträgen eine abstrakte, sachthemenbezogene Darstellung vorherrscht (= niedriger Personalisierungsgrad), ob Person(en) und Sachinformation gleichwertig sind (= mittlerer Personalisierungsgrad) oder ob eine Person bzw. mehrere Personen im Vordergrund stehen (= hoher Personalisierungsgrad). Die Ausgewogenheit der Kommen-tierung bezieht sich schließlich darauf, ob lediglich eine oder aber mehrere Meinungen zum Thema gegeben werden. Für Harald Schmidt ist ein geringerer Informationsgehalt und eine weniger ausgewogene Kommentierung der Beiträge zu vermuten als in der Tagesschau. Ähnlich der in Hypothese 2b formulierten Annahme, dass die Late-Night-Show häufiger Individualakteure als Kollektivakteure thematisiert, wird für Harald Schmidt eine stark personalisierte Darstellung erwartet. Deshalb lauten die Hypothesen H5a, H5b und H5c:

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398 C. Nitsch und D. Lichtenstein

H5a: Der Informationsgehalt der politischen Beiträge fällt in Harald Schmidt niedriger aus als in der Tagesschau.

H5b: Der Personalisierungsgrad der politischen Beiträge fällt in Harald Schmidt höher aus als in der Tagesschau.

H5c: Die Kommentierung der politischen Beiträge fällt in Harald Schmidt weniger aus-gewogen aus als in der Tagesschau.

Der Untersuchungszeitraum umfasst die Harald Schmidt-Staffel vom 15. September 2009 bis zum 6. Mai 2010. Es wurden jeweils die letzten drei Ausgaben der Tagesschau (Diens-tag bis Donnerstag) vor der wöchentlichen Ausgabe von Harald Schmidt (Donnerstag) analysiert. Insgesamt wurden 96 Sendungen untersucht, 72 Ausgaben der Tagesschau und 24 Ausgaben von Harald Schmidt. Die Codierung erfolgte auf zwei Ebenen: Auf Beitragsebene wurde erhoben, über welche Themen in den Beiträgen berichtet wird (z. B. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) und wie die Beiträge aufbereitet sind. Auf Akteursebene wurden sämtliche politischen Akteure codiert, die in den Beiträgen vorkommen, sowie die politiknahen und politikfernen Informationen, die zu ihnen gegeben werden. Vier Personen übernahmen die Codierung; die prozentuale Übereinstimmung (nach Holsti) lag bei der Identifikation der zu codierenden Beiträge bei .79 und bei der Identifikation der Akteure bei .82. Für die Variablen auf Beitragsebene wurde eine durchschnittliche Übereinstimmung von .76 erreicht, auf Akteursebene betrug sie .81.

4 Ergebnisse

Es wurden 1081 Beiträge codiert, davon stammen 698 aus der Tagesschau und 383 aus Harald Schmidt. Für jeden Beitrag wurde ein Hauptthema und – falls vorhanden – ein Nebenthema erhoben. In der Themenstruktur zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Sendeformaten (vgl. Tab. 1). Gemäß Hypothese 1 fällt der Anteil politischer Themen in Harald Schmidt in Hinblick sowohl auf die Hauptthemen (χ2 = 32,69, df = 1; p ≤ 0,001) als auch auf die Nebenthemen (χ2 = 5,89, df = 1; p ≤ 0,05) wesentlich geringer aus

Tab. 1: Haupt- und Nebenthemen der Beiträge; Angaben in ProzentHauptthema NebenthemaTagesschaun = 698

Harald Schmidtn = 383

Tagesschaun = 698

Harald Schmidtn = 383

Politik 45,8 27,9 22,2 13,6Gesellschaft 27,4 35,2 23,2 23,8Wirtschaft 17,6 7,6 16,3 4,4Kultur 3,4 12,5 1,1 3,9Medien 2,0 12,3 1,3 7,3Sport 3,7 4,4 0,9 1,8Kein Thema 0,0 0,0 35,0 45,2Abweichungen von 100 % sind rundungsbedingt

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399Politik mal anders: Die Politikdarstellung in „Harald Schmidt“ …

als in der Tagesschau.3 Während in der Nachrichtensendung politische Themen anteilig vor gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen rangieren, nehmen in Harald Schmidt Themen aus dem Bereich Gesellschaft mehr Raum ein als die Politik. Im Vergleich zur Tagesschau beinhalten die Beiträge in Harald Schmidt außerdem häufiger Themen aus Kultur und Medien, während das Thema Wirtschaft eine geringere Rolle spielt.

Neben der Themenstruktur ist von Interesse, welche politischen Akteure in den beiden Sendeformaten in Erscheinung treten (Hypothese 2a und 2b). Für die 1081 Beiträge wurden 2194 politische Akteure codiert (Tagesschau: n = 1609; Harald Schmidt: n = 585). Entspre-chend Hypothese 2a weist die Akteursstruktur in Harald Schmidt eine stark nationale Aus-richtung auf: 82,7 % der Akteure stammen aus Deutschland. Bei der Tagesschau zeigt sich hingegen ein Verhältnis von 59,5 % deutscher zu 40,5 % ausländischer Akteure4 (χ2 = 102,46; df = 1; p ≤ 0,001). Wie aus Tab. 2 hervorgeht, kommen in Harald Schmidt zudem mit 75,2 % der Akteure deutlich häufiger Individualakteure vor als in der Tagesschau (χ2 = 59,60; df = 1; p ≤ 0,001), in der das Verhältnis zwischen Kollektiv- und Individualakteuren nahezu aus-geglichen ist. Dies bestätigt die in Hypothese 2b formulierte Annahme. Damit wird ersicht-lich, dass sich Harald Schmidt stärker als die Tagesschau an nationalen Individualakteuren aus der Politik orientiert und damit auf Akteure abzielt, die beim Publikum als bekannt vorausgesetzt werden können. Diese Schlussfolgerung wird auch dadurch gestützt, dass 36,2 % der Individualakteure in Harald Schmidt der Regierung angehören und damit eine besondere Prominenz haben. Auch die ebenfalls prominenten Spitzenfunktionäre der Par-teien finden zu einem vergleichsweise hohen Anteil (16,8 %) Aufmerksamkeit.

3 Die Tests erfolgten anhand von 2 × 2 Tabellen (politische Themen vs. andere Themen).4 Als ausländische Akteure gelten neben Parteien, Regierungen und Politikern aus anderen Län-

dern auch EU-Politiker und Akteure der Nato. Deutsche EU-Politiker wie Günther Oettinger fallen entsprechend ihrer Funktion ebenfalls in die Kategorie „ausländische Politiker“.

Tab. 2: Politische Akteure; Angaben in ProzentTagesschau(n = 1609)

Harald Schmidt(n = 585)

Land 14,4 8,2Regierung 11,2 2,2Opposition 1,7 0,0Parlament 3,4 2,1Partei 10,0 10,9Sonstige Kollektivakteure 2,2 1,4

Kollektivakteure gesamt 42,9 24,8Staats- und Regierungschefs 19,7 17,1Andere Regierungsmitglieder 15,4 19,1Ehemalige Regierungsmitglieder 2,4 9,7Parlamentsvorsitzender 0,4 1,0Spitzenfunktionäre in Partei 11,7 16,8Sonstige Parteimitglieder 6,0 10,6Sonstige Individualakteure 1,5 0,9

Individualakteure gesamt 57,1 75,2

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400 C. Nitsch und D. Lichtenstein

Auch hinsichtlich der Informationen, die zu den politischen Akteuren gegeben wer-den (H3 und H4), zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Sendefor-maten. In der Tagesschau werden bei zwei Dritteln der Akteure (65,8 %) die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche genannt und damit politiknahe Informationen gegeben; in Harald Schmidt ist dies entsprechend Hypothese 3a nur bei der Hälfte der Akteure (49,4 %) der Fall (χ2 = 48,80; df = 1; p ≤ 0,001). Während in den Nachrichtenbeiträgen also meist darauf hingewiesen wird, für welchen Bereich der jeweilige politische Akteur zuständig ist – worin also seine Kompetenz bzw. sein Verantwortungsbereich besteht (z. B. Innenpolitik, Gesundheitspolitik)5 –, werden diese Informationen in Harald Schmidt seltener explizit angegeben. Noch deutlichere Unterschiede zeigen sich bei den politischen Aktionen, die ebenfalls als politiknahe Informationen zu werten sind. In der Tagesschau werden die politischen Akteure in mehr als drei Viertel aller Fälle (77,2 %) mit konkreten politischen Handlungen in Verbindung gebracht, wohingegen das nur bei 29,7 % in Harald Schmidt der Fall ist (χ2 = 421,61; df = 1; p ≤ 0,001). Dieser Befund bestätigt Hypothese 3b. Wäh-rend sich die Berichterstattung der Tagesschau also an politischen Handlungen orien-tiert (z. B. der Afghanistanreise des damaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg), bekommen politische Akteure in der Late-Night-Show weitaus häufiger Aufmerksamkeit, ohne dass sie politisch aktiv werden.

In Harald Schmidt spielen dagegen politikferne Informationen eine größere Rolle, wie z. B. die persönlichen und privaten Merkmale der Akteure. Diese wurden für die poli-tischen Individualakteure (Tagesschau: n = 919; Harald Schmidt: n = 440) erhoben. Die Befunde bestätigen Hypothese 4: Während die Tagesschau bei den politischen Akteuren äußerst selten Informationen zum Privatleben bzw. zu persönlichen Merkmalen liefert (2,1 %), wird fast jeder dritte Politiker (29,1 %) in Harald Schmidt auf dieser Dimension angesprochen (χ2 = 225,24; df = 1; p ≤ 0,001). So wird z. B. über den italienischen Ver-teidigungsminister Ignazio La Russa gesagt, er habe die Stimme und das Aussehen eines Mafia-Bosses; auch die Ehen von Gerhard Schröder und die Körpergröße von Gregor Gysi werden thematisiert. Beliebt sind außerdem Einspieler aus Bundestagsdebatten, bei denen Versprecher oder Marotten einzelner Parlamentarier präsentiert werden. Insgesamt offenbart sich also erwartungsgemäß ein größeres Gewicht politiknaher Informationen in der Tagesschau und politikferner Informationen in Harald Schmidt.

Neben den politischen Akteuren ist von Interesse, auf welche Weise die Beiträge auf-bereitet werden (vgl. Hypothese 5). Hier konzentrierten wir uns auf die Beiträge, in denen politische Themen verhandelt werden, und prüften sie in Hinblick auf ihren Informa-tionsgehalt, ihren Personalisierungsgrad und ihre Ausgewogenheit. Insgesamt 509 der 1081 codierten Beiträge enthalten Politik als Haupt- und/oder Nebenthema. Bei der Tagesschau entspricht dies mit 370 Beiträgen einem Anteil von 53,0 % aller Beiträge; bei Harald Schmidt beläuft sich der Anteil mit 139 Beiträgen auf 36,3 Prozent.

Wie die jeweilige Zielsetzung der beiden Sendeformate (vgl. Abschn. 2) erwarten lässt, zeigen sich auch hinsichtlich der inhaltlichen Aufbereitung der Beiträge deutliche Unter-schiede zwischen der Nachrichten- und der Late-Night-Sendung. Im Ergebnis hat die Tagesschau gemäß der in Hypothese 5a formulierten Vermutung einen deutlich höheren

5 Dies geschieht entweder verbal durch den Nachrichten- oder Beitragssprecher oder durch Ein-blendungen wie Bauchbinden (z. B. „Guido Westerwelle, Außenminister“).

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401Politik mal anders: Die Politikdarstellung in „Harald Schmidt“ …

Informationsgehalt. Sie liefert in 77,6 % der politischen Beiträge Hintergrundinformatio-nen, indem sie z. B. die Vorgeschichte eines Themas skizziert und auf mögliche Folgen aufmerksam macht. Demgegenüber finden sich in Harald Schmidt in lediglich 21,6 % der politischen Beiträge Hintergrundinformationen. Hier dominieren folglich kurze politische Informationen, die häufig Schlagzeilen-Charakter haben (χ2 = 134,81; df = 1; p ≤ 0,001).

Die Politikdarstellung lässt sich neben dem Gehalt der politischen Informationen auch anhand ihres Personalisierungsgrades charakterisieren. In den Beiträgen der Tages-schau überwiegt mit fast 70 % eine abstrakte, nicht an Personen gebundene Darstellung, also ein niedriger Personalisierungsgrad (vgl. Abb. 1). In Harald Schmidt zeigt sich ein ganz anderes Bild: Ein hoher Personalisierungsgrad, der in den politischen Beiträgen der Tagesschau nur selten (7,8 %) zu finden ist, nimmt in Harald Schmidt mit etwa 40 % den höchsten Stellenwert ein. Hier werden die politischen Beiträge anhand einer Person erzählt, indem z. B. Versprecher von Politikern auf Pressekonferenzen dargestellt wer-den, das eigentliche Thema der Konferenz aber nicht interessiert. Beiträge, die politische Themen auf einer abstrakten Ebene präsentieren, kommen im Vergleich zur Tagesschau nicht einmal halb so oft vor. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen aus Studien zu US-amerikanischen Late-Night-Shows, in denen wiederholt eine starke Konzentration auf politische Personen festgestellt wurde (vgl. Abschn. 2.1), und bestätigt Hypothese 5b (χ2 = 90,10; df  = 2; p ≤ 0,001).

Auf einen dritten und wesentlichen Aspekt bei der Analyse der politischen Bericht-erstattung richtet sich schließlich die Frage nach der Ausgewogenheit der Darstellung (vgl. H5c): Berichten die Sendungen einseitig, oder kommen verschiedene Meinungen zu den jeweiligen Themen zu Wort? Wie aus Abb. 2 hervorgeht, werden in den meisten politischen Beiträgen von Tagesschau und Harald Schmidt Meinungen zu den politischen Themen mitgeliefert. Lediglich bei etwa 30 % der Beiträge ist keine Kommentierung vorhanden (Tagesschau: 25,7 %; Harald Schmidt: 31,7 %). Wenn eine Kommentierung

Abb. 1: Personalisierungsgrad der politischen Beiträge; Angaben in Prozent

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stattfindet, so differiert diese zwischen den beiden Sendeformaten sehr deutlich. Wäh-rend in der Tagesschau mehrere Perspektiven dargestellt werden (64,9 %), indem z. B. die Meinung eines Regierungsmitgliedes der Meinung eines Politikers der Opposition gegenübergestellt wird, überwiegen in Harald Schmidt einseitige Kommentierungen (59,0 %). Der im Vergleich zur Tagesschau höhere Anteil einseitig kommentierter Bei-träge in Harald Schmidt fällt signifikant aus (χ2 = 211,42; df = 1; p ≤ 0,0016) und entspricht Hypothese 5c. Für die Tagesschau legt dieser Befund eine ausgewogene Kommentierung politischer Themen nahe, die den Ansprüchen des Qualitätsjournalismus entspricht. Der Zuschauer bekommt unterschiedliche Meinungen zu einem Thema präsentiert und kann sich anhand der gegensätzlichen Positionen eine eigene Meinung bilden. Harald Schmidt hingegen fungiert als Interpretationsinstanz und liefert vorrangig einseitige Meinungen zu aktuellen politischen Themen und Diskussionen. Insgesamt zeigt die Aufbereitung der politischen Beiträge zwischen den untersuchten Sendungen also erhebliche Unterschiede, die auf eine eher oberflächliche, an Personen orientierte und einseitige Darstellung politi-scher Themen in Harald Schmidt hinweisen.

5 Fazit

Der Beitrag ging der Frage nach, welche Charakteristika die Politikdarstellung in Fern-sehsendungen aufweist, die anders als klassische Informationsangebote nicht primär das Ziel der Informationsvermittlung verfolgen und dennoch Teil des politischen Diskurses

6 Der Test erfolgte anhand einer 2 × 2-Tabelle unter Ausschluss der Beiträge ohne Kommentierung.

Abb. 2: Kommentierung innerhalb der politischen Beiträge; Angaben in Prozent

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sind. Zu diesem Zweck wurde die Late-Night-Show Harald Schmidt in einer quantita-tiven Inhaltsanalyse der Nachrichtensendung Tagesschau gegenübergestellt, wobei die jeweilige Darstellung politischer Themen und politischer Akteure sowie die Aufbereitung der politischen Beiträge miteinander verglichen wurden.

Die Befunde zeigen erwartungsgemäß deutliche Unterschiede zwischen den Sendun-gen auf. Dies betrifft zunächst die Themenstrukturen der beiden Formate. Beiträge zu politischen Themen sind in der klassischen Nachrichtensendung stärker vertreten als in der Late-Night-Show. Insofern ist die Tagesschau bereits in der Auswahl ihrer Beiträge politischer aufgestellt als Harald Schmidt. Der einigen US-amerikanischen Late-Night-Shows zugeschriebene hohe und Nachrichtensendungen vergleichbare Politikgehalt (vgl. z. B. Fox et al. 2007, S. 221) kann in dieser Hinsicht dem deutschen Vertreter Harald Schmidt nicht attestiert werden.

Die Unterschiede zwischen den Sendungen betreffen weiterhin die Auswahl und die Darstellung der politischen Akteure. Dabei zeigt sich, dass Harald Schmidt den Schwer-punkt auf nationale politische Akteure legt. Informationen zu den politischen Akteuren anderer Länder und auch der EU lassen sich über die Late-Night-Show folglich kaum beziehen. Das mag daran liegen, dass die nationale Politik den Zuschauern eher ver-traut ist und diese insofern über das nötige Hintergrundwissen verfügen, um dem Humor zu folgen. Innerhalb des Spektrums nationaler Politiker zielt Harald Schmidt jedoch – anders als Forschungsergebnisse zu den US-Shows nahelegen (vgl. z. B. Niven et al. 2003, S. 139) – nicht nur auf Regierungsvertreter, sondern bezieht sich auch auf Par-teifunktionäre und damit insgesamt auf eine größere Bandbreite nationaler Politiker. Weiterhin unterscheidet sich das Verhältnis zwischen Individual- und Kollektivakteuren zwischen den beiden Sendungen. In Harald Schmidt kommen deutlich mehr Individual-akteure vor als in der Tagesschau. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Tagesschau eher auf politische Prozesse als auf Handlungen einzelner Politiker Bezug nimmt. In der Darstellung der politischen Akteure wird ersichtlich, dass die Tagesschau wesentlich häu-figer deren Zuständigkeitsbereiche erwähnt und sie häufiger mit konkreten politischen Aktionen in Verbindung bringt als Harald Schmidt. Die Late-Night-Show zeigt die poli-tischen Akteure demgegenüber weniger häufig in ihrer Funktion und der Ausübung ihres politischen Amtes. Das Wissen über den Zuständigkeitsbereich wird meistens entweder vorausgesetzt – oder aber es ist für das Verständnis der Witze schlichtweg nicht relevant. Stattdessen spielen in Harald Schmidt politikferne Aspekte, die für die Berufsrolle der Politiker irrelevant sind, eine nicht unwesentliche Rolle. Die politischen Akteure werden mitsamt ihrer Missgeschicke und Persönlichkeitsmerkmale präsentiert: Bei fast jedem dritten Individualakteur werden persönliche Aspekte (wie z. B. das Privatleben) ange-sprochen, während sich eine derartige Darstellung in der Tagesschau fast gar nicht finden lässt. Damit ist die Late-Night-Show stärker von politikfernen Informationen zu den poli-tischen Akteuren geprägt und weicht von der politiknahen Darstellung der Tagesschau ab. Auf diese Weise präsentiert Harald Schmidt dem Publikum vor allem die menschliche Seite der Politiker und schafft damit unter Umständen das Gefühl, mit den Politikern als Personen vertraut zu sein.

Auch die Aufbereitung der politischen Beiträge entspricht den Annahmen, die von der Zielsetzung beider Formate abgeleitet worden sind. Es lässt sich festhalten, dass die politischen Themen in der Late-Night-Show von Harald Schmidt eher schlagzeilenartig

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404 C. Nitsch und D. Lichtenstein

aufgearbeitet, personalisiert und einseitig interpretiert werden, für das klassische Nach-richtenformat hingegen Hintergrundinformationen, ein geringer Personalisierungsgrad und eine ausgewogene Kommentierung charakteristisch sind. Sowohl der Verzicht auf Hintergrundinformationen als auch die eindeutigen Interpretationen bedeuten eine sicher nicht immer angemessene Verkürzung, bringen aber eine ‚Entlastung‘ der Rezipienten mit sich. Diese bekommen Politik in reduzierter Komplexität und in eindeutiger Bewer-tung serviert. Dies erklärt den Umstand, dass Late-Night-Shows den Rezipienten häufig das Gefühl vermitteln, Politik zu verstehen und sich eine Meinung zu politischen Themen bilden zu können (vgl. Hartmann 2006, S. 130; Hollander 2005, S. 411; Williams und Delli Carpini 2011, S. 7–8). Auch der hohe Personalisierungsgrad kann der kognitiven Entlastung dienen, da auf diese Weise politische Themen mit Gesichtern verbunden wer-den und sich Verantwortlichkeiten leichter zuschreiben lassen.

Insgesamt spricht Harald Schmidt im Vergleich mit der Tagesschau vor allem (natio-nale) Politiker und begrenzt politische Themen an. Die Informationen zu den politischen Akteuren sind zu wesentlichen Anteilen politikfern, und auch die Aufbereitung der Bei-träge hat wenig mit den klassischen Merkmalen genuiner Informationsangebote zu tun. Die Relevanz von Harald Schmidt für den politischen Diskurs liegt somit darin, das Publikum mit politischen Themen und Akteuren vertraut zu machen. Eine gehaltvolle Politikvermittlung kann auf Grundlage der gegebenen Politikdarstellung jedoch nur sehr begrenzt erfolgen.

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Dr. Cordula Nitsch ist akademische Rätin a. Z. am Institut für Sozialwissenschaften (Professur für Kommunikations- und Medienwissenschaft III) der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf.

Dennis Lichtenstein M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaf-ten (Professur für Kommunikations- und Medienwissenschaft III) der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf.


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