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Poldi und Köln

Date post: 17-Mar-2016
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After his odyssey to the bavarian highlands football star Lukas Podolski returns back to his roots: the 1. FC Köln (Cologne).This illustrated book reviews the previous career of this extraordinary but calm guy from Köln Bergheim. Including his social background, ups and downs in Cologne and Munich and the national team plus the high expectations of an entire city returning to higher levels in the german soccer league.
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emons: Martin Klein Jens-Martin Mickler
Transcript

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Martin KleinJens-Martin Mickler

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www.emons-verlag.de

D 14,95 €A 15,50CHF 27,90

ISBN 978-3-89705-657-2

Lukas Podolski ist ein Phänomen. Wannund wo auch immer der junge Mann mitoder ohne Ball auftaucht – die Menschenlieben ihn. Das gilt für seine polnischeFamilie, zu der er ein inniges Verhältnispflegt, und auch für die Lehrer an seinerSchule in Bergheim. Das gilt für seinealten Trainer aus der Jugend und für die aktuellen beim 1. FC Köln und in derNationalmannschaft. Das gilt für Millio-nen Fußballfans, nicht nur in Deutsch-land, und das gilt für Marketingexperten,die ihm als Sportlerpersönlichkeit einaußergewöhnliches Potenzial zuschrei-ben – eben weil er so ganz und gar normal ist. Ein Kumpeltyp, ein Freund,ein Familienmensch und treusorgenderVater, einer der zwar Millionen verdient,sich das aber nicht anmerken lässt.

Aus was für einem Umfeld kommt Poldi?Wer hat ihn wie geprägt, und was istseine Vorstellung vom Leben auf undneben dem Rasen? Wir haben unsbemüht, dies herauszufinden, im Früh-ling 2009, als auch wir mehr wissenwollten – über das Poldi-Phänomen.

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Er ist wieder in der Stadt. Hatdas Trikot von Bayern Münchenausgezogen, das ihm sowiesonie wirklich gut stand, und ziehtsich ein viel schöneres an. Einsmit einem Geißbock vorne drauf. Er spielt wieder im Rhein-Energie-Stadion. Vor lauter Verrückten. Verrückt nach dem 1. FC Köln, verrückt nach ihm –Lukas Podolski. Kurz: Poldi.Die FC-Heimspiele ziehen jetztschon mehr Zuschauer an alsdie des FC Liverpool oder von AS Rom. Mit dem zurückgekehrten Poldi wird das Stadionendgültig eine Nummer zu kleinfür diese vielen einzigartigenFans, die immer kommen, egal,wie der Gegner heißt. Sie kom-men auch wegen ihm und wer-den seinen Namen rufen, und er wird zu ihnen gehen und sichbedanken. So wie er es immergemacht hat. Und alle werden es wieder spüren, da habe sichzwei gefunden: Poldi und Köln –eine Stadt und ihr Stürmer.

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EINE STADT UND IHR STÜRMER

POLDIUNDKÖLN

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EINE STADT UND IHR STÜRMER

POLDIUNDKÖLN

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Martin KleinJens-Martin Mickler

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INHALT

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Der Prinz kehrt heim und eine Stadt dreht durch

Wunderbar gescheitert in Bayern

Die andere Lieblingsmannschaft: Das deutsche Nationalteam

Die andere Heimat: Polen

Zuhause ist es am schönsten: Poldis Bergheim

Epilog: Wenn kölsche Jungs erwachsen werden

... und Poldis Vorgänger: Wie sich die Kölner Publikumslieblinge

von Hans Schäfer bis Toni Polster in die Herzen der FC-Fans

spielten – und was sie zu Lukas Podolski sagen.

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LIEBLINGDER MASSEN

Vor einigen Jahren noch auf der anderen Seite des Zauns, hat LukasPodolski nie vergessen, wo er herkommt. Auf solche Begegnungen freuen sich die Fans und ihr Idol.

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GEISSBOCKIM HERZEN

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ALLIANZ-ARENAIM RÜCKEN

Die drei Jahre beim FC Bayern München verlaufen anders als erwartet – sehrzur Freude Kölns. Jetzt will Poldi im neuen Trikot mit dem 1. FC ganz nachoben, dahin, wo der Club schon lange nicht mehr war.

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EIN LANDFEIERT

Als die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006 ihr Sommermärchen schreibt, spielt der Stürmer eine ganz große Rolle.Auch bei der EM 2008 zeigt sich seine ganze Unbeschwertheit.

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Auf den Bergheimer Bolzplätzen lernt der kleine Lukas das ABC des Fußballs. Der Deutsche Fußballbund hofft auf viele junge Poldis und spendiert der Provinz Kunstrasenplätze.

ERSTESCHRITTE

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DER PRINZ KEHRT HEIM UND EINE STADT DREHT DURCH

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Das Flehen der Fanswird erhört, sowohl vonden FC-Verantwortlichenals auch vom Hoffnungs-träger der Kölner.

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HOHEGLAUBWÜRDIGKEIT

Werbefachleute sehen in Lukas Podolski eine herausragende Marke. »Podolski besitzthohe Authentizität, ist ein Mann des Volkes, wirkt unverfälscht und angstfrei - ein echtesAlleinstellungsmerkmal mit großem Werbewert.«

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Er verlässt den FC als sehr junger Kapitän – wirdLukas Podolski auch dieneue Mannschaft anführenund den Weg in höhereTabellenregionen weisen?

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EIN KÖLSCHESCOMEBACK

Die Rückkehr zum 1. FC Köln feiert eine ganze Stadt. Das Projekt ist teuer, auch deshalb muss weitergefeiert werden –um Geld in die Kasse zu bekommen. Poldi-Partys sind ein Teil des Finanzierungskonzepts.

Die Ereignisse des 19. Januar 2009 hat der Express minutiös protokolliert. Nacheinander gaben alle Beteiligten Presseerklärungen heraus. Als Erstesging um 9:12 Uhr das Fax von Lukas Podolski in derRedaktion ein – klares Indiz für die riesige Erleich-terung des Prinzen, die Rückkehr nach Köln undzum 1. FC endlich verkünden zu dürfen.

»Wechsel zum 1. FC Köln!«, stand in der Betreff-Zei-le. »Ich habe mich mit dem 1. FC Köln auf einen Ver-trag ab dem 1. Juli 2009 geeinigt. Ich bin froh, dassdie Entscheidung über meine sportliche Zukunft ge-fallen ist und die Spekulationen um meine Personein Ende haben.« Der letzte Satz des Faxes machtedann noch kurz und pflichtschuldig seine profes-sionelle Einstellung deutlich: »Bis zum Sommer giltmeine ganze Konzentration dem FC Bayern.«

Um 10:01 Uhr folgte die Bestätigung seitens des 1. FC Köln per Fax, die Bayern ließen sich noch Zeitbis 12:32 Uhr. An diesem Morgen des 19. Januar gabes im Bayern-Office in der Säbener Straße in Mün-chen gewiss schon wieder ganz andere Dringlich-keiten.

In Köln indes freuten sich alle: FC-Trainer Chris-toph Daum freute sich auf Lukas Podolski und sprachvon einem Meilenstein in der FC-Geschichte.

Clubchef Wolfgang Overath freute sich, dass derFC als Aufsteiger einen deutschen Nationalspielerwie Lukas Podolski verpflichten konnte. »Das größ-

te Talent der letzten zwanzig Jahre«, wie er mehr-fach betonte. Die tieferen und gewissermaßen bio-logischen Gründe für die Rückkehr kannte Overathauch: »Er ist seinem Herzen gefolgt.«

Fritz Schramma als Oberbürgermeister freutesich, weil Poldi zum FC gehöre wie – na klar – »derDom zu Köln.« Rolf Martin Schmitz als Verwaltungs-ratsvorsitzender des FC und im Hauptberuf Vor-standsvorsitzender der Rheinenergie freute sich ineigener Sache über das gute Zusammenspiel vonVereinsführung und Verwaltungsrat.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident JürgenRüttgers freute sich über Lukas Podolskis tolles Be-kenntnis zur Heimat: »Wo gibt es das noch in derglobalisierten Welt des Fußballs?«, fragte der Poli-tiker, der sich in Zeiten der Insolvenzen in seinemLande wenigstens über Poldis Treue als Steuer-zahler freuen darf.

Nur einer ist im Rheinland noch wichtiger alsder Ministerpräsident, der Karnevalsprinz. Undauch Prinz Hans-Georg I. freute sich, und zwar »rie-sig«, dass Prinz Poldi zurückkehrt in die Heimatund dem FC den nötigen Auftrieb geben möge.

Es freute sich auch der Trainer von Poldis Lieb-lingsmannschaft, oder besser der Trainer der Mann-schaft, in der Poldi am liebsten und am lockerstenspielt, der Nationalmannschaft. »Wir stehen hun-dert Prozent hinter seinem Entschluss«, sprach Jogi Löw für seinen gesamten Trainerstab, »denn

Neben Oberbürger-meister und Minister-präsident freut sichauch der Karnevals-prinz Hans-Georg I.über die Nachricht, die eine ganze Regionverzückt.

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So weit kann Liebegehen: Sogar alsPoldi für die Bayernbeim FC traf, gibt esJubelschreie in derSüdkurve.

Lukas hatte einfach das Gefühl, dass er in Köln zuHause ist, dass er sich beim FC wohlfühlt. Er isteben ein Mensch, der emotional ist.«

Die Skepsis vieler Fußballkenner und -freunde,ob der junge Spieler dem Erwartungsdruck stand-halten kann, teilt der Bundestrainer nicht, im Ge-genteil: »Das wird ihn eher beflügeln«, ist sich Löwgewiss, »Lukas kann großen Druck sehr gut aushal-ten, wenn er spürt, dass die Menschen hinter ihmstehen.« Das habe er in der Nationalmannschaft oftgenug unter Beweis gestellt. In Zeiten, in denen derProfi-Fußball einem Wanderzirkus gleiche und derLockruf des Geldes lauter sei, als die schönsten Ge-sänge der Fankurven, gehe von Poldis Rückkehr einganz besonderes Signal aus: »Die Fans sehen, dasssich ein Spieler hundert Prozent mit dem Trikot sei-nes Clubs identifiziert, das ist in der heutigen Zeitein sehr ungewöhnliches und schönes Zeichen.«

Am Morgen, als die frohe Kunde von Poldis Rück-kehr die Runde machte, wurde die Internetseite www.lukas-podolski.com von einer viertel Million Besucher besichtigt. Gleichzeitig klingelte bei einem Mann das Handy so häufig, dass, solltenHandys am Ende doch gesundheitsgefährdend sein,er als Erster zum Arzt muss: Kon Schramm, PoldisBerater, Beschützer, Chefstratege, Gralshüter.

Seine Handy-Nummer haben die wichtigen Vereins-manager, die Trainer, die Scouts, die Herren aus derwerbetreibenden Wirtschaft – und die Journalisten.So konnten auch recht bald Details aus dem Vertragbekannt gegeben werden: Er ist auf vier Jahre an-gelegt und gilt nur für die Erste Liga! Nie mehr Zweite Liga, was die Fans oft gesanglich beschwö-ren, Poldi hat es sich vertraglich zusichern lassen.

Die Bayern bekommen für den Spieler, der bei ihnen nie glücklich wurde, exakt das Geld zurück,das sie drei Jahre zuvor für den Stürmer auf denTisch gelegt hatten, rund zehn Millionen Euro. EinBetrag, den München ganz lässig aus der Kaffee-kasse bezahlen konnte. Kölns Manager Michael Meier muss da schon ganz anders rechnen und dieKohle zusammenkratzen. Es braucht Einfallsreich-tum und Geschick, doch daran mangelt es dem Kölner ja traditionell nicht. Und so wurde noch wäh-rend der Transferverhandlungen ein Freundschafts-spiel gegen die Bayern samt großer Poldi-Party verabredet, dessen kompletter Erlös anschließendim Bayern-Mannschaftsbus mit runter an die Isargenommen werden darf.

Neben diesem Projekt der Gattung »Feiern und Trinken für Poldi« ist der größte Coup allerdings

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zweifelsohne der Pixel-Poldi. Um einen Teil der Mil-lionen-Ablöse an den Rekordmeister wieder herein-zuholen, verkauft der 1. FC Köln über seine Home-page unter http://pixel.fc-koeln.de sogenannte »Poldi-Pixel«. 37.500 winzig kleine Quadrate einesPodolski-Porträts können zum Preis von je 25 Euroerworben werden. Wer ein oder mehrere Pixel erwirbt, kann auf dieser Fläche Werbebanner, Grü-ße oder einen Schriftzug plazieren. Der Verkauf sämt-licher Pixel des Bildes, das Podolskis Konterfei mitdem Kölner Dom und dem Schriftzug »In Kölle zuHus« zeigt, spült dem FC 937.500 Euro in die Trans-fer-Kasse.

Wer sich in Köln nicht zum FC und Poldis Rück-kehr bekennt, den bestraft die Geschichte. Also ha-ben alle flugs Pixel erworben, die sich in Köln auchin Zukunft noch blicken lassen wollen: Versicher-ungen und Sparkassen, Outdoor-Ausstatter und Sicherheitsdienste, die Fanfreundschaftsfreundevom FC St. Pauli, Handball-Bundestrainer HeinerBrand und Formel-1-Held Michael Schumacher. »Na Jong«, schreibt Schumacher, »bist du also dochdeinem Herzen gefolgt, das ist immer gut. EchterTeamgeist ist durch nichts zu ersetzen. Mir warmein Team auch immer am wichtigsten.«

Ganz ähnlich der handballweltmeisterliche Heiner Brand: »Als Trainer kann ich dir zu deiner

Entscheidung, deinem Herzen zu folgen, nur gratu-lieren. Denn nur wer überzeugt ist von dem, was ertut, kann volle Leistung bringen.« Schließlich zitiertBrand noch die Handball-Hymne der Höhner: »BeimFC bist du da, wo du hingehörst. Und: Wenn nichtjetzt, wann dann?«

Zu den zehn Millionen Euro, die die Bayern für Poldi bekommen, kommt noch Poldis Gehalt. Drei Millionen Euro erhält der Spieler jährlich, stehtin seinem Vierjahresvertrag. Das Unternehmen »Holtden Poldi« kostet also insgesamt 22 Millionen Euro.Anfang März 2009 waren 5.000 der 30.000 Pixelverkauft. Für 130.000 Euro. Es muss noch tüchtiggespart werden für den wahr gewordenen Traum.Gleichwohl wissen die FC-Verantwortlichen, dassPoldi als Marke ganz erheblich zur Refinanzierungbeitragen wird. Das Institut Sport und Markt hat fest-gestellt, dass es in Deutschland nur ganz wenige

Spieler mit Markencharakter gäbe, Podolski sei einer von ihnen. Und eine Fachfrau wie Karen Heu-mann von der großen Werbeagentur Jung van Mattbestätigt: »Podolski besitzt hohe Authentizität, istein Mann des Volkes, wirkt unverfälscht und angst-frei.« Besonders eine einfache Herkunft und der Straßendialekt würden vertrauensbildend wirken. Da könnten sich drittklassige Komiker noch so oftüber seine Sprache und Aussprache lustig machen,genau diese Qualitäten seien es, die Lukas Podolski»ein echtes Alleinstellungsmerkmal und einen hohen Werbewert zukommen lassen«, so die Wer-befrau.

Eine Erkenntnis, zu der Poldi und seine Beraterschon vor einiger Zeit gekommen sind. So ist dieBezeichnung »Prinz Poldi« beim Deutschen Patent-und Markenamt geschützt. Eingetragen als Rechte-inhaber seit 2004: Lukas Podolski. Und seit 2005gehören Lukas die Rechte an der Marke LP10. Er wird also Interesse haben, dass die 10 auch sei-ne zukünftige Rückennummer sein wird.

Die Liste der Produkte, für die er den Rechte-schutz an LP10 genießt ist sehr, sehr lang. Ein klei-ner Auszug: »Edelmetalle und deren Legierungensowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Uhren und Zeitmessinstrumente; Ansteck-nadeln aus Edelmetall; Vereinsabzeichen, Becher

und Teller aus Edelmetall; Zigarettenspitzen (aus Edelmetall), Zigarren- und Zigarettenetuis (ausEdelmetall); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausge-nommen Apparate); Verpackungsmaterial ausKunststoff, Wimpel, Fähnchen, Flaggen; Regenschir-me, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen,Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Be-hälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelme-tall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürs-ten (mit Ausnahme von Pinseln); Bürstenmacher-material; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teilwei-se bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas);Glaswaren, Porzellan und Steingut, Bett- und Tisch-decken; Schwimmflossen; Christbaumschmuck.«

Von der Kölner Pixel-Aktion profitiert Lukas Podols-ki finanziell nicht unmittelbar, zeigte sich aber dennoch sehr angetan: »Ich schaue einige Mal inder Woche auf die Seite, verfolge, was sich da Neu-

»Na Jong, bist du also doch deinem Herzen gefolgt, das ist immer gut. Echter Teamgeist ist durch nichts zu ersetzen.«

Michael Schumacher

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28 Der Prinz kehrt heim

Ende 2003 begegnen sichdie beiden Stürmer imTrainingslager. MatthiasScherz und Lukas Podols-ki werden Freunde.

es getan hat.« Mit noch mehr Interesse aber verfolgtder Star den Kurs, den sein alter und neuer Clubauf und jenseits des Spielfelds einschlägt. Als der1. FC Köln im März nacheinander die Spiele gegenSchalke und Borussia Mönchengladbach verlor, undwenig später mit der Niederlage gegen die Lokalri-valen aus Leverkusen die siebte Heimpleite in Fol-ge hinlegte, wurden die Fans in ihrem ganzen schö-nen Poldi-Comeback-Rausch schlagartig nüchternund ernüchtert: Wenn der FC so weitermacht, wirdnicht nur der Klassenerhalt gefährdet, sondern auchdie Rückkehr des Hoffnungsträgers. Erst mit demschmucklosen Arbeitssieg gegen Werder Bremenam 30. Spieltag waren die besorgten Gemüter wie-der etwas beruhigt und konnten weitere Pixel kau-fen gehen.

Der zweifelsohne schönste Sieg im Jahr 2009 warder gegen den 1. FC Bayern München. Das freutejeden, dem der 1. FC Köln eine Herzensangelegen-heit ist. Also auch Poldi? So oft er auch vorher gefragt wurde, ob dies ein besonderes Spiel sei, obes ihm schwer fallen würde, gegen seinen zukünf-tigen Arbeitgeber Tore zu schießen, Poldi antwor-tete, was ein Profi in so einem Moment so sagt. Er werde alles geben für Bayern München, 90 Mi-

nuten lang keinen Gedanken verschwenden an Köln, natürlich auch Tore machen und siegen wol-len. Bekanntlich kam alles ganz anders. Am 21. Feb-ruar um 17:15 Uhr stand auf der Anzeigentafel inder Allianz-Arena 1:2. Köln hatte gewonnen undPoldi nicht nur verloren, sondern auch kein Tor er-zielt und war auch noch ausgewechselt worden.

Nur wenige Menschen können erahnen, was in Podolskis Kopf vorging, als er in Richtung Ersatz-bank – sein zweites Zuhause in München – trabte.Einer, der es kann, ist Poldis alter Kölner KumpelMatthias Scherz. »Als wir mit dem FC in München waren und gewonnen haben, da wollte Lukas zu uns ins Hotel. Ich habe ihm davon dringend abge-raten, weil es genug Fotografen gab, die genau die-ses Bild haben wollten: Noch-Bayer Podolski feiertmit Kölnern die Münchner Niederlage! Lukas woll-te dann aber wenigstens zu uns in die Kabine kom-men, doch auch davon riet ich ab. Keine unnötigenProvokationen mehr, so kurz vor Schluss, habe ichgesagt, bring das hier anständig zu Ende, ist ja nicht mehr lange. Ihr könnt ja schon mal anfangen,die Koffer zu packen.«

Scherz gibt zu, von Poldis Wechsel zu den Bayern begeistert gewesen zu sein, von der Rückkehr ist

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Hautkontakt amMetallzaun, der Wegvom Spielfeld in dieFankurven ist demAusnahmespieler niezu weit.

»Keine unnötigen Provokationen mehr, so kurz vor Schluss, bring das hier anständig zu Ende, ist ja nicht mehr lange.

Ihr könnt ja schon mal anfangen, die Koffer zu packen.« Matthias Scherz

er es nicht: »Es war natürlich der richtige Schrittvon Lukas, zu den Bayern zu gehen. Bayern ist nunmal der Top-Verein in Deutschland, mit einer Ga-rantie für internationale Wettbewerbe«, sagt Scherz,dessen Profi-Karriere nach zehn Jahren beim FCausläuft. »Aber jetzt wechselt er von Bayern zu ei-nem Verein, der ihm diese Garantie gerne gebenmöchte, aber nicht geben kann.« In Bremen oderHamburg wäre Poldi besser aufgehoben, meintScherz, der in Zukunft im Nachwuchsbereich desFC tätig wird. »Gerade Werder, da bekommst du alsStürmer doch einen Ball nach dem anderen!« Dashabe er seinem Freund auch gesagt, aber Poldi seiganz und gar beratungsresistent, wenn es um denFC gehe: »Lukas hat alle Argumente außer Acht ge-lassen, er hat nur auf sein Herz gehört.« Und dasschlägt nun mal laut und deutlich für den 1. FC Köln.Matthias Scherz ist sich sicher, dass Podolski inKöln wieder das Umfeld und die Zuneigung findenwill und wird, die er braucht, um sich nicht nur

wohlzufühlen, sondern auch um seine Tore zu ma-chen. Das alles habe er in München nicht bekom-men. Scherz, auch ein Publikumsliebling dank sei-ner langjährigen Treue zum Verein, weiß mehr überPoldis Innenleben, als er sagen will. Poldi undScherz haben mehrfach telefoniert während der Zeit bei Bayern München. »Von daher weiß ich auchvon ein paar Sprüchen Klinsmanns zu Lukas, diegar nicht gehen.« Aber Scherz sagt auch, dass esnicht nur ein Bayern-Trainer war, unter denen Pol-di gespielt hat beziehungsweise nicht gespielt hat.»Magath, Hitzfeld, Klinsmann – und keinen konn-te Lukas überzeugen!« Erst mit Jupp Heynckes´Kurzeinsatz als Trainer nach Klinsmanns Entlas-sung wurde Poldi wenige Spieltage vor Vertragsen-de in Bayern noch zum Stammspieler.

Auch wenn er seinem Kumpel nicht zu einer Rück-kehr geraten hätte, dem FC jedenfalls hätte Scherzgeraten, genau das zu tun, was dann getan wurde.

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30 Der Prinz kehrt heim

Lagebesprechung im Mittelkreis, auf die Ratschläge des Routiniers muss Poldi zukünftig

verzichten – zumindest auf dem Spielfeld. Matthias Scherz wechselt in die Jugendarbeit.

»Alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Poldi zu-rückzuholen. Egal, zu welchem Preis! Denn der Wertist unschätzbar: Wir haben wieder einen deutschenNationalspieler! Das wirkt auch auf andere Spieler,wird andere überzeugen, dass der FC eine sehr gute Adresse ist.« Das sei längst noch nicht alles:»Lukas Podolski ist unter Marketingaspekten einVolltreffer, und das deutschlandweit. Eine solchePopularität genießt derzeit nur noch Michael Bal-lack, der aber spielt ja nicht in Deutschland.«

Im November 2003 fand die erste Begegnung von Matthias Scherz und Lukas Podolski statt. »Unserdamals neuer Trainer Marcel Koller ging gleich mituns ins Trainingslager nach Hennef. Koller hatte diesen jungen 18-jährigen Burschen aus der eige-nen Jugend dorthin mitgenommen, wo wir richtigdurch die Mühle gehen mussten. Und das hat dieser Kerl sensationell weggesteckt.«

Der Neue sei ihm sofort aufgefallen: »Dieser Zugzum Tor, der überragende linke Fuß, die Fähigkeitzum tödlichen Pass …« In dieser Zeit, Anfang desneuen Jahrtausends, habe es weit und breit ja kei-ne Talente gegeben in Deutschland. »Und dann kamLukas Podolski!«

In der Folge freundeten sich die beiden Stürmeran. Matthias Scherz zeigte dem jüngeren Kollegen,wo man in Köln essen gehen kann, ohne umgehendFotografen und Autogrammjäger auf dem Tisch sit-zen zu haben. Nach Pizza, Pasta und Salaten ginges meistens schnell wieder heim. Auch wenn esnoch früh am Abend war. »Lukas ist keiner, der noch

um die Blöcke zieht. Man wird ihn auch nicht miteinem Glas Bier oder Wein in der Hand antreffen.«Auch deshalb sei er in München nie heimisch geworden. »Wenn die Kollegen ins P1 oder eine an-dere Disko gingen, dann fuhr Lukas nach Hause.Der weiß gar nicht, wie man P1 schreibt, das ist ein-fach nicht seine Welt. Er ist viel lieber zu Hause beiseiner Monika und bei seinem Sohn.« Freundin Monika sei auch nicht unmaßgeblich an der Rück-kehr zum FC beteiligt. »Sie hat sich in München fastnoch unwohler gefühlt als Lukas.« Die Mentalitätvon Lukas und Monika hätte einfach nicht in dieseSchickimicki-Welt gepasst.

Am Abend des Vertragsendes, da ist sich Mat-thias Scherz sicher, steht ein großer Möbelwagenaus südlicher Richtung kommend in Köln.

Aber hat sich Lukas Podolski nun am Abend des21. Februar 2009 im Bayern-Trikot über den KölnerTriumph in München gefreut? Er hat ganz sichersein Bestes gegeben für einen Sieg der Bayern. Dafür ist er zu sehr Profi. Und gleichzeitig hat ersich ganz sicher gefreut, dass es am Ende nicht gereicht hat. Dafür ist er zu sehr Prinz Poldi.

»Ich freue mich auf die Aufgabe beim FC«, diktier-te Podolski den Reportern nach Bekanntgabe sei-ner Rückkehr in die Notebooks, »ich will gemein-sam mit dem Club nach oben kommen.« Der FC seiein guter Verein mit viel Potenzial nach oben. »Dieses Potenzial soll weiter ausgebaut werden.Und natürlich ist es auch privat eine tolle Sache,wieder in der Heimat zu sein.« Nicht nur für Hei-ner Brand, Michael Schumacher und viele anderesteht fest, dass Poldis Entscheidung in erster Linieeine Herzensentscheidung war, keine Kopfsache.Poldi selbst spricht vom Gefühl: »Ich hatte einfachein gutes Gefühl«, sagte er dem Express, »der FChat ein Konzept vorgelegt, das mich überzeugt hat,und ich bin ein Teil dieses Konzepts.« Mit der Verpflichtung international erfahrener Spieler ha-be der Verein wichtige und richtige Zeichen gesetzt,außerdem finde er es prima, dass junge Spieler mitsehr guten Perspektiven im Kader seien.

Aus knapp 600 Kilometern Entfernung hat Poldisehr genau verfolgt, was sich in den drei Jahren sei-ner Abwesenheit in Köln getan hat, wie die erstenNachrichten von einer möglichen Rückkehr aufge-

nommen wurden. »Diese ganzen Aktio-nen, die die Fans auf die Beine gestellthaben, haben mich wirklich berührt,so etwas gibt es nirgends woanders,das ist einmalig.« Nicht allen haben al-le Fan-Aktionen gut gefallen. So mach-te im November 2008 eine Fotomonta-ge die Runde im Internet, die Podolskiin Anlehnung an die Entführung von

Hanns Martin Schleyer als Geisel des FC BayernMünchen zeigte. »Seit 733 Tagen Gefangener«, warauf dem Foto zu lesen, das einen unglücklich schau-enden Poldi und an der Stelle des RAF-Logos dasBayern-Emblem zeigte.

Ein echter Fußballfan ist immer zugleich Spinnerund Realist, das gilt für die Kölner hoch drei! »Nie mehr Zweite Liga«, wird eingestimmt, sobalddas erste Pünktchen eingefahren wird, aber auch:»Wir sind nur ein Karnevalsverein«, wenn sich derErste Fußballclub Köln gerade mal wieder bis aufdie Knochen blamiert hat. Und natürlich wollte nichtnur die Südkurve ihren Poldi wiederhaben, kaumdass sich angekündigt hatte, dass die Tage in Bay-ern gezählt sein könnten. Gleichzeitig machte der

»Der FC hat ein Konzept vorgelegt, das mich überzeugt hat, und ich bin ein Teil dieses Konzepts.«

Lukas Podolski

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VERPASSTECHANCEN

Nichts quält einen Stürmer mehr, als wenn der Ball nicht über die Linie rollt. Auch beim FC wird Podolski mit Niederlagen leben müssen.

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Die Rückennum-mer ist Gold wert.LP 10 ist eine ein-getragene Markeund kann vielfältiggenutzt werden.Die Rechte besitztder Stürmer.

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35Der Prinz kehrt heim

Realist im Fan jede Hoffnung umgehend zunichte:Das kann der FC gar nicht stemmen, das Geld hatder FC doch gar nicht und auch nicht die richtigenPerspektiven für einen wie Podolski, war man sichanfangs einig, aber man wird ja wohl noch träumendürfen!

Wie viele haben ernsthaft von Anfang an geglaubt,dass dieser Coup glückt? Den Machern der Podols-ki-Rückkehr war von Anfang an bewusster als al-len anderen, dass eine Rückkehr zum alten Vereinfür alle Beteiligten ein großer Gewinn sein kann.Denn sowohl FC-Trainer Christoph Daum als auchManager Michael Meier haben es in ihren Karrie-ren vorgemacht. Im Dezember 2005 kehrte Meieran den Ursprung seiner Karriere zurück und über-nahm erneut den Managerposten beim 1. FC Köln,und Christoph Daum wurde am 27. November 2006zum zweiten Mal Trainer des 1. FC Köln. Zurückge-holt von jenem Meier, dem die Fans zunächst arg-wöhnisch entgegentraten, hatte Meier doch seineletzte Station Borussia Dortmund mit einem gewag-ten Börsengang fast in die Insolvenz getrieben. Ausgerechnet so einer, der offensichtlich Fußballmit Monopoly verwechselt, sollte als Nachfolger deszuletzt glücklosen Andreas Rettig den FC vorwärts

bringen. Doch dann schafft genau dieser Meier dieerste Sensation: Die Rückholung jenes Mannes, dendie FC-Anhänger halb im Scherz – aber eben nurhalb im Scherz – den Messias nennen: ChristophDaum.

Die Umstände der Rückkehr des Trainers inklusi-ve der denkwürdigen Pressekonferenz im Kranken-haus waren so bizarr wie die Umstände seines un-freiwilligen Abgangs während der Weltmeisterschaft1990 in Italien. Warum genau Daum damals im WM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaftin Erba in einer Nacht- und Nebelaktion vom dama-ligen Kölner Club-Chef Dietmar Artzinger-Boltengefeuert wurde, dieser Nebel hat sich nie ganz ge-lichtet. Als später Daums Kokainkonsum öffentlichwurde, stellte Artzinger-Bolten einen Zusammen-hang zwischen der Entlassung Daums und DaumsNase her: »Ich nehme die jetzigen Daum-Berichtemit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis«,

teilte der frühere Präsident den Journalisten mit,»ich fühle mich bestätigt, daraus können Sie IhreSchlüsse ziehen.«

Andere Gerüchte gingen in die Richtung, dassChristoph Daum im Sommer 1990 am Transfer vonThomas Häßler zu Juventus Turin mitverdient habe, vielleicht sogar im Zusammenhang stehe mitden angeblich verschwundenen »Häßler-Millionen«,diesem Bernstein-Zimmer des 1. FC Köln. Diejeni-gen, die es wissen, werden es wohl nie preisgeben.Denn auch Icke Häßler steht inzwischen zum zwei-ten Mal in Diensten des FC. Seit Oktober 2006 istder Weltmeister von 1990 Technik-Trainer der Pro-fis. Lukas Podolski steht also in einer ganz beacht-lichen Tradition, die man »Niemals geht man soganz« oder »FC Köln – es gibt immer ein zweitesMal« betiteln und noch über Pierre Littbarski bisHennes Weisweiler zurückschreiben kann.

Der erste Annäherungsversuch des 1. FC an seinenEx-Stürmer fand bereits im Januar 2008 statt, kaum18 Monate nach dem Wechsel. Wolfgang Overathschwebte eine Art Leihgeschäft vor, doch die Bay-ern ließen den Kölner Präsidenten abblitzen. Vorder Europameisterschaft 2008 in der Schweiz undÖsterreich deutete Poldi dann an, dass nach dem

Turnier Gespräche über seine Zukunft stattfindenkönnten. Anfang Juli 2008 ließ Poldi vorsichtigdurchblicken, dass er sich eine Rückkehr zum alten Verein gut vorstellen könnte, und ChristophDaum machte ganz kurz jedem noch einmal klar,warum man ihn einst den »Lautsprecher der Liga«nannte: »Lukas ist heiß auf eine Rückkehr zum FC«,posaunte der Trainer.

Am 5. September wusste der Express von einem Geheimtreffen der FC-Verantwortlichen mit Podols-ki und dessen Beratern zu berichten. Ort der kon-spirativen Zusammenkunft: Die Klosterfrau-Zentra-le in der Kölner Gereonsmühlengasse. Am Tisch saßen an jenem Abend Lukas Podolski, FC-Präsi-dent Wolfgang Overath, sein Vize Jürgen Glowacz,Vorstandsmitglied und Klosterfrau-Chef FriedrichNeukirch. Es sei eine rein private Zusammenkunftin familiärer Atmosphäre gewesen, wurde überlie-fert. Den anschließenden Herbst und Winter ver-brachte Podolski dann immer öfter frierend und

Niemals geht man so ganz – die Liste der Köln-Rückkehrer ist lang: Hennes Weisweiler, Littbarski, Häßler, Michael Meier und

Christoph Daum nutzten ihre zweite Chance beim FC.

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36 Der Prinz kehrt heim

des FC werden!« Doch es vergingen noch zähe zweiWochen, bis der Poldi-Poker im Raum Diana 1 imMünchner Hotel Vierjahreszeiten mit dem Vierjah-resvertrag seinen glücklichen Abschluss fand. Die Beteiligten an den »angenehmen Gesprächenin einem guten Klima«, wie Uli Hoeneß später betonte, waren auf Münchner Seite neben HoeneßBayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rumme-nigge und Vorstandsmitglied Karl Hopfner und auf Kölner Seite die FC-Geschäftsführer Michael Mei-er und Claus Horstmann.

Dieser Vertragsabschluss im schicken Hotel Vier-jahreszeiten wäre nie zustande gekommen, wenndie Bayern um Uli Hoeneß den Kölnern nicht aufungewöhnliche Weise entgegengekommen wären.Es wäre überhaupt nicht zu beanstanden gewesen,hätten die Bayern auf die pünktliche Zahlung derzehn Millionen ohne Wenn und Aber bestanden,aber sie ließen sich auf einen Deal ein, wie ihn nurdie Kölner ins Spiel bringen konnten. Wahrschein-lich kennen die Bayern die Kölner aber gut genug,um zu wissen, dass das Kernstück dieses Deals qua-si bares Geld ist. Der Kölsche Deal geht so: Mer handat Geld nit, ävver mer könne fiere! Das heißt kon-kret und auf Hochdeutsch: Einen nicht unbeträcht-lichen Teil der Transfersumme bringt der FC durchdie Erlöse der gigantischen Poldi-Party im Sommerauf. In deren Mittelpunkt steht kurz vor dem Sai-sonstart ein Freundschaftsspiel des Kölner FC ge-gen den aus München. »Es wird ein Abschieds-Rück-kehrspiel geben, es soll die ganz große Bühne werden«, erklärte FC-Finanzboss Horstmann die Riesensause, die mehr als nur Spaß machen soll:»Natürlich wollen wir auf diesem Weg möglichstviele Einnahmen erzielen, um den Podolski-Trans-fer zu refinanzieren. Sämtliche Gelder aus Fondsoder Anleihen musst du irgendwann zurückzahlen,

»Für diesen Deal gibt es Argumente jenseits des Materiellen; er personifiziert Aufbruch und Lebensgefühl zugleich.«

Manager Michael Meier

Unter Trainer ChristophDaum ist Lukas PodolskiDreh- und Angelpunkt fürdie strategische Planung.

Goalgetter: In seinen ers-ten drei Jahren im FC-Tri-kot schießt Lukas Podolski22 Tore in der Ersten und24 in der Zweiten Liga. Wieviele werden es nach derRückkehr werden?

frustriert auf der Bayern-Bank. Im November zeig-te Karl-Heinz Rummenigge dann erstmals Einsichtund Erbarmen: »Es ist nicht angenehm, ewig zu hören, dass Lukas nach Köln will«, bekannte derVorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG.Unmittelbar nach Jahreswechsel legte sich dann Michael Meier fest: »Lukas wird das neue Gesicht

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Alle Jungs möchten es,doch an seiner Hand aufsSpielfeld laufen kann amEnde nur einer.

doch die Einnahmen aus diesem Spiel gehören uns.«Trinken für den Transfer, diesen kölschen Business-Plan haben die Bayern als seriöses Finanzierungs-modell akzeptiert. »Nur weil die Bayern da mit unskreativ waren, konnte das klappen«, erklärte Michael Meier. »Wir haben Dinge angepackt, dieman nicht für möglich hielt.«

Dass die Bayern so unkonventionell handeln, zeugt einerseits von dem Respekt, den sie Lukas Podols-ki entgegenbringen, andererseits von einer gewis-sen Erleichterung, wie Hoeneß auch einräumte: »Ich bin froh, dass die ganzen Transferdinge zu Ende sind. Lukas muss sich jetzt auf seinen Job beim FC Bayern konzentrieren und aufhören, in der Ecke zu jammern, schlecht gelaunt zu sein undüber seine so schwierige Situation zu lamentieren«,sagte der Manager gleich nach dem Verkauf. »Dennes gibt schwierigere Schicksale auf der Welt, alsbeim FC Bayern zu spielen.«

Gleich nach Bekanntgabe des Party-Deals meldetensich die üblichen Verdächtigen, wenn Köln sichselbst feiert: »Wir werden alles dran setzen, um

bei dieser Party dabei zu sein«, versprach Höhner-Drummer Janus Fröhlich, und auch die als Rock-band verkleidete Karnevalskapelle Brings gab sofort ein Statement ab: »Ehrensache, dass wir dadabei sind!«

Michael Meier nahm indessen sämtliche Bürger derStadt in die Pflicht: »Ganz Köln wollte die Rückkehrvon Lukas Podolski, jetzt kann ganz Köln auch helfen, dass wir das hinbekommen.« Im Detail: »Das soll ein absoluter Premium-Event werden«,kündigte Meier kurz nach Verkündung der Rück-holaktion an. »Alle Sponsoren sollen mitmachen,die Medien, die Fans!« Also legt die Gaffel-Brauereieine Pipeline ins Stadion, spendiert Sponsor REWEdie Verpflegung, und der Poldi-Fan konsumiert, bisder Prinz kütt.

»Lukas verkörpert die FC-Familie, die Wärme,die Emotionen, die der Kölner braucht«, analysier-te Meier die ganz spezielle Bedeutung der neuenVerschmelzung von Stadt und Stürmer. Da wird derManager fast schon spirituell: »Für diesen Deal gibt es Argumente jenseits des Materiellen; er per-sonifiziert Aufbruch und Lebensgefühl zugleich.«

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HANS SCHÄFERKölns erster Superstar

»Schäfer nach innen geflankt« – es sind die-se vier Worte, die ihm zu einer gewissenFußball-Berühmtheit verholfen haben, dennsie stammen aus der legendären Radio-Reportage von Herbert Zimmermann. »Schä-fer nach innen geflankt, Kopfball abgewehrt,aus dem Hintergrund müsste Rahn schie-ßen, Rahn schießt, TOOOOR, TOOOOR fürDeutschland!« Jeder deutsche Fußball-Fanhat Zimmermanns Worte im Ohr, als er dasEndspiel der Fußball-WM 1954 kommen-tierte. Und jeder weiß, dass Hans Schäfervom 1. FC Köln am spielentscheidenden Torder deutschen Nationalmannschaft gegendie Ungarn wesentlich beteiligt war. DerKölner feuerte damals den wichtigstenSchuss seines Lebens ab. Dieser ging nichtaufs Tor, aber er fand den Weg zu HelmutRahn … Deutschland siegte 3:2. Hans Schä-fer war einer der Helden von Bern.

Die glorreichen 50er Jahre – es waren natürlich andere Zeiten als heute. Lukas Podolski und Hans Schäfer zu vergleichen,das wäre so, als würde man einen Schwarz-Weiß-Fernseher mit einem LCD-Flachbild-schirm gleichsetzen. Obwohl ihre Positio-nen auf dem Spielfeld so unterschiedlichnicht waren. Hans Schäfer vom 1. FC Kölngalt als der beste Linksaußen der Weltmeis-terschaft 1954. Der »Kölsche Jong« war eine ganz wichtige Säule im Team von SeppHerberger, gefürchtet beim Gegner wegenseiner maßgeschneiderten Flanken aus vol-lem Lauf. Hans Schäfer ist neben OttmarWalter und Horst Eckel noch einer von dreiLebenden der ruhmreichen 54er Mann-schaft. In der Öffentlichkeit taucht der heute 82-Jährige aber so gut wie nicht mehr auf. »Der Hans will seine Ruhe ha-ben«, sagen seine engsten Kölner Freunde.

Gleichwohl war es eine sehr erfolgreicheZeit, die der großartige Linksaußen beim1. FC Köln erlebte, dessen Stil er von 1948bis 1964 wesentlich prägte. Hans Schäfer

war der erste Superstar des 1. FC Köln. Fürviele Kicker der nachfolgenden Generationwar er das Vorbild schlechthin, wobei derals geschäftstüchtig geltende Schäfer malrückblickend auf seine Karriere sinnierte:»Leider bin ich einige Jahre zu früh gebo-ren. In der heutigen Zeit hätte ich mit mei-ner 17-jährigen Karriere wohl so rund20 Millionen Mark verdient. Aber«, fügte erhinzu, »ich neide den Jungs das Geld nicht.«

Schäfer begann seine Laufbahn 1937 beimStadtteilclub Rot-Weiß Zollstock. Nach demKrieg wollte er unbedingt zum 1. FC Kölnwechseln, der sich gerade aus den VereinenKölner BC 01 und Sülz 07 gegründet hatte.»Für den Wechsel musste ich als Junge ei-nen Trick anwenden«, blickt Schäfer auf dieAnfänge seiner Karriere zurück. Zu dama-liger Zeit war es nicht möglich, ohne einjäh-rige Sperre innerhalb der Besatzungszonenden Club zu wechseln. Schäfer verließ sei-ne Zollstocker und »wanderte aus«, in dieamerikanische Besatzungszone zum VfLVolkmarsen nahe Kassel. Nach seiner Rück-kehr aus Hessen war Schäfer endlich freifür den FC und konnte als Vertragsspielerfür 230 Mark netto im Monat seinen Job alsFriseurgehilfe im elterlichen Salon been-den. Vollprofi war Schäfer aber auch beimFC anfangs nicht. Bis 14 Uhr arbeitete erwochentags in der Parfümerie-Abteilungbeim Kaufhof. Erst dann setzte er sich in dieStraßenbahn und fuhr nach Müngersdorfzum Training.

1954 gewann der 1. FC Köln mit dem groß-artigen Hans Schäfer erstmals die Meister-schaft der Oberliga West, damals die höch-ste deutsche Spielklasse. Vier weitere Ober-liga-Titel folgten von 1960 bis 1963. Dazudie Deutsche Meisterschaft 1962, der ersteganz große Triumph des FC. Die Domstäd-ter mit Hans Schäfer gehörten in dieser Zeitzum Besten, was Fußball-Deutschland zubieten hatte. Köln besaß damals eine kom-

plett rheinische Mannschaft, und wie es sichfür Kölner gehörte, hatte jeder seinen Spitz-namen: So war Karl-Heinz Schnellinger derFuss, Leo Wilden der Lei, Karl-Heinz Thie-len der Qualles, Ernst Günter Habig deBumms, und Schäfer war eben de Knoll.»Knoll wurde ich gerufen und werde dasauch heute noch, weil ich ein Dickkopf seinkonnte und es manchmal auch wollte«, sagtSchäfer schmunzelnd.

1963 gründete sich die Bundesliga.Prompt hieß der erste Bundesliga-Champi-on wieder 1. FC Köln mit Hans Schäfer alsSpielführer. Die Rheinländer beherrschtensouverän die übrige Konkurrenz und sicher-ten sich mit sechs Punkten Vorsprung denTitel 1964. Großen Anteil hatte der mittler-weile 37-jährige Schäfer, der in 22 Spielenzwölf Tore erzielte. Relativ spät, im Altervon 25 Jahren, debütierte Schäfer 1952 inder deutschen Nationalmannschaft. Beim5:1-Sieg gegen die Schweiz in Augsburg steu-erte er gleich zwei Tore bei, doch einenStammplatz hatte er noch nicht. Erst als seinkongenialer Partner Jupp Röhrig zum FCstieß, blühte auch Schäfer weiter auf, undBundestrainer Sepp Herberger kam nun an dem Kölner nicht mehr vorbei. Schäfer/Röhrig – das war der schwer zu stoppendeZwillingsflügel aus Köln.

»Wir verstanden uns blind. Da bedurftees keiner Zurufe, ein Kopfnicken genügte«,sagt Schäfer rückblickend. Schon zwei Jahre später feierte »de Knoll« mit dem Finalsieg von Bern den größten Erfolg sei-ner Karriere. Zwei weitere WM-Teilnahmenfolgten 1958 und 1962.

Schäfer beendete seine Karriere nachder Saison 1964/1965 und verabschiedetesich mit der Vizemeisterschaft. Im jungenWolfgang Overath hatte der Weltmeister von1954 inzwischen seinen Nachfolger gefun-den. Overath meinte später über Schäfer:»Sein Kommando galt, sein Wort wurde an-erkannt. Ich habe unendlich viel von ihmgelernt.«

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POLDIS AHNEN

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HANS SCHÄFERgeboren am 19. Oktober1927, spielte von 1948 bis1965 beim 1. FC Köln. In422 Meisterschaftsspielenschoss er 261 Tore. Für dieNationalelf lief er 39-malauf und erzielte 15 Treffer. Seine größtenErfolge: Weltmeister 1954,Deutscher Meister 1962 und1964, Fußballer des Jahres1963. Träger Silbernes Lorbeerblatt.

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HEINZ FLOHETriumph und Tragik eines Genies

Ende der 70er Jahre – die größte Zeit des1. FC Köln. Hennes Weisweiler war im Som-mer 1976 vom FC Barcelona nach Köln zu-rückgekehrt. Schon stellten sich die Erfol-ge ein: 1977 gewann der FC den DFB-Pokal.1978 folgte die Saison, die alles in den Schat-ten stellte. Die große Kölner Mannschaft errang das »Double« mit dem Gewinn derMeisterschaft und des DFB-Pokals. Im Teamstanden FC-Legenden wie Torwart ToniSchumacher, Abwehrstrategen wie BerndCullmann, Herbert Zimmermann und GerdStrack. Und im Sturm sorgte Dieter Müllerdafür, dass der FC mit 86 Bundesliga-Toreneinen neuen Vereinsrekord aufstellte.

Der Denker und Lenker und Kapitän dieserMannschaft aber war Heinz Flohe, ein ge-nialer Techniker und dazu – was höchst sel-ten ist – ein gefährlicher Torschütze. In den70er Jahren zählte der gebürtige Euskirch-ener zu den besten Spielmachern Deutsch-lands. »Flocke«, wie sie ihn rund um dasGeißbockheim nannten, konnte wie keinZweiter den Spielrhythmus bestimmen, denBall halten, das Spiel schnell machen. Der Linksfuß war in der Lage, weite Pässezu schlagen, den Gegner auf engstem Raummit seinen Täuschungsmanövern stehen zulassen. Viele Jahre machte er das an der Seite von Wolfgang Overath, den großen Erfolg feierte er aber ohne den exzentri-schen Nebenmann, der im Jahr zuvor vonder aktiven Fußball-Bühne abgetreten war.»Die Saison 1978/79 war die schönste mei-ner Karriere«, sagte Heinz Flohe später. »Pokalsieger, Meister und eine herrlicheMannschaft, die vom besten Trainer betreutwurde, den ich je kennengelernt habe.«

Es war aber eine Karriere mit viel Licht undSchatten. So blieb Heinz Flohe der ganz gro-ße internationale Durchbruch verwehrt. Er trug zwar 39-mal das Nationaltrikot undspielte auch zwei Weltmeisterschaften (1974 und 1978), trat aber nie aus dem Schat-ten eines Günter Netzer oder Wolfgang Over-ath heraus. Das lag auch an seiner Art. Flohe galt immer als eigensinnig und einwenig menschenscheu. Die Schulterklopferder Branche hatte er satt. Er war manchmallaunisch, wenig selbstbewusst, labil und unbeständig. Einer großen internationalenKarriere stand zudem ein nicht gerade gutes Verhältnis zum damaligen Bundes-trainer Helmut Schön im Wege.

Auch der bis dahin gute Draht zu seinem großen Förderer Weisweiler riss nach der»Double«-Saison. Der Ur-Kölner verließ sogar den FC und wechselte zu 1860 Mün-chen – ein folgenschwerer Entschluss. Ein halbes Jahr später beendete nämlich ein böser Tritt des damaligen Duisburgers(und späteren Kölners) Paul Steiner seineKarriere. Flohe zog sich einen komplizier-ten Schien- und Wadenbeinbruch zu, Nervenstränge wurden in Mitleidenschaftgezogen. Es war das sportliche Ende des großen Spielmachers, der mit nur 31 JahrenFrührentner und Sportinvalide wurde. Flohe zog vor Gericht, scheiterte jedoch. Steiner konnte kein Vorsatz nachgewiesenwerden. Er musste lediglich 5.000 MarkGeldstrafe zahlen.

Heinz Flohe kehrte später noch einmal zum1. FC Köln zurück. Als sein Freund Stephan Engels im September zum Cheftrainer aufstieg, folgte ihm Heinz Flohe als Co-Trai-ner. Die Entscheidung sorgte damals für einiges Aufsehen, da Flohe unter einemHerzfehler litt und drei Jahre zuvor einekünstliche Herzklappe erhalten hatte. Nachder Ablösung Engels’ durch Peter Neururerim März 1996 endete auch die Tätigkeit Flohes als Co-Trainer in der Bundesliga.Heute hat sich Heinz Flohe weitgehend ausder Öffentlichkeit zurückgezogen. Er warsowieso nie der Glanz- und Glamourtyp. Interviews gibt er nur sehr selten, wobei erdem Kölner Express Anfang des Jahres erzählte, dass er die Rückkehr von LukasPodolski sehr begrüßte. »Ich freue mich, ihn in Köln wiederzusehen. Der Junge passtzu hundert Prozent in den Club. Er iden-tifiziert sich mit dem Verein, das finde ichwunderbar.« Das Geschehen rund um denFC beobachtet er weiter aus seinem Heimat-ort Euskirchen, wo er mit seiner Frau Ullaein nach eigenen Angaben »bescheidendesLeben« führt.

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POLDIS AHNEN

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HEINZ FLOHEspielte von 1966 bis 1979 beim 1. FC Köln. In 329 Bundesligaspielengelangen ihm 77 Tore.Heinz Flohe absolvierte39 A-Länderspiele, warWM-Teilnehmer 1974und 1978. Mit dem 1. FCKöln feierte er 1978 das»Double«. Den DFB-Pokal holte Flohe mitdem FC außerdem 1968und 1977.

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WUNDERBAR GESCHEITERT INBAYERN

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OHNEWORTE

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FORMVOLLENDETE TECHNIK

Kaum einer hat einen besseren Schussmit links, der aber kommt in Münchenviel zu selten zur Geltung.

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ERSTERGROSSER TITEL

2008 wird Lukas Podolski mit den Bayern Deutscher Meister. Es kann dauern, bis er diesenMoment mit dem 1. FC Köln wiederholt.

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KONZENTRATION AUFS WESENTLICHE

Trotz aller Bemühungen gelingt es Lukas Podolski nicht, sichgegen die starke Konkurrenz im Sturm der Bayern durchzu-

setzen. Einsatz- und Torbilanz sind enttäuschend.

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52 Wunderbar gescheitert in Bayern

Magath, Hitzfeld, Klinsmann – drei Trainer schaffen es nicht, Poldis Potential beim Rekordmeister abzurufen. Zu oft wird die Ersatzbank sein Stammplatz. Enttäuscht sind beide – Spieler und Trainer.

Die Fußballfrage des Jahres 2009 lautet: Ist Lukas Podolski in München gescheitert oder nicht? DieAntwort: Ja – und das ist gut so! Kein anderes Schei-tern könnte für die Kölner Fußballfans schöner sein,und das ganz und gar nicht aus Schadenfreude, son-dern weil nur dieses Scheitern die Rückkehr zum1. FC Köln erlaubte. Wäre es Podolski auch nur ei-nigermaßen gelungen, häufiger das zu zeigen, waser kann, wäre er entweder beim FC Bayern Mün-chen geblieben oder es wären ganz andere Clubsan ihn heran getreten, gegen die die Macher imGeißbockheim ohne jede Chance gewesen wären.

Doch zuletzt unter Jürgen Klinsmann konnte Poldizu oft nur zeigen, dass er in der Lage ist, auf einerBank zu sitzen. Wenn er denn nicht ganz aus demKader gestrichen war und sich die Bayern-Partienvor dem Fernseher anschauen konnte. Dabei wares doch gerade Klinsmann, der beim Confederati-on Cup 2005 und der Weltmeisterschaft 2006 nichtmüde wurde, die Qualitäten und die Zukunft desjungen Ausnahmestürmers zu preisen. Dynamischwie kein Zweiter sei Podolski, lobte der Neu-Trai-ner, und vor allem robust. Was also lief falsch ander Isar? Die üblichen Experten waren sich schnelleinig: Podolski sei eben nicht dynamisch und ro-bust genug gewesen, sich gegen die Mitbewerberum die Plätze in der Spitze durchzusetzen. Weder

Luca Toni noch Miroslav Klose mussten zu irgend-einem Zeitpunkt ernsthaft fürchten, von Podolskiverdrängt zu werden.

Im Frühjahr 2006 sah das alles noch ganz andersaus. Bayern bekundete großes Interesse an demYoungster, der kein weiteres Mal mit Köln in dieZweite Liga gehen wollte, und Poldi erwiderte dieZuneigung, war geschmeichelt vom Werben desSpitzenclubs um seine Person. Weder Uli Hoeneßnoch Poldi werden zu diesem Zeitpunkt Zweifel amErfolg des Wechsels gehabt haben. Poldi traut manohnehin keine Zweifel zu, er trifft seine Entschei-dungen so, wie er seine Tore macht: »Vor dem Tormusst du eine Idee haben und die auch durchbrin-gen, dann ist der Ball meistens drin.«

Auch Werder Bremen und der Hamburger SV bemühten sich 2006 um Poldi, doch der war gedank-lich schon bei Deutschlands erster Fußballadresse.Bereits 2005 hatte er über Bayern gesagt, was mantraditionell als wechselwilliger Profi so sagt: »Dergrößte Club in Deutschland und für alle ein interes-santer Verein.«

Ein Vereinswechsel kam für ihn übrigens nie in Fra-ge, das kann man ihm gar nicht hoch genug anrech-nen. Der zu Bayer 04 Leverkusen: »Das verbietet

Die Schale lässter zurück, dieFarben bleibenauch nach demWechsel.

DAS MÜNCHNER MISSVER-STÄNDNIS

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Jubel der anderen Art –nach seinem Treffer gegenKöln im September 2008weiß der Torschütze zum3:0 für die Bayern nichtrecht, ob und wie er sichfreuen soll.

sich als Kölner«, sprach Poldi, »das wäre eine Todsünde.« Dass er sich für Bayern entschied, hatte auch mit seinen Erfahrungen in der National-mannschaft zu tun: »Hier sind die besten SpielerDeutschlands zusammen – und hier muss ich michgenauso durchsetzen wie in München.«

Als Podolski in München ankam, war Felix Magath Trainer. Seine Mitstreiter – und Konkurrenten – im Angriff waren Roy Makaay und Claudio Pizarro. Doch mehr Chancen und Einsätze bekam Poldi erst, als Felix Magath von Ottmar Hitzfeld abgelöst wur-de. Im April 2007 wurden alle Ambitionen durcheine Knochenabsplitterung im linken Knie samt anschließender OP zunichte gemacht. »Mein Zielist es, zu spielen, und dafür werde ich kämpfen«,gab sich Podolski trotzig, der zu diesem Punkt kaumnoch etwas von der Lockerheit und Leichtigkeit hatte, die er, gern mit seinem Kumpel BastianSchweinsteiger, beim sogenannten »Sommermär-chen« im Jahr zuvor versprühte.

Die kluge Neue Zürcher Zeitung stellte irgendwannnüchtern fest, Lukas Podolski sei ein guter Stür-mer – im falschen Club: »Podolski in München«,schrieben die Schweizer, »das ist ein großes Miss-verständnis.«

Lukas Podolski hielt und hält sich – logisch –nicht für gescheitert. »Das sehe ich überhaupt nichtso«, beteuerte der Ausgemusterte bei einem Auftrittim Aktuellen Sportstudio, zu dem er sich demons-trativ den Trainingsanzug der Bayern angelegt hat-

te. »Ich bin deutscher Meister und Pokalsieger geworden; für meine Entwicklung war es eine gro-ße Erfahrung, beim FC Bayern zu spielen.« Dass Jür-gen Klinsmann, der als Trainer auf Hitzfeld folgte,Poldis Ausmusterung damit begründet hat, dass derAngreifer seine Chancen bei den Bayern nicht ge-nutzt hätte, ließ der Stürmer so nicht gelten: Er ha-be immer alles gegeben bei seinen Einsätzen undauch im Training hart gearbeitet. Wie viele Bayern-Fans wird sich Poldi über Klinsmanns Entlassungam 27. April gefreut haben – nur etwas leiser undweniger öffentlich.

Es mag verwundern, dass Poldi von Bayern nichtwenigstens zu einem anderen deutschen Premium-Club mit internationalem Spielplan oder gleich insAusland wechselt. Doch er hatte seine Gründe fürdie Absagen an Dortmund, Turin etc. Bei seinenÜberlegungen halten sich die rationalen und dieemotionalen die Waage, der FC sei einerseits Her-zensangelegenheit, andererseits sieht Poldi über-zeugende sportliche Argumente. »Christoph Daumund Manager Michael Meier wollen den Verein wieder nach vorne bringen«, ist er sich sicher. »Das passt, denn auch ich will in meiner Karriereweiterkommen.« All denen, die im FC einen Ab-steiger sehen, verspricht er: »Es werden sich eini-ge noch wundern.«

Zunächst noch ein Kritiker des Wechsels von Bay-ern zurück ins Rheinland, kippte Günter Netzer,Deutschlands zweite Lichtgestalt nach dem Kaiser,

Wunderbar gescheitert in Bayern

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»Lukas ist ein Spieler, der die Unterstützung von Verein und Umfeld extrem braucht. Bei uns wird er sie bekommen.«

Wolfgang Overath

so plötzlich um, wie man es sonst nur von Deutsch-lands erster Lichtgestalt kennt: Die Rückkehr zumFC sei die richtige Entscheidung für alle Parteien,besonders für Poldi. »Denn«, so Netzer in einem Anflug von Poesie, »Poldi holt sich sein Glück undseine Zufriedenheit zurück.«

Am 1. November 2008 lief Podolski noch einmal auf,bevor er längere Zeit nur noch Zuschauer war. Ausgerechnet beim Heimspiel im Februar 2009 ge-gen seinen alten und neuen FC Köln setzte Klins-mann den Stürmer erstmalig im neuen Jahr wiederein. Ein schöner Tag für alle Kölner, man freute sichauf das Wiedersehen mit dem verloren gegangenenPrinzen und noch mehr über den 2:1-Erfolg nach 90Minuten, deren zweite Hälfte Poldi schon nicht mehrmitgestalten durfte. Klinsmann hatte ihn zur Pausenach einer wenig inspirierten ersten Halbzeit aus-gewechselt. Poldis schwache Leistung gegen Kölngibt für Verschwörungstheorien keinen Anlass,selbstverständlich hätte er Köln abgeschossen, wenn er die Chancen gehabt hätte. Der Mann istschließlich Profi. Vielleicht hätte er bei einem Tref-fer nur ein wenig reduzierter gejubelt, so wie manes sonst nach Toren gegen Polen erleben durfte.

Lukas Podolski und der FC Bayern, das ist im Rück-blick die kurze Geschichte eines großen Missver-ständnisses. Wolfgang Overath, Präsident der Kölner, Weltmeister von 1974 und einer der ent-scheidenden Väter der Rückholaktion, sah, was inMünchen nicht stimmte: »Der Junge hat kein Selbst-vertrauen. Das hat man beim Spiel gegen den FC gesehen. Aber den Bayern kann man deshalbkeinen Vorwurf machen. Die haben 15 Poldis undkönnen bei all der Klasse im Kader auf Einzelschick-sale kaum Rücksicht nehmen. Lukas ist aber einSpieler, der die Unterstützung von Verein und Um-feld extrem braucht. Bei uns wird er sie bekommen.«Overath legt sich fest: »Es wäre schon 2006 für ihnbesser gewesen, er wäre geblieben und zu einemechten Leader in Köln geworden.«

Overath kann sich sehr gut in Podolskis Lageversetzen, er kennt solche Phasen aus seiner eige-nen aktiven Zeit. »Wenn du Techniker bist«, erklärtder Weltmeister, »dann bist du noch viel sensibler,als wenn du nur über die Kraft kommst. Wenn dudann aber kein Selbstvertrauen hast, kannst du einpacken. Denn zu 80 Prozent macht bei einemFußballer das Selbstvertrauen die Leistung aus. Und mir selbst mangelte es daran öfter, als viele

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Der Sieg im DFB-Pokal-finale gegen Dortmundmacht 2008 das MünchnerDouble perfekt. WenigeTage nach dem Gewinn der Meisterschaft darfPoldi auch die zweitegroße Trophäe in den Hän-den halten. In der Champ-ions League lassen großeErfolge auf sich warten.

glauben.« So sei es ihm zum Beispiel ausgerechnetkurz vor der Weltmeisterschaft 1974 im eigenenLand gegangen. »Ich lieferte im Verein grotten-schlechte Leistungen ab und hatte überhaupt kei-ne Lust mehr zu spielen«, erinnert er sich an seineschwarzen Momente. »Dann ging es ins Trainings-lager nach Malente. Und dort schwor ich mir eines:Jetzt ist mir alles scheißegal, jetzt packe ich’s anund halte dagegen. Ich las keine Zeitung mehr, gabkeine Interviews. Ich konzentrierte mich nur nochaufs Training und lernte wieder zu beißen, zu spucken.« Es hat funktioniert, bei einem Testspielplatzte der Knoten. »Wir siegten 12:0, die Pässe ka-men wieder an, ich hatte die Lust wiedergefunden.

Und schwups war ich in der Mannschaft gesetzt.«Auf Lukas Podolski gemünzt heiße das: »Es gibt

Phasen, in denen kannst du dich hängen lassen.Aber dann muss der Punkt kommen, an dem du dichselbst wieder rausreißt. Und dann bist du wiederder Alte. Es liegt allein an einem selbst.«

Ähnlich äußerte sich auch Overaths Amtskol-lege in München: »Podolski hat vielleicht zu frühbei den Bayern aufgegeben, vielleicht hätte er sichdoch noch durchgesetzt, denn das nötige Talent dazu hat er. Ich bedaure, dass er uns verlässt«,sprach der Kaiser. Doch Franz Beckenbauer wuss-te auch, warum der Prinz den Kaiser verließ: »Er wollte halt unbedingt zurück nach Köln.«

Podolski war nie Münchner. Er lebte nicht einmaldort. Als er für den FC Bayern München spielte,wohnte er vor den Toren der bayerischen Metro-pole in Hechendorf am Pilsensee.

Es hätte Podolskis Rückkehr nie gegeben, wenner nicht weggegangen wäre, und weggegangen ister nur, weil der 1. FC Köln diesen fatalen Hang zumFahrstuhl-Fußball hat. Es gab keinen einzigen ech-ten Fan, der es Poldi damals übel genommen hat,dass er nicht schon wieder mit seinem Riesentalentin die Zweite Liga gehen wollte. In der Südkurve be-reitete man sich innerlich wieder auf die Fahrtenins Erzgebirge und nach Ostwestfalen vor. Man warbereit, diesen Bußgang durch die Hölle der Provinzanzutreten, in primitive Stadien mit Aschenbahnenund doofen Fans und lauwarmem Bier einzuziehen.Das alles aber sollte ihr bester Mann, dieser guteJunge, nicht erleiden müssen. Es war wie in einemWestern, wenn die Angeschossenen sagen: »Nimmdas Pferd, lass mich hier mit einer Handvoll Patro-nen zurück, und zieh weiter, der Sonne entgegen!«

Jeder, der Poldi liebte, und das waren alle, zeig-te das, indem er losließ. Podolski wusste Bescheid.»Es war eine super Zeit beim FC«, sagte er, »superFans, super Stadion – aber noch ein Jahr Zweite Liga wäre nicht okay gewesen für mich.« So gese-hen hat seinerzeit nicht Poldi den FC verlassen, eswar der FC, der Poldi im Stich ließ; er hatte keineandere Wahl als zu gehen. Ohne diesen Abstieg wäre alles anders gekommen, vielleicht besser, viel-leicht auch nicht.

Der Konjunktiv ist der Feind des Fußballs, jedenfallsstreifte sich Poldi das Bayern-Trikot über, obwohlunter denen, die ihm zu einem Verbleib beim 1. FCKöln geraten hatten, ausgerechnet auch noch Ott-mar Hitzfeld war. Doch Hitzfeld war gerade mal nichtBayern-Trainer, sondern Felix Magath. Und der setz-te Podolski nur sporadisch ein, gab sich aber über-zeugt, dass da noch mehr käme. Auch Poldi war noch zuversichtlich, sich bei den Bayern behaupten

Wunderbar gescheitert in Bayern

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Auseinandergelebt:Bei der WM 2006schreiben sie eineErfolgsgeschichte,drei Jahre späterlässt sich diese Storyin der Bundesliganicht wiederholen.

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zu können. Das änderte sich im Herbst 2006, als Poldi erstmals Unzufriedenheit mit seiner Situationartikulierte: »Es ist momentan nicht so, wie ich esmir vorgestellt habe.« Im Oktober zwang ihn eineSprunggelenksverletzung zu einer sechswöchigenAuszeit. Im Dezember löste Ottmar Hitzfeld FelixMagath ab, und Uli Hoeneß äußerte sich deutlichzum Problemfall Podolski: »Lukas muss jetzt bei-ßen, Ansprüche auf einen Stammplatz anmelden«,sagte der Manager, die Lehrlingsphase sei vorbei.

Nach einem Jahr bei den Bayern stellten ihm dieBundesliga-Kollegen ein hässliches Zeugnis aus. Sie wählten ihn zum »Absteiger der Saison«. Hinter-grund der schlechten Benotung war die Ausbeute

von vier Toren in 22 Liga-Spielen, bei denen er elf-mal eingewechselt worden war. Im August 2007 fei-erte Poldi nach seiner Knieverletzung, die ihn vierMonate außer Gefecht gesetzt hatte, sein Comeback –bei den Bayern-Amateuren in der Regionalliga! Wenig später meldete sich Uli Hoeneß wieder zuWort, verlangte eine gravierende Änderung der Ein-stellung seines Stürmers und legte nach: »Sonst wirder es hier nicht schaffen!« Poldi wehrte sich: »Ich habe nie eine Chance bekommen über sieben, acht,neun Spiele hinweg!« Diese Äußerung rief wieder-um Karl-Heinz Rummenigge auf den Plan: »Wir sinddoch kein Experimentierfeld hier beim FC Bayern!«

Auch das Jahr 2008 fing nicht so an, wie von Poldierhofft. Bereits im Januar kamen ihm erstmals Ge-danken an einen Abschied von den Bayern: »Wenndie Rückrunde für mich so verlaufen sollte wie dieHinrunde, dann muss ich intensiv nachdenken, wieund wo es für mich weitergeht.« Nur elfmal war erin der Hinrunde eingesetzt worden, Torbilanz: Null.Seine Statements wurden immer deutlicher: »Ichhabe die Nase voll von der Bayern-Bank«, klagte Po-dolski, der sich im Mai 2008 immerhin DeutscherMeister und Pokalsieger nennen durfte. Fünf Tref-fer waren sein Beitrag zum Gewinn der Meister-schale. Die anschließende Europameisterschaft inÖsterreich und der Schweiz wird ihm wie ein Urlaub vorgekommen sein, mit drei Toren war erbester deutscher Schütze in einem deutschen Team,das nicht recht überzeugte und kein zweites Som-mermärchen schreiben konnte.

Im Oktober 2008 wurde Jürgen Klinsmann Bay-ern-Trainer und wollte unbedingt an Poldi festhal-ten: »Er wird beim FC Bayern bleiben, er liegt mirauch persönlich am Herzen«, beteuerte Klinsmann.

Doch auch dieses Herzensbekenntnis ändertnichts an einem Sachverhalt, der im Juli 2008 öffentlich wurde. In Podolskis Vertrag, so wird be-kannt, ist eine Klausel festgeschrieben, nach derdie Bayern den 1. FC Köln über jedes Podolski be-treffende Angebot unterrichten müssen. Und soll-te der FC in der Lage sein, bei diesem finanziellenAngebot mithalten zu können, dann erhält der FCautomatisch den Vorzug. Tatsächlich gehen in derSäbener Straße in München diverse Angebote ein,Marseille und Dortmund, der HSV und Rom – alles,

was im europäischen Fußball einenschönen Namen hat, signalisiert In-teresse an der Perle Poldi. Obwohldamit klar wurde, dass eine Rück-holaktion ein teurer Spaß wird, steigtam Rhein das Rückholfieber aufTemperaturen, die man eher am Nilvermuten würde. Im Dezember dannendlich scheinen die Bayern von

Poldis Drängen und Kölns Ziehen zermürbt zu sein.Resigniert geben sie auf. »Er vermittelt seit Mona-ten den Eindruck, als drehe es sich bei ihm nur nochum die Rückkehr zum 1. FC Köln«, fasste Rumme-nigge unwidersprochen zusammen.

Es vergingen aber noch ein paar bange Tage undWochen, bis am 19. Januar 2009 nicht nur am Geiß-bockheim mit etlichen Kölschstangen auf die froheBotschaft, auf die definitive Bekanntgabe des defi-nitiven Wechsels, auf das Ende der Leidenszeit inMünchen und auf eine hoffentlich glorreiche Fuß-ballzukunft – für den FC, für alle Fans und für Lukas Podolski – angestoßen wurde.

„Ich habe nie eine Chance bekommen über sieben, acht, neun Spiele hinweg.“

Lukas Podolski

So möchte keinerabgelichtet werden,der viel lieber mitdem Ball über denRasen läuft.

Wunderbar gescheitert in Bayern

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Servus Bayern! Auch inMünchen wird er ein paarneue Fans – große undkleine – gewonnen haben.Seine Nichte Julie hältohnehin immer zu ihm,egal bei welchem Verein.

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TONI SCHUMACHERDas Tier im Tor

»Wenn ich keine Schmerzen mehr habe,bin ich tot«, pflegte Schumacher gernezu sagen und verdeutlichte so geradezuprosaisch, was ihn ausmachte: Bedin-gungsloser Einsatz, auch gegen sichselbst, Hauptsache, das verdammte Dinggeht nicht rein. Der Torwart, den die Fuß-ballwelt Toni nennt, der Kölner Tünn,der auf Harald gar nicht reagiert, hat mitgebrochenen Fingern, mit gebrochenemNasenbein, Nierenquetschungen, gebro-chenen Rippen gespielt. Er hatte Kreuz-bandrisse wie andere Leute Schluckauf,mehrere Meniskus-OPs und eine schwe-re Arthrose. Seine Finger sehen aus, alskönnte er ein Klavier nicht einmal auf-klappen.

Genau das sind die Zutaten, aus de-nen Publikumslieblinge gemacht sind.Nicht nur in Köln. Auch auf Schalke, woer nach seinem Rausschmiss beim 1. FCKöln für ein Jahr anheuerte, und danachin der Türkei. In Istanbul kam Schuma-cher bereits als Publikumsliebling an:»Ich bin bei meiner Ankunft am Flugha-fen von 5.000 begeisterten Türken emp-fangen worden, die haben mich auf denSchultern durch die Halle getragen, wieden Majestix bei Asterix«, erinnert sichSchumacher, der mit Fenerbahce umge-hend die Meisterschaft gewann.

Auch bei Niederlagen ist es von Vor-teil, Liebling der Fans zu sein, speziellder besonders fanatischen türkischenFans: »Wenn wir mit Fenerbahce verlo-ren hatten, stürmten unsere Anhängermanchmal das Feld und hatten kleineStöckchen dabei, um uns zu versohlen.Ich wurde immer verschont. Du gut! ,wurde mir erklärt.«

1972 war Schumacher als 18-Jährigernach Beendigung seiner Kupferschmied-Lehre nach Köln zum 1. FC gekommen.Er konnte gar nicht anders als Lieblingder FC-Anhänger werden, denn er wareiner von ihnen. »Ich komme von derStraße, aus ganz armen Verhältnissen,

und das habe ich nicht vergessen.« Wiediese Verhältnisse waren, das beschreibter eindringlich in seiner Autobiographie»Anpfiff«: »Wir wohnten in einer Arme-Leute-Siedlung, unsere Nachbarn warendie Asozialen. Ich konnte den Nieder-gang vieler Familien verfolgen; viele Vä-ter waren Alkoholiker, viele Mütter eineMischung aus Schlampe und Kneifzan-ge«. Sein Vater sei abends müde vom Baunach Hause gekommen und habe sichschweigend vor den Ofen gesetzt. »Va-ter – lange Jahre bedeutete das für mich:ein paar Beine vor dem Feuer.« SeineMutter war Hausfrau und prägte den Bubsehr: »Lass nur, Junge«, pflegte sie zu sa-gen, »Armut schändet nicht. Ehrlich blei-ben und fleißig. Dass man sich nichtschämen muss.«

In diesem Bewusstsein zog es dendann gut verdienenden Profi-FußballerSchumacher, der seiner Familie vom ers-ten Geld eine größere Wohnung kaufte,nach Siegen und auch nach den finsters-ten Niederlagen immer in die Südkurve.»Das war ein festes Ritual bei den Fansund mir; ich wurde gefordert – und dannhab ich mich gezeigt. Das ist das Geheim-nis meiner Beliebtheit – auch heutenoch.«

Als Schumacher selbst noch als kleinerFan in der Südkurve stand, da waren sei-ne FC-Helden Wolfgang Overath, Karl-Heinz Thielen, der ewige Verteidiger Mat-thias Hemmersbach und natürlich derTorwart Toni Schumacher, der von 1960bis 1968 Kölner Schlussmann und ebenauch der Namensgeber war und aus Ha-rald einen »Toni« Schumacher werdenließ.

Als der wohl weltbeste Torhüter seinerZeit 1987 mit seiner Autobiographie »An-pfiff« die Funktionäre verprellte undnach 76 Spielen sowohl das Tor der Na-tionalmannschaft als auch nach 16 Jah-ren und 422 Spielen das des FC räumen

musste, standen die Kölner Fans im Sü-den des Müngersdorfer Stadions nochhinter ihm. »Ich sollte bleiben und derVorstand gehen, stand auf den Transpa-renten.« So einer bestreitet am Ende sei-ner Karriere dann auch nicht ein, son-dern gleich drei Abschiedsspiele. Im Ju-ni 1991 wurde Toni, der nach Istanbulnoch in den Diensten des FC BayernMünchen und Borussia Dortmund stand,von Fenerbahce verabschiedet. Dass erden Erlös des Spiels gegen Atletico Ma-drid für den Bau eines Kinderkranken-hauses spendete, machte in der Türkeiaus dem Publikumsliebling einen Volks-helden. In einem zweiten Spiel trafenFenerbahce und Bayern München auf-einander. In seinem letzten Abschieds-spiel traf der »Rekord-Abschiedsspieler«,wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, imApril 1992 mit »Tonis Top-Team« auf dieNationalmannschaft, und das in seinemalten Stadion in Köln, denn Schumacherhatte sich mittlerweile sowohl mit demDFB als auch mit dem FC ausgesöhnt.Bis heute hat niemand mehr Spiele imGeißbock-Trikot bestritten als der einstverstoßene Sohn.

Toni Schumacher ist heute als Teilhaberund Geschäftsführer einer Sport-Marke-ting-Agentur mit Sitz in Köln tätig undverfolgt nicht nur aus alter Verbunden-heit sehr genau, was mit und um LukasPodolski passiert. Den Wechsel vom FCKöln zum FC Bayern habe er seinerzeitnicht verstanden, sagt Toni. »Da war Pol-di nicht gut beraten«. Er hätte Poldi zu-nächst einen Wechsel nach Hamburgoder Bremen nahegelegt. »Dann wäre erreif für Bayern München gewesen, aberso war er noch nicht weit genug, um sichin einem Kader von dieser Qualitätdurchzusetzen.«

Und die Rückkehr nach Köln? Dawird der Tünn zum Orakel: »Die wird mitsehr großem Druck für ihn verbundensein.«

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TONI SCHUMACHERstand von 1973 bis 1987im Tor des 1. FC Köln,kam auf 422 Einsätze, inder Nationalmannschaftstand er 74-mal auf derTorlinie. 1996 beendeteder zweimalige Fußbal-ler des Jahres seineaktive Laufbahn beiBorussia Dortmund.

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PIERRE LITTBARSKI Der sagenhafte O-Bein-Dribbler

Sie trugen beide das Trikot mit der Num-mer 10, beide kamen als Jugendspieler zumFC, ihre Nachnamen enden zufällig auf dergleichen Silbe -ski. Beide hatten Problememit ihren Trainern. Beide suchten ihr Glückfür eine gewisse Zeit bei anderen Clubs, siefanden es dort aber nicht und kehrten zurück. Die Gemeinsamkeiten von LukasPodolski und Pierre Littbarski sind verblüf-fend groß. PL und LP – sogar die Initialenihrer Namen sind fast identisch.

Und beide lieben die Stadt genauso wiedie Menschen, die in ihr leben. Von Star-allüren und Berührungsängsten ist nichtszu spüren. »Mir machte es damals nichtsaus, auf die Kölner zuzugehen. Ich habe dassogar gemocht. Das ist beim Lukas mit sei-ner natürlichen Art ähnlich. Er tut nicht sogekünstelt wie so viele andere in der Bran-che. Das ist sehr wohltuend. Die Fans haben ein feines Gespür dafür, ob etwasecht ist oder nicht«, sagt Pierre Littbarski.

Der kleine Dribbelkönig, der sich mit sei-ner unnachahmlichen Art in die Herzen derFC-Fans spielte, spricht aus Erfahrung. Erwar der große Publikumsliebling und dieIdentifikationsfigur des 1. FC Köln in den80er Jahren. Seine unverwechselbaren Säbelbeine und sein O-beiniger Gang sindLegende und bescherten dem FC so man-chen großen Erfolg, wie den Gewinn desDFB-Pokals im Jahr 1983, als dem gebürti-gen Berliner der 1:0-Siegtreffer gelang. Nochheute klopfen sie beim FC dem ehemaligenManager Karl-Heinz Thielen auf die Schul-ter, dass er den kleinen Fummel-König für25.000 Mark aus der A-Jugend von HerthaZehlendorf loseiste.

Littbarski und der FC – das passte von An-fang an. Zunächst nahm sich der große Hennes Weisweiler des kleinen, nur 1,68 mgroßen Pierre Littbarskis an. »Don Hennes«verordnete, so wird überliefert, erst einmalHanteltraining, um den schwächlichen Jun-gen aus Berlin muskulär aufzupäppeln. DieErfolge stellten sich alsbald ein. Schon inseiner zweiten Saison, 1979/1980, war der

19-Jährige Stammspieler unter Weisweilerbeim 1. FC Köln.

Sprachlich hatte der Zugezogene gleichwohlanfangs seine Probleme: »Ich habe ja garnicht verstanden, was die Bläck Fööss, die Höhner oder die Botterblömche gesun-gen haben.« Noch heute ist Littbarski des-halb Heinz Flohe dankbar, dem Meisterstür-mer von 1978, der für den jungen Teamka-meraden aus der fremden Stadt die kölschenLiedtexte ins Hochdeutsche übersetzte.

Littbarski war ein Star zum Anfassen. Erliebte die Kölner, und die Kölner liebten ihn.»Köln ist ja ein übersichtliches Fleckchen,ganz anders als Berlin oder München, garnicht so anonym. Beim Einkaufen habe ichimmer dieselben Leute getroffen. Sie habenmir dann ihr Herz ausgeschüttet, ob es nungut oder schlecht bei uns lief.« Littbarskimochte das, er mochte die Art der »Köl-schen«, die er so viel freudiger erlebte alsdie Menschen anderswo. »Die Kölner sindnicht so negativ wie die Münchner«, stellter fest und denkt noch heute gerne an dieBegegnungen mit BAP, den Bläck Fööss oderJürgen Zeltinger. Littbarski: »Die kamen immer raus zu uns zum Training. Aber vondenen fühlte sich keiner als etwas Beson-deres. Dieses freundschaftliche Verhältnis,das macht Köln aus.«

Gleichwohl erlebte auch Littbarski sportlichschwere Stunden. Unter Weisweiler-Nach-folger Rinus Michels schlitterte »Litti« in eine harte Formkrise und durchlebte nacheigenen Worten in der Saison 1983/84 »eine schlimme Zeit«. Parallele zu Podols-ki: Auch der kam gut 20 Jahre später mitTrainer Uwe Rapolder und dessen System-fußball eine Weile nicht zurecht.

Littbarski zog 1986 die Konsequenzen undprobierte sein Glück in Paris. Er wechseltezum aufstrebenden Racing Club, doch esblieb beim Versuch. Nach 14 Monaten Frust,in denen er sportlich und menschlich nichtvorankam, nahm der damals 26-Jährige so-

gar eigenes Geld in die Hand (angeblich500.000 Mark), um sich bei der Rückhol-Aktion aus Paris zum FC zu beteiligen. »Du kommst in die Kabine und siehst beider Mannschaftsbesprechung endlich wie-der deinen Namen an der Tafel, das hat mirnach der schweren Zeit in Frankreich einenechten Schub gegeben«, berichtete Litt-barski später dem Express.

Zurück in Köln hatte er sie nun wieder, sei-ne kleinen Anlaufstellen, die ihm so wich-tig waren und die allesamt an den KölnerRingen lagen: das Steakhaus, das dem Mann-schaftskoch des FC gehörte, oder das Beklei-dungsgeschäft »Young men«, bei dem sichLittbarski und Co. modisch eindeckten. »DieInhaber haben uns Spielern immer etwasgeschenkt, dafür haben wir ihnen Eintritts-karten mitgebracht«, weiß Litti noch genau.

»Aber es sind eben diese kleinen Orte, dieein Spieler braucht, um sich wohl und hei-misch zu fühlen«, meint Littbarski, »und diehatte der Lukas in München offenbar nicht.So abgezockt ist er auch nicht, dass er sagt,ich gehe jetzt mal mit den anderen mit –dorthin, wo die Schickimicki-Szene ist. Ergibt sich halt mit weniger zufrieden«, meintLittbarski.

Dass Podolski noch ein halbes Jahr aufseine Rückkehr nach Köln warten musste,sieht Littbarski mit einem lachenden undeinem weinenden Auge. »Sportlich ist es sicher etwas kompliziert, aber menschlichkann ein bisschen Wartezeit durchaus vonVorteil sein.«

Et hätt noch immer joot jejange – Littbars-kis zweite Kölner Episode war jedenfalls wieder von Erfolg gekrönt. Unter TrainerChristoph Daum holte er mit der Geißbock-Elf 1990 die Vizemeisterschaft und wurdewenige Wochen später – als Krönung seinergroßen Karriere – in Italien Weltmeister.Fehlt nur noch, dass Lukas Podolski eineähnlich erfolgreiche »zweite Halbzeit« inKöln erlebt – dann wären die vielen Gemein-samkeiten vollkommen.

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PIERRE LITTBARSKIgeboren am 16. April 1960 inBerlin, war bei drei Weltmeis-terschaften am Ball, krönteseine Karriere mit dem WM-Titel 1990. Littbarski spielte73-mal für Deutschland und –zwischen 1978 und 1993 –406-mal für den 1. FC Köln inder Bundesliga. 1983 gewanner mit den Kölnern den DFB-Pokal, sein einziger Vereinsti-tel. Seine aktive Karrierebeendete er in Japan, wo erfür JEF United Furukawa undBrumel Sendai spielte. SeitNovember 2008 trainiert erden FC Vaduz (Liechtenstein).Seine Trainierstationen führten ihn zuvor zu BayerLeverkusen, MSV Duisburg, FC Sydney, Avispa Fukuokaund Saipa Teheran. Littbarskiist mit der Japanerin HitomiKoizumi verheiratet. Die bei-den haben zwei Söhne, Joel(11) und Lucien (5).

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THOMAS HÄSSLERKleiner Icke, großes Herz

Es war irgendwann Mitte Mai 1990. Dem1. FC Köln gelang zwar nicht der ganz gro-ße Coup am Ende der Bundesliga-Saison,aber immerhin sprang nach einer aufregen-den Serie die Vizemeisterschaft heraus. Der FC wird deutscher Vize-Meister. Wasviele FC-Fans damals noch nicht ahnenkonnten: Es sollte bis heute der letzte gro-ße Erfolg einer Kölner Fußballmannschaftbleiben. Und vielleicht wussten sie es doch,als sie einen ihrer ganz großen Lieblinge indie weite Fußballwelt hinausschickten. Wenige Wochen zuvor hatte Thomas Häßlernämlich seinen Wechsel zu Juventus Turinverkündet. Das Kölner Publikum jedenfallsfeierte den nur 1,66 Meter großen Mittel-feldspieler mit stehenden Ovationen, Tho-mas Häßler heulte hemmungslos. Es sei, so schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger, einAbschied gewesen, »wie ihn das Müngers-dorfer Stadion noch nicht erlebt hat – selbstdamals nicht, als Wolfgang Overath seineKarriere beendete.« Mit Thomas Häßler gingin jenen Maitagen 1990 nicht nur ein gro-ßer Spieler aus Köln fort, es ging auch dergroße Erfolg.

Wie sein Spitzname unschwer erraten lässt,ist Thomas Häßler ein Berliner Junge. Auf den Bolzplätzen in West-Berlin soll erals kleiner Bub seinen Mitspielern immer»Icke, Icke« zugerufen haben, wenn er denBall haben wollte. Wenn er ihn dann bekam,wusste er damit mehr anzufangen als die

meisten seiner Kumpels. Das sah man sofort. Auch Christoph Daum, dem dama-ligen Nachwuchstrainer des FC, war Häß-ler aufgefallen, als dieser mit den Reinicken-dorfer Füchsen bei einem DFB-Jugendlagerin Duisburg weilte. Christoph Daum lotsteden blonden Berliner 1983 nach Köln, woer zunächst noch ein Jahr in der A-Jugendspielte. Mit 18 Jahren erhielt das hoffnungs-volle Talent ein Jahr später einen Profi-vertrag. Große Aufmerksamkeit erregte Häß-ler wiederum ein gutes Jahr später. Am11. Dezember 1985 traf der FC im UEFA-Cupauf Hammarby IF. Die Kölner, trainiert vonHannes Löhr, hatten das Hinspiel in Schwe-den mit 1:2 verloren. Als im Rückspiel inder 65. Minute Thomas Häßler eingewech-selt wurde, stand es 1:1. Am Ende siegte derFC mit 3:1, und der Kölner Stadt-Anzeigerjubelte: »Häßler wirbelte, Häßler gab dieVorlagen zu zwei Toren, und Häßler zeigteauf, dass er der künftige Spielmacher des1. FC Köln werden kann.«

Doch es folgten neue Rückschläge und Leistungstiefs, bis Häßler 1988 endlich den Durchbruch schaffte. Zunächst half der damals 22-Jährige mit, bei den Olym-pischen Spielen in Seoul die Bronzeme-daille zu holen, dann folgte kurz darauf dieerste Berufung in die A-Nationalmannschaft.Bei seinem Debüt im August 1988 gegenFinnland spielte er, so der Teamchef FranzBeckenbauer, »als hätte er schon 100 Län-derspiele hinter sich.« Eine große Karrierein der Nationalmannschaft nahm seinen Anfang. Denkwürdig: Häßlers erster Län-derspieltreffer. Im November 1989 sicher-te er mit seinem Tor zum 2:1 gegen Walesder deutschen Mannschaft überhaupt erstdas Ticket zur WM 1990, die mit Häßlersgrößtem sportlichen Triumph enden sollte.Noch mehr im Rampenlicht stand der kleine Berliner allerdings bei der EM zweiJahre später in Schweden. Häßler befandsich nun auf dem Zenit seines Könnens

(»Das war der beste Fußball, den ich je ge-boten habe.«). Zwar scheiterte Deutschlandim Endspiel gegen Dänemark, doch Häßlerwar der überragende Spieler des Turniersund wurde auch von den Fachjournalistenzum besten EM-Spieler gewählt.

Seine Karriere verlief auch nach diesemgrandiosen EM-Turnier wechselhaft. Nachnur einem Jahr bei Juventus Turin heuerteer bei AS Rom an und blieb dort drei Spiel-zeiten. 1994 kehrte er für sieben MillionenMark Ablösesumme zum Karlsruher SC zurück. Borussia Dortmund und 1860 Mün-chen lauteten seine weiteren Stationen, eheer im hohen Fußballalter von 38 Jahren sei-ne aktive Laufbahn beim österreichischenErstligisten SV Austria Salzburg ausklin-gen ließ. Seine internationale Karriere nahmein fast tragisches Ende. Bei der völlig ver-korksten EM 2000 wechselte ihn TrainerErich Ribbeck in der 59. Minute für Meh-met Scholl ein. Deutschland verlor 0:3 ge-gen Portugal. Es war Häßlers 101. und letz-tes Länderspiel. Mit dem Abschied aus Kölnzehn Jahre zuvor war dieser Abtritt wahr-lich nicht mehr zu vergleichen.

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THOMAS HÄSSLER geboren am 30. Mai 1966 inBerlin, absolvierte von 1984bis 1990 149 Bundesliga-Spiele für den 1. FC Köln, indenen er 17 Tore erzielte.Seine größten Erfolge: Welt-meister 1990, Europameister1996, Vize-Europameister1992, Fußballer des Jahres1989, 1992. Bester Spielerder EM 1992, Bundesliga-Vizemeister 1989, 1990.UEFA-Cup-Finalist 1986,1994. 400 Bundesligaspieleinsgesamt (68 Tore),120 Spiele Serie A (12 Tore),64 Europapokalspiele(9 Tore). Heute arbeitet Thomas Häßler als Technik-Trainer beim 1. FC Köln.

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DIE ANDERE LIEBLINGSMANNSCHAFT:DAS DEUTSCHE NATIONALTEAM

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FUSSBALLVERRÜCKTEUNTER SICH

Bei der EM in Österreich und der Schweiz hatPoldi so viel Spaß wie die Fans. In Bayern gibt esfür ihn weniger Anlässe zum Jubeln.

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DREIFARBEN

Vergeblich bemüht sich Polens Fußballverband um Lukas Podolski. Bei aller Liebe zur Heimat – der Umworbene trägt bereits

als B-Jugendspieler das Trikot mit dem Adler.

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Im Juni 2004 beruft RudiVöller, damaliger Team-chef der deutschen Elf,Lukas Podolski erstmalsin den Kader. Ein Jahr später ist Jürgen Klins-mann Trainer und zeigtbeim Confed-Cup ein ganz neues Gesicht derMannschaft.

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Beim 3:0-Erfolg des deutschen Teams überTunesien glänzt Podolskiauch ohne Torerfolg.

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GOLDENEZWANZIGER

Inzwischen prangt die ruhmreiche 10, die vor ihm bereitsLegenden wie Günther Netzer und Lothar Matthäus trugen,auf seinem Nationalmannschaftstrikot.

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Schweini und Poldi zeigen der Welt mit ihrer unbekümmerten und frechen Art, dass es in Deutschland durchaus auch lustig zugehen kann.

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TRAUMPAAR DERWELTMEISTERSCHAFT

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78 Die andere Lieblingsmannschaft

EINE DEUTSCHEERFOLGS-GESCHICHTE

Am 6. Juni 2004 feiert Lukas Podolski sein Debüt in der Nationalmannschaft. Mit zwei Europameisterschaften undeiner Weltmeisterschaft hat er bereits drei große Turnieregespielt – Sternstunden einer jungen Karriere.

Lukas Podolski und die deutsche Fußball-National-mannschaft – das ist eine ganz besondere Erfolgs-geschichte, die so reich an großen und kleinen Kapiteln ist, dass sich allein darüber ein Buch schrei-ben ließe. Als Vereinsspieler erlebte Lukas Podols-ki in seiner noch relativ jungen Laufbahn bereits ei-nige Tiefschläge. Die Zeit bei der Nationalmannschaftdagegen ist für ihn fast immer eine »Well-nessoase«. 62 Länderspiele und 32 Tore (Stand vomApril 2009) – das ist für einen 23-Jährigen eine ge-radezu sensationelle Quote, die höchstens MiroslavKlose mit seinen 44 Toren in 88 Länderspielen nocherreicht. »In der Nationalmannschaft fühle ich michimmer wohl. Ich habe das Vertrauen von allen, undnur dann kann ich gute Leistung bringen«, so hat eres selbst einmal beschrieben. Sobald das Umfeldstimmt, sobald er sich angenommen fühlt, zahlt Podolski mit Leistung und Toren zurück.

Dabei verlief der Start für ihn in der A-Nationalmann-schaft gar nicht so glücklich. Podolskis Karriere imNationalteam begann ja nicht mit der Ära JürgenKlinsmann und dem Projekt Weltmeisterschaft 2006,sondern er nahm das verkorkste Ende der Ära Völ-ler noch mit. Rudi Völler war es, der den blutjungenStürmer vom 1. FC Köln erstmals ins Nationalteamberief: am 6. Juni 2004. Der Neuling hatte zwei Ta-ge zuvor seinen 19. Geburtstag gefeiert und debü-tierte als drittjüngster A-Nationalspieler der letzten

50 Jahre. Nur Uwe Seeler und Olaf Thon waren beiihren ersten Einsätzen noch jünger. Sein erstes Län-derspiel ging gründlich in die Hose: Mit 0:2 unter-lag Deutschland in Kaiserslautern gegen die von Lo-thar Matthäus betreuten Ungarn. Es war zwar nurein Test, aber dennoch eine Schmach. Podolski kamin der 74. Minute für Fredi Bobic aufs Spielfeld. Inder deutschen Elf standen damals Namen, die manspäter mit der tristen Europameisterschaft 2004 inVerbindung bringen sollte: Dietmar Hamann, Chris-tian Wörns oder Thomas Brdaric. Aber noch ein wei-terer junger Bursche debütierte gegen die Ungarn,der Lukas Podolski ein wichtiger Wegbegleiter wer-den sollte: Bastian Schweinsteiger. Ein Treffer ge-lang den beiden Jünglingen noch nicht, sie warendie Debütanten 25 und 26 und somit die letzten inder Ära Völler. Dennoch durften sie wiederkommen.Es waren überhaupt keine erfreulichen Monate fürPodolski und Schweinsteiger im Frühjahr und Som-mer 2004 – die Zeit, in die das Nationalmannschafts-debüt der beiden fiel. Podolski war soeben mit dem1. FC Köln in seinem ersten Profijahr in die ZweiteLiga abgestiegen. Bastian Schweinsteiger verspiel-te mit dem FC Bayern alle drei möglichen Titel. Oben-drein ereilte die beiden auch noch bei der U21-EMfrühzeitig das bittere Vorrunden-Aus. Es kam abernoch schlimmer: Deutschland scheiterte bei der EM2004 in Portugal kläglich. In drei Vorrundenspielengegen die Niederlande (1:1), Lettland (0:0) und Tsche-

Jürgen Klinsmannbegeistert sich frühfür Poldis rasanteEntwicklung: »Mitwelchem Instinkt erDinge tut, istaußergewöhnlich.«

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80 Die andere Lieblingsmannschaft

Achtelfinale der WM2006: Beim 2:0-Erfolgüber Schweden erzieltLukas Podolski beideTore und ist der Mann des Tages.

chien (1:2) gab es keinen Sieg. Ausgerechnet gegendie B-Mannschaft der Tschechen gab Podolski seinEM-Debüt. Er spielte die zweite Halbzeit für Tors-ten Frings.

Die trostlose EM schnell vergessen und nach vorne blicken – so lautete nun die Devise. Und es solltesich viel ändern für Lukas Podolski und die Natio-nalmannschaft. Völler ging, und Klinsmann kam.Der neue Bundestrainer krempelte das Team gehö-rig um, sehr zur Freude des damaligen Kölners, dersich auf einmal immer öfter in der Startelf wieder-fand. Der erste Länderspiel-Treffer ließ jedoch nochein wenig auf sich warten. Im achten Länderspielwar es dann soweit. Am 21. Dezember in Bangkokgegen Thailand traf Poldi dafür gleich doppelt. Er be-sorgte die Treffer zum 3:1 und 5:1-Endstand. Seinerstes Länderspiel-Jahr war für den jungen Berghei-mer doch noch mit einem tollen Abschluss zu Endegegangen.

Und nun sollte es erst richtig losgehen. Der ersteHöhepunkt für Lukas Podolski im Jahr 2005 war derConfederation Cup vom 15. bis 29. Juni, ein Einla-

dungsturnier mit acht Mannschaften, das im Jahrvor einer WM im Land des Gastgebers ausgetragenwird. Deutschland musste als WM-Gastgeber keineQualifikationsspiele bestreiten. Umso wichtiger wardiese Mini-WM, bei der es darum ging, das ganzeLand langsam auf die Weltmeisterschaft im folgen-den Jahr einzustimmen und für die Nationalmann-schaft zu begeistern. Es sollte gelingen – auch dankLukas Podolski, für den dieser sogenannte »Confed-Cup« ein einschneidendes Erlebnis war. Mit dem1. FC Köln hatte der Jungstar souverän den Aufstiegzurück in die Bundesliga geschafft. Der geliebte Stür-mer besaß daran mit seinen 24 Saisontreffern gro-ßen Anteil. Das gab ihm viel Selbstvertrauen, auchin der Nationalmannschaft, in der er sich mittlerwei-le einen Stammplatz erkämpft hatte, obwohl nichtalle Teamkollegen so ganz glücklich damit waren.Schließlich hatte Podolski eine ganze Saison in derZweiten Liga zugebracht. Und ausgerechnet er soll-te Stammspieler in der Nationalmannschaft sein,fragte sich Nationaltorhüter Oliver Kahn. »Der Po-dolski ist für mich ein Talent mit großen Ansätzen«,sagte Torhüter Oliver Kahn, »da kann es nicht sein,dass ein Mann, der Perspektiven für die Weltmeis-

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»Der Podolski ist für mich ein Talent mit großen Ansätzen. Da kann es nicht sein, dass ein Mann, der Perspektiven für die

WM 2006 haben soll, beim 1. FC Köln in der Zweiten Liga spielt.« Oliver Kahn

terschaft 2006 haben soll, beim 1. FC Köln in derZweiten Liga spielt. Entschuldigung, das ist nichtnachvollziehbar.«

Podolski scherte sich indes wenig um die Wor-te und ließ Leistung sprechen. Im ersten Spiel beim»Confed-Cup« gegen Australien besorgte er den Tref-fer zum 4:2. Gegen Tunesien führte er in seinemHeim-Stadion in Köln-Müngersdorf die deutsche Elfzum 3:0-Erfolg und auch im mit 4:3 nach Verlän-gerung gewonnenen Spiel um Platz drei gegen Mexiko besorgte der junge Angreifer die 1:0-Füh-rung. Podolski hatte kein überragendes Turnier gespielt, aber was viel wichtiger war: Das ganz Landstrahlte, denn es hatte wieder Freude an dieser Nationalmannschaft gefunden, vor allem an demneuen Traumpaar: Lukas Podolski und BastianSchweinsteiger. Diese kecken Burschen gaben der

runderneuerten Mannschaft ein neues Gesicht, undauf einmal keimte Hoffnung auf, dass die Weltmeis-terschaft 2006 ein Jahr später doch kein sportlicherReinfall werden würde.

Lukas Podolski ließ nun nicht mehr locker in derNationalmannschaft. Schon im September 2005 folg-te sein nächster großer Gala-Auftritt. Vier Tage nacheiner eher peinlichen 0:2-Niederlage gegen die Slowakei sorgte vor allem Strahlemann Podolski dafür, dass keine schlechte Stimmung aufkommensollte. Beim 4:2 gegen Südafrika in Bremen glänz-te der Kölner mit drei blitzsauberen Toren, seinemersten Dreierpack im Adlertrikot. Jürgen Klinsmannschwärmte über seinen Stürmer: »Wie Lukas explo-diert, mit welchem Instinkt er Dinge tut. Das ist au-ßergewöhnlich. Es ist beeindruckend, wie er sich

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GROSSARTIGE PERSPEKTIVEN

Nach Ende der WM wird Lukas Podolski von der FIFA zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt – bei derAbstimmung liegt er vor Portugals Cristiano Ronaldo.

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Auch unter JürgenKlinsmanns Nachfol-ger Joachim Löwändert sich fürPodolski wenig – ergehört weiterhin zumfesten Stamm derAuswahl.

in seinem Alter präsentiert, da habe ich gerade malin der Zweiten Liga gekickt.« Aus dem Lehrling Podolski war ein wichtiger Stützpfeiler im Sturm-zentrum der Nationalmannschaft geworden. Podols-ki kam hervorragend zurecht mit den neuen Metho-den des Bundestrainers. Auf der anderen Seite ge-noss der Spieler das volle Vertrauen Jürgen Klins-manns. Die WM konnte kommen.

Die sensationelle Entwicklung sollte Lukas Podols-ki bei dem Jahrhundertereignis »Fußball-WM im ei-genen Land« bestätigen. Zwar fand der Mann mitder Trikotnummer 20 nur schwer ins Turnier underntete in den ersten Gruppenspielen gegen CostaRica und sein Heimatland Polen eher schlechte Kri-tiken. Im dritten Vorrundenduell gegen Ecuadorplatzte dann jedoch endlich der Knoten. Podolskierzielte in der 57. Minute das Tor zum 3:0-Endstand.Sein erstes WM-Tor, es war ein herrlicher Treffer.Podolski hatte eine Maß-Flanke von Bernd Schnei-der mit seinem starken linken Fuß direkt ins langeTor-Eck gezirkelt, nachdem zuvor Miroslav Kloseund Bastian Schweinsteiger einen überragendenKonter gespielt hatten. Der nächste Paukenschlagfolgte prompt. Im Achtelfinale gegen Schwedenavancierte Lukas Podolski sogar zum »man of thematch«. Eiskalt nutzte er die ersten beiden sich bie-tenden Chancen zu seinen WM-Treffern zwei unddrei. Deutschland führte nach 14 Minuten 2:0 gegen die Schweden. Es war gleichzeitig der End-stand. Fußball-Deutschland feierte Lukas Podolski.

Vorgelegt hatte die beiden Podolski-Tore seinSturmpartner Miroslav Klose. Spätestens jetzt wuss-te jeder, warum Jürgen Klinsmann diesem Sturm-duo Klose/Podolski das Vertrauen schenkte. Die bei-den gebürtigen Polen harmonierten prächtig mit-einander. Deutschland stand im Viertelfinale derWM, und wieder sollte Podolski seinen Anteil amErfolg haben. Die dramatische Partie wurde erst imElfmeterschießen entschieden. Podolski zeigte kei-ne Nerven und verwandelte eiskalt vom Elfmeter-punkt zum 3:1. Jetzt war das Endspiel ganz nah,doch der ganz große Coup sollte Lukas Podolski unddem deutschen Nationalteam, die mittlerweile voneiner riesigen Euphoriewelle getragen wurden, nicht gelingen. Im Halbfinale war nach dem 0:2 gegenItalien Endstation. Bitter auch für Lukas Podolski,der diese WM dennoch als ganz großen Erfolg ver-buchen konnte. Podolski stand in jeder Partie in derStartformation, er schoss drei WM-Tore und wurdevom Welt-Fußball-Verband FIFA zum besten jungenSpieler des Turniers gewählt, noch vor einem gewissen Cristiano Ronaldo aus Portugal, dem spä-teren Weltfußballer des Jahres.

Anschließend schrieb die Frankfurter Allgemei-ne Zeitung: »Nach den Kriterien der vom deutschenTrainer Holger Osieck angeführten TechnischenStudiengruppe der FIFA konnte es an der Wahl Po-dolskis keine Zweifel geben. Hier ging es um tech-nische Fähigkeiten in Verbindung mit Effizienz, ju-gendlicher Frische, Ausstrahlung auf das Publikum,Spielzeit, Anzahl der erzielten Tore und nicht zu-letzt Fair Play.« Rekord-Nationalspieler Lothar Mat-thäus, der die Ehrung vornahm, fasste sich ein we-nig kürzer, als er Podolskis WM-Leistung beurteil-te. »Er ist noch ein echter Straßenfußballer, demman die Freude am Spiel ansieht«, lobte Matthäus.

Der Fußballhimmel hing nach dieser tollen WM für Lukas Podolski voller Geigen, doch viel Zeit bliebnicht, um sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen.Der gefeierte WM-Star wechselte direkt nach demTurnier vom 1. FC Köln zu Bayern München. Einneues Kapitel im Fußballerleben von Podolski be-gann. Der Wechsel war mit weitreichenden Verän-derungen verbunden. Podolski verließ erstmals dasgeliebte Köln. Er musste sich in einem neuen Um-feld, einer neuen Stadt und in einer neuen Mann-schaft mit vielen Stars zurechtfinden. So richtigglücklich wurde er in München nie. Das tat seinerStellung im Nationalteam jedoch keinen Abbruch.So sehr er sich in München mühte und um einenfesten Platz im Team kämpfte: In der Nationalmann-schaft unter Klinsmann-Nachfolger Joachim Löwhatte er diesen Platz stets sicher. Dort fühlte er sichimmer wohl, dort zog es ihn immer gerne hin. Er ge-noss die Zeit bei der Nationalmannschaft in vollen

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Zügen: »Ich bin einfach froh, wenn ich hier bin. Weilich hier die Leute kenne und hier ein super Umfeldist. Darum bin ich hier immer gut drauf.« Und erzahlte das Vertrauen mit Leistung zurück wie beispielsweise im EM-Qualifikationsspiel am 17.November 2007 gegen Zypern. Podolski war beim4:0-Sieg der überragende Mann auf dem Platz. Ein Tor erzielte er selbst, zwei weitere bereitete ererstklassig vor. Die FAZ feierte den Münchner Re-servisten nach dem gelungenen Auftritt über-schwenglich: »Er war kombinationsstark und tor-gefährlich, wendig und wuchtig, schnell und präzi-se und zu alldem taktisch auch noch sehr klug. Er war der beste Spieler auf dem Platz, und die Fansriefen seinen Namen.« Es sei, so schrieb das Blatt,das sportliche Podolski-Naturgesetz, dass der damals 22-Jährige seine besten Leistungen immerwieder in der Nationalmannschaft zeigt, und das isteigentlich ein Phänomen. Es gab im deutschen Fuß-ball schon viele Angreifer, die in ihren Vereinen alsTorjäger kräftig abräumten, aber in der Nationalelfnie zurande kamen. In diesem Fall ist es das genaueGegenteil. Podolski brachte immer Top-Leistungenbei der Nationalmannschaft, auch wenn es beim FCBayern überhaupt nicht lief.

Allerdings schien sich zuletzt doch etwas Frust an-gestaut zu haben. 1. April 2009, Länderspiel in Wa-les. Deutschland gewinnt ohne zu glänzen mit 2:0,aber über das nackte Resultatspricht schon einen Tag nach derBegegnung niemand mehr. DasEinzige, was nur noch zu interes-sieren scheint, ist die Klatsche vonCardiff. In der 67. Minute im Mil-lenium-Stadion der walisischenMetropole geriet Podolski so heftigmit Michael Ballack aneinander,dass er dem Mannschaftsführer eine ordentlicheOhrfeige verpasste. Ballack hatte sich über die an-geblich zu lasche Spielweise des Köln-Rückkehrersmokiert und ihm lautstark taktische Anweisungengegeben. Die wollte der Adressat aber so nicht ak-zeptieren und demonstrierte dem Mitspieler, wieman solche kleinen Konflikte für gewöhnlich inBergheim löst. Podolski langte hin und wurde da-für bitter bestraft. Der Blätterwald rauschte nichtnur, er krachte. Alles drosch auf »Everybody’s Dar-ling« ein, der die Wucht seines Klapses zigfach zu-rückbekam. Die fällige Entschuldigung (»Es tut mirschrecklich leid«) folgte prompt. Der Gescholtenezahlte 5.000 Euro symbolische Strafe für einen gu-ten Zweck und holte sich auch noch eine deftigeSchelte des Bundestrainers ab. Joachim Löw ermahn-te seinen Lieblingsschüler ausdrücklich: »Er weiß,dass er viele Sympathien verloren hat und künftig

unter starker Beobachtung der Fans steht. Auch beiuns ist sein Kredit aufgebraucht. Ein weiterer Feh-ler dieser Art hätte weitreichende Konsequenzen.«

Keine zehn Monate zuvor hatte Podolski wesentlich Anteil daran, dass Löws erstes großes Turnier alsBundestrainer ein großer Erfolg wurde: die Europa-meisterschaft 2008 in der Schweiz und in Öster-reich. Podolski profitierte bei diesem Turnier vonseinen Allround-Qualitäten, denn mit Blick auf diebevorstehende EM baute Löw seine Offensive um.Miroslav Klose war im Nationalteam gesetzt, amstarken Stuttgarter Mario Gomez führte in dieserZeit auch kein Weg vorbei, aber auf seinen LieblingLukas Podolski wollte Joachim Löw auch nicht ver-zichten. Also beorderte er ihn etwas zurück und botihn als hängende Spitze auf dem linken Flügel auf.Podolski fand sich dort prima zurecht. »Ich spielesehr gerne auf dem Flügel. Die linke Seite hat näm-lich auch Vorteile. Da steht man mit dem Gesichtzum Tor. Wenn ich vorne drin hänge, stehe ich mitdem Rücken zum Tor. Darum sage ich immer wie-der, dass ich gerne als hängender Stürmer spiele.Links ist eine gute Alternative«, sagte Podolski imJuni 2008, wenige Tage vor Beginn der EM.

Das Offensiv-Konzept ging bei dieser Europameis-terschaft – es war bereits Podolskis drittes großesTurnier – voll auf. Gleich im Auftaktspiel gegen Po-

len ragte ein Mann heraus: Lukas Podolski. DemNoch-Münchner gelangen beide Tore zum 2:0-Er-folg. Das Fußball-Magazin Kicker schrieb: »Eine be-geisternde Vorstellung von Podolski.« Erstmals seit1996 hatte eine deutsche Mannschaft wieder einSpiel bei einer Europameisterschaft gewonnen.Gleichwohl jubelte der Doppel-Torschütze sehr ver-halten, schließlich hatte er ausgerechnet gegen seingeliebtes Heimatland getroffen. Podolski war abergleich voll drin im Turnier und legte auch im zwei-ten Spiel gegen Kroatien nach, auch wenn sein Tref-fer bei der 1:2-Niederlage kein großes Gewicht hat-te. Beim großartigen Auftritt der deutschen Mann-schaft im Viertelfinale gegen Portugal (3:2) zähltePodolski wieder zu den Aktivposten und bereiteteden Treffer zum 1:0 durch Bastian Schweinsteigermustergültig vor. Nach dem Halbfinal-Sieg gegendie Türkei (3:2) winkte sogar der erste große Titel.

„Er war kombinationsstark und torgefährlich, wendig und wuchtig, schnell und präzise, und zu alldem taktisch auch noch

sehr klug. Er war der beste Spieler auf dem Platz.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Poldis Brief an Adolf Katzenmeier: »Adis Massage war mein Glücksritual«

19. November 2008. Fußball-Länderspiel Deutschland ge-gen England. An diesem Taggeht bei der Nationalmann-schaft eine große Ära zu En-de. Adolf, genannt »Adi« Kat-zenmeier, 74 Jahre, sitzt zumletzten Mal auf der Bank.45 Jahre war der Masseur mitden heilenden Händen für den DFB im Einsatz, 34 Jahredavon allein für die National-mannschaft.

Einen Spieler hat AdolfKatzenmeier besonders insHerz geschlossen: Lukas Podolski. Trotz des Altersun-terschieds von mehr als50 Jahren verbindet die bei-den ein ganz inniges Verhält-nis. Für Podolski war der rüh-rige Masseur ein väterlicherFreund, dessen Foto er sogar

bis zur Geburt seines Sohnes im Display seinesHandys gespeichert hatte. Katzenmeier fand ande-rerseits in dem jungen Fußballer einen »ehrlichen,freundlichen, glücklichen, charaktervollen, lusti-gen Menschen«, wie er sonst nur sehr, sehr seltenkennenlerne. Zum Abschied von Adolf Katzenmei-er verfasste Lukas Podolski diesen Brief, den der»Kölner Express« veröffentlichte.

Einen Tag vor dem letzten Länderspiel des Jahres pas-sierte mir etwas, das mir schon nahe ging. Es war wieimmer vor einem Länderspiel. Ich war bei Adi undhabe mich noch einmal durchkneten lassen. Das warmein festes Ritual, mich immer vor den Spielen vonAdi massieren zu lassen. Manchmal sagte Adi zu mir,ich massiere dir zwei Tore ins Bein. Ja, wir haben vielBlödsinn gemacht. Nächstes Jahr ist Adi leider nichtmehr dabei. Es ist schon sehr schade. Ich denke auch,dass er ebenfalls traurig ist. Aber irgendwann ist derZeitpunkt fürs Aufhören gekommen, und mit 74 Jah-ren hat er, denke ich, viel erlebt. Vom ersten Tag, andem ich zur Nationalmannschaft gekommen bin, ha-be ich mich mit Adi toll verstanden. Wir haben vielmiteinander gelacht, er hat mir viel aus seiner lan-gen Karriere erzählt. Im Mannschaftsbus war er meinSitznachbar. Schon komisch, dass wir beide so einenguten Draht zueinander hatten. Schließlich ist er51 Jahre älter als ich. Lange Zeit hatte ich auch im-mer ein Foto von Adi und mir als Bildschirm-Hinter-grund auf meinem Computer. Jetzt ist dort natürlichmein Sohn Louis zu sehen. Aber dass ich das über-haupt gemacht habe, zeigt, welchen Respekt ich

vor Adi habe. Er ist einfach ein ganz besonderer Mensch für mich. Ich als Kölner sage daher: Tschö,Adi, machet joot.

Einige Tage später antwortete Adi Katzenmeierund schrieb einen bislang unveröffentlichenBrief an Lukas Podolski.

Lieber Lukas,

sicherlich wirst du dich erinnern können, an den Kon-föderationen-Cup 2005, der ja bekanntlich ein Jahrvor der WM 2006 ebenfalls in Deutschland stattfand.An einem Tag kam Jürgen Klinsmann auf mich zu, ummich zu bitten, meinen bisherigen Sitzplatz in der ers-ten Reihe des Mannschaftsbusses neben Dr. Müller-Wohlfahrt abzugeben, da er es gerne sehen würde,wenn auch Oliver Bierhoff in der ersten Reihe sitzenkönnte. Selbstverständlich habe ich umgehend mei-nen Sitzplatz in der ersten Reihe abgegeben, um soden Wunsch von Jürgen Klinsmann zu erfüllen. Somusste ich mir einen anderen Platz im Bus suchen.Nachdem ich mich umgesehen hatte, fiel mir auf, dassneben dir ein Sitzplatz frei war. Ich ging auf dich zu,wobei ich dich gleichzeitig nach dem Platz fragte:»Hochwürden, ist es gestattet, an Ihrer Seite Platz zunehmen?« Wobei du dich sofort vom Platz erhobst undmit den Worten antwortetest: »Selbstverständlich, Eu-re Eminenz.« Mithin war mein Sitzplatz neben dir andeiner Seite gesichert, was uns beide zu einem unüber-hörbaren Lachen im Bus veranlasste. Alle haben ge-guckt, was da los war. Es gibt Momente im Leben, dieman auch als Fügung bezeichnen kann. Vielleicht soll-te es so sein. So kam es, dass ich das erste Mal nebendir Platz genommen habe. Nachdem du bei einem dernächsten Spiele zwei Tore geschossen hast, kamst dumit den Worten auf mich zu: »Ab heute bleibst du hiersitzen.« Inzwischen hatte auch Jürgen mit Dr. Müller-Wohlfahrt gesprochen und ihn gleichzeitig gefragt, ober nicht auch seinen Platz am Fenster in der erstenReihe abgeben könnte, damit Andy Köpke seinen Platzeinnehmen könnte, was auch für Müller-Wohlfahrt eine Selbstverständlichkeit war. Er hatte das Glück,dass in der zweiten Reihe ein Platz frei war. So saßenin der ersten Reihe von links angefangen Andy Köp-ke, Oliver Bierhoff, Jürgen Klinsmann und Jogi Löw.Die Viererkette, so wie ich sie nannte, konnte sich un-gestört unterhalten, ohne dass ein Spieler oder ein Be-treuer irgendetwas mitbekam. Ich habe mich sehr ge-freut über deinen sogenannten Abschiedsbrief, den dumir ja bekanntlich über den Kölner Express zugespielthast. Allein die Äußerungen vorne in diesem Brief:»Bei Adi zu sein, war für mich ein Glücksritual« möch-te ich gerne umdrehen, und zwar folgendermaßen:

Freunde fürs Lebenund Sitznachbarn imMannschaftsbus –Lukas Podolski undDFB-Masseur AdolfKatzenmeier.

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Allein fast vier Jahre neben dir zu sitzen, war für michein Glücksritual. Als du am Vorabend vor meinem Aus-scheiden zum letzten Mal zur Behandlung zu mirkamst, habe ich gemerkt, dass du dich mit etwas trau-rigen Augen auf die Massagebank gelegt hast. MeineBeobachtung wurde dahingehend bestärkt, dass wiruns für meine Begriffe merklich ruhig verhielten. Wirhaben kaum gesprochen. Keiner wollte an das den-ken, was am nächsten Tag passieren würde. Ich habedir noch geraten: Nimm als Ersatz für mich BastianSchweinsteiger an die Seite. Ich glaube, du wirst esnicht bereuen …

Wie geht es deinem Nachwuchs, deinem über allesliebenden Sohn Louis? Desgleichen liebe Grüße an dei-ne Frau. Ich werde die nette Unterhaltung in Asconamit ihr nicht vergessen. Lukas, bleib so wie du bist.Du wirst deinen Weg gehen. Ich bin überzeugt, du wirstes schaffen. Sicherlich hast du beim FC Bayern vielgelernt und wirst es zukünftig umsetzen können. Bleibcharakterlich und menschlich so, wie du mir gegen-über warst. Bleibe vor allem gesund, grüße die Mann-schaft von mir ganz herzlich. Viel Erfolg. Wenn dumich einmal brauchst, bin ich jederzeit für dich da.Nicht zu vergessen: liebe Grüße von meiner Frau Silvia und meinem Sohn Marcell. Ein an dich denken-der und mit Freude zurückblickender Freund Adi.

P.S.: Die Zeit im Bus neben dir war für uns beide eine schöne Zeit, und ich werde sie fürwahr als un-vergesslich in Erinnerung behalten.

Podolski beließ es aber nicht allein bei dem Brief.Nach der Partie gegen England (Katzenmeier: »Lei-der haben wir 1:2 verloren. Die deutsche Mann-schaft wollte mir doch einen Sieg zum Abschlussschenken.«) zog der Nationalstürmer spontan sei-ne Fußballschuhe aus, nahm einen Stift und schriebauf den rechten Schuh: »Vielen Dank, lieber Adi, für all die Jahre. Dein Poldi.« Er nahm sodann denlinken und schrieb an Katzenmeiers Sohn Marcell,der an einer Immunkrankheit leidet: »Lieber Mar-cell, werd schnell wieder gesund, dein Poldi.« Kat-zenmeier freute sich: »Das war eben typisch Poldi.«

Zu später Stunde saß die Mannschaft noch beimMitternachtsbankett zusammen. DFB-PräsidentTheo Zwanziger sprach einige »warme Worte«, dieSpieler verabschiedeten sich alle von ihrem gelieb-ten Masseur, den sie nur ungern gehen ließen. Bastian Schweinsteiger flachste: »Schade, dass dugehst. Du hast die besten Hände der Welt. Warumbist du nicht Torhüter geworden?« Und Poldi kamganz nah zu Katzenmeier und flüsterte ihm ins Ohr:»Ich komme nach Köln«. Katzenmeier stolz: »So warich einer der Ersten, der wusste, dass Lukas vomFC Bayern zum 1. FC Köln wechseln würde.«

Daraus wurde zwar nichts, Deutschland verlor dasEM-Endspiel gegen Spanien 0:1, doch Lukas Podols-ki verließ das Nationalteam wie schon zwei Jahrezuvor mit dem Gefühl, wieder ein starkes Turniergespielt zu haben und mit einer fast makellosenEinsatzbilanz. Bis auf seine Auswechslung gegenÖsterreich acht Minuten vor Schluss absolvierte eralle Partien von Anfang bis Ende.

Insgesamt kann sich seine Länderspielbilanz sehen lassen. Das Finale gegen Spanien war seine 54.Partie. Bis dato hatte er 28 Tore erzielt. Gleichwohlwurde nach der EM eine Diskussion losgetreten,Podolski würde nur gegen die sogenannten kleinenGegner treffen. Die Debatte wurde von Bayern-Manager Uli Hoeneß angezettelt, der das Problem offenlegte, dass achtzig Prozent aller Spiele gegenLiechtenstein, San Marino, Moldawien oder Estlandabsolviert würden. »Wer gegen Liechtenstein zweiTore macht, wird hochgejubelt«, sagte Hoeneß. Lukas Podolski ärgerte diese Vorrechnerei, und so konterte er die Statistikdebatte mit Statistik. »Wir können gerne mal die Liste durchgehen«, sag-te Podolski in Richtung Uli Hoeneß, »ich habe beimConfed-Cup getroffen, bei der WM und bei der EM,und da waren Gegner wie Brasilien, Mexiko, Schwe-den und Kroatien dabei.« Im Übrigen heißt es fürihn: »Tor ist Tor, im Sechzehner, außerhalb des Sech-zehners, gegen San Marino, gegen Brasilien.«

Mittlerweile hat Lukas Podolski mit seinen 32Toren in der ewigen Torschützenliste der Fußball-Nationalmannschaft zu Klaus Fischer auf Platz 12aufgeschlossen. Fritz Walter (33), Ulf Kirsten (34)und Oliver Bierhoff (37) auf Rang neun kann er inKürze überrunden. Schon wird aber darüber philo-sophiert, ob er sogar den Ewig-Rekord des Bombersder Nation, Gerd Müller, angreifen kann. Der hat inseiner einmaligen Karriere 68 Treffer für die DFB-Auswahl erzielt. Lukas Podolski müsste dann noch36 Tore für Deutschland schießen, das ist eine Menge. Andererseits hat Podolski, 23, noch eineMenge Karriere vor sich.

»Wenn ich vorne drin hänge, stehe ich mit dem Rücken zum Tor. Darum sage ich immer wieder,

dass ich gerne als hängender Stürmer spiele. Links ist eine gute Alternative.«

Lukas Podolski

87Die andere Lieblingsmannschaft

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DIE ANDEREHEIMAT: POLEN

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VATER ALS VORBILD

Lukas Podolski pflegt ein inniges Verhältnis zu seinenEltern. Vater Waldemar, ein ehemaliger Zweitliga-

Spieler in Polen, vererbt ihm die Fußballer-Gene.

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DUMAHEISST STOLZ

Zu den schlesischen Wurzeln bekennt sich Poldibei jeder Gelegenheit und verfolgt auch dasGeschehen in den polnischen Fußball-Ligen.

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94 Die andere Heimat: Polen

Im Alter von zwei Jahren verlässt Lukas Podolski mit seinerFamilie die polnische Heimat. Die Herkunft bedeutet ihm viel,mit den Eltern spricht er polnisch, und wann immer es geht,wird die Verwandtschaft in seiner Geburtsstadt besucht.

Lukas Podolski hat keine Erinnerungen an seineersten beiden Lebensjahre in Polen, an Gliwice inOberschlesien, das früher mal Gleiwitz hieß, undwo er am 4. Juni 1985 geboren wurde. Trotzdem istdas für ihn auch Heimat. Migrantenkinder werdengerne gefragt, als was sie sich denn jetzt eigentlichfühlen, als Deutscher oder als Pole oder als Türkeoder als Marokkaner. Muss man sich da wirklichentscheiden? Muss sich Poldi auch entscheiden, ober nun ein Bergheimer oder ein Kölner Junge ist?Von allem ist etwas in ihm, weil jeder Ort Spurenhinterlässt, weil er noch Verwandtschaft in Polenhat, Freunde aus der Kindheit und Jugend in Berg-heim, Kollegen und Kumpel in Köln. Eines kannman mit Bestimmtheit sagen: Was er nie war, istMünchner. Zu keinem Zeitpunkt war er ein wasch-echter Bayer. Auch die Zeit an der Isar wird freilichSpuren hinterlassen haben. Aber eben andere.

»Im Herzen bin ich Pole«, hat Podolski einmal dem Kicker gestanden, da hatte er bereits mehrfach dasTrikot mit dem Bundesadler auf der Brust getragen.Dabei hatte zeitweise auch der polnische Verbandheftig und auf einfallsreiche Weise um ihn gebuhlt.Nationaltrainer Pavel Janas hatte dem jungen Rie-sentalent Trikots der polnischen Nationalmann-schaft geschickt. Auf der Rückseite der roten Tri-kots prangten eine »10« und »Podolski«. Eine Ver-lockung, der Poldi aber nicht nachgehen konnte,

selbst wenn er gewollt hätte. Aus formalen Grün-den: »Es ging nicht, ich hatte schon für die deutscheU21 gespielt.« Damit war es ihm laut Regelwerk ver-wehrt, das deutsche Trikot aus- und das polnischeanzuziehen. Gäbe es diesen Passus nicht, dann wäre er jetzt vielleicht der Liebling der polnischenMädchen, die seinen Namen auf ihren Fan-Shirtsund dazu rot-weiße Schminke im Gesicht tragenwürden. »Es wäre eine Überlegung wert gewesen,denn ich habe eine große Familie in Polen. Zwei-,dreimal im Jahr bin ich dort und fühle mich sehrwohl. Meine Oma Zofia in Kattowitz kocht immertoll für mich.« Im Herzen ist Poldi Pole, aber mitden schussstarken Füßen eben Deutscher. Vielleichtauch mit dem Kopf.

Tröstlich ist, dass ihn die große Mehrheit der Polennie als abtrünnigen Sohn, der nur den größten Geld-koffern hinterherläuft, verstoßen hat. Weil er sichimmer zu seinen polnischen Wurzeln bekannt hat,weil er nicht jubeln wollte über seine Tore und ge-wonnenen Spiele gegen Polen, deshalb lieben sie ihngenauso, wie es hier die FC-Fans tun. Deshalb wirdauch in polnischen Sportgazetten genau über seinenWerdegang und jeden seiner Schritte berichtet.

»Es war wirklich schwierig für mich, das Spielanzugehen«, sagte der Stürmer nach dem WM-Spielam 14. Juni 2006 gegen Polen, in dem er nicht traf.Das hätte aber nichts mit dem Gegner zu tun ge-

Das Stadion von GornikZabrze liegt nur zehnKilometer von seinemGeburtshaus in Gliwiceentfernt. Gornik ist derVerein der Bergarbeiterund gilt als SchalkeOberschlesiens.

DIEPOLNISCHESEELE

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96 Die andere Heimat: Polen

Am Geburtshaus weistnoch keine Plakette aufden Fußballstar hin.

Oma Zofia wird regel-mäßig mit Devotionalienihres weltberühmtenEnkels versorgt.

habt: »In den Momenten vor dem Tor denkt man danicht dran, sondern nur noch, dass der Ball ins Tormuss.« Zwei Jahre später bei der EM schoss er denBall dann ja auch gleich zweimal ins polnische Tor.Als er danach einmal zu oft auf die vermeintlicheSchwierigkeit, gegen seine gefühlte Heimat Tore zuschießen und am Ende zu siegen, angesprochenwurde, sagte er beschwichtigend: »Es ist doch nurFußball, ich werde mit meinen Toren keine politi-sche Krise auslösen.«

Eine Krise nicht, aber eine hitzige Debatte in derpolnischen Parteienlandschaft gab’s dann doch. Miroslaw Orzechowski, Vorstandsmitglied der na-tional-katholischen Partei Liga Polnischer Familien(LPR), forderte mal wieder, Poldi die polnischeStaatsbürgerschaft zu entziehen. Falls der polni-

sche Staatspräsident seiner Forderung nicht nach-komme, werde er juristische Maßnahmen ergrei-fen, droht der Politiker auch gern.

Poldi reagierte amüsiert auf den Vorschlag von Orzechowski, der damit allerdings auch sehr alleindastand: »Der Witz ist, ich habe gar keinen polni-schen Pass.« Und dann erklärte Podolski noch ein-mal die Fakten: »Der polnische Fußballverband hatsich damals nie um mich gekümmert. Erst als ich inder U21-Nationalmannschaft gespielt habe und inder Öffentlichkeit stand, hat er sich um mich be-müht.« Als der polnische Verband sich dann um denverlorenen Sohn bemühte, war es zu spät: »Da warmeine Entscheidung schon für Deutschland gefal-len. Und die war richtig. Dennoch schlagen in mei-ner Brust zwei Herzen.«

Einen polnischen Pass hat Poldi zwar nicht, aberer besitzt aufgrund seiner Geburt im polnischen Gliwice automatisch die polnische Staatsangehörig-keit.

Man müsse Respekt haben vor dem Land, in demman geboren sei, so erklärt Poldi sein Verhältnis zuseinem Herkunftsland. Und so werde er weiter nachPolen fahren und dort seine Familie besuchen. WennPoldi längere Zeit nicht bei Oma Zofia in Gliwicewar, und sich allmählich Heimweh einschleicht, dann hört er polnischen Pop und Hiphop, schaut sich polnische Filme auf DVD an, verfolgt den pol-nischen Fußball und kocht schlesische Kost. Das be-deutet in der Regel ordentlich Wurst und Fleisch, also das krasse Gegenteil von Sportlerernährungmoderner ernährungsphysiologischer Prägung.

Dem auf makrobiotische Kost stehenden Fuß-balllehrer Ewald Lienen würden wahrscheinlich Trä-nen in die Augen steigen, müsste er Poldi in die Töp-fe sehen, der das Kochen von seiner Mutter gelernthat. »Ich habe früher nach der Schule immer in derKüche auf das Essen gewartet. Erst habe ich mei-ner Mutter nur zugeschaut, wie sie das alles sokocht. Und dann habe ich mitgeholfen und selbstgekocht. Nicht nach Rezept, sondern so einfachdrauflos. Aber es schmeckt gut, meiner Freundinauch.« In Bergheimer Tagen fuhr jeden Samstag einVerkaufswagen mit schlesischen Spezialitäten durchdie Straßen, da wurde gekauft, was das Herz undder Magen begehrten. Seine Leibspeise: Mama Krys-tynas original polnische Bohnensuppe.

Zu Hause wird immer Polnisch gesprochen – zuHause in Bergheim. Nicht aus Faulheit, die Podols-kis sind alles andere als faul, sondern weil es dievertraute Sprache der Familie ist. Und die Familieist den Polen so heilig wie der Papst. Seine Eltern,Waldemar und Krystyna Podolski waren ebenfalls

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Leistungssportler. In Deutschland arbeitet Walde-mar als Schlosser, in Polen spielte er als jungerMann zeitweise in der Ersten Liga, Mutter Krysty-na hat es als Handballerin bis in die polnische Nationalmannschaft geschafft.

Lukas Podolskis Freundin Monika, eine gelern-te Kosmetikerin, die er seit seiner Kindheit kennt,wurde ebenfalls in Polen geboren und wuchs inBergheim auf. Mit ihr will Poldi eine möglichst große Familie haben. Aus diesem Grund war Poldiam 14. April 2008 sehr glücklich, obwohl es für ihnbei Bayern München unverändert schlecht lief. Der Grund war also ein anderer und heißt Louis.Der Stolz des Vaters ließ ihn gleich aus dem Kreiß-saal zum Tätowierer laufen, seither sind der Nameund das Geburtsdatum des kleinen Podolski auf seinem rechten Unterarm zu lesen. Ganz in der Nähe des Handgelenks, damit noch Platz ist bis zumSchultergelenk für weitere Kindernamen.

Lukas ist jung Vater geworden und hätte sich sogar vorstellen können, schon mit 17 Vater zu wer-den. Dass es etwas länger dauerte, hatte an der Suche nach der richtigen Frau gelegen, also an derSuche nach Monika. Als 2007 die Schwangerschaftdann feststand, legte Poldi die Ungeduld eines Stür-mers an den Tag, der auf den entscheidenden Passwartet: »Ich konnte kaum erwarten, dass das Babyauf die Welt kam«, bekannte er.

Poldi ist der Traum vieler Mädchen, als Vater ist erder Traum vieler junger Mütter: Er wickelt, er füt-tert, er kümmert sich, er steht nachts auf. Es seidenn, am nächsten Tag ist ein wichtiges Spiel under in der Aufstellung. In München konnte er also

häufiger in der Nacht für Louis aufstehen. Natür-lich war er bei der Geburt dabei und hat das ge-macht, was ein richtiger Mann dann tun muss: »Nabelschnur durchgeschnitten, Fotos gemacht, Familie angerufen, geheult.«

Der Süddeutschen Zeitung hat Lukas Podolski einmal erzählt, wie er selbst als Vater sein möchte,nämlich wie sein eigener: »Mein Vater war sehrgroßzügig. Er hat versucht, mir das Beste zu geben.Wir kamen aus Polen nach Deutschland, das warnicht einfach, aber meine Eltern haben mir Fußball-schuhe gekauft und mich jeden Tag von Bergheimnach Köln zum Training gefahren, 30 Kilometer hinund zurück. Ich will meinen Sohn nicht verwöhnen,nur weil ich Profifußballer bin und es mir bessergeht. Aber er soll seine Freiheiten bekommen. Es ist noch nicht so lang her, dass ich jung war, undich kann mich an all das erinnern, was ich gern gemacht habe. Das soll er auch machen können.«

Als wäre es da noch nötig, folgt in dem Inter-view noch die Frage, ob seine Eltern seine Vorbil-der seien. Poldi antwortet mit einer Gegenfrage:»Wer denn sonst?« Wie weit die Verehrung geht,zeigt auch noch ein Beispiel aus dem Sport. Für denInternetauftritt der FIFA wurde Poldi zur WM 2006um die Aufstellung seines persönlichen All-Star-Teams gebeten. In die Viererkette stellte Poldi – ge-rahmt von Roberto Carlos, Cafú und Lució niemandanderen als seinen Papa Waldemar Podolski. DieBegründung kann nur von einem liebenden Sohnkommen: Sein Vater sei einer der besten Innenver-teidiger seiner Epoche gewesen.

Zwei erfolgreiche Sport-ler als Eltern: Auf ihreErfahrung kann LukasPodolski immer zurück-greifen.

Monika Puchalski –keine Spielerfrau, diesich ins Blitzlichtge-witter drängt.

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MUCKI BANACHDie traurige Was-wäre-wenn-Geschichte

Wenn ein begnadetes Talent jung stirbt,dann ist die Versuchung groß, sich in Spe-kulationen zu ergehen: Was wäre aus Mu-cki Banach noch geworden? Wohin wäresein Weg gegangen? War er einer der bes-ten Stürmer, den der FC je hatte, oder wäre er noch der beste geworden? Sein Wegendete auf tragische und nie ganz geklärteWeise im Morgengrauen des 17. Novembers1991 auf der A1 bei Remscheid in Höhe derAusfahrt Schloss Burg tödlich. Sein Wagenprallte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Brückenpfeiler und ging in Flammenauf. Er war sofort tot. Maurice Banach, denalle nur Mucki nannten, wurde nur 24 Jah-re alt. Der Sohn einer Deutschen und einesamerikanischen GIs galt in Deutschland alseine der hoffnungsvollsten Stürmertalenteseiner Zeit. Er kam von Preußen Münsterzu Borussia Dortmund, wo er mit 17Jahren seinen ersten Profi-Vertrag bekam.1988 wechselte er zum Zweitligisten Wat-tenscheid, wurde zwei Jahre später mit22 Treffern Torschützenkönig in der Zwei-ten Liga. Dann ging er zum 1. FC Köln in diehöchste Spielklasse und schoss in 49 Bun-desliga-Spielen 24 Tore. Als er starb, lag ermit zehn Treffern in der Torjägerliste aufRang 2, nur ein Tor hinter Chapuisat, undgalt als sicherer Kandidat für die National-elf.

Die einschlägigen Fan-Foren sind vollder Erinnerungen und des Gedenkens anMucki. Es kursieren liebevolle Zusammen-schnitte seiner schönsten Tore, nach denener meistens sehr verhalten jubelte. KeineTriumphgesten, kein Salto, keine albernenLuca-Toni-Spielereien am Ohr, maximal einAbklatschen mit dem Flankenlieferanten,mit Littbarski, mit Rudy.

Seine letzten beiden Tore erzielte Banach am 9. November 1991 im heimi-schen Müngersdorfer Stadion beim 4:1-Sieggegen Fortuna Düsseldorf, eine Woche spä-ter bestritt er das letzte Spiel in seiner Profikarriere gegen Schalke 04. Das Un-glück geschah am Morgen nach diesemSpiel auf dem Weg zum sonntäglichen Trai-ning. »Ich bin heute Mittag wieder hier«,hatte er zu seiner Frau Claudia und den klei-nen Söhnen Danny und Zico gesagt.

Seine Witwe Claudia lebt weiterhin inMünster, mit den beiden Jungs Danny undZico, und einer Tochter, die sie mit einemneuen Partner hat. »Ich werde Mucki nie-mals vergessen«, sagt Claudia Banach, die25 Jahre alt war, als ihr Maurice starb. »Ich weiß noch, als wäre es heute gewesen,wie ich an diesem Sonntagmorgen drei Anrufe bekommen habe«, erzählt sie. »Dieersten Anrufer haben gefragt, ob ich wüss-te, wo Mucki sei. Ich antwortete: Auf demWeg zum Training! Erst der dritte Anruferhatte den Mut, mir zu sagen, was passiertwar.« Die Polizei vermutete einen geplatz-ten Reifen an Muckis Opel Omega Kombials Unfallursache, genau feststellen ließ sichdas nicht mehr, weil der Wagen vollständigausgebrannt war.

Muckis Söhne haben vom Vater die Liebezum Ball geerbt. Danny Banach, der fürMünster 08 stürmte, für die Zweite vonPreußen Münster und jetzt für BSV Roxelin der Landesliga trifft, durfte auch mal beiKölns A-Jugend vorspielen. »Natürlich ha-be ich dabei daran gedacht, dass mein Pa-pa früher hier gespielt hat«, sagt Danny.»Wenn ich alte Videos von ihm sehe, fälltmir auf, dass er stets am richtigen Ort vormTor war. Er hat die Bälle angezogen wie ein

Magnet. Er hat mich manchmal zum KölnerTraining mitgenommen. Ab und zu durfteich mitspielen. Als ich hörte, dass mein Vater tot ist, habe ich laut nach Papa ge-schrien. Der Schmerz über den Verlust istgrößer als der Stolz auf meinen Vater.«

Danny, sagt seine Mutter, sei wie ein Ab-ziehbild von Mucki: »Die Augen, die Mi-mik …« Der jüngere Sohn Zico, benanntnach dem gleichnamigen brasilianischenFußballkünstler, kennt seinen Vater nurvon Fotos und Erzählungen: »Ich habe im-mer gehört, dass er ein ruhiger und lieberMensch gewesen sein muss«, meint Zico.Auch der kleine Banach ist Stürmer.

»Wenn wir heute an der Unfallstelle vorbei-fahren, packt mich immer noch die Wut.Warum wurde die Brücke an der AusfahrtWermelskirchen, gegen die Mucki gekrachtwar, nicht viel früher weggemacht?« Siewurde später abgerissen. »Nach dem Todbin ich oft zum Unfallort gefahren«, sagt sie.»Ich habe Mucki irgendwie immer gesucht.Das Einzige, was damals gefunden wurde,war seine Kette.« Die bekam dann Danny.

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POLDIS AHNEN

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MUCKI BANACHIn kaum zwei Jahren spielte Mucki Banach49-mal für den 1. FC Kölnund schoss 24 Tore, bevorer am 17. November 199124-jährig bei einem Auto-unfall ums Leben kam.

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TONI POLSTER Der beste Standfußballer aller Zeiten

Als Anton Polster in Köln ankam, wunder-te er sich erst einmal über die spießige deut-sche Gründlichkeit. »Da ließ ich mich nacheinem Training mal massieren und bekamprompt eine Strafe. Warum? Weil ich michnicht abgemeldet hatte vom anstehendenKaffeetrinken mit der Mannschaft!« Da wun-dert er sich heute noch in breitestem Wie-nerisch: »I mein, i woh ja do!« Er meinte, erhätte sich ja nicht unerlaubt von der Trup-pe entfernt. So was kannte der Lockenkopfnicht aus Spanien, wo er zuvor sechs Jahregespielt hatte. »Die hatten ein anderes Ver-ständnis von Pünktlichkeit, dort fuhr derMannschaftsbus erst ab, wenn der letzteSpieler drin saß. In Deutschland fuhr derBus nach Zeitplan.«

Viel schlimmer noch: Bier wurde auchnie getrunken, wenn die Mannschaft zusam-mensaß. Das musste der Polster ändern, derneben Humor ein großes Selbstbewusstseinfür sich in Anspruch nahm. Also sprach erTrainer Morten Olsen an: In Köln solle esdoch so gutes Bier geben, das müsste mandoch mal probieren! Olsen hatte keine Ein-wände. Also bestellte Toni ein Kölsch zumAbendessen – zur großen Begeisterung sei-ner Mitspieler, ein Dutzend weitere Bestel-lungen folgte. »Da war der Knoten geplatzt«,erinnert sich Polster, »aber so etwas gehtauch nur, wenn deine Leistung stimmt.«

Genau das sei sein Erfolgsgeheimnis bisheute: Leistung und dann immer mal wie-der ein lockerer Spruch. In 150 Spielen fürden 1. FC erzielte er 79 Tore; mal keines,mal zwei – was ihm irgendwann den Na-men Toni Doppelpack einbrachte. »Werwann mit diesem Namen ankam, weiß ichgar nicht mehr. Jedenfalls hatte ich ein Au-to mit dem Kennzeichen K-DD … Darauswurde zuerst Doppelter Donnerschlag , unddaraus wurde Toni Doppelpack.« Zu guter

Letzt sogar der Titel seiner Autobiographie:»Doppelpack – Fußball mit Herz undSchmäh«.

Polster hat in zehn Vereinen in vier Ländern gespielt, überall sei er mit seiner Art gut an-gekommen. »Doch zum Kölner Publikum in Köln hatte ich ein spezielles Verhältnis, weiles Gemeinsamkeiten gibt bei den Mentali-täten. Der Wiener ist zwar bösartiger als derKölner, aber beiden ist eine gewisse Locker-heit so wichtig wie gute Leistungen. Die Ba-lance muss stimmen, sonst geht der Schussnach hinten los.«

Toni Polster ist Österreichs Boris Becker,jeder Österreicher kennt seine Legende.Polsters Wimbledon fand am 15. November1989 statt, als er im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR in Wienvom eigenen Publikum zunächst ausgepfif-fen wurde. Dann besorgte er mit allen dreiToren Österreichs Teilnahme an der WM inItalien im Alleingang und wurde am Endedes Spieles frenetisch gefeiert. Da war eraber schon weg, die Pfiffe gegen seine Person hatte er nach 90 Minuten noch nichtverziehen.

Wie Boris Becker hat auch Polster seinen Unterhaltungsmarktwert seither immer wie-der getestet. Auch als Sänger: »Früher hat’ich in der Hüfte eine Prellung, heute hab ichin der Hose eine Schwellung«, singt er in ei-nem seiner Lieder, das dann auch heißt:»Seit i auf di steh, tut mir nix mehr weh«.Inzwischen hat er mehrere Alben aufgenom-men, mit denen er Gold und Platin abräu-men konnte – in Österreich. Schon in seli-gen FC-Tagen konnte Toni das Singen nichtlassen. Nach einer Pokalpleite in Ulm hat-te Toni Polster beim Kölner Ringfest 1997einen zehnminütigen Auftritt mit der Sze-

neband »Die Fabulösen Thekenschlampen«(»Toni, lass es polstern!«), woraufhin ihmsein Club mit Geldstrafe und Abmahnunggedroht hatte. Allerdings musste der dama-lige Sportdirektor dann leider einräumen,dass er Privatauftritte in der Öffentlichkeitnicht verbieten kann, solange technischeund organisatorische Abläufe des Clubsnicht gestört werden.

2005 tanzte sich Polster in der ORF-Show-reihe »Dancing Stars« bis ins Finale, was ihnselbst überraschte, da nach eigenen An-gaben seine Lieblingstänze für immer Polo-naise und Sirtaki bleiben. Polster moderier-te als Fußballexperte bei einem Bezahlsen-der und war während der Europameister-schaft 2008 Co-Kommentator bei demSchweizer Sender SRG. Er hat eine eigeneKolumne bei einer Tageszeitung und war imdeutschen Fernsehen als Kandidat bei »En-tern oder Kentern« und bei »Extreme Acti-vity« zu sehen. Im Juni 2008 gewann er das»Perfekte Promi Dinner« auf VOX und spen-dete den Gewinn an ein Kinderhilfswerk.

Auch wenn er mal mit gebrochenen Kno-chen von einem V.I.P.-Skirennen heimkehrt,ein Polster-Toni weiß, was er kann: »Alles.Ich habe gerade den Trainerschein gemacht,als Bester überhaupt. Ich kann also als Trai-ner arbeiten, aber auch als Manager, alsSportdirektor, im Marketing, als Berater.«

Lukas Podolski zu beraten wäre sicherlichkein einfacher Job, gibt sich Polster für Pols-ter-Verhältnisse überraschend ratlos. »Eswird auf jeden Fall angesichts der KölnerErwartungshaltung sehr, sehr schwer fürihn!« Polster wird weiter verfolgen, was inKöln mit dem Prinzen passiert. Wie es sport-lich läuft und auch so. Da wechselt er dannplötzlich von Wienerisch zu Kölsch: »Ob al-les joot es!«

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TONI POLSTERstand von 1993 bis 1998 inden Diensten des 1. FC Köln.In 150 Spielen für den FC er-zielte er 79 Tore. Nach demAbstieg Kölns 1998 spielte er in der Ersten und in derZweiten Liga für BorussiaMönchengladbach, bevor erAnfang 2000 auf Leihbasis zuAustria Salzburg wechselte,um dort seine Karriere zubeenden.

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ZUHAUSE IST ES AM SCHÖNSTEN: POLDIS BERGHEIM

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IM KINDER-ZIMMER

Im Trikot seines geliebten FC Barcelona präsentiert Poldi das schönste Spielzeug

eines angehenden Fußballstars.

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BOHNENSUPPE A LA KRYSTYNA

Schlesische Hausmannskost gehört in der Regelnicht auf den Speiseplan eines Spitzensportlers –

Lukas Podolski hat sie nicht geschadet.

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DAS PATENKINDENTDECKT

Jerzy Gregorczyk lässt sich kein Spielentgehen, auch wenn er Poldi lieber im

polnischen Trikot sehen würde.

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110 Zuhause ist es am schönsten

Auf den Asche- und Gummiplätzen der Kleinstadt vor denToren Kölns zeigt Poldi schon früh sein außergewöhnlichesTalent. Jeder, der ihn sieht, ahnt seine große Zukunft. DieMenschen dort sind auch ein Grund, warum er zurückkommt.

Vom Elternhaus in der Magdeburger Straße ist esnur ein Katzensprung zu den Bolzplätzen, wo Lukas Podolskis Fußballkarriere begann. Lukas istdiesen Weg hunderte, wenn nicht tausende Mal ge-fahren. Schon als kleiner Junge, meist mit dem Fahr-rad, seinen Fußball hinten auf dem Gepäckträger.Die Straße ging es hinunter bis zum Ende der Sied-lung mit den vielen Eigenheimen aus den 70er, 80erJahren, weiter über die kleine Brücke, die über dasFlüsschen Erft führt, zu den Sportplätzen, die lieb-lich in den Auen gelegen sind. Fünf, sechs Minutenmit dem Rad, schon war Podolski dort, wo er sichin ganz Bergheim am allerwohlsten fühlte.

»FC Bergheim 2000« steht in großen blauen Let-tern am Eingangstor des kleinen Stadions. Einenweitläufigen Rasenplatz gibt es dort, zwei Asche-plätze und vor allem einen sogenannten Gummi-platz. Heute stehen auf dem Gelände aus Hart-gummi zwei kleine, schon ziemlich ramponierteTore, auf die schon der kleine Lukas mit seinemphänomenalen linken Schuss gedroschen hat.

Podolski liebte diesen Platz. Jeden Tag trafen sichdie Bergheimer Jungs hier zum Bolzen. Im Grundeist es dieser Gummiplatz gewesen, auf dem Podols-ki die Grundlagen für seine große Karriere legte.Hier lernte er das Tricksen, hier feilte er an seinemSchuss. Im Sommer durfte er bis halb neun Uhrabends bleiben, in dunkleren Jahreszeiten bis halb

acht. Lukas war damals schließlich erst elf, zwölfJahre alt und musste sich an die Abmachung mitden Eltern halten. Aber das tat er auch. Wenn sei-ne Eltern sagten, zu der und der Uhrzeit solle er zuHause sein, dann war er es auch.

»Bei Podolskis daheim herrschte immer ein harter, aber herzlicher Ton«, weiß Willi Breuer zuberichten. Breuer ist ein waschechter Bergheimer,der die Podolskis bestens kennt. Mit Podolskis Va-ter Waldemar, pikanterweise früher ein harter Ver-teidiger, kickte er in den 80er Jahren oft zusammen.Früh nahm sich Breuer des jungen Podolskis an,auch weil der ausgebildete Diplom-Sportlehrer frühdie phänomenalen Anlagen erkannte.

»Lukas war ein Riesentalent, das konnte manschon in jungen Jahren sehen. Er war gradlinig undunbekümmert und spielte immer mit dem Schalkim Nacken.« Zugute sei ihm schon als junger Fuß-baller gekommen, sagt Willi Breuer, dass sein El-ternhaus immer voll hinter ihm stand. »Sie habenihn immer mit positiver Kritik begleitet. Wenn ermal nicht spurte, gab es auch mal etwas zwischendie Hörner. Da musste er dann stramm stehen, aberdas hat dem Lukas gut getan«, sagt Willi Breuer.

Der Vater war Fußballprofi in Polen, die MutterHandball-Nationalspielerin: Podolskis Eltern wuss-ten nur zu gut, wie sie ihren Sohnemann sportlichzu erziehen hatten. Und Lukas wusste das zu schät-zen, das Elternhaus war immer sein Fixpunkt.

Bergheimer Jungswollen nur das eine:so werden wie Poldi.Der Gummiplatz istihre Fußballschule.

EINE BERGHEIMERJUGEND

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112 Zuhause ist es am schönsten

Untere Reihe, Drittervon links: Der zukünfti-ge Nationalstürmer inder Mannschaft derErich-Kästner-Haupt-schule. JugendtrainerWilli Breuer sieht dasPotential früh.

Das ist es bis heute. Der FC Bayern machte Podols-ki das Angebot, die Eltern doch mit nach Münchenzu nehmen. Waldemar Podolski entschied sich dagegen, weil er – bodenständig wie er ist – Berg-heim nicht verlassen wollte: »Wir bleiben lieberhier. Wer weiß, wann Lukas wiederkommt«, sollVater Podolski damals argumentiert haben.Möglich, dass alles anders gelaufen wäre, hätte Podolski auch in München seine wichtigsten Be-zugspersonen bei sich gehabt.

Willi Breuer und Lukas Podolski sollten sich jeden-falls nach den ersten Bergheimer Jahren schon baldwieder treffen: beim 1. FC Köln. Breuer heuerte dortals Jugendtrainer an. In der C-Jugend betreute erauch zwei Jahre lang den hoffnungsvollen Nach-wuchsstürmer Lukas Podolski. Aber auch nach diesen gemeinsamen Jahren riss die enge Berghei-mer Bande nicht ab. Willi Breuer, später deutscherNationaltrainer der Fußballer mit geistiger Behin-derung, stand Podolski immer als väterlicher Bera-ter zur Seite und führte die ersten Vertragsverhand-lungen. So waren schon zu B-Jugend-Zeiten die Spä-her von Borussia Dortmund auf den jungen Kölneraufmerksam geworden und lockten bereits mit statt-lichen Beträgen. Breuer, selbst Vater von vier Kin-dern, riet aber von einem frühen Wechsel ab. Dafür

sind ihm die FCer immer noch dankbar. »Wir habenauch heute ein sehr freundschaftliches Verhältnis«,sagt Willi Breuer, und sein »Ziehsohn« schätzt seine Meinung. Da kann er es sogar verknusen,wenn er mal die Leviten gelesen bekommt.

Als Lukas nämlich als frischgebackener Natio-nalspieler vor Jahren mit seiner dicken Limousinebei Breuers aufkreuzte und vor den Söhnen prah-len wollte, ließ Vater Breuer den Jüngling stramm-stehen: »So nicht, Freundchen«, sagte er dem Em-porkömmling von nebenan. Lukas verstand undfuhr schnell wieder vom Hof.

Lukas wusste aber immer, wo er herkommt. Dazusteht er bis heute. Starallüren sind ihm nach wievor fremd. Viele der Jungs, mit denen sich Podols-ki damals traf und gegen die er auf dem legendärenBergheimer Gummiplatz kickte, stammten aus Ma-rokko. Mohammad Faouzi, Podolskis früherer Weg-gefährte und auch heute noch ein guter Kumpel, isteiner von ihnen und ein Musterbeispiel dafür, wiegut Integration in Deutschland manchmal funktio-nieren kann. Faouzi arbeitet mittlerweile als Hono-rarkraft an der Erich-Kästner-Schule, jener Haupt-schule, die auch Lukas Podolski von 1995 bis 2001besuchte. »Fauzi«, wie ihn alle rufen, ist dort so etwas wie der kleine Schulpolizist. Der 35-Jährigebetreut vor allem die Migrantenkinder und ist dieVerbindungsstelle zwischen den Lehrern der Schu-le und den Eltern, die es oft nicht wagen, zur Schu-le zu kommen, wenn es mal wieder ihre Kinder zudoll getrieben haben. Faouzi klingelt dann nachmit-tags an den Haustüren und berichtet von den gro-ßen und kleinen Fehltaten ihrer Zöglinge.

»Die Eltern haben ihn mit positiver Kritik begleitet. Wenn er nicht spurte, gab es auch mal

was zwischen die Hörner.«Willi Breuer

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Früher war Faouzi bei Fritz Kukuck angestellt, demSpediteur, der einst beim 1. FC Köln im Aufsichts-rat saß. Fast wäre auch Lukas Podolski in diesemUnternehmen gelandet. Vater Waldemar Podolskiwar schließlich viel daran gelegen, dass sein Sohnnicht nur auf die Karte Fußball setzen, sondern einen soliden Beruf ergreifen sollte. So hätte sichLukas fast zur Fachkraft für Lagerlogistik ausbil-den lassen. Das Bewerbungsgespräch für eine Lehr-stelle hatten Vater und Sohn in Kerpen im Jahr 2002jedenfalls schon geführt. Es sollte anders kommen.Kurz nach dem Gespräch lag der erste Profi-Vertragvom 1. FC Köln bei der Familie auf dem Tisch.

Dass es einmal so weit kommen würde, hatte HorstBrüschke schon früher geahnt. Brüschke ist Jugendtrainer beim FC Bergheim 2000, jenem Club,der aus der Fusion von Jugend Bergheim 07 undVfB Kenten hervorgegangen ist. Horst Brüschketrainiert die Nachwuchskicker des Clubs schonmehr als 30 Jahre. Nur einmal hat der Kleinunter-nehmer mit der rauen Stimme ein oder zwei Jah-re ausgesetzt, weil er viel Zeit für seine Firma inKöln benötigte. Seither steht er wieder Woche fürWoche auf dem Trainingsplatz des FC und fördertdie Fußball-Jugend. So ziemlich jeden BergheimerJungen unter 20 Jahren hat Horst Brüschke schontrainiert.

Wenn es um Lukas Podolski geht, reagiert er mitt-lerweile ziemlich cool. Dazu habe er doch schon alles gesagt, meint er. Vor allem vor der WM 2006,als die Reporter und Kamerateams in BergheimSchlange standen und wissen wollten, wie damalsalles anfing. Damals, als Lukas Podolski seine ers-ten Gehversuche im Fußballclub machte. Dabei,stellt Horst Brüschke klar, war er ja gar nicht derallererste Trainer von Lukas Podolski. Das erste hal-be Jahr habe ihn Heinz Hillmann betreut. Brüsch-ke erinnert sich aber noch gut daran, wie der klei-ne Steppke Lukas im Frühjahr 1991 erstmals vorihm stand. Deutschland war vor etwas mehr als einem halben Jahr Weltmeister geworden, und vie-le Altersgenossen wollten einmal Jürgen Klinsmannoder Rudi Völler werden. Lukas Podolski wollte dasnicht, er hatte keine Idole, keine Poster von denStars über dem Bett hängen. Lukas war immer nurer selbst. »Schreiben Sie aber bloß nicht, ich hätteihn entdeckt. Lukas war ein Naturtalent. Ihm muss-te man nicht viel beibringen. Der konnte es einfach«,sagt Horst Brüschke bescheiden. Immerhin war erder erste Trainer, der ihn prägte. Als Lukas zumClub kam, spielte er schnell eine Klasse höher. Erwar einer von den Kleinen und dennoch dank sei-ner guten Anlagen oft unterfordert.

Die D-Jugend des FC Bergheim 2000 war Mitte der90er Jahre insgesamt eine überdurchschnittlicheMannschaft, die neben Lukas Podolski viele guteSpieler besaß. Podolski war dabei nur ein kleinerJuwel in Brüschkes Team.

»Es gab in der damaligen Mannschaft sogar Spie-ler, die waren technisch besser als Lukas«, sagt derJugendtrainer, dafür hatte Podolski eine Antritts-schnelligkeit und eine Schusstechnik, die damalsschon erkennen ließen, dass aus dem kleinen,schmächtigen, aber ungemein zähen BergheimerBurschen mal ein ganz großer Fußballer werdenkönnte. Horst Brüschke erinnert sich vor allem anden unglaublich harten Schuss seines Schützlings.Oft rief der Trainer ihm von der Seitenlinie zu: Lukas, ab 30 Metern Torentfernung Feuer frei, aberpass auf den Torwart auf. Einmal, weiß Brüschkenoch genau, hat der kleine Lukas bei einem Hallen-turnier so fürchterlich abgezogen, dass sich das Tor-netz aus der Verankerung löste. Brüschke taten diegegnerischen Keeper oft ein bisschen Leid. »Weilich wusste, wenn Lukas aus 30 Metern abzieht, dannwar der Ball drin.« In Bergheim geht auch die Geschichte um, dass sich Brüschke schon abwen-dete und einen Treffer auf seinem Zettel notierte,sofern Podolski 30 Meter vor dem gegnerischen Torüberhaupt erst den Ball hatte.

Horst Brüschketrainiert den ganz

jungen Podolski.

Hier zieht sich auchLukas Podolski einigehundert Mal die Stut-zen an: die Umkleidedes FC Bergheim2000.

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»Aber er war nie eigensinnig«, sagt Brüschke.»Er hat jedem den Ball abgespielt, der besser stand.Wenn er wollte, konnte er die anderen reihenweisevernaschen und ein Spiel allein entscheiden. Er wirdja nie ein Professor, aber im Spiel war er ein ganzSchlauer.« Immer mit dem Ball unterm Arm habe erLukas durch Bergheim flitzen sehen. Seine Freun-de gingen ins Schwimmbad oder ins Eiscafé, Lukasging bolzen. Bei jedem Wetter. Jeder konnte sehen,was für einen Spaß er dabei hatte.

Obwohl: Ins Eiscafé hat es Lukas Podolski dann doch öfter mal geschafft. Sein Lieblingslokal war das »Marino« in der Hauptstraße. Es war der Treffpunktschlechthin für den Jugendlichen und seine Kum-pels, eine Stammkneipe gab es für die Fußball-buben ja noch nicht. Meist bestellte sich Lukas ei-nen Saft oder einen Kakao. Er kam auch deswegenso gerne, weil er mit dem Besitzer so herrlich überFußball quatschen konnte.

Domenico Marino ist ein kleiner Mann in denVierzigern, der mittlerweile auch ein Jugendamt

beim FC Bergheim 2000 übernommen hat. Marinotrainiert mit großem Einsatz die B-Jugend des Clubs.»Dem Lukas ging es nur um Fußball. Wir haben vielüber internationale Clubs gesprochen. Er schwärm-te für den FC Barcelona«, erinnert er sich. Ein biss-chen traurig ist er mittlerweile schon, dass er sei-nen einstigen Stammgast so lange nicht gesehenhat.

»Seit Lukas nach München gewechselt ist, habeich ihn nicht mehr gesehen. Die Entfernung ist wohlzu weit. Ich hoffe, das ändert sich, wenn er nun wie-der zurückkommt«, sagt Domenico, während er inseinem Lokal sitzt. Türkis sind die Wände, und überden bunten Sitzecken hängen Bilder von vene-zianischen Masken. Der Italiener nimmt es Lukas Podolski nicht übel, dass er sich hier lange nichtmehr hat blicken lassen.«Ich kann über den Lukasnichts Schlechtes sagen. Er war immer in Ordnung.«

Später, als junger Nationalspieler, besuchte Podols-ki seinen italienischen Freund auch deshalb immerwieder, weil der die neuesten Storys über ihn ausder Gazzetta dello Sport übersetzen konnte. Die große italienische Sportzeitung liegt täglich in derEisdiele von Domenico bereit, wenn sie nicht gera-de von seinen Landsleuten ausgeschlachtet wird.Und die italienischen Sportjournalisten berichtetennicht selten über den populären deutschen Jung-star aus Köln. »An den Meldungen aus Italien warer besonders interessiert«, erzählt Domenico. EineZeit lang wunderten sich die Reporter aus dem Landdes Weltmeisters, warum Podolski so wenig Spiel-anteile bei den Bayern erhielt, gibt Domenico denTenor der Berichte wieder, die er Podolski vorlas.Der bedankte sich übrigens mit einem Trikot odereinem Schal, die er Domenicos Sohn schenkte.

Der Bergheimer Eismann ist einer, dem man in Sachen Fußball nicht so schnell etwas vormacht.Für den eingefleischten »Juve«-Fan war der Wech-sel nach München ein Fehler, noch heute. »Ich ha-be ihm damals geraten, nicht zu den Bayern zu ge-hen. Lukas ist nicht der Typ, der die Ellenbogen he-rausfährt, um für seinen Platz zu kämpfen. Das kön-nen andere besser«, sagt er und denkt vor allem anseinen Landsmann Luca Toni.

Den einen oder anderen Kaffee hat der Eismannauch schon verloren, weil er wettete, dass der ver-lorene Sohn bereits im Winter zurück an den Rheinwechseln würde. Nun muss sich auch der kleineItaliener, der aus dem 1.200-Seelen-Dorf Cropalatiin Kalabrien stammt, bis zum Sommer gedulden.Spätestens dann, so hofft er, wird Podolski vielleichtauf einen Saft oder einen Kakao vorbeischauen. Die Gazzetta wird auf jeden Fall zum Übersetzenbereit liegen.

Poldis Klassenzim-mer: Hier träumt erwährend der Mathe-und Deutschstundenvon 30-Meter-Schüs-sen in den Winkel.

Poldis Schule: Die Erich-Kästner-Schule in derGutenbergstraßegilt als sozialerBrennpunkt.

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Es waren unbeschwerte Zeiten, die Lukas Podolski auf den Bolzplätzen in und um Bergheim verbrach-te. Nicht ganz so unbeschwert lief es in der Schule. Lukas besuchte die Erich-Kästner-Hauptschule inBergheim von 1995 bis 2001. War er ein guter Schü-ler, war er ein schlechter Schüler? »Weder noch«,sagt Bärbel Hilbricht-Gey, seit 2004 Schulleiterin.Sie selbst hat ihn nie unterrichtet, aber sie hat sichbei seinem Klassenlehrer erkundigt, der heute nichtmehr an der Schule tätig ist. »Lukas war wohl einunauffälliger Schüler«, merkt sie an. Natürlich ha-be der Junge aus der Magdeburger Straße im Sport-unterricht geglänzt. Aber sonst? Sie weiß es nichtoder will es zumindest nicht sagen. Eine Leuchtewar Lukas Podolski im Klassenzimmer wohl nicht.In den Archiven haben die Lehrer an der Schulenoch einmal gekramt, um vielleicht doch noch daseine oder andere Notenbüchlein zu finden, aber ansTageslicht gekommen ist nichts mehr. Vielleichtwollten sie es aber auch gar nicht mehr finden …

Die Erich-Kästner-Schule ist eine von zwei Haupt-schulen in Bergheim und das, was man einen sozia-len Brennpunkt nennt. Der Anteil der ausländischenSchüler ist hoch. 65 Prozent haben einen Migra-tionshintergrund, 45 Prozent besitzen einen aus-ländischen Pass. Für Lukas Podolski bedeutete dies,sich früh in diesem nicht gerade leichten Umfeldzu behaupten. Es gab Konflikte und Raufereien aufdem Schulhof, vor allem mit den Marokkanern, mitdenen auch gekickt wurde. Der große Raudi war Lukas Podolski aber nie. Schließlich wollte er nurschnell auf den Fußballplatz, sobald der Gong dieletzte Schulstunde beendet hatte.

Den Kontakt zu seiner alten Schule hat LukasPodolski ziemlich schnell verloren, nachdem er sieverlassen hatte. Bärbel Hilbricht-Gey hat es späternoch das eine oder andere Mal versucht, ihn zumSporttag einzuladen, damit er die Schulbesten beiden Bundesjugendspielen ehrt. Meist ist es bei derAnfrage geblieben, ohne dass eine Antwort kam.»Er hat wohl mit seiner Schulzeit schnell abgeschlos-sen«, meint Hilbricht-Gey heute. Nach dem Wech-sel nach München vor drei Jahren sei es nochschwieriger geworden, ihn zu erreichen. Mittler-weile hat die Schulleiterin das Gefühl, dass er nichtmehr so richtig zu seiner Schule steht. Umgekehrtist es anders. Während der Weltmeisterschaft 2006in Deutschland hat Bärbel Hilbricht-Gey Fußbällein die Schulfenster geklebt. Für jedes Tor, das Podolski bei der WM schoss, einen Ball-Aufkleber.Dafür ist sie sogar in den Ferien eigens ins Schul-gebäude gefahren, um wieder einen Ball anzukle-ben. So waren die Bergheimer in Sachen Podolskispersönlicher WM-Statistik immer auf dem neues-ten Stand.

Der Stolz auf den berühmten Schüler lässt sich auchim Zimmer der Schulleiterin ablesen. An der Wandhängt ein großes Foto mit der Schulmannschaft von1998/99, die, angeführt von Lukas Podolski, dieKreismeisterschaft im Rhein-Erft-Kreis holte. Betreut hat das siegreiche Team damals FriedrichKrämer, einer der Sportlehrer der Erich-Kästner-Schule. Krämer ist ein hochgewachsener Mann miteinem grauen Vollbart und einer tiefen Stimme. Einer, der einem Schüler mit seiner rauen Art ganzschön Respekt einflößen kann, auch wenn er inWirklichkeit ein lieber, netter Mensch ist. Im Ge-gensatz zu Lukas’ einstigem Klassenlehrer unter-richtet Krämer immer noch an der Schule und hatsogar noch gute Erinnerungen an den Schüler Podolski, der vor nunmehr 14 Jahren erstmals die

Pflichtlektüre im Eiscafé: DomenicoMarino liest Podolskiaus der Gazzetta dello Sport vor.

Der schlesischeWurstwagen versorgtBergheim mit Spe-zialitäten aus der Heimat.

»Dem Lukas ging es nur um Fußball. Wir haben viel über internationale Clubs gesprochen, er schwärmte für

den FC Barcelona.« Domenico Marino

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AUS DERASCHE

Vom Hartplatz des FC Bergheim 2000 in die Hochglanz-Arenen ist es ein weiter Weg.

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118 Zuhause ist es am schönsten

Zur WM 2006 lässt sich der Berghei-mer Friseur Jürgen Dederichs für sei-nen berühmten Stammkunden etwasBesonderes einfallen: den eigens vonihm entworfenen Bambi-Look mitblonden Strähnchen.

Einrichtung an der Gutenbergstraße besuchte. »DasFußballspielen hat er bei mir gelernt«, verkündetKrämer mit einem Augenzwinkern. Er hat selbstzwei Söhne, die begeistert kicken.

Friedrich Krämer begleitete die Schülermannschaftoft zu Kreismeisterschaften und weiß noch, wie ermal, vorne im Bus stehend, in die Sitzreihen schau-te und nur »schwarze Köpfe« sah, wie er sagt. Er meinte die Schüler mit dunklen Haaren und stell-te dann mit dem Mikrophon in der Hand fest: »Oh, heute haben wir ja nur einen Deutschen da-bei, den Lukas!« Prompt verbesserte Podolski seinen Lehrer und erwiderte schlagfertig: »Herr Leh-rer, ich bin Pole!«

Nicht nur dies ist Friedrich Krämer in Erinner-ung geblieben, sondern auch die vorbildliche Ein-stellung des außergewöhnlichen Fußballtalents. Es gab zu Podolskis Zeiten mehrere gute und sehrgute Kicker an der Erich-Kästner-Schule. Junge Spie-ler, die nicht nur beim 1. FC Köln spielten, sondernauch bei Bayer Leverkusen, Borussia Mönchenglad-bach oder dem Bonner SC. Oft war es so, dass dieVereinsspieler darum baten, doch bitte in den Par-tien mit der Schulmannschaft geschont zu werdenund möglichst nur eine Halbzeit aufzulaufen, umVerletzungen aus dem Weg zu gehen. »Bei Lukaswar das anders«, sagt Friedrich Krämer, »den inte-ressierte in diesem Moment sein FC nur wenig, derwollte auch bei uns immer so lange durchspielen,wie es ging.« Krämer hat ihn natürlich gelassen undzeigt nun gerne die große Glasvitrine im Foyer desSchulgebäudes mit den vielen Pokalen, die die Erich-Kästner-Schule errang und an denen auch LukasPodolski beteiligt war.

Mittlerweile hat Podolskis alte Schule auf Ganztags-unterricht umgestellt, die Schüler sind nun bis16 Uhr am Nachmittag anwesend. Im Sommer 2009wird ein neuer Nebentrakt mit Mensa und Aula fertig sein. Bärbel Hilbricht-Gey will es dann nocheinmal versuchen, den Ehemaligen zu seiner altenSchule zu locken und den Festakt zu gestalten. Die Schülerinnen und Schüler der Erich-Kästner-Schule wären begeistert.

Die Treue gehalten hat Lukas Podolski dagegen seinem Friseur in Bergheim oder besser gesagt: seiner Friseurin. Lydia Dederichs führt gemein-sam mit ihrem Mann Jürgen den alteingesessenen»Damen- und Herrensalon Dederichs«. Es ist das älteste Friseurgeschäft am Ort und liegt etwas ver-steckt in der kleinen »Erftpassage« in der Fußgän-gerzone. Der Vater von Jürgen Dederichs gründeteden Salon 1952, den der Sohn dann 1980 übernahm.Wer den Weg hierher gefunden hat, der erkennt

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schon von weitem den prominentesten Kunden. Im Schaufenster hängen große Foto-Collagen vonLukas’ letztem Besuch bei Dederichs im Dezember2008. Selbst in seiner Zeit beim FC Bayern bevor-zugte Podolski nicht einen Starcoiffeur aus der baye-rischen Metropole, sondern schwor nach wie vorauf die Haarkunst aus Bergheim. »Lukas hat seltenirgendwelche Sonderwünsche, meist möchte er seine Haare schön kurz geschnitten haben«, sagtdie Chefin, die 17 Euro für einen Trockenschnitt ver-langt.

2005 sei Lukas das erste Mal bei ihnen gewe-sen, berichtet Jürgen Dederichs nach einem Blickin seinen Computer. Das hat sich in der BergheimerSzene natürlich schnell herumgesprochen. Seitdemkommen immer mehr junge Kunden und verlangennach der Poldi-Frisur. Erst recht nach der WM 2006.Zum großen Turnier im eigenen Land sollte es näm-lich doch mal etwas Besonderes sein, und so ließsich der Nationalspieler, diesmal von Jürgen Dede-richs, Strähnchen ins Haar färben. Prompt machtedie neue Poldi-Frisur bundesweit Schlagzeilen undging als von Jürgen Dederichs kreierter »Bambi-Look« in die lange Geschichte der deutschen Kicker-frisuren ein. Weil die WM so gut für Lukas Podols-ki lief, wiederholte der Nationalstürmer das Strähn-chen-Ritual übrigens noch einmal zur Europameis-terschaft 2008. Der Besuch beim Poldi-Friseur lohntsich mittlerweile auch aus einem anderen Grundfür die junge Kundschaft: Denn jedem kleinen Podolski-Anhänger schenkt Jürgen Dederichs eineAutogrammkarte dazu.

Verewigt hat sich Lukas Podolski auch im Rathausseiner Heimatstadt – und das gleich doppelt. ImFoyer des modernen Verwaltungsgebäudes, dasebenfalls an der Fußgängerzone liegt, hängt ein Glas-kasten mit einem Nationaltrikot von ihm. Und ei-nem kleinen Etikett, auf dem geschrieben steht: AlsDank an meine Heimatstadt – 19.3.2007, Lukas Po-dolski. »Das hat mir seine Großmutter geschenkt«,berichtet Maria Pfordt, die Bürgermeisterin vonBergheim. Wie so viele Bürger ihrer Stadt ist auchsie längst vom Fußball-Bazillus befallen. »Wir sind

Unscheinbarer geht’snicht: das Elternhaus inBergheim-Kenten.

BürgermeisterinMaria Pfordt ist stolzauf den Eintrag desweltweit populärs-ten Bergheimers insGoldene Buch derStadt.

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fußballerisch sehr nach Köln orientiert.« Es gibtzwar auch einige vereinzelte Anhänger von Borus-sia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen, aberdie große Mehrheit hänge am 1. FC Köln und zwarso sehr, sagt Maria Pfordt, dass ihr beim Abspielender Vereinshymne beim letzten Karneval die Tränen gekommen seien.

Den berühmtesten Sohn der Stadt hat sie nachder Weltmeisterschaft zu sich ins Rathaus eingela-den. Seitdem ist Lukas Podolski im Goldenen Buchvon Bergheim verewigt. Auch die Bürgermeisterin,die früher an Podolskis Schule unterrichtete, iststolz auf den berühmtesten Sohn. »Ich habe ihn alssehr herzlichen Menschen kennengelernt, der eherzurückhaltend ist und gar nicht so prominent seinmöchte«, berichtet sie. Öfter schon habe sie den jungen Familienvater mit seiner Frau und seinemKind von ihrem Rathausfenster aus durch die Fuß-gängerzone Bergheims schlendern sehen. »Für un-sere Jugendlichen ist er auf jeden Fall ein Vorbild.«Wobei der Bürgermeisterin auch die Stimmungs-schwankungen während der Münchner Zeit nichtverborgen blieben. »Als es bei den Bayern vor derWinterpause nicht so gut lief, habe ich gemerkt,dass er längst nicht so fröhlich war, wie ich ihn kenne«, sagt Maria Pfordt.

Über den Weltruhm des Bergheimer Bürgers konn-te sich die Bürgermeisterin vor gar nicht allzu langer Zeit selbst ein Bild machen. Als es um dieAnsiedlung eines chinesischen Unternehmens inBergheim ging, wollte es der Firmenvertreter ausFernost gar nicht glauben, dass er sein Unterneh-men genau in der Stadt aufbauen sollte, aus der derdeutsche Fußballstar stammt. »Das war ein rich-tiger Trumpf für uns«, sagt Maria Pfordt. Nun freutsich die erste Frau der Stadt auf die Rückkehr derjungen Familie von München nach Köln und hatschon einen ganz besonderen Wunsch: »Vielleichtkann ich den Lukas und seine Monika ja schon baldhier bei uns im Standesamt trauen.« Auch wennPodolski mit seiner kleinen Familie demnächst inden Kölner Westen ziehen wird: Sein eigentlichesZuhause wird immer Bergheim bleiben.

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GEMEINEVERGLEICHE

Im Internet macht eine Fotomontage die Runde, die auf dieSchleyer-Entführung durch die RAF anspielt und Podolskials Gefangenen des FC Bayern zeigt.

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IMMER IMZENTRUM

Schöne Erinnerungen an vergangene FC-Erfolge, in Zukunft wirdPodolski mit anderen Mitstreitern jubeln.

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EIN LETZTES MALNach dem Bundesliga-Spiel der Bayernin Köln lässt sich Poldi von den FC-Fansfeiern – ein letztes Mal im falschen Trikot.

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EPILOG

Am Nachmittag des 18. April sprach Kölns TrainerChristoph Daum einen beängstigenden Satz aus, wenige Minuten nachdem sein 1. FC Köln gerademit 0:3 gegen Stuttgart ein weiteres Heimspiel verloren hatte. »Wir können nicht mehr«, sagte Daumüber den FC, »wir können es nicht besser.« Ein ab-soluter Offenbarungseid also, und zu genau dem sobeschriebenen Club kehrt Lukas Podolski zurück.

Der Weltklassestürmer hätte von Bayern nicht nachKöln wechseln müssen. Ein äußerst lukrativer Ver-trag von Manchester City lag bereits unterschrifts-reif auf seinem Tisch. Mit diesem Kontrakt bei einemlegendären Club, der milliardenschweren Scheichsaus Abu Dhabi gehört, hätte er für immer ausgesorgtgehabt. Podolski hätte auch zum Hamburger SVwechseln können und wäre bei einem deutschenTop-Club mit internationalem Spielplan gelandet.Er hätte zudem ein leichteres Umfeld vorgefundenals bei den Bayern. Doch Podolski nahm keines die-ser attraktiven Angebote an. Er entschied sich füreinen Wechsel zurück zum 1. FC Köln.

Podolski setzt mit diesem Wechsel seine internatio-nale Karriere aufs Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. Dass er in den nächsten Jahren auf Euro-pacup-Ebene zum Einsatz kommt, kann ihm nie-mand garantieren. Stattdessen wird er auf eine immense Erwartungshaltung treffen. Der Druck, derauf ihm in Köln lasten wird, wird höher sein als dasin Manchester oder Hamburg der Fall gewesen wäre.Podolski wird Verantwortung übernehmen müssen,vielmehr als zu den Anfängen seiner Profi-Laufbahn.Als er Köln im Sommer 2006 verließ, ging er als»kölscher Jung«, als unbeschwerter Strahlemann.Nach seinem Comeback muss er Führungsqualitä-ten zeigen, auch Härten, um den 1. FC Köln dahinzu bringen, wo beide hin wollen.

Doch auch der FC ist ein großes Risiko eingegan-gen. Mit dem 10-Millionen Transfer stößt der 1. FCKöln an seine finanziellen Grenzen. Viel Spielraumfür weitere Top-Verpflichtungen bleibt nicht. Dochdie sind unerlässlich, denn ohne geeignete Mit-spieler wird die Verpflichtung Podolskis ins Leerelaufen.

FC und Poldi haben sich also entschieden – für vol-les Risiko. Und darüber kann man sich gar nicht lautgenug freuen. Das ist mutig, das ist das Gegenteilvon ängstlicher defensiver Taktiererei, das ist quasiOffensivfußball, angetrieben von unbedingtem Willen zum Erfolg. Es ist also genau das, was alleFußballfans so lieben an ihrem Sport. Und ganz egal,wie dieses Experiment enden wird: Man muss demFC hoch anrechnen, dass er diesen Transfer gewolltund gestemmt hat, so wie man sich über Poldis Ent-scheidung für Köln einfach nur ausgiebig freuenkann. Genau das wollten wir mit diesem Buch tun.Wir hoffen, es ist uns geglückt.

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© Hermann-Josef Emons VerlagAlle Rechte vorbehalten

Autoren: Martin Klein und Jens-Martin Mickler

Art Direction: Jörg WeusthoffGestaltung: Weusthoff Noël; Ricardo Ketelsen, Philipp Dominic TackenbergBildredaktion: Reinaldo Coddou H.Lithografie: Format 5

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Martin KleinJahrgang 1965, hat in Köln Germanistik undPhilosophie studiert und arbeitet seit 1999 imTeam der WDR-Sendung »Zimmer frei«.Zuletzt erschien von ihm das Buch »Köln – Wo Fußball gelebt wird.«

Jens-Martin MicklerJahrgang 1969, stammt aus Halle/Westfalen. Nach einem Publizistik-Studium in Göttingenarbeitete er als Sportredakteur beimWestfalen-Blatt und beim Kölner Express.Heute ist er tätig als freier Journalist, unteranderem für die Internet-Redaktion Sport derARD und den Deutschlandfunk.

Jörg WeusthoffJahrgang 1969, ist in Köln geboren undbegann 1992 als Grafikdesigner beim Neven-Dumont-Verlag (Kölner Illustrierte). Zum ers-ten Wiederaufstieg des Clubs entwickelte er,neben vielen weiteren Büchern für den EmonsVerlag, »Die Helden des 1. FC Köln«. Seit 1993ist er Geschäftsführer der Design-AgenturWeusthoff Noël mit Sitz in Köln und Hamburg.

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D 14,95 €A 15,50CHF 27,90

ISBN 978-3-89705-657-2

Lukas Podolski ist ein Phänomen. Wannund wo auch immer der junge Mann mitoder ohne Ball auftaucht – die Menschenlieben ihn. Das gilt für seine polnischeFamilie, zu der er ein inniges Verhältnispflegt, und auch für die Lehrer an seinerSchule in Bergheim. Das gilt für seinealten Trainer aus der Jugend und für die aktuellen beim 1. FC Köln und in derNationalmannschaft. Das gilt für Millio-nen Fußballfans, nicht nur in Deutsch-land, und das gilt für Marketingexperten,die ihm als Sportlerpersönlichkeit einaußergewöhnliches Potenzial zuschrei-ben – eben weil er so ganz und gar normal ist. Ein Kumpeltyp, ein Freund,ein Familienmensch und treusorgenderVater, einer der zwar Millionen verdient,sich das aber nicht anmerken lässt.

Aus was für einem Umfeld kommt Poldi?Wer hat ihn wie geprägt, und was istseine Vorstellung vom Leben auf undneben dem Rasen? Wir haben unsbemüht, dies herauszufinden, im Früh-ling 2009, als auch wir mehr wissenwollten – über das Poldi-Phänomen.

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