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Photonik: Photonische Kristalle: Mikrostrukturierte Festkörper eröffnen neue Wege zur Manipulation...

Date post: 15-Dec-2016
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Panorama 27 Was Elektronen in Halbleiterkristallen wider- fährt, erleben in tiefgehender Analogie Pho- tonen („Lichtteilchen“) in Photonischen Kristallen: Mehrfachstreuungen an periodisch angeordneten „dielektrischen Atomen“ führen zur Ausbildung einer optischen Bandstruktur, welche sich fundamental auf die Lichtausbrei- tung sowie auf Emissionsprozesse in diesen meist künstlichen Strukturen auswirkt. Diese noch relativ neue Erkenntnis löste vor ungefähr zehn Jahren intensive, anfangs ausschließlich grundlagenorientierte Forschungsanstrengun- gen aus. Darauf aufbauend wurden neuartige, integriert-photonische Bauelemente vorge- schlagen, die durch ihre Miniaturisierung und hohe Effizienz völlig neue Anwendungsgebiete erschließen können. Mit der erstmaligen Realisierung solcher Bauelemente darf in den nächsten Jahren gerechnet werden. Dies könnte für die Photonik eine ähnlich stürmische Entwicklung einleiten, wie sie in der Elektronik in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat. I n Halbleitermaterialien breiten sich Elektronenwel- len in einem durch die Kristallatome vorgegebenen, periodischen Potential aus. Dabei wird die Dispersi- onsrelation freier Elektronen modifiziert: Es kommt zur Ausbildung einer komplizierten Bandstruktur mit einer Bandlücke, die sich z. B. im Anregungsspektrum dieser Materialien nachweisen läßt (siehe Kasten „Pho- tonische Bandstrukturen“). Durch gezieltes Einbringen von Defekten (Dotierung) kann man die elektroni- schen Eigenschaften dieser Werkstoffe seit vielen Jahr- zehnten äußerst gezielt manipulieren, sozusagen maßschneidern. Die Auswirkungen sind wohlbekannt: Praktisch die gesamte moderne Elektronik basiert auf diesen Materialien, vornehmlich auf Silizium. Weit weniger bekannt ist, daß seit etwas mehr als zehn Jah- ren das optische Analogon zu elektronischen Halblei- tern, die sogenannten Photonischen Kristalle, Gegen- stand intensiver internationaler Forschung sind. Bei Photonischen Kristallen handelt es sich um Ma- terialien mit periodisch variierendem Brechungsindex, welche die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in ähnlicher Weise beeinflussen, wie dies für Elektronen- wellen in z. B. einem Gitter aus Siliziumatomen der Fall ist. Ebenfalls in Analogie zu Halbleitern sollte da- bei die Periodizität des zugrundeliegenden Gitters von der Größenordnung der Wellenlänge der elektroma- gnetischen Strahlung sein. Trotz weitreichender Analo- gien zwischen elektronischen Wellen in Halbleitern und elektromagnetischen Wellen in Photonischen Kri- stallen gibt es auch einige markante Unterschiede, wie man unschwer an den jeweiligen Bewegungsgleichun- gen erkennen kann. Darin werden Elektronen durch ein skalares Wellenfeld beschrieben, das elektromagne- tische Feld dagegen besitzt vektoriellen Charakter. Weiterhin erlaubt die zeitunabhängige Schrödinger- Gleichung Lösungen mit negativen Energieeigenwer- ten, während in der entsprechenden Wellengleichung der Elektrodynamik lediglich das Quadrat der Eigen- frequenzen auftritt, mithin negative Eigenwerte aus- geschlossen sind. Daß diese Unterschiede sich eher nachteilig auf die Bildung photonischer Bandlücken auswirken, mag man an den wenigen in der Natur vor- kommenden Photonischen Kristallen erahnen. Von der Vielfalt optischer Erscheinungen sind lediglich die schillernden Effekte von Opalen und mancher Kristal- lite auf Schmetterlingsflügeln auf natürlich vorkom- mende Photonische Kristalle zurückzuführen. Wegen der extremen Miniaturisierungsanforderungen ist es erst seit kurzem, aufgrund bedeutender Fortschritte in den Nanotechnologien, aussichtsreich, Photonische Kristalle für den optischen Frequenzbereich in kontrol- lierter Weise künstlich herzustellen (Abb. 1). Als gesi- chert gilt, daß ihnen bei der Realisierung neuartiger optischer Bauelemente eine Schlüsselrolle zukommen Photonik Photonische Kristalle Mikrostrukturierte Festkörper eröffnen neue Wege zur Manipulation von Licht Albert Birner, Kurt Busch, Frank Müller Physikalische Blätter 55 (1999) Nr. 4 0031-9279/99/0404-27 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 1999 Dipl. Phys. Albert Birner, Dr. Frank Müller, Max-Planck- Institut für Mikro- strukturphysik, Weinberg 2, D-06120 Halle, birner@ mpi-halle.mpg.de; Dr. Kurt Busch, De- partment of Physics, University of Toron- to, 60 St. George St., Toronto, Ontario M5S 1A7, Canada (ab 01.05.99: Institut für Theorie der Kon- densierten Materie, Physikhochhaus, Universität Karlsru- he, 76128 Karlsruhe, e-mail: kurt@tkm. physik.uni-karlsru- he.de) Abb. 1: An den ca. 3 Milliarden Porenöffnungen auf einem Silizium- Substrat, der Realisierung eines zweidimensionalen Photoni- schen Kristalls, wird Licht derart reflektiert, daß ein bunt schil- lerndes Interferenzbild entsteht. Die Poren mit einem Durch- messer von gut 1 mm sind in benachbarten Querstreifen abwechselnd in 1,5 und 1,55 mm Rasterabstand angeordnet, was zu dem „Fußballraseneffekt“ führt.
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Page 1: Photonik: Photonische Kristalle: Mikrostrukturierte Festkörper eröffnen neue Wege zur Manipulation von Licht

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Was Elektronen in Halbleiterkristallen wider-fährt, erleben in tiefgehender Analogie Pho-tonen („Lichtteilchen“) in PhotonischenKristallen: Mehrfachstreuungen an periodischangeordneten „dielektrischen Atomen“ führenzur Ausbildung einer optischen Bandstruktur,welche sich fundamental auf die Lichtausbrei-tung sowie auf Emissionsprozesse in diesenmeist künstlichen Strukturen auswirkt. Diesenoch relativ neue Erkenntnis löste vor ungefährzehn Jahren intensive, anfangs ausschließlichgrundlagenorientierte Forschungsanstrengun-gen aus. Darauf aufbauend wurden neuartige,integriert-photonische Bauelemente vorge-schlagen, die durch ihre Miniaturisierung undhohe Effizienz völlig neue Anwendungsgebieteerschließen können. Mit der erstmaligenRealisierung solcher Bauelemente darf in dennächsten Jahren gerechnet werden. Dies könntefür die Photonik eine ähnlich stürmischeEntwicklung einleiten, wie sie in der Elektronikin den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat.

In Halbleitermaterialien breiten sich Elektronenwel-len in einem durch die Kristallatome vorgegebenen,periodischen Potential aus. Dabei wird die Dispersi-

onsrelation freier Elektronen modifiziert: Es kommtzur Ausbildung einer komplizierten Bandstruktur miteiner Bandlücke, die sich z. B. im Anregungsspektrumdieser Materialien nachweisen läßt (siehe Kasten „Pho-tonische Bandstrukturen“). Durch gezieltes Einbringenvon Defekten (Dotierung) kann man die elektroni-schen Eigenschaften dieser Werkstoffe seit vielen Jahr-zehnten äußerst gezielt manipulieren, sozusagenmaßschneidern. Die Auswirkungen sind wohlbekannt:Praktisch die gesamte moderne Elektronik basiert aufdiesen Materialien, vornehmlich auf Silizium. Weitweniger bekannt ist, daß seit etwas mehr als zehn Jah-ren das optische Analogon zu elektronischen Halblei-tern, die sogenannten Photonischen Kristalle, Gegen-stand intensiver internationaler Forschung sind.

Bei Photonischen Kristallen handelt es sich um Ma-terialien mit periodisch variierendem Brechungsindex,welche die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen inähnlicher Weise beeinflussen, wie dies für Elektronen-wellen in z. B. einem Gitter aus Siliziumatomen derFall ist. Ebenfalls in Analogie zu Halbleitern sollte da-bei die Periodizität des zugrundeliegenden Gitters von

der Größenordnung der Wellenlänge der elektroma-gnetischen Strahlung sein. Trotz weitreichender Analo-gien zwischen elektronischen Wellen in Halbleiternund elektromagnetischen Wellen in Photonischen Kri-stallen gibt es auch einige markante Unterschiede, wieman unschwer an den jeweiligen Bewegungsgleichun-gen erkennen kann. Darin werden Elektronen durchein skalares Wellenfeld beschrieben, das elektromagne-tische Feld dagegen besitzt vektoriellen Charakter.

Weiterhin erlaubt die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung Lösungen mit negativen Energieeigenwer-ten, während in der entsprechenden Wellengleichungder Elektrodynamik lediglich das Quadrat der Eigen-frequenzen auftritt, mithin negative Eigenwerte aus-geschlossen sind. Daß diese Unterschiede sich ehernachteilig auf die Bildung photonischer Bandlückenauswirken, mag man an den wenigen in der Natur vor-kommenden Photonischen Kristallen erahnen. Von derVielfalt optischer Erscheinungen sind lediglich dieschillernden Effekte von Opalen und mancher Kristal-lite auf Schmetterlingsflügeln auf natürlich vorkom-mende Photonische Kristalle zurückzuführen. Wegender extremen Miniaturisierungsanforderungen ist eserst seit kurzem, aufgrund bedeutender Fortschritte inden Nanotechnologien, aussichtsreich, PhotonischeKristalle für den optischen Frequenzbereich in kontrol-lierter Weise künstlich herzustellen (Abb. 1). Als gesi-chert gilt, daß ihnen bei der Realisierung neuartigeroptischer Bauelemente eine Schlüsselrolle zukommen

Photonik

Photonische Kristalle Mikrostrukturierte Festkörper eröffnen neue Wege zur Manipulation von Licht

Albert Birner, Kurt Busch, Frank Müller

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 40031-9279/99/0404-27$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 1999

Dipl. Phys. AlbertBirner, Dr. FrankMüller, Max-Planck-Institut für Mikro-strukturphysik,Weinberg 2, D-06120Halle, [email protected];Dr. Kurt Busch, De-partment of Physics,University of Toron-to, 60 St. George St.,Toronto, OntarioM5S 1A7, Canada(ab 01.05.99: Institutfür Theorie der Kon-densierten Materie,Physikhochhaus,Universität Karlsru-he, 76128 Karlsruhe,e-mail: [email protected])

Abb. 1:An den ca. 3 Milliarden Porenöffnungen auf einem Silizium-Substrat, der Realisierung eines zweidimensionalen Photoni-schen Kristalls, wird Licht derart reflektiert, daß ein bunt schil-lerndes Interferenzbild entsteht. Die Poren mit einem Durch-messer von gut 1 mmm sind in benachbarten Querstreifenabwechselnd in 1,5 und 1,55 mmm Rasterabstand angeordnet, waszu dem „Fußballraseneffekt“ führt.

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wird. Neben bedeutenden technologischen Aspekteneröffnen sie auch der Grundlagenforschung, insbeson-dere in der Quantenoptik, völlig neue Wege [1].

Neue SichtweisenIm Jahre 1987 erschienen nahezu zeitgleich zwei

Artikel von Eli Yablonovitch und Sajeev John, welchePhotonische Kristalle zum ersten Mal näher in dasBlickfeld der breiten Physikeröffentlichkeit brachten:Eli Yablonovitch [2] betrachtete den angeregten Zu-stand eines Atoms, das in einem Photonischen Kristallsitzt. Er postulierte, daß für diesen Zustand die sponta-ne Emission mit Übergangsfrequenzen, die in derBandlücke des Photonischen Kristalls liegen, verbotensein müßte. Dieser angeregte Zustand kann somit nichtzerfallen und wird metastabil. Weiterhin sagte er vor-aus, daß in den Photonischen Kristall gezielt einge-brachte Defekte, ähnlich dem Dotieren von Halblei-tern, räumlich lokalisierte Zustände erzeugen müßten,die energetisch innerhalb der Bandlücke liegen.

Einen gänzlich anderen Blickwinkel hatte SajeevJohn [3]: Mehrere Gruppen, die sich mit der Ausbrei-tung von Licht in ungeordneten Medien beschäftigthatten, konnten zwar das optische Analogon zurschwachen Lokalisierung von Elektronen, die soge-

nannte „kohärente Rückstreuung“, beobachten, warenaber bei der Suche nach starker Lokalisierung (sieheKasten „Anderson-Lokalisierung“) erfolglos geblieben.Sajeev John argumentierte nun, daß Anderson-Lokali-sierung von Licht, statt wie im elektronischen Falldurch das Einbringen von Störstellen in ein homogenesMaterial, durch das „Amorphisieren“ eines Photoni-schen Kristalls möglich sein müßte: Die Bandlücke sol-cher Kristalle bietet ideale Bedingungen für das Entste-hen von zunächst isolierten photonischen Defektzu-ständen, die sich mit zunehmender Unordnung zu

Zur Berechnung photonischerBandstrukturen ist es am ein-fachsten, auf die Methoden derelektronischen Bandstruktur-berechnung zurückzugreifen.Dabei müssen aber verschiede-ne Anpassungen vorgenommenwerden, die den spezifischenUnterschieden von photoni-schen und elektronischen Kri-stallen Rechnung tragen. Zumeinen handelt es sich beimelektromagnetischen Feld umeine vektorielle Größe, für dasskalare Näherungen unzurei-chend sind. Zum anderen sinddie „Streupotentiale“ der di-elektrischen Atome wohldefi-niert und müssen nicht selbst-konsistent bestimmt werden.Als Ausgangspunkt wollen wirdie Wellengleichung für einmagnetisches Feld mit harmo-nischer Zeitabhängigkeit eivt ineinem dreidimensionalen, un-endlich ausgedehnten Photoni-schen Kristall verwenden. So-fern sich alle verwendeten Ma-terialien in der dielektrischennicht aber in der magnetischenPermeabilität unterscheiden,erhalten wir durch Kombinati-on der Maxwell-Gleichungenfolgende Wellengleichung:

� × (ep–1( r� )� ×H�( r� ))+

v2/c2 H�( r� ) = 0. (1)

In ep( r� ) steckt dabei die gesam-te Information über die räum-lich periodische Struktur desPhotonischen Kristalls. Zur Be-stimmung der photonischenDispersionsrelation ist es nunam einfachsten, die Wellenglei-chung (1) in dem zum Kristall-gitter (dualen) reziproken Git-ter zu betrachten. Diese Vorge-hensweise erlaubt es uns,dieEigenmoden des Photoni-schen Kristalls kompakt durch

einen Kristallimpuls k� sowie ei-nen Bandindex n zu numerie-ren, wobei die Kristallimpulsein der ersten Brillouin-Zonedes reziproken Gitters liegen.Die Dispersionsrelation derPhotonen im unendlichen Im-pulsraum wird also auf die 1.Brillouin-Zone zurückgefaltet.Wie im Text erläutert, spieltneben der Dispersionsrelationdie photonische Zustandsdich-te N(v) beim Verständnis derEigenschaften PhotonischerKristalle eine entscheidendeRolle. Die photonische Zu-standsdichte N(v) definiertsich durch das „Abzählen“ derim Photonischen Kristall er-laubten Zustände mit einervorgegebenen Frequenz v, d. h.

einer Summe über alle Bändersowie ein Integral über die 1.Brillouin-Zone einer Dirac-schen d-Funktion gemäß

N(v)= �n�1.BZ d3kd(v–vn(k�)). (2)

Zur numerischen Berechnungbedienen wir uns wiederum derMethoden der elektronischenBandstrukturtheorie. Ausführli-chere Beschreibungen der obenangedeuteten Verfahren findensich z.B. in [10]. Abb. I, links,zeigt zunächst Bandstrukturenund Zustandsdichten für denPhotonischen Kristall aus Ab-bildung 5, die wir mit den obenskizzierten Methoden berech-net haben. Wie bereits ange-sprochen, entkoppeln bei

solchen zweidimensionalenPhotonischen Kristallen diePolarisationen des elektroma-gnetischen Feldes vollständig,sofern wir uns auf die Ausbrei-tung senkrecht zu den Zylin-derachsen beschränken. Wirkönnen also die Polarisationdes elektrischen Feldes parallel(E-Polarisation) und senkrecht(H-Polarisation) zu den Zylin-derachsen getrennt berechnen.In Abb. I, rechts, finden sichdie zugehörigen zweidimensio-nalen Zustandsdichten. Wieaus der elektronischen Band-strukturrechnung bekannt, giltauch hier, daß flache Bänder inder Bandstruktur zu hohen Zu-standsdichten führen und um-gekehrt.

Photonische Bandstrukturen

Abb. I:Photonische Bandstruktur füreinen zweidimensionalen Photoni-schen Kristall mit einer hexagona-len Anordnung von zylindrischen

Löchern (links). Darstellung derfrequenzabhängigen Zustands-dichte (rechts). Die Einfügungenstellen schematisch ein hexagona-les Gitter sowie das zugehörige

reziproke Gitter dar. Der irredu-zible Teil der 1. Brillouin-Zone istsamt den HochsymmetriepunktenGG, M und K hervorgehoben.

Abb. 2:Durch das Bohrendünner Kanäle inein Dielektrikumhaben Yablono-vitch et al. erst-mals einen Photo-nischen Kristallmit einer vollstän-digen Bandlückeim Mikrowellenbe-reich hergestellt[4].

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einem Kontinuum von Anderson-lokalisierten Zustän-den verdichten können. Bildlich könnte man sich ei-nen lokalisierten Photonenzustand als eine Art Käfigmit unscharf definierten Wänden vorstellen, durch dendie Ausbreitung von Lichtwellen auf einen kleinenRaumbereich eingeschränkt werden kann. Natürlichhandelt es sich hier nicht um ein permanentes Einfan-gen und Einsperren von Photonen, wie dies denSchildbürgern für die dauerhafte Ausleuchtung ihresfensterlosen Rathauses vorschwebte, dennoch ist dieVerweilzeit in diesen Kavitäten auf einer photonischenZeitskala enorm lang und kann mehrere Größenord-nungen über der reine Transitzeit ohne PhotonischenKristall liegen.

Aufgrund der Linearität der Maxwell-Gleichungensind photonische Bandstrukturen im Frequenzraumskalierbar, d. h. die Frequenzen der Bandlücken sindumgekehrt proportional zum Abstand der „dielektri-schen Atome“. Dies brachte Eli Yablonovitch auf dieIdee, Photonische Kristalle zunächst mit Perioden imMillimeterbereich mittels Feinmechanik herzustellen,um deren Bandlücken durch Mikrowellenexperimentenachzuweisen. Er wollte einen Photonischen Kristallmit einer vollständigen Bandlücke bauen, der Ausbrei-tung für Licht einer bestimmten Frequenz in allen dreiRaumrichtungen und unabhängig von der Lichtpolari-sation durch eine Bandlücke zu verbieten vermochte.Anschaulich mußte die Brillouin-Zone des Photoni-schen Kristalls so beschaffen sein, daß für alle Raum-richtungen bei ungefähr denselben Frequenzen stehen-de Wellen erhalten werden konnten. Deshalb sollte dieBrillouin-Zone der Struktur möglichst kugelförmigsein. Also wurde für die photonischen Atome, d. h. fürdie periodisch angeordneten dielektrischen Streuzen-tren, die kubisch-flächenzentrierte Kristallstruktur(fcc) als die aussichtsreichste erachtet. Bandstruktur-rechnungen zeigten jedoch, daß bei einer einatomigenBasis selbst für beliebig hohen Kontrast keine vollstän-dige Bandlücke auftritt.

Der Durchbruch gelang schließlich Theoretikern derIowa State University [5]: Sie entdeckten eine vollstän-dige Bandlücke für eine Anordnung photonischer Ato-me gemäß der Diamantstruktur, einer fcc-Struktur mitzweiatomiger Basis, welche eine bei der einatomigenfcc-Struktur auftretende Polarisationsentartung geradeaufhebt. Eine entsprechende, bei Eli Yablonovitch an-gefertigte Struktur, die mittlerweile unter dem Namen„Yablonovite“ bekannt wurde [4], war der erste Photo-nische Kristall mit vollständiger Bandlücke, wenn auchdie Bandlücke nur im Mikrowellenbereich lag (Abb. 2).

Der markanteste Nachteil am Yablonovite ist, daß ersich nicht ohne weiteres miniaturisieren läßt, da manz. B. für Kristalle im optischen Spektralbereich präzise,dreidimensional angeordnete Kanäle mit weniger als1 mm Durchmesser in Dielektrika bohren müßte. FürPhotonische Kristalle im optischen Frequenzbereichmußte man folglich neue Herstellungsarten entwickelnbzw. nach neuen Strukturen Ausschau halten: Wieder-um war es die Iowa State Gruppe, die eine einfach mi-

niaturisierbare Anordnung, die sogenannte Lincoln-logStruktur entdeckte [6]. Wie man in Abb. 3 sieht, ähneltdie Struktur einem luftigen Holzstoß, daher der Name(log ist englisch für Holzklotz).

Hatte der erste dieser Kristalle noch eine Bandlückebei einer Frequenz von 13 GHz (das entspricht einerWellenlänge von ca. 2,3 cm), so wurde vor kurzem mit-tels Mikrostrukturierung von Silizium-Wafern ein Kri-stall mit einer Bandlücke bei einer Wellenlänge von11 mm fabriziert [6]. Die bisher erzielten Ausdehnun-gen dieser Kristalle waren jedoch vergleichsweiseklein, und der Aufwand zur Realisierung größererStrukturen ist nicht unerheblich. Der oben erwähnteKristall umfaßt z. B. lediglich 1,25 Perioden in vertika-ler Richtung; es ist also etwas umstritten, hier von ei-nem „echten“ Photonischen Kristall zu sprechen.

Aktuelle EntwicklungenEin anderer Weg bei der Herstellung dreidimensio-

naler Photonischer Kristalle wird von Gruppen bei Al-lied Signal, USA, und an der Universiteit van Amster-dam beschritten: Kolloide formen unter geeigneten Be-dingungen periodische Strukturen, die sich in allendrei Raumrichtungen über mehrere hundert Einheits-zellen ausdehnen können [7]. Die für diese Technikbisher verwendbaren Materialien besitzen jedoch nurrecht kleine Brechungsindizes, und die damit herstell-baren Kristalle kubischer Symmetrie haben selbst fürgrößtmögliche Brechungsindexverhältnisse h = n2/n1

der beiden Materialien keine vollständigen photoni-schen Bandlücken. Aufgrund eines neuen Ansatzes, dersog. invertierten Opale, kann man aber erwarten, daßbald auf Kolloiden basierende Photonische Kristalle

Abb. 3:Die Lincoln-log Struktur, aus Si-Stäbenaufgeschichtet [6]. Eine Einheitszelle er-streckt sich in vertikaler Richtung übervier Ebenen. Die photonische Bandlückedieser Struktur liegt etwa bei einer Wel-lenlänge von 11 mmm (Vakuumwellenlän-ge). (Quelle: S. Lin et al., Sandia Natio-nal Labs, USA)

Abb. 4:Rasterelektronenmikroskopische Aufnah-me von räumlich periodischen Struktu-ren, die durch Infiltration eines künstli-chen Opals mit Titanoxid und anschlie-ßendem selektiven Entfernen des Opalshergestellt wurde. Die Pfeile deuten aufLöcher in der Struktur hin, die durch dieverbundenen Hälse der Opalmatrix(links) oder durch unvollständige Infiltra-tion der Hohlräume (rechts) entstandensind. (Quelle: J. E. G. J. Wijnhoven, Uni-versiteit van Amsterdam, Niederlande)

Unter schwacher Lokalisie-rung versteht man die kon-struktive Interferenz sich aus-breitender Wellen in Rück-streurichtung, was sich z. B.bei Elektronen in einem zu-nehmend verunreinigten Me-tall durch eine Absenkung derLeitfähigkeit ausdrückt. Beiweiter zunehmender Verunrei-nigung können diese Korrek-turen die Leitfähigkeit desMetalls zum Verschwindenbringen: Die ursprünglich aus-gedehnten Wellenfunktionenwerden lokalisiert, es kommtzu einem sogenannten quan-tenmechanischen Metall-Isola-

tor-Übergang. Diesen lediglichauf Interferenz beruhendenEffekt hatte P. W. Andersonbereits 1958 vorhergesagt. Dieexperimentelle Bestätigung er-wies sich aber besonders auf-grund der Coulomb-Wechsel-wirkung der Elektronen alsäußerst schwierig. Daher sindseit Anfang der 80er Jahre An-strengungen im Gange, Ander-son-Lokalisierung klassischerWellen nachzuweisen, um dasdamit verbundene gegenwärti-ge Verständnis der Wellenaus-breitung in stark streuendenMedien zu untermauern.

Anderson-Lokalisierung

1.81 mm

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mit vollständiger Bandlücke bei optischen Frequenzenhergestellt werden können.

Erst kürzlich hat die Gruppe an der Universiteit vanAmsterdam erstmals über die erfolgreiche Herstellunginvertierter Opale berichtet [8]. Abbildung 4 zeigt einerasterelektronenmikroskopische (REM) Aufnahme desPhotonischen Kristalls mit einer Gitterkonstante vonca. 0,5 mm. Einzige Wermutstropfen dieser Techniksind die bisher erreichten Brechungsindexverhältnisse:

Sie liegen mit h�2,7 noch etwas unterhalb der Schwel-le hs = 2,9, die es für eine vollständige Bandlücke zuüberwinden gilt [9]. Anstrengungen, andere Materiali-en mit höheren Brechungsindizes zu verwenden, sindaber bereits im Gange. Theoretische Studien zeigen,daß man z. B. für einen invertierten Opal aus Siliziumbzw. Germanium im Optimalfall eine Bandlückenbreitevon ca. 10% bzw. 15% der Mittenfrequenz der Band-lücke erhalten kann [10]. Somit darf in Kürze mit den ersten Photonischen Kristallen mit vollständigerBandlücke im optischen Frequenzbereich gerechet werden.

Zweidimensionale Photonische KristalleBelassen wir die Periodizität in der xy-Ebene und

bauen die z-Richtung homogen auf, so kann die Aus-breitung in der xy-Ebene wiederum durch eine Band-struktur beschrieben werden, welche unter geeignetenBedingungen Bandlücken aufweist. Das so entstandeneGebilde bezeichnen wir als Photonischen 2D-Kristall.Charakteristisch für diesen ist die Entkopplung deselektromagnetischen Vektorfeldes in Felder zweier ver-schiedener Polarisationsrichtungen. 2D-Kristalle brin-gen herstellungstechnische Vorteile mit sich, da sichbekannte Verfahren, die zur Ausbildung kolumnarerStrukturen führen, verwenden lassen [11]. 2D-Kristallewurden bis vor kurzem entweder aus einer makrosko-pischen Anordnung von Stäbchen oder aus kleinenBündeln von Glasfasern aufgebaut und anschließendim Mikrowellen- bzw. Infrarotbereich studiert. EinenDurchbruch brachte der Versuch von Ulrike Grüningund Volker Lehmann, Siemens AG München, den vonihnen entwickelten Prozeß des elektrochemischenWachsens regelmäßig angeordneter Makroporen in Si-lizium zu verwenden. Die hiermit möglich gewordenenStrukturen zeigten erstmals eine vollständige, zweidi-

mensionale Bandlücke im Infrarotbereich um 4,9 mmWellenlänge [12].

Abbildung 5 zeigt in einer REM-Aufnahme Wändeeiner weiterentwickelten Form von makroporösem Sili-zium, mit der Bandlücken zwischen 3 mm und 4,5 mmWellenlänge realisiert werden können [13]. DieseStrukturen werden am Max-Planck-Institut für Mikro-strukturphysik untersucht. Die regelmäßige Anordnungder Poren in einem hexagonalen Gitter wird beim Ma-kroporenätzen durch photolithographisch erzeugteÄtzkeime erreicht. Bei diesen beginnen die Poren senk-recht ins Substrat hinein zu wachsen, wobei die bislangerreichten Aspektverhältnisse (Verhältnis von Struktur-länge zu Strukturbreite) über 500 liegen und selbst Po-rendurchmesser bis herab zu 100 nm möglich seinkönnten [11]. Die Transmission einer solchen Probeohne Defekte senkrecht zur Porenachse wird in Abb. 6verglichen mit einer Transmissionsrechnung, die aufder Methode der Entwicklung nach ebenen Wellen be-ruht. Die theoretisch vorhergesagte Lage der Band-lücke, die sich hier in Form fehlender Transmissionausdrückt, kann im Experiment gut bestätigt werden.Kürzlich durchgeführte Lasertransmissionsexperimen-te, bei denen ein gut fokussiertes Lichtbündel durchwenige Porenreihen geschickt wurde, ergaben eine In-tensitätsabschwächung von mindestens 5 dB pro Po-renreihe ( > 3 × 104 dB/cm) für Wellenlängen, die inner-halb der Bandlücke lagen.

Die Transmission zu messen ist eine naheliegendeCharakterisierungsmethode. Viel spannender dürftenLebensdaueruntersuchungen an angeregten Zuständenvon solchen Leuchtzentren sein, bei denen die Wellen-länge des bevorzugten, strahlenden Relaxationskanalsmit der photonischen Bandlücke des Wirtsmaterialsüberlappt. In der nächsten Generation von 2D Kristal-len werden die Strukturen um einen Faktor drei ver-kleinert. Dann verschiebt sich die photonische Band-lücke ins Nahe Infrarot, wo man aus einer großen Zahlinteressanter organischer und anorganischerLeuchtzentren auswählen kann. Zudem wird man inder Lage sein, von den drei kommerziell interessanten„Telekommunikationsfenstern“ die beiden langwelligen(bei 1,3 mm und 1,55 mm Wellenlänge) abzudecken.

Ein perfekt regelmäßiger Photonischer Kristall istzunächst eine Miniaturform eines mehrdimensionalen,hochreflektierenden Spiegels für Wellenlängen inner-

Abb. 5:Rasterelektronen-mikroskopischeAufnahme einesbreitenmoduliertenStreifens von ma-kroporösem Si aufSi-Substrat (a).Die 100 mmm hohenPorenwände sindin Transmissions-richtung ca. 18 mmmbreit (b). DurchAuslassung vonPoren wurde eineWellenleiterstruk-tur eingebaut (c).Bedingt durch diehier gewählte Ab-schneidelinie imhexagonalen Ra-ster bekommt dieSeitenwand einegitterartige Ober-fläche (d).

Abb. 6:Gegenüberstellung von Transmissionrechnung und Transmissi-onsmessung in GG-M-Richtung für H-Polarisation. Die beiden ge-punkteten Linien markieren das Frequenzintervall der vollstän-digen Bandlücke, in der es unabhängig von Polarisation undRichtung in der xy-Ebene keine Ausbreitung in diesem Kristallgibt.

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halb der Bandlücke. Durch die oben angesprocheneMöglichkeit, die Porenkeime und damit den genauenPorenort mittels Lithographie festlegen zu können, las-sen sich Defektstrukturen erzeugen, die zu einer loka-len Brechung der Translationssymmetrie führen. Damiterzielt man qualitativ neuartiges: Zustandsbänder oderlokalisierte photonische Zustände, die in der photoni-schen Bandlücke liegen können. Typische Defektstruk-turen sind beispielsweise Wellenleiterstrukturen undMikroresonatoren sehr hoher Güte. Modellierung vonDefektstrukturen in 2D-Kristallen ist ein sehr vielver-sprechender, neuer Ansatz, um „all-optical“ Photonik,die Technologie des Schaltens von Licht durch Licht,im Mikrometermaßstab zu realisieren. Speziell bei ma-kroporösem Silizium hat man den Vorteil, daß eine ge-meinsame Integration mit elektronischen Bauelemen-ten machbar ist.

Eindimensionale Photonische KristalleAm weitesten fortgeschritten ist die Herstellung und

Untersuchung Photonischer Kristalle naturgemäß beiden einfachsten, den eindimensional periodischenStrukturen, welche z. B. seit vielen Jahrzehnten in op-tischen Labors als dielektrische Spiegel (Bragg stacks)und Interferenzfilter Verwendung finden. Einen inter-essanten Ansatz, integrierte Strukturen herzustellen,machte kürzlich die Gruppe um Lionel C. Kimerlingam MIT in Cambridge [14], die auf einem SOI-Substrat(Silicon-On-Insulator) einen Wellenleiter mit einemDurchmesser von ca. 0,5 mm mittels Röntgenlithogra-phie derart strukturierte, daß eine periodische Anord-nung mit einer genau definierten, isolierten Defektstel-le entstand (vgl. Abb. 7, links). Man kann sich dieseStruktur als Resonator relativ hoher Güte vorstellen, indem am Ort der Defektstelle eine drastische Über-höhung der elektromagnetischen Feldstärke stattfindet.Bei der Resonanzfrequenz ist dabei eine Transmissi-onsintensität von ca. 80 % relativ zur Transmissionsin-tensität außerhalb der Photonischen Bandlücke gemes-sen worden (Abb. 7, rechts). Der Gütefaktor der Reso-nanz bei der Wellenlänge lc mit der HalbwertsbreiteDl, Q = lc/Dl, lag mit einem Wert von 265 nur unwe-sentlich unter dem errechneten Wert von 280.

Anwendungen in der ElektrodynamikWozu sind Photonische Kristalle denn nun gut?

Sofort ins Auge springen die oben erwähnten Anwen-dungen als dielektrische Spiegel: ElektromagnetischeWellen, deren Frequenz in einer Bandlücke des Photo-nischen Kristalles liegt, können sich darin nicht aus-breiten und werden zu 100 % reflektiert. So wurdenz. B. Miniatur-Antennen auf Photonischen Kristallenmontiert, was ihre Abstrahlcharakteristika stark ver-besserte. Weitere Einsatzfelder, besonders für zweidi-mensionale Photonische Kristalle, sind die Frequenz-,Richtungs- und Polarisationsfilterung. In Analogie zuelektronischen Halbleitern kann man, wie bereits er-wähnt, durch den Einbau von Defektstrukturen lokaldie Zustandsdichte innerhalb der Bandlücke modifizie-ren. In makroporösem Silizium sind die einfachstendenkbaren Defektstrukturen durch fehlende Porenzy-linder im Sinne von Punkten und Linien zu realisieren(vgl. Abb. 8). Ein Punktdefekt führt zu definierten, lo-kalisierten Zuständen in der Bandlücke: Ein Wellenpa-ket, das zur Eigenfrequenz eines solchen Punktdefektsresonant ist, und das sich am Ort eines Punktdefektsbefindet, kann diesen in Richtung senkrecht zu den Po-

renachsen nicht verlassen, d. h. es wird innerhalb derersten Porenebenen, in die es eindringt, wieder zurück-gestreut. Das Wellenpaket ist „um den Ort des Punkt-defekts lokalisiert“.

Transmissionsmessungen bilden wiederum einewichtige Methode zur Charakterisierung von Defektenin Photonischen Kristallen: Man findet eine Resonanz,welche diejenigen Wellenpakete kennzeichnet, die zumPunktdefekt durchtunneln können, um dort für einebegrenzte Zeit gefangen zu bleiben. Durch ihre langeAufenthaltsdauer im Resonator tragen sie zur Er-höhung der elektromagnetischen Feldstärke am Ortdes Defektes bei, bevor sie schließlich durch einen wei-teren Tunnelprozeß den Punktdefekt wieder verlassen.Da die optische Ausdehnung des Defektes l/2 der reso-nanten Mode entspricht, kann die Resonanzfrequenzdurch Variation der Ausdehnung, und damit des Mo-denvolumens, eingestellt werden. Nach einem bislang

nicht realisierten Vorschlag Eli Yablonovitchs könnteman den aktiven Bereich einer LED und die Eigen-schaften eines mit einem Punktdefekt entsprechend„dotierten“ Photonischen Kristalls derart verknüpfen,daß die LED nur in diese Resonatormode abstrahlenkann, da alle anderen relevanten Frequenzen in photo-nischen Bandlücken liegen. Mit solch einer „SingleMode Light Emitting Diode“ ließen sich laserähnlicheKohärenz mit extremer Robustheit und vor allem einerdramatisch verbesserten Lichtauskoppeleffizienz ausdem aktiven Chip kostengünstig kombinieren.

Eine Verkettung von Punktdefekten führt zur Aus-bildung eines Defektbandes innerhalb der Bandlückeund somit zu einer Möglichkeit, Wellenleiterstrukturennahezu beliebiger Form zu realisieren. Beispielhaft istdies in Abbildung 8a-c wiedergegeben. Die Möglich-

Abb. 7:REM-Aufnahme einer eindimensionalenWellenleiterstruktur aus Si (links). Ähn-lich wie in einem Fabry-Perot-Resonator,

bilden die vier periodisch angeordnetenLöcher zu beiden Seiten des Defekts je-weils einen dielektrischen Spiegel. Beider Resonanzwellenlänge llc = 1560 nmpaßt genau eine halbe Wellenlänge zwi-schen die beiden Spiegel. Die reso-nanzartige Funktion des Wellenleiterswird durch die Transmissionsmessung be-stätigt (rechts). (Quelle: J. S. Foresi et al.,MIT Cambridge, USA)

Abb. 8:REM-Aufnahmen linienartiger Defekt-strukturen in makroporösem Si. Durcheine Verkettung von Punktdefekten kön-nen gerade und geknickte (a) Strukturen

eingebaut werden. Durch Kombinationlassen sich bereits Funktionselemente,wie z. B. ein integrierter Strahlteiler (b)oder Resonator (c) verwirklichen.

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keit, Licht verlustfrei um engste Windungen und Eckenzu führen, könnte zu einer „optischer Verdrahtung imMikrometermaßstab“ führen.

Hier sei noch erwähnt, daß kürzlich an der Univer-sität Würzburg von der Gruppe um Alfred Forchel einModellsystem entwickelt wurde, das zur Untersuchungvon an Defekten lokalisierten Photonen dienen kann[15]. Dieses Modellsystem besteht aus gekoppelten,nulldimensionalen photonischen Systemen, sog. photo-nischen Atomen. Diese können sehr flexibel zu „Mo-lekülen“ oder ausgedehnten Photonischen Kristallenkombiniert werden.

Jenseits von MaxwellDie Kontrolle der Lichtausbreitung mittels Photoni-

scher Kristalle eröffnet auch außerhalb der klassischenElektrodynamik gänzlich neue Möglichkeiten, beson-ders in den Bereichen der nicht-linearen Optik und derQuantenoptik. Um den Rahmen dieses Artikels nichtzu sprengen, werden wir exemplarisch je einen Aspektdiskutieren.

Ein mittlerweile wohlbekanntes Phänomen, nichtnur in der Optik, sind Solitonen: Solitonen sind Lö-sungen nicht-linearer Wellengleichungen und lassensich beispielsweise bei starkem Regenguß auf abfallen-den Straßen in Form von stufenartigen Wellen beob-achten. Charakteristisch für Solitonen ist dabei, daß sieihre Form während der Ausbreitung nicht verändern,sie sind dispersionsfrei. In einem nicht-linearen Di-elektrikum, d. h. bei intensitätsabhängigem Brechungs-index, kann das Zerfließen eines Wellenpaketeswährend seiner Ausbreitung aufgrund von Dispersiondurch Selbstfokussierungseffekte kompensiert werden.Die zeitliche Stabilität macht Solitonen z. B. besondersattraktiv für die Nutzung als Informationsträger, weilman mit Solitonen Signale extrem hoher Pulsratenüber weite Strecken schicken kann, ohne ein Verwa-schen von aufeinanderfolgenden Pulsen befürchten zumüssen.

In eindimensionalen Photonischen Kristallen stu-diert man schon seit geraumer Zeit die Ausbreitung ei-nes neuen Typs von Solitonen, der sogenannten Gap-Solitonen. Dabei geht man von einem Puls aus, dessenTrägerfrequenz in der Bandlücke eines PhotonischenKristalls liegt. Aufgrund eines intensitätsabhängigenBrechungsindex mindestens einer der Komponentendes Kristalls kann ein energiereicher Puls die photoni-sche Bandstruktur lokal so weit „verbiegen“, daß seineTrägerfrequenz sich außerhalb der Bandlücke wieder-findet. Der Puls erschafft sich also, während er sichausbreitet, einen eigenen Transmissionskanal. Das Stu-dium von Gap-Solitonen in zwei- bzw. dreidimensiona-len Photonischen Kristallen befindet sich noch ganzam Anfang, verspricht aber eine Fülle von interessan-ten Phänomenen. Verglichen mit eindimensionalenStrukturen bietet die Bandstruktur höherdimensionalerKristalle qualitativ neue Eigenschaften, deren Nutzungan dieser Stelle nur angedeutet werden kann. Beispiels-weise ist i. a. die Bandlücke in einer Hochsymmetrie-richtung gegen die einer anderen leicht verschoben,und die zugehörigen Moden des Photonischen Kristallsbesitzen verschiedene Symmetrien. Dadurch ergibt sicheine Vielzahl von Solitontypen mit unterschiedlichenSchwellenintensitäten und Ausbreitungsgeschwindig-keiten [16]. Es ist also denkbar, mit einem Soliton einzweites Soliton zu schalten oder es in eine andereRichtung umzuleiten. Dabei kann man sich das erste

Soliton als eine Art Eisbrecher für ein zweites Solitonderart vorstellen, daß es aufgrund seiner Intensität demzweiten Soliton einen zuvor verwehrten Kanal durchdas „Eis“ der photonischen Bandlücke bricht, wobeidie Richtung des Kanals durch das erste Photon vorge-geben ist. Da die Eisrinne in unserem Bild auf einerZeitskala von Pikosekunden wieder zufriert, hat manes hier mit ultraschnellen Phänomenen zu tun. Der Ge-danke an einen optischen Transistor ist nicht abwegig.

Die Quantenoptik ist ein weiteres Arbeitsgebiet, indem Photonische Kristalle qualitativ neue Möglichkei-ten bieten: Vereinfacht ausgedrückt, erlaubt einMaßschneidern der photonischen Zustandsdichte mit-tels Photonischer Kristalle eine weitgehende Kontrolleder Emissioncharakteristika entsprechender Leucht-zentren. Zur Illustration wollen wir das qualitativeVerhalten eines idealisierten Zwei-Niveau-Atoms in ei-nem Photonischen Kristall diskutieren. Liegt die Rela-xationsfrequenz des angeregten Atoms in einer photo-nischen Bandlücke, so kann es nicht durch einen Ein-Photon-Prozeß in den Grundzustand zurückfallen.Vielmehr bildet sich ein gebundener Atom-Photon-Zu-stand. Sofern man sich für die Relaxation des Atomsauf Zwei-Photonen-Prozesse beschränkt, ergeben Mo-dellrechnungen für Frequenzen tief in der BandlückeLebenszeiten des angeregten Zustands von mehrerenTagen [17]. Aufgrund der für quantenoptische Rech-nungen typischen Idealisierungen ist diese Lebensdau-er für reale Systeme sicher um einiges zu hoch. Es darfaber erwartet werden, daß die Lebensdauer angeregterAtome und Moleküle in geeigneten Photonischen Kri-stallen um Größenordnungen über ihrer Vakuum-lebensdauer liegen wird. Allein diese Möglichkeit zurKontrolle der spontanen Emission mittels maßge-schneideter Zustandsdichten wäre bereits für die expe-rimentelle Quantenoptik von enormer Bedeutung (vgl.Übersichtsartikel von Herbert Walther [18]).

Besonders interessante Vorgänge spielen sich fürÜbergangsfrequenzen in der Nähe einer Bandkante ab.In diesem Frequenzbereich flacht die Dispersionsrelati-on deutlich ab (s. Kasten „Photonische Bandstruktu-ren“), was zu einer sehr niedrigen Gruppengeschwin-digkeit führt. Dies kommt einer Verstärkung der Pho-ton-Atom-Wechselwirkung gleich. Der Einfachheithalber wollen wir die Diskussion auf ein Atom mit an-geregtem Zustand �e⟩ und Grundzustand �g⟩ sowie zweientsprechenden Zuständen der Mode des elektrischenFeldes mit keinem Photon �0⟩ bzw. einem Photon �1⟩reduzieren. In Analogie zur Bildung eines „bindenden“sowie eines „antibindenden“ Zustands beim Ammoni-akmolekül formen die „nackten“ Eigenzustände �g⟩��1⟩und �e⟩��0⟩ des freien Photon-Atom-Systems aufgrundder Wechselwirkung entsprechende, energetisch aufge-spaltene Kombinationen, die man in der Quantenoptikzusammenfassend als „angezogene“ Zustände (dressedstates) bzw. als Rabi-Duplett bezeichnet. Um das dyna-mische Verhalten eines anfänglich im angeregten Zu-stand befindlichen Atoms zu verstehen, muß man sichdiesen Anfangszustand aus einer Linearkombinationder Zustände des Rabi-Dupletts zusammengesetzt vor-stellen, welche sich aufgrund der Aufspaltung zeitlichverschieden entwickeln. Sofern sich das Photon in ei-ner idealen Kavität, z. B. einer photonischen Band-lücke, befindet, wird also die Wellenfunktion des Pho-ton-Atom-Systems zwischen den Zuständen des Rabi-Dupletts oszillieren. Falls sich aber die nackte atomareÜbergangsfrequenz in der Nähe einer Bandkante, aber

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gerade noch in der Bandlücke befindet, kann die Rabi-Aufspaltung so groß werden, daß eine Komponente desRabi-Dupletts aus der Bandlücke in das photonischeLeitungsband abwandert. Da dieser Zustand – im Ge-gensatz zu seinem Partner – durch die Kopplung andas photonische Leitungsband eine endliche Lebens-dauer hat, wird das ursprünglich angeregte Atom „teil-weise“ zerfallen, es kommt zur sogenannten fraktiona-len Lokalisierung [17, 19].

Abbildung 9 zeigt die Relaxation eines angeregtenZwei-Niveau-Systems in Abhängigkeit von der relati-ven Lage seiner Übergangsenergie zur Bandkante. Einedetaillierte Erklärung findet sich in [19]. Bildlich magman sich die Situation so vorstellen, daß das angeregteAtom sein Photon emittiert, welches aber aufgrund derstarken Bragg-Streuung in der Nähe der Bandkantenmit größter Wahrscheinlichkeit wieder seinen Weg zumAtom zurück findet und dort reabsorbiert werdenkann. Das Atom entwickelt gewissermaßen ein Ge-dächtnis für Photonen. Derartige Effekte sind abernicht auf Bandkanten beschränkt, sondern tretenschon beim Vorliegen abrupter Änderungen in der pho-tonischen Zustandsdichte auf. Wenn also schon eineinzelnes angeregtes Atom in einem Photonischen Kri-stall ein so eigenartiges Verhalten an den Tag legt, fragtman sich unwillkürlich, was denn mit einem Mehr-Ni-veau-Atom, einem von einem Laserfeld in Resonanz zueinem atomaren Übergang gewissermaßen „getriebe-nem Atom“ oder gar mit dem kollektiven Verhaltenmehrerer Atome in Photonischen Kristallen passiert.Diese Fragen sind Gegenstand aktueller Forschung. Daaber Gedächtniseffekte in vielen Bereichen der moder-nen Physik, z. B. der Hochtemperatur-Supraleitungoder der Bose-Einstein-Kondensation, zu immer neuenÜberraschungen führen, sollte es nicht verwundern,wenn wir ähnlich dramatische Entwicklungen auch inder Quantenoptik in Photonischen Kristallen beobach-ten können [20].

DanksagungWir danken Prof. Sajeev John (Univ. of Toronto)

und Prof. Ulrich Gösele (MPI für Mikrostrukturphysik)für die großzügige Förderung unserer Forschungsarbei-

ten. Dr. Judith E. G. J. Wijnhoven und Dr. Willem L.Vos (Universiteit van Amsterdam) danken wir u. a. fürdie Bereitstellung der REM-Aufnahme eines infiltrier-ten Opals. Prof. L. C. Kimerling und Dr. Pierre Ville-neuve (MIT Cambridge) sei für die Bilder zu den 1DStrukturen und für Anregungen gedankt. An der tech-nologischen Realisierung der makroporösen Strukturenwaren die Dr.es Volker Lehmann, Stefan Ottow undUlrike Grüning (Siemens AG, München) wesentlichbeteiligt. Steffen Breuer war bei der Überarbeitung desArtikels sehr hilfreich. Die Autoren K. B. (StipendiumBu 1107/1-1) und A. B. (Projekt GO 704/2-1) dankender Deutschen Forschungsgemeinschaft für finanzielleUnterstützung.

Literatur[1] C. M. Soukoulis (Hrsg.), Photonic Band Gap Ma-

terials, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht,1996; J. D. Joannopoulos, R. D. Meade, J. N. Winn(Hrsg.), Photonic Crystals, Princeton AcademicPress, New Jersey, 1995

[2] E. Yablonovitch, Phys. Rev. Lett. 58, 2059 (1987)[3] S. John, Phys. Rev. Lett. 58, 2486 (1987)[4] E. Yablonovitch, T. J. Gmitter, K. M. Leung, Phys.

Rev. Lett. 67, 2295 (1991)[5] K.-M. Ho, C. T. Chan, C. M. Soukoulis, Phys. Rev.

Lett. 65, 3152 (1990)[6] S. Lin et al., Nature 394, 251 (1998)[7] W. L. Vos, R. Sprik, A. van Blaaderen, A. Imhof,

A. Lagendijk, G. H. Weydam, Phys. Rev. B 53,16231 (1996)

[8] J. E. G. J. Wijnhoven, W. L. Vos, Science 281, 802(1998)

[9] H. S. Sözüer, J. W. Haus, R. Inguva, Phys. Rev. B45, 13962 (1992)

[10] K. Busch, S. John, Phys. Rev. E 58, 3896 (1998)[11] V. Lehmann, J. Electrochem. Soc. 140, 2836 (1993);

A. P. Li, F. Müller, A. Birner, K. Nielsch, U. Gösele, J. Appl. Phys. 84 6023 (1998)

[12] U. Grüning, V. Lehmann, S. Ottow, K. Busch, Ap-pl. Phys. Lett. 68, 747 (1996); U. Grüning, V. Leh-mann, U. Eberl, Phys. Bl., Juli/August 1996, S. 661

[13] A. Birner et al., Phys. Stat. Sol. (a) 165, 111 (1998)[14] J. S. Foresi et al., Nature 390, 143 (1997) [15] M. Bayer et al., Phys. Rev. Lett. 81, 2582 (1998)[16] N. Aközbek, S. John, Phys. Rev. E. 57, 2287 (1998)[17] S. John, J. Wang, Phys. Rev. Lett. 64, 2418 (1990);

Phys. Rev. B 43, 12722 (1991)[18] H. Walther, Phys. Bl., Juli/August 1998, S. 625[19] S. John, T. Quang, Phys. Rev. A 50, 1764 (1994)[20] S. John, T. Quang, Phys. Rev. Lett. 76, 2484 (1996);

78, 1888 (1997)

Abb. 9: Zeitlicher Verlauf der Besetzung |b2(t)|2 des oberen Ni-

veaus eines ursprünglich angeregten Zwei-Niveau-Atoms fürverschiedene Werte der Übergangsfrequenz vv21= vvc+dd relativ zurBandkante vvc. Das photonische Leitungsband liegt im Bereichvv21 > vvc. Charakteristisch sind die gedämpften Rabi-Oszillatio-nen und die zeitlich nicht gegen Null tendierenden Oszillator-amplituden, worin sich der teilweise Zerfall des angeregten Ni-veaus ausdrückt. Die fraktionale Lokalisierung fällt von nahezu1 (unterhalb der Bandkante) auf 0 (im Band) ab.


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