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PARLAMENTSREPORT - die-linke-thl.de · PDF file„Das Volumen des Kommunalen...

Date post: 08-Mar-2018
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„Das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs in Thüringen ist nicht, wie die CDU immer wieder behauptet, gesunken, sondern un- ter Rot-Rot-Grün stetig gestiegen“, so der Sprecher für Kommunalfi- nanzen, Ralf Kalich, in einem jetzt im Landtag stattgefundenen Pres- segespräch der Fraktion DIE LINKE zu den Eckpunkten der Neugestal- tung des Kommunalen Finanzaus- gleichs für die Jahre 2018 und 2019. Betrug das Volumen im Jahr 2014 noch unter der CDU-geführten Landes- regierung 1,85 Milliarden Euro, so ist es im Jahr 2016 auf 1,901 Milliarden Euro angewachsen und soll im Jahr 2018 auf 1,97 Milliarden Euro steigen. Zudem hätten die Kommunen in die- sem Zeitraum Steuermehreinnahmen von 200 Millionen Euro zu verzeichnen. Einen Tag vor dem Pressegespräch hatte die Landesregierung den ent- sprechenden Gesetzentwurf in einer ersten Kabinettsberatung behandelt. Dieser liegt nun den Kommunalen Spit- zenverbänden zur Bewertung vor. Ende August soll er dann in den Landtag ein- gebracht werden, damit das Gesetz zum Ende dieses Jahres verabschiedet werden kann. Frank Kuschel, kommu- nalpolitischer Sprecher der Linksfrakti- on, erklärte dazu: „Wir begrüßen, dass die Landesregierung Veränderungen in der inneren Struktur des Kommunalen Finanzausgleichs vornimmt. Gutach- terlich hat sich bestätigt, dass die der- zeitige Mittelverteilung nicht sachge- recht ist.“ Frank Kuschel appellierte an die Kommunalen Spitzenverbände und die CDU-Opposition, sich mit den vorlie- genden Materialien intensiv zu be- schäftigen. Aus seiner Sicht müssen unterschiedliche finanzielle Bedarfe der Kommunen unterschiedlicher Grö- ße in der Hauptansatzstael abgebil- det werden. „Orte mit wachsender Größe haben wachsende Aufgaben und somit auch einen höheren finan- ziellen Aufwand“, erläuterte der Kom- munalexperte gegenüber den Journali- sten. Mit Blick auf die deutlich gestie- genen Steuereinnahmen der Kommu- nen in Thüringen machte er nochmals klar, dass der Kommunale Finanzaus- gleich „ein Ausgleichs- und kein Ali- mentationssystem ist“. In einer aktuellen Pressemitteilung hatte zudem das Thüringer Ministeri- um für Inneres und Kommunales dem in der Öentlichkeit verbreiteten Ein- druck widersprochen, dass nur Ge- meinden mit über 10.000 Einwohnern von den neuen Regelungen profitieren würden und sämtliche Gemeinden un- ter 10.000 Einwohnern weniger bis gar kein Geld aus dem Kommunalen Fi- nanzausgleich erhalten. Denn auf- grund aktueller statistischer Erkennt- nisse der Ein- und Ausgabesituation in den Gemeinden wurde u.a. die Haupt- ansatzstael fortgeschrieben. Das hängt mit der zugleich stattfindenden Erhöhung der Finanzausgleichsmasse und damit der Gemeindeschlüsselmas- se für das Jahr 2018 sowie u.a. der un- terschiedlichen Steuerkraftentwicklun- gen zusammen. Somit werden nach den aktuellen Modellrechnungen laut Ministerium auch 130 Thüringer Städ- te und Gemeinden unter 10.000 Ein- wohnern im Vergleich zu 2017 höhere Schlüsselzuweisungen erhalten. Bei- spielsweise steigen diese deutlich an in Kahla. Die Stadt hat 6.940 Einwoh- ner und kann mit einem Plus von 16 Prozent rechnen. Und Ruhla mit seinen 5.663 Einwohnern erhält sogar 26 Pro- zent mehr. Matthias Gärtner Ein Ausgleichs- und kein Alimentationssystem Wählen gehen zu können, ist ein Menschenrecht. Das gilt in vollem Umfang auch für Menschen mit Be- hinderungen. So legt es das UN-Ab- kommen über die Rechte behinder- ter Menschen in seinem Artikel 29 fest. Das UN-Abkommen ist völker- rechtlich absolut verbindlich für Deutschland, d.h. alle rechtlichen Regelungen in Deutschland, also auch in Thüringen, müssen den Vor- gaben des UN-Abkommens ent- sprechen. Die Abschaung des Wahlrechtsausschlusses für Men- schen in gesetzlicher „Vollbetreu- ung“ ist daher längst überfällig und muss so schnell wie möglich pas- sieren - und zwar im Landeswahl- recht und im Bundeswahlrecht. Die LINKE setzte sich dafür ein, dass bei den kommenden Land- tagswahlen, die im Jahr 2019 anste- hen, auch Menschen in gesetzli- cher Vollbetreuung endlich wählen können. Es ist die - hoentlich bald überwundene - Arroganz der Nicht- behinderten, die sich derzeit noch anmaßt, darüber zu entscheiden, inwieweit Menschen mit Behinde- rungen zur Wahlurne zugelassen werden. Diese Bevormundung muss auf- hören, auch behinderte Menschen, also auch in sogenannter „Vollbe- treuung“, haben das Recht auf ei- genständige politische Entschei- dungen und auf gleiche Teilhabe an der Wahlurne. Daher muss darüber hinaus auch das Wahlrecht auf Bun- desebene geändert werden. Die rot-rot-grüne Landesregierung soll- te entsprechenden Bemühungen im Bundesrat forcieren. Thüringen hat hier mit Blick auf das in Artikel 2 der Landesverfas- sung verankerte Nachteilsaus- gleichsgebot zugunsten von Men- schen mit Behinderungen – also auch solchen in gesetzlicher „Voll- betreuung“ – eine besondere Ver- antwortung, auch auf Bundesebene für die Beseitigung von Diskriminie- rungen einzutreten. Seit dem Jahr 2010 steht durch ein Urteil des Eu- ropäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte ebenfalls fest: Solche Wahlrechtsausschlüsse gegen Menschen in gesetzlicher Betreu- ung verstoßen auch gegen die – für Deutschland rechtlich verbindliche – Europäische Menschenrechts- charta. Es wäre ein gleichstellungs- politisches Armutszeugnis, wenn noch mehr deutliche „Winke mit dem Zaunpfahl“ notwendig wären. Deshalb: Abschaung der Wahl- rechtsausschlüsse gegen Men- schen in Betreuung jetzt! Keine Bevormundung von Karola Stange KOMMENTIERT: PARLAMENTSREPORT Fraktion im Thüringer Landtag www.die-linke-thl.de Der Kommunale Finanzausgleich in Thüringen soll gerechter gestaltet werden Beim Pressegespräch: Ralf Kalich, Sprecher der Linksfraktion für Kommunalfi- nanzen, und Frank Kuschel, Kommunalpolitiker der Fraktion (v.l.). Foto: Peter Lahn Zu der seit dem 11. Juli vorliegenden ausführlichen Begründung des Thü- ringer Verfassungsgerichtshofs zum Urteil über das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform hatte Frank Kuschel erklärt: „Die CDU ist mit ihren inhaltlichen Gründen in der Klageschrift letztlich auf ganzer Linie gescheitert Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Begründung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes vorgebracht. Das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen ist in der Tat lediglich wegen eines formellen Fehlers vom Gerichts- hof für nichtig erklärt worden. Es gilt nunmehr, die ausführlichen Hinweise des Gerichtshofs für Neugliederungsgesetze zu analysieren und zu beachten.“ Innenminister Holger Poppenhäger kündigte in etwa vier bis fünf Wochen eine Grundsatzentscheidung an, in welchem Tempo und Umfang das größte Reform- projekt der Koalition weitergeführt werden soll. Nach der Urteilsbegründung der Weimarer Verfassungsrichter könne die Regierungskoalition festlegen, ob die Prämissen für weniger und größere Gemeinden und Kreise beibehalten oder ge- ändert werden. Letztlich gehe es darum, ob das Leitbild zur Gebietsreform bei- behalten werde. Der Minister sieht sich durch die Urteilsbegründung in seinem Drängen auf eine Gebietsreform bestätigt. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass Thüringen leistungsfähige Gemeinden brauche, damit diese ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung auch wahrnehmen könnten, sagte er. Sein Ministe- rium und das Kabinett würden weiter alle Voraussetzungen schaen, um eine Ge- bietsreform umzusetzen, allerdings mit einem veränderten Zeitplan CDU mit Klage auf ganzer Linie gescheitert
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Page 1: PARLAMENTSREPORT - die-linke-thl.de · PDF file„Das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs in Thüringen ist nicht, wie die CDU immer wieder behauptet, gesunken, sondern un-ter

„Das Volumen des KommunalenFinanzausgleichs in Thüringen istnicht, wie die CDU immer wiederbehauptet, gesunken, sondern un-ter Rot-Rot-Grün stetig gestiegen“,so der Sprecher für Kommunalfi-nanzen, Ralf Kalich, in einem jetztim Landtag stattgefundenen Pres-segespräch der Fraktion DIE LINKEzu den Eckpunkten der Neugestal-tung des Kommunalen Finanzaus-gleichs für die Jahre 2018 und2019.

Betrug das Volumen im Jahr 2014noch unter der CDU-geführten Landes-regierung 1,85 Milliarden Euro, so istes im Jahr 2016 auf 1,901 MilliardenEuro angewachsen und soll im Jahr2018 auf 1,97 Milliarden Euro steigen.Zudem hätten die Kommunen in die-sem Zeitraum Steuermehreinnahmenvon 200 Millionen Euro zu verzeichnen.

Einen Tag vor dem Pressegesprächhatte die Landesregierung den ent-sprechenden Gesetzentwurf in einerersten Kabinettsberatung behandelt.Dieser liegt nun den Kommunalen Spit-zenverbänden zur Bewertung vor. EndeAugust soll er dann in den Landtag ein-gebracht werden, damit das Gesetzzum Ende dieses Jahres verabschiedetwerden kann. Frank Kuschel, kommu-nalpolitischer Sprecher der Linksfrakti-on, erklärte dazu: „Wir begrüßen, dassdie Landesregierung Veränderungen inder inneren Struktur des KommunalenFinanzausgleichs vornimmt. Gutach-terlich hat sich bestätigt, dass die der-zeitige Mittelverteilung nicht sachge-recht ist.“

Frank Kuschel appellierte an dieKommunalen Spitzenverbände und dieCDU-Opposition, sich mit den vorlie-genden Materialien intensiv zu be-schäftigen. Aus seiner Sicht müssenunterschiedliche finanzielle Bedarfeder Kommunen unterschiedlicher Grö-ße in der Hauptansatzstaffel abgebil-det werden. „Orte mit wachsenderGröße haben wachsende Aufgabenund somit auch einen höheren finan-ziellen Aufwand“, erläuterte der Kom-munalexperte gegenüber den Journali-sten. Mit Blick auf die deutlich gestie-genen Steuereinnahmen der Kommu-nen in Thüringen machte er nochmalsklar, dass der Kommunale Finanzaus-gleich „ein Ausgleichs- und kein Ali-mentationssystem ist“.

In einer aktuellen Pressemitteilunghatte zudem das Thüringer Ministeri-um für Inneres und Kommunales demin der Öffentlichkeit verbreiteten Ein-druck widersprochen, dass nur Ge-

meinden mit über 10.000 Einwohnernvon den neuen Regelungen profitierenwürden und sämtliche Gemeinden un-ter 10.000 Einwohnern weniger bis garkein Geld aus dem Kommunalen Fi-nanzausgleich erhalten. Denn auf-grund aktueller statistischer Erkennt-nisse der Ein- und Ausgabesituation inden Gemeinden wurde u.a. die Haupt-ansatzstaffel fortgeschrieben. Dashängt mit der zugleich stattfindendenErhöhung der Finanzausgleichsmasseund damit der Gemeindeschlüsselmas-se für das Jahr 2018 sowie u.a. der un-

terschiedlichen Steuerkraftentwicklun-gen zusammen. Somit werden nachden aktuellen Modellrechnungen lautMinisterium auch 130 Thüringer Städ-te und Gemeinden unter 10.000 Ein-wohnern im Vergleich zu 2017 höhereSchlüsselzuweisungen erhalten. Bei-spielsweise steigen diese deutlich anin Kahla. Die Stadt hat 6.940 Einwoh-ner und kann mit einem Plus von 16Prozent rechnen. Und Ruhla mit seinen5.663 Einwohnern erhält sogar 26 Pro-zent mehr.

Matthias Gärtner

Ein Ausgleichs- und keinAlimentationssystem

Wählen gehen zu können, ist einMenschenrecht. Das gilt in vollemUmfang auch für Menschen mit Be-hinderungen. So legt es das UN-Ab-kommen über die Rechte behinder-ter Menschen in seinem Artikel 29fest. Das UN-Abkommen ist völker-rechtlich absolut verbindlich fürDeutschland, d.h. alle rechtlichenRegelungen in Deutschland, alsoauch in Thüringen, müssen den Vor-gaben des UN-Abkommens ent-sprechen. Die Abschaffung desWahlrechtsausschlusses für Men-schen in gesetzlicher „Vollbetreu-ung“ ist daher längst überfällig undmuss so schnell wie möglich pas-sieren - und zwar im Landeswahl-recht und im Bundeswahlrecht.

Die LINKE setzte sich dafür ein,dass bei den kommenden Land-tagswahlen, die im Jahr 2019 anste-hen, auch Menschen in gesetzli-cher Vollbetreuung endlich wählenkönnen. Es ist die - hoffentlich baldüberwundene - Arroganz der Nicht-behinderten, die sich derzeit nochanmaßt, darüber zu entscheiden,inwieweit Menschen mit Behinde-rungen zur Wahlurne zugelassenwerden.

Diese Bevormundung muss auf-hören, auch behinderte Menschen,also auch in sogenannter „Vollbe-treuung“, haben das Recht auf ei-genständige politische Entschei-dungen und auf gleiche Teilhabe ander Wahlurne. Daher muss darüberhinaus auch das Wahlrecht auf Bun-desebene geändert werden. Dierot-rot-grüne Landesregierung soll-te entsprechenden Bemühungen imBundesrat forcieren.

Thüringen hat hier mit Blick aufdas in Artikel 2 der Landesverfas-sung verankerte Nachteilsaus-gleichsgebot zugunsten von Men-schen mit Behinderungen – alsoauch solchen in gesetzlicher „Voll-betreuung“ – eine besondere Ver-antwortung, auch auf Bundesebenefür die Beseitigung von Diskriminie-rungen einzutreten. Seit dem Jahr2010 steht durch ein Urteil des Eu-ropäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte ebenfalls fest: SolcheWahlrechtsausschlüsse gegenMenschen in gesetzlicher Betreu-ung verstoßen auch gegen die – fürDeutschland rechtlich verbindliche– Europäische Menschenrechts-charta. Es wäre ein gleichstellungs-politisches Armutszeugnis, wennnoch mehr deutliche „Winke mitdem Zaunpfahl“ notwendig wären.Deshalb: Abschaffung der Wahl-rechtsausschlüsse gegen Men-schen in Betreuung jetzt!

Keine Bevormundung

von Karola Stange

KOMMENTIERT:

PA R L A M E N T S R E P O RTFrakt ion im Thür inger Landtag www.die-linke-thl.de

Der Kommunale Finanzausgleich in Thüringen soll gerechter gestaltet werden

Beim Pressegespräch: Ralf Kalich, Sprecher der Linksfraktion für Kommunalfi-nanzen, und Frank Kuschel, Kommunalpolitiker der Fraktion (v.l.).

Foto: Peter Lahn

Zu der seit dem 11. Juli vorliegenden ausführlichen Begründung des Thü-ringer Verfassungsgerichtshofs zum Urteil über das Vorschaltgesetz zurDurchführung der Gebietsreform hatte Frank Kuschel erklärt:

„Die CDU ist mit ihren inhaltlichen Gründen in der Klageschrift letztlich aufganzer Linie gescheitert Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Begründungkeine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen desGesetzes vorgebracht. Das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreformin Thüringen ist in der Tat lediglich wegen eines formellen Fehlers vom Gerichts-hof für nichtig erklärt worden. Es gilt nunmehr, die ausführlichen Hinweise desGerichtshofs für Neugliederungsgesetze zu analysieren und zu beachten.“

Innenminister Holger Poppenhäger kündigte in etwa vier bis fünf Wochen eineGrundsatzentscheidung an, in welchem Tempo und Umfang das größte Reform-projekt der Koalition weitergeführt werden soll. Nach der Urteilsbegründung derWeimarer Verfassungsrichter könne die Regierungskoalition festlegen, ob diePrämissen für weniger und größere Gemeinden und Kreise beibehalten oder ge-ändert werden. Letztlich gehe es darum, ob das Leitbild zur Gebietsreform bei-behalten werde. Der Minister sieht sich durch die Urteilsbegründung in seinemDrängen auf eine Gebietsreform bestätigt. Das Gericht habe deutlich gemacht,dass Thüringen leistungsfähige Gemeinden brauche, damit diese ihr Recht aufkommunale Selbstverwaltung auch wahrnehmen könnten, sagte er. Sein Ministe-rium und das Kabinett würden weiter alle Voraussetzungen schaffen, um eine Ge-bietsreform umzusetzen, allerdings mit einem veränderten Zeitplan

CDU mit Klage auf ganzer Linie gescheitert

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Machtdemonstrationender Neonazis unterbinden

Ein Mitarbeiter des Landeskir-chenamtes hat am 18. Juli auf demJohannisfriedhof in Jena entdeckt,dass das Grab von Gustav Drey-spring geschändet worden war. „Esist erschreckend, wie häufig antise-mitische Übergriffe in Thüringenstattfinden. Die Schändung des jü-dischen Grabmals reiht sich ein indiverse antisemitisch motivierteStraftaten“, sagte Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschis-mus der Linksfraktion.

Die Landtagsabgeordnete ver-wies auf ihre regelmäßigen Anfra-gen, mit denen antisemitische Vor-fälle in Thüringen quartalsweise er-fasst werden. „Seit Jahren ist eineSteigerung antisemitischer Vorfäl-le, Straftaten und entsprechenderMeinungsäußerungen verbundenmit einem zunehmenden Unsicher-heitsgefühl für Menschen jüdi-schen Glaubens in Deutschlandfestzustellen. Dies konstatiert auchder im April veröffentlichte Berichtdes Unabhängigen ExpertenkreisesAntisemitismus der Bundesregie-rung. Antisemitismus in jeglicherAusprägung zurückzudrängen –seien es antisemitische Hassbot-schaften im Internet, Holocaustre-lativierungen, Übergriffe, Schän-dungen – und sich klar und eindeu-tig dagegen zu positionieren, istdringende Aufgabe aller“, so Katha-rina König-Preuss.

KURZ UND PRÄGNANT

PARLAMENTSREPORT6 UNZ-14-2017

derartige Versammlungen weitestge-hend zu beschränken. Dringend sollteeine versammlungsrechtliche Nachbe-wertung erfolgen, denn der Versamm-lungsleiter selber hat den öffentlichenCharakter durch blickdicht verhangeneBauzäune infrage gestellt und somitdie Versammlung einer öffentlichenKontrolle entzogen. Der Etablierungrechtsfreier Räume durch Neonazismuss klar entgegengetreten werden.

Inwieweit kann eine „Präzisierungdes Versammlungsrechts“, wie esBodo Ramelow vorgeschlagen hat,dienlich sein?

Das bleibt abzuwarten, zumal dieStaatskanzlei dazu jetzt ein Gutachtenin Auftrag geben will. Rot-Rot-Grün hatim Koalitionsvertrag vereinbart, dassder extremen Rechten mit einem kon-sequenten repressiven Vorgehen be-gegnet werden soll und dabei rechtlichzulässige und geeignete Mittel bis hinzu möglichen Verboten rechtsextremerOrganisationen ausgeschöpft werdensollen.

Wie das konsequente repressive Vor-gehen praktisch erfolgen kann, ob einePräzisierung so wie Bodo Ramelow esfordert, umgesetzt werden kann und zuentsprechenden Konsequenzen führt,muss in den kommenden Wochen undMonaten entschieden werden. Unbe-nommen bleibt, dass für das nächsteRechtsRock-Konzert, das bereits fürden 29. Juli wiederum in Themar ange-kündigt ist, alle Möglichkeiten ausge-schöpft werden müssen, um derartigeZusammenrottungen und Machtde-monstrationen von Neonazis zu unter-binden.

Sie waren im Rahmen einer parla-mentarischen Beobachtungsgruppevon Abgeordneten der Koalitions-fraktionen des Landtags am 15. Juliin Themar vor Ort, wollten einenBlick auf das Agieren der Neonaziswerfen und die Bevölkerung und Zi-vilgesellschaft vor Ort unterstüt-zen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Mit 6.000 Neonazis, darunter diver-se militante Strukturen wie bspw. dasin Deutschland verbotene „Blood & Ho-nour“-Netzwerk, Vertreter der Ham-merskins, von HogeSa oder auch derThüringer Neonazi-Gruppe Turonenwar diese Veranstaltung die bishergrößte der extrem rechten Szene inden vergangenen Jahren in Deutsch-land. Für die Neonaziszene bedeutetesie neben der Verbreitung ihrer hasser-füllten Ideologie über Musik und demVernetzungscharakter vor allem aucheine große Einnahmequelle bei Ein-trittspreisen von 35 Euro pro Karte.Damit werden wiederum extrem rechteStrukturen unterstützt.

An den Gegenprotesten hatten zwarweniger Menschen teilgenommen alsangekündigt und erhofft, aber gemes-sen an der Einwohnerzahl sind in The-mar mehr auf die Straße gegangen alsin den letzten Jahren in Jena und ande-ren Städten.

Es gab zahlreiche Hitler-Grüßeund ‚Sieg Heil‘-Rufe beim Rechts-Rock-Konzert und eine Diskussion,warum die Polizei nicht eingeschrit-ten ist.

Inwieweit weitere Polizeieinheitenhätten angefordert werden müssen,

Erneut jüdisches Grabmal geschändet

um die Versammlung angesichts derStraftaten zu beenden, muss auch inVorbereitung der kommenden Nazi-Konzerte kritisch nachbesprochenwerden. Klar ist meines Erachtens,dass mit den eingesetzten Polizeikräf-ten eine Auflösung des RechtsRock-Konzertes mit 6.000 Nazis, davon vielealkoholisiert und gewaltbereit, eine ab-solute Eskalation bedeutet hätte.

Die Solidarität der LINKEN mitden Beschäftigten von Solarworldhat die Fraktions- und Parteivorsit-zende Susanne Hennig-Wellsowbetont. „Mit ihrer Bereitschaft zuzeitweiligem Lohnverzicht undKurzarbeit bekennen sie sich klarzum Werk in Arnstadt und verlan-gen völlig zu Recht, dass auch alleanderen Beteiligten alle Möglich-keiten ausschöpfen, um den Erhaltvon Arbeitsplätzen und Werk si-cherzustellen.“ Der Freistaat Thü-ringen, so die LINKE-Politikerin,müsse alles unternehmen, wasmöglich ist, um ein Abwandern derhochqualifizierten Belegschaft zuverhindern. „Die Beschäftigten ha-ben eine Perspektive mehr als nurverdient – zu viele Thüringer inve-stieren ihre Arbeitskraft schon inwestdeutschen Bundesländern.Unsere sächsischen Genossen ha-ben u.a. die Bildung einer staatli-chen Auffanggesellschaft für dasWerk in Freiberg ins Gespräch ge-bracht. Ich denke, dass wir auch inThüringen prüfen müssen, ob eineAuffanggesellschaft oder anderestaatliche Instrumente genutztwerden können, um den Zeitraumbis zum Neuantritt eines Investorszu überbrücken.“

An der Seite der Solar-world-Beschäftigten

NACHGEFRAGT bei Katharina König-Preuss, Sprecherin der Fraktion für Antifaschismus

Anschlag auf „linksKontakt“-Wahlkreisbüro in ErfurtSzene zuzuordnen sind oder bereitsdurch rassistische, fremdenfeindlicheund antisemitische Äußerungen aufge-fallen sind. Das zeigt deutlich, welchenpolitischen Hintergrund die Täter mithoher Wahrscheinlichkeit haben.“

Steffen Dittes, innenpolitischerSprecher der Fraktion DIE LINKE, er-kundigt sich mit Kleinen Anfragen jähr-

lich bei der Landesregierung nach An-griffen auf Abgeordnetenbüros: „In denletzten drei Jahren gab es 114 Angriffeauf Abgeordnetenbüros in Thüringen.Dass in mehr als der Hälfte der FälleBüros von LINKE-Abgeordneten betrof-fen waren, ist auch Ausdruck eines ver-gifteten gesellschaftlichen Klimasdurch Hetze vom rechten Rand.

In der Nacht zu Freitag, dem 21.Juli, wurde auf das gemeinsameWahlkreisbüro „linksKontakt“ derLandtagsabgeordneten Karola Stan-ge, André Blechschmidt und RonaldHande in der Erfurter Innenstadtein Anschlag verübt. Unbekanntewarfen zwei Schaufensterscheibendes Büros mit Pflastersteinen, of-fenbar von einer in der Nähe befind-lichen Baustelle, ein.

Es entstand erheblicher Sachscha-den. Die Abgeordneten erstatteten An-zeige. Die Polizei hat die Ermittlungenaufgenommen. „Dies ist ein weitererfeiger Anschlag in einer ganzen Serievon Übergriffen auf Büros von LINKE-Politikern in Deutschland. Hier zeigtsich, wie weit manche Menschen, auf-gewiegelt und zum Hass angestachelt,zu gehen bereit sind“, verurteilte Karo-la Stange die Tat.

Für André Blechschmidt ist der Tä-terkreis klar einzugrenzen: „Es wurdegezielt der Hinweis darauf zerstört,dass in unserem Büro Menschen uner-wünscht sind, die der rechtsextremen

Welche Konsequenzen müssenjetzt gezogen werden?

Es muss alles getan werden, um fürdie Zukunft solche Machtdemonstra-tionen von Neonazis zu unterbindenoder zumindest zu beschränken. Ichhalte es für dringend notwendig, dasssich insbesondere der Innenausschussdes Thüringer Landtags mit demRechtsRock-Konzert, den Straftatenund Agieren der Neonazis in Themarbeschäftigt und intensiv auswertet,was geschehen ist. Es gilt, auf Landes-ebene Konsequenzen zu ziehen, um

Die Verlagerungdes argumentati-ven Wettstreites inhasserfüllte Aufru-fe und die Bereit-schaft, den politi-schen Gegner auchgewaltsam zu at-tackieren, stim-men uns sehr be-sorgt.“ (59 der 114Büros, die von2014 bis 2016 inThüringen attak-kiert wurden, ge-hören zur ParteiDIE LINKE)

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Das Bildungsministerium hat einenVertrag mit dem Flüchtlingsrat Thü-ringen e.V. zur Fortführung der„Fachberatungsstelle zu asyl- undaufenthaltsrechtlichen Fragestellun-gen bei unbegleiteten minderjährigenAusländern“ für die Dauer von einemJahr geschlossen. In Thüringen lebenzurzeit etwa 1.400 unbegleitete min-derjährige Flüchtlinge. Die Bera-tungsleistungen werden ausgebautund verstetigt, so im Hinblick auf Fra-gen des Familiennachzugs und derFamilienzusammenführung, Hand-lungsoptionen in den asyl- und auf-enthaltsrechtlichen Verfahren, dieKlärung aufenthaltsrechtlicher Per-spektiven oder bezüglich der Mög-lichkeiten zu Bildungsangeboten undArbeitsmarktzugang.

Gemeinsam mit der „Brennessel“,dem Erfurter Zentrum gegen Gewaltan Frauen, veranstaltet die FraktionDIE LINKE anlässlich des 150. Ge-burtstages von Käthe Kollwitz eineSzenische Kollage. Sie findet am Frei-tag, den 11. August (18 bis 20 Uhr)im Haus Dacheröden in Erfurt stattund trägt den Titel „Es fiel ein Schussin Sarajewo“. In Ausschnitten vermit-telt Lore Seichter-Muráth den Werde-gang der weltberühmten Bildhauerinund Zeichnerin. Aus Tagebuchauf-zeichnungen, poetischen Textpassa-gen, a capella gesungenen Liedern,Werkbeschreibungen und Gedichtenwebt sie einen faszinierenden Span-nungsbogen bis hin zum auch für dieKünstlerin schicksalhaften Beginndes Ersten Weltkrieges.

Die Technische Universität Ilmen-au hat zur geplanten Novelle desThüringer Hochschulgesetzes eineStellungnahme vorgelegt. Das vonRektor Peter Scharff und dem Vor-sitzenden des Hochschulrates derTU, Michael Mertin, unterschriebe-ne Papier kritisiert, dass die Univer-sitätsspitze im strategischen Be-reich ihre „zentrale Entscheidungs-befugnis" verliere.

Auch der CDU-HochschulpolitikerMario Voigt sprach sich klar gegen diegeplante paritätische Besetzung derSenate an Thüringer Hochschulen mitProfessoren und Studenten aus.

Dazu erklärte Christian Schaft,hochschulpolitischer Sprecher derLinksfraktion: „Die Koalition und dasThüringer Wissenschaftsministeriumhaben bei einem breit angelegten undanderthalbjährigen Hochschuldialogan allen Hochschulstandorten sehr ge-nau zugehört. Aus allen Statusgruppen- einschließlich der Professorinnen undProfessoren - kam dabei der Ruf nacheiner deutlichen Stärkung der Senate.Dieser Aufforderung folgt der Entwurfdes neuen Hochschulgesetzes undführt die wichtigsten Aufgaben derHochschulen wieder in die Hände deszentralen demokratisch gewähltenGremiums, des Senats.“

Er verstehe, dass einigen Hochschul-leitungen dieser Schub an Demokrati-sierung nicht behage. „Insbesondereaus der TU Ilmenau erreichen michschon länger Klagen über Entschei-dungsfindungen, die oft schon vor dereigentlichen Senatssitzung gefallen zusein scheinen. Auch deshalb bleibe ichdabei: Demokratie bedeutet Mitbe-stimmung und eine transparente Ein-bindung aller Betroffenen von Anfangan. Dem trägt der vorliegende Gesetz-entwurf vollkommen zu Recht Rech-nung.“ Der LINKE-Politiker betonte,dass die geplante paritätische Beset-

Die Enquetekommission „Ursa-chen und Formen von Rassismusund Diskriminierungen in Thürin-gen sowie ihre Auswirkungen aufdas gesellschaftliche Zusammen-leben und die freiheitliche Demo-kratie“ hat sich am 27. Juni konsti-tuiert. Sie ist eine Konsequenz ausder jahrelang unentdeckten Mord-serie des NSU und eine der Emp-fehlungen des ersten ThüringerNSU-Untersuchungsausschussesund soll Ursachen für das Entste-hen und die Verbreitung rassisti-scher Einstellungen identifizieren,daraus entstehende Gefahren un-tersuchen und konkrete nachhalti-ge Konzepte sowie Handlungs-empfehlungen gegen strukturellenund institutionellen Rassismus fürdie Thüringer Politik und Zivilge-sellschaft entwickeln.

Die Obfrauen der rot-rot-grünenRegierungsfraktionen, Sabine Ber-ninger, Diana Lehmann und Made-leine Henfling, erklärten: „DieseForm der Auseinandersetzung mitdem Thema Rassismus ist in derBundesrepublik einmalig. Die En-quetekommission ist ein wichtigesInstrument, um gute Maßnahmenzu entwickeln, um Rassismus undDiskriminierung in diesem Landentgegenzuwirken. Ziel ist, sowohlwirksame Maßnahmen für Behör-den und öffentliche Einrichtungenzu entwickeln, als auch herauszu-finden, wie Politik Zivilgesellschaftunterstützen kann und muss. Ras-sismus und Diskriminierung an derWurzel packen, das können die de-mokratischen Kräfte nur gemein-sam schaffen. Dazu soll die En-quetekommission beitragen.“

Landtagssitzungen:Im Gleichlauf mit den Schulferi-

en befindet sich der Landtag in derparlamentarischen Sommerpause.

Die nächsten planmäßigen Ple-narsitzungen finden statt in derZeit vom 30. August bis 1. Septem-ber, vom 27. bis 29. September,vom 1. bis 3. November und vom12. bis 15. Dezember.

Bereits am 17. August findet ei-ne Landtagssondersitzung statt.

Bei Interesse an Teilnahme an ei-ner der Sitzungen bitte rechtzeitigin der Geschäftsstelle der Links-fraktion melden (Tel. 03613772295).

Über die Aktivitäten der Links-fraktion immer auf dem Laufendenim Internet unter:

www.die-linke-thl.de

Im Jahr 2016 begannen 9.817 Per-sonen in Thüringen eine Ausbildungim Rahmen des dualen Systems. Daswaren nach Mitteilung des Lan-desamtes für Statistik 2,2 Prozentweniger als im Jahr 2015. Wie in denVorjahrn wurden im Bereich Industrieund Handel die meisten neuen Aus-bildungsverträge abgeschlossen (6188 Verträge). Einen Anstieg konn-ten auch der Bereich Handwerk so-wie Öffentlicher Dienst verzeichnen.Den prozentual größten rückläufi-gen Trend bei den Vertragsab-schlüssen hatte im Jahr 2016 derAusbildungsbereich Landwirtschaft.Hier unterschrieben 338 Personeneinen neuen Ausbildungsvertrag unddamit 21,6 Prozent weniger als imVorjahr.

PARLAMENTSREPORT 7

VON A BIS Z:

WICHTIGE TERMINE

Ausbildung Flüchtlingsrat Käthe Kollwitz

Enquetekommission

zung nicht die Handlungsfähigkeit derHochschulen gefährde, sondern stär-ken werde: „Wenn alle Interessens-gruppen gleichberechtigt die Chancehatten, ihre Positionen einzubringen,dann werden Entschlüsse auch durchalle Beteiligten gemeinsam getragenund umgesetzt. Zwar mag manche De-batte einer Hochschulleitung lästig er-

le Zusammensetzung diese Gefahr insich birgt. Es ist eine Frage des Um-gangs miteinander in den Gremien. Esliegt an allen Beteiligten, das Ansinnendes Gesetzentwurfs nach einem demo-kratischen Miteinander im Hochschul-alltag leben zu wollen. Ich habe ange-sichts einiger Äußerungen nicht dasGefühl, dass alle dazu bereit sind. Aber

UNZ-14-2017

„Aber Demokratie istkeine Einbahnstraße“MdL Christian Schaft zur Kritik an der geplanten Novelle des Hochschulgesetzes

scheinen, erzielte gute Kompromissebergen jedoch die Möglichkeit, viel ef-fektiver und breiter verwirklicht zu wer-den. Zudem wird auch zukünftig bei al-len Fragen, die maßgeblich Forschungund Lehre betreffen, eine professoraleMehrheit durch den erweiterten Senatim Gesetz verankert bleiben. Von einer'Entmachtung der Professorinnen undProfessoren' zu reden, ist schon des-halb schlicht falsch.“

Zum Vorwurf, dass paritätisch be-setzte Hochschulorgane die Gefahrendloser Debatten in sich bergen, kon-statierte Christian Schaft: „Aus meinereigenen Erfahrung in den Gremien derakademischen Selbstverwaltung alsStudent weiß ich, dass auch die aktuel-

Demokratie ist keine Einbahnstraße.Ich freue mich auf die mündliche Anhö-rung im Wirtschafts- und Wissen-schaftsausschuss, die wir zeitnah nachder Einbringung des Gesetzes im Land-tag ansetzen werden.

Auch dort werden alle Hochschulenund Statusgruppen erneut die Möglich-keit erhalten, sich umfassend zu äu-ßern. Im Nachgang werden wir alle Ar-gumente erneut abwägen und diskutie-ren. Ganz am Ende dieses Prozesseswerden wir, so glaube ich, ein gutesHochschulgesetz haben, welches De-mokratisierung, Gute Arbeit und Chan-cengerechtigkeit entscheidend voran-bringen wird“, zeigte sich der Hoch-schulpolitiker zuversichtlich.

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Unterstützung für die Ferien-freizeit im Waldschulheim

KURZ UND PRÄGNANT

PARLAMENTSREPORT8

Verfassungsklage scheiterte. Seit demunterstützt der Verein gemeinnützige,soziale Projekte. Die Zuwendung fürden St. Elisabeth-e.V. ist die 3.230.(dreitausendzweihundertdreißigste)seit Gründung der Alternative 54 e.V.Insgesamt 1,2 Millionen Euro wurdenfür soziale und gemeinnützige Projekte

edukativen Ferienangeboten ‚seinen’Kindern und Jugendlichen bereits seitJahren unbeschwerte Ferien ermög-licht, finden wir sehr unterstützens-wert. Das ist ganz im Sinne der Alterna-tive 54 e.V.“, freut sich Sabine Bernin-ger, die selbst ausgebildete Erzieherinund Dipl. Sozialpädagogin ist.

Mit der Änderung des Erneuer-bare-Energien-Gesetz sollen künf-tig Hauseigentümer selbst erzeug-ten Strom, z. B. von Solaranlagen,günstig nutzen können. Dafür istein Zuschuss vorgesehen. DerStrom muss nicht zwingend in dasöffentliche Netz eingespeist wer-den, sondern kann den Mietern an-geboten werden. Diese erhaltenauch das Wahlrecht, ob sie diesenStrom oder den von anderen An-bietern beziehen möchten. Dies istein Fortschritt gegenüber bisheri-gen Regelungen, die zwingend dieEinspeisung ins öffentliche Netzvorgeschrieben hatten.

Trotzdem sind nach Überzeu-gung der rot-rot-grünen Koalitionweitere Nachbesserungen auf Bun-desebene notwendig, z. B., weilMieter immer noch nicht mit Er-zeugern von Eigenstrom in Einfa-milienhäusern gleichgestellt wer-den. Mieter werden nach wie vormit umgelegten Netzentgelten be-lastet.

Dazu hatten die Koalitionsfrak-tionen zur letzten Landtagssitzungeinen Antrag vorgelegt. Umweltmi-nisterin Anja Siegesmund hatte be-tont: „Wir wollen den Erfolg derEnergiewende dadurch fördern,dass möglichst viele Menscheneinbezogen werden und damitauch profitieren können.“

Mieterstrommodellefür die Energiewende

„Mehr Debatte um bedingungsloses Grundeinkommen“ von MdL Ina Leukefeld

UNZ-14-2017

Sabine Berninger hat Kindern desSt. Elisabeth-Vereins e.V. zum Ab-schluss ihrer Ferienfreizeit im Wald-schulheim Bergern bei Bad Berka ei-nen Scheck der Alternative 54 e.V.überreicht. „Wir unterstützen die Fe-rienfreizeit, weil sie unbeschwerteUrlaubstage Kindern ermöglicht, fürdie die Teilnahme an öffentlichen Fe-rienangeboten schwierig oder sogarunmöglich ist“, sagte die Landtags-abgeordnete der Fraktion DIE LIN-KE, die ihr Wahlkreisbüro in Bad Ber-ka hat.

Es sind Kinder mit psychischen, emo-tionalen oder ursächlich traumatischenStörungen oder mit geistigen Behinde-rungen, die über den St. Elisabeth-Ver-ein in familienintegrativen Settings be-treut werden. Das heißt, dass profes-sionelle Erzieherinnen und Erzieher,Heilpädagogen sowie Sozialpädagogenjeweils bis zu zwei Kinder oder Jugend-liche in ihrem Haushalt bzw. ihrer Fami-lie aufgenommen haben. 18 Kinder undJugendliche zwischen 4 und 14 Jahrennahmen in diesem Jahr an der Ferien-freizeit im Waldschulheim Bergern teil,zwei erlebnisreiche Wochen gingen am14. Juli für die Kinder zu Ende.

„Diese Kids benötigen eine besonde-re sozialpädagogische Betreuung mit inder Regel einem Betreuungsschlüsselvon einer pädagogischen Fachkraft aufdrei Kinder, der in öffentlichen Freizei-ten undenkbar ist. Dass der St. Elisa-beth-Verein mit seinen inklusiven, ko-

In der Thüringer LINKEN wird dieDiskussion über die Vor- und Nach-teile eines bedingungslosen Grund-einkommens (BGE) schon lange ge-führt. Im Vordergrund steht die Fra-ge, wie Menschen in Zukunft überein sicheres Grundeinkommen vorArmut bewahrt werden und gleich-zeitig ihre Entscheidungsfreiheitüber den Umfang und die Art der Ar-beit gestärkt wird.

Nicht mehr jede Arbeit annehmen zumüssen und die Angst vor Arbeitslosig-keit, sozialem Abstieg und Hartz IV zubändigen, wäre ein wichtiger emanzi-patorischer Schritt. Dabei ist sich DIELINKE noch immer nicht einig, wie siees letztlich mit dem BGE halten will.Schließlich gibt es mehr als 20 Model-le, und wir wollen natürlich kein neoli-berales Bürgergeld, womöglich nochnach „Kassenlage“.

Ich habe mich jetzt als Sprecherinfür Arbeitsmarktpolitik der FraktionDIE LINKE im Thüringer Landtag öffent-lich geäußert, weil ich die Feststellungim Koalitionsvertrag von CDU, Grünenund SPD in Schleswig-Holstein zur Ent-wicklung eines Modellversuches zumGrundeinkommen für interessant undbemerkenswert halte. Deshalb möchteich anregen, die Ideen in der Herange-hensweise zwischen unseren Bundes-ländern auszutauschen. Ich finde es

gut, dass der Koalitionsvertrag inSchleswig-Holstein die Schaffung ei-nes Zukunftslabors vorsieht, das Mo-delle zur Einführung eines Grundein-kommens entwickeln soll. Das könnteich mir gerade auch unter Rot-Rot-Grün in Thüringen sehr gut vorstellen.Schließlich wollen wir die Diskussionnicht nur den Liberal-Konservativenüberlassen. Deshalb ist es notwendig,einen inhaltlichen Abgleich der Vorstel-lungen von einem bedingungslosenGrundeinkommen vorzunehmen.

Es hagelte gleich nach der Veröffent-lichung meiner Pressemitteilung Kritik.So schrieb mir mein Freund und Kolle-ge Sandro Witt, stellvertretender Vor-sitzender DGB Bezirk Hessen-Thürin-gen, in Facebook: „Abschaffung der er-kämpften sozialen Sicherungssystemezugunsten eines alimentierten Abstell-gleises im Kapitalismus?! Nicht de-spektierlich gemeint, aber ich haltedas für eine sehr schlechte Idee. Waswir brauchen ist eine andere Form derUmverteilung und eine Stärkung dersozialen Sicherungssysteme. DasGrundeinkommen manifestiert die ka-pitalistische Produktionsweise.“

Also mir ist wichtig zu betonen, dasswir als LINKE natürlich Bestandsgaran-tien, Stärkung und Umbau der gesetzli-chen Sozialversicherungssysteme undkeinen Abbau wollen. Bürgerversiche-

rung und Erwerbstätigenversicherungstehen im Bundestagswahlprogrammals wichtige Ziele. Wer glaubt, sich miteinem Grundeinkommen aus der Sozi-alstaatsverantwortung zurückziehenzu können, der ist auf dem Holzweg.Da müssen wir sehr aufpassen.

Deshalb habe ich angeregt, in dernächsten Zeit eine Zukunftswerkstattin Thüringen zu etablieren, um ernst-haft mit Experten und allen Interessier-ten zu diskutieren, die ersten Ergebnis-se in Finnland zu analysieren und mög-liche weitere Schritte zu beraten. Dazukönnte auch eine Bundesratsinitiativegehören, denn wir brauchen letztlicheine bundespolitische Debatte zur Zu-kunft der sozialen Sicherungssysteme.Dies käme der Forderung der LINKENnahe, die sich in ihrem Wahlprogrammfür die Einsetzung einer Enquete-Kom-mission zum Grundeinkommen im Bun-destag stark macht.

Diese gesellschaftliche Debatte istangesichts der sich mit der digitalenRevolution vollziehenden grundlegen-den Veränderungen notwendig. Wirt-schaft 4.0 ist in aller Munde. Immer öf-ter übernehmen Roboter menschlicheArbeit und es besteht die berechtigteSorge, dass immer weniger Menscheneine bezahlte Erwerbsarbeit haben.Als Arbeits- und Sozialpolitikerin seheich mit Sorge, wie sich die Schere zwi-

schen hochqualifizierten und flexibeleinsetzbaren Kernbelegschaften beigleichzeitiger „Produktion“ und Aus-grenzung von „Überflüssigen“ voll-zieht. Es ist zu befürchten, dass wir ei-ne starke Polarisierung in der Arbeits-welt erleben werden und dass dabeinicht nur Tätigkeiten mit geringer Qua-lifikation bedroht sind. Es bestehtschon heute die Gefahr, dass wir ein di-gitales Prekariat bekommen. Denkenwir an Scheinselbstständige, an Click-und Crowdworker. Unter diesen Bedin-gungen die Teilhabe aller an der Erar-beitung und Verteilung des gesell-schaftlichen Reichtums zu sichern undArmut zu verhindern, ist wesentlicheGrundfrage aktueller linker Politik.

Gleichzeitig werden mit dem bedin-gungslosen Grundeinkommen auchHausarbeit, Erziehung von Kindern undBetreuung von alten Menschen gewür-digt. Wenn Menschen mit ihrer Arbeitselbstbestimmter umgehen können,bedeutet das auch ein Mehr an gesell-schaftlicher Teilhabe und damit eineFestigung von Demokratie. Das bedin-gungslose Grundeinkommen kann einegute Grundlage sein.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen,dass DIE LINKE öffentlich wahrnehm-bar ein wichtiges Wort mitredet. Die-ses Thema dürfen wir uns nicht aus derHand nehmen lassen.

Die Alternative 54 e.V. wurde 1995von Mitgliedern der damaligen PDS-Landtagsfraktion gegründet, nachdemder Protest gegen die in Artikel 54 derThüringer Verfassung geregelten auto-matischen Diätenerhöhungen der Ab-geordneten erfolglos war und auch eine

bereits zur Verfügung gestellt. In der Al-ternative 54 e.V. engagieren sich aktu-elle und ehemalige Mitglieder der Land-tagsfraktion, auch Bodo Ramelow istals ehemaliger Fraktionär nach wie vorVereinsmitglied und Spender für denguten Zweck.

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Für wirklich wirksame Mitbestimmungsrechte

PARLAMENTSREPORT 9UNZ-14-2017

DAS THEMA

In abschließender Beratung lagden Landtagsabgeordneten in ihrerSitzung am 21. Juni der Gesetzent-wurf der Koalitionsfraktionen zurÄnderung des Gesetzes über dasVerfahren bei Einwohnerantrag,Bürgerbegehren und Bürgerent-scheid vor. Dazu Auszüge aus demPlenarprotokoll:

Gudrun Holbe, CDU:Das dem Gesetzentwurf zugrunde-

liegende Thüringer Gesetz über dasVerfahren für Einwohnerantrag, Bür-gerbegehren und Bürgerbescheid wur-de von der rot-rot-grünen Koalition erstim IV. Quartal 2016 und gegen dieStimmen meiner Fraktion auf den Weggebracht. Wir haben damals gegen dasGesetz gestimmt, da unsere umfang-reichen Änderungsanträge keine Be-rücksichtigung fanden und die inzwi-schen geltenden Regelungen nicht un-serer politischen Auffassung entspre-chen.

Jetzt sollen wir mit dem hier undheute in zweiter Beratung aufgerufe-nen Änderungsgesetz handwerklicheFehler der Linkskoalition an dem da-maligen Gesetzeswerk beheben.

(Zwischenruf Wolfgang Fiedler, CDU:Niemals!)

Dies ist durchaus konsequent undauch die Anhörung der Spitzenverbän-de hat gezeigt, dass gegen diese Ände-rungen keine grundlegenden Einwändebestehen. Gleichwohl wird sich meineFraktion zu dem Gesetzentwurf enthal-ten, da dieser nicht die grundlegendenBedenken meiner Fraktion gegen daseigentliche Gesetz heilt bzw. beseitigt.

Olaf Kießling, AfD:Die mit dem Gesetz eingeführten

Stimmrechte bei Einwohneranträgensind der Beginn einer nicht zu dulden-den Entwicklung. Die politischen Be-lange des Gemeinwesens werden vonden Staatsbürgern geregelt; eine will-kürliche Beteiligung Zugereister odervorübergehend Geduldeter ist in keinerWeise hinnehmbar. Diese Regelung wi-derspricht im Übrigen dem Grundge-setz. Deswegen sind diese Stimmrech-te beim Einwohnerantrag zu streichen.

Dies gilt umso mehr, als dass die rot-rot-grüne Koalition als Begründung an-gibt, sie müsste mit wahlrechtlichenRegelungen die sogenannte Integrati-on vorantreiben. Das geht aus der Be-gründung der entsprechenden Passa-ge im Gesetzentwurf hervor, denn dortsteht, dass damit bewusst auch Nicht-EU-Einwohner ein Stimmrecht erhal-ten. Das ist natürlich nicht hinzuneh-men für die Bürger und für die echtendemokratischen Volksvertreter hier indiesem Hause. Wenn Sie von Rot-Rot-Grün ihre politischen Ziele durchsetzenwollen, dann müssen Sie das schonmit den deutschen Staatsbürgern aus-machen.

(Frank Kuschel, DIE LINKE: Das ist schon tendenziell rassistisch!)

Sie können sich aber nicht einfach

Aus der Landtagsdebatte zur Evaluierung des Thüringer Verfahrensgesetzes

so mit einer Massenzuwanderung eineneue und Ihnen genehme Wähler-schaft zusammenbasteln. Ich denke,das sind weitere wichtige Punkte, diezukünftig im Gesetz berücksichtigtwerden müssen. Ich betone hier „müs-sen“.

Anja Müller, DIE LINKE:Es geht einzig und allein darum, dass

sich der Gemeinderat mit einem The-

ma auseinandersetzt. Was Sie da hierwieder propagieren, zeigt mir eigent-lich sehr deutlich, dass Sie von diesemGesetzentwurf keine Ahnung haben.

Nicht nur bezogen auf den vorliegen-den Verfahrenspunkt, sondern für alleInhalte dieses neuen Verfahrensgeset-zes gilt, wir werden mit besondererAufmerksamkeit beobachten, wie sichdie neuen Regelungen in der Praxis be-währen. Fest steht aber auch, dassThüringen mit dieser jüngst durchge-führten Reform – zur direkten Demo-kratie auf kommunaler Ebene – eineVorreiterrolle in Deutschland übernom-men hat. Im neuesten Bürgerbegeh-ren-Ranking des Bundesvorstands vonMehr Demokratie steht Thüringen imBundesländervergleich auf Platz 1. Esgibt nun zum Beispiel das Ratsbegeh-ren bzw. das Ratsreferendum.

Sehr geehrte Kollegin Frau Holbe,Sie haben eben gesagt, Sie haben un-seren Gesetzentwurf beim ersten Malabgelehnt und kurz danach auf Lan-desebene das Referendum ins Spielgebracht. Von daher verstehe ich jetztIhre Haltung und auch die Kritik an die-sem Gesetzentwurf nicht, denn wennman das eine auf kommunaler Ebeneablehnt und auf einmal auf Landesebe-ne voranbringt, das zeigt eigentlich,dass auch da noch großer Diskussions-bedarf innerhalb Ihrer Fraktion be-steht. Thüringen ist auch das ersteBundesland, das die Verfahrensregelnfür Einwohnerantrag, Bürgerbegehren

und Bürgerentscheid übersichtlich undklar strukturiert in einem eigenen Ver-fahrensgesetz festgeschrieben hat.

Aber wir als Linke machen auch klar– und das gilt übrigens in der gesamtenKoalition –, die direkte Demokratieauch auf Landesebene muss weiterausgebaut werden. Denn das soge-nannte Finanztabu hat noch immer diefatale Wirkung, die meisten Themenvon der tatsächlichen Mitbestimmung

der Bürgerinnen und Bürger auszuneh-men.

Wir haben schon in der vergangenenWahlperiode auf positive Weiterent-wicklungen in anderen Bundesländernverwiesen, dort sind zum BeispielVolksbegehren mit finanziellen Auswir-kungen anders als derzeit in Thüringengrundsätzlich zulässig. Nur zum laufen-den Landeshaushalt ist kein Volksbe-gehren zulässig, weil in diesem Fall dasParlament beispielsweise sein Budget-recht schon konkret ausübt. Wir disku-tieren gerade sehr intensiv mit den Ko-alitionspartnern über eine Weiterent-wicklung auch hinsichtlich der Ab-schaffung des Finanzvorbehalts.

Das tun wir in einer sehr intensivenDebatte, das kann man wirklich sagen.Skeptikern, die befürchten, dass beimehr direkter Demokratie hinsichtlichMenschenrechten und Minderheiten-schutz sehr problematische Entschei-dungen entstehen könnten, sei gesagt,in Deutschland – damit auch in Thürin-gen – unterliegt die direkte Demokra-tie, gerade auch die Inhalte, der Kon-trolle durch Verfassungsgerichte. Da-her sind solche problematischen Er-gebnisse praktisch ausgeschlossen.

Wie gerade gesagt, hat der Gesetz-geber die Pflicht zu tatsächlich wirksa-men Mitbestimmungsrechten. Deshalbist die kontinuierliche Evaluierung desneuen Thüringer Gesetzes über dasVerfahren bei Einwohnerantrag, Bür-gerbegehren und Bürgerentscheid

auch so wichtig. Die sinkenden Beteili-gungsquoten bei Wahlen zeigen auch,dass die Menschen vor Ort in SachenDemokratie endlich wirklich ernst ge-nommen werden wollen. Sie wollenauch Sachfragen mit entscheiden unddort ihr Wissen und ihre Kompetenzmit einbringen.

Dirk Adams, GRÜNE:Wir haben Bürgerbegehren auch in

Ortsteilen und in Ortschaften möglichgemacht, wir haben Bürgerbegehrenzu Beteiligungen der Gemeinde an Un-ternehmen möglich gemacht. Initiati-ven haben das Recht, sich sachkundigmachen zu lassen. Sie haben ein Rechtauf eine formale Beratung. Wir habeneine Informationsgerechtigkeit in dasGesetz aufgenommen, denn die Ge-meinde wird ein Informationsmaterial,in dem alle Punkte benannt sind, ver-schicken müssen.

Wir haben Vertrauenspersonen dieMöglichkeit gegeben, im Gemeinderatanwesend zu sein und dort auch spre-chen zu dürfen. Der Gemeinderat kannbei einem Bürgerentscheid eine Alter-native, also aus sich heraus neue De-battenpunkte, hereinbringen. Es ist al-so auch eine Stärkung eines parlamen-tarischen Ansatzes, soweit man im Ge-meinderat, der ein Teil der Verwaltungist, davon sprechen kann. Wir habendie Möglichkeit, ein Ratsreferendumdurchzuführen. Wir haben die Möglich-keit geschaffen, dass man effektiv undeffizient Bürgerentscheide mit Kom-munalwahlen auch verknüpft und aneinem Tag den Urnengang durchführtund vieles, vieles mehr.

Dennoch ist kein Gesetz davor ge-feit, dass man nicht eine Regelungslük-ke, eine Regelungsunklarheit einfügtund diese Regelungslücke, diese Pro-blematik lösen wir mit dieser redaktio-nellen Änderung. Ich freue mich, dassKollege Fiedler nickt und dass er wahr-scheinlich dann mit dafür stimmenwird, das freut mich

(Wolfgang Fiedler, CDU: Das glaubeich nicht.)

sehr und an der Stelle verbindet unsviel, den Kommunen gute Handlungs-möglichkeiten in die Hand zu geben.

Ganz anders ist das mit dem Ände-rungsantrag der AfD, der vor allen Din-gen wieder auf einen Grundgedanken,den es offensichtlich in der AfD gibt,abstellt. Er geht nämlich also von derUngleichwertigkeit von Menschen aus.Sie möchten Menschen, die einen an-deren Pass haben, aber schon seit Jah-ren, vielleicht Jahrzehnten in einer Ge-meinde leben und mit den Menschenzusammen das reichhaltige Gemeinde-leben gemeinsam gestalten, aus ihrerabsolut kleinkarierten Weltsicht her-aus ausschließen. Das werden wir na-türlich ablehnen, dafür gibt es keineChance.

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Nach den aktuellen Erwerbsda-ten des Thüringer Landesamtes fürStatistik müssen immer mehr Men-schen ab 65 Jahre einen Nebenjobausüben, um ihren Lebensunterhaltzu sichern. Dazu erklärte Ina Leuke-feld, arbeitsmarktpolitische Spre-cherin der Fraktion DIE LINKE imThüringer Landtag:

„Nur durch gut bezahlte Arbeit wäh-rend der Erwerbstätigkeit und ein si-cheres, solidarisches Rentensystemwird man in der Lage sein, Menschenim Alter vor Armut zu schützen und ih-nen einen würdigen Altersruhestandzu garantieren. Ich unterstütze aus-drücklich die Forderung der Partei DIELINKE nach einer Mindestrente in Hö-he von 1.050 Euro netto im Monat.“

Die Zahl der älteren Menschen, dieneben ihrer Rente eine weitere Er-werbsquelle zur Sicherung ihres Le-bensunterhaltes benötigen, ist in denletzten zehn Jahren um fast das Dreifa-che gestiegen. 23.000 Menschen über65 Jahre benötigen derzeit in Thürin-gen einen Nebenjob, um ihre Renteaufzubessern. 2006 waren dies noch8.000. Damit bestätigen sich leider diewiederholten Warnungen der LINKENvor einer falschen Rentenpolitik derBundesregierung, die zu mehr Alters-

Der LINKE PARLAMENTSREPORT erscheint auf den Seiten 5 bis 10 inUNSERE NEUE ZEITUNG.Herausgeber:DIE LINKE. Fraktion im Thüringer Landtag, Jürgen-Fuchs-Str. 1, 99096 Erfurt.Redaktion:Annette Rudolph (V.i.S.d.P.)Telefon: 0361 - 377 2325; Fax: 0361 - 377 2321E-Mail: [email protected]: www.die-linke-thl.deFür unverlangt eingesandte Manuskripte und Materialien übernimmt die Redaktion des PARLAMENTSREPORTs keine Haftung. Sie behält sich dasRecht der auszugsweisen Wiedergabe von Zuschriften vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redak-tion wieder. Nachdruck von Beiträgen ist ausdrücklich erwünscht.

Zugegeben, die Anfrage der Thü-ringer Allgemeinen war wohl eherrhetorisch gemeint: „Gibt es einpolitisches Sommerloch und waswird die Fraktion nach der Som-merpause zuerst anpacken?“

Unsere Antwort: Für die Fraktionsteht einiges an, und eine Sommer-pause gibt es ja auch nicht wirk-lich. Das betrifft vor allem die Ge-bietsreform, besonders nach dernun vorliegenden Urteilsbegrün-dung der Weimarer Verfassungs-richter. Die nächsten Schritte, umThüringen zukunftsfest zu machen,müssen jetzt entschlossen ange-gangen werden. Wir sind schonmitten in den Beratungen.

Mit dem anstehenden Doppel-haushalt 2018/19 – dazu wird dieFraktion im August in eine zweitä-gige Klausur gehen - wollen wir dieChancen für eine nachhaltig ge-staltende Landespolitik deutlicherhöhen: Mehr investieren, z.B. indie Schulen, aber auch alte Schul-den tilgen.

Besondere Kraft wird die Frakti-on in die abschließende parlamen-tarische Debatte zum neuen Kita-Gesetz stecken. Es muss im Herbstvom Landtag beschlossen werden,denn es soll pünktlich am1.1.2018 in Kraft treten. Gemein-sam mit den Koalitionspartnernwollen wir das letzte Kita-Jahr ge-nerell beitragsfrei stellen: eine so-zial- und bildungspolitische Maß-nahme gleichermaßen. Etwa18.000 Thüringer Familien werdenum durchschnittlich 1.440 Euro imJahr entlastet.

Bei der Beratung im Landtag undder Diskussion mit den Koalitions-partnern will sich die Fraktion auchfür Verbesserungen bei der Perso-nalausstattung - Stichwort Betreu-ungsschlüssel - einsetzen. Am 22.August lädt aber ersteinmal der Bil-dungsausschuss Elternvertreter,kommunale Spitzenverbände undVertreter der Träger und der Wis-senschaft zu einer Anhörung zumGesetzentwurf in den Landtag ein.

Saburre adquireret

PARLAMENTSREPORT10 UNZ-14-2017

IMPRESSUM

Nebenbei NOTIERTvon Annette Rudolph

Sommerloch. Wo?

Wanderwegekonzeption pünktlich zum 117. Wandertag vorgelegt

aufgeworfen. Mit einer entschlossenenUmsetzung kann Thüringen so zumWanderland Nr. 1 aufsteigen.“

In der Landtagsdebatte am 23. Junihatte der Abgeordnete außerdem dar-auf hingewiesen: „32 Prozent aller Ur-lauberinnen und Urlauber in Thüringensind potenzielle Wanderer. Wir habendurchaus Chancen, dieses Potenzialweiter zu heben. Wir haben die Mög-lichkeit mit einer Verbesserung vonQualität, mit einer besseren Vermark-tung. Den größten Marktanteil in Thü-ringen haben übrigens die Niederlän-der. Auch hier gibt es noch Entwick-lungspotenziale, z.B. bei Stellflächenfür Campinganhänger sowie rund umdas Thüringer Meer.“

Knut Korschewsky sagte weiter: „Wirhaben im Tourismus generell eine neueAnforderung in der Qualität. Und wirhaben vor allem Dingen auch in derQualität von Wegen neue Anforderun-gen Die schönste Wanderwegekonzep-tion nutzt uns nichts, wenn die finan-ziellen Mittel für eine nachhaltige Be-wirtschaftung dieser Wanderwegenicht zur Verfügung gestellt werden.Das müssen wir uns auch für den näch-sten Doppelhaushalt genau ansehen,auch dass entsprechende Mittel demThüringenForst zur Verfügung gestelltwerden, damit die Möglichkeit der Be-wirtschaftung gewährleistet werdenkann. Nur dann, wenn auch die Fach-leute die Anleitung des Ehrenamts ma-chen, bin ich mir sicher, dass wir diese

Die Thüringer Wanderwegekon-zeption und der 117. DeutscheWandertag, der vom 26. bis 31. Juliin Eisenach stattfindet, waren aufAntrag der Koalitionsfraktionen imJuni Thema im Landtag.

Während Thüringen im allgemeinenTourismus auf einen Marktanteil von2,4 Prozent aller Bundesländer kommt,zieht es mehr als neun Prozent allerWanderinnen und Wanderer in denFreistaat.

Dennoch steht auch der Wandertou-rismus vor neuen Herausforderungen:ehrenamtliche Wegewarte können dasriesige Wegenetz von über 17.000 kmLänge nicht mehr auf qualitativ not-wendigem Niveau pflegen, neue An-sprüche von Wandernden (was Tages-und Halbtagestouren oder Rundwan-derwege betrifft) müssen beachtetwerden: Dazu kommen Digitalisierungund modernes Marketing.

Knut Korschewsky, tourismuspoliti-scher Sprecher und im Übrigen auchPräsident des Thüringer Gebirgs- undWandervereins, betonte: „Die pünkt-lich zum 117. Deutschen Wandertag inEisenach vorgelegte Thüringer Wan-derwegekonzeption 2025 beschreibtfür all diese Fragen und Problemstel-lungen die notwendige Herangehens-weise. In enger Abstimmung mit denWanderverbänden wurden zu fördern-de Strecken identifiziert, Zuständigkei-ten geklärt und Finanzierungsfragen

Schritte gegen wachsendeAltersarmut dringend23.000 Menschen über 65 Jahre mit Nebenjob, um ihre Rente aufzubessern

armut hauptsächlich in Ostdeutsch-land führt.“ Dies liege nicht nur an derverschleppten Angleichung der Ost- andie Westrenten, sondern auch an derlange Zeit in Thüringen favorisiertenNiedriglohnstrategie. „Das rächt sichjetzt bitter bei den Betroffenen, die ne-

kleine Rente beziehen, die zum Lebennicht reicht.

Noch heute gibt es große Unter-schieden zwischen Durchschnittsent-gelten in Ost und West. Equal Paymuss also nicht nur für Frau und Mann,sondern auch für die Bezahlung in Ostund West gelten. Wenn wir hier nichtschnell handeln, wird sich das Problemmassiv verschärfen“, so Ina Leukefeld.

Bundesregierung und Bundesrat ha-ben im Juli zwar eine mehrstufige An-gleichung der Renten bis 2025 be-schlossen, gleichzeitig wird aber dersogenannte Hochwertungsfaktor zumAusgleich der Lohnunterschiede unddamit der Rentenhöhe zwischen Ostund West im gleichen Zeitraum abge-schafft.

„Das wird die Altersarmut verstär-ken. Die rot-rot-grüne Landesregierungbereitet deswegen zurzeit eine Initiati-ve zur Sicherung des gesetzlichen Ren-tensystems vor“, sagt die Landespoliti-kerin und verweist zugleich auf dasLINKE-Programm zur Bundestagswahl:„Wir haben als einzige Partei ein seriö-ses und umsetzbares Konzept für einegrundlegende Reform der Rentenpoli-tik aufgestellt. Wir wollen das Renten-niveau wieder auf 53 Prozent anheben,für Menschen mit niedrigen Einkom-men fordern wir die Einführung einersolidarischen Mindestrente in Höhevon 1.050 Euro netto im Monat. Mitder Anerkennung von Ausbildungszei-ten als auch Tätigkeiten im Ehrenamtund der Berücksichtigung von Kindernals auch Pflegezeiten bei der Berech-nung der Rente tragen wir einem mo-dernen Gesellschaftsbild Rechnungund beugen so nachhaltig wirksam derAltersarmut vor.“

ben zahlrei-chen Brü-chen in ih-rer Er-werbsbio-grafie auchnoch mitNiedriglöh-nen undB i l l i g jobsabgespeistw u r d e nund im Al-ter Grund-sicherungoder eine

Qualitätssicherung auch tatsächlichhinkriegen.“

Der Abgeordnete begrüßte es sehr,dass „wir seit dem 01.04. einen haupt-amtlichen Landeswegekoordinator ha-ben. Dieser braucht aber natürlich dieUnterstützung aus den Kreisen, erkann allein nicht diese 17.000 Kilome-ter Wege ablaufen. Aber wir haben hierendlich jemanden, der das Qualitäts-management weiter vorantreibenkann, der die Unterstützung gebenkann und muss für die ehrenamtlichTätigen und für diejenigen, die in denKreisen hoffentlich auch als hauptamt-liche Wegewarte tätig sind“.


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