+ All Categories
Home > Documents > Page Magazin 1-2012

Page Magazin 1-2012

Date post: 07-Aug-2015
Category:
Upload: rob-de-boer
View: 246 times
Download: 5 times
Share this document with a friend
Description:
Voor de liefhebbers van lay-out
95
01 12 DEUTSCHLAND: 8,90 € · SCHWEIZ: 17,50 CHF · ÖSTERREICH: 9,70 € · LUXEMBURG: 10,50 € · 10842 Motiondesign 01.2012 Ideen und Know-how für Design, Werbung, Medien www.page-online.de DEUTSCHLAND 8,90 € 41 1 91 084 20 89 04 01 MOTION DESIGN PROJEKTE. TECHNIKEN. TRENDS. M o ve i t ! Webfonts in der Praxis Reality Check: Wo Web- und App- fonts schon zum Einsatz kommen Porträtbilder mal anders Ob Fotografie, Illu oder beides: Personen spannend ins Bild setzen Designer als Kuratoren Was passiert, wenn Gestalter Design- und Kunstausstellungen inhaltlich konzipieren
Transcript

0112

DEUTSCHLAND: 8

,90 € · S

CHW

EIZ: 17,5

0 CH

F · ÖS

TE

RR

EICH

: 9,7

0 € · LUX

EM

BU

RG

: 10

,50 € · 1

08

42

Motiondesig

n

01 . 2 0 1 2 Ideen und Know-how für Design, Werbung, Medien ≥ www.page-online.de

DEUTSCH

LAND 8,90 €

41191084208904

01

MOTIONDESIGNPROJEKTE.TECHNIKEN.TRENDS.

Move it!

Webfonts in der PraxisReality Check: Wo Web- und App-fonts schon zum Einsatz kommen

Porträtbilder mal andersOb Fotografi e, Illu oder beides: Personen spannend ins Bild setzen

Designer als KuratorenWas passiert, wenn Gestalter Design- und Kunstausstellungen inhaltlich konzipieren

PAGE 01.12 003Editorial

Fo

to: K

irst

en

Nijh

of n Motion goes Print! Angesichts des

zunehmend crossmedialen Anspruchs

an Corporate, Kommunikations- und

Informationsdesign gewinnt Motion-

design auch im klassischen Graikde-

sign einmal mehr an Bedeutung. Nicht

das statische Bild wird unsere Magazi ne

und Erscheinungsbilder prägen, son-

dern das bewegte Bild das stati sche.

Warum – und welche Beispiele diesen

Trend schon heute belegen, erfahren

Sie in der Titelgeschichte ab Seite 20.

Was es mit dem Cover Ihrer PAGE-

Ausgabe auf sich hat, klären wir dage-

gen direkt an Ort und Stelle auf. Dabei

handelt es sich nämlich um eine von

drei Varianten, die der Designer Cedric

Kiefer von onformative und der Deve-

loper Marc Tiedemann von Konkreet

Labs via Bewegung erzeugt haben, und

zwar mit einer iOS-App, die sie eigens

für diesen Zweck entwickelten: Mithilfe

des Motionsensors zeichnet PageMove

jede noch so kleine Bewegung des iPad

auf und wandelt diese in Echtzeit in ei-

ne Graik um, die sich jederzeit in Druck-

aulösung exportieren lässt.

Das Making-of gibt’s auf Seite 31,

PageMove in einer Lite-Version im App

Store. Am besten laden Sie sie sich

gleich aufs iPhone. Denn dann heißt

es auch für Sie »Design through Moti-

on« – und mit Glück ein Abonnement

unseres Interactive-Design-Magazins

WEAVE gewinnen. Wie das geht? Ganz

einfach: Machen Sie einen Screenshot

Ihres mit der App generierten PAGE-

Covers (Dafür drücken Sie die Power-

taste rechts oben. Ein Klick auf den

Home-Button in der Mitte unten führt

dann zum Screenshot, der im Fotoal-

bum abgelegt wird). Diesen senden

Sie bis spätestens 3. Januar 2012 an

info@page-online (Rechtsweg ausge-

schlossen) – und schon sind Sie dabei.

Move it!

Gabriele Günder,

Chefredakteurin/Publisher

PageMove

Im App Store erhältlich:

die Lite-Version der

App PageMove, mit der

Cedric Kiefer und Marc

Tiedemann das Cover

generiert haben, sowie

PAGE mit der komplet-

ten Ausgabe fürs iPad

004 page 01.12

SZENE

Was die Branche bewegt

»Die böse Form«; Umzug der Panton-Kantine;

Anti-VW-Spots; Corporate Design für Culture24;

Speck-Alphabet; selbst gestaltbare iPad-Cases

Branche & Karriere

KircherBurkhardt-Geschenkbuch; Brennpunkt:

der Heumann/Jochum-Ausstieg und die Folgen

Ausbildung

Human-Identity-Projekt; Buch »Save the Idea«

TITEL

nMotiondesign

Mit den Tablet-PCs erhält die Konvergenz der Medien

noch einmal einen ungeheuren Schub und bringt

auch das Printdesign in Bewegung. Wir zeigen

die Chancen für Kreative aller Disziplinen auf und

präsentieren wegweisende Bewegtbildprojekte

KREATION

Speisekarten

Ob folkloristisch oder pur, gefaltet oder via iPad –

schon der Blick in die Karte sollte ein Genuss sein

nDesigner als Kuratoren

Gestalter werden immer öfter zu Ausstellungs-

machern. Wir stellen verschiedene kuratori-

sche Ansätze und die Diskussion um das geplante

Deutsche Design Museum in Berlin vor

London International Awards 2011

Am Ende des Wettbewerbsjahres wird einer der

härtesten Kreativcontests entschieden

Brand Adaptation

China, Russland oder USA – wie es Marken gelingt,

auf die Geplogenheiten anderer Kulturen einzu-

gehen und dabei dennoch ihre Identität zu wahren

Papierwelt

Scheufelen-Kalender; Black- und Whitebox

TYPO

nWeb- und App-Fonts in der Praxis

Erste Kundenprojekte zeigen, welches Potenzial

Typo für die Gestaltung von Websites und Apps hat

Architektur und Typograie

Studenten entwerfen Buchstabenhäuser

006

014

018

020

032

038

046

052

058

060

068

INHALT

038 Designer als Kuratoren

072 Porträtbilder

005page 01.12

Typowelt

Fontsmith-Jubiläum; haptische Schrift bei Grilli Type

BILD

nPorträtbilder mal anders

Konzeptstark und technisch brillant: Personen

fotograisch und illustrativ ins Bild gesetzt

Das neue Gesicht des Mannes

Der Bärte-Trend in Mode- und Werbefotograie

Bildwelt

Schweizer Fotobücher; Stillstars in München

TECHNIK

nMaking-of: »parlamentarium«

Für das Europäische Parlament haben Atelier

Brückner und Markenilm Crossing eine interaktive

Ausstellung gigantischen Ausmaßes realisiert

Premium-Print-Produkte

Wenn Kreative und Druckdienstleister an einem

Strang ziehen, ist fast nichts unmöglich

Tools & Technik

Code-Experimentier-App fürs iPad; iPhone-Objektiv-

aufsatz; Abschied vom Mac Pro und von Flash

SERVICES & STANDARDS

Kalender: Kongresse, Ausstellungen, Awards

Publikationen: Buchempfehlungen

für kreative Publisher

Bücher zu skulpturaler Modefotograie und zu

Farbe, Bildlexikon für gestalterische Fachbegriffe

Editorial

PAGE Shop 065 PAGE Geschenk-Abo

PAGE Abo 111 PAGE Mini-Abo

PAGE Stellenmarkt

Impressum/Vorschau

Fundstücke von Jürgen Siebert

PAGE SEMINARE

Neu: Boom! Transmediales Story-Training,

gemeinsam mit der Good School veranstaltet

»Leitmedium Design« mit Jochen Rädeker

»Urheber-, Design- und Vertragsrecht«

»Designmanagement« mit Christine Hesse

070

072

080

082

084

090

096

106

108

003

059

067

104

113

114

057

079

081

095

≥ PAGE Online: Ob Stellenangebote, Inspiration,

News, Magazin-Volltextsuche, publishing-Tipps,

abo-angebote oder den page-Shop – das alles inden

Sie unter www.page-online.de

032 Speisekarten

PAGE 01.12006 SZENE

SZENE

Sieben Hermeline, vier Eich-

hörnchen und ein Hase –

alle eines natürlichen Todes

gestorben – mussten

für das Marketing einer

Brauerei herhalten

Rechte Seite von oben:

Den rotzlustigen Seifenspen-

der gibt’s bei iGeschenke.de,

die handgefertigte Baby

Head Bowl von Susan Knifi n

Davidson bei Etsy. Darunter

Gun Lamp von Philippe

Starck: etwas für Pazii sten

oder doch eher für liby-

sche Wohnzimmer? Und

der Bleistiftspitzer von

Slam Design miaut, wenn

man ihn benutzt

PAGE 01.12 007

Witzig oder einfach nur daneben? Karen Bofingers Buch »Die

böse Form« hinterfragt die Grenzen des guten Geschmacks

Hahaha

n Quentin Tarantino ist wohl einer der Bahnbrecher jenes Schockerhu-mors, der seither zu einem festen Be-standteil unserer Spaßkultur wurde: In »Pulp Fiction« (1994) inszenierte er so ziemlich jede Geschmacklosigkeit als Witz. Was damals fürs breite Kinopu-blikum noch überraschend, befremd-lich oder befreiend war, ist heute You-Tube-Alltag. Videos wie »Oma kickt Ba-by in Swimmingpool«, »Fettsack schießt mit Pistole«, oder »Durchfall in der Du-sche« haben Millionen Aufrufe.

Wie die Lust am Tabubruch sich im Produktdesign niederschlägt, hat Ka-ren Boinger in ihrem Buch »Die böse Form« untersucht und viele Beispiele zusammengestellt, die uns – je nach der persönlichen Schmerzgrenze – mit Schmunzeln, Kopfschütteln oder Ab-scheu durch die Seiten blättern las-sen. Dabei mischt sie munter Objekte »richtiger« Designer (wie etwa die Rie-senpenislampe von Atelier van Lies-hout, die an die Darstellungen archai-scher Fruchtbarkeitsgötter anknüpft) mit Highlights der Scherzartikelindus-trie. Eine Branche, die schon immer für schlechte Witze zu haben war.

Was schließen wir daraus? Zum ei-nen dass die von Max Bill geprägte For-mel von der »guten Form« durchaus nicht für die gesamte Designwelt gilt. Zum anderen dass selbst der brav ste Latte-Macchiato-Spießer mal gegen die allmächtige Political Correctness rebel-lieren muss. Oder sind wir angebli chen

Gutmenschen im Grunde doch bloß Zyniker? Gerade unser heiß geliebtes Internet lebt ja ein Stück weit davon, bizarre Aufreger zu verbreiten, was auch kommerziell Kreise zieht. So be-dient sich das Viral Marketing gern des Schockerhumors. Luke Haslam-Jones zum Beispiel, der an der Bath School of Art and Design lehrt, hat sich mit seiner Firma Slam Design auf derbe Witze spezialisiert, die häuig mit dem Hinterteil von Katzen zu tun haben – Blogger lieben seine Produktfotos. Und die erst 2007 gegründete schottische Brauerei BrewDog betreibt so erfolg-reiches Guerilla-Marketing: Eine Son-deredition von zwölf in ausgestopfte Tiere verpackten Flaschen reichte, um für das Bierlabel weltweite Aufmerk-samkeit zu erzeugen. cg> Karen Boinger (Hrsg.): Die böse

Form. Design an der Grenze des guten

Geschmacks. Basel (Birkhäuser) 2011,

115 Seiten. 29,90 Euro.

isbn 978-3-0346-0721-6

PAGE 01.12008 SZENE

nKunst- und Designschau. Pas-send zu der aktuellen Debatte um ein Deutsches Design Museum (siehe Sei-te 45 f.) prä sentiert die Bonner Kunst- und Ausstel lungshalle der Bundesre-pu blik Deutsch land die Ausstellung »Art and Design for All. The Victoria and Albert Museum«, für die das Lon-doner Museum erstmals 400 Leihga-ben hergab. Nachgezeichnet wird die Entstehungs geschichte der Institution, die die Museumslandschaft seit dem 19. Jahrhun dert stark geprägt hat. Ins Leben gerufen wurde der V&A-Vorgän-ger, das Kensington Museum, nach dem enor men Erfolg der ersten Weltaus-stellung im Jahre 1851, die England als fortschrittlichste Industrienation dar-stellte. Schon nach der Eröffnung durch Queen Victoria galt das Haus als be-sonders besucherfreundlich und inno-

vativ in seinen Prä sentationsformen. Vorbildcharakter hatte es aber nicht nur für die Museumswelt, sondern auch für die ästhetische Entwicklung von Industrieprodukten.

In Bonn werden diese Zusammen-hänge nun in einer – heutzuta ge wür-de man sagen: interdisziplinä ren – Ausstellung mit Gemälden, Keramik, Möbeln, Mode, Glas, Schmuck, Metall-arbeiten, Fotograien, Skulpturen und Textilien anschaulich gemacht. Im Üb-rigen gibt es eine Verbindung zwi-schen dem Londoner Museum und der ehemaligen Bundeshauptstadt, auf die diese stolz sein dürfte: Prinz Al-bert von Sachsen-Coburg und Gotha, einer der Mitentwickler der Institu tion, war Absolvent der Bonner Universi-tät. Die Ausstellung indet zu seinem 150. Todestag statt. wl

Victorious & AmbitiousDas Motiv aus einem

Musterbuch stammt vom

großen William Morris,

die Sake-Kanne demons-

triert Inspiration

aus dem Fernen Osten

Lunch im psychedelischen Ambiente der Panton-

Kantine – was bislang »Spiegel«-Mitarbeitern

vorbehalten war, lässt sich bald im Hamburger Museum

für Kunst und Gewerbe zumindest bestaunen

Von

lin

ks u

nte

n n

ach

rech

ts o

ben

: W

illia

m M

orr

is, 1

865–

1866

; Sak

e-K

ann

e, K

yoto

, 184

0–

60;

Man

olo

Bla

hn

ik, 2

007

. © V

icto

ria

and

Alb

ert M

use

um

, Lo

nd

on

Ein Traum von Schuh: Zeichnung von Manolo Blahnik

PAGE 01.12 009

.

nEine Zeit lang konnte Erik nicht zum Essen kom-men, verpasste fast sein Fußballtraining und selbst die abendliche Vorleserunde. Warum? Unser sechs-jähriger Sohn hatte das iPhone-Spiel »Smurfs’ Vil-lage« entdeckt, und wann immer jemand etwas von ihm wollte, musste er erst Möhren sähen oder Erd-beeren ernten: »Die vergammeln sonst, Mama. Das willst du doch auch nicht, oder?« Im Sinne des Fami-lienfriedens beschlossen wir deswegen, Schlumpf-hausen dem Erdboden gleichzumachen, sprich: die App zu löschen.

Spiele dieser Art, bei denen man nicht einmal spielt und fertig wird, sondern ständig am Ball blei-ben muss, um keine Entwicklung zu verpassen, üben auf viele Kinder eine enorme Sogwirkung aus. Und das machte sich BBH London im Auftrag der Weeta-bix Food Company in ihrer neuen App auf peride Weise zunutze. Die Story von Weetakid ist so einfach wie bescheuert: Nachdem der böse Evil Eater die komplette Welt in seine Raumkapsel gesaugt hat, ist es nun die Aufgabe des netten, gelben Weetakid, die Erde neu zu bevölkern. Leider verlassen den dicken Kerl dauernd die Kräfte, frische Energie bekommt er nur, wenn man ihn mit Weetabix füttert. Dazu wiede-rum braucht man den QR-Code auf der Schachtel, das heißt: Kommt der permanente Weetabix-Nach-schub ins Stocken, kann das Kind nicht spielen – Quengelattacken sind garantiert.

Schon beim Lesen der »business challenge«, die BBH auf ihrer Website formuliert, sträuben sich mir die Haare: »Getting Weetabix boxes onto the break-fast table more often by presenting children with a whole new way to interact with their cereal pack.« Ehrlich gesagt hatte ich für meine Kinder höhere Ziele gesteckt als die Interaktion mit einer Corn-lakesschachtel. Der zweite Grund, warum die App bei uns auf keinen Fall auf iPhone oder iPad kommt, ist der fragwürdige Lerneffekt: Wenn ich mich or-dentlich mit Weetabix vollstopfe, kriege ich so viel Kraft, dass ich die ganze Welt retten kann. Nun bein-halten die faden Weizenklumpen zwar etwas weni-ger Zucker und Fett als Schokopops, Smacks, Fros-ties und Co, unter gesunde Ernährung fallen sie für mich aber trotzdem nicht.

Technisch ist Weetakid immerhin überzeugend, dafür sorgten die Digitalprois von der schwedischen

nSelf-Publishing. Alles, was Sie schon immer über Postapocalyptic Sci -ence iction B-Movies wissen woll ten, erfahren Sie in dem gleichnamigen un-sachlichen Sachbuch. Diese komplett in Rot und Blau gedruckte Perle der Schweizer Selfpublishingszene enthält unter anderem: einen glänzenden Es-say des jungen Filmemachers Can Evre-nol über das Genre, dessen einluss-reichster Weg bereiter »Mad Max« von 1979 war; ein von Patrick Savolainen gefundenes Tagebuch eines Apokalyp-

Mittags im Museum

nPanton-Kantine. Der Spiegel-Ver-lag hat ein neues Gebäude in der Ham-burger HafenCity bezogen. Deswegen muss er sich von der 1969 von Verner Panton gestalteten Kantine – das reprä-sentativste Projekt des Dänen – tren-nen, die im Museum für Kunst und Ge-werbe nebenan wieder aufgebaut wer-den soll. Für trauernde Verlagsmit ar-beiter und Panton-Fans gibt es nun die Webseite www.spiegelkantine.de , die den Prozess der Musealisierung fast live überträgt: Ab- und Wiederaufbau wer den fotograisch dokumentiert.

So schön die Einblicke auch sind, interessant wäre es gewesen, wenn sich auf der Site mehr über die Pro-jekthistorie erfahren ließe: Beim Ein-

se-Überlebenden, bebildert mit zahl-reichen Kritzeleien; eine Hommage an das üble Machwerk »Die Solo-Kampf-maschine«; einen WastelandGenerator sowie ein von Noël Leu zusammenge-stelltes Lexikon sämtlicher vor dem Jahr 2000 erschienenen postapokalyp-tischen B-Movies.

Noël Leu hatte auch die Idee zu der wegweisenden Publikation, die er selbst layoutete und für deren Filmle-xikon er die Cover oder Schriftzüge der VHS-Hüllen eigenhändig nachmal-te. Die Satzschriften sind ebenfalls Ei-genproduktionen, schließlich betreibt Leu zusammen mit Thierry Blancpain die Schriftenschmiede Grilli Type. Für lediglich 14 Euro lässt sich das in einer Aulage von 200 Stück veröffentlichte Buch über www.noelleu.com käulich erwerben. cg

zug in den tristen Verlagsbau erhielt Panton den Auftrag, die umstrittene Architektur durch eine motivierende Einrichtung ein wenig aufzumöbeln. In einem Schreiben des Projektkoordi-nators Bernhard Uphues hieß es, die Kantinengestaltung solle keinen An-lass zu Diskussionen geben und »kei-ne modischen Merkmale aufweisen«. Und: »Wir wollen kein Museum, son-dern den Eindruck erhalten wissen, dass in diesem Haus gearbeitet wird«. Hätte sich der Designer daran gehalten, gäbe es nun diese medial-sentimenta-len Auswüchse wohl nicht. Ist der Wie-deraufbau nächstes Jahr abge schlos-sen, werden sich Teile der Kantine für Veranstaltungen mieten lassen. wl

Agentur North King-dom, die BBH ins Boot holte. Und das De-sign? Das vernichten-de Urteil von Erik lau-tete: »Die sehen so aus wie die Dicken im Fern sehen (er meint die Teletubbies) und dann diese Lalala-Mu-sik – ich glaube, das ist für Babys.«

Krieger der Apokalypse

Foto

s (v

on

lin

ks):

Mic

hae

la H

ille,

MKG

Ham

bu

rg;

Mic

hae

l Ber

nh

ard

, Sp

iege

l Ver

lag

Ansichtssache

Redakteurin Antje Dohmann

über die Weetakid-App, die

sie keinesfalls installieren wird

PAGE 01.12010 SZENE

Volkes Stimme

nAnti-VW-Spots. Greenpeace wirft Volkswagen seit Längerem vor, Lobby-arbeit gegen schärfere CO2-Grenzwer-te und -Reduktionsziele zu betreiben. Nach dem großen Erfolg ihrer Darth-Vader-Spot-Persilage initiierte die Or-ganisation nun einen Contest für Anti-

nCorporate Design. Der bekann-teste Logo-Schrägstrich ist wohl der der Deutschen Bank, aber den setzte Anton Stankowski 1972 in ein Quadrat, und er steht für Wachstum im sicheren Umfeld. Ganz anders bei der briti schen Non-Proit-Organisation Culture24, die seit zehn Jahren mit ebenso viel Ein-satz wie Erfolg Museen, Galerien, Bi-bliotheken und Archive vernetzt und Online-Usern nahebringt. Der Slash als aggregierendes Symbol aus der digita-len Welt war schon lange Teil ihres Er-scheinungsbilds, das die Agentur Crush aus Brighton nun überarbeitete.

Schön schräg

»Wir wollten ein greifbares, physi-sches Ding aus dem Slash machen und ihn in die reale Welt von Museen, Vor-tragssälen, Büchereien et cetera brin-gen«, berichtet Tom Lacey von Crush. »Wobei wir die Form digital kreierten, zuerst in einem 3-D-Programm und dann in Photoshop gerendert, um sie in die Fotos zu setzen. Das vermittelt die Idee, ohne das Budget sprengen. Wir hoffen, eines Tages auch eine phy-sische Version des Slash zu bauen . . .« Mal schauen. Eine mobile Version der Website wird es nächstes Jahr aber bestimmt geben. cg

Voller Anspie-

lungen: Die

Spots sind

unter www.

vwdarkside.

com zu sehen

Links das alte Logo von Culture24, das Crush greifbar machte,

indem das Studio einen dreidimensionalen Slash in Fotos

vieler Kultur-Locations einbaute. Die Schrägen reichen bis ins

typo graische Detail – auch auf weareculture24.org.uk

werbeilme, um gegen das Greenwashing von VW anzu-gehen. Der Sieger darf mit einem Budget von 5000 Pfund den Kampagnenilm für Greenpeace realisieren.

Bemerkenswert an der Aktion ist nicht nur die Reich-weite, die sich in der Internationalität der Einreichun gen zeigt, sondern auch die Umsetzungsqualität der vor al-lem von Schülern, Studenten und jungen Kreativen pro-duzierten Filme. Zu sehen sind klassische Werbeilme, animierte Illustrationen und Stop-Motion-Basteleien, in denen erstaunlich professionell die ganze Klaviatur der Werbetricks zum Einsatz kommt. Virtuos wird mit den Farbcodes von Grün und Blau, mit den Klischees koksen-der Werber und handgemalter Ökosymbole jongliert.

Konzeptionell können indes nur wenige Spots punk-ten; über »Nicht alles ist Gold was glänzt« gehen die Bot-schaften kaum hinaus. Doch anders als die Einreichun-gen des vergleichbaren Greenpeace-Wettbewerbs zur Entwicklung eines persilierenden BP-Logos nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko (siehe PAGE 08.10, Seite 6), ist ein Film kein abstrahierendes Symbol, son-dern bietet Raum für Geschichten, die eine komplexere Realität zumindest andeuten könnten. Hoffen wir auf weitere Wettbewerbe dieser Art und darauf, dass sich das schwarzweiße »I like/I don’t like«-Denken in der Kommunikation überlebt. wl

PAGE 01.12012 SZENE

Gut vernetzt

nKataloggestaltung. Bunte Gummibänder geben dem neuen

Katalog der Berliner Schauspielagentur Lucky Punch nicht nur ein

auffälliges Gesicht, sie symbolisieren zugleich ihre gute Vernetzung mit

der Branche. Die Bildidee nahm Rocket & Wink aus Hamburg auf den

Innenseiten in Form von Infograiken wieder auf. Den Kreativen war es

wichtig, dass die Publikation gedruckt, aber auch als Online-PDF-

Version funktioniert. Deshalb entschieden sie sich auch für ein kleines

Buchformat. So passt die Schrift- zur Buchgröße, ist aber auch am

Bildschirm gut zu lesen. Da der Katalog im Digitaldruck entstand, kann

Lucky Punch jederzeit Änderungen vornehmen, selbst eine kleine

Aulage nachproduzieren und mithilfe der Gummibänder individuali-

sieren. Eine pifige Idee, die beweist, dass Drucksachen nicht un-

bedingt aufwendige Veredelungen brauchen, um sich abzuheben. ant

Echter Schenkelklopfer

nSpirituosen-Branding. »Löscht Männerdurst« – irgendwann erkannte Beck’s, dass sich weibliche Biertrinker von ihrem Claim ausgeschlossen fühlen könnten. Aus »Männerdurst« wurde »Kennerdurst« – aber andere Marken feiern wieder die alten Klischees. Wagt man es als Frau, die Website der Korn-marke Qorn zu betreten, indem man

dort auf »Ich bin eine Frau« klickt, wird man direkt auf die »Brigitte«-Site kata-pultiert. Dieser »harte Stoff« ist eben nur für »harte Männer«. »Nix für Frau-en« heißt es im Shop, zu dem frau nur gelangt, wenn sie sich als Mann getarnt hat (Button: »Ich bin ein ganzer Kerl«).

Qorn wird (angeblich) unter Be-schal lung mit harter Musik hergestellt.

Es gibt Limited Editions, die (angeb-lich) mit speziellen Sounds behandelt wurden. Die jeweiligen Bandnamen sind auf die Dosen gedruckt. »Laut Trinken« heißt die Devise. Klickt man den gleichnamigen Button an, hört man die Sounds, die das jeweilige Pro-dukt durchschallt haben.

Frauen sind übrigens nicht die ein-zigen, die draußen bleiben müssen. Klickt man am Anfang auf »Ich werde vielleicht mal ein ganzer Kerl, bin aber unter 21«, landet man auf www.lego

men.de. Klickt man auf »Meine Frau sagt, ich bin ein ganzer Kerl«, ist man halt ein Weichei und gelangt zum Ka-tholischen Männerverein Tuntenhau-sen. Stellt sich die Frage: Verirrt sich die Qorn-Zielgruppe eigentlich auf »Ich bin eine Frau«? Wahrscheinlich klickt sie eher gebauchpinselt auf »ganzer Kerl«. Dass eine Marke ihren Männer-humor ausgerechnet Frauen zuteil wer-den lässt, ist jedenfalls ein echt guter Witz. Lustig ist auch, dass ganze Kerle offenbar glauben, Alkohol habe Oh-ren und ein Gedächtnis. jn

Der »harte

Stoff« für »harte

Männer« ist

wie Nitro-Ver-

dünnung in

Blechdosen mit

Schraubver-

schluss verpackt

Farbige Gummibän-

der geben dem

Katalog ein individu-

elles Gesicht.

Die Infograiken neh-

men die Bildidee

wieder auf – und sind

genauso attrak-

tiv wie die Models

PAGE 01.12 013

Fettiger Font

nSpeck-Alphabet. Diese Barockfraktur à la Engravers

Old English hat jede Menge Kalorien: Henry Hargreaves aus

New York legte, drehte und wendete mit Engelsgeduld

Speckscheiben zum Bacon Alphabet. Das kreisrunde Knor-

pelchen beim S bildet das i-Tüpfelchen dieser Type, die für

Vegetarier-Vereine vermutlich nicht die geeignete Haus-

schrift wäre. Hargreaves hat ein gewisses Faible für Visuali-

sierungen via Food. Er entwickelte auch eine Bildserie na-

mens »Toasted«, die die Beatles, Che Guevara oder Marilyn

Monroe anhand beigefarbener und bräunlicher Pixel dar-

stellt – bei der näheren Betrachtung erweisen diese sich al-

lerdings als mehr oder weniger stark verbrannte Toast-

scheiben. Köstlich. jn

Made by myself

nGadget-Hüllen. Sie sind ökologisch und individuell gestaltbar:

die iPad-, iPhone- und Laptop-Cases von papernomad. Der Besitzer

kann sie mit eigenen Skizzen und Notizen übersäen – oder einfach die

Gebrauchsspuren sammeln, die die Tasche im Laufe der Zeit verän-

dern und einzigartig machen. Reißfestigkeit und Stabilität entstehen

durch ein eigens entwickeltes Papierverbundmaterial in Kombination

mit Gurten aus Hanf und einem Futter aus Schafswolle. Ein iPad-Case

kostet ungefähr 43 Euro, die ersten 1000 Bestellungen gibt es

ohne Berechnung der Versandkosten ( www.papernomad.com ). nik

PAGE 01.12014 SZENE

nKundengeschenk. Gute Infogra­

iken sind wie Schmetterlinge, indet

KircherBurkhardt. Im Vorbeiliegen sei­

en sie leicht zu erkennen und hübsch

anzuschauen, trügen aber eine lange

Entwicklungsgeschichte in sich. Inten­

sive Recherche und die Suche nach

dem besten Darstellungsformat steck­

ten in den zum Schluss so einfach

nachvollziehbaren Erklärungsgraiken.

Die gelungensten Exemplare der ver­

gangenen Jahre hat die Berliner Con­

tent­Agentur nun in dem Band »Pa pi­

ionis« zusammengetragen. Auf knapp

200 Seiten zeigt er Arbeiten für Kun­

den wie zum Beispiel Deutsche Bahn

BRANCHE & KARRIERE

Haben Sie Fra-

gen, die Sie hier

beantwortet

sehen möchten?

Dann schreiben

Sie uns (E-Mail:

businessbasics@

bdg-designer.de)

KircherBurkhardt

verschenkt ein

Buch mit den

besten Arbeiten

aus der Info-

grafik-Abteilung

Business BasicsChristian Büning, Leiter des Referats Wirtschaft beim Berufsverband der

Deutschen Kommunikationsdesigner ( www.bdg-designer.de ), beantwortet

berufsbezogene Fragen von Gestaltern. Hier stellt er aktuelle Fälle vor

Vanessa, 32: Ich habe ein Problem mit

einem Kunden, für den ich einen Flyer

gemacht habe. Dieser musste sehr

schnell erstellt werden, und ich habe

es knapp geschafft, ihn terminge-

recht in die Druckerei zu schicken. In

der Hektik habe ich vergessen, ein

Angebot zu schreiben und eine Auf-

tragsbestätigung zu senden. Jetzt

ist der Flyer gedruckt und verschickt,

und ich warte seit über zehn Wochen

auf mein Geld. Den Kunden kenne ich

noch nicht lange, und ich weiß

nicht, wie ich weiter vorgehen soll.

Liebe Vanessa,

kurzfristige Aufträge auf Zuruf gehö­

ren offenbar zum Designgeschäft wie

Milch in den Kaffee. Laut unseren Um­

fragen schreiben lediglich 2 Prozent der

Designer eine Auftragsbestätigung, je­

der fünfte nur, wenn es Unsicherhei­

ten gibt. Sie sind also in großer Gesell­

schaft. Nichtsdestotrotz gilt der münd­

liche Auftrag, und es ist eine übliche

Vergütung zu entrichten.

Für einen guten Ablauf gehört in

jede Rechnung ein Zahlungsziel, zum

Beispiel: »Bitte überweisen Sie den Be­

trag innerhalb von 10 Tagen.« Fehlt

dieser Hinweis, fallen Sie auf den ge­

setzlichen Rahmen zurück, der 30 Ta­

ge vorsieht, bis eine Rechnung über­

zogen ist. Mein Tipp bei jeder Kommu­

nikation über Rechnungen: Bleiben Sie

sachlich, und gehen Sie zunächst von

einem Versäumnis aus statt von Ab­

sicht. Jemand, der so kurzfristig einen

Flyer benötigt, könnte auch sonst nicht

so gut organisiert sein und eine Rech­

nung einfach vergessen. Erinnern Sie

hölich an die Rechnung und fragen

Sie, ob es ein Problem gibt. Nachfra­

gen dürfen Sie übrigens schon guten

Gewissens nach 14 Tagen.

Wenn Ihr Auftraggeber nicht rea­

giert, soll ten Sie sich rechtsverbindlich

verhalten und den Rechnungsbetrag

schriftlich anmahnen. In diese Mah­

nung gehört unbedingt ein Zahlungs­

ziel, gerne ein deutlich kürzeres, zum

Beispiel innerhalb von fünf Tagen. Lässt

Ihr Auftraggeber auch diese Frist ver­

streichen, liegt es an Ihnen, eine wei­

tere Mahnung zu schicken oder direkt

anwaltliche Hilfe in Anspruch zu neh­

men. Wenn Sie keine Rechtsschutzver­

sicherung haben, tragen Sie die Kosten

dafür selbst, je nach Streitwert ab circa

150 Euro. Mein Tipp: Trennen Sie sich

von Auftraggebern, die sich Ihnen ge­

genüber derart unprofessionell verhal­

ten, sobald es geht. Ihre Nerven und Ih­

re Geldbörse werden es Ihnen danken.

Fo

to: ©

Ma

rce

l D’A

vis

oder Bosch. Dabei reichen die The­

men von technischen Prozessen über

Umwelt bis hin zu Fußballstadien. Kur­

ze Texte erklären, warum welche Dar­

stellung gewählt wurde und welche

Probleme es zu meistern galt. Die limi­

tierte Edition verschenkt KircherBurk­

hardt an ihre Kunden. nk

Schön schlau

PAGE 01.12 015

Brennpunkt

Karen Heumann und Armin Jochum verlassen

Jung von Matt. Wieso das so ein Branchen­

Aufreger ist, erklärt PAGE­Redakteurin Nina Kirst

n Normalerweise interessiert sich die

Tagespresse nicht sonderlich für die

Per sonalrochaden in der deutschen

Agenturwelt – selbst in der Branche

Tätige betrachten sie meistens mit

einem Schulterzucken. Doch die Nach­

richt, dass die Vorstände Karen Heu­

mann und Armin Jochum die renom­

mierte Kreativschmiede Jung von Matt

verlassen, hat dann doch für einiges

Aufsehen gesorgt. Insofern war es gar

nicht so größenwahnsinnig, als einzi­

ges Me dium Spiegel Online vorab ein­

zuweihen, anstatt der einschlägigen

Branchen­Websites.

So übertrieben das Bohei um die

beiden Abtrünnigen erscheinen mag –

eine Signalwirkung auf den deutschen

Agenturmarkt hat der Abgang doch.

Zum einen handelt es sich bei Jochum

und Heumann nicht um irgendwelche

Vorstände. Sie sind – neben den JvM­

Gründern – die Vorzeigegesichter der

Agentur mit enormer Presse­ und Jury­

präsenz. Zum anderen öffnet die Wahl

des neuen Arbeitgebers kempertraut­

mann Tür und Tor für Spekulationen

über die künftige Verteilung der Kräfte

im deutschen Agenturmarkt. Kemper­

trautmann ist JvM auf den Fersen. Die

2004 von André Kemper und Michael

Trautmann gegründete Agentur mag

zwar gerade mal ein Siebtel des Hono­

rarumsatzes von JvM erwirtschaften,

bei den Cannes Lions kann sie es aber

schon mit dem Spitzenreiter aufneh­

men: In diesem Jahr holte JvM 16 Lö­

wen, kempertrautmann 13. Letztere

punktete besonders im Digitalbereich –

nicht gerade ein Steckenpferd von JvM.

Für Aufregung sorgte zudem die

eher unfeine Art der Kündigung. Heu­

mann und Jochum setzten JvM­CEO

Peter Figge an einem Montagnachmit­

tag um 15 Uhr von ihrem Abgang in

Kenntnis – 30 Minuten später stand die

Geschichte auf Spiegel Online. Die ses

Vorgehen befeuert die ohnehin schon

lauten Gerüchte, dass sie mit dem Kurs

ihres neuen, als Digital­Ass gehandel­

ten Chefs nicht ganz einverstanden

waren. Dass der gesamte Agenturvor­

stand seit diesem Jahr auf einer neuen

Etage gemeinsam an einem großen

Tisch sitzt, hat die Mitglieder offenbar

menschlich nicht nähergebracht.

Abseits all dieser Aufreger ist der

Wechsel ganz verständlich: Bei kem­

pertrautmann steigen Heumann und

Jochum als vollwertige Partner ein –

bei JvM gab es für sie keine Aussicht

auf einen baldigen Aufstieg. Dass die­

ser karrieretechnisch nachvollziehba­

re Schritt mit Pauken und Trompeten

vollzogen wird, liegt zum einen an den

Eitelkeiten der Agenturbranche, zum

anderen ist es schlichtes PR­Handwerk.

Die Gleichung ist ganz einfach: Image­

verlust für JvM = Imagegewinn für

kempertrautmann.

Nun heißt es »Newcomer« gegen

»Establishment«: JvM hat aufgrund ih­

rer Größe, Internationalität und Erfol­

ge etwas von ihrem jungen, kreativen

Image eingebüßt, kempertrautmann

beindet sich noch auf dem Weg zu un­

ternehmerischer Größe und genießt

mehr Narrenfreiheit. Doch Establish­

ment zu sein hat natürlich auch seine

Vorteile. JvM ist ein Schwergewicht der

internationalen Werbebranche, sowohl

was Kreation als auch Umsatz betrifft.

So schnell stößt sie niemand vom So­

ckel. Für einen Abgesang auf JvM ist es

in jedem Fall zu früh.

Die eigentlich spannende Frage ist:

Wen wird JvM dieses Mal aus dem Hut

zaubern? Als Armin Jochum 2009 von

BBDO Stuttgart zu den Hamburgern

stieß – gern erzählt er die Geschichte,

wie ihn Jean­Rémy von Matt in Cannes

rekrutierte –, war er noch weitgehend

unbekannt. Kritiker überzeugte er mit

der durchgängig kreativen Leistung, die

JvM unter seiner Führung erbrachte.

Nun muss die Agentur Ersatz für ihn

und für die hervorragende Netzwer­

kerin Karen Heumann inden. Wird es

jemand Unbekanntes sein? Jemand aus

den eigenen Reihen? Oder sucht JvM

unter den etablierten, hochde ko rier­

ten Agentur menschen? In jedem Fall

dürfte sich bei den deutschen Agen­

turen jetzt Unruhe breitmachen – ist

JvM doch für ihr aggressives Recrui­

ting berüchtigt.

Mit einer anderen Unruhe muss un­

terdessen Peter Figge umgehen: Der

Absprung von Heumann und Jochum

hat nicht nur Signalwirkung nach au­

ßen, sondern auch nach innen. Figge

muss seine Mitarbeiter jetzt beruhi­

gen – und halten. Denn bei allem Ge­

rede um talentierte Vorstände – die

wahre kreative Schaffenskraft kommt

doch meist aus den hinteren Reihen.

jj

+++ Erler beim »stern«. Johannes Erler , Mitbe­

gründer von Factor Design, ist ab 1. Januar 2012 Art­

direktor des »stern«. Er folgt dort auf Donald Schnei­

der, der das bei Gruner+Jahr erscheinende Magazin

schon im März 2011 verlassen hat. Erler war Anfang

2011 bei Factor Design ausgestiegen, um das Bureau

Johannes Erler zu gründen. Seit 2010 ist er Fachbe­

reichsvorstand Editorial Design im Art Directors Club

für Deutschland. +++ Neue Filmproduktion. Die Foto­

grafenrepräsentanz Kelly Kellerhoff hat eine Filmpro­

duktionsirma namens Kellyilm.tv gegründet. Da mit

reagiert sie auf die zunehmende Verschmelzung von

Film und Fotograie im internationalen Werbemarkt.

Kellyilm.tv sieht sich nicht als direkte Konkurrenz zu

klassischen Filmproduktionen, sondern als Ergänzung

in einem neuen Bewegtbildmarkt, so Geschäftsführer

Kelly Kellerhoff. Erste Kunden sind Axel Springer AG

und Berliner Aids­Hilfe e. V. +++ ADC-Strukturreform.

Der Art Directors Club für Deutschland hat sich eine

neue Struktur gegeben. Der zwölfköpige Vorstand

wurde in ein Präsidium umgewandelt. Zudem gibt es

ab sofort einen hauptamtlichen geschäftsführenden

Vorstand, der vom Präsidium für drei Jahre bestellt

wird. Der erste, der diese Position einnimmt, ist Stefan

Preussler. Der Diplom­Kaufmann arbeitete 14 Jahre

lang bei RMS Radio Marketing Service, zuletzt als

Verkaufsdirektor. Susann Schronen, langjährige Ge­

schäftsführerin des Verbands, hatte ihr Amt Mitte Juli

niedergelegt. +++ Ciao, Italia! Das deutsch­englische

Designbüro Thomas Manss & Company hat eine De­

pendance in Italien eröffnet. Partnerin Enrica Corzani

betreut fortan von Cesena aus italienische Kunden

wie den Papierhersteller Fabriano sowie europäische

Kunden, die in Italien aktiv sind. +++ Joint Venture.

Die Postproduktionsirma Arri Commercial und die

Filmagentur lucie_p, beide aus München, bilden ein

gemeinsames Motiondesignteam. Die Partner wollen

damit Synergien bei Budget, technischer Ausstattung

und Teamgröße nutzen. Geleitet wird das Joint Ven­

ture von Tina Maria Werner, Geschäftsführerin von

lucie_p, und Philipp Bartel, Head of Commercial bei

Arri. +++ Agenturwechsel. Alexander Weber­

Grün ist ab sofort neuer Geschäftsführer Kreation

bei Plantage Berlin. Zuletzt hat der erfahrene Krea­

tive das Berliner Büro von kempertrautmann gelei­

tet. +++ Designertreff. Der Münsteraner Gestalter­

stammtisch hat jetzt sein Vortragsprogramm für die

nächsten Monate veröffentlicht. Themen sind unter

anderem Buchgestaltung und Selbstorganisation. Der

Verein trifft sich jeden ersten Montag des Monats.

≥ www.graikdesign.ms +++ Neues Mitglied. Die

Alliance Graphique Internationale hat Thom Pister,

Partner und Kreativdirektor der Berner Werbeagen­

tur Komet, in ihren Reigen aufgenommen. Der 1951

gegründete, exklusive Verbund vereint die führen­

den Graik­Designer, Illustratoren und Typografen

aus aller Welt mit dem Ziel, zeitgenössisches Graik­

design zu fördern. nik

PAGE 01.12016

Portfolio des Monats

In jeder Ausgabe stellen wir ein Mitglied aus der PAGE Community und Highlights aus seinem Portfolio vor

Ich bin Designer, Freelancer

Ich biete Print, Motiondesign, 3-D,

Illustration, Konzeption, Film/Video

E-Mail [email protected]

Web www.dominikwieschermann.com

Standort Deutschland/Italien

Dominik Wieschermann

www.page-online.de/community/portfolios/dominik_wieschermann

nDer freischaffende Motion- und Graik-Desig-

ner kreiert in seinen Filmen fantastische Welten,

bringt Buchstaben zum Schweben und visualisiert

eindrucksvoll physikalische Gesetze. Ob Schwer-

kraft, Dichte oder Magnetismus: In seiner Arbeit

»Reverse« lässt er sie nach ihrem eigenen Willen

wirken. Entstanden ist dabei ein großartiger Clip,

der den Betrachter in seinen Bann zieht.

SZENE

Art für amnesty international

Kreation. »Das Unsichtbare sichtbar ma-

chen« heißt das gemeinsame Projekt von

amnesty international und dem Künstler-

kollektiv Mentalgassi. Ab Ende November

installierten die Street Artists in Berlin Por-

träts Inhaftierter an Zäunen, die nur aus

einem bestimmten Winkel zu sehen sind.

≥ www.page-online.de/mentalgassi

E-Mag: KrEation | tYPo | BiLD | tECHniK | SZEnE | gaLEriE

gute aussichten 2011/2012

Bild. Das Leben des Hochstaplers Christian

Karl Gerhartsreiter, Einblicke in deutsche

Schlachthöfe und ein Rückblick auf die His-

torie Dresdens: Die Ergebnisse des Nach-

wuchswettbewerbs gute aussichten – junge

deutsche fotograie 2011/2012 sind jetzt im

Berliner Museum für Fotograie zu sehen.

≥ www.page-online.de/aussichten2012

Schrift des Monats: Antwerp

Typo. Eine zeitgemäße Schriftfamilie mit his-

torischen Wurzeln wollte der dänische Type-

designer Henrik Kubel schaffen – und das ist

ihm gelungen. Seine Antwerp ist eine Type

des 16. Jahrhunderts, allerdings mit zeitge-

mäßen Proportionen wie einer großen x-Hö-

he, die auch für gute Lesbarkeit sorgt.

≥ www.page-online.de/antwerp

PAGE ONLINE

PAGE 01.12 017

Immer up to date

nBestellen Sie jetzt den kostenlo sen

PAGE Newsletter und bleiben Sie auf

dem Lau fenden rund um kreati ves Me -

dien design, Publishing und Trends. So

erfahren Sie auch als Erste, wenn wir

ein neues PAGE Seminar veranstalten

oder eine Sonderedition herausgeben.

≥ www.page-online.de/newsletter

PAGEmag

Machen Sie sich ein Bild!

Top-Bildergalerien. Gesammelt, geord-

net und in einer Box zusammengefasst: In

zahlreichen Galerien präsentiert PAGE On-

line Making-ofs, Kampagnen, Portfolios, Best-

ofs von Wettbewerben wie TDC oder ADC

Fieldwork und exklusive Reportagefotos von

Events wie Qubique oder der TYPO Berlin.

≥ www.page-online.de/topgalerien

Touch-Interface mit Kinect

Technik. Beim Annual ACM Symposium

stellte Chris Harrison sein OmniTouch-Sys-

tem vor. Ein auf der Schulter des Users

oder hinter ihm angebrachtes Gerät pro-

jiziert dabei ein Interface auf eine beliebi-

ge Stelle, zum Beispiel auf die Hand. Be-

dient wird es durch Fingerbewegungen.

≥ www.page-online.de/touch_interface

PagE nEWSLEttEr

Das Plakat zum Thema generatives Design zeigt Illustrationen, die anhand einer dreisekündigen Musiksequenz entstanden »Motion-

diary« ist ein Imageilm für einen iktiven Kongress In seinem Clip » Reverse« visualisiert Dominik Wiechermann physikalische Gesetze

≥ www.page-online.de

PAGE 01.12018 SZENE Ausbildung

AUSBILDUNG

Jeder kennt ihn

nInterviewserie. Erik Kessels mag ihn gar nicht, Fons Hickmann möchte nicht über sei-ne Beziehung zu dieser Person sprechen. Ihr Verhältnis sei vorbelastet, seit sie als Zwillin - ge nach der Geburt getrennt wurden, sagt er. Erik Spiekermann wiederum indet, der Typ sei doch ganz gut: Manuel Ecker ist rum-gekommen in der österreichischen und deut-schen Designszene und mit ihm sein Erin -der Thomas Auer, Absolvent der New Design University in St. Pölten.

Den Charakter Manuel Ecker nutzte Auer für seine Bachelorarbeit zum Thema »Iden-tität und mediale Inszenierung«, um durchzu-spielen, ob man – ähnlich einer Corporate Identity – auch eine Human Identity generie-ren kann. Dafür hat er eine Reise durch den deutschsprachigen Raum angetreten und be-kannte Gestalter wie Eike König, aber auch Prominente wie das in Österreich populäre Satirikerduo Stermann & Grissemann für In-terviews besucht. Mit ihnen sprach er über ihren Treffpunkt, die Comic Sans und natür-lich ihre Beziehung zu Manuel Ecker. Im An-schluss hat jeder Befragte auch ein Porträt von Ecker, quasi ein Phantombild, angefer-tigt. Die Ergebnisse hat Thomas Auer in un-terschiedlichen Medien festgehalten: auf dem Blog www.manuelecker.com , in Form von Fan-zines sowie T-Shirts. nk

Prominente Gestalter zeichnen

Manuel Ecker. Ob es Ecker

wirklich gibt, lässt Thomas Auer

in seiner Bachelorarbeit offen Von

un

ten

lin

ks: T

ex R

ub

ino

wit

z, E

rik

Spie

kerm

ann

, Gem

ma

O’B

rien

aka

Mrs

Eav

es, C

hri

sto

ph

Nie

man

n, E

ike

nig

, Jü

rgen

Sie

ber

t, C

hri

sto

ph

Gri

ssem

ann

PAGE 01.12 019

+++ ADC Fieldwork. Die Gewinner des Hochschul pro-jekts von ADC und Creative.NRW stehen fest: In der Kategorie Mobilität setzte sich Astrid Hüller vom IN.D Hamburg mit dem Projekt »Warehelden«, einem koo-perativen Logistiksystem, durch. In der Kategorie Essen holte die Arbeit »Seeders« von Diana Schmitz, Alexander Kryska und Martin Stappen den ersten Platz. Die Studenten der Hochschule Niederrhein in Krefeld haben das beliebte Facebook-Spiel »Farm-Ville« weitergedacht, um lokale Bauern zu stärken und Konsumenten für regionale Erzeugnisse zu be-geistern. In der Kategorie Liebe punktete die Hoch-schule Augsburg mit einem Konzept für die familien-freundliche Unternehmensberatung Familiy Affairs, entwickelt von Verena May, Bettina Leeb und Jakob Wakolbinger. Die Top 30 des ADC-Fieldwork-Projekts stellen wir unter www.page-online.de/adc-fieldwork vor. +++ Lucky Strike Junior Designer Award 2011. Felix Krinke, Produktdesign-Absolvent der Fachhoch-schule Aachen, hat den Nachwuchspreis der Raymond Loewy Foundation erhalten. Sein Baukastensystem soll Kinder dabei unterstützen, ihre Ideen in ein Pro-dukt zu verwandeln. Es besteht aus Alltagsmateri-alien, mit denen sie auf spielerische Art Objekte bas-teln können. ≥ www.diploma-ac.de +++ Hamburger

Design-Manifest. Die Hochschule für bildende Künste in Hamburg richtet ihren Designbereich neu aus und hat dafür drei neue Dozenten gewonnen. Die Künst-lerin Marjetica Potrc, die Designerin Julia Lohmann und der Konzeptarchitekt Jesko Fezer sollen die Ver-netzung von Design und Kunst vorantreiben. Um die Neupositionierung zu kommunizieren, hat die Hoch-schule das Hamburger Design-Manifest veröffent-licht und die Website des Designfachbereichs ( www.design.hfbk-hamburg.de ) neu gestaltet. Für Februar 2012 ist das Symposium »Warum gestalten wir?« ge-plant +++ Porsche Award 2011. Den Nachwuchs-preis für Werbeilm dominieren die Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg. Sie holten die ersten drei Plätze sowie eine lobende Erwähnung. Platz eins belegt Andreas Roth mit dem Dirt-Devil-Spot »The Exorcist«. Den zweiten Platz sicherte sich Hanna-Maria Heidrich mit dem WWF-Commercial »We Miss You«, der auch in Cannes prämiert wurde. Den dritten Platz machte Christian Mielmann mit seinem Spot »What Ever Happened« für Tuborg. Den Son-derpreis für das beste internationale Commercial er-hielt Adam Wallenstein von The National Film School of Denmark für »A Little Less Gravity«. ≥ www.page- online.de/porsche-award +++ Utopia Award. Karin Simone Fuhs erhält den Preis in der Kategorie Vorbilder. Das Utopia-Netzwerk diskutiert und för-dert strategischen Konsum sowie nachhaltiges Wirt-schaften. Mit dieser Auszeichnung wird Fuhs’ Enga-gement als Gründerin und Direktorin der ecosign Akademie gewürdigt. Das Institut bietet seit 1994 ein interdiszi plinäres Designstudium mit dem Schwer-punkt Nachhaltigkeit an. ≥ www.utopia.de nk

Mensch, Maschine!

Ideenretter

nKreativitätsforschung. Eine gute Idee zu haben reicht nicht. Man muss

sie auch durchsetzen, verteidigen und umsetzen können. Wie Kreative das

machen, ist Gegenstand der theoretischen Bachelorarbeit »Save the Idea«, die

Lukas Merl im Fachbereich Informationsdesign der FH Joanneum Graz vor-

gelegt hat. Seine theoretischen Erkenntnisse reicherte er mit Interviews an,

die er mit Persönlichkeiten der internationalen Werbebranche führte. Ein Patent-

rezept liefert Merl nicht, wohl aber Inspiration. Unter www.savetheidea.com

kann man sich die Arbeit herunterladen und über das Thema diskutieren. nik

nInteraction Design. Ein Semester lang hat Martin Neundorfer ganz schön gefrickelt. Der Interaction-Design-Stu-dent der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Kunst in Hildes-heim hat sich das Lego-Bauset Mind-storms vorgenommen und überlegt, wie man damit etwas Alltagstaugliches produzieren kann. Neben Zahnrädern, Lochstangen und Verbinder-Pins ent-hält dieser Technikbausatz für Jugend-liche einen programmierbaren Lego-stein, drei Motoren, Berührungs- und Lichtsensoren sowie Ultraschall- und Distanzmesser. Aus all diesen Teilen hat der Designer drei Prototypen gebaut, darunter einen mechanischen Arm.

Interessant ist dieser nicht nur des-halb, weil er zeigt, dass sich mit dem

Lego-Set gute Prototypen realisieren lassen, sondern vor allem, weil Martin Neundorfer damit die Idee von Kinect und Wii weiterdenkt. Mit diesen Tech-niken lassen sich zwar Objekte auf dem Bildschirm steuern, der Spieler erhält aber kein Feedback, wie schwer der Ball oder Fisch an der Angel ist. Diese Information soll nun Neun dor-fers Arm vermitteln. Nach einigen An-läufen hat der Interaction-Design-Stu-dent einen etwas klobigen Lego-Arm gebaut, der über Bluetooth vom Com-puter gesendete Befehle verarbeiten kann. Das Ganze hat er mit Processing programmiert. Den Weg dorthin, Pro-bleme, Lösungen und eine kritische Analyse der Ergebnisse hat er in dem Blog www.der9.de festgehalten. nk

Der von Martin

Neundorfer

entwickelte Robo-

terarm leitet

Informationen

direkt vom

Computer an

die Hand weiter

page 01.12 020

TITEL

n Zwei Medien, eine Idee: Matt Pyke und sein Designbüro Universal Every-thing schufen für die Septem ber-Aus-ga be von »Wired UK« ein Artwork, das als Opener sowohl für die iPad-Ver- sion als auch für die Features-Strecke im Printmagazin zum Einsatz kommen sollte. Die Lösung: die Ausgaben num-mer – 09/11 – aus virtuellem Papier zu falten. Das eine Mal als Animation auf dem iPad, die den Faltprozess von der Fläche bis zu den sich dreidimen-sional erhebenden Ziffern zeigt, das an dere Mal als fertiges Ergebnis für den Druck. Für die Umsetzung nutzten die Shefielder Designer die 3-D-Ani-mationssoftware Houdini.

Motion goes Print »Wired«-Opener

Foto

: Wir

ed U

K

page 01.12 021

Movers and ShakersDie Konvergenz der Medien ist in vollem Gange, Motiondesign

gewinnt dabei noch einmal mehr an Bedeutung – für Magazingestalter,

Corporate Designer, Werber und Digital Artists

page 01.12 022 TITEL Motiondesign

≥ PAGE Online

Die Links zu den

hier vorgestellten

Filmen haben

wir unter www.

page-online.de/

motiondesign

zusammenge-

stellt. Eine

Auswahl von

(Hoch-)Schulen,

die für ange-

hende Motion-

designer geeig-

nete Studien-

gänge anbieten,

inden Sie unter

www.page-

online.de/motion

designstudium

n Ob der Pistolenlauf im Vorspann eines jeden James-Bond-Films, »Der Rosarote Panther« oder der Sat.1-Ball: Mit ihrer Kunst tragen Motiondesigner seit Jahrzehnten zum Erfolg von Kinoilmen, Musikvideos und TV-Sendern bei. Unterdessen ist eine neue Spielwiese hinzugekommen: das Tablet. Auch wenn mancher Verlag es bislang nur als weite-ren Kanal für seine Texte und Bilder begreift – das Me dium verlangt nach bewegten Bildern und nach Interaktion.

Wie sich das mit der Forderung nach der Konvergenz der Medien verbinden lässt, zeigte im September beispiel-haft der »Wired«-Opener von Universal Everything, der sowohl auf dem iPad als auch in Print seine Stärken aus-spielt. Die Druckversion der Eröffnungsseite der Features-Strecke war einfach ein Take aus der Animation (siehe Sei- te 20 f.). Es entstand also nicht eine Animation aus einer statischen Graik, sondern die Printgraik ist Ergebnis der Animation. Damit liegt diese Lösung voll im Trend; mit der Hybridisierung der Medien muss sich künftig wohl jeder Designer auseinandersetzen.

Ein einzelner visueller Motiondesign-Trend ist moman-tan hingegen schwer auszumachen; zu vielfältig sind die Methoden und Ansätze, mit denen die Kreativen arbeiten. Super Slow Motion, Endloseinstellungen, das Nachstellen verrückter Bilder aus dem Internet im Film, organische und biomechanische 3-D-Strukturen sowie minimale und ein-farbige Sets mit animierten Objekten – all das beobachtet beispielsweise Joaquín Urbina vom spanischen Motion -designstudio No-Domain (siehe rechte Seite). Regisseur Tomaso Cariboni von der Firma Indiana Productions, die den aktuellen »Think Blue«-Spot für VW realisierte, stellt fest: »Ja, es gibt Trends, aber es sind so viele, und sobald man einen Trend deiniert hat, kommt jemand und wirft die Kate go rien und Ideen neu zusammen.«

Markant ist sicherlich der Trend zur Bastelei. So schuf Regisseur Jean-Paul Frenay, ebenfalls für VW, einen Spot, bei dem nur recycelte Materialien zum Einsatz kamen und alle Bewegungen manuell erzeugt wurden (siehe Seite 27). Dahinter stand die Idee, bei der Produktion so wenig CO2 auszustoßen wie möglich. In die entgegengesetzte Rich-tung gehen Kreative, die bewusst die Möglichkeiten mo-derner 3-D-Suiten nutzen, um Bildwelten zu generieren. Auf diese Weise arbeitete Wearelink bei dem Spot für Skoda Human Ressources (siehe Seite 25), aber auch Uni-versal Everything oder Cedric Kiefer bei der Gestaltung des aktuellen PAGE-Covers (siehe Seite 31).

Sehr viel klarer zeichnen sich Trends bei den Aufgaben ab, die Motiondesign erfüllen soll. Triebmotor ist die techno-logische Entwicklung, die auf der einen Seite immer neue Endgeräte für die Konsumenten hervorbringt und auf der anderen Seite völlig neue kreative Möglichkeiten für die Produzenten – dank der Steigerung der Rechenleistung, der Weiterentwicklung und Vereinfachung der Tools. Für Un ter-nehmen eröffnet Motiondesign die Chance, ihr Corporate Design in die dritte und vierte Dimension zu erweitern (sie- he Interview auf Seite 28). Zum Beispiel indem man – statt ein statisches Logo im Nachhinein zu animieren – das zwei-dimensionale Design, wie im Fall von »Wired«, aus drei- respektive vierdimensionalen Motion Graphics ableitet.

page 01.12 023

n Fast 40 Jahre, von den düsteren Nachkriegsjahren unter Franco bis in die fröhlich-chaotische Aufbruchszeit der Transición, prägte der Verlag Edi-torial Bruguera aus Barcelona mit sei-nen Romanen und Comics, darunter »Mortadelo y Filemón« (uns bekannt als »Clever & Smart«), die spanische Po-pulärkultur. Genau 25 Jahre nachdem das Verlagshaus 1986 vom Markt ver-schwand, widmete Carles Prats ihm einen Dokumentarilm: »Històries de Bruguera«. Für die Motion Graphics in Vor- und Abspann sowie Zwischenti-teln sicherte er sich die Mitarbeit des Motiondesignstudios No-Domain, das die Regie, Artdirektion und Produk-tion der Sequenzen übernahm.

Um den Barceloner Verlag und sei-ne Epoche wieder lebendig werden zu

Tribut an die klassische Druckgrafik »Històries de Bruguera«

lassen, griff No-Domain-Kreativdirek-tor Joaquín Urbina auf den klassi schen Druckprozess in CMYK zurück. »Früher wurde noch für jede Farbe ein eige- nes Farb auszugnegativ geschaffen – also eine Filmebene pro Farbe, auf die man dann Notizen schrieb: die Grö- ße, Halbtöne in Prozent, Pantone-Far-ben, Kontu ren und so weiter«, erläu-tert Urbina. Die besondere Ästhetik der durchsich tigen Filmfolien machte sich No-Domain bei der Gestaltung zu -nut ze, um auf ihnen Titel, Zwischen-titel und Credits unterzubringen. Dar-über hinaus baute das Team mit ech-ten Mö beln, die für die Bildsprache der Bruguera-Comics typischen, sehr reduzierten Interieurs nach. Das war auch eine bewusste Entscheidung ge-gen ein Motiondesign, das einfach

den Comic-Stil des untergegangenen Verlagshauses imitiert.

Die Produktion an sich gestaltete sich dann sehr simpel: Zuerst entstan-den bei No-Domain die Titelfolien mit den Tex ten, ge setzt in der Acropolis von Hoeler & Frere-Jones – keine klas-sische Bruguera-Schrift, aber eine Type, die gut zur Ästhetik des Films passt. Am Set hängte das Team dann für je-de Sequenz die Folien an einem Stän-der vor die Kamera und baute dahin-ter vor einer weißen Rückwand das jeweilige Zimmer auf. Gedreht wurde mit einer gewöhnlichen Digitalspie gel-relexkamera von Canon, die direkt auf ein MacBook aufzeichnete. Die Folien drehte das Team mit der Hand um. Er-gebnis: eine charmante Verneigung vor der traditionellen graischen Industrie.

Bei der Gestaltung der Sendeverpackung eines Dokumentarilms über das spanische Verlagshaus Editorial Bruguera

empfand das Barceloner Motiondesignstudio No-Domain die Ästhetik dort erschienener Publikationen

page 01.12 024 TITEL Motiondesign

n Motion- und Sounddesign inden in Nando Costas zweiminütigem Kurz-ilm zusammen: Zum Soundtrack von World Gang kombiniert »Tactile Wave-forms« real gedrehte Landschaftsauf-nahmen mit 3-D-Animationen. Costa, der als einer von fünf Regisseuren für die Designirma süperfad mit Büros in Los Angeles, New York und Seattle ar-beitet, drehte mit seinem Team zuerst im wilden Südosten Oregons. Dafür

setz te er eine gewöhnliche Digital-spie gelrelexkamera auf eine ein fa che Motion-Control-Vorrichtung. So rea li-sierte er die Kamerafahrten, die den Eindruck eines Zeitraffers erzeugen.

Zurück in Seattle, schnitt Nando Costa das Material passend zur Kom-position von World Gang. Die Sound-designer hatten mit Synthesizer sowie verfremdetem Cello und Schlagzeug eine eigenwillige musikalische Unter-

Organische Verbindung »Tactile Waveforms«

Zwischen mit der DSLR-Kamera gedrehten Low-Tech- und absoluten High-End-Produktionen entfaltet sich ein enorm breiter Spielraum. Entsprechend lohnt es sich, sich mit dem Thema Motiondesign zu beschäftigen und sich auf diesem Gebiet zu qualiizieren. Mit einem sehr guten Showreel kann man sich natürlich auch als Autodidakt bei Agenturen oder Studios bewerben. Der traditionelle Weg über eine Ausbildung oder ein Studium bietet jedoch Vorteile: die Relexion der Praxis und der systematische Aufbau des fachlichen Wissens an erster Stelle, aber auch den Aufbau eines Netzwerks während der Ausbildungs- zeit und erste Arbeiten für das eigene Showreel, die einen wichtigen Grundstein für die spätere Karriere bilden – sei es in einem Studio oder als Freelancer.

Eine Reihe von Ausbildungsstätten bieten den direkten Weg zum Motiondesigner an (siehe Interview rechte Seite). Angesichts der vielen Überschneidungen mit Film, Anima-tion und Kommunikationsdesign sind aber auch Umwe ge möglich. An diversen Design- oder Kunsthochschulen ist Motiondesign ein Schwer punkt innerhalb des Kommuni-kations- oder Graikdesignstudiums oder als eigenes Fach mit unterschiedlichen Bezeichnun gen, etwa Bewegtes Bild an der Hochschule für Künste Bremen im Studiengang Inte-griertes Design. Angesichts des enormen Tempos, mit dem sich das Motiondesign entwickelt, bleibt es aber unerläss-lich, mit eigenen Projekten zu experimentieren und den Kontakt zu fortgeschrittenen Designern zu suchen, von denen wir Ihnen einige vorstellen. dsc/David Starmann

ma lung erzeugt. Das Team um den ver-antwortlichen 3-D-Artist Robin Scher modellierte und animier te unterdes-sen dreidimensionale Grai ken, die der Lead Compositor Joel Voelcker später mit dem Realilm verband. Die 3-D-Animationen sind eine Art Notation des Soundtracks, die sich fortwährend den kargen Landschaften anpassen – so als würden sie sich organisch aus Musik und Naturformationen ergeben.

page 01.12 025

Was unterscheidet den Studiengang Motion Design an der

btk von anderen, ähnlichen Studiengängen?

Christian Mahler: Eines der wichtigsten Prinzipien bei uns ist die Interdisziplinarität, das fachübergreifende Erarbeiten von Design lö-sungen. So ist die enge, befruchtende Kooperation mit den benach-barten Studiengängen Interaction Design, Fotograie, Kommunika-tionsdesign und nun auch Illustration ein Glücksfall. Von anderen Institutionen unterscheidet uns, dass wir das Berufsbild des Motion-designers weiter deinieren. Bei uns ist der oft alternativ verwendete Begriff Motion Graphics nur ein Teilbereich. Wir haben sechs Vertie-fungsrichtungen: Animation, ilmisches Gestalten, AudioVision, Mo-tion Graphics, medial erweiterte Räume, Visualisierung und Hybrid-ilm. Außerdem freie sowie Forschungsprojekte mit Partnern aus Kultur, Forschung und Wirtschaft. Nicht zuletzt zeichnet eine stete geisteswissenschaftliche Begleitung das Studium aus.Haben sich die Inhalte des Studiums in den letzten Jahren verändert?

Unsere Medien sind einer permanenten Transformation unterwor-fen – nicht nur diese selbst, sondern auch die mit ihnen verbunde-nen Kulturtechniken. Alles Digitale ist heute auch zeitbasiert bezie-hungsweise dynamisch. Das wirkt sich auf die Inhalte des Motion-De-sign-Studiums aus. Die Grundlagen bleiben dieselben, sie müssen jedoch für diverse Zwecke skaliert und modiiziert werden. Ein kon-kretes Beispiel: Im Zuge der Entwicklungen im Bereich Tablet-Publi-shing habe ich im vergangenen Semester mit meinen Studenten an der Konzeption von Magazincovern gearbeitet, die sich gestalterisch eher aus dem Main-Title- und On-Air-Design ableiten als aus dem Edi-torial Design. Hier ging es darum, im Hinblick auf eine neue Medien-technologie bewährte Gestaltungsstrategien zu adaptieren und zu erweitern. Die Inhalte des Studiums bleiben also spannend. Wichtig ist, dass man daran seine methodischen und gestalterischen Kompe-tenzen entwickelt, um für kommende Aufgaben gewappnet zu sein.Welche Gestaltungstechniken und Konzepte werden

derzeit im Motiondesign besonders häuig eingesetzt?

Die Tendenz geht eindeutig zur Hybridisierung der Genres und Äs-thetiken. Alles, was vor wenigen Jahren noch getrennt gedacht und erstellt worden ist, kommt heute in einer Gestalt daher. Sämtliche bisherigen Gestaltungsrichtungen ließen im Digitalen zusammen. Ob Film, Graik, Typograie, Kunst, generative Gestaltung, Musik – al-les wird im Metamedium Computer zu einer formbaren Masse. Dass dies nicht nur eine These von Medientheoretikern ist, beweist das aktuelle Motiondesign.Wohin entwickelt sich das Motiondesign Ihrer Meinung nach?

Ein in Zukunft wichtiger Bereich ist die generative und zugleich inter-aktive Gestaltung. Es reicht nicht mehr aus, konkrete Formen und Zustände zu deinieren. Handlungsanweisungen und Gestaltungs-rahmen, innerhalb derer Betrachter und Benutzer agieren können, sind gefragt. Klassische Vorstellungen vom Design lösen sich auf. Ich werfe nur einmal ein paar Begriffe in den Raum: Corporate Mo-tion, Interactive Environments, Tangible Interfaces. Um mit David Hockney zu sprechen: »Exciting times are ahead.«

»Film, Graik, Typo-

graie, Kunst,

generative Gestaltung,

Musik – alles wird

im Metamedium

Computer zur form-

baren Masse«

Professor Christian Mahler ist Studiengangsleiter Motion Design

an der Berliner Technischen Kunsthochschule (btk)

n Wie die richtige Karriereentscheidung eine Fülle von Mög-lichkeiten und Erfahrungen für den eigenen Lebenslauf er-öffnet – in der Bewerbungsmappe auf ein nüchternes Da-tenblatt re duziert –, zeigt Wearelink in ihrem Recruiting-Spot für Skoda. Die Hamburger Kreativen hatten die Idee zu einer Berufswelt, die sich aus mit Lebensläufen bedruckten Blättern zusammenfaltet. Fahrräder formen sich aus den Pa-pier bogen ebenso wie das Taj Mahal, die Wellen eines Schiffs oder ein Skoda-Octavia-Kombi. Gerahmt werden diese Sequen zen von Aufnahmen mit echten Schauspielern.

Bei der Umsetzung des Films musste allerdings kein Blatt Papier leiden. Das Team von Wearelink-Chef Niko Tziopanis setzte voll auf 3-D-Umgebungen: auf Cinema 4D für die Ani-matics, vor allem aber auf Autodesk Softimage mit seinem Inter active Creative Environment (ICE) und der Render-Engi-ne. ICE diente als Basis für die komplizierten Faltungen, aus denen die Objekte entstanden, die zu Hunderten den Spot bevölkern. Hier legten die Designer die Deformer an, die das virtuelle Papier in die gewünschten Formen brachten. Dazu musste das virtuelle Papier erst einmal so geriggt werden, dass ein Deformer gleich eine ganze Sequenz von Faltungen vornehmen konnte. Indem das Team die Faltstellen mit Null-Objekten markierte, ließen sich die Animationen mit einem eigens angelegten Satz von Parametern erzeugen.

Auch das Rendering gestaltete sich anspruchsvoll. Hier lag die Her ausforderung vor allem darin, überzeugend den Look von Papier hinzubekommen. »Dieser entsteht durch einen speziischen Mix aus Transluzenz, Lichtbrechung und viel -fachen Spiegelungen. Wir mussten einen Weg inden, um das in einem einfach zu rendernden und doch lexiblen Set-up umzusetzen«, erklärt Niko Tziopanis. Hinzu kam der Wunsch, die Renderings später in der Postproduktion optimieren und ändern zu können, ohne jedes Mal alles neu berech- nen zu müssen. Computergraik, Realilm und Postproduk-tion stammt komplett von Wearelink, bei der Musik arbeitet das Studio mit Supreme Music zusammen, und die Produk-tionsirma war Bakery Films, ebenfalls aus Hamburg.

Lebendiges Papier »Skoda Curriculum Vitae«

page 01.12 026 TITEL Motiondesign

n Zehn Jahre nach seiner Gründung am 30. Juni 2001 feierte das Museums-Quartier Wien seinen Geburtstag mit einem Open-Air-Festival. Zu der In sze-nierung gehörte eine monumentale Großbildprojektion auf zwei Eckwän-de des markanten weißen Kubus des Leopold Museums, der eine Seite des Innenhofs dominiert. Verantwortlich dafür war Urbanscreen aus Bremen (siehe PAGE 06.11, Seite 73 f.). Daniel Rossa von Urbanscreen beschreibt sei-nen Anspruch so: »Motiondesign im Bereich Projection Mapping und Aug-mented Reality soll te darauf abzie- len, die virtuellen Inhal te und tatsäch-lich vorhandenen Struk turen konzep-tionell und ästhetisch zu verketten – und nicht versuchen, diese möglichst

hell und bunt zu überlagern.« Statt Ar-chitektur lediglich als Projek tions lä-che zu nutzen, sollte die di gi tale An-wendung einen neuen Blick auf die Ar chitektur ermöglichen.

Der technische Aufwand war bei dem Projekt enorm: Am Anfang stan-den Filmaufnahmen von Tanzchoreo-graien in einem Greenscreenstudio, die Urbanscreen in Adobe Premiere schnitt. Danach übertrugen die Bre-mer Medienkünstler das Videomate-rial in After Effects, um die Bewegun-gen der Tänzer zu tracken und graisch mit dem Raster der elektroni schen Bau-plä ne des Gebäudes zu verknüpfen. Dort und zum Teil in Photoshop po si-tio nier ten sie die Tänzer in der Bewe-gung auf der Fassade. Mit After Effects

und 3ds max lösten sie Verformungen und Aktionen auf der Gebäudeober-läche aus. Dabei vereinfachten sie de-ren Raster, indem sie sämtliche vor-hande nen Linien der Architektur auf ein Minimum von Punkten beschränk-ten, die zur Darstellung der Fassade unbedingt erforderlich sind. Anschlie-ßend verketteten sie dieses reduzier-te Modell wieder mit der realen grai-schen Oberläche. Hierdurch schufen sie bei der später projizierten Fassade eine Verzerrung und Vereinfachung der visuellen Oberläche. Vor Ort steu-erte Urbanscreen die Projektion mit Wings Vioso, einer Kombination aus Me diaserver und zeitleistenbasierter Steuerungssoftware, die auch Eingrif-fe in Echtzeit unterstützt.

Tanzende Fassaden »MQ=10«-Projection-Mapping

Urbanscreen

interpretierte die

Fassade des

Wiener Leopold

Museums in

einer aufwendig

gestalteten

Projektion neu

page 01.12 027

Nonstop »Think Blue. Symphony«

n Blankpoliertes Auto in is län di scher Felslandschaft? Fehlanzeige. Der TV-Spot, der VWs Nachhaltigkeitskonzept in den Fokus rücken soll, setzt auf eine schlicht gehaltene Ästhe tik. Eine Hand zeichnet auf einem endlosen Noten-blatt, wie sich die ökologiebewuss te ren Pro duk te und Tech nologien des Auto-herstellers entwickelt haben.

Indiana Production in Mailand soll-te den Film nach einem Konzept der Agentur 515 Creative Shop um setzen. Der erste Gedanke des Teams um Re-gisseur Tomaso Cariboni war, Com pu-tergraik zu Hilfe zu nehmen – also die Arme mit dem Stift zunächst vor Green screen zu ilm en und dann frei-zustellen. Alles Weitere wäre dann am Rechner passiert. Das Vorgehen hätte

dem Team die absolute Kontrolle über alle Bewegungen gegeben.

Doch man ging einen anderen Weg. Ein Illustrator zeichnete in einer ein zi-gen zehnstündigen Nonstop-Einstel-lung den gesamten Spot. Nur so ließ sich echte Spontanität und damit die für das Thema Umweltschutz so wich-tige Authentizität erreichen. Die Stop-Motion-Anmutung des fertigen Films entstand durch die Auswahl einzelner Frames aus den zehn Stunden Roh-materials, die Cariboni dann zu dem 60-Sekunden-Spot montierte. Da bei lag es ihm nach eigenem Bekunden besonders am Herzen, im Rhythmus mit dem Soundtrack zu bleiben, einer Coverversion des Beach-Boys-Klassi-kers »Wouldn’t it be nice«.

In einer einzigen

Einstellung

ilmte Indiana

Production

den handgezeich-

neten TV-Spot.

Von den zehn

Stunden Material

blieben zuletzt

60 Sekunden übrig

Alles ist recycelt

in diesem VW-

Clip von Regisseur

Jean-Paul Frenay.

Der Betrachter darf

bei der Pro duk-

tion zuschauen

n Alte Milchtüten und Zeitungen, ab-getragene Klamotten – kann man da-mit Werbung für einen DAX-Konzern machen? Jean-Paul Frenay konnte und erhielt dafür in den vergangenen Mo-naten viele Auszeichnungen. Der bel-gische Regisseur realisierte zusammen mit der Produktionsirma Latcho Drom für die Agentur DDB Belgium einen TV-Spot zu VWs »Blue Motion«-Programm. Unter dem Label vermarktet der Au-tohersteller die umweltfreundlichs ten Modelle einer jeden Baureihe.

Das Ziel Frenays war es, einen Spot zu schaffen, der so umwelt- und klima-freundlich wie möglich sein sollte. Das Team schuf eine Modelllandschaft, die

ausschließlich aus recycelten Materia-lien bestand. Sämtliche Bewegun gen am Set, alle Geräusche und die Musik entstanden per Hand. Erst beim Film-equip ment hörte die Improvisation auf: So setzte das Team professionell Licht und drehte den gesamten Spot in einer einzigen Einstellung. Kamera-mann Gerd Schelfhout schritt zu die-sem Zweck mit einer per Steadicam-System stabi lisier ten Digitalkamera die einzel nen Statio nen des Sets ab, wäh-rend der Regisseur das aufgezeichne-te Ma te rial am Monitor live verfolgte. Nach Ausgleichsmaßnahmen gelang am En de tatsächlich eine Produktion ohne CO2-Fußabdruck.

Minimaler CO2-Fußabdruck »Blue Motion«

page 01.12 028 TITEL Motiondesign

Hat Motiondesign in den letzten Jahren für das

Corporate Design an Bedeutung gewonnen?

Michael Rösch: Es ist heute oft der Ausgangspunkt für Elemente, die auch im statischen Corporate Design eingesetzt werden. Der Ge-stalter schöpft nun aus dem schier unbegrenzten Universum des generativen Designs, das sehr eng mit Motiondesign in Verbindung steht. Neue, unverbrauchte Bildwelten schaffen eine emotionale Dif-ferenzierung gegenüber den oft austauschbaren Bildwelten, die bei allgemeinen Botschaften zwangsläuig entstehen. Eine Unterneh-mensmarke gewinnt durch Bewegung und Atmosphäre eine zusätzli-che Dimension. Motiondesign bietet die große Chance, sich im Wett-bewerb optimal zu positionieren und eigene Akzente zu setzen. Bis-her wird es vor allem genutzt, um komplexe Sachverhalte anschaulich zu erklären und Informationen unterhaltsam zu vermitteln. Das ist – genau betrachtet – die erste Entwicklungsstufe, auf der das Corpo-rate Design nun aufsetzen kann.Wie sehen Sie das Verhältnis von statischem und bewegtem Design?

Das bewegte Design übt einen starken Einluss auf die Gestaltung von statischen Inhalten aus. Durch den Einsatz von Zufallskompo-nen ten, dynamischen, physikalischen Simulationen und Algorithmen ent stehen oft ungewöhnlich abstrakte Motive und Elemente, die sich vielfältig nutzen lassen.Ist ein guter Printdesigner auch ein guter Motiondesigner?

Programme wie After Effects oder Cinema 4D sind so komplex und herausfordernd, dass man die nötigen Kenntnisse nicht von jedem Designer erwarten kann. Sie sollten sich aber mit den Möglichkeiten des Motiondesigns – zumindest visuell und theoretisch – auseinan-dersetzen, um in der Kommunikation mit dem Motiondesigner die gleiche Sprache zu sprechen.Was sind die wichtigsten Trends im Corporate Motion Design?

Zum einen gibt es nach der Flucht in die Abstraktion in den letzten Jahren wieder eine Hinwendung zur Gegenständlichkeit, zum ande-ren können Inhalte einen Einluss auf die visuelle Entwicklung von Bildwelten auch auf einer algorithmischen Ebene gewinnen, etwa durch die Nutzung des Processing-Frameworks, das Unternehmens-daten und Inhalte visualisiert – auf einer metaphorischen Ebene.Welches Corporate Motion Design hat Sie besonders beeindruckt?

Ein gutes Beispiel ist sicher die »Medical Magic«-Website von Actelion, die beim diesjährigen Corporate Design Preis ausgezeichnet wurde (siehe PAGE 10.11, Seite 94 f.). In diesem Auftritt wurde generatives Design zur Entwicklung einer visuellen Identität sinnstiftend genutzt. Ein Lob an die Schweizer Kollegen von Interbrand.Wie wird sich die Weiterentwicklung der Technik auswirken?

Mit der Technik entwickelt sich auch das Motiondesign weiter. Oft sind Ergebnisse neuer Softwaremodule sofort in diversen Umset-zungen zu sehen. Wichtig ist, die Anwendungen so weit zu ver ein-fachen, dass jeder Designer direkt damit umgehen und spielerisch zu ansprechenden Lösungen kommen kann. Die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Hardware ist ebenfalls ein entscheidender Faktor. Mit der Power der neuen Rechnergenerationen ist Motiondesign für eine große Zahl von Anwendern überhaupt erst möglich geworden.

Michael Rösch, Mitbegründer und

Vorstandsmitglied von wirDesign

in Berlin und Braunschweig, war Juror

beim Corporate Design Preis 2011

»Das bewegte Design

übt einen starken

Einluss auf die Gestal-

tung von statischen

Inhalten aus«

Handmade »Disney XD Flipbook«

n Jungs zwischen sechs und 18 Jahren sind die Zielgrup-pe des Fern sehsenders Disney XD. Und sie sollte die Desig-nerin und Illustratorin Serene Teh aus Singapur mit einer Serie von Ident-Spots erreichen. Sie entschied sich für einen bodenständigen, handwerklichen Ansatz: Mit Filzstift, Mar-ker und Fineliner zeichnete sie die Figuren von Skateboar-dern oder Gitarristen, um diese dann nach der Daumenkino-methode zu animieren. Dabei sind immer ihre Hände mit im Bild, sodass der Zuschauer sehen kann, wie sie die Pa-pierschnipsel mit den Zeichnungen umdreht. Entsprechend der Zielgruppe, die Disney als jung, wild, unangepasst, er-indungsreich und interessiert an Sport, Gaming und Musik sieht, strebte Serene Teh einen rauen Handmade-Look an. Zudem ging es ihr darum, ihnen zu zeigen, »dass man auch mit dem einfachsten, simpelsten aller Medien etwas Schrä-ges und Cooles machen kann – wenn man nur kreativ ist«.

Nach einigen Entwürfen und in kontinuierlicher Ab stim-mung mit dem Kunden baute Serene Teh zunächst ein Test-modell der Daumenkinomechanik, um sicherzugehen, dass alles funktioniert wie geplant. Erst danach klebte sie die Modelle zusammen, steckte die Papierschnipsel an den pas-senden Stellen ein und sagte dem Filmstudio Kane Studio Singapore Bescheid. Das Team drehte dann in Echtzeit die Hände der Künstlerin, die die Zettel mit den Zeichnungen langsam herauszupfte, faltete und aufblätterte. Der Dau-menkinolook entstand beim Schnitt durch Beschleunigung des Filmmaterials. Disney XD selbst übernahm die Postpro-duktion des geschnittenen Spots.

Bastelarbeit ist die Grundlage dieses Ident-Spots

für den TV-Sender Disney XD

page 01.12 030 TITEL Motiondesign

n Jason Webley und Amanda Palmer alias Evelyn Evelyn sind kein gewöhnliches Musikerduo. Rund um ihr musi-kalisches Alter Ego, die siamesischen Zwillinge Evelyn und Evelyn Neville, haben die beiden eine ganze Fan-tasiewelt aufgebaut und treten stilecht in Kostümen der vorletzten Jahrhundertwende auf – maßgeschnei-dert für drei gemeinsame Beine. Die Musik der bei- den Evelyns erinnert an Vaudeville oder Country. Als Re gis seur Hoku Uchiyama den Auftrag erhielt, ein Mu-sik vi deo für »Have You Seen My Sister Evelyn« zu dre-hen, er innerte er sich an die schlichten »rubber hose«-Cartoons wie »Steamboat Willie«, die von ihrer Ent ste-hungs zeit her gut zum Stil des Songs passen. Der Hin-tergrund sollte aber nicht Papier sein, sondern die be-schlagenen Fens terscheiben eines Holzhauses, auf die die nur schemenhaft zu erkennenden Schwestern mit dem Finger Geschichten zeichnen.

Produzent und Chefanimator Adam Bolt fand eine Lösung, die gestalterisch schlichten, aber technisch an-spruchsvollen Motion Graphics umzusetzen: Erst ilmte das Team die Schwestern durch die klare Scheibe und dann das Set noch einmal ohne das Duo, aber mit be-schlagenen Scheiben. In der Compositingsoftware Nuke legte Compositor Michael Scott die Filmspuren über ein-ander. Die Animationen entstanden durch das ani mier-te Maskieren des Filmlayers der beschlagenen Schei be. Die Sequenzen, die ausgiebig Cartoonklassiker wie et wa die tanzenden Skelette aus Disneys »Silly Symphonies« zitieren, entwickelte Adam Bolt gemeinsam mit Hoku Uchiyama. Hier stießen sie dann doch noch auf eine ech-te gestalterische Herausforderung: Ihre ersten Entwür-fe waren zu fein geraten und wirkten gezeichnet, nicht aber wie mit dem Finger auf eine beschlagene Scheibe gemalt. Erst nach mehreren Anläufen gelang es, den Kompromiss aus Detailliertheit und Glaubwürdigkeit zu inden, der im inalen Film zu sehen ist.

Cartoon Classics»Have You Seen My Sister Evelyn«

Hyperreal »Jägermeister Last Stag Standing«

n Natürlich muss der Hirsch auftau-chen, wenn es um Jägermeister geht. Anders als in der Legende des Heiligen Hubertus, den ein Hirsch mit Kruziix im Geweih zum Christentum bekehrte, tritt der Zwölfender im jüngs ten Pro-jekt von Hi-ReS! gleich zweimal auf – und das auch noch recht raulustig. In dem Promotiongame für eine Retro-Edition der Jägermeister-Flasche ran-geln zwei Spieler am iPhone oder in Facebook miteinander, um den Geg-ner mit dem eigenen Ge wei h aus dem Bild zu schieben.

Die Idee des Teams um Kreativdi-rektor Mike John Otto war, die Flasche nicht sofort zu zeigen, sondern den Spieler das Eti kett freilegen zu lassen. Sobald einer der Hirsche seinen Geg-ner durch hef ti ges Klicken nach oben oder unten drückt, rollt sich das Etikett hinter ihm ab. Der Sieg ist erreicht, wenn es komplett zu sehen ist.

Die gesamte Anwendung ist com-pu tergeneriert. Die Hirsche sind ge-rigg te 3-D-Modelle, die sich nach Be-lieben animieren lassen. Die Optik ist dabei fast fotorealistisch, wenn auch mit einigen Elementen von Stilisierung und Verfremdung versehen. Für Mike John Otto ist »die Nutzung von digita-len Elementen im realen Kontext« ein Trend: »Dazu trägt auch die Entwick-lung bei, dass mobile Endgeräte im-mer mehr können und man Tools und Werbung jederzeit als Unterhaltung oder Helfer aufrufen kann.« Seiner An-sicht nach eig net sich Motiondesign besonders gut, »um reale Erlebnisse zu steigern oder ungesehen wirken zu lassen«. Aus diesem Grunde erlebe es derzeit den gleichen Schub wie zur Blütezeit der auf Flash basieren den Online-Spe cials, bei denen sehr exzes-siv After Effects und Videomaterial ein-gesetzt wurde.

Hi-ReS! nutzte Motiondesign für das aktuelle Jägermeister-Facebook- und iPhone-

Spiel, bei dem es das Etikett einer Sonder-Flaschenedition zu entrollen gilt

page 01.12 031

n Für das Titelthema Motiondesign haben wir ein Cover ge-staltet, das nicht versucht, das Bild, das man klassischer-weise beim Stichwort »Motiondesign« im Kopf hat, auf Pa-pier zu bringen, sondern es auf andere Art interpretiert. Ohnehin stellt sich die Frage, wie sich ein Film oder eine Animation am besten in ein statisches Bild packen lässt. Dazu haben wir den Begriff umgedeutet und neu interpre-tiert – als »Design through Motion«.

Unsere Idee war also, das Design durch Bewegung zu erzeugen. Dazu bedienten wir uns der iPad-Sensoren. Mit-hilfe einer iOS-Anwendung, die wir mit der freien, auf C++ basierenden Entwicklerumgebung openFrameworks ent-wickelten, schufen wir uns eine Möglichkeit, das Cover di-rekt durch die eigenen Bewegungen im Raum zu gestalten.

1 Den ersten Prototyp setzten wir in Processing um. Die Bewegungsdaten gelangten über ein angeschlossenes

iPhone per WLAN und OSC-Protokoll direkt an die Applika-tion. So ließ sich der Prototyp bereits in diesem frühen Sta-dium durch Bewegung steuern.

2 Die endgültige Applikation portierten wir dann fürs iPad respektive iPhone. Zur genauen Einstellung der

Bewegungssensoren reduzierten wir die Graiken vorerst aufs Nötigste und ließen die Werte des Accelerometers zu-sätzlich auf das Display ausgeben.

3 Startet der Anwender die iPad-App, hält er im ersten Mo-

ment eine leere Seite, lediglich mit Headline und PAGE-

Logo, in der Hand. Wenn man nun aber beginnt, das Cover zu

bewegen, hinterlässt dies Spuren. Wie mit ei nem Pinsel auf ei-

ner dreidimensionalen Leinwand zeichnet man mit dem iPad

Im App

Store

inden

PAGE-Leser eine

reduzierte Down-

load-Version von

PageMove, mit

der Sie Ihr Cover

durch Bewegung

gestalten können

Cedric Kiefer vom Berliner Designstudio onformative hat das Cover

dieser Ausgabe in Zusammenarbeit mit Interaction Designer

Marc Tiedemann von Konkreet Labs entwickelt. Hier berichtet er über

die Konzeption und Umsetzung des Projekts

Making-of: PAGE-Cover

Formen und Farben auf das Cover. Die Bewegungssensoren

messen dabei Position und Beschleunigung und setzen jede

kleinste Bewegung in Echtzeit in Graiken um.

Zu jedem Zeitpunkt kann man die App anhalten und das aktuelle Titelbild betrachten. Die Bewegung wird ein-gefroren, zu einer Art Motion-Skulptur beziehungsweise dem Abbild des Bewegungsablaufs. Direkt aus der Appli-kation heraus lässt sich das inale Motiv in Printaulösung exportieren. Die Gestaltung indet also wirklich ausschließ-lich auf dem iPad und dem virtuellen Cover statt.

PAGE 01.12032

KREATION

PAGE 01.12 033

Geschmacksverstärker Gut gemacht, werden sie zum verheißungsvollen Entree für alle folgenden Genüsse.

Mit welchen Mitteln Speisekarten dies gelingt, demonstriert unsere Auswahl

n Oft vernachlässigt und doch so wichtig: Viele Speise-

karten kommen im 08/15-Design, lieblos bedruckt und einge-

schweißt daher – Hauptsache funktional. Dabei können sie

viel mehr, zum Beispiel den Stil des Restaurants, der Küche

oder des Chefkochs vermitteln, den Appetit der Gäste anre-

gen – oder beim Betrachten selbst schon ein Genuss sein. Im

Grunde sind Speisekarten eine Art Navigation durch das An-

ge bot eines Restaurants oder Cafés. Als solche sind sie Teil

des Markenerlebnisses, können Gäste begeistern und an ein

Lo kal binden – vorausgesetzt, die Qualität des Essens stimmt.

Eine Herausforderung bei der Gestaltung von Speisekar-

ten besteht darin, dass sie sich monatlich, wöchentlich oder

sogar täglich ändern – vor allem in der saiso na len Kü che. Das

lässt sich mit Templates lösen, erklärt Lucas Buchholz, einer

der Geschäftsführer des Designstudios weissraum in Ham-

burg, das die Corporate Identity von Tim Mälzers Bullerei ge-

staltet hat (siehe Seite 36). Das Restaurant Smith in Toronto

setzt ganz auf nach Jahreszeit verfügbare, regio nale Zuta ten.

Hier bestand die Lösung darin, dass die Karte wie eine Tag es-

zei tung aussieht. Flexibler sind elektronische Spei se kar ten

auf dem iPad, wie sie erste Restaurants testen (siehe Seite 36).

Tageslektüre

Das Restaurant Smith in Toronto

verarbeitet ausschließlich sai -

sonale Zutaten aus der Provinz

Ontario – das Angebot ändert

sich entsprechend häuig. Um die

Saisonalität und lokale Herkunft

der Gerichte zu verdeutlichen,

ent schied sich Graik-Designerin

Tracy Ma für Format und Look einer

Tageszeitung. Da der Chefkoch des

Restaurants vor allem Wert auf die

Frische der Zutaten legt, werden

diese in der Zeitung ohne Schnörkel

präsentiert – mit schlichten und

realistischen Schwarzweißfotos.

Das übergroße Format und die

einfache Aufmachung kontrastie-

ren gelungen mit der schicken

Einrichtung des Restaurants.

Neben individuellen Lösungen gibt es aber – dank Ver-

edelungstechniken oder schicken Einbänden – auch schöne

Stan dardkarten. Anbieter solcher Systemspeisekarten ist

zum Beispiel New Works in Würzburg. Gründer Andrew J.

Kormanec kommt eigentlich aus der Gastronomie, mit Ge-

stal tung hatte er nichts zu tun. Er erkannte den Bedarf an ad-

äquaten Dienstleistern für die Speisekartengestaltung, da

klas sische Designbüros für Gastronomen oft zu teuer sind.

Seit 2003 bietet New Works Designs und Konzepte für Karten

besonders für Luxushotels und Sterne restau rants an.

Zwischen Restaurantbesitzern und Designern bestehen

in vielen Fällen enge Beziehungen. Zum Beispiel gestaltete

Shane Garrett das ers te Corporate Design für einen Freund

fast gra tis: Graikdesign gegen Essen. Mittlerweile hat er

Marken identitäten für alle fünf New Yorker Restaurants

seines Freundes entwor fen. Auch die Gestalter von weiss-

raum legen gelegentlich noch selbst Hand an die Speise-

karten der Bullerei an – und werden mit Speis und Trank

belohnt. »Design für Gastronomiebetriebe ist oft ein Lieb-

haberthema. Wir machen das Kleine mit Liebe ganz groß«,

sagt Lucas Buchholz. nik

PAGE 01.12034 KREATION Speisekarten034

Handgemacht

Für das Edelrestaurant Au Bon Gîte in den

Vogesen kreierte das Designstudio

Zim & Zou aus Nancy mehrfach iligrane

Papierskulpturen. Für einen Meeres-

früchte-Abend bastelte es einen Hummer

aus geo metrischen und organischen

Formen, um die geschmackliche Vielfalt

der Küche zu visualisieren. Das Trüffel-

Menü setzten die Gestalter mit einem

dun klen Diamanten um – eine An spie lung

auf die umgangssprachliche französische

Bezeichnung für den Edelpilz. Um Weih -

nachten und Silvester in einem Symbol

unterzubringen, griffen sie auf den Stern

zurück. Die gefalteten, gerol lten, gestick -

ten und geklebten Papierkunstwerke

foto graierte Zim & Zou und setzte sie auf

Plakaten, Flyern sowie als Speisekarte ein.

Wandelbar

Promikoch Geoffrey Zakarian beauftragte das

New Yorker Designstudio Mucca mit der Cor-

porate Identity für eines seiner Restaurants in

Manhattan. Das Country bietet moderne

Küche mit lokalen Biozutaten, das Interieur

beherrschen originelle architektonische Details

und 1950er-Jahre-Möbel. Da Gäste sich nicht

unwissend in das Spitzenrestaurant verirren,

verzichtete Mucca auf Namen und Signet.

Stattdessen schufen die Designer ein dynami-

sches Logo, das sich aufgrund wechselnder,

sich über lap pen der Buchstabenfor men bei jeder

Anwendung unterscheidet. So entstanden rund

dreißig Zeichen, die zu sätzlich mit Stanzun gen,

Überdruckungen oder Me tal lic tinte verfein ert

sind. Dafür erhielt Mucca ein Certiicate of Typo -

graphic Excellence vom Type Directors Club.

PAGE 01.12036 KREATION Speisekarten

Sammlerstücke

Das Restau rant La Condesa

in Austin ist nach einem hip-

pen Stadtteil von Mexico City

benannt, der von Wandge-

mälden und Grafiti geprägt

ist. Das Flair der Nachbar-

schaft bringt das De sign von

Mucca durch hand gemalte

Typo nach Tex as und bezieht

sich damit auf die Schilder

und Speisekarten an Markt -

ständen und Imbisstheken

von La Condesa. Maskierte

Ringer zieren Zündholz-

schach teln, auf Unterset -

zern prangen bunte Vögel –

beides gilt bei den Kunden

als Sammlerstück. Dank

dem farbenfrohen De sign

wirkt das Restaurant

na türlich und gemütlich.

Vintage Style

Die Schiller’s Bar in New Yorks Lower

East Side setzt auf den Charme alt -

eingesessener, kleiner Familienbetrie-

be. Daher verpasste Mucca dem Lokal

einen Selfmade-Look mit handgemalten

und gestempelten Schriften sowie

Mit arbeiter-T-Shirts mit Erste-Hilfe-An-

leitungen. Die originelle Typograie

mit unterschiedlich großen Buchstaben

und un gleichen Abständen gibt jeder

Karte eine eigene Handschrift – zudem

kann sie jederzeit umgeschrie ben

wer den. Der robuste, unprätentiöse

Stil drückt sich auch im Inhalt aus:

Die Wei ne sind in »Cheap«, »Decent«

und »Good« unterteilt.

PAGE 01.12 037

Interaktiv

Das Kameha Grand in Bonn setzt mit einer iPad-Speise-

karte samt Live-Stream aus der Küche auf die Anziehungs-

kraft der Technik. Die von bent-IT entwickelte App bietet

Fotos der Speisen (ganz oben), Weinempfehlungen

und Informatio nen über das Küchenteam. Dabei dient

die digitale Anwendung als Ergänzung – geordert

wird immer noch beim Personal, um nicht zu anonym

zu werden. Technikpartner Deutsche Telekom zeich-

net für die WLAN-Verbindung und Server sowie für

die HD-Kameras verantwortlich. Die Restau rantkette

LaBaracca setzt dagegen ganz auf das elektronische

Medium: Hier bestellen die Gäste auch über das

Tablet (oben). Den Vorteil sehen die Betreiber vor-

nehmlich in der Selbstbestimmung der Kunden.

Spannungsvoll

Das Hamburger Designstudio weissraum arbeitete bereits

mehrere Jahre mit Tim Mälzer zusammen, als er es enga-

gierte, sowohl Namen als auch Corporate Identity für sein

neues Restaurant zu entwerfen. Wie man weiß, gaben die

Kreativen ihm den Namen Bullerei. Name und gestalterisches

Konzept leiteten sie aus Mälzers Spitznamen »Küchenbulle«,

dem Standort in einem alten Schlachthof und dem umgangs-

sprachlichen Wort für Polizei ab. Letzteres ergab sich aus

der Lage im Schanzenviertel, wo es öfter mal zu Zusammen-

stö ßen zwischen Autonomen und der Polizei kommt. Die

Speise karte macht entsprechend Anleihen bei der Welt der

Ordnungsmacht – sie sieht aus wie ein Aktenordner.

PAGE 01.12038 KREATION Designer als Kuratoren

Der andere BlickWie können Gestalter den Diskurs um das Museum der Zukunft, um Inhalte und Präsentations-

formen von Kunst- und Designausstellungen bereichern? Wir stellen kuratorische Projekte vor

PAGE 01.12 039

Nein, größenwahnsinnig wirkt Bo­ros eigentlich nicht – sondern kunst­begeistert und enorm talentiert, was das Erspüren von kulturellen Trends angeht. Er versteht, wie die Branche tickt, und davon proitiert auch sein Brotjob, das Kommunikationsdesign. Seine Auftraggeber, zum großen

und Printmedien – und sammelt, seit er 18 ist, zeitgenössische Kunst. Um für die Werke von Olafur Eliasson, Damien Hirst oder Wolfgang Tillmans ausrei­chend Platz zu schaffen, hat er mit viel Aufwand auch die ein oder andere Be­tonwand aus dem etwa 3000 Quadrat­meter großen Bunker reißen lassen.

n Auch dreieinhalb Jahre nach Eröff­nung seiner privaten Kunstsamm lung im Reichsbahnbunker in Berlin­Mitte hat Christian Boros als schillern de Ge­stalt im internationalen Kulturbetrieb nichts an Faszination eingebüßt. Der Designer aus Wuppertal gestaltet pu­ristische Erscheinungsbilder, Websites

Wände als Layout: Das Gestalter­ und Verlagsteam von Gudberg arbeitet inmitten der Galerie und lässt sich von der Aura der jungen Kunst inspirieren(Foto: www.henning rogge.de)

PAGE 01.12040 KREATION Designer als Kuratoren040

Coole Location, der Ofline­Ableger der Fine German Gallery: Arbeiten des Künstlers Peter Roesel im sehr überschaubaren, aber räumlich span­nenden Schaufens­ter »Liebäugeln« neben einer Ände­rungsschneiderei

»Little Krimminals« heißt die Typo­ Ausstellungsreihe, die im typischen Berlin­Style zu sehen ist: nämlich im Plattenbau des StudioKrimm an der Spree. Hier: die erste Schau »words and wilder­ness: Agathe de Baillencourt« (Foto: Michael Danner)

PAGE 01.12 041

Teil Kulturinstitutionen wie Theater und Museen, honorieren dies mit Res­pekt und Vertrauen – etwas, um das viele Designer im Kundenkontakt oft kämpfen müssen. Und der Erfolg gibt Boros recht: etwa der Besucherzulauf zu den altbekannten Sammlungsprä­sentationen der Neuen Nationalgalerie in Berlin, seit diese auf seine Empfeh­lung hin eigens beworben werden.

Das geht natürlich auch eine Num­mer kleiner. Der Kommunikationsde­signer Carsten Wolff und der Kunsthis­toriker Dr. Andreas Bee, ehemaliger stellvertretender Direktor des Muse­ums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, betreiben im Netz gemein­sam die Fine German Gallery. Ergänzt wurde diese bis letztes Jahr (und ab 2012 wieder) durch ein Schaufenster in der Frankfurter Innenstadt und ei­ne Ausstellungsreihe mit dem char­manten Namen »Liebäugeln«. So konn­ten Passanten beim Schlendern durch die Stadt die Werke von zeitgenös­sischen Künstlern erkunden.

Kunst auf Augenhöhe mit Konsum­gütern: Das Konzept holt die Kunst vom Sockel und bringt sie in den All­tag – eine geschnitzte Holzpistole des Künstlers Peter Sauerer wurde gar aus dem Schaufenster gestohlen. »Unsere Perspektiven ergänzen sich«, kommen­tiert Carsten Wolff, »Während Andreas durch seinen kunsthistorischen Back­ground und seine Erfahrungen aus der Museumsarbeit geprägt ist, bin ich als Gestalter noch stärker visuell en­gagiert. Ein Galeriefenster, ein Raum, lässt sich ja wie ein dreidimensionales Layout betrachten und gestalten.« Die se intensive Auseinandersetzung mit Kunst nützt Wolff auch im Designerall­tag – seine Agentur Fine German De­sign hat ebenfalls viele Kunden aus der Kulturwirtschaft.

Mit eigenen Ausstellungen geben Gestalter meist einem persönlichen Steckenpferd Raum und sie dienen als Aushängeschild für ein tieferes Kunst­verständnis. Zudem demonstrieren sie eine gestalterische Haltung, sind Ort fürs Netzwerken und zur Weiterent­wicklung der eigenen Gestaltungskom­petenzen. Jan Müller­Wiefel eröffnete seine Galerie in Hamburg bereits wäh­rend des Studiums. »Mir reichten Auf­tragsarbeiten einfach nicht. Die Gale­rie als Raum für freie Arbeiten bietet

mir einen Spielplatz zum Austoben«, erklärt der Kommunikationsdesigner, der unter dem Namen Gudberg auch ein Büro für visuelle Kommunikation und einen Kunstbuchverlag betreibt – alles in einem Raum. »Ich brauche beim Arbeiten Inspiration, Leben und Bilder um mich herum.«

Was in seiner Galerie ausgestellt wird, entscheidet Jan Müller­Wiefel in­tuitiv: »Ich zeige, was ich im Grenzbe­reich zwischen Kunst und Graikdesign für gut, inspirierend und innovativ halte.« Gegenwärtig sind das Arbeiten von Fabian Knöbl, von dem bei Gud­berg auch ein Fanzine erschienen ist. Die Hängung ist editorialartig und spannungsreich­narrativ, vom Künst­ler eigenhändig aufgemalte Zitate zie­ren die Wände über den Bildern. Auch viele Kunden empinden das Konzept als anregend, so Müller­Wiefel.

Barbara Krimm wiederum verwan­delt ihr Studio in Berlin von Zeit zu Zeit in eine temporäre Galerie. Mit der Reihe »Little Krimminals. Die Kunst der Typograie« hat sich die Berliner Kom­munikationsdesignerin dieses Jahr, ge­meinsam mit der Kunsthistorikerin Ju­lia Rosenbaum, einen Traum erfüllt – kleine Ausstellungen, die Arbeiten an der Schnittstelle von Kunst und Typo­graie zeigen: Zeichnungen, Graik­ und Sounddesign sowie interaktive Perfor­mances. »Zum einen will ich nicht im­mer nur der Dienstleister sein. Zum anderen bringt mich die Beschäfti­gung mit Typograie und die Recher­che für unsere Ausstellungen auch in meiner Designarbeit weiter. Als Neben­effekt erhoffe ich mir Öffentlichkeit«, erklärt Krimm. In der Zusammenar­beit mit Julia Rosenbaum übernimmt sie den emotionaleren Part und lotet die Grenzen der Disziplinen aus – von Gestaltern kuratierte Ausstellungen be l egen eben auch ihre Arbeitsweise.

Der Begriff des Kuratierens wird al­lerdings inzwischen inlationär für so ziemlich jedes Auswählen und Zusam­menbringen von Bildern, Gebrauchs­waren oder theoretischen Positionen verwendet. Redakteure, Special­Inte­rest­Buchhändler, Möbelproduzenten und eben auch Gestalter schmücken sich gern mit dem Kuratoren­Titel – Letztere möglicherweise auch auf der Suche nach Anerkennung ihres Berufs­stands, dem noch immer das Stigma des bloßen Schönmachens anhaftet.

Auf der anderen Seite indet tatsäch­lich ein Umdenken im Museums­ und Ausstellungswesen statt, das sich zu­nehmend für andere Disziplinen öff­net. Diese Tatsache dürfte dem wirt­schaftlichen Druck, aber auch dem wachsenden Interesse unserer Infor­mationsgesellschaft an spannend und mul timedial aufbereiteten Sachinhal­ten geschuldet sein. Das verlangt Aus­stellungsmachern nicht nur Aufmerk­samkeit für die Inszenierung ab, son­dern auch starke Thesen sowie neue Pers pektiven, die im reichhaltigen Kul­turangebot herausstechen.

Hier kommen Gestalter ins Spiel. »Als Designer richte ich den Blick aufs Ganze, betrachte Objekte in ihrem Kontext und beziehe ihre Geschichte mit ein«, sagt Konstantin Grcic, der be­reits einige Ausstellungen, etwa für die Londoner Serpentine Gallery, ku­ratorisch begleitet hat. »Das Auswäh­len von Objekten und das Aufspüren von neuen Zusammenhängen – auch von Dingen, die auf den ersten Blick gar nicht zusammengehören – gehört zum natürlichen Prozess des Gestal­tens. Und der hat im Kern etwas Sub­jektives, Leichtfüßiges, das auch die Konzepte guter Kuratoren auszeich­net.« Ausstellungen aus Gestaltersicht demonstrieren allerdings stärker den Blickwinkel der eigenen Praxis als eine übergeordnete, objektivierende Sicht­weise, so der Industriedesigner. »Wenn allerdings fünf zeitgenössische Gestal­ter eine Designausstellung kuratieren, erhält der Besucher einen guten Über­blick über die aktuellen Perspektiven und Tendenzen.«

Zuletzt hat Konstantin Grcic die Ausstellung »Black2« im Istituto Sviz­zero in Rom kuratiert, die das schwar­ze Rechteck zum Thema hat – eine von der islamischen Kaaba über chi­nesische Keramik und Malewitschs »Schwarzes Quadrat« bis hin zum ak­tuellen Produktdesign symbolisch auf­geladene Form. Die Inszenierung die­ser auf den ersten Blick unbeküm­merten, sich über Einordnungen wie Kunst oder Design hinwegsetzenden Zusammenstellungen fällt dabei er­staunlich schlicht aus – ganz so als wolle Grcic der Wirkung ihrer tieferen Zusammenhänge Raum geben. Kein neues Konzept übrigens: Diese Art mo­derner Wunderkammern inden sich bereits in den Ausstellungen des be­rühmten Architekten, Designers und

PAGE 01.12042 KREATION Designer als Kuratoren

Die Schriftengalerie Mota Italic in Berlin

leiten Sonja und Rob Keller. Der Studio­

und Galerieraum sorgt für Leben im Büro­

alltag der beiden und ist Treffpunkt für

Gestalter und Typo­grafen. Hier im Bild:

die erste Schau im Frühjahr »Capital:

Berliner Buchsta­ben«. In der aktuellen

Ausstellung geht es um Frakturschriften

Konstantin Grcic gestaltet Aus­ stellungen ebenso zurückhaltend wie seine Produkte. Das Konzept zur Schau »Black2« im römischen Istituto Svizzero aber ist spannend und reich­haltig an neuen Perspektiven und Zusammenhängen (Foto: Salvatore Gozzo, Courtesy Isti­tuto Svizzero, Rom)

PAGE 01.12 043

Künstlers Le Corbusier, der Möbel und Interieurs neben Kunstwerken und exotischen Objekten außereuro­päischer Kulturen präsentierte.

Kuratorische Praxis bedeutet natür­lich immer noch in erster Linie, fun­dierte Konzepte zu entwickeln, kultu­relle Phänomene und ihre Protago­nisten umsichtig zu bewerten. Dazu gehört das Einordnen in soziokultu­relle und historische Kontexte mit wis­senschaftlichem Ernst, das Ergründen und Belegen neuer Zusammenhänge. Das müssen Designer jedoch gar nicht im Detail beherrschen. Mit ihrer for­schend vorwärtsgerichteten Neugier, der Fähigkeit, spielerisch experimen­tierend zu Lösungen zu gelangen und einer gewisser Respektlosigkeit gegen­über Konventionen können sie den kuratorischen Prozess ergänzen und die traditionell eher hierarchischen, vielfach starren Strukturen der Muse­umswelt aufbrechen.

So lieferten Designmuseen in letz­ter Zeit interessante Positionen – we­niger in der Präsentationsform als tat­sächlich in den kuratorischen Pers­pektiven: etwa das MARTa Herford mit seinen Ausstellungen zwischen Kunst und Design oder das NRW­Forum mit Experimenten zwischen On­ und Off­line­Format. Das Vitra Design Museum setzte mit der Schau »Rudolf Steiner. Die Alchemie des Alltags« den umstrit­tenen Lebensphilosophen in einen kul­turhistorischen Kontext mit den kre­ativen Strömungen seiner Zeit, aber ebenso – durchaus gewagt – mit ak­tuellen Künstlern wie Olafur Eliasson oder Konstantin Grcic. Und in der ge­rade beendeten New Yorker MoMa­Ausstellung »Talk To Me« ging es nicht um ästhetische Parameter von Design, sondern vielmehr um den kommuni­kativen Aspekt der Mensch­Maschine­Interaktion, die die Besucher anhand von Computerspielen, Bahnautomaten und an deren digitalen Interfaces di­rekt ausprobieren durften. Möglicher­weise ist dieses intuitive Erfassen von Mustern, Strukturen und Zusammen­hängen eine zeitgemäßere Form der Museumsdidaktik als das dekorative Inszenieren historischer Fakten – je­denfalls passt es zu einer Kultur, die, etwa in der Designforschung, den Er­kenntnisgewinn durch die Auseinan­dersetzung mit dem materiellen Ob­jekt zunehmend ernst nimmt. wl

n An Kreativen-Stammtischen in den Szenekneipen Berlins wird schon lan­ge hitzig diskutiert, was der Rat für Formgebung nun in die Tat umsetzen will: ein Deutsches Design Museum in der Hauptstadt. Dazu trafen sich im Sommer bei der Frankfurter Design­institution Galeristen, Designer, Künst­ler, Philosophen und Unternehmer wie Bazon Brock, Konstantin Grcic, Rafael Horzon und Tobias Rehberger, um zu diskutieren, wie sich Design als noch junge Leitkultur ausstellen lässt. Be­merkenswert: In der Runde war nur ein einziger Kurator, Dr. Martin Roth, der neue Leiter des Londoner V&A Museum. Das ist durchaus ein State­ment: »Uns war es wichtig, verschie­dene Positionen einzubeziehen, auch die von Querdenkern. Schließlich ist Design eine schnelle Disziplin – muss es also nicht mitten im Leben stattin­den?«, so Lutz Dietzold, stellvertre­tender Geschäftsführer des Rats für Formgebung. Die Stiftung macht sich nun für ein Deutsches Design Museum stark, das sich von verschlafenen Kunst­gewerbemuseen abheben soll.

Von Anfang an dabei war Christian Boros’ Designagentur – ursprünglich­eingeladen, am Pitch für das Erschei­nungsbild des geplanten Museums teil­zunehmen. Bei der Präsentation trat Boros mit leeren Händen vor die Auf­traggeber. »Präsentationspappen be­deuten Lösungen. Ich wollte erst ein­mal Fragen aufwerfen«, erklärte er. Mehr als Kunstliebhaber denn als De­signer empfahl er, zunächst in ein in­novatives Konzept zu investieren und die Entwicklung des Erscheinungsbilds zu vertagen. Erst durch ihn kam der Round Table mit Protagonisten aus der Kreativ­ und Kulturszene zustan­de, um zu klären, was ein Designmu­seum heute leisten muss. »Museen können nicht mehr Endlager für Kul­turprodukte, sondern müssen leben­dige Diskursplattformen sein«, argu­mentiert Boros. »In einem Designmu­seum geht es weniger um den visu­

ellen Reiz der Dinge als um ihre Ein­bettung in den gesellschaftlichen Kon­text.« Und braucht ein Designmuseum überhaupt eine Sammlung? Ist ein Mu­seum der richtige Ort für Designaus­stellungen? Lässt sich Design, das auch immer in seinem Nutzungskontext be­trachtet werden muss, überhaupt auf einem Sockel adäquat präsentieren?

Warum nicht einfach eine Art lexi­ble Kunsthalle ins Leben rufen? Der Berliner Allzweck­Kreative Ra fael Hor­zon schlug als Architekturkonzept sehr großspurig und medienwirksam einen blasenartigen Glasbau auf dem Platz des ehemaligen Berliner Schlosses vor. Jemand fragte daraufhin vorsichtig, ob Concept Stores nicht die Museen der Zukunft seien. Eine Sammlung hielten viele in der Runde für nicht so wichtig. Vielleicht erst in der Gegen­wart mit dem Sammeln beginnen, al­so dann, wenn Design noch günstig erhältlich ist? fragte Boros. Warum nicht Leihgaben aus den großartigen Sammlungen der Kunstgewerbemu­seen nutzen und selbst als katalysa­torartiges Präsentationsforum auf tre­ten? so Konstantin Grcic. Neben den ideellen Motiven wird hier die Frage nach der Finanzierung des ambitio­nierten, aber noch sehr luftigen Pro­jekts deutlich, das als Stiftung intensiv Unterstützer sucht.

Erstaunlich konkrete Ideen lieferte Andreas Uebele. Sein Interesse de­monstrierte der Stuttgarter Kommu­nikationsdesigner in handgekritzelten Randbemerkungen, mit denen er die Museumszeitung, ein Printmagazin im Zeitungsformat aus dem Hause Boros, versehen hatte. Uebele fotograierte das Exemplar und dokumentierte es auf Facebook. Gefragt, was ein Design­museum leisten müsse, antwortet er: »Die Debatten im Design durch ex­treme Positionen, aber auch Design­grundlagen befördern.« Dafür muss zunächst deiniert werden, was über­haupt Design für ein Museum be­

Raum für FragenDer Rat für Formgebung hat ein Projekt zur Entwicklung

eines Designmuseums in Berlin gestartet.

Die emotionale Debatte zeigt: Bedarf ist vorhanden

PAGE 01.12044 KREATION Designer als Kuratoren

deutet – Industrie­ und Möbelde­sign? Mode und Architektur? Die in deutschen Museen bislang stiefmüt­terlich behandelten Bereiche Graik und Werbung? Man unterschätze die Öffentlichkeit, meint Uebele, wenn man ihr etwa typograische Detailthe­men vorenthalte: »Auf die Erik­Spie­kermann­Ausstellung in Berlin etwa wurde ich von enorm vielen Nicht­Kre­ativen begeistert angesprochen.«

Sein Vorschlag für eine zeitgemäße Designausstellung: auch die Hinter­gründe wie Markt­ und Produktions­voraussetzungen und das Brieing of­fenlegen. Designprozesse lassen sich aufgliedern in Formindung und Tech­nik, Marketing und Budget, Vorent­wurf und inales Ergebnis. Und ihm geht es um die soziale Relevanz von Design. »Unser Leitsystem für das Kli­nikum Offenbach ist auch deshalb so bunt und visuell, weil es in der Stadt einen hohen Ausländeranteil ohne Deutschkenntnisse gibt. Das ist doch eine interessante Tatsache, die aber in der Berichterstattung über das Pro­jekt nie zur Sprache kam.«

Diese Herangehensweise erfordert von Kuratoren eine hartnäckige Re­cherche und breites Wissen – über Kunst, Handwerk, Technik und Wer­bung, über Ästhetik und Wirtschaft, über zwei­ und dreidimensionale Ge­staltungsprinzipien. An dieser Stelle können sich Designer in Zukunft als wichtiger Bestandteil eines interdiszi­plinären kuratorischen Teams positio­nieren, um die kulturhistorische For­schung mit ihrem technischen und ge­stalterischen Know­how zu ergänzen. Möglicherweise führt eine derartige Transparenz letztlich zur Entzaube­rung von Design, aber vielleicht trägt der Diskurs auch dazu bei, der Grenz­gängerposition des Gestalters zwi­schen Kunst und Kommerz, zwischen menschlichen Bedürfnissen und Pro­duktionsbedingungen mehr Respekt entgegenzubringen.

Offen bleibt bei all den Debatten, den temporären Architektur­ und Samm­lungsideen, welche Relevanz das his­torische Einordnen in einem Design­museum hat – gerade auch angesichts der Schnelllebigkeit des Sujets. »Ich kann nicht nach vorn blicken, ohne nach hinten zu schauen«, sagt Lutz Dietzold. Tatsächlich gebe es im De­sign kontext noch ein Manko an Theo­rie und Forschung – doch dafür dürfte die enge Verzahnung mit Hochschu­len, wo die theoretische Auseinander­setzung mit Design zunehmend an Be­deutung gewinnt, einen Lösungsan­satz bieten. Auch wenn der Verzicht auf eine Sammlung einem Museum Gestaltungsfreiraum verschafft, ist zu bedenken, wie eine solche Institution nicht nur zur lüchtigen Diskursplatt­form auf der Suche nach dem nächs­ten Designtrend wird, sondern auch ein Ort der Entschleunigung und der Relexion im Spannungsfeld zwischen Geschichte und Zukunft bleiben kann. Denn gerade weil Design so eng in wirt­schaftliche Prozesse eingebunden ist, muss langfristig – ob mit oder ohne Sammlung – ökonomische Unabhän­gigkeit und wissenschaftliche Freiheit gewährleistet sein.

Bisher gibt es zum Deutschen De­sign Museum nur eine Website, die Zeitung zur Debatte und einen Face­book­Auftritt. Hier wird zum Dialog aufgefordert, der aber nicht so recht in Gang kommen will – an dieser Stel ­le dürfte der Rat für Formgebung die Kommunikationskompetenzen seiner Designer ruhig stärker ausnutzen. Als nächster Schritt ist für Frühjahr eine Konferenz oder Ausstellung geplant. Ob diese frühzeitige Einbeziehung der Öffentlichkeit dem Museumskonzept guttut oder eher schadet, muss sich zeigen – jedenfalls dürfen wir gespannt sein, ob es bei medienwirksamen De­batten bleibt oder ob das Designmu­seum tatsächlich an Kontur gewinnt. Auch wenn quasi alle Fragen offen zu sein scheinen: Dem Rat für Formge­bung sei Respekt dafür gezollt, mit sei­nen Ideen die Kreativbranche mal wie­der in Bewegung zu bringen. Nun soll­ten sich die teilnehmenden Macher auf die Herausforderung besinnen, die das kuratorische ebenso wie das gestalte­rische Arbeiten ausmacht: Die Aus ein­andersetzung am konkreten Objekt und nicht im antiseptischen Theorie­raum stattinden zu lassen. wl

»Geile Typo, Alta« – Andreas Uebele vom büro uebele ließ es sich nicht nehmen, die Statements zum Deutsches­Design­Museums­Projekt sympathisch respektlos im dazugehörigen Magazin handschriftlich und im Chat­Slang zu kommentieren

PAGE 01.12046 KREATION London International Awards 2011

UnfallverhütungDie London International Awards liefern einmal mehr jede Menge Inspiration

Ups, ehe man sich

versieht, ist es

schon passiert.

Um allzu sponta-

nen Sex zu ver-

hindern, ersann

Grey Worldwide

in Düsseldorf für

MTV die Kam-

pagne »Sexidents«

mit dem Claim

»Sex is no acci -

dent. Always use

a condom«

PAGE 01.12 047

n Auszeichnen um des Auszeichnens

willen – das kommt bei den London

International Awards nicht in die Tüte.

Gibt es keine wirklich herausragende

Arbeit, gibt es auch keinen Grand Prize.

So wurde dieses Jahr lediglich in drei

der dreizehn Kategorien die höchste

Auszeichnung verliehen, beim Package

Design gab es nicht einmal Gold-, Sil-

ber- oder Bronzegewinner. Auch man-

gelnde Fle xi bilität kann dem Wettbe-

werb nicht vorgeworfen werden. Der

Film »The Greatest Movie Ever Sold«

von »Super Size Me«-Macher Morgan

Spurlock, der humorvoll-zynisch auf-

deckt, wie die Mechanis men der Wer-

bung in Filmproduktio nen funktionie-

ren, und der sich selbst durch Werbung

und Product-Placement inanzierte,

war schon in die Krimskrams-Katego-

rie The NEW einsortiert worden. Aber

auch hier passte er nach Meinung der

Jury nicht wirklich. Also wurde lugs ei-

ne neue, einmalige Auszeichnung ge-

schaffen: »The Greatest Award Ever

Sold«, inanziert von LIA-Sponsoren.

Welche anderen Arbeiten der Jury

eine goldene, silberne oder bronzene

Statue wert waren oder es zumindest

auf die Shortlist schafften, das können

Sie auf www.liaawards.com sehen. Neh-

men Sie sich ein bisschen Zeit dafür, viel-

leicht am nächsten verregneten Sonn-

tagnachmittag? ant

Autsch!

Wem das

Modell,

das hier

mit 12

Stunden-

kilometern

auf den

Boden

knallt, leid

tut, kann

ja nur noch

vorsichtig

fahren.

Starke Idee

von DDB

aus Bue-

nos Aires

Jan Pautsch, Unitleiter Kreation

bei Aperto AG in Berlin, saß in der

Digital-Jury

In der Kategorie Digital gab es keinen

Grand Prize. Waren denn einige

Arbeiten zumindest dicht dran?

Jan Pautsch: Bereits im pre-judging

process wurde klar, dass sich in die -

sem Jahr kein absolut herausragender

Case unter den Einreichungen bein-

det. Trotzdem fand ich das allgemein

hohe Niveau sehr beeindruckend. Eini -

ge Arbeiten deinieren die Grenzen des

Mediums neu und liefern dabei gleich-

zeitig großartige Unterhaltung. 

Wie viele Einsendungen mussten Sie

sich ansehen?

Im Vorfeld galt es, über 800 Arbeiten zu

bewerten. Mit einer Minute Aufmerk -

samkeit pro Beitrag wäre ich bereits

anderthalb Tage nur mit dem Ansehen

von Einreichungsilmen beschäftigt ge -

wesen! Weil die Bandbreite aber von

vielschichtig inszenierten Social-Media-

Kam pagnen über Tools und Apps bis

zu digitalen Inszenierungen im Raum

reichte, bedeutete das im Detail: Ein-

reichungsseite mit Film und Text ver-

stehen, Landing Page aufrufen, App

laden und ausprobieren, Social-Me-

dia-Feeds auf tatsächliche Relevanz

und Echo prüfen. Ein extrem zeitinten-

siver, aber auch ein lehrreicher Job. Es

zeigte sich, dass die Kategorie Digital

zu allgemein ist, um die verschieden-

artigen Projekte und technologischen

Plattformen fair gegeneinander antre -

ten zu lassen. Hier würde ich mir diffe-

renziertere Kategorien wünschen.

Haben Sie Trends entdeckt?

Es gibt eindeutig einen globalen Robo -

tertrend, und iAds sind stark im Kom-

men. Nein, im Ernst: Social Media als

In frastruktur für Kampagnen dominier -

te natürlich, wobei wirklich spannen-

de und involvierende Geschichten eher

selten waren. Bemerkenswerte Aus-

nahme: die von AMV BBDO entwickel-

te »Who Killed Deon?«-Kampagne für

die Londoner Metropolitan Police, die

Teenager mittels interakti ver Filme auf

Facebook mit dem hochaktuellen The-

ma Gang-Gewalt konfrontiert.

PAGE 01.12048 KREATION London International Awards 2011048

AMV BBDO entwickelte für die Londoner Metropolitan Police die Kampagne »Who Killed Deon?«,

die Teenager mittels interaktiver Filme auf Facebook mit dem Thema Gang-Gewalt konfrontiert

Götz Ulmer, Geschäftsführer Kreation

bei Jung von Matt/Alster, jurierte

gleich vier Kategorien: Non-Traditional,

Print, Poster und Billboard

Was ist so besonders an Samsonites

»Heaven & Hell«- Kampagne (siehe

PAGE 11.2011, Seite 40 f.), dass Sie ihr

einen Grand Prize verliehen haben?

Götz Ulmer: Das war ich nicht. Ich

wurde von den anderen Jurymitglie-

dern überstimmt. Die Arbeit ist hand-

werklich exzellent, aber mein Herz

schlug eher für die Kampagne von

Y&R Buenos Ai res für das Hustenmedi-

kament Tabcin.

Was trieb da Ihren Herzschlag hoch?

Sie ist ohne Schnörkel. Auf den Punkt.

Genial. Und kein Fake.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Die singuläre, perfekt gestaltete und

umgesetzte Markenwebsite hat nach

wie vor ihre Berechtigung. Es ist nur

schwerer denn je, über den rein hand-

werklichen Aspekt hinaus, aus der Mas -

se herauszustechen. Und: Das Medium

Einreichungsilm, in dem die Agentu-

ren ihre Arbeit der Jury präsentieren,

mutiert selbst schon fast zu einer

eige nen Wettbewerbskategorie. Die

Case-Filme werden von den Award-Ab -

teilungen der Agenturen immer auf-

wendiger produziert und verstellen

häuig den Blick auf die tatsächliche

Qualität der Arbeit. Hier bleibt es die

Aufgabe der Jury, das Produkt selbst

zu testen und es nicht über seine Be-

werbung zu bewerten. Vielleicht wür-

den neue Einreichungskonzepte der

Branche guttun.

Welches war Ihre Lieblingsarbeit?

Einer meiner ganz persönlichen Favo-

riten aus der Kategorie Digital ist das

»IKEA e-Folder Set«, das Laboratory

Ideas aus Budapest für IKEA Ungarn

umgesetzt hat. Denn es beweist, dass

eine gute Idee nicht zwingend auch ei-

ne aufwendige Techno logie zu ihrer

Realisierung erfordert. Und: Diese Ar-

beit besitzt in ihrer logi schen Einfach-

heit beinahe schon wieder einen ana-

logen Esprit.

Wer seinen Arbeitsplatz mit Klos, Knodd und Pappis bestückt hat, kann jetzt auch auf

seinem virtuellen Schreibtisch IKEA-like Ordnung halten. Laboratory Ideas aus Budapest

kreierte das »e-folder Set«, das aus einem Schreibtischhintergrund als Expedit-Regal

und einer Reihe von Icons im IKEA-Look besteht

Nike und R/GA machen Kinder glücklich. Im »Film Room« konnte der Basketball-Nachwuchs die

typischen Schritte seiner Idole üben. Mit HD-Kameras aufgezeichnet, in einzelne Frames

zerlegt und als personalisierte Poster gedruckt, durfte jedes Kind sein Exemplar mit nach Hause

nehmen und neben Bildern von Danny Granger, Dirk Nowitzki und Co aufhängen

PAGE 01.12 049

Bei einem wichtigen Tennismatch stört ein Hustenanfall gewaltig. Mit Mosaiklayout und dem Claim »The discomfort is

not only yours« wirbt Y & R Buenos Aires sehr erfolgreich für Bayers Hustenmedikament Tabcin

Für die schwedische Sea Rescue Society entwickelte Forsman & Bodenfors die App Sea Weather mit eigens gestalteten

Wettericons. Diese sagt nicht nur das Wetter für die momentane Position vorher, sondern mit ihr lässt sich auch

simulieren, wie sich das Meer bei verschiedenen Wetterbedingungen verändert. Der Anblick der Wellenhöhe bei auf kom -

mendem Wind mag manchen Hobbysegler überzeugen, doch lieber im Hafen zu bleiben

PAGE 01.12050 KREATION London International Awards 2011

Das klingt zwar etwas kitschig, aber

dieses Ding entfachte mein Feuer für

Print wieder neu. 

Was gab es sonst zu entdecken?

Ohne QR-Code traut sich mittlerweile

keiner mehr aus dem Rechner. Wäh-

rend die Frak tion der Photoshop-Ma-

gier sich derweil in immer ebenenge-

sättigtere Infernos friemelt.

John V Willshire gründete im Sommer

sein One-Man-Studio Smithery. Er war

Jurymitglied in der Kategorie The NEW

Was kann ich mir unter der The NEW

Category vorstellen?

John V Willshire: Das ist nicht ganz

leicht zu deinieren. Arbeiten, die auf

eine neue Art Geschichten erzählen,

die das Verhalten der Menschen ver-

ändern und für eine bessere Zukunft

eintreten, gehören hier hinein. Jury-

präsident Faris Yakob hat es einmal so

formuliert: »Dies ist die Kategorie für

all das, was nicht in die anderen Kate-

gorien passt. Abweichungen, die viel-

leicht die DNA zukünftiger Werbespe-

zies in sich tragen.«

Womit hat sich die »American Express

Open«-Kampagne von CP+B einen

Grand Prize verdient?

Sie gab uns das Vertrauen zurück, dass

die Werbeindustrie doch noch weltbe-

wegende Ideen entwickeln kann. Klei-

ne Geschäftsleute und Giganten wie

Google zusammenzubringen, um den

Fokus auf den wirtschaftlichen Erfolg

kleinerer Geschäfte zu lenken, ist nicht

nur brillant, es funktioniert auch. Die-

ses Jahr wird die Kampagne in größe-

rem Maßstab neu aufgelegt, und das

ist wohl der ultimative Beweis gu ter

Arbeit: Wenn der Kunde sagt: »Lass uns

das noch mal machen, aber ein biss-

chen größer.«

Und Ihr persönlicher Favorit?

Neben »American Express Open« vor

allem »The Film Room«, von R/GA New

York für Nike entwickelt. Die Kampag-

ne bietet eine Menge cooler und cle-

verer Technologie, ein nationales Netz-

werk für aufstrebende Basketball-

Youngsters, und es gab ein tolles Event.

Vollbärte sind in – gar nicht gut für die Hersteller von Rasierern. In dem Buch

»Million Emotions« visualisiert BBDO New York für Gillette humorvoll,

dass Bärte echte Nachteile haben: Denn der Protagonist sieht immer gleich

aus – egal, ob er gerade traurig ist oder den Jackpot gewonnen hat –, lässt

doch die starke Gesichtsbehaarung keinerlei Mimik erkennen

PAGE 01.12 051

Aber was mich wirklich berührte, ist

das Poster: Während des World Basket -

ball Festival in New York im letzten

Sommer kreierte R/GA »The Film

Room« – halb Basketball-Court, halb

Greenscreen. Kinder konnten dort die

komplexen Bewegungen von Basket-

ballstars üben. Ihre Schritte wurden

mit HD-Kameras aufgezeichnet, in ein-

zelne Frames zerlegt und als persona-

lisierte Poster gedruckt. So konnte je-

des Kind das Poster mit nach Hause

nehmen und neben sein Idol hängen.

Ich kann mir nicht mal annähernd vor-

stellen, wie viele Jahre diese Poster dort

hängen werden oder wie oft die Kin-

der sie anschauen und sich erinnern

werden, wer sie für sie gemacht hat.

Richard Bates, Chief Creative Oficer

von The Brand Union in New York,

bewertete Arbeiten in den Kategorien

Design und Package Design

Im Package Design gab es nicht mal

Gewinner. Waren die Verpackungen so

schlecht?

Richard Bates: Es gab schon einige

gute, intelligente Packagings, aber das

waren durchweg Line Extensions der

Gewinner des letzten Jahres. Deshalb

entschieden wir uns, keinem der Fina-

listen eine Statue zu verleihen.

Konnten Sie in der Designkategorie

Trends ausmachen?

Es gab einen erheblichen Zuwachs an

Einsendungen von temporären Aktio-

nen und Events. Da mussten wir dann

bewerten, ob das Design wirklich die

treibende Kraft des Konzepts war, die

große Idee hinter dem Event.

Erinnern Sie sich an eine besondere

Arbeit?

Ich erinnere mich an eine Kampagne,

die für Diskussionen sorgte. Es ging um

die Verpackung und Vermarktung von

baby carrots. Die Agentur CP+B steck-

te sie in Tüten, die nach Junkfood aus-

sehen, um ge mü seresis tente amerika-

nische Kinder und Erwachsene zum Ver-

zehr gesunder Snacks zu bringen. Die

Emotionen der Jury reichten von Fas-

zination bis zu totaler Ablehnung.

Geniale Idee oder Volksverdummung? An dieser Kampagne von CP+B erhitzten sich die

Gemüter der Jury. Die Kreativen hatten Möhrchen so verpackt, dass sie nach Junk -

food aussehen. So sollten sich Chips-Konsumenten für gesunde Snacks begeistern

Alle Tiere in dieser Wimmelbild-Baumschei-

ben-Illustration tummeln sich im Regen -

wald auf vier Quadratmeilen. Wäre doch schön,

wenn es so bliebe. Dafür wirbt DDB Singa pur

im Auftrag der Animal Concerns Research & Edu -

cation Society (acres). Tolle Idee, brillant aus ge-

führt. Keine Ahnung, warum es dafür nur Bronze gab

PAGE 01.12052 KREATION Brand Adaptation

Picknick im Autohaus Brand Adaptation erfordert weniger das Erlernen eines fremden visuellen ABC als vielmehr Offenheit

für kulturelle Unterschiede. Wir zeigen, wie sich Marken für China, Russland oder die USA anpassen lassen

PAGE 01.12 053

interpretiert«, fasst Mayer-Johanssen zusammen. »Wichtig ist, den Kern der Markenwerte im Fokus zu behalten.«

Was der kleinste gemeinsame Nenner einer Marke ist, der über alle Märkte hinweg vermittelt werden soll, hängt vom Produkt, seiner Bekanntheit, dem tatsächlichen und dem gewünschten Image ab. VW steht für hochwertige deutsche Ingenieursarbeit, was das klare Erscheinungsbild auch in China kommuniziert. Als bekannter Global Player konnte es sich die Marke leis ten, sich mit nüchtern-reduziertem Design deutlich vom bunten Waren- und Wer-beuniversum Chinas abzusetzen – was eben nicht gerade dem lokalen Ge-schmack entspricht.

MetaDesign verantwortete eben-falls die Anpassung des Auftritts von Fisher + Paykel, eines Küchengeräte-herstellers aus Neuseeland. Bei der Marktanalyse hatten die Kreativen fest-gestellt, dass die Produkte aufgrund der starken Konkurrenz keine Chance im chinesischen Massenmarkt haben, und so fasste man den Entschluss, sie dort im Luxussegment neu zu positio-nieren. Entstanden ist ein komplett

n Um die Kunden nicht durch die Pforten des Todes zu schicken, wur-den die üblicherweise weißen Türen der VW-Autohäuser in China durch Metalltüren ersetzt. Denn Weiß – bei uns Symbol für Fortschritt, Sauber-keit, Fröhlichkeit – gilt in China als Farbe der Trauer und des Todes. Seit sich die Märkte weltweit öffnen, ler-nen Kreativagenturen, Markenauftrit- te nicht nur verbal, sondern auch visu-ell und medial in die Sprache anderer Kulturen zu übersetzen. Längst hat sich ein Bewusstsein für die unterschied-liche Bedeutung von Farben etabliert, und immer seltener sorgen Missge-schicke bei der Adaption von Brands, ihren Slogans und Medien für Lacher – wie beispielsweise Namen von Auto-modellen, die in anderen Sprachen als üble Schimpfworte gelten.

Worauf kommt es bei Markenadap-tionen in den sich permanent verän-dernden Märkten Asiens oder Osteu-ropas also an? »Auf die Details. Beson-ders symbolhafte Elemente wie Farben und Materialien werden häuig ange-passt«, so Uli Mayer-Johanssen, Chair-woman of the Executive Board bei MetaDesign. Die Pekinger Dependance der Agentur hat die VW-Handels plätze in China geplant – und dabei viel ge-lernt: Traditionell haben natürliche Res sourcen wie Holz, Erde, Wasser und Luft einen großen Stellenwert in China, und die Autohäuser wurden nach Feng- Shui-Prinzipien eingerichtet.

»Zudem mussten wir in der Raum-gestaltung für VW den rasanten Wan-del der asiatischen Gesellschaft ein-beziehen«, erläutert Linda Stannieder, Head of Brand Environments, die lan-ge bei MetaDesign Beijing als Archi-tektin gearbeitet hat. Durch den Wirt-schaftsboom, der sich nun auch ins Hinterland erstreckt, sind viele Chine-sen zu Wohlstand gelangt. Dabei brin-gen sie jedoch im Vergleich mit wohl-habenden Schichten in Europa ein an-

Linke Seite oben:

Die VW Phaiton

Lounge zelebriert

das Material Holz

als in China hoch-

geschätzten Roh-

stoff. Darunter:

Familienpicknick

bei VW – Meta-

Design gestaltete

die wohnlichen

Handelsplätze für

China, wo der

Autokauf zum

Tagesauslug wird

Während der

Amway-Messe-

auftritt im

westlich gepräg-

ten Hongkong

nach unse-

ren Maßstäben

cooler wirkt,

wirbt der Misch-

konzern für

Haushaltswaren

und Kosmetik

in Shanghai, das

sich erst seit

Kurzem öffnet,

mit knalligem

Animations-

charakter, Stern-

chen und Bubbles

deres Verständnis von Luxus mit. Da sie gern mit Familie und Personal ein-kaufen gehen und, wie auf einem Fa-milienauslug, ausgiebig in den Läden verweilen, essen und auch einmal ein Nickerchen halten, sind die VW-Auto-häuser mit großzügigen Lounges so-wie eigenem Sound- und Lichtkonzept ausgestattet. Und weil Luxus sehr stark über eine persönliche, respektvolle An-sprache deiniert wird, die bis hin zum Wissen um die Lieblingsteesorte des Kunden geht, wird großer Wert auf in-dividuelle Kundenbetreuung gelegt.

Auch lokale Eigenheiten der ganz pragmatischen Art haben Einluss auf Designentscheidungen. So liefert lie-ßendes Was ser nach chinesischer Auf-fassung positive Energie, aber auch Raumkühlung im warmen Klima. Die VW-Farbe Weiß ist in China nicht nur wegen ihrer Symbolkraft problema-tisch, sondern auch aufgrund minde-rer Materialqualitäten, Reinigungsge-wohnheiten sowie Witterungsbedin-gungen, die Kunststoffe angreifen und unschön altern lassen. »Marken über-tragen ihr Corporate Design nicht ein-fach eins zu eins in neue Märkte, viel-mehr wird es kulturell angepasst und

PAGE 01.12054 KREATION Brand Adaptation054

bruch, dass die Schweiz als Herkunfts-land des Kaffees auf der Verpackung angegeben ist. »Gerade bei Designbild-welten geht es um gefühlte Images – und es ist nicht unser Job, den Konsu-menten zu bekehren.«

Wie wichtig eine gründliche Markt-analyse ist, demonstriert die Anpas-sung der Farbenmarke Alpina für den osteuropäischen Markt. Während Wän-de in Deutschland meist weiß gestri-chen sind, werden sie in viele anderen Ländern als Teil des Wohnerlebnisses bunt gestaltet. Das kakoii-Team um Stefan Mannes recherchierte auf Ba-sis aktueller Studien im Internet, aber auch vor Ort, etwa in polnischen Bau-märkten oder Shopping Malls, sowie mittels Befragungen. Dies ergab, dass Erscheinungsbilder vieler osteuropä-ischer Farbenhersteller an die von Eis-creme erinnern – denn sie werden, so die Analyse, eher als Genussprodukte verstanden. »Bei der Recherche und ihrer Analyse empiehlt sich eine sach-liche, systematische Herangehenswei-se«, betont Mannes, denn »eine Gefahr besteht darin, dass westliche Kreative vor Begeisterung für die fremden Pro-duktwelten das Exotische verkitschend aufgreifen.« Folglich inszenierte kakoii Alpina in einer Lifestylewelt, in der Models in Business- oder Abendklei-dung dynamisch Farbe verspritzen. Zu-dem entstand eine Effektlinie mit Sil-ber- und Betonlook oder irisierendem Glanz – Neuheiten, deren Entwicklung ohne lokale Recherche kaum möglich gewesen wäre.

Die kulturellen Unterschiede kom-men in den Perspektiven, aus denen heraus Geschichten erzählt werden, zum Tragen. Eine Markenadaption der deutschen Traditionsmarke Otto Bock speziell für den US-amerikanischen Markt nahm Edenspiekermann mit der Kampagne »Great Partnerships. Great Stories« vor. Das Konzept des Prothesenherstellers: Die vertrauens-

anderer Markenauftritt mit redu-ziertem Erscheinungsbild und klarer Bildsprache, der inzwischen auch in-ternational für Qualität und Innova-tion steht – die Herkunft Neuseeland rückte dabei in den Hintergrund, weil sie nicht mit speziischen Markenwer-ten verbunden war.

Europäische Produkte verbindet man in Asien mit Qualität, Sicherheit und Umweltbewusstsein«, erläutert Petra Dinter, Senior Architectural Designer bei Uniplan. »Davon zehren unsere Marken. Diese Werte müssen bei Ad-aption erhalten bleiben, sonst geht der speziische ingerprint verloren.« Gerade die 3-D-Kommunikation bietet Spielraum für den schwierigen Spagat zwischen Bewahrung der Markeniden-tität und vorsichtiger regionaler Inter-pretation: »Chinesische Messestände sind meist viel mutiger, emotionaler, dekorativer und narrativer.« Und ob-wohl europäische Markenbilder durch-aus nach Asien gelangen, müssen sie in Alltagsdingen an die lokalen Gege-benheiten angepasst werden. Wäh-rend etwa Citroën in Europa für fran-zösisches Savoir-vivre steht, wirkt die Marke in China eher bieder – weil sie hier insbesondere als Taximarke zum Einsatz kommt. Um auch das Interesse von Mittelstandskunden für Citroën zu wecken, wurde sie mit einer farben-frohen, dynamischen und luftig kon-struierten Messearchitektur verjüngt.

»Ich halte nichts davon, Markenzei-chen durch Ergänzung traditioneller Symbole, etwa einer chinesischen Brü-cke, anzupassen«, meint Petra Dinter. »Es ist sinnvoller, in den Informations-medien Dinge aufzugreifen, die den Menschen vor Ort wichtig sind, zum Beispiel Umweltschutz, und diese auf subtile Weise zu kommunizieren.« Das kann die Darstellung von Natur oder eines blauen Himmels sein, der in Chi-nas Metropolen durchaus nicht immer selbstverständlich zu sehen ist. Oder

das Thema Sicherheit, das auf Messen durch technische Exponate vermittelt wird. Hier lässt sich die Afinität vieler Chinesen zu Technik und spielerischer Nutzung neuer Medien gezielt bedie-nen. »Am Anfang muss die Auseinan-dersetzung mit dem Alltag der Men-schen, ihren Bedürfnissen und Vorlie-ben stehen. Dies sollte anschließend in die Markenkommunikation transfor-miert werden, ohne sich anzubiedern«, so Dinter. Praktisch bedeutet das, den Agenturkollegen vor Ort zu vertrauen, auch wenn ein Design nicht den west-lichen Vorstellungen entspricht – und das Ergebnis dann zum Schluss gestal-terisch leicht zu bereinigen.

Spannend wird es, wenn der regiona -le Look einer japanischen Marke rus-sischen Konsumenten nahegebracht werden soll – und das von einer deut-schen Agentur mit Asien-Expertise. Kakoii mit Sitz in Berlin und Tokio be-treute die Entwicklung einer exklusi-ven Marke für löslichen Kaffee, die sich von den zahlreichen Luxusbrands abheben sollte. »In Russland herrscht eine starke Ablehnung gegenüber in-ländischen Marken – ausgenommen Wodka«, sagt kakoii-Geschäftsführer Stefan Mannes, »und Asien suggeriert Luxus.« Die ersten Entwürfe des Tokio-ter kakoii-Teams kamen beim Kunden und in Fokusgruppentests allerdings nicht besonders gut an. Der Grund: Russische Konsumenten haben – viel-leicht aufgrund der geograischen Nä-he – von Japan eher eine Vorstellung, die China entspricht. Das endgültige Package design erinnert nun mit viel Rot, Schwarz und Metallic an chine-sische Bildwelten. Der Produktname Bushido (»Weg des Kriegers«) ver-weist auf den männlichen Kaffeetrin-ker als Zielgruppe. In Deutschland, so Mannes, würde das Produkt wahr-scheinlich kaum funktionieren, doch dem Erfolg auf dem russichen Markt tut selbst die Tatsache keinen Ab-

Kaffee – das

Lieblingsgetränk

der Samurai?

Entwickelt wurde

die russische

Kaffeemarke

Bushido von der

Agentur kakoii.

Die visuelle Annä-

herung an die

Kundenwünsche

verdeutlicht, dass

man in Russland

eine – aus unserer

Sicht – eher chi-

nesisch anmu-

tende Ästhetik für

japanisch hält.

Die inale Lösung

ist ganz rechts

unten zu sehen

PAGE 01.12 055

volle Beziehung zwischen den Pro-thesennutzern und Orthopädietech-nikern rund um die High-Tech-Knie-prothese C-Leg® wird auf sympathisch-persönlicher Ebene in einer diskreten, authentischen Schwarzweißbildspra-che inszeniert (siehe Seite 56).

Die Anzeigenkampagne wurde un-ter Berücksichtigung der unterschied-lichen Märkte konzipiert. Für den US-Markt wurden Testimonials unter den Patienten und Technikern gefunden, die ihre partnerschaftliche Beziehung beschreiben. Angepasst an die regio-nalen Zielgruppen wurde die emo ti o-nale Ansprache: So erzählt einer der amerikanischen Spots die wahre Ge-schichte eines männlichen Testimoni-als, der einer Frau bei der Beseitigung ihres platten Autoreifens zu Hilfe eilen wollte, dabei von einem anderen Fahr-zeug  angefahren wurde und seine Beine verlor – eine Story, die hierzu-lande vermutlich als zu offen oder so-gar als emotional überladen empfun-den werden würde.

Aus ganz pragmatischen Gründen wird derzeit auch das Otto-Bock-Logo geändert: Weil es, in alter Sütterlin-

schrift gehalten, in amerikanischen, asiatischen und arabischen Märkten nicht mehr lesbar ist, entwickelte Edenspiekermann in Anlehnung an die exklusive Hausschrift Otto Bock Sans einen neuen Schriftzug. Um je-doch nach wie vor die Werte Qualität und Traditionsbewusstsein beizube-halten, wurde er mit einem Siegel ver-sehen, das das alte Logo darstellt.

Wie in der Markenkommunikation ge-nerell geht es bei der crosskulturellen Brand Adaption mehr und mehr um den Dialog mit Konsument und Mit-arbeiter. Wie das aussehen kann, zeigt Edenspiekermann mit der Entwicklung des »Diesel Magazine« – einer Zeit-schrift für den Geschäftsbereich Die-sel Systems von Bosch für die interne Konzernkommunikation. Damit will die Stuttgarter Firma die Identiikation ih-rer fast 60 000 Mitarbeiter in 15 Län-dern mit dem Unternehmen stärken und Vernetzung schaffen. »Unsere Aufgabe ist weniger die Differenzie-rung von Designdetails als die Einbin-dung und Vernetzung der Mitarbei-ter«, erklärt Christian Hanke, Design-

direktor bei Edenspiekermann. Re-dakteure der internationalen Diesel-Systems-Standorte berichten hier über den Alltag der Mitarbeiter, beispiels-weise die Eigenheiten der Küchen in Indien, Singapur, China, Italien oder Tschechien. Besonders beliebt sind auch die Infograiken, die Auskunft geben über den Frauenanteil in den internationalen Dependancen, oder über den Fleischverzehr in den Kan-tinen, der, ganz klischeemäßig, trotz kleiner Belegschaft in Brasilien gigan-tisch ist im Verhältnis zu dem der grö-ßeren Standorte anderswo. Mit diesen Alltagsinformationen wird das Unter-nehmen in seiner Diversität lebendig.

Die Tendenz zur emotionalen Insze-nierung gilt es auch in der Kommuni-kation mit dem Auftraggeber zu be-achten: Bei Uniplan werden Präsen-tationen in China deshalb bilingual abgehalten – im Gegensatz zur eng-lischen hat in der chinesische Version das Geschichtenerzählen auch im Ge-schäftlichen einen wesentlichen Stel-lenwert. Ein Dauerbrennpunkt in den Han delsbeziehungen mit China ist

Moderne Wun-

derkammer:

Diese Alltags-

produkte

(links) hat das

kakoii-Team

bei der Recher-

che für Marken-

adaptionen

in Osteuropa

gesammelt

PAGE 01.12056 KREATION Brand Adaptation

das Plagiieren westlicher Produkte und Kommunikationsstrategien. Auch wenn sich Kampagnen verschiedens-ter Brands gelegentlich in Story und Bildsprache auffallend ähneln, ist Ver-ständnis gefragt – gilt ein Plagiat in Chi-na doch als Ehre für den Meister. Doch mit zunehmender Marktreife, so die Erfahrung global agierender Kre ativ-agenturen, erkennen chinesische Un-ternehmen die Bedeutung, die Diffe-renzierung für Marken hat.

Ungewohnt für europäische Krea-tive ist auch das harte Verhandeln und Feilschen in China um die ohnehin schwer kalkulierbaren Kreativleistun-gen – bei einer gleichzeitig sehr per-sönlichen Kommunikation. Strategien listig einzusetzen und Lücken für sich zu nutzen, hat hier nichts Anrüchiges, sondern wird sportlich betrachtet. Dabei werden Verträge nicht im Büro geschlossen, sondern eher bei einem Abendessen. In China ist man sich be-wusst über die Macht von Beziehun-gen: Es ist absolut üblich, Menschen privat zu treffen, um geschäftlichen Nutzen daraus zu ziehen – eine Per-spektive, die europäische Agenturen erst lernen müssen.

Auch hier gilt es, die Waage zwi-schen Anpassung und Abgrenzung zu

inden. MetaDesign – auch in China steht die Agentur für hochwertige und eher hochpreisige Dienstleistungen – geht einen ungewohnten Weg. In ihren Angeboten schlägt sie keine Summen auf, um in den anschließenden Ver-handlungen, wie sonst üblich, große Nachlässe gewähren zu können. Diese Haltung und vor allem die trans pa ren -ten Kostenaufstellungen, sagt Linda Stannieder, nehmen viele chinesische Kunden mit Respekt auf und honorie-ren sie mit Vertrauen.

Markenadaption heute hat viel mit Trial and Error zu tun. Aufmerksam-keit und Empathie sind wichtiger als starre Regeln, die sich in den dyna-mischen, zusammenwachsenden Kul-turen kaum festlegen lassen. Einig sind sich Agenturen mit globaler Pro-jekterfahrung darin, dass es für Kre-ative unerlässlich ist, eigene Depen-dancen oder zumindest kompetente Ansprechpartner vor Ort zu haben. Diese Vermittler sollten so tief in der Kultur und Branche verwurzelt sein, dass sie nicht nur die verbale Überset-zung, sondern auch die visuelle Kom-munikation und deren Eigenheiten beherrschen. Einigkeit herrscht zu-dem darüber: Westliche Arroganz ist ein absolutes No-Go. »Viele Zusammen-hänge müssen wir erfühlen, weil wir sie nicht verstehen können«, so Petra Dinter. »Natürlich entsteht oft das frus-trierende Gefühl, außen vor zu bleiben. Da ist die Gefahr groß, dass man sich auf die Strukturen zurückzieht, die man kennt – und so garantiert eine Pleite erlebt.« Die Kunst besteht darin, ein Bewusstsein für kulturelle Unter-

schiede zu entwickeln, ohne die Tra-dition einer Marke und die Identität eines Unternehmens zu verleugnen.

Dass diese Gratwanderung gelin-gen kann, dazu trägt paradoxerweise der Trend zur Lokalisierung und Indi-vidualisierung bei. »Es gibt ganz ein-fach die Sehnsucht nach Identität und nach einem Zuhause«, meint Andreas Steinle, Geschäftsführer des Zukunfts-instituts. »Auch Brands müssen dem gerecht werden. Das führt zuneh-mend dazu, dass der Markenprozess zentral gesteuert wird, aber die Er-scheinung einer Marke lokal variiert, etwa durch unterschiedlich gestaltete Stores oder Kooperationen mit ein-heimischen Künstlern.«

Im Zeitalter von Social Media kön-nen Marken ohnehin nicht mehr mit in Stein gemeißeltem Corporate De-sign auftreten – schon deshalb, weil sich etwa eine einheitliche Corporate Language bei den Facebook-Auftrit-ten von Firmenmitarbeitern gar nicht steuern ließe. »Diese Vielfalt wird in Zukunft den Reichtum einer Marke ausmachen«, meint Steinle. »Denn Menschen sind durchaus in der Lage, sich als Weltbürger zu fühlen und zu-gleich lokal verwurzelt zu sein.« Inter-kulturelle Kommunikation wird auch im Agenturkontext immer alltäglicher. Nun gilt es abzustecken, wie wir von-einander lernen – wo wir Neues adap-tieren, Fremdes akzeptieren oder un-sere Haltung konsequent verteidigen. Und es macht Spaß zu beobachten, dass man heute auch in der Kreativ-wirtschaft immer souveräner mit der eigenen Position des Unwissenden, Lernenden umzugehen versteht. wl

Die deutsche

Prothesenmarke

Otto Bock erhielt

einen neuen, sehr

designafinen

Auftritt, in dessen

Medien erschüt-

ternd emotionale

Geschichten von

verschiedenen

Kunden erzählt

werden. Der Grad

der Emotionali-

tät unterscheidet

sich je nach

Einsatzregion

PAGE 01.12058 KREATION

PAPIERWELT

Scheufelen-Kalender 2012

n »Perfection« lautet das Thema des

neu en Scheufelen-Wandkalenders. Da

der Kreis eine perfekte Form ist, ge-

staltete die Agentur Strichpunkt zwölf

Motive rund um den Kreis. Der Januar

gewährt einen tiefen Blick in die Iris,

während sich der Februar um die Schel-

lackplatte dreht. Und im Juni geht es –

passend zur Fußball-Europa mei s ter-

schaft – um das runde Leder. Teilweise

sind auch die jeweiligen Daten und

Wochen tage in die Kreisform integriert.

Wer genau hinschaut, entdeckt in je-

dem Motiv das Markenzeichen von

Scheufelen, den Phönix.

Die Monatsblätter sind auf den ge-

stri chenen Papieren hea ven 42 und bvs

sowie phoenixmotion, in 250 Gramm je-

weils, gedruckt. Im Anhang des Kalen-

ders erläutern Produktionsnotizen die

eingesetzten Druckveredlungen. »Per-

fection« erscheint in zwei Sprachen

(Deutsch und Englisch) in einer limitie r-

ten Aulage von 4000 Exemplaren. Man

kann im Scheufelen-Online-Shop nicht

nur den Kalender (rund 100 Euro) be-

stellen, sondern auch die einzelnen

Blät ter als Poster für je etwa 15 Euro.

≥ www.scheufelen.com/

kreativ-shop.html

Veredelungs-Box

n Seit fast 100 Jahren veredelt Wolf

Manufaktur in Ingelheim am Rhein

Drucksachen. In einer neuen Muster-

box präsentiert sie auf dreißig Karten

ihr großes Spektrum an Druckverede-

lungen auf schönen Feinstpapieren.

Dank der praktischen Reiter lassen sich

die acht verschiedenen Techniken in

der Box schnell inden. Und über den

QR-Code jeder Karte – auf denen man

nebenbei noch eine Menge über Wölfe

erfährt – lassen sich auf der Website

zusätzliche Informationen aufrufen.

Dort kann man für rund 100 Euro auch

die Musterbox bestellen.

≥ www.wolf-manufaktur.de

Gmunds »P.log«

n Anders als seine virtuellen Ver-

wandten ist der »P.log« der Büttenpa-

pierfabrik Gmund dem analogen Medi-

um verplichtet und entsprechend auf

feinstem Papier gedruckt. Er erscheint

etwa alle sechs Wochen, besteht jedes

Mal aus einer anderen Sorte und dreht

sich um Themen, die die Papier macher

vom Tegernsee gerade beschäftigen.

So geht es beispielsweise in der aktu-

ellen Ausgabe um das Plätzchenbacken

für Weih nachten, gedruckt auf lau schi-

gem Mohair. Wer den »P.log« abonnie-

ren möchte, kann das auf der Gmund-

Website tun.

≥ www.gmund.com

Mehr Black Magic

n Mit Black on Black und Twist ergän-

zen jetzt zwei neue Varianten die

Black-Magic-Familie von Papier Union.

Black on Black ist ein gussgestrichener,

schwarzer Karton mit schwarzer Rück-

seite. Hier verbindet sich eine weiche,

spiegelglänzende Oberläche mit ho-

hem Volumen, sehr guter Steiigkeit

und schnellem Trocknungsverhalten.

Der 250 Gramm schwere Karton bietet

sich für Luxusverpackungen, Einbände

und Cover an, aber auch für individu-

elle Visiten- oder Grußkarten.

Die Vorderseite von Twist durchzie-

hen auffällige Synthetikfasern und er-

zeu gen so eine besondere Optik. Die

Sorte ist in 120 sowie 290 Gramm er-

hältlich und eignet sich für die meisten

kon ventionellen Druck- und Weiterver-

ar beitungsmethoden. Genau wie Black

on Black hat Twist eine matte, schwarze

Rückseite. Muster der FSC-zertiizier ten

Black-Magic-Range gibt es beim Papier

Union MusterService.

≥ www.papierunion.de

Schwarz und Weiß

n Laserline bringt gleich zwei Druck-

mustersammlungen heraus: Die über-

arbeitete und erweiterte Blackbox be-

inhaltet jetzt 18 Papiermusterbände,

ergänzt mit Tipps zur richtigen Druck-

datenerstellung, zu Weiterverarbei-

tung, Ver edelung von Drucksachen

sowie Informationen zu Direktmailings.

Die neue Whitebox ist ähnlich aufge-

baut wie die Blackbox, aber die ent-

haltenen Papiermuster sind völlig neu-

tral gestaltet, das heißt, es gibt auf ih-

nen kei nerlei Hinweise auf den Berliner

Druck dienst leister. Neben den Büchern

ist in der Whitebox ein CMYK-Guide mit

über 20 000 Farb nuancen enthalten.

Die Black box ist für ungefähr 40 Euro

bei Laserline erhältlich, für die White-

box zahlt man gut 100 Euro. ant

≥ www.laser-line.de

Auf dreißig

Karten präsen-

tiert Wolf

Manufaktur ihre

Veredelungen

Der Scheufelen-

Kalender

»Perfection«

steht im

Zeichen des

Kreises

PAGE 01.12060

TYPO

Mit der sehr

gut ausge-

bauten FF Clan

von Lukasz

Dziedzic ist es

Edenspieker-

mann aus Berlin

gelungen, der

Red Bull Music

Academy einen

magazinarti -

gen Charakter

zu geben,

bei dem Typo

die Haupt-

rolle spielt

PAGE 01.12 061

Sind Webfonts im gestalterischen Alltag angekommen oder bilden sie noch die Ausnahme?

Und welcher Verwandtschaftsgrad besteht zu den neuerdings angebotenen App-Fonts?

Große kleine Unterschiede

PAGE 01.12062 TYPO Web- und App-Fonts

nUm Haaresbreite wären die Web­fonts der Zweisprachigkeit zum Opfer gefallen. Weil die SaarLB Kunden aus Deutschland und Frankreich hat, sollte das Französisch auf der Startseite in keinem Fall verloren gehen. Die Agen­tur Fuenfwerken mit Sitz in Wiesbaden und Berlin, die das komplett neue Cor­porate Design für die Landesbank ent­wickelte, entschied sich, die französi­sche Übersetzung im Kapitälchensatz mit dem Webfont der FF Sanuk anzu­legen. »Das erforderte eine ganze Rei­he Tests in verschiedenen Browsern – auf einmal wurde das Thema Webfonts von der Vorstandsrunde der Bank wahr ­genommen und stand mit der Begrün­dung, es sei ›zu aufwendig‹ kurz davor, gekippt zu werden«, berichtet Helmut Ness, Mitglied des Vorstands bei Fuenf ­werken in Berlin.

Aber von vorne: Bei der Suche nach einer Hausschrift für die SaarLB stand für Fuenfwerken fest, dass sie auch als Webfont zur Verfügung stehen muss. Die Designer wählten Xavier Duprés Sa ­nuk und machten sich daran, festzule­gen, welche Teile der Website mit ihr ge staltet werden sollen. »Gut für uns, dass im SaarLB­Vorstand jemand saß, der die Bedeutung von Schrift verstan ­den hat und intern so etwas wie die treibende Kraft war. Auch ohne Design­hintergrund war für ihn klar, dass die Schrift ein sehr starkes Gestaltungs­element ist, das nicht einfach so neben ­herlaufen darf«, so Ness. Fuenfwerken probierte verschiedene Varianten aus, setzte Sanuk einmal auf der komplett­ten Website ein und einmal nur in den Head lines, kombiniert mit einer Sys­tem schrift für den Mengensatz. Im Dia ­log mit dem Kunden kristallisierte sich schließlich die Lösung heraus, Sanuk als Hausschrift erkennbar im Auszeich ­nungsbereich zu verwenden, für Fließ ­texte oder Tabellen aber die Georgia.

» Für eine große Bank ist der Einsatz der Hausschrift als Webfont ein mu­tiger Schritt«, meint Helmut Ness. »Na­türlich war jede Menge Erklärungsbe­darf da: Was Webfonts eigentlich sind, welche Möglichkeiten es gibt, mit ih­nen zu arbeiten, und dass ihre Nutzung einen etwas größeren Aufwand bedeu ­tet als die von Systemfonts.« Wie viele große Unternehmen wollte auch die SaarLB keinesfalls eine Querverlinkung nach außen, sondern die Webfonts auf ihrem eigenen Server hosten. Deswe­gen schied ein Service wie Typekit als Möglichkeit aus. Da FontShop ihre Web­ fonts zum Kauf und eigenem Hosting anbietet, war das kein Problem, bedeu ­tet aber, dass Fuenfwerken die Brow­sertests selbst durchführen musste.

Die Site des Weinguts Josef Leitz wäre die Referenz für Webfonts – wenn sie denn welche

einsetzen würde. Da es die Hausschrift PMN Caecilia damals aber noch nicht als Webfont gab,

musste Fuenfwerken sie überall in Graiken umwandeln

PAGE 01.12 063

Eine generelle Empfehlung, Webfonts zu kaufen oder lieber zu mieten, gibt Fuenfwerken ihren Kunden nicht. Die Entscheidung hängt davon ab, in wel­cher Form die ausgewählte Schrift zur Verfügung steht. Allerdings stellt sich die Frage, wie dem Kunden das Mietsys ­tem berechnet wird. »Wir haben zum Beispiel ein Konto bei Typekit. Wir zah­len eine monatliche Mietgebühr, die aber für alle dort bezogenen Schriften gilt. Außerdem möchte der Auftragge­ber keine monatliche Rechnung, son ­dern eine Einmalzahlung. Wir versu­chen das entsprechend zu kalkulieren«, erzählt Helmut Ness.

Eine ganz klare Position in dieser Frage bezieht Sven Ellingen, Design Di ­rector bei Edenspiekermann in Berlin: »Natürlich könnten wir unseren Kun­den sagen, ihr müsst nur bei FontShop oder wo auch immer die Lizenz für die Schrift kaufen. Aber dann wären wir für Implementierung, Updates und so weiter verantwortlich, und das wollen wir nicht. Wir möchten, dass sie ihren eigenen Typekit­Account haben, ob­wohl es sehr erklärungsintensiv ist, ver­ ständlich zu machen, was Typekit ei­gentlich ist.« Dass sich gerade große Unternehmen mit Webfontdienstleis­tern schwertun, liegt auf der Hand. Zu­ mal sehr schnell die dortigen IT­Abtei­lungen ins Spiel kommen. »Was hat das für Auswirkungen auf unsere Systeme? Besteht eine Gefahr für die Sicherheit? Solche Fragen werden häu ig gestellt. Vor allem natürlich, wenn die Webfonts über einen externen Diens tleis ter kom ­men«, so Ellingen.

Aber es gibt auch Auftraggeber, die in erster Linie an guten Designlö sun gen interessiert sind, in diesem Fall thema­

tisiert Edenspiekermann den Einsatz von Webfonts gar nicht, sondern ver­wendet sie einfach. Wie im Fall der Red Bull Music Academy. »Wir wollten einen magazinigen Look, brauchten dafür ei­ ne gut ausgebaute Familie und ent­schieden uns für die FF Clan von Lukasz Dziedzic, die in einer großen Bandbrei ­

te an Schnitten zur Verfügung steht«, erzählt Sven Ellingen. »Der Unterschied zu der alten Seite, die die Section Light nutzte, könnte kaum größer sein.« Die Typo macht jetzt den Charakter der Seite aus, und genau das fasziniert El­lingen an Webfonts. »Es ist nicht al­ lein der Gedanke, das Corporate De­

Bei dem Weingut

Corvers Kauter

achtete Fuenfwer-

ken von Anfang

an darauf, dass die

Hausschrift auch

als Webfont vor -

liegt. Die recht

schmal laufende

Univers funktio-

niert am Bildschirm

erstaunlich gut

und gibt der Web -

site ein unverwech-

selbares Gesicht

Fün fzig aufregende

Skandinavien-

Abenteuer stellt

die von Fors-

man & Boden-

fors entwickelte

Volvo-Site Cross

Country Travels vor.

Eine tragende

Rolle – gerade

aufgrund der mar -

kan ten Zahlen –

spielt hierbei

der Corporate Font

Volvo Broad. Die

Produktionsirma

Thomson Inter -

active machte den

Open Type-Font it

für das Web

PAGE 01.12064 TYPO Web- und App-Fonts

muss separate Lizenzen für Web­ und für Mobile­FontFonts erwerben. Spä­ter will FontShop voraussichtlich auch das Einbetten in andere mobile Be­triebssysteme erlauben, man wird da­für dann allerdings nicht noch einmal Extrafonts brauchen, sondern die Mo­bile­FontFonts nutzen können. Aber was wurde denn vorher in Apps ver­wendet? »Es können natürlich auch an ­dere Fonts in Apps eingesetzt werden, nicht aber mit der Standardlizenz«, ant ­wortet Ivo Gabrowitsch. »Es gibt ver­schiedene Ansätze, bei uns zum Bei­spiel eine Editable Embedding Licen­se, die je nach Nutzungsdauer meh­rere 100 oder mehrere 1000 Euro pro Font kostet. Das gilt übrigens auch wei ­terhin für Nicht­Mobile­FontFonts. An ­dere Foundries haben ähnliche, letzt­lich aber immer individuelle Modelle. Manche erlauben Embedding sogar überhaupt nicht.« Das wiederum hängt damit zusammen, dass das Einbetten von Schriften in Apps nicht sicher ist. Letzten Endes bietet eine App kaum mehr Sicherheit als ein ZIP­File, aus dem man die Daten ohne weitere Soft ­ware extrahieren kann.

Während App-Fonts schon den nächs ­ten Schritt darstellen, sind Webfonts noch nicht wirklich im Alltag angekom­men, auch wenn die Verkäufe kontinu­ierlich zunehmen. Viele Kunden sehen nach wie vor keine Notwendigkeit, sie einzusetzen. Aber es gibt auch ande­re, die selbst auf die Designbüros zu­kommen und Webfonts verlangen. Al­lein deshalb ist es unerlässlich, sich als Kreativer hier auszukennen. »In den an­derthalb Jahren, in denen wir mit Web­ fonts zu tun haben und die Entwick­lung auch mit vorantreiben, haben wir eine Menge gelernt«, sagt Helmut Ness. »Angefangen hat es mit der typogra­ischen, vielfach ausgezeichne ten Seite für das Weingut Josef Leitz, bei der wir liebend gern Webfonts eingesetzt hät­ten, aber darauf verzichten mussten, weil es die Hausschrift PMN Caecilia von Peter Matthias Noordzij zu diesem Zeit­punkt noch nicht als Webfont gab.«

vorliegen«, erklärt Ivo Gabrowitsch, Marketingleiter bei FontShop Interna­tional: Das Unternehmen brachte kürz ­lich als erster Anbieter eine Reihe von App­Fonts auf den Markt. »Durch den hohen Grad der TrueType­Bildschirm­op timierung unserer Schriften sind wir in der Lage, schnell auf Entwicklun gen dieser Art zu reagieren. Obwohl iOS als führende mobile Plattform die Hin­ting­Informationen der Fonts ig no riert, macht dies bei anderen Betriebssyste­men wie etwa Windows Phone 7 den Unterschied aus.«

In erster Linie sind es die Lizenzen, worin sich App­ und Webfonts unter­scheiden. Mit der Basislizenz für eine Schrift darf man beim FontShop nur Mobile FontFonts in iOS­Apps einbet­ten, die wiederum nirgendwo sonst ge ­nutzt werden dürfen. Das heißt, man

sign über alle Medien hinweg in der ­selben Schrift setzen zu können. Viel besser inde ich, dass Webfonts sehr vielfältige Ausdrucksformen ermögli­chen. Was man in Print schon immer konnte, etwa mit Typo ganz laut oder ganz leise zu gestalten, das funktioniert nun auch im Netz.« Zur Red Bull Music Academy gibt es auch eine App. Da es keine native App, sondern eine spezi­ell für iPhone und Android optimierte Website ist, kann sie dieselben Fonts wie die Hauptseite verwenden.

App- und Webfonts: Was fast iden­tisch klingt, ist doch etwas Unter schied ­li ches. »Technisch sind App­Fonts eher vergleichbar mit Ofice­Schriften, weil sie ebenfalls OpenType­Fonts mit True ­ Type­Outlines sind, während unsere Webfonts im WOF­ und EOT­Format

Einer Bank mit

solch einem

gelungenen Web -

auftritt würde

man doch sofort

seine Erspar-

nisse anvertrauen.

Fuenf werken

setzte die Haus-

schrift FF Sanuk als

Webfont im Aus-

zeichnungsbereich

ein, für Fließ-

texte oder Tabel-

len die System-

schrift Georgia

Die Webfonts FF Tisa

von Mitja Miklavcic

sowie Erik Spiekermanns

FF Unit Rounded kom -

men in der von Edenspie-

kermann redesignten

Website des Lebensmittel-

händlers tegut . . . zum Einsatz,

die sich damit wohltuend

von der Konkurrenz abhebt

PAGE 01.12066 TYPO Web- und App-Fonts

Web Font Awards 2011

Bei dem von Monotype veranstalteten

Wettbewerb wurden kürzlich Sites

prämiert, die Webfonts verwenden

nAuf der Konferenz Future of Web Design in New York kürte eine Jury die drei Gewinner der Web Font Awards 2011. Sehr erfreulich ist, dass der erste Preis nach Deutschland ging – an die Agentur Fork für ihre eigene Homepage. Die Kreativen hatten sich für die Malabar von Dan Reynolds entschieden, eine gute Wahl, passt die Schrift mit den kräftigen, eckigen Se­rifen doch schön zum griechisch­römischen Orakel­Konzept der neuen Website.

Der zweite Preis ging an die Kreativen von Under­consideration für die Site der Branding­Fachfrau und Autorin Debbie Millman. Der Einsatz des Helvetica­Vorgängers Neue Haas Grotesk in Bold sorgt im Zu­sammenspiel mit den wechselnden Hintergründen für einen sehr starken, gar nicht weiblichen Auftritt. Ein bisschen schade ist, dass auch der dritte Preis auf die Helve tica setzt, gab es doch unter den Einsendun­gen auch einige Arbei ten, die frischere Fonts nutzen. Die von Mamus gestaltete E­Commerce­Site SAM des New Yorker Modedesigners Andrew Marc verwendet Helvetica Neue in Light und Bold. Übersichtlich, klar und ganz schön langweilig.

Auch die Community konnte einen Sieger bestim­men und entschied sich für die von der Journalistin und Verlegerin Susan G. Dunn gestaltete Website Bal ­timore Fishbowl. Hier kann man Kulturelles und Kon­trover ses über die Ostenküstenmetropole lesen, an­genehm gesetzt in Mark Simonsons Proxima Nova in Normal und Extra Con den sed, ergänzt durch Chapar­ral Pro von Adobes Designlegende Carol Twom bly.

Die Web Font Awards haben sicher noch ein paar Kinderkrankheiten. So wäre es schön gewesen, wenn man auf der Site www.webfontawards.com die Infor­mation gefunden hätte, dass die Jury aus dem Desig­ner und Developer Josh Clark, dem Webspezialisten Jason Pamental und dem Typedesigner Dan Rhatigan bestand. Zudem sind einige der eingereichten Arbei­ten nicht gerade cutting-edge Webdesign. Aber der entwicklungsfähige Wettbewerb trägt dazu bei, das Thema Webfonts populär zu machen und es in den Medien und den Köp fen von Designern zu verankern.

Es folgte ein Erscheinungsbild für die Plattform Feriendeal, bei dem sich Fuenfwerken für die Hausschrift Akku ­rat von Laurenz Brunner entschied, da ­bei aber zu prüfen vergaß, ob sie als Webfont vorlag. Lag sie nicht, deshalb setzt die Site nun die Neue Helvetica ein, die der Akkurat so nahesteht, dass das Gesamtbild erhalten bleibt. Beim nächsten Winzer wurde dann alles an­ders. Bei der Entwicklung des Corpora­te Designs für das Weingut Corvers Kau ­ter achteten die Gestal ter von Anfang an darauf, dass die Hausschrift auch als Webfont verfügbar war. In diesem Fall ein sehr schmal laufen der Schnitt der Univers, der im Web erstaunlich gut funktioniert. »Die CI für die SaarLB ist

der vorläuige Höhepunkt unserer Web­font­Historie. Es hat auch deswegen so gut geklappt, weil unsere Print­ und Webdesigner das Projekt von Beginn an gemeinsam entwickelt haben und nicht nachgelagert wie früher«, so Ness.

Unternehmen wie die SaarLB ma­chen hoffentlich auch anderen Unter­nehmen Mut, die Webfonts und deren Mehrwert für sich zu entdecken. Die technischen Möglichkeiten, die Schrif­ten und die Kreativen sind da. Fehlen nur noch die Auftraggeber, die sich für den Einsatz von Webfonts entschei ­den. Damit ihr selbstverständlicher Ein ­satz nicht gar so lange dauert, wie et­wa das OpenType­Format brauchte, um sich durchzusetzen. ant

Die zeitgemäße und trotzdem zeitlose Malabar von

Dan Reynolds verleiht der Fork-Website ( www.

fork.de ) ein Gesicht. Dafür gab es den ersten Preis

Als erste s

Schriften -

haus bringt

FontFont

International

15 Schrift-

familien für

Apps heraus.

Die Modelle

zeigen,

wie ihr Ein-

satz ausse-

hen könnte

Unten: Von

Paul Barnes

und Christian

Schwartz

stammen die

Exklusivfonts,

die die Basis

für die gelun -

gene iPad-

Adap tion des

»The Guardian«-

Layouts bilden

PAGE 01.12068 TYPO Geschriebene Häuser

Einen Tag und eine Nacht hatten Münchner Architekturstudenten

Zeit, Häuser in Form ihrer Initialen zu entwerfen

Wohnbuchstaben

Julia Schmid wählte die

Harlow Solid Italic,

um für den Millionär

Stefan Schönberger ein

privates Spa- und

Wellness-Domizil mit

den Initialen seines

Namens zu errichten

PAGE 01.12 069

nZeitdruck gehörte zum Programm.

Das Seminar »Geschriebene Häuser«

der Technischen Universität München

sah einen Stegreifentwurf innerhalb

eines Tages vor. Zu langes Nachdenken

wäre bei dieser Aufgabe eher hinder-

lich gewesen, waren die Dozenten, die

beiden Architekten Sebastian Multerer

und Florian Fischer, überzeugt. Da so

das Direkte, Unvermittelte besser zur

Geltung komme. »Die zugegebenerma-

ßen recht anekdotische Idee, Buchsta-

ben als Häuser zu denken und zu ent-

werfen, ist wie vieles in der Architektur

keine originäre Erindung«, erzählt Flo-

rian Fischer. »Es gibt immer wieder Ver-

su che, Formen, die aus anderen Zu-

sammenhängen bekannt sind, auf die

Architektur zu übertragen. Unser Ziel

war es aber nicht, dies als wirklich se-

riö sen und gültigen Ansatz zu propa-

gieren. Architektonische Formen müs-

sen sich deutlich tiefgründiger legiti-

mieren.« Die Dozenten interessierte

viel mehr der didaktische und kreative

Reiz, einer vorgegebenen Form Raum

und Nutzung zuzuweisen. Als Refe-

renz diente ihnen Johann David Stein-

grubers »Architectonisches Alphabet«

von 1773, in dem der Baumeister alle

Buchstaben des Alphabets in klassizis-

tische Grund risse übersetzt.

Gut 80 Studierende machten sich

ans Werk, aus den Buchstaben einer be-

liebigen Schrift Häuser zu formen. Die

25 besten Entwürfe, erweitert durch

kleine, sehr nette Entstehungs- und

Nutzungsbeschreibungen, fassten Se-

bastian Multerer und Florian Fischer

in dem Buch »Geschriebene Häu ser«

zusammen (96 Seiten, 7,90 Euro, isbn

978-3-941370-15-9). »Viele der Entwürfe

inden wir kurzweilig und in manchen

Aspekten sogar wirklich trag fähig«,

meint Sebastian Multerer. »Außerdem

indet das Projekt bei fast jedem, der

es bisher gesehen hat, Gefallen. Neben

dem didaktischen Aspekt haben die

Studenten also gerade auch den unter-

haltsamen Part eingelöst.«

Mein Favorit ist die Arbeit von Jie

Tang, der in der Kürze der Zeit sogar

gleich drei Buchstaben – TJA für Tang

Jie Architekten – einrichtete. Sein Vor-

bild war »Smurfs’ Village«, das iPhone-

Spiel, bei dem man in Schlumpfhau-

sen über Nacht Neues entstehen las-

sen kann. In das gemütliche A mit dem

Himmelbett und Tischkicker würde ich

sofort einziehen. ant

Gleich drei

Buchstaben-

häuser, die

auch noch sehr

de tail liert

ausge arbeitet

sind, zeich-

nete Jie Tang

page 01.12070 TYPO

TYPOWELT

Unten: Die GT Haptik kann man auch mit geschlossenen Augen lesenOben: Zehn Jahre Fontsmith, zusammengefasst in zehn schicken Booklets

page 01.12 071

Zehn Jahre Fontsmith

n Zu ihrem zehnjährigen Bestehen hat die Londoner Typefoundry Fontsmith einen Schuber mit zehn Booklets her­ausgebracht, die zeigen, was Phil Garn­ham und Jason Smith in dieser Zeit al­les auf die Beine gestellt haben. Einige der von Thompson Brand Partners ge­stalteten Hefte widmen sich einzelnen Schriften, andere einem Thema, etwa den Redesigns von Channel 4 und der UEFA Champions League oder den von Fontsmith entworfenen Logos. Zum Le­sen gibt es die Entstehungsgeschich ten der Schriften sowie Interviews mit den Designern. Wer sich auf der Website re gis triert, kann – solange der Vor rat reicht – einen Schuber bekommen.≥ www.10yearsintype.com/;

www.fontsmith.com

Schweizer Haptik

n Reto Moser und Tobias Rechsteiner entwickelten GT Haptik in ihrer Bache­lor arbeit im Studiengang Visuelle Kom­munikation der Hochschule der Küns te Bern. Sie beschäftigten sich mit der Frage, wie die Kommunikationsmittel für eine Ausstellung zum Thema Blind­heit und Sehbehinderung aussehen könn ten. Die Ausgangsidee war, eine haptisch optimierte Schrift zu entwer­fen. Im ersten Schritt reduzierten sie die Versalien und Zahlen auf ihr Skelett, um herauszuinden, was für das Ertas­ten der Zeichen tatsächlich notwen­dig ist und welche Elemente sie noch hinzufügen mussten.

Die Schrift bestand zunächst nur aus einem Schnitt. So stellten die Type­designer sicher, dass die Strichstärke der Versalbuchstaben ab einer gewis­sen Schriftgröße die optimale Tastbrei­te erreicht. Für Fließtexte kamen Klein­buchstaben hinzu, die die geometri­sche Grundstruktur und die Formen ein zelner Versalien aufnehmen. Damit sich die Schrift in kleinen Größen ein­setzen lässt, fügten sie Strichstär ken ­kontrast und optische Korrekturen hin­zu. Zu beziehen ist die GT Haptik für cir­ca 50 Dollar bei Grilli Type. Moser und Rech steiner arbeiten an den Schnit ten Rotalic, Medium und Medium Rotalic. ≥ www.grotesk.cc;

www.grillitype.com

≥ Weitere interessante artikel rund um Typograie inden Sie unter www.page-online.de/

emag/typo ; Links zu Foundries et cetera unter www.page-online.de/typo-links

Capri bei Fountain

n Kultur und Mode sind die Branchen, in denen Felix Braden seine gerade bei Fountain erschienene Schrift Capri am liebsten sehen würde. Die geometri­sche, serifenlose Antiqua steht in der Tradition von Futura und Avant Garde und verbindet das Konstruktionsprin­zip der Antike mit modernen Schrift­proportionen zu einer eleganten Type von ganz eigenem Charakter – gut zu se hen am kleinen e. Die vor allem als Headlineschrift konzipierte Familie be­inhaltet die vier Schnitte Light, Regu­lar, Italic sowie Bold und kostet unge­fähr 70 Euro.

Gratis bietet der deutsche Typede­signer in seiner eigenen Typefoundry Floodfonts die Polaris an, die sich an den Egyptienne­Schriften aus der Zeit um die Jahr hun dertwende orientiert. Im Zusammenspiel mit modernen Ele­menten und einer technisch wirken den Strichführung entwickelt sich daraus ein kühler, außergewöhnlicher Retro­Charme. Die Polaris­Schrift ist mit ei­nem umfangreichen Zeichensatz aus­ge stattet. Zudem unterstützt sie alle zentraleuropäischen Sprachen.≥ www.fountaintype.com/typefaces/

capri; http://floodfonts.com/freefont/

freefont.html

Serifenlose Roma

n Roma ist die Antwort auf die Frage, wie die Schriften auf der Trajanssäule wohl ohne Serifen ausgesehen hätten. Die Basisfamilie umfasst die vier Schnit­te Light, Regular, Semibold und Bold jeweils mit Small Caps und Mediäval­ziffern. Zusätzlich zeichnete Typedesi­gner Thomas Lincoln die sechs Effekt­fonts Inscribed, Shaded, Solid, Outline, Inline und Fill. Durch Übereinanderle­gen lassen sich mit ihnen schöne Er­geb nisse erzielen. Roma ist für knapp 150 Dollar beim Schriftenstudio Canada Type zu beziehen.≥ www.canadatype.com

Die serifenlose

Capri von Felix

Braden ist neu

bei Fountain

Die Effektfonts

der Roma

ermöglichen

schöne

Gestaltungen

»Schriftenfächer«

n In zweiter Aulage erschienen ist »Der Schriftenfächer« der Typoexper­ten und ­dozenten Samuel Marty und Richard Frick. Mithilfe dieses Tools las­sen sich Schriften auf einen Blick ver­gleichen. Jedes der etwa 190 Fächer­blätter zeigt auf der ersten Seite die je weilige Type inklusive ihrer typi­schen Merkmale sowie Informationen zu Designer und Er scheinungs jahr. Auf der zweiten Seite erscheint der Font in Form eines Mustertexts, der als fort­laufender typograischer Glossar zu­gleich sinnvoll genutzt wird.

Der beim red dot award: communi­cation design 2011 prämierte »Schrif­ten fächer« lässt sich für etwa 60 Euro bestellen. Wie beliebt diese Art Arbeits­werkzeug ist, wird auch daran deut­lich, dass der »TypeSelect«­Fächer von Michael Wörgötter, der ähnlich konzi­piert ist, bereits in vierter Aulage beim Verlag Hermann Schmidt Mainz er­scheint (240 Blatt, 49,80 Euro, isbn 978-3-87439-685-1). ant

≥ www.schriftenfaecher.ch;

www.typografie.de

PAGE 01.12072

BILD

PAGE 01.12 073

Kopf an Kopf

n Ob Magazin, Geschäftsbericht, Musik-CD-Cover, Wahl-plakat, Testimonialwerbung oder die Vorstellung des Teams auf der eigenen Agenturwebsite: Wohl jeder Gestalter steht in regelmäßigen Abständen vor der Aufgabe, die im Bran-chenjargon so genannten »Köpfe« oder »Nasen« in Szene zu setzen. Es ist kein Geheimnis, dass dabei oft schrecklich Langweiliges und Gestelztes herauskommt. Wir zeigen an-hand von konzeptionell starken Beispielen Strategien auf, die zu frischen Ideen inspirieren – ob fotograisch oder il-lustrativ, digital oder handgemacht. Und stellen dabei Illus-tratoren und Fotografen vor, die tolle Porträts machen. cg

Gesichter sind die wohl spannendsten Bild-

motive überhaupt. Nichts leichter also, als

aufmerksamkeitsstarke Porträts zu machen?

Lin

ke S

eite

: Aq

uar

ell v

on

Mas

ie C

ou

sin

s; re

chte

Sei

te: D

ikta

tore

np

ort

äts

von

Flo

rian

Bay

er

Wasserfarben statt Gold

Erst der Rahmen macht das Bild, heißt es oft bei Gemälden – warum soll das nicht auch für gedruckte Fotos oder Illustrationen gelten, die man graisch umsäumen kann? Die Britin Masie Cousins »rahmt« ihre Aquarelle direkt mit Farbe, wobei der krakelig-ver-schwommene Look in einem witzigen

Kontrast zur altmodisch-braven Anmutung der schnörke-ligen Rahmen steht. Eigentlich will Cousins als Fotograin Karriere machen und hat dafür beste Voraussetzungen: Kürzlich fotograierte sie der Künstler und Modedesignstar Hedi Slimane für eine Strecke, in der das Magazin »Dazed & Confused« vielversprechende Jungtalente um die zwanzig vorstellte. Ihre Illustrationen, sagte Masie Cousins uns, zeig-ten Freunde und seien »nur eine Ausweitung ihrer Foto-graie«, die sie in ihrer freien Zeit für sich selbst mache. Auf ihrer Portfolio-Site sind sie jedenfalls eine perfekte Ergän-zung zu bunten und szenigen Porträt- und Modefotos.≥ www.maisiecousins.com

PAGE 01.12074 BILD Porträts

PAGE 01.12 075

Nur eine Hülle

Gerade bei medial sehr präsenten Pro-mis reichen meist Details, um eine Per-son kenntlich zu machen. Wobei die Kunst der Illustration ja grundsätzlich darin liegt, Wesentliches aus einem Mo-tiv herauszudestillieren. Florian Bayer –

unter anderem bekannt durch das Künstlernetzwerk Shake Your Tree und dessen Publikationen – tat genau dies für das österreichische Magazin »Landjäger«.

Für eine Ausgabe zum Thema »Selbstindung« porträ-tierte Bayer einige Diktatoren, die durch die arabischen Revolutionen unfreiwillig in eine neue Phase der Selbstin-dung getrieben wurden. »Reduziert auf ihre Stilhüllen«, wie Bayer es formuliert, zeichnete er Hosni Mubarak, Bashar al-Assad, Muammar al-Gaddai sowie Abdullah ibn Abd al-Aziz von Saudi-Arabien. Erstere sind hier im Heft zu se-hen, Gaddai hat die Chance zur Selbstindung bekanntlich verpasst, er wurde seiner Stilhüllen endgültig beraubt. ≥ www.lorianbayer.com ; www.landjaeger.at

Vielschichtig

»Unportraits« nennt Lucas Simões aus São Paulo eine Serie von Arbeiten, in der es ums Offenlegen und Verbergen von Intimität geht. Dabei dachte er sich ein ungewöhnliches Vorgehen aus. »Ich bat einige meiner besten Freun-

de, mir ihre Geheimnisse zu verraten – ausschließlich, um dabei ihren Gesichtsausdruck festzuhalten. Während ich sie fotograierte, hörte ich einen von den Porträtierten aus-gesuchten Song an. Und ich fragte sie nach der Farbe des Geheimnisses, um die Bilder entsprechend zu kolorieren«, erzählt Simões. Bei jeder Session entstanden 200 bis 300 Bilder, aus denen er rund 10 für die Montage auswählte.

Dazu fertigte der Brasilianer erst per Hand eine Skizze an und übertrug die Bilder dann ins Architekturprogramm AutoCAD. »Dessen Präzision macht es mir leichter, immer den Überblick über die Fotos zu behalten und sicherzustel-len, dass keines in zwei Teile zerschnitten wird. Das letzte Bild bleibt immer vollständig. Jedes, das daraufgelegt wird, hat mehr Einschnitte als das darunter, und das Oberste ist so zerschnitten, dass fast nur der Rand bleibt.« Auf Basis des CAD-Entwurfs geht es ans Schneiden per Hand mit einem X-Acto-Messer. Das Ergebnis sei wie eine topogra-ische Karte, die ein Gelände als Relief darstellt, so Simões. »Wenn alle Schichten aufeinanderliegen, ist das Gesicht nicht mehr zu erkennen. Das ist kein Porträt mehr, sondern ein Objekt mit Tiefe.« Ein Unporträt eben. ≥ www.lucassimoes.com.br

Enthauptet

Das Prinzip der Reihung ist vielleicht das effektivste Gestaltungsmittel über-haupt. Das gilt natürlich auch für Por-träts. Wo ein einzelnes Bild womöglich Fragen aufwirft, macht die Reihung aus der simpelsten visuellen Idee ein so-

fort erkennbares System. Sprich: Wer mehrere Leute por-trätieren muss, ist im Vorteil.

Im schwedischen Magazin »Konstnären« – zu Deutsch »Der Künstler« – geht es weniger um die Kunst selbst als um die Menschen dahinter. So stehen diese bei dem von Li

nke

Sei

te: »

Un

po

rtra

its«

vo

n L

uca

s Si

es, r

ech

ts v

on

Nill

e Sv

enss

on

ges

talt

ete

Co

ver v

on

»K

on

stn

ären

«

PAGE 01.12076 BILD Porträts

Nille Svensson (ehemals Teil des Duos Sweden Graphics) entwickelten Coverkonzept überdeutlich im Vordergrund: mit dem freigestellten Kopf eines Künstlers, mit dem sich im Heft ein besonders ausführliches Interview indet. Der Wiedererkennungswert ist so groß, dass das Magazin nicht einmal ein Logo hat. Nur in der linken oberen Ecke steht je-weils »N.N. är konstnären« (»N. N. ist der Künstler«). Ein Kon-zept, das zudem enorm praktisch ist, wie Svensson berich-tet: »Man verliert nicht bei jeder Ausgabe viel Zeit mit der Covergestaltung, und die Idee ist einfach genug, damit je-der Fotograf, der die Bilder für das Interview macht, auch das Coverfoto schießen könnte.«≥ www.nillesvensson.com

Doppelkopf

Masken haben im Hip-Hop-Umfeld ja seit Sido und Peter Fox Tradition. Der Sänger Marteria (aka Marsimoto) in-terpretierte das auf eigene Weise: mit einem polygonalen Nachbau seines eigenen Kopfes, der zum Key-Element

der gesamten Kommunikation rund um sein Album »Zum Glück in die Zukunft« wurde und auch in den Videos »Ver-strahlt«, »Sekundenschlaf« und »Endboss« vorkommt.

Die Fotos inklusive CD-Covermotiv schoss der Hambur-ger Fotograf Paul Ripke, der von der Agentur Anja Wiroth aus Berlin vertreten wird und ein enger Freund Marterias ist. Die beiden entzogen sich allem Gerede über den visu-ellen Auftritt des Albums und setzten sich allein ohne den üblichen Fotoshooting-Tross in den Flieger – wobei der Po-lygonkopf 800 Euro Übergepäck kostete, wie Ripke erzählt. In der Nähe von Alicante entstanden Fotos und ein Making-of-Video, bei dem Marteria irgendwann den Spieß umdreh -te und seinen Fotografen vor der Kamera rappen ließ. Das wurde so kultig, dass Ripke später beim Marsimoto-Auftritt auf dem splash! Festival vor 17 000 Leuten rappen musste (siehe www.paulripke.de/lifeofpaul.php ).

Gebaut hat den Kopf das Berliner Designstudio zentrale. Grundlage ist die von einem russischen Mathematiker 1934 entwickelte Delaunay-Triangulation, die derzeit häuiger von Designern eingesetzt wird. Doch während etwa Jonathan Puckey aus Amsterdam seine zweidimensionalen Vektor-polygonporträts mit dem Illustrator-Plug-in Scriptographer und Color Averaging erstellt, mussten die Berliner tatsäch-lich dreidimensional arbeiten. Sie fertigten ein 360-Grad-Foto an und ließen den Kopf dann von einem 3-D-Operator komplett als 3-D-Map nachbauen. Die Polygone wurden heruntergerechnet und trigonometriert. Am Ende kam die Software Pepakura Designer aus der Heimat aller Faltkunst zum Einsatz, ein »großartiges Tool, um aus 3-D-Objekten Schnittmuster zu erstellen«, wie Tobias Honert von zentrale schwärmt. Unter www.zentraleberlin.com/daten/marteria_

head.pdf gibt es Marteria zum Selberbauen.≥ www.paulripke.de; www.zentraleberlin.com

Menschen und Geschichten

Angeblich sagt ja ein Bild mehr als tau-send Worte. Doch gerade heutzutage können ein paar Worte auch erst den Anstoß geben, sich mit einem der tau-send Bilder, die uns tagtäglich begeg-

nen, überhaupt näher zu beschäftigen. Wie gut das funk-tioniert, zeigt das Onlineprojekt »A face a day« der Art-Fo

to v

on

Pau

l Rip

ke; W

ien

-Po

rträ

ts v

on

San

dra

Rei

ch; P

un

ktev

erb

ind

ebild

er v

on

Th

om

as P

avit

te

PAGE 01.12078 BILD Porträts

direktorin und Illustratorin Sandra Reichl. Nach zehn Jahren in Wien beschloss sie, den 1,7 Millionen Einwohnern der Stadt eine kleine Hommage zu widmen. »Wenn ich un-tertags mit U-Bahn, Bus oder Straßenbahn fahre oder da-rauf warte, absorbiere ich die Leute, die mir gegenübersit-zen, speichere sie in meinem Kopf und zeichne sie abends zur Entspannung«, erzählt Reichl. Sie kennt also die porträ-tierten Personen gar nicht – die kleinen Geschichten erin-det sie, wenn sie versucht, sich den Charakter vorzustellen. Vielleicht muss es heißen: Ein Bild plus ein paar Worte sagt mehr als tausend Worte.≥ http://cargocollective.com/A_FACE_A_DAY

Wundersame Transformation

Thomas Pavitte aus Melbourne muss ein extrem geduldiger und gleichzeitig obsessiver Typ sein. Reliefbilder aus 10 000 Streichhölzern hat er ebenso angefertigt wie ein rekordverdächti ges

Punkteverbindebild der Mona Lisa mit 6239 Punkten. Dage-gen nehmen sich die 960 Punkte beim Porträt von Michael Jackson geradezu läppisch aus. Dafür wird der Sänger hier in drei verschiedenen Altersstufen sichtbar. Für Jackson als Kind reichen schon 364 Linien. Pavitte empiehlt, danach einen andersfarbigen Stift zu nehmen, damit die erste Ver-sion zu erkennen bleibt, wenn man genau hinschaut.

Um die Orientierung zu erleichtern, wechselt Thomas Pavitte auch in Hunderter-Schritten die Farbe der Zahlen. Die Technik seiner in Illustrator entstehenden Dot-to-dot-Bilder sei anders als üblich, erklärt der Australier. »Statt Outlines werden eher dunkle und helle Partien durch eine wechselnde Konzentration der Punkte geschaffen.« Die Vorlagen stehen online in limitierter Aulage zum Kauf be-reit, weitere Transformationsbilder sollen folgen.≥ www.thomasmakesstuff.com

Flüchtige Bildpunkte

Elisabeth Moch versteht es blendend, mit Stift und Pinsel zeitgemäße Por-träts zu fertigen. Doch manchmal ar-beitet die Berliner Illustratorin, die von der Agentur Anja Wiroth vertreten wird, auch mit Konfetti. Das ing vor ein paar Jahren mit einer »spex«-Jubi-läumsausgabe an, für die Bilder aus Partymaterialien entstanden. Seither hat sie ihre bemerkenswerte Legetech-nik perfektioniert. »Ich feuchte zwei Bleistifte an der Spitze an, damit die Konfetti daran kleben, und bewege sie

Pixel für Pixel. Das ist echte Friemelarbeit. Jeder Millimeter macht extrem viel aus«, berichtet sie. Weil alles beweglich bleiben muss, klebt sie die Konfetti nicht fest – nach dem Abfotograieren lösen sich die Porträts quasi auf.

Dabei ist es Mochs Maxime, alles mit der Hand zu ma-chen. »Da soll kein Computer reinfunken. Die Bilder haben einen ganz anderen Charme, wenn Schatten zu sehen sind und kleine Fehler nicht ausgebügelt werden«, so Elisabeth Moch, die auch Illustrationen aus Glitzerpulver, Sand oder Pillen anfertigt. Besonders Dekoglitter hat es ihr angetan – und die Relexionen, die entstehen, wenn man die fertigen Porträts mit Blitz fotograiert. cg

≥ www.elisabethmoch.com

≥ PAGE Online

Mehr Bilder aus

den gezeigten

Projekten gibt

es unter www.

page-online.de/

portraitbilder

Zwei

Illu

stra

tio

nen

vo

n E

lisab

eth

Mo

ch

PAGE 01.12080 BILD Bärtetrend

n Kürzlich galten Bärte noch als In­signien von Öko­Waldschraten, Ober­stu dienräten, Taliban oder Nerds, die wenig Wert auf Körperplege legen. Nun sprießt es wieder allerorten. Ist das nur der obligatorische Wandel der Mo­de, der ab und zu fällig wird, plus männ­liche Faulheit? Oder müssen wir einen tieferen Sinn in dem Trend erblicken? Ein Aufbegehren lang unter drückter Männlichkeit, die sich wieder traut, weibliche Wangen zu (zer­)kratzen?

Nicht unbedingt. David Beckham, der längst alle Bartvarianten inklusive Wolverine­Koteletten ausprobiert hat, bleibt ein geschniegelter Metrosexu­

eller wie eh und je. Interessanter ist, dass Anarchos wie Musiker, Schauspie­ler und Regisseur Vincent Gallo in Kam­pagnen auftauchen. Da passt der Wild­wuchs wohl eher zu den von Herzen kommenden Macho­Allüren des Italo­amerikaners, dessen Nachname im Ita­lienischen »Hahn« bedeutet. Bekannt­lich verkauft Gallo über seine Website sein Sperma (1 Million Dollar) und bie­tet sich als Escort an (50 000 Dollar).

Was meine inanziellen Möglichkei­ten übersteigt. Zumal mir Christian Göran auch viel besser gefällt, der laut »Gala« im Werbespot des Hotelportals Trivago nahezu die komplette europäi­

sche Damenwelt »in Sehnsucht erstar­ren« ließ. Dass der Sohn eines Schwe­den und einer Chilenin mehr zu bieten hat als einen schicken Untergrund für Barthaare, zeigt www.cgoran.com , wo Göran sich nicht als Model, sondern als Fotograf vorstellt.

»Natürlich sehen die neuen Models ganz anders aus als all die schnöseli­gen Teenager, die in den vergange nen Jahren mit scheuen Rehaugen über Catwalks und durch Modemagazine huschten«, sagt Nadja Abanin, Artdi­rektorin des Schweizer »kinki maga­zine«, das jüngst in einigen Modestre­cken interessante Variationen aufs The­ma Bart präsentierte. »Darüber sind nicht nur die Damen, sondern auch die Herren der Schöpfung entzückt, weil sie sich nicht mehr so alt vorkommen. Wirklich ähnlich sehen die real existie­renden Männer den Models zwar im­mer noch nicht. Aber hinter struppi­gen Haaren versteckt, verschwinden vielleicht zumindest die Wohlstands­bäckchen ein bisschen . . .« cg

≥ PAGE Online

Unter www.page-

online.de/baerte-

trend inden

Sie mehr wunder-

schöne Bilder

von Bartträgern,

die auf Pro-

und Kontra-Stim-

men warten

Echtere Männer?Anmerkungen zur Gesichtsbehaarung in der Männermodefotografie

Ganz links: Foto

aus der Modestre­

cke »Half Siblings«

(»Halbgeschwis­

ter«) von Anselm

Woesler für »kinki

magazine«. Links

oben: Scholz &

Friends setzte

Spiros von der

Hamburger Kult

Model Agency die

Krone auf. Darun­

ter: Starfotograf

Anton Corbijn

lichtete den

exzentrischen

Vincent Gallo für

G­Star Raw ab

Ein Trivago­Spot

machte Christian

Göran, vertreten

von Viva Models,

international zum

Frauenschwarm

page 01.12082 BILD

BILDWELT

Schweizer Fotobücher

n Das Interesse an Fotobüchern ist groß. Nach Martin Parrs zweibändi gem Standardwerk »The Photobook« kamen »Japanese Photobooks« von Aperture, »Deutschland im Fotobuch« von Steidl und nun – parallel zur Ausstellung in Winterthur – »Schweizer Fotobücher. Von 1927 bis heute« von Lars Müller. Ein Verlag, der in den vergangenen Jahren selbst einige der wegweisendsten Fo-tobücher der Schweiz herausbrachte.

Der neue Überblicksband (576 Sei-ten, 70 Euro, isbn 978-3-03778-260-6) ist fotohistorisch tiefschürfend ange-legt. Er berichtet, wie sich die Schwei-zer zunächst mit sich selbst und ihrer großartigen Landschaft befassten, seit den fünfziger Jahren dann verstärkt in die Ferne schweiften, so etwa Werner Bischof in seinem Band »Japan«, Ro-bert Frank mit »The Americans« und René Burri mit »Die Deutschen«. Urs Lüthi, Walter Pfeiffer oder Fischli und Weiss gaben der Fotograie später ei-ne künstlerische Wendung, während aktuellere Bände sich oft wieder do-kumentarisch-kritisch mit dem Land befassen: So etwa »Grüezi« von Andri Pol oder Christian Schwagers »Falsche Chalets« – scheinbar idyllische Bauten, in Wahrheit von der Schweizer Armee errichtete Bunker.≥ www.fotostiftung.ch

Illustratoren-Agent

n In Deutschland sind Illustratoren-repräsentanzen Mangelware. Umso er-freulicher, dass mit Egger Grey eine neue in Berlin eröffnet. Gründer Kris Krüger kommt aus der Werbung, kennt daher Aufgaben und Problemstellun-gen von Artdirektoren und Artbuyern gut. Kein Wunder, dass sein Schwer-punkt die Werbeillustration ist. Nicht nur Doug Alves aus Los Angeles oder die Briten Neil Duerden und Tibor-made arbeiten schon erfolgreich für große Kunden. Über einen Partner in São Paolo vertritt Egger Grey darüber hinaus Illustratoren, die auf dem bun-ten brasilianischen Werbemarkt aktiv sind. Mit einigen deutschen Illustrato-ren verhandelt die noch im Aufbau be-indliche Agentur bereits. ≥ www.eggergrey.de

Ironischer

Blick auf die

Schweiz:

»Grüezi« von

Andri Pol,

erschienen

2006 im Kon-

trast Verlag

Zu den von

Egger Grey

vertretenen

Illustrato-

ren gehört

Doug Alves

page 01.12 083

≥ Mehr zum Thema Fotograie und Illustration unter www.page-online.de/emag/bild

Stephan

Gustavus ist

einer der

bisher neun

Stillstars

Foto-E-Books erstellen

n Die Selfpublishing-Plattform Blurb war wegen ihrer herstellerischen Qua -li tät schon immer eine beliebte Anlauf-stelle für alle, die ihre Fotobücher nicht bei Mainstream-Anbietern machen las-sen wollen. Jetzt bietet sie außerdem E-Books für iPad und iPhone an. Nach lotter Konvertierung der layouteten Vorlage lassen sie sich für je 1,49 Euro downloaden und weiterverteilen oder aber im Blurb-Bookstore verkaufen.≥ www.blurb.de/ebook

Still-Spezialisten

n Für alle, die Still-Life-Fotografen be-nötigen, gibt’s eine neue Adresse: In München gründete Claudia Schüller ei-ne darauf spezialisierte Repräsentanz, wohl die erste ihrer Art in Europa. Zu den von Stillstars vertrete nen Fotogra-fen gehören bisher neun Meister ihres

Fachs, darunter Götz Sommer, Michael Brunn oder Wolf-Dieter Böttcher. Das komplette Themenspektrum von Inte-rior über Beauty, High-End-Pack shots bis Food wird abgedeckt. ≥ www.stillstars.com

Pond5 kommt

n Den Namen Pond5 werden Sie in Zukunft öfter hören: Die Vertriebsplatt-form aus Brooklyn will den deutschen Markt erobern – nachdem sie in den USA, Süd afrika und Asien schon er-folgreich agiert. Im Angebot ist nicht nur klassisches Microstock-Material – die 2006 von Filmemachern gegrün-dete Firma starte te mit aufwendigem Video-Footage. Längst sind aber zu den über 850 000 Clips auch Fotos, Audioiles, After-Effects-Clips und Illus-trationen hinzugekommen. Wobei die Produzenten bei Pond5 ihre Preise selbst festlegen, und die können bei

einem Dollar für ein Foto, aber auch mal bei ein paar Hundert Dollar bei besonders anspruchsvollem Bewegt-bild liegen. Eine deutsche Website und ein Büro in Berlin sind geplant. cg

≥ www.pond5.com

PAGE 01.12084

Atelier Brückner und Markenfi lm Crossing haben das Motto der Europäischen Union in einer

riesigen interaktiven Dauerausstellung umgesetzt. Ein Blick hinter die Kulissen

In Vielfalt geeint

TECHNIK

Foto

s: R

ain

er R

ehfe

ld; a

lle S

kizz

en: A

telie

r Brü

ckn

er

PAGE 01.12 085

gestaltete, und jangled nerves in Stuttgart entwickelten die Designer vor vier Jahren das Konzept für den Wettbe-werb. Damals entstand bereits die Idee für das Logo mit den überlappenden Schriften und Sprachen, das die Kern-idee der Europäischen Gemeinschaft zum Ausdruck bringt: »United in Diversity«. Die kulturelle Vielseitigkeit der Union sowie die Vorteile der Kooperation darzustellen, war die Hauptaufgabe der Gestalter.

Das Projekt hielt einige Schwierigkeiten bereit – selbst für das erfahrene Atelier Brückner. Schließlich richtet sich die Ausstellung an sämtliche EU-Bürger jeden Alters. Der Heraus-forderung, die Informationen in 23 Sprachen plus Blinden-

n 3000 Quadratmeter Ausstellungsläche auf drei Etagen, 700 Personal Media Guides, 27 Terabyte Daten, 40 Kilome-ter Kabel, 600 RFID-Tags und 140 Server vor Ort: Es lassen sich viele Zahlen heranziehen, um die Superlative der Dauer-ausstellung »parlamentarium« im Europäischen Parlament in Brüssel zu verdeutlichen. Die Kosten von 21 Millionen Euro für die Umsetzung sind in Zeiten der Euro-Krise vielen ein Dorn im Auge – allerdings wurde das Projekt vor sechs Jahr-en angestoßen, als die Verschuldung der Mitgliedsstaaten noch kein allgegenwärtiges Medienthema war.

Generalplanung, Entwurf und szenograische Gestaltung der Ausstellung lagen bei Atelier Brückner in Stuttgart. Ge-meinsam mit Ruedi Baur, der das graische Erscheinungsbild

Einen schlauchför-

migen Raum nutzte

Atelier Brückner

für eine begehbare

Zeitleiste. Die Bei-

tritte der Mitglieds-

staaten sind auf

Plexiglasscheiben

gekennzeichnet,

eine Wand zeigt

Fotos aus dem histo -

r ischen Kontext.

Rechts: So sah der

»Zeittunnel« im

Entwurf von Uwe R.

Brückner aus

Analoge Ele -

mente wie das

Modell der Sitz-

ver teilung im

Plenarsaal und

die Fotos der

Abge ordneten

dienen als

Gegenpol zu den

überwiegend

digitalen

Sta tionen der

Ausstellung

PAGE 01.12086 TECHNIK Making-of: »parlamentarium«

schrift und Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen, begegneten die Gestalter mit einem vielfältig einsetzbaren Personal Media Guide. Das Touchscreen-Gerät – originär ein iPod – wird nicht nur als Audio-Guide genutzt, sondern dient zusätzlich als Informationslieferant mit Text, Bild und Video sowie als interaktiver Schlüssel für einzelne Aus stel lungs-stationen. Über RFID-Tags er mittelt er den Stand ort des Be-suchers und reagiert auf ihn, indem er für die digitalen Anzei-gen automatisch die richtige Sprache wählt. Zugleich aktivie -rt das Gerät die Multi media-Stationen, an denen jeder selb st entscheidet, wie tief er in ein Thema einsteigen möchte.

Dieses von jangled nerves entwickelte Information-on-Demand-Konzept hat Markenilm Crossing in Hamburg kon-zeptionell und visuell ausgearbeitet. Im Verlauf des Pro-jekts verdoppelte die Markenilm-Tochter ihre Interactive Unit und musste in ein eigenes Gebäude übersiedeln. Beim Interfacedesign achtete die Multimedia-Agentur vor allem auf einheitliche Benutzerparadigmen. So führt stets ein But-ton oben links zurück zum Hauptmenü und es gibt kaum Sub-kategorien, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt. Die Wireframes und Flowcharts gab Markenilm Crossing an Nous Wissensmanagement in Wien weiter, die dann die Soft-ware für den Personal Media Guide programmierte. Die Agen tur ist spezialisiert auf die Entwicklung interaktiver Mu-seums-Guides auf iPod-Basis. Ihr NousGuide kommt zum Bei-spiel im San Francisco Museum of Modern Art zum Einsatz.

Neben den Multimediainhalten erstellte Markenilm Cros-sing zudem das Content-Management-System, eine PHP- Eigenentwicklung auf Basis des Frameworks ZEND. »Unsere

Rechts: Beim

Inter facedesign

für den Perso-

nal Media Guide

achtete Mar-

kenilm Cros sing

auf eine ein-

fache Benutzer-

führung – der But-

ton oben links

führt stets zurück

zum Haupt menü

Anforderungen waren so speziell, dass es dafür keine ex-terne Lösung gab«, erklärt Christopher Schultz, der verant-wortliche Projektleiter bei Markenilm Crossing. Besonderen Wert legte das Team auf Übersichtlichkeit und Benutzer-freundlichkeit. Kleine inhaltliche Fehler, die etwa bei Über-setzungen entstanden sind, können Mitarbeiter des Euro-päischen Parlaments vor Ort selbst im CMS korrigieren, für größere Arbeiten am System hat sich die Agentur einen Remote-Zugriff eingerichtet.

Den Parcours sowie die Handhabung des Personal Me-dia Guide und der Software testete Markenilm Crossing in mehreren Durchläufen von den frühesten Entwicklungs-stadien an. Panelgroups erprobten die User Interfaces im Labor, später liefen Gruppen von bis zu 100 Leuten (der Stress test!) durch die Ausstellung in Brüssel. Gravierende Bugs traten zu diesem Zeitpunkt dank mehrfacher Prüfung schon nicht mehr auf. Doch nicht bloß die nach den Tests anfallenden Verbesserungs arbeiten sorgten für zahlreiche Versionen einzelner Interfaces, auch die Absprachen mit dem Auftraggeber gestalteten sich teilweise langwie rig. So waren etwa bei der Entwicklung der als »Treaty Tables« ein-gesetzen Multitouchtische insgesamt 39 Runden notwendig, bis die endgültige Version stand.

Auch architektonisch galt es einige Hürden zu nehmen. Denn ursprünglich sahen die vorgesehenen Räumlichkeiten eher wie ein »Luxus-Parkhaus« aus, so Uwe R. Brückner, Mitbegründer und Kreativdirektor von Atelier Brückner. Besonders ein schlauchförmiger, niedriger, langer Raum schien sich so gar nicht für eine Ausstellung zu eignen. Die vielen Stützen im Gebäude erschwerten die Gestaltung zu-sätzlich. Damit sich die Wege der kommenden und gehen-den Besucher nicht kreuzen, ließ Atelier Brückner sogar eine Treppe versetzen, die den Besucher nun vom Ende des Par-cours direkt zurück zum Ausgang führt.

Die größte Herausforderung allerdings war es, die Aus-stellungsinhalte selbst interaktiv, haptisch, emotional und didaktisch aufzubereiten. Schließlich handelt es sich dabei nicht um Exponate, sondern um reine Information – und zwar in Massen. Um die Informationslut zu verwalten, nutz-te Markenilm Crossing das intern ent wickelte Me dien pro-jektmanagement-Tool Copper. Mit seiner Hilfe unterteil te das Team die Arbeit in diverse Unterprojekte – entspre-chend den verschiedenen Ausstellungsstationen. Um den Überblick nicht zu verlieren, ein konsisten tes Look-and-Feel zu garantieren und Fehler zu vermeiden, wurden sämt liche Unter projekte von einem für die Graik und von einem für die Inhalte Verantwortlichen geprüft. Das sorgte dafür, dass der rote Faden innerhalb der Ausstellung nicht abreißt. Im Folgenden beleuchten wir die Umsetzung der drei Kern-elemente der Ausstellung genauer.

Diese Skizze

zeigt den

Grundriss des

Raums »United in

Diversity« und

der angeschlos-

senen Kinos

(siehe Seite 88 f.)

PAGE 01.12 087

n Der schon erwähnte schlauchför-mige Raum soll die historischen Fakten vermitteln. »Aus der Architektur heraus entstand der Gedanke, hier eine Art Zeitleiste anzulegen: Der Ausstellungs-besucher schrei tet durch die Geschich-te der EU von den ersten Visionen über gemeinsame Verträge und historische Meilen steine bis hin zur Gegenwart. Ar-chi tektur und Inhalt gehen hier eine the matische Symbiose ein«, erläutert Britta Nagel von Atelier Brückner. Am An fang des Raums haben die Gestalter eine »Introduction Wall« installiert, auf

Oben rechts:

An den »Treaty

Tables« ruft

der Nutzer Infor -

ma tionen per

Multitouch ab.

Das Interface

gestaltete Mar-

ken ilm Crossing

in Form eines

virtuellen Hänge-

registers

Die Timeline

die thematische Zitate projiziert wer-den. Die mit einem RFID-Tag ausgestat-tete Station reagiert auf die Besucher in ihrem Umfeld und wählt die jeweils passende Sprache aus. Maximal acht Spra chen können zugleich angezei gt wer den, die daraus resultierende Über- lappung der Schriften erinnert an das »parlamentarium«-Logo.

Der erste Teil der Timeline ist der Zeit zwischen den Weltkriegen gewid-met und entsprechend grau und dun-kel gestaltet. In die Wände eingelasse-ne Sichtfenster zeigen zwanzig Vorden-

ker von Europa – weitere Informatio-nen kön nen die Besucher über ihren Perso nal Media Guide abrufen. Für die Zeit nach 1950 ist die Timeline bunt auf den Boden gedruckt, Meilensteine sind durch ein helles Grün gekennzeichnet. In der Mitte des Gangs beinden sich die »Treaty Tables«: Diese hüft hohen Multitouchtische mit als Hänge register gestaltetem Interface infor mieren über die wichtigsten europäi schen Ver träge. Die Benutzeroberläche setzte Mar ken-ilm Crossing ausgehend von Moods von Atelier Brückner um.

Die Timeline visualisiert die Meilensteine der europäischen Geschichte. Vertiefende Informationen kann der Besucher über seinen Personal Media

Guide abrufen. Der Bereich beginnt mit einer »Introduction Wall« (unten links), auf die Zitate in bis zu acht Sprachen projiziert werden können

PAGE 01.12088 TECHNIK Making-of: »parlamentarium«

Hüfthohe Scan-

ner erkennen

über RFID-Tags

die Hot Spots

auf dem »Ground

of Stories«.

Darüber schwebt

die In stalla tion

»Sky of Opinions«,

die aus 13 000

Vox eln besteht.

Darunter die

entsprechende

Skizze von

Uwe R. Brückner

Der zentrale Raum

n Herzstück der Ausstellung ist der Bereich »United in Diversity« sowie die beiden daran angeschlossenen 360- Grad-Kinos. Im Zentrum des Raums be-indet sich der »Ground of Stories«, eine riesige Bodenkarte, die ein Europa oh-ne Ländergrenzen zeigt. Die Ge schich-ten erfahren die Besucher über hüft-hohe, rollbare Scanner mit eingebau-tem Monitor, die sie über die mit Hot Spots übersäte Landkarte schieben. Ei-ne Antenne in den Scannern erkennt die RFID-Tags; daraufhin werden Infor-mationsvideos zu den jeweiligen Orten abgespielt, die von europäischen Insti-tutionen oder für die EU wichtigen Er-eignissen berichten. Bei der Gestaltung der Scanner legte Atelier Brückner be-sonderen Wert auf Ergonomie. Eine Ausbuchtung an der Vor der seite sorgt für Beinfreiheit, eine 18-Grad-Neigung des Bildschirms verhindert störende Relexionen und Griffe in unterschied-lichen Höhen ermöglichen Menschen jeder Größe einen einfachen Umgang mit dem Gerät.

»Dieser Raum macht die ungeheu-ren Dimensionen der gespeichert en Da tenmenge in der Ausstellung deut-lich«, bemerkt Christopher Schultz. Auf der 200 Quadratmeter groß en Land-kar te beinden sich 90 Hot Spots, zu jedem gibt es Videos von zwei bis drei Minuten Länge – und diese jeweils in 23 Sprachen. Die Video- und Ton spur sind voneinander getrennt und wer-

den mittels Software synchronisiert. Die se Potenzierung von Inhalten ist einer der Gründe dafür, dass während der Projektlaufzeit circa 27 Terabyte Da ten entstanden.

Während der »Ground of Stories« die Gemeinsamkeiten der EU-Mitglie-der in den Mittelpunkt stellt, spiegelt die oberhalb schwe bende Licht instal-lation »Sky of Opinions« ihre unter-schiedlichen Auffassungen hinsichtlich gewisser Themen wider. 13 000 LEDs in Form von Tischtennisbällen – Voxel genannt – ergeben auf einer Fläche von 42 Quadratmetern auf fünf Ebe-nen ein dreidimensionales Mo dell der Euro pakarte. Die Lämpchen zeigen die Ergebnisse einer statis tischen Lang-zeitstudie an, die Informa tionen über

Leben, Werte und Meinungen der EU-Bürger sammelt. Die Darstellung ist eher abstrakt, atmosphärische Klänge verstärken die hypnotische Wirkung des Lichtspiels. »Die Steuerungselek-tronik ist ein hei kler Punkt«, sagt Chris-topher Schultz. »Sie muss sicherstellen, dass der jewei lige RGB-Wert zu der ent-sprechenden LED geleitet wird.« Die 3-D-Szenen animie rte Markenilm Cros-sing in After Effects. Der Film wurde in einem speziellen Layout ausgegeben, das die Animation der fünf Ebe nen ne-beneinander zeigt. Das Prä sen tations-sys tem Watch out lädt die Animation und gibt sie wieder, wobei ein speziel-les Tool die Pixel abgreift und die Voxel in ihrem RGB-Wert erstrahlen lässt. Ein Pixel entspricht einem Voxel.

PAGE 01.12 089

Die Panoramakinos

n An den Saal sind zwei 360-Grad-Ki-nos angeschlossen. In dem einen sitzt der Besucher in Original-Stühlen aus dem Plenarsaal und taucht in die Welt der Parlamentarier ein. Für die dem-entsprechenden Panoramaaufnahmen bau te Markenilm eine Spezialkamera, für die Wiedergabe auf der 150 Qua-drat meter messenden Projektionslä-che sind 14 HD-Beamer in der Mitte des Raums befestigt, die ein nahtloses Bild ergeben. Der Audioausgang passt sich der Position des Moderators in Film und Raum an, Kamerafahrten ge-ben dem Betrachter das Gefühl, der Raum selbst bewege sich.

Durch die Leinwandgröße haben die Filme eine extrem hohe Daten rate. Die Bilder im JPEG-Format wurden so wenig wie möglich komprimiert, um eine pixelige Wiedergabe zu vermei-den. »Anfangs hatten wir die Dimen-sionen des Raums unterschätzt und die Kamerafahrten zu schnell laufen lassen. Den Testpersonen wurde regelrecht schlecht. Wir haben die Geschwindig-keit demzufolge heruntergerechnet«, sagt Christopher Schultz. Doch trotz-dem mus sten am Eingang des Pano ra-ma kinos Warnhinweise befestigt wer-den. In den Pausen zwischen den Vor-führungen können Besucher die in den Tischen eingelassenen Touchscre ens nutzen, um sich über das Europäische Parlament zu informieren.

In dem anderen Rundkino geht es gemütlicher zu: Auf der großen Lein-wand bieten Aufnahmen von Städten, Landschaften sowie Sehenswürdigkei-ten einen atmosphärischen, emotio-nalen Zugang zu Europa. Für die Auf-nahmen schickte Markenilm 2009 zwei Teams mit Canon-5D-Kameras durch Europa. Der Raum ist ausgestattet mit

Wohnzimmermöbeln aus unterschied-lichen Epochen. Überall verteilt stehen kleine Monitore, auf denen sich der Be sucher Videointerviews mit 54 Men-schen aus den 27 Mitgliedsstaaten an-se hen kann. Dort berichten britische Teen ager, deutsche Geschäftsfrauen oder schwedische Rollstuhlfahrer je-weils drei Minuten lang von ihrem All-

tag und davon, inwiefern sie die Euro-päische Union betrifft. Dieser Bereich greift ein Merkmal der Staatengemein-schaft besonders deutlich auf: Das Eu-ropäische Parlament besteht aus Men-schen und arbeitet für Menschen. Die-ser »Human Factor« war von Beginn an ein Leitfaden für die Konzeption, sagte Uwe R. Brückner bei der Eröffnung. nik

Ein Film über das

Parlament gibt

dem Besucher

das Gefühl,

mittendrin zu

sitzen. Die

150 Quadratme-

ter große Lein -

wand wird mit

14 HD-Beamern

angestrahlt. Die

Bilder wurden

nur geringfügig

komprimiert

Wohnzimmer-

Atmo sphäre: Das

Panoramakino

»Daily Life« zeigt

europäische

Landschaften und

Videointerviews.

Für die Aufnah-

men schickte Mar-

kenilm Cros sing

zwei Kamera-

teams mit Canon-

5D-Kameras

durch Europa

PAGE 01.12090 TECHNIK Premium-Print-Produkte

n »Premium-Print« scheint heute je­der zu können. Viele Medien dienst leis­ter schmücken sich mit diesem Zusatz, erstaunlicherweise häuig auch Web­to­Print­Services. Dabei deinieren die­se sich doch vor allem über den Preis – und nicht über Individua lität und Viel­falt. »Mittlerweile wird bereits von ›Pre­mium‹ gesprochen, wenn kleine Ver ­edelungen ins Spiel kommen«, kriti­siert Ernst Gärnter, Ge schäfts führer von Eberl Print in Immenstadt im All­gäu. Aber wie lässt sich dann ein wirk­licher Premium­Print­Dienstleister in­den? Das ist gar nicht so einfach, denn viele Druckereien bevorzugen klare, gut kalkulierbare Jobs und lehnen ab, sobald ein Projekt gewisse Unwägbar­

keiten birgt. Es gibt Kunden, die Absa­gen von zehn Druckereien kassiert ha­ben, bevor sie zu ihm kommen, be­richtet Boris Brumnjak, PAGE­Autor und Geschäftsführer von Gallery Print. Seine auf Aufträge aus dem Kulturbe­reich spezialisierte Druckerei in Berlin­Mitte hat den Vorteil, praktisch sämt li­che Veredelungen im Haus fertigen zu können. Das erleichtert Experimente enorm. »Natürlich kommt es auch mal vor, dass wir einen Aufwand unter­schätzen und bei einem Auftrag drauf­zahlen. Das hält sich aber im Rahmen, und wir lernen dadurch.«

Auch wenn viel über die schwieri­ge Zukunft von Print diskutiert wird, mit der zunehmend virtuellen Kommu­

nikation wird gleichzeitig das Bedürf­nis nach haptischen Erfahrungen stär­ker. Und so wächst auch die Nachfra ­ge nach Veredelungen und Premium­Printprodukten. Die Maschinen­ und Papierhersteller reagieren darauf. Da­durch sind die Kombinationsmöglich­keiten von Papier, Farbe, Verarbeitung und Veredelung so gigantisch, dass gute Beratung entscheidend an Be­deutung gewinnt. Vielfältige Informa­tions­ und Kontaktmöglichkeiten bie­tet hier beispielsweise die Webseite des Fachverbands Medienproduktio­ner ( www.f-mp.de ). Im Folgenden stel­len wir Projekte vor, bei denen Premi­um­Print­Ideen auf erfahrene, enga­gierte Druckdienstleister trafen. tk

Fließender ProzessEchte Premium-Printprodukte entstehen nicht per Knopfdruck, sondern indem sich Kreation und

Technik gekonnt die Bälle zuspielen. PAGE zeigt an Beispielen, worauf es dabei ankommt

PAGE 01.12 091

n Wie sich mit Ideen technische Engpässe kreativ umge­hen lassen, zeigt auch die Produktion der Geschäftsaus­stattung für »Andy Warhol’s Interview«. Die Markteinfüh­rung des Magazins in Deutschland und Russland betreut die in Berlin und Wuppertal ansässige Agentur Boros. Der silberne Schriftzug und das Logo auf der Visitenkarte wer­den durch eine Reliefprägung sicht­ und fühlbar hervorge­hoben. Das Problem: Entsprechend ist auf der Rückseite die Einbuchtung der Prägung zu sehen. Dort sollte aber die Adresse normal schwarz gedruckt werden. Gallery Print produzierte einfach zwei Vorderseiten, um sie durch Ka­

schieren zu verbinden. So ist die Prä­gung auf der Rückseite nicht mehr sichtbar, dennoch fühlt es sich wie ein Stück an. Die Grammatur wählten die Designer ganz bewusst: für jede Seite ein 120 Gramm starkes Papier, sodass die Visitenkarte immer noch gut be­weglich ist. Die Kaschierung ist so per­fekt, dass sich einige Empfänger tat­sächlich gefragt haben, wie die Karte gemacht wurde.

Doppelt und dreifach hält besser

n Die Einladungskarte für die Pariser Modenschau des adidas­Labels Y­3 – schwarz durchgefärbt und brettdick – war für Gallery Print ihr bisher »schweißtreibendster Auf­trag«, wie Boris Brumnjak erklärt. Und das lag nicht nur da­ran, dass die Zeit ziemlich knapp war. Die Vorderseite der Karte veredelte das Team mit goldmetallischer Heißfolie, den Text prägte es mit einem Heidelberger Tiegel. Erst in der Produktion stellte sich heraus, dass eine einmalige Heißfolienveredelung zum vollständigen Abdecken des tief­schwarzen Kartons nicht ausreichte. Das Schwarz schim­merte noch leicht wolkig durch. Also wurde die Heißfolie ein zweites Mal aufgebracht.

Auch bei der Rückseite musste in steter Abstimmung mit dem Designer – David Mallon von MaisonMallon in Ber­lin – umgedacht werden. Der im Siebdruck aufgetragene mattschwarze Strukturlack sollte ursprünglich die ganze Fläche abdecken und nur das Y­3­Logo aussparen. Das er­wies sich bei der weiteren Verarbeitung in der Schneide­maschine aber als problematisch. Die Lösung mit ähnlich

gutem Ergebnis war, das Ganze zu in­vertieren, also das Logo in Struktur­lack zu drucken und den Hintergrund in schwarzem Karton zu belassen. Um die ungewöhnliche Dicke der Karte zu erzielen, wurden die zwei bedruckten und veredelten Kartons auf einen noch dickeren kaschiert. Das beeindrucken­de Resultat: »Ein in sportlichen zwei Ta­gen (und Nächten) hergestelltes Brett«, so Boris Brumnjak.

Die Details sind das Design

Um den satt

schwarzen

Karton abzu-

decken, musste

Gallery Print

die Heißfolien-

veredelung

bei der Y-3-Ein-

ladung zwei-

mal auftragen

Bei den Visiten-

karten für

»Andy Warhol’s

Interview«

druckte Gallery

Print die Seiten

getrennt, damit

die Prägung auf

der Rückseite

nicht zu sehen ist

PAGE 01.12092 TECHNIK Premium-Print-Produkte092

n Anstatt nichtssagender Papiermuster enthält das von Eiga Design in Hamburg für Römerturm entwickelte Toolkit sechs aufwendig gestaltete Beispielmailings, die ohne viele Worte eine Botschaft vermitteln. Thematisch geht es um »Erste Male« – vom ersten Kuss bis hin zum ersten Umzug, gebündelt in einer Mappe, die schon für sich ein Hingucker ist. Einen schönen Effekt erzielte Eiga Design durch die Kombination von Heißfolienprägung in Weiß für die Schrift­züge und feinem, geripptem Karton. So heben sich die Schrift züge, abgesehen von der Prägung, nur durch leich­ten Glanz von dem matten Material ab.

In den Mailings kamen eine Reihe von Veredelungen zum Zuge. Partielle UV­Lackierung sorgt dafür, dass der Kuss­mund weich und glänzend wirkt, während die Reiseziele auf den grauen Postkarten durch Siebdruck in Sonderfarben abgesetzt sind. Stahlstich fand für einen Briefbogenkopf Verwendung, um iligrane Formen in das Papier prägen zu können. Eine so geballte Kombination an Druck­, Papier­ und Veredelungsinessen ist für die Druckerei Beisner aus Buch­holz in der Nordheide nicht alltäglich. »Die ersten Meetings

waren sehr offen, auch hinsichtlich der technischen Parameter«, berichtet Ju­lia Strauch von Beisner Druck. Der Pro­duktionsaufwand bei dem Projekt war hoch, an einigen Finessen musste im­mer wieder gefeilt und experimentiert werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Es hat sich gelohnt.

Vorbildlich

n Das beim red dot award: communication design 2011 ausgezeichnete Scheufelen­Magazin »Values in Style« stell­te die Produktion vor eine besondere Herausforderung. Denn hier sollten vier Veredelungsarten, sechs Materialien und vier Sonderfarben mit einem vergleichsweise knappen Budget realisiert werden. Möglich war dies nur durch beson­ders enge und frühe Absprachen zwischen Scheufelen, der

Designagentur Strichpunkt und Eberl Print. So berücksichtigten die Designer schon bei der Konzeption Faktoren, die später in der Verarbeitung eine Rolle spielen. Kostensparend wirkte sich et­wa aus, dass pro Druckbogen immer nur eine Veredelungsart vorgesehen war und sich fast alle Arbeiten von der Druckerei erledigen ließen.

Vorausschauend

Schon bei der

Konzeption

berücksichtig-

ten die Strich-

punkt-Desig-

ner die spätere

Verarbeitung

in der Druckerei

Von Stahlstich bis

zu partiellem UV-

Lack zeigt Römer-

turms Mailing-

Toolkit allerhand

Finessen und

Veredelungen

PAGE 01.12094 TECHNIK Premium-Print-Produkte

Per Irisdruck entstanden bei Gallery Print farbige Unikate,

die die Berliner Druckerei als Eigenwerbung nutzte

Alte Technik, neu belebt

n In ihrer Eigenwerbung ging Gallery Print außergewöhnliche Wege. Um sich vom vorherrschenden Schwarzweiß­look abzuheben, haben die Berliner den althergebrachten Irisdruck wie­der belebt. Anders als beim normalen Offsetverfahren beinden sich die Far­ben beim Irisdruck alle in einem Farb­werk, nur durch Keile getrennt. Wäh­rend des Produktionsprozesses ver­mischen sie sich nach und nach und

n Das im Niggli­Verlag erschienene Buch »Irmgard Frank. Raumdenken« weist gleich mehrere Besonderheiten auf. So sah das Konzept des Wiener Designers Walter Bohatsch in der Höhe verkürzte Bildstrecken vor, die registerhaltig in den 200 Seiten der Publikation integriert sein sollten. Nach­dem sich im Raum Wien keine Druckerei oder Buchbinderei fand, die dazu bereit war, übernahm Eberl Print zusammen mit der Buchbinderei Spinner die Aufgabe. Die Bildstre­cken wurden geheftet, beschnitten und dann in Handarbeit mithilfe einer Schablone an die entsprechenden Stellen ge­klebt. Dank diesem Kniff ließen sich die gesammelten Buch­blöcke maschinell fadenheften.

Dass die Fotograien auf Naturpapier gedruckt werden sollten, stellte eine weitere Herausforderung dar. Um die weichen Farbübergänge zu erhalten, wählte Eberl Print ei­nen frequenzmodulierten Raster. Für diese Kombination gibt es keinen standardisierten Color­Management­Work­low, sodass sich die Druckerei direkt mit dem Wiener Litho­ und Datenstudio Pixelstorm abstimmen musste, Maschinen­andruck inklusive. Auch beim Bucheinband waren Tests

notwendig, um herauszuinden, ob die Deckkraft der Siebdruckfarben genü­gen würde. Das war der Fall – ansons­ten hätte Eberl Print einen deckend weißen Unterdruck vornehmen müs­sen. Die vereinten Anstrengungen ha­ben sich gelohnt, der Band wurde bei dem Wettbewerb Die schönsten Bü­cher Österreichs ausgezeichnet.

Kurz zwischen lang

Eberl Print

gelang es, in der

Höhe verkürz-

te Bildstrecken

zwischen

den normalen

Buchseiten

unterzubringen

erzeugen bei jedem Druck eine ein­malige Farbzusammensetzung. Jeder Bogen wird dadurch praktisch zum Unikat. Gallery Print fertigte auf diese Weise Poster, Flyer und Lineale. Um die Strahlkraft der Verläufe zu verstärken, setzte das Team Sonderfarben und stark relektierende Heißfolie ein. Die mit Methode Zufall generierten Ver­läufe könnte man mit dem besten Gra­ikprogramm so nicht hinbekommen.

page 01.12096 TECHNIK

TOOLS & TECHNIK

Zahlenspiele Die iPad-App Codea lädt zum Experimentieren mit Code ein

n Ein derart spielerischer und einfa­cher Einstieg in die Welt der Program­mierung ist neu. Die iPad­App Codea (vormals Codify) bringt alles dazu Nö­tige mit: einen Texteditor mit Syntax­Highligh ting und Codevervollständi­gung sowie einen Interpreter, der das Programm ohne langes Kompilieren di­rekt in der App ausführt. Fürs Kennen­

lernen sind die Beispielprojekte hilf­reich, die etwa die Anwendung von Graik, Sprites und Sound abdecken.

Die App ist für Kreative insbeson­dere deswegen so spannend, weil sie gute Graikfähigkeiten sowie eine klei­ne Sound­Library mitbringt und neben der Multi touch­Oberläche auch den Accelerometer des iPad 2 unterstützt. Mit dessen Hilfe erkennt sie Bewegun­gen und Drehwinkel. Die Anwendung dieses Features wird durch eines der Beispiel projekte besser verständlich. Dieses imitiert das Spielprinzip von »Doodle Jump«, bei dem die Spieligur durch Drehbewegungen gelenkt wird. Visuelle Experimente sind die Stärke von Codea, und das kommt nicht von ungefähr. Die eingebaute Graikengine setzt auf OpenGL und wurde auf Basis der Processing­Library entwickelt, die hauptsächlich für generatives Design verwendet wird.

Für die ersten Programmierversu­che emp fehlen sich simple Zeichen­funktionen wie »ellipse«, »line« und »sprite«. Diese lassen sich mithilfe von Befehlen wie »rota te« und »scale« mo­dii zieren. Zahlreiche mathematische Hilfsfunktionen unterstützen bei der Lösung gra ischer Aufgabenstellun gen. Auf Wunsch geht es aber auch kom­plexer: Wer in der Schulzeit bei Vektor­ und Matrizenrechnung nur Bahnhof verstanden hat, kann sich dieses Wis­sen in Codea wieder erarbeiten, Schritt für Schritt und sehr praxisbezogen,

denn jeder Fortschritt wird mit einem visuellen Ergebnis belohnt.

Mit Lua verwendet Codea eine leis­tungsstarke, etablierte Scriptsprache, die vor allem von Spieleentwicklern ge­schätzt wird, aber auch in Proisoft­ware wie Adobe Lightroom zum Ein­satz kommt. Ausgeführt werden die Lua­Scripts ähnlich wie bei Java von einer virtuellen Maschine. Codea eig­net sich gut fürs Prototyping, eigen­ständige iPad­Apps zum Verteilen oder gar Verkaufen im App Store lassen sich damit aber nicht schreiben.

Die Codea­IDE hilft Einsteigern da­bei, sich schnell zurechtzuinden. Eine integrierte Referenz erklärt alle ent­haltenen Funktionen. Dank Syntax­vervollständigung lassen sich beim Programmieren schnell die passen den Funktionen inden. Achtung: Deren korrekte Groß­ und Kleinschreibung ist wichtig! Um das Ändern von Zahlen zu erleichtern, toucht man diese an und bewegt den Finger nach rechts oder links. Einfach ist auch die Deini­tion einer Farbe: Eine Berührung, und es öffnet sich ein Pop­up­Menü.

Es macht Spaß mit Codea zu expe­rimentieren und sich an visuellen Pro­jekten zu versuchen – ganz entspannt wo immer man möchte. Auch Script­ und Programmiermuffel sollten sich einen Ruck geben und einen Blick auf die App werfen. Bei 7,99 Euro kann man nicht viel falsch machen. tk

≥ http://twolivesleft.com/Codea/

Codea – der

Name ist zusam-

mengesetzt

aus »Code« und

»idea« – eignet

sich vor allem für

visuelle Projekte

Die integrierte

Referenz enthält

alle notwendigen

Informationen,

um eine Funktion

zu verstehen –

häuig inklusive

Beispielcode.

Unten: Die Dei-

nition einer Farbe

erleichtert die

Mini-IDE mit einem

Farbselektor

page 01.12 097

n Es gibt Wetten, die kann man nicht verlieren. Apple ist zwar durch die professionellen Anwender in der Kreativ­, Werbe­ und Printbranche groß ge­worden, aber mit dieser Klientel fremdelt das Unter­nehmen aus Cupertino zunehmend. Das zeigte sich zuletzt in dem als Revolution angekündigten Nach­folger der Videoschnittsoftware Final Cut Pro X, das zwar wegweisende neue Konzepte brachte, bei den Prois aber durchiel und für eine verstärkte Abwan­derung vor allem zur Adobe­ und Avid­Konkurrenz sorgte (siehe PAGE 10.11, Seite 80 ff.).

Nun geht es offenbar dem Mac Pro an den Kra­gen, der letzten Apple­Workstation. Im Unterschied zu den Fix­und­Fertig­iMacs lässt er sich noch erwei­tern und umbauen und unterstützt somit auch an­spruchsvolle Vorhaben im Graik­, Video­, 3­D­ oder CAD­Bereich. Neue, leistungsfähige Intel­Prozesso­ren und Graikkarten würden ein Update dieses Desk top­Rechners voll und ganz rechtfertigen. Zu hören ist von Apple in dieser Richtung allerdings nichts. Auch das seit Jahren unveränderte Design könnte eine Auffrischung vertragen.

Modulare iPhone-Hüllen

n Wer eine Schutzhülle für sein iPhone sucht, wird statt schnöder schwarzer Ledertasche wohl eher etwas Ausge­falleneres wählen. Wie wäre es da mit dem iPhone 4 Stacks Case? Das modu­lare System besteht aus sechs Steck­teilen in unterschiedlichen Farbabstu­fungen. Davon sind vier unterschied­liche Sets mit so anregenden Namen wie Aquabliss, Passion Play oder Can­dymania erhältlich. Die Teile werden einfach über das Smartphone gescho­ben und ergeben so eine individuelle Hülle. Das iPhone 4 Stacks Case kostet knapp 35 US­Dollar. vd

≥ www.case-mate.com

Kommentar

Thomas Kaltschmidt

über Apples Abschied aus

dem Proisegment

iPhone-Objektiv

n Die Wünsche der wachsenden Ge­meinde passionierter iPhone­Fotogra­fen hatten Patrick O’Neill und Chong Pak bei der Entwicklung ihres Kleinob­jektivs Olloclip im Auge, das sich ein­fach ans iPhone 4 stecken lässt. Trotz der kompakten Größe vereint es so­wohl ein Fischauge als auch ein Weit­

Unterschiedliche Farbkombinationen

erlaubt das iPhone 4 Stacks Case

winkel­ und ein Makroobjektiv und liefert in Kombination mit der leis­tungsstarken (und beim 4S noch ein­mal deutlich verbesserten) iPhone­Ka­mera gute Resultate. Das Olloclip gibt es in den Farben Schwarz oder Rot zum Preis von circa 70 US­Dollar. vd ≥ http://olloclip.com

Mit Fischauge, Weitwinkel- und Makroobjektiv erweitert das Olloclip

die Möglichkeiten der stark verbesserten iPhone-4S-Kamera

»Die Fürsorge, die apple ihrem

proi-Mac angedeihen lässt, kann

man nur als grabplege bezeichnen«

Obwohl sich bei den Graikchips enorm viel tut und die 3­D­Performance rapide steigt, dauert es ewig, bis eine aktuelle Graikkarte auch für den Mac Pro verfügbar ist. Die spannende Nvidia­Technologie Cu­da ist für den Mac im Vergleich zum PC nur in we­nigen, vielfach teureren Varianten erhältlich. Cuda zapft die Kraft der Graikprozessoren für komplexe Re chenprozesse an. Premiere nutzt das sehr beein­druckend für die Echtzeitvideobearbeitung inklusive aufwendiger Effekte. Bei anderen aktuellen 3­D­Gra­ikkarten schauen Mac­Pro­Kunden ganz in die Röhre.

Um zu erkennen, dass der Mac Pro keine Zukunft bei Apple hat, braucht es die Gerüchteseite Apple­insider nicht. Diese hatte über Diskussionen im Apple­Vorstand berichtet, die eine Einstellung des Mac Pro wahrscheinlicher machen. Die Absatzzahlen sinken. Was nicht verwundert. Die Fürsorge, die Apple ihrem Proi­Mac angedeihen lässt, kann man nur als Grab­plege bezeichnen. Da kann es nur nach unten gehen.

Klar ist auch, dass die Umsätze des High­End­Mac nur einen winzigen Bruchteil des längst von iPhone, iPod und iPad dominierten Gesamtumsatzes ausma­chen. Aber wenn Apple ihre Produk tion einstellt, ist dies gleichwohl eine Zäsur – und ein Signal. Der Glanz einer Hightech­Schmiede geht damit ein Stück weit verloren. Und weiter? Der Zenit der Desktop­Rechner gilt als überschritten. Was steht als Nächstes auf der Streichliste, weil es mit dem iOS­Boom nicht mithalten kann? iMacs oder gar Mac OS X – wetten, dass? tk

page 01.12098 TECHNIK

Software

+++ Media Pro 1.1. Die Medienverwaltung Media Pro ist in Version 1.1 erschienen. Neben der Unter­stützung von Raw­Formaten neuer Digitalkameras bietet sie eine komplett deutsch lokalisierte Benut­zeroberläche sowie eine verbesserte Performance. Media Pro wird nun von Phase One entwickelt. Es han­delt sich dabei um den Nachfolger von iView MediaPro beziehungsweise Expression Media, wie die Software zuletzt bei Microsoft hieß. Die Lösung, die mehr als 100 Formate unterstützt, eignet sich für die Verwal­tung großer Mediendatenbestände und zeichnet sich durch einen weitreichenden Metadatensupport so­wie ausgefeilte Suchfunktionen aus. Es sind Versio nen für Windows und Mac OS X für jeweils rund 170 Euro erhältlich. ≥ www.application-systems.de/mediapro +++ pdfToolbox 5.3. Mit der neuen Prelight­ und Kor rektursoftware pdfToolbox 5.3 verspricht PDF­Spezialist callas volle Kompatibilität zu Mac OS X Lion. Neben einigen Fehlerkorrekturen enthält sie Verbes­serungen beim Bildexport – hier kann man jetzt den Seitenausschnitt frei wählen – und stellt zusätzliche Optionen bei der Seitenskalierung bereit. Der Pref­light erkennt nun auch Ligaturen. Für Anwender der Version 5.x ist pdfToolbox 5.3 kostenfrei. Die Desk­top­Vollversion kostet etwa 500 Euro, die Server­Va­riante ungefähr 4000 Euro. ≥ www.callassoftware.de +++ Musik auf dem iPad. Für alle, die sich an eige­nen Kompositionen versuchen wollen, lohnt ein Blick auf die neue iPad­App LoopMash HD von Steinberg. Über das intuitive Multitouch­Interface kann man sich aus einem Fundus von 250 mitgelieferten Audioloops bedienen und diese in bis zu acht Spuren arrangie­ren. 19 Live­Effekte wie »Reverse Playback« oder »Scratches« simulieren DJ­Techniken. Per In­App­Kauf lassen sich weitere Audioloops ergänzen. Das für 9,99 Euro erhältliche LoopMash HD ist kompati­bel mit iPad 1 und 2. ≥ www.steinberg.de +++ Neue

Farbmanagement Test-Suite. VIGC – eine belgische Mitgliederorganisation, die sich für Verbesserungen und Innovationen in der PrePress­ und Publishing­branche einsetzt – hat die Farbmanagement­Test­suite VIGC50 veröffentlicht. Diese soll bestehende Lösungen wie die Altona Test Suite nicht ersetzen, sondern widmet sich gezielt Problemfeldern, die der Optimierung bedürfen. VIGC50 enthält fünfzig Fotos aus der Praxis, darunter Porträt­, Landschafts­ und Makrobilder, verzichtet aber auf speziell vorberei­tete Studioaufnahmen, die eine Bewertung erschwe­ren können. Inklusive Dokumentation kostet das Set rund 300 Euro. ≥ www.vigc.org +++ Scrivener für

Windows. Der Mac­Texteditor ist bei Vielschreibern beliebt, da er es erlaubt, unzählige Text­ und Re­chercheschnipsel in einer Ordnerstruktur zu orga­nisieren. Jetzt ist Scrivener auch in einer Version für Windows erhätlich. Kostenpunkt: circa 40 US­Dollar. ≥ www.literatureandlatte.com tk

PdfGrabber 7.0

n Eigentlich ist es ja nicht besonders ratsam, PDF als Ausgangsmaterial für eine Konvertierung in ein anderes For­mat zu verwenden. Um die Inhalte oh­ne Verluste zu editieren, ist es immer besser, das Ursprungsdokument in je­nem Programm zu bearbeiten, in dem es erstellt wurde. Aber häuig hat der Kre ative die entsprechende Software (beziehunsgweise Version) nicht parat, oder der Kunde will die Originaldatei nicht herausrücken. PDF ist weit ver­breitet und lässt sich aus praktisch al­len Programmen exportieren, egal, ob Proi­Publishinglösung oder Textver­arbeitung wie Word. Daher ist der Ruf nach Konvertern, die PDF wieder in ein bearbeitungsfähiges Format um­wandeln, verständlich.

PdfGrabber, gerade in Version 7 er­schienen, kann helfen. Schon der Vor­gänger war in der Lage, eine PDF­ in eine RTF­Word­Datei umzuwandeln oder nach Excel, in das AutoCad­For­mat DXF, HTML oder verschiedene Bildformate zu konvertieren. Dabei er­kennt PdfGrabber neben der Textfor­matierung auf Wunsch auch das Lay­out, Tabellen sowie eingebettete Bil­

n Steve Jobs hätte wahrscheinlich sei­ne Freude an dieser Meldung gehabt: Adobe kündigt an, die Weiterentwick­lung des Flash Player für mobile Ge­räte, also für Android und BlackBerry, einzustellen. Damit gibt Adobe dem Apple­Gründer und seiner ablehnen­den Haltung gegenüber Flash auf iOS im Nachhinein recht.

Moment mal: Hat nicht der glanz­lose Adobe­CEO Shantanu Narayen bei jeder Gelegenheit betont, die Grün de seien beim Apple­Geschäftsmodell zu suchen und nicht in der Technologie? Offenbar lag es also doch an dieser – Adobe hat es nicht hinbekommen, ein

performantes und stabiles Flash­Plug­ in für die mobilen Browser zu entwi­ckeln. Vielleicht war es einfach nicht möglich, den Ressourcenfresser für sein neues Einsatzfeld umzumodeln.

Adobe will in Zukunft auf HTML5 und AIR (Flash im App­Mantel) setzen. Flash in Desktop­Browsern wird es weiterhin geben. Den entscheiden­den Vorteil, die Cross­Platform­Fähig­keit, egal, ob Browser oder App, hat es nun allerdings verloren. Spätestens jetzt werden sich viele Flash­Entwick­ler ernsthaft überlegen, ob sie zu lange auf die Technologie gesetzt haben. tk≥ www.adobe.de

der. Durch eingebautes OCR wandelt es sogar Texte, die als Bild eingefügt wurden, in editierbaren Text um.

Zu den Neuerungen in Version 7 gehört ein verbesserter Word­Export, der nun auch das DOCX­Format unter­stützt und besser mit mehrspaltigen Layouts, Aulistungen und Listenele­menten zurechtkommt. Die Konvertie­rung ins Vektorformat SVG ist eben­falls möglich, was in unserem kleinen Test auch mit komplexen PDF­Grai­ken problemlos funktionierte. Interes­sant ist die Ausgabe ins ePUB­Format, das E­Book­Reader verwenden. Dies hat im Un terschied zu in der Regel sta­tischen PDF­Seiten den Vorteil, dass die Seiten entsprechend der Vorgaben für Schrift, Schriftgröße und Zeilen­abstand automatisch neu umbrochen werden. Im Fall der iBook­Reader­App sogar inklusive dynamischer Silben­trennung. PdfGrabber ist kinderleicht zu bedienen und kostet in der Profes­sional­Variante circa 100 Euro. Einen Blick auf die Testversion können wir empfehlen. Leider steht der kleine Hel­fer nur für Windows bereit. tk

≥ www.pdfgrabber.de

Mobile ohne Flash

PDF-Seiten ins SVG-

Format oder für E-Book-

Reader nach ePUB

exportieren kann Ver-

sion 7 von PdfGrabber

page 01.12100 TECHNIK

+++ iPad-2-Halterung. Ein iPad zusätzlich zum Desk­top­Arbeitsplatz zu verwenden kann sinnvoll sein – sei es als Touch­Steuerung für Photoshop, als Zweit­monitor für Paletten oder für die kleine App zwi­schendurch. Der Platz neben Tastatur und Monitor ist aber meist zu begrenzt, als dass das komfortabel gelingen könnte. Ein bewegliches Wand­ oder Tisch­stativ – von denen es einige gibt – kann die Lösung sein. Allerdings benötigt man dafür wiederum eine passende iPad­Halterung. Mit der VMA302 von Sanus lässt sich das iPad 2 mit nur einem Klick befestigen und genauso schnell wieder lösen. Um beliebige Dre­hungen und Neigungen zu ermöglichen, empiehlt sich ein Stativ mit Virtual­Axis­3D­Gelenk von Sanus. Der Halter allein kostet ungefähr 20 Euro, ein Stativ ab 60 Euro. ≥ www.sanus.com +++ Sparsame DLP-

Projektoren. Die BenQ­Beamer MX514 und MW712 nutzen eine neue Technologie, die den Energiever­brauch etwa um die Hälfte senken und die Lebens­dauer der teuren DLP­Lampen zugleich fast verdop­peln soll. Der MX514 erreicht eine Aulösung von 1024 mal 768 Pixeln und kostet circa 500 Euro, den MW712 mit einer eine Aulösung von 1280 mal 800 Pixel gibt es für rund 700 Euro. ≥ www.benq.com +++ Buffalo-

Datenspeicher mit Cloud-Zugriff. Speicherspezialist Buffalo hat neue NAS(Network Attached Storage)­Speicherlaufwerke namens CloudStation mit 2 und 4 Terrabyte Volumen vorgestellt. Die Ethernet­Netz­werkverbindung überträgt bis 1000 Megabit pro Se­kunde schnell, der Zugriff erfolgt von Windows­ und Mac­Systemen. Über den Pogoplug­Cloudservice lässt sich via Internet auf die Daten zugreifen – über eine Mobile App ebenso wie über einen Browser. Die güns tigste Koniguration ist ab 260 Euro erhältlich. ≥ www.buffalo-technology.de +++ Acer-Ultrabook. Das 13,3 Zoll große Aspire S3 ist mit unter 1,4 Kilo­gramm und 13 Millimeter besonders leicht und dünn. Das Gehäuse im Macbook Air­Look besteht aus einer Aluminium­Magnesium­Legierung. Allerdings verfügt das Acer­Notebook über einen HDMI­Anschluss und ein Speicherkartenlesegerät. Der Akku soll bis zu sie­ben Stunden durchhalten, und aus dem Ruhezustand wacht das Aspire S3 auch nach mehreren Wochen noch auf. Je nach Ausstattung kostet es zwischen 800 und 1400 Euro. ≥ www.acer.de +++ 4-in-1-Festplatte

von LG. Gleich vier Funktionen vereint der Daten­speicher N1T1 von LG, den die Telekom nun in einer Spezialversion anbietet – nämlich externe Festplatte, NAS­Storage, DVD­Brenner und Datensynchronisa­tion mit der Telekom­Cloud Mediencenter. Dieser On­linespeicher ist für Telekom­Kunden kostenfrei und hat ein Volumen von 25 Gigabyte, für 3 Euro lassen sich je 5 Gigabyte hinzubuchen. Der LG N1T1 synchro­nisiert ausgewählte Ordner mit der Telekom­Cloud automatisch und steht für rund 150 Euro zur Verfü­gung. ≥ www.lg.com ; www.telekom.de tk

Hardware

n Der Anbieter iGo aus Arizona kon­zentriert sich auf Audio­ und Video­gadgets sowie auf stromsparende, um­weltschonende Netzteile. Unter dem Label iGo Green bringt er nun aulad­bare Alkalibatterien heraus, die deut­lich verträglicher sein sollen als die Nickel­Cadmium­ sowie Nickel­Metall­Hy dride­Akkus der Konkurrenz. Sie ent­halten nämlich keine Schwermetalle. Weiterer Vorteil: Die AA­ und AAA­Ak­kus leisten 1,5 Volt statt der sonst üb­lichen 1,2 Volt. Zudem verlieren sie im Ruhezustand kaum Ladung, eignen sich somit besonders für Geräte, die wenig Strom verbrauchen und über eine lange Zeit genutzt werden, wie zum Beispiel kabellose Mäuse.

Eine Batterie übersteht je nach Ver­wendung bis zu 500 Auladungen. Ihr Einsatz macht sich schon nach einigen Mal bezahlt – für die Umwelt allemal. Komplett ungiftig, wie der Hersteller behauptet, dürften die Stromspender aber nicht sein, schließlich ist laut Da­tenblatt Braunstein (Mangandioxid) enthalten, das die EU als gesundheits­schädlich einstuft. Wie alle anderen Batterien gehören auch die iGo­Green­

Akkus in die dafür vorgesehenen Sam­melbehälter. Günstig ist der Preis: Vier AA­Batterien inklusive speziellem La­degerät kosten circa 17 Euro, acht Stück sind für etwa 13 Euro erhältlich. tk

≥ www.igo.com

n Canons Pixma Pro­1 richtet sich an Fotografen, die nicht immer ein Foto­labor in Anspruch nehmen wollen. Zu­sätzlich zu den sechs Farb­ verwendet der A3­Überformat­Inkjetprinter fünf Schwarz weiß tinten: von Hellgrau bis Fotoschwarz. Das soll für eine Opti­mierung des Dynamikumfangs und für weichere Verläufe sorgen, insbeson de­re bei Schwarzweißbildern. Als zwölf­te Tin te ist ein farbloser Chroma­Opti­mizer mit dabei, der die Schwarzdich­te durch leichten Glanz verbessert. Da er nicht auf dem ganzen Blatt aufge­tragen wird, sondern nur an die ent­sprechenden Stellen, sollte der Lack ähnlich lange halten wie die Farbtanks.

Ein Foto im Format A3+ soll der Pixma Pro­1, der bis zu 350 Gramm star­

kes Material verarbeitet, in unter 3 Mi­nuten ausgeben. Das wäre eine be­achtliche Beschleunigung im Vergleich zum Vorgängermodell Pixma Pro 9500 Mark II. Über seine Ethernet­Buchse lässt er sich in Netzwerke integrieren. Für die anspruchsvolle Farbsteuerung unterstützt er ICC­Proile, die Berech­nung erfolgt mit 16 Bit pro Farbkanal. Der rund 900 Euro teure Canon Pixma Pro­1 präsentiert sich in einem ange­nehm reduzierten Design – glücklicher­weise ohne Klavierlackoptik. tk

≥ www.canon.de

Elf Tinten plus Glanzfarbe

sollen für ein exzellentes

Druckergebnis vor allem bei

Schwarzweißfotos sorgen

Die neuen iGo-Green-Akkus

kommen ohne Schwermetalle aus

Umweltschonende Akkus

Fotodrucker mit zwölf Tinten

106

KALENDER

page 01.12

Messen • Kongresse • Seminare

Paris7. bis 9. Dezember

Le Web 11Europäische Internetkonferenz Les Docks≥ www.leweb.net

Berlin8. bis 9. Dezember

Tagung Corporate MediaPräsentation von Best Cases sowie WorkshopsQuadriga Forum Berlin≥ www.tagung-corporatemedia.de

Bielefeld9. Dezember

Bücher machenDas Institut für Buchgestaltung veranstaltet seine erste Tagung. Zu den Gästen zählen unter anderem die Designerin und erfolgreiche Autorin Judith Schalansky und Sven Ehmann vom Gestalten VerlagInstitut für Buchgestaltung≥ www.institut-buchgestaltung.de

Hamburg11. Dezember

Symposium »Renaissance der Printmagazin-Kultur«Experten aus Theorie und Praxis diskutieren über den Wandel der Printmedien im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Fotograie Deichtorhallen≥ www.freundeskreisphotographie.de

Zürich12. Dezember19 Uhr

Lars Müller Publishers und die FotograieDer Verlag Lars Müller Publishers hat seine Foto- gra fen, Künstler und Bildautoren zu einem Gespräch eingeladen Dezember Bücher≥ www.dezemberbuecher.ch

Stuttgart13. Dezember19:30 Uhr

Ringvorlesung »Cinema Expanded. Film / Video <> Kunst <> Internet«Volker Pantenburg hält einen Vortrag zum Thema »Abschied und Wiederkehr des Kinos. Zur Konjunktur bewegter Bilder im Kunstraum“ Merz Akademie≥ www.merz-akademie.de

Hamburg14. Dezember

Neue Medien im RaumVortrag von Joachim Sauter von ART+COMMuseum für Kunst und Gewerbe Hamburg≥ www.hamburgunddesign.de

Köln16. bis 22. Januar 2012

imm cologneInternationale Einrichtungsmesse mit einem Schwer- punkt auf junge Designtalente koelnmesse≥ www.imm-cologne.de

Winterthur27. bis 29. Januar 2012

Plat(t)form 2012Junge Fotografen und Künstler haben Gelegenheit, ihre Portfolios zu präsentierenFotomuseum Winterthur≥ www.fotomuseum.ch

Dublin1. bis 4. Februar 2012

interaction12Interactive-Design-KonferenzConvention Centre Dublin≥ http://interaction12.ixda.org

München11. Februar 2012

TOCA ME 12Die Münchner Agentur veranstaltet in diesem Jahr wieder eine ihrer kleinen, aber stets hochkarätig besetzten Designkonferenzen – diesmal zum Beispiel mit Golan Levin, Ethan Roth und Mate Steinforth≥ www.toca-me.com

Amsterdam27. bis 28. Februar 2012

FITC Amsterdam 2012Wie jedes Jahr lautet das Motto der Konferenz »Design.Technology.Cool Shit.«Felix Meritis≥ http://itc.ca

Festivals • ausstellungen

Weil am RheinAb 3. Dezember

WalllowersPräsentiert werden die Arbeiten zehn internatio- naler Street Artists, die diese direkt an den Wänden der Galerie anbringen Carhartt Gallery≥ http://carhartt-gallery.com/

LausanneAb 4. Dezember

[Contre]Culture/CHDie Schweiz auf der Suche nach sich selbst . . . nach ihren Rändern, dem Typischen und dem Untypischen, dem Gegenläuigen. Und das nicht nur im Medium Fotobuch (siehe Seite 82), sondern auch in dieser Ausstellung mit Arbeiten von Fotografen, Künstlern und Videoilmern Elysée Lausanne≥ www.elysee.ch/

Paris7. bis 31. Dezember

Pictoplasma ParisDas Berliner Pictoplasma-Projekt ist zu Besuch in Paris. Die zentrale Ausstellung zeigt, wie Character Artist ihre Schöpfungen haptisch werden lassen. Zudem gibt’s eine Konferenz, Screenings und einen Character Walk durch die Stadt La Gaîté Lyrique≥ http://paris.pictoplasma.com

LondonBis 8. Januar 2012

Gerhard Richter: PanoramaGemeinsam mit der Berliner Neuen Nationalgalerie und dem Centre Pompidou richtet die Tate Gallery eine große Werkschau für Deutschlands bedeu-tendsten Gegenwartskünstler aus, der im nächsten Jahr seinen 80. Geburtstag feiert Tate Modern≥ www.tate.org.uk/

DüsseldorfBis 8. Januar 2012

Frontline – Die Macht der Bilder»Können Bilder Kriege und Krisen beenden?« fragt diese Ausstellung anhand klassischer und aktueller Arbeiten von neun Magnum-Fotografen (siehe PAGE 10.11, Seite 9) NRW-Forum≥ www.nrw-forum.de/

Von

un

ten

: Ro

ber

t Cap

a. C

ord

ob

a fr

on

t. 1

936.

Lo

yalis

tisc

her

So

ldat

im M

om

ent d

es T

od

es. ©

Inte

rnat

ion

al C

ente

r of P

ho

togr

aph

y/M

agn

um

Ph

oto

s; G

erh

ard

Ric

hte

r: R

ead

er 1

994

© G

erh

ard

Ric

hte

r Co

urt

esy

San

Fra

nci

sco

Mu

seu

m o

f Mo

der

n A

rt;

Frie

nd

sWit

hYo

u; ©

Mat

thie

u G

afso

u, R

ne

Gla

cier

, fro

m th

e se

ries

Alp

es, 2

00

9–20

11, C

ou

rtes

y M

usé

e d

e l’E

lysé

e, L

ausa

nn

e

Messen • Kongresse • Seminare

Metz23. bis 26. März

Salon du DesignSchwerpunkte der neuen Designmesse sollen Eco- und digitales Design sein Metz Expo Événements≥ www.salondudesign-metz.fr

San Francisco5. bis 6. April

TYPO San Francisco »Connect«International Design TalksYerba Buena Center for the Arts≥ www.typotalks.com

Hamburg23. April

PAGE Seminar »Leitmedium Design«Workshop mit Jochen Rädeker (siehe Seite 79) Gastwerk Hotel Hamburg≥ www.page-online.de/seminar

Hamburg27. April

PAGE Seminar »Designmanagement«Workshop mit Christine Hesse (siehe Seite 95) Gastwerk Hotel Hamburg≥ www.page-online.de/seminar

Hamburg27. bis 28. April

Neu: Boom! Transmediales Story-TrainingWorkshop von PAGE & Good School (siehe Seite 57) Good School≥ www.page-online.de/seminar

Hamburg18. Mai

PAGE Seminar »Urheber-, Design- & Vertragsrecht«Seminar in Kooperation mit der AGD (siehe Seite 81) Gastwerk Hotel Hamburg≥ www.page-online.de/seminar

107page 01.12

≥ Weitere Termine unter www.page-online.de/events . Dort können Sie uns auch Ihre Veranstaltungstermine mitteilen

Wettbewerbe

Die Kreativ-Awards 2012Auf PAGE Online haben wir für Sie nationale und internationale Wettbewerbe des kommenden Jahres mit Einsendeterminen und Anforderungen zusammengestellt≥ www.page-online.de/wettbewerbe2012

Ab Anfang Dezember

ADC Wettbewerb 2012Der wichtigste deutsche Kreativwettbewerb ruft zur Teilnahme auf. Die Kategorien reichen von digitalen und klassischen Medien bis hin zu Editorial und Design≥ www.adc.de

Bis 16. Dezember

TDC58/TDC2 2012/TDC Intro 2012Typograisch exzellente Gestaltungen, herausragende Typedesigns sowie Filmtitel können bei den drei Wettbewerben des New Yorker Type Directors Club eingereicht werden≥ www.tdc.org

Bis 16. Dezember

16th Annual Webby AwardsNeu bei dem von der International Academy of Digital Arts and Sciences veranstalteten Contest sind die beiden Katogorien Mobile & Apps und Online Film & Video≥ www.webbyawards.com

Bis 20. Dezember

universal design award 2012Gesucht sind zukunftsweisende Produkte, Konzepte, Gestaltungen und Dienstleistungen≥ www.ud-germany.de

Bis 9. Januar 2012

Fumetto Comic-WettbewerbDas Thema lautet »In Bewegung«. Unter den einge- reichten Arbeiten wählt die Jury vierzig bis fünfzig aus, die während des Comix-Festivals vom 24. März bis zum 1. April in Luzern präsentiert werden≥ www.fumetto.ch

Bis 10. Januar 2012

iF concept design award 2012Studierende und Absolventen aller Design-, Archi- tektur-, Marketing- und Engineering-Studiengänge können sich mit ihren Konzepten beteiligen≥ www.ifdesign.de

Bis 1. Februar 2012

D&AD Awards 2012Internationaler Contest des britischen Kreativenclubs≥ www.dandad.org

Bis 15. Februar 2012

100 beste Plakate 11 Deutschland Österreich SchweizGesucht sind die 100 bestgestalteten Plakate aus dem deutschsprachigen Raum≥ www.100-beste-plakate.de

Bis 9. März 2012

D&AD Student Awards 2012Der Juniorwettbewerb des D&AD richtet sich an Studierende aus aller Welt. Der Brief »Make Your Mark« steht nun allerdings auch dem Kreativnach-wuchs unter 26 Jahren offen≥ www.dandad.org

Bis 31. März 2012

Die schönsten deutschen Bücher 2012Der Buchgestaltungswettbewerb der Stiftung Buchkunst wurde neu strukturiert. So prämiert die Jury jetzt jeweils fünf Titel in fünf Sachgruppen (siehe PAGE 12.11, Seite 18)≥ www.stiftung-buchkunst.de

Festivals • ausstellungen

BonnBis 8. Januar

Anime! High Art – Pop CultureDie Ausstellung geht der Geschichte, Ästhetik und Produktionsweise des japanischen Animationsilms nach – von den Anfängen Ende der 1950er Jahre über die Serienhelden der späten 70er bis hin zu aktuellen Computerspielen Kunst- und Ausstellungs-halle der Bundesrepublik Deutschland≥ www.bundeskunsthalle.de

Berlin31. Januar bis 5. Februar

transmediale12»in/compatible« lautet das Motto des Festivals für Kunst und digitale Kultur Haus der Kulturen der Welt≥ www.transmediale.de/

WienBis 15. Januar

2 x 100 Beste Plakate im MAKSo unprätentiös der Titel, so spannend und vielfältig die Inhalte. Zu sehen gibt es zum einen die beim Wettbewerb 100 beste Plakate prämierten Arbeiten in einem Ausstellungsdesign von L2M3 Kommu- nikationsdesign, zum anderen einen historischen Rückblick aus der Plakatsammlung des MAKMAK-Ausstellungshalle≥ www.mak.at

BremenBis 15. Januar

Was geht. Best of HfK Design 2011Die Ausstellung präsentiert Projekte aus den Studien- gängen Integriertes Design und Digitale Medien der Bremer Hochschule der Künste – gegliedert nach Themen wie »Wer bist du?«, »Wo willst du hin?« oder »Wie willst du leben?« Wilhelm Wagenfeld Haus – Design im Zentrum≥ www.wwh-bremen.de/

Frankfurt/MainBis 19. Januar

Randscharf. Design aus IslandRund hundert Exponate aus allen Bereichen der Gestaltung zeigen, wie zeitgemäß und eigenständig das Design vom nördlichen Rand Europas istMuseum für Angewandte Kunst Frankfurt≥ www.angewandtekunst-frankfurt.de

Frankfurt/MainBis 19. Februar

Do It Yourself. Die Mitmach-RevolutionDie Ausstellung zeigt die Entwicklung der Amateur-kulturen vom 19. Jahrhundert bis zur Web-2.0-NutzungMuseum für Kommunikation Frankfurt≥ www.diy-ausstellung.de/

BerlinBis 18. März

Ai Weiwei in New York – Fotograien 1983–1993Die New Yorker Jahre waren für den chinesischen Künstler entscheidend. Hier entschloss er sich, die Malerei aufzugeben, »weil er«, wie Hans Ulrich Obrist in seinem Interviewband schreibt, »erkannte, dass sich ein Künstler jedes Objekts und jedes Mediums bedienen konnte«. Seine Fotos zeigen das New York der exilierten Chinesen, das New York der Künstler und das New York politischer Proteste. Die Ausstellung hat Ai Weiwei selbst kuratiertMartin Gropius Bau≥ www.berlinerfestspiele.de

WolfsburgBis 9. April

Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai WeiweiWie die polaren Phänomene der Beschleunigung und der Entschleunigung unsere Kultur seit Beginn des 19. Jahrhunderts prägen, zeichnet die Ausstellung im Spiegel der Kunst nachKunstmuseum Wolfsburg≥ www.kunstmuseum-wolfsburg.de/

Von

un

ten

: Ch

rist

ian

Mar

clay

: Tel

eph

ones

, 199

5, 1-

Kan

al-V

ideo

inst

alla

tion

, Far

be,

Ton

, 7 m

in 3

0 s

ek, N

eues

Mus

eum

, Sta

atlic

hes

Mus

eum

für K

unst

un

d D

esig

n in

Nür

nb

erg,

Fot

os: ©

the

arti

st C

ourt

esy

Wh

ite

Cub

e, L

ond

on; A

i Wei

wei

: Low

er E

ast S

ide

Res

taur

ant,

1988

, un

d W

ash

ingt

on S

qua

re P

ark

Pro

test

, 198

8, b

eid

e 8

x 10

cm

, In

kjet

on

Fan

tac

Inn

ova

Ult

ra S

mo

oth

Glo

ss ©

Ai W

eiw

ei; C

ourt

esy

of T

hre

e Sh

adow

s P

hot

ogra

phy

Art

Cen

ter;

Tin

na

Gun

nar

sdót

tir:

Gar

der

oben

hak

en S

tark

adur

, 199

6, F

oto:

V

igfú

s B

irgi

sson

; Man

uel-D

rees

man

n: E

com

ovo;

BLV

DR

: Silv

ia F

ran

cia:

Mar

y St

uart

für C

oméd

ie d

e G

enèv

e, S

ieb

dru

ck ©

MA

K /

Silv

ia F

ran

cia;

Am

ano

Yosh

itak

a: O

hn

e T

itel

20

02, M

isch

tech

nik

auf

Pap

ier,

25 x

35,

9 cm

, Cou

rtes

y G

aler

ie M

ich

ael J

anss

en, B

erlin

PAGE 01.12108 Publikationen

herausragende manuelle Fähigkeiten ein wie die Französin Elene Usdin, die Illustratorin war und seit 2006 als Fo­tograin arbeitet, wobei sie die Acces­soires, Dekors und Kostüme für ihre Fotos größtenteils selbst fabriziert. Ein Buch zum Schwelgen.> MasterMind. Art direction, fashion

styling and visionary photography.

Hongkong (viction:ary) 2011, 288 Seiten.

39,90 Euro. isbn 978-988-19438-6-6

PUBLIKATIONEN

n »MasterMind«. Einige spannende Vordenker der derzeit so angesagten skulpturalen Modefotograie stellt die­ser üppige Band von viction:ary vor. Gemeint sind jene kunst­ und fanta­sie vollen Stilisierungen, die einem zur­zeit allerorten in den wegweisenden Fashionmagazinen begegnen und die ein wenig an Character Design in fo­tograischer Form erinnern. Das Buch stellt mit je einem ausführlichen Inter­

Unter dem Motto »I ’m a good socialist« stand das Lookbook

von Sadak, für das Daniel Bolliger Fotos schoss (Make-up:

Annette Kamont; Paul S. von Izaio Models). Rechts: Bild aus

der April-Ausgabe von »Dazed & Confused«, bei dem Foto-

graf Anthony Maule, Stylist Robbie Spencer und Set Designer

Gary Card zusammenwirkten. Model war Andrej Pejic

n »Online Strategy«. Über Sinn und Unsinn neumodischer Errungenschaf­ten wie Facebook, Suchmaschinenop­timierung oder Communitys fürs Mar­keting wird heutzutage viel diskutiert und geschrieben – nicht immer Sinn­volles. Ein kleines Büchlein von zwei Experten der Berliner Agentur Gold­media versucht es mal anders, nämlich kurz und knackig mit einem »10x10«.

Zu zehn Begriffen wie Twitter, News­letter, Such maschi nen marketing, Face ­book und so fort werden in jeweils zehn Punkten Einsichten und Hand­lungsempfehlungen zusammengetra­gen. Sehr basic, mag man einwenden. Stimmt – aber es kann sehr hilfreich sein, einmal ganz gezielt nachzuprü­fen, ob man tatsächlich die für den je­weiligen Kommunikationskanal essen­

ziellen Regeln einhält oder wo genau Verbesserungspotenzial besteht – und zwar ohne von allzu vielen allgemei­nen Überlegungen vom Wesentlichen abgelenkt zu werden.> Simon Boé und Jana Lipovski: Online

Strategy. Das 10x10 des Online-Mar-

ketings, SEO, Social Media. Frankfurt

(Trademark Publishing) 2011, 80 Seiten.

12 Euro. isbn 978-3-9814131-7-5

view und einer mehrseitigen Bildstre­cke einige der Macher dieses Trends vor, ob Fotografen oder Artdirektoren.

Die Grenzen sind oftmals ließend. Viele, wie Daniel Bolliger aus Zürich oder der in Berlin lebende Bartholot, sehen sich sowohl als Fotograf als auch als Artdirektor. Andere arbeiten im Team zusammen, wie das japani­sche Kollektiv NAM oder Le Creative Workshop aus Paris. Oder sie bringen

PAGE 01.12 109

n »Körper, Flächen, Schnitte«. Denn sie wissen nicht, was sie tun? Letzthin stand ich bei einer Designveranstal­tung mit einigen Proikreativen zu­sammen, und wir versuchten, uns ge­genseitig komplexere Layouts von di­ver sen Magazin­Apps zu beschreiben. Irgendwann mussten wir selbst über das Gefuchtel lachen, mit dem wir mangels Fachvokabular Linien und Formen in die Luft malten.

Anders als die Typografen, die ei­nen höchst ausgefeilten Wortschatz besitzen, stehen Bild­ und Formge­stalter bei Fachtermini oftmals auf dem Schlauch. Dieser professionellen Sprach losigkeit will das »Bildlexikon« von Sidonie Wacker und Stefanie Kurz begegnen. Begriffe wie Raumkurve, Epizykloid, überschlagene Vierecke, ge schrägter Schnitt, Gleichdick oder Quadratkuppel gehen einem nach der

Verinnerlichung des Inhalts lüssig über die Lippen. Das macht sich nicht nur beim Kunden gut, sondern gibt einem vor allem auch selbst mehr Klarheit. Kurz, jeder Kreative sollte das schöne Büchlein stets griffbereit haben. > Melanie Kurz und Sidonie Wacker:

Körper, Flächen, Schnitte. Bild-

lexikon für Gestalter. Ludwigsburg

(avedition) 2011, 340 Seiten.

29,90 Euro. isbn 978-3-89986-162-4

Im Clip »Danse

Dance«, der auch

als interaktive

Installation gezeigt

wurde, bewegen

sich die Dinge auf

dem Tisch.

Unten: Making-of

n »Rock, Paper, Scissors«. Die meis­ten von uns hocken den größten Teil des Tages – bis auf gelegentliche Zu­ckun gen der Finger – reglos am Com­puter. Doch das Designerleben kann auch ein einziger wilder Kreativspiel­platz sein. Dieses erfrischende Gefühl vermitteln zumindest die Arbeiten von Julien Vallée – und vor allen Dingen die Making­ofs dazu. In seinem Studio in Montreal wird gefaltet, gesägt, gemalt, gebaut, was das Zeug hält. Ja, gelegent­

lich werden sogar Eier an die Wand ge­worfen – aber nicht ohne vorher das Eiweiß herauszusaugen und es durch rosa Farbe zu ersetzen. Und solche Späße werden auch noch von MTV Australien bezahlt, neben »New York Times«, AOL oder OFFF einer der Kun­den des jungen Kanadiers.

Vallées Motiondesign­Kreationen, in denen natürlich auch jede Menge Computerfrickelei steckt, stellt der Gestalten Verlag jetzt in einem Buch

plus App vor. Letztere lässt sich gratis aus dem App Store downloaden und enthält schon einige Kostproben. Alle Filme kann man dann mit einem Code aus dem Buch freischalten. Die per­fekte Kombi von gedruckten und be­wegten Einblicken in Arbeitsprozess und Ergebnisse.> Julien Vallée: Rock, Paper, Scissors.

The Work of Julien Vallée. Berlin

(Gestalten) 2011, 160 Seiten. 35 Euro

mit App. isbn 978-3-89955-365-9

Schräg geteilt und quer gebrochen

Mit rechter Stufe geteilt

Stufenförmig links geschrägt

Krückenförmiggeteilt

Mit Gegenspitze schräg geteilt

Ast rechts gespalten

Mit dem »Bild-

lexikon für

Gestalter« lernt

man korrekt

zu fachsimpeln

PAGE 01.12110 Publikationen

n »Kultur digital«. Dieser Textband ist schon wegen seiner wunderbaren Gestaltung durch Gregor Huber, Ivan Sterzinger und Martin Andereggen zu empfehlen – Schweizer Buchdesign eben, wie man es hierzulande leider viel zu selten indet. Was in Deutsch­land gleichfalls fehlt, ist ein engagier­ter Konzern wie Migros, der mit sei­nem »Kulturprozent« auch Publikatio­nen wie diese ermöglicht.

In gut dreißig Essays werden die Auswirkungen der digitalen Revoluti­on auf Bereiche der Kultur beleuchtet. Es geht um so Grundsätzliches wie das Quasi­Monopol von Akteuren wie Apple, Facebook oder Google oder die Frage nach den Urheberrechten im Zeitalter von WikiLeaks und Copy & Paste. Und es wird knapp, aber tief­schürfend die Digitalisierung einzelner Bereiche wie Wissenschaft, Lite ratur,

n »Farbe in Kunst und Leben«. So spannend das Thema Farbe ist, so schwer lässt es sich in Worte fassen, ohne zu schwafeln. Wenn jemand sich konkret äußern kann, sind es wohl die Experten der 1963 gegründeten Firma Pantone. Zwei von ihnen haben nun eine Geschichte der Farbe im 20. Jahr­hundert geschrieben.

Das funktioniert so: Man stellt zu Begriffen wie Belle Époque, Kubismus,

Art déco, amerikanischer Traum, Tech­nicolor, Sesamstraße, Warhol, Neon, Miami Vice oder Martha Stewart auf je einer Doppelseite typische Bilder zu­sammen, extrahiert daraus eine Farb­palette und interpretiert das Ganze vor dem Hintergrund des jeweiligen Zeitgeists mit einem Hintergrundtext. Das Ergebnis ist ebenso lehrreich wie inspirierend. Insbesondere für die ers­te Hälfte des 20. Jahrhunderts, die wir

ja vor allem aus Schwarzweißfotogra­ien und ­ilmen kennen, lassen sich in­teressan te Farbwelten entdecken. Ne­benbei gesagt: Sehr schick ist die auch von DuMont vertriebene Box »Panto­ne. Hundert Postkarten« für 19,95 Euro (isbn 978-3-8321-9376-8). cg> Leatrice Eiseman, Keith Recker und

Pantone (Hrsg.): Farbe in Kunst und

Leben. Köln (DuMont) 2011, 192 Seiten.

25 Euro. isbn 978-3-8321-9390-4

Dank Bakelit wurden

in den dreißiger

Jahren die Produkte

bunter: »Patriot

Radio« von Norman

Bel Geddes. Rechts

Wanduhr von George

Nelson mit typi-

schen Fifties-Farben

Seit der 2500 Jahre

alten Tontafel sind

Speichermedien

immer kurzlebiger

geworden

Kino, Theater, Design, Tanz und Per­formance, Pop und Klassik analysiert. Ein guter Anlass einmal innezuhalten, wenn man den Wald vor lauter Bäu­men nicht mehr sieht, weil man so tief im digitalen Detail steckt. > Dominik Landwehr, Veronika Sellier,

Hedy Graber (Hrsg.): Kultur digital.

Begriffe, Hintergründe, Beispiele. Basel

(Christoph Merian Verlag) 2011, 384 Sei -

ten. 22 Euro. isbn 978-3-85616-530-7

PAGE 01.12112 Publikationen

übertrug. Charles Burns: X. Berlin (Reprodukt) 2011, 56 Sei-

ten. 18 Euro. 978-3-941099-93-7. »X’ed Out«, das erste große Projekt des genialen Comic­Künstlers seit »Black Hole«, ist nun auf Deutsch erschienen. Unver kennbar eine Hommage an Hergés Tintin, aber ins Düstere gewendet. Studio On Fire:

Iron Beasts Make Great Beauty. Berlin (Gestalten) 2011,

144 Seiten. 19,90 Euro. 978-3-89955-381-9. Die Eisenbiester, die große Schönheit erzeugen, sind die alten Druckmaschi­nen, die Ben Levitz seit 1999 im Studio On Fire in Minnesota zum Einsatz bringt. Dieser Band zeigt die Ergebnisse davon.Hermann H. Wala: Meine Marke: Was Unter nehmen au-

thentisch, unverwechselbar und langfristig erfolgreich

macht. München (Redline) 2011, 272 Seiten. 24,99 Euro. 978-

3-86881-305-0. Praxisnahes Buch eines Markenberaters, der nicht nur Erfolgsstorys beleuchtet, sondern auch untersucht, warum es bei Marken wie Opel oder Nokia nicht so gut lief. Christian Blümelhuber: Ausweitung der Konsumzone.

Wie Marketing unser Leben bestimmt. Frankfurt (Campus)

2011, 274 Seiten. 22,99 Euro 9783593394640. Weitere Infos unter www.konsumzone.de. Critical Crafting Circle (Hrsg.):

Craftista! Handarbeit als Aktivismus. Mainz (Ventil) 2011,

254 Seiten. 14,90 Euro. 978-3-931555-60-3. Sticken und Stri­cken sind nur was für brave Mädchen? Nix da, wie dieser Sammelband mit Texten und Bildern von TheoretikerInnen und PraktikerInnen zeigt. Jefferson Hack, Jo-Ann Furniss:

Dazed & Confused. Making It Up As We Go Along. New

York (Rizzoli) 2011, 336 Seiten. 60 Dollar. 978-0-8478-3692-5. Anlässlich des 20. Geburtstags gönnt sich Rankins unver­wüstliches Style magazin einen Rückblick in Form eines Bu­ches. Frontline (Hrsg.): First in Style – 25 Years frontline-

shop. Hamburg (Gudberg) 2011, 160 Seiten. 25 Euro. 978-3-

943061-05-5. Und noch ein Geburtstagsbuch, diesmal von einem der ersten deutschen Online­Shops für Street­Fa­shion, der als Vinyl­Mailorder­Haus in Hannover startete. Stephen Cavalier: The World History of Animation. Lon-

don (Aurum Press) 2011, 416 Seiten. 35 Pfund. 978-1-84513-

714-4. Seit Muybridges Serienaufnahmen von 1872 bis heute werden Jahr für Jahr herausragende Animationsilme jeweils in Bild und Text vorgestellt. Edo Popovic, Igor Hofbauer:

Tattoogeschichten. Dresden (Voland & Quist) 2011, 176 Sei-

ten. 16,90 Euro. 978-3-863910-02-0. Und zum Schluss etwas Literarisches: Igor Hofbauer hat die Erzählungen des kroa­tischen Underground­Schriftstellers Edo Popovic im Stil der Graphic Novel illustriert. cg

Neuerscheinungen – kurz vorgestellt

John Ingledew: The A–Z of Visual Ideas: How to Solve any

Creative Brief. London (Laurence King) 2011, 224 Seiten.

19,95 Pfund. 978-1-85669-714-9. Nach dem Alphabet geord­nete Stich worte stehen jeweils für eine visuelle Technik zur Lö sung eines gestalterischen Problems – ein inspirierendes Potpourri von Ideen. Robert Klanten, Adeline Mollard (Eds.):

Precursor. The Creativity Watchlist. Berlin (Gestalten) 2011,

288 Seiten. 44 Euro. 978-3-89955-345-1. Kurzporträts einiger der innovativsten Graik­Designer aus aller Welt. Michael

Buhrs (Hrsg.): Jules Chéret. Pionier der Plakatkunst. Stutt-

gart (Arnoldsche) 2011, 168 Sei ten. 39,80 Euro. 978-3-89790-

356-2. Katalog zur Ausstellung in der Münchner Villa Stuck, die bis 5. Februar Chérets berühmte Werbeplakate im Stil des Neorokoko zeigt. Weta Workshop: The Art of the Ad-

ventures of Tintin. London (HarperCollins) 2011, 200 Seiten.

25 Pfund. 978-1-86950-930-9. Die neuseeländische Firma Weta, die mit Special Effects für »Avatar« oder »Herr der Ringe« zu den FX­Weltmarktführern gehört, berichtet hier, wie sie den Comic­Klassiker von Hergé ins 3­D­Digitalzeitalter

≥ PAGE Online

Weitere Buch-

rezensionen

inden Sie unter

www.page-online.

de/buecher

page 01.12 113

VORSCHAUImpressumRedaktion PAGE

Borselstraße 28/Haus i

22765 Hamburg

Telefon: +49 40 85183-400

Fax: +49 40 85183-449

E-Mail: [email protected]

Chefredakteurin/Publisher

Dipl.-Des. Gabriele Günder, V.i.S.d.P.

Textchein

Astrid Umbreit

Redaktion

Thomas Kaltschmidt (tk, Ressortleiter Tech-

nik), Nina Kirst (nik), Nant jen Küsel (nk);

Freie Mitarbeit: Antje Dohmann (ant),

Dr. Claudia Gerdes (cg), Wiebke Lang (wl);

Rebecca von Hoff (Graik), Christine

Krawinkel (Artdirektion); Charlotte Bräuer

(Schlussredaktion), Myriam Jantoss (Schluss-

redaktion), Sibylle Kumm (Schlussredaktion),

Maiken Richter (Text-/Schlussredaktion),

Jan Roidner (Text-/Schlussredaktion);

Sabine Danek (sd, Redaktion Online)

Autoren dieser Ausgabe

Christian Büning, Verena Dauerer (vd),

Cedric Kiefer, Jutta Nachtwey (jn),

Daniel Schilling (dsc), Jürgen Siebert,

David Starmann

Cover

Cedric Kiefer (www.onformative.com),

Marc Tiedemann (konkreetlabs.com)

Digitale Druckvorlagenherstellung

MediaTailor GmbH, Hamburg

Druck Stürtz GmbH, Würzburg

Verlag

Ebner Verlag GmbH & Co. KG

Karlstraße 41, 89073 Ulm

Geschäftsführung

Gerrit Klein, Florian Ebner, Eberhard Ebner

Produktionsleitung

Michael Kessler

Vertriebsleitung

Rainer Herbrecht/Sema Torun

Einzelheft-Bestellung

Bestellen Sie einfach bei unserem

Leserservice: Güll GmbH,

Heuriedweg 19, 88131 Lindau

Telefon: 01805 522661*, Fax: 01805 522664*

* 0,14 Euro/Minute bei Anruf aus dem

Festnetz der Deutschen Telekom,

Mobilfunk maximal 0,42 Euro/Minute.

Pro nachgeliefertes Heft berechnen

wir 8,90 Euro zuzüglich Versandkosten.

PAGE AboserviceSie möchten PAGE abonnieren oder

haben Fragen zu Ihrem Abo bezie-

hungsweise zu einer Bestellung? Dann

wenden Sie sich bitte direkt an:

Güll GmbH, Heuriedweg 19, 88131 Lindau

Telefon: 01805 522661*, Fax: 01805 522664*

* 0,14 Euro/Minute bei Anruf aus dem

Festnetz der Deutschen Telekom,

Mobilfunk maximal 0,42 Euro/Minute.

E-Mail: [email protected]

Das PAGE-Jahresabo kostet 95,30 Euro

(CH: 181,80 Franken, A: 108,50 Euro).

Schüler und Studenten erhalten gegen Vor-

lage eines gültigen Auswei ses oder einer

gültigen Immatrikulationsbeschei nigung

20 Prozent Rabatt. Mitglieder der Allianz

deutscher Designer (AGD), des Bundes

Deutscher Graik-Designer (BDG) und des

designe rinnen forum e. V. erhalten ebenso

20 Prozent Rabatt.

Das PAGE-Plus-Abo, also 12 Ausga ben und

die PAGE-Jahrgangs-CD, kostet 106,40 Euro

(CH: 201 Franken, A: 119,60 Euro). Das Abo

kann immer 6 Wochen vor Ablauf des

Bezugs jahres schriftlich gekündigt werden.

PAGE MediaberatungAnzeigenleiter: Alexander Herz

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 40 85183-480, Fax: -489

Verantwortlich für die Anzeigen

PAGE Online: Igor Sadovnikov

Online-Marketing und -Beratung

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 731 1520-176, Fax: -961

PAGE Markt: Andrea Dyck

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 8341 96617-84

Fax: +49 8341 8714-04

PAGE Stellenmarkt: Sabine Vockrodt

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 89 2183-7049, Fax: -7864

PAGE erscheint monatlich. Es gilt Anzeigen-

preisliste Nr. 24, gültig ab 1. 1. 2011.

Anzeigendisposition und -marketing:

Sabine Cordes

E-Mail: [email protected],

[email protected]

Telefon: +49 40 85183-482, Fax: -483

Sonderdruckservice: Alle in dieser

Ausgabe erschienenen Beiträge können

für Werbe zwecke in Form von Sonder-

drucken hergestellt werden. Anfragen

richten Sie bitte an Sabine Cordes,

E-Mail: [email protected],

Anzeigendisposition und -marketing.

ISSN 0935-6274. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Telefon +49 6123 6200, Fax +49 6123 6205138, E-Mail: [email protected], www.verlagsunion.de. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte Manuskripte und Fotos. Sie können zurückgegeben werden, wenn Rückporto beigefügt ist. Mit der Annahme zur Veröffentlichung überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht für die Zeit bis zum Ablauf des Urheberrechts. Eingeschlossen sind insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektronischer Versionen und zur Einspeicherung in Datenbanken sowie das Recht zu deren Vervielfältigung und Verbreitung online oder ofline ohne zusätzliche Vergütung. Alle in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheber-rechtlich geschützt. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen

Einrichtungen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlags verwertet werden. Waren-namen werden ohne Gewährleistung der freien Verwendbarkeit benutzt. Gerichtsstand ist München.

Im Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel sowie in allen Pressefachgeschäften mit dem Blauen Globus können Sie PAGE kaufen oder bestellen.

Mitglied der Informationsgemeinschaft zur Feststellung

der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW)

≥ www.page-online.de ≥ www.twitter.com/pagemag

≥ www.facebook.com/pagemag ≥ iTunes app Store

page 02.12 erscheint am 4. Januar 2012

Trends 2012

Foto-Motion, Responsive Design, Kollaborationsmodelle und

mehr – wir beleuchten die Trends in Kreation, Technik und

Business, die Gestalter im nächsten Jahr beschäftigen werden

Logos in Progress

Mehr Flexibilität, mehr Dynamik, mehr Lebendigkeit – wie wird

das Logodesign diesen wachsenden Ansprüchen gerecht?

Wir stellen Erscheinungsbilder vor, die Wandelbarkeit auf unter-

schiedlichste Weise erzeugen

Briefing und Kundenworkshops

Viele Brieings sind unklar formuliert und austauschbar. Manchen

Unternehmen fehlt es an Visionen und klaren Markenwerten.

Wir zeigen, wie Kreative gemeinsam mit ihren Kunden diffuse Vorgaben

in eine inspirierende Zielformulierung verwandeln

Nach zwei Jahren iPad

und Co ziehen wir

Bilanz: Welche E-Mag-

und E-Book-Konzepte

haben Substanz?

Was ist der State of the

Art, und welche Trends

zeichnen sich ab?

Vis

ual

Ide

nti

ty d

er

OC

AD

Un

ive

rsit

y To

ron

to; K

on

zep

t: B

ruce

Mau

De

sig

n

Tablet-Publishing

Revisited

PAGE 01.12114 Fundstücke von Jürgen Siebert

n Vor über sechs Jahren habe ich

zum ersten Mal über den Einsatz von

QR-Codes im Marketing geschrieben.

Apple setzte sie anlässlich der Einfüh-

rung des iPod nano in Tokio ein. Erfun-

den wurden die Pixelquadrate bereits

1994 von der Toyota-Tochter Denso

Wave. QR steht für »Quick Response«,

da die schnelle Lesbarkeit bei der Ent-

wicklung das vordergründige Ziel war.

Die Codes wurden ursprünglich für die

Automatisierung der PKW-Produktion

und die Lagerhaltung in der Industrie

eingesetzt. 

Weil japanische Fotohandys früh

mit einer QR-Code-Lesesoftware aus-

gerüstet waren, hielt der Code bald im

Konsumentenbereich Einzug. Mit ihm

lädt man sich schnell und bequem Da-

ten aller Art ins Mobiltelefon. In Anzei-

gen und auf Verpackungen leiten QR-

Codes meistens zu einer Website mit

ergänzenden Informationen. Auf Visi-

ten karten hat das Datenquadrat eben-

falls Einzug gehalten und vereinfacht

das Einlesen eines Kontakts ins mobile

Adressbuch enorm. 

Inzwischen lassen sich QR-Codes

mit einem Schriftzug, Logo oder Bild

und durch Farbveränderung individu-

alisieren oder auch komplett graisch

gestalten. Durch geschicktes Vorgehen

und Ausnutzung der Fehlerkorrektur

bleibt die Funktion dieser Design-

oder Custom-QR-Codes erhalten. Sie

lassen sich harmonisch in ein beste-

hendes Corporate Design oder in Mar-

ketingkampagnen integrieren. Einpräg -

same Beispiele sind Anzeigen, die ganz

von einem einzigen, aufwendig um-

gesetzten Custom-QR-Code dominiert

Kühne Kommentare von Jürgen Siebert zu Trends, Ereignissen und

dem ganz normalen Alltagswahnsinn eines Kreativen

werden, oder auch Firmenlogos, die als

Code gestaltet sind.

Auch hierzulande sind die quadra-

tischen Muster seit Längerem im Ein-

satz. Ich dachte, sie würden bald wie-

der verschwinden. Schließlich gibt es

schon viel rafiniertere Techniken, wie

die Bilderkennung oder Augmented-

Reality-Szenarien. Doch das Gegenteil

scheint der Fall . . . wie immer, wenn

Marketing und Werbung erst mal be-

ginnen, eine Kuh zu melken. Und wenn

ihre Steigbügelhalter zusätzlich Benzin

ins Feuer gießen, wie beispielsweise

das Mobilfunk-Beratungsunternehmen

Nellymoser, dann brechen alle Däm-

me: Jeder möchte einen QR-Code ha-

ben. Die Mobil-Schlaumeier aus Ar-

lington, Massachusetts, sehen in den

Pixelquadraten die Call-to-Action-Waf-

fe des 21. Jahrhunderts. In den Top-

100-US-Magazinen entdeckten sie im

abgelaufenen Jahr 1062 Aktionscodes.

Das seien 5 Prozent aller Anzeigen.

Dabei sei im Verlauf des ersten Halb-

jahres 2011 die Menge der Codes um

400 Prozent gestiegen.

Doch wie bei jeder oberlächlichen

Begeisterung lauern hinter der QR-

Code-Welle bereits ihre Totengräber.

Schon heute führen die Codes zu In-

formationen, die das Einschalten des

Smartphones nicht lohnen. Dass sich

ein Browser öffnet und im nächsten

Schritt die Webseite zu einem Produkt,

ist weder überraschend noch sexy.

Wenn diese Site aber nicht mal handy-

optimiert ist, wird der Besuch zum

Rohrkrepierer. Facebook-Seiten – über

einen Browser besucht – sind übrigens

nicht für kleine Bildschirme optimiert.

Sinn und Unsinn von QR-Codes

Diese und weitere

Fundstücke von

Jürgen Siebert in -

den Sie unter

www.page-online.

de/fundstuecke

Bei mir hat der

QR-Code unten

links, die Beilage zu

einer Presse-

mitteilung, die die

Gründung eines

»Transnationalen

Design Directory«

ankündigt, einen

eher hillosen Ein-

druck hinterlassen.

Daneben: Deutlich

souveräner setzen

die auf mobile Kam-

pagnen speziali-

sierte Agentur SET

(Mitte) und die

Marke Absolut

Vodka die Pixel-

quadrate ein

Und verlinkt ein Filmplakat zu einem

Trailer, so ist das genauso vorherseh-

bar wie der Wunsch, diesen an einem

ruhigeren Ort anzusehen als mitten auf

der Straße. Hängt das Plakat in einem

Funkloch, verpufft die Kampagne bei

vielen Fans und das werbende Unter-

nehmen hinterlässt den Eindruck, als

habe es von moderner Technik so viel

Ahnung wie ein Höhlenmensch.

Wie so oft im Leben: Der QR-Code

ist erst mal nur ein Werkzeug, und der

Ruf nach seinem Einsatz so sinnvoll wie

die Ausgabe von Messer und Gabel

zum Hamburger-Menü. Eine Marke, die

digital nichts zu sagen hat, also nichts

zum Verlinken oder Laden anbietet,

braucht keine Codes. Auch der umge-

kehrte Weg ist wenig empfehlens-

wert: Wir konzipieren eine codierte

Kampagne und überlegen dann mal,

was wir online bereitstellen könnten.

Den Reiz des Neuen haben die Da-

tenaufkleber längst verloren, sodass

es auch für Originalität keinen Golde-

nen Nagel mehr zu gewinnen gibt. Wer

es noch nicht weiß: In den Studenten-

vierteln Berlins und Münchens wer-

den schon private Suchanzeigen an

Laternenpfählen mit QR-Codes ausge-

stattet. Und weil bald jeder Handwer-

ker sein Inserat mit ihnen anreichert,

werden die Vierecke so inlationär und

beliebig, dass das professionelle Mar-

keting sich dreimal überlegen sollte, ob

es überhaupt noch auf eine stumpfe

Call-to-Action-Waffe setzen will.


Recommended