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Nicht immer mehr dokumentieren, sondern anders!

Date post: 21-Jan-2017
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V on den meisten Pflegenden im Krankenhaus wird die Pflegedokumentation als sehr belas- tend, teilweise sogar als unsinnig empfunden. Erläuterungen über den Nutzen einer professionellen Pflegedokumentation enden oftmals in emotions- beladenen Diskussionen über Prioritäten in der Patientenversorgung in Zeiten der ohnehin zuneh- menden Arbeitsverdichtung bei fehlenden zeitlichen und personellen Ressourcen. Die Einführung des Pflegekomplexmaßnahmenscore (PKMS) führte zu einer weiteren Verschärfung derartiger Diskussio- nen. Denn das Pflegepersonal sieht im PKMS in erster Linie einen erheblichen Mehraufwand bei der Dokumentation. Aber müssen Pflegende tatsächlich unsinnig und immer mehr dokumentieren oder geht es nicht vielmehr darum, anders zu dokumentieren? Und wie können Kliniken ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung unterstützen? Pflegedokumentation gehört als Teil des Pflegeprozesses zu den Kernaufgaben beruflich Pflegender. Pflegedokumentation und PKMS Nicht immer mehr dokumentieren, sondern anders! Losgelöst von der eigentlichen Pflegearbeit wird die Dokumentation häufig als zusätzliche Arbeit be- trachtet, für die ohnehin keine Zeit vorhanden ist und die Pflegende vom Patientenbett fernhält. Fakt ist jedoch: Pflegedokumentation gehört als Teil des Pflegeprozesses zu den Kernaufgaben beruflich Pfle- gender. Dies ist nicht nur gesetzlich so geregelt und aus bekannten rechtlichen Gründen unabdingbar, sondern auch aus pflegefachlicher und berufspoli- tischer Sicht erforderlich. Pflegedokumentation aus pflegefachlicher Perspektive Die Patientenversorgung im Krankenhaus ist geprägt durch zunehmend komplexere Pflegesituationen. Pflegende müssen immer mehr ältere, multimorbide und unterschiedlich hilfebedürftige Patienten versor- gen. Eine individuelle, auf den Patienten abgestimmte Pflegeversorgung gewinnt daher verstärkt an Bedeu- tung, denn der Grund des stationären Aufenthalts gibt längst keinen Aufschluss mehr darüber, welche Pflegeversorgung bei dem Patienten sozusagen „stan- dardisiert“ indiziert oder notwendig ist. Hier beginnt die professionelle Pflege durch pfle- gediagnostisches Vorgehen: Pflegeprobleme müssen im Einzelfall identifiziert und eingeschätzt werden; daraus ergibt sich der pflegerische Handlungsbedarf. Daher sollte es für Pflegende selbstverständlich sein, festgestellte Pflegediagnosen und Pflegebedarfe sowie durchgeführte Maßnahmen auch zu dokumentieren, damit diese für das am Pflegeprozess beteiligte the- rapeutische Team transparent sind. Hierdurch wird letztendlich auch eine einheitliche, überprüfbare und vor allem patientenorientierte Pflegeversorgung un- terstützt. Pflegedokumentation aus berufspolitischer Sicht Die Pflegenden können mit der strukturierten Ver- schriftlichung ihrer Pflegeleistungen ihre Arbeit überhaupt erst abbildbar machen. Vor allem mit der Einführung des PKMS gelingt es erstmals, besonders aufwendige Pflege unabhängig von medizinischen Leistungen oder Diagnosen erlösrelevant zu doku- mentieren. Hierdurch wird der Pflege auch aus wirt- schaftlicher Perspektive ein anderer Stellenwert bei- gemessen. Die Pflegedokumentation ist aber auch unabhängig vom PKMS, der nur einen Teil im hoch- DOI: 10.1007/s00058-014-0562-5 Pflege- dokumentation PKMS Pflegeprozess Pflegeinter- vention KEYWORDS Am Sinn und Unsinn von Dokumentationen in der Pflege scheiden sich schnell die Geister: Nach dem Motto „Wer schreibt, der bleibt“ würden die Einen am liebsten alles dokumentieren, was sie erbracht haben, während die Anderen das Gefühl haben, wertvolle Zeit am Patienten zu verlieren. Gibt es denn keinen Mittelweg? Pflegeprozess in der Dokumentation abbilden Konzentrieren Sie sich auf den Pflegeprozess: Pflegeprobleme dokumentieren Ursachen für Pflegeprobleme dokumentieren Pflegebedarfe/Umfang der erforderlichen Unter- stützung durch das Pflegepersonal dokumentie- ren Pflegemaßnahmen und durchführende Pflege - person/en (per Handzeichen) dokumentieren ggf. Ergebnis/Wirkung/Evaluation von Pflege - maßnahmen dokumentieren DER ROTE FADEN 30 PflegeKolleg IT in der Pflege Heilberufe / Das Pflegemagazin 2014; 66 (5)
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Von den meisten Pflegenden im Krankenhaus wird die Pflegedokumentation als sehr belas-Vwird die Pflegedokumentation als sehr belas-Vtend, teilweise sogar als unsinnig empfunden.

Erläuterungen über den Nutzen einer professionellen Pflegedokumentation enden oftmals in emotions-beladenen Diskussionen über Prioritäten in der Patientenversorgung in Zeiten der ohnehin zuneh-menden Arbeitsverdichtung bei fehlenden zeitlichen und personellen Ressourcen. Die Einführung des Pflegekomplexmaßnahmenscore (PKMS) führte zu einer weiteren Verschärfung derartiger Diskussio-nen. Denn das Pflegepersonal sieht im PKMS in erster Linie einen erheblichen Mehraufwand bei der Dokumentation. Aber müssen Pflegende tatsächlich unsinnig und immer mehr dokumentieren oder geht es nicht vielmehr darum, anders zu dokumentieren? Und wie können Kliniken ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung unterstützen?

Pflegedokumentation gehört als Teil des

Pflegeprozesses zu den Kernaufgaben

beruflich Pflegender.

Pflegedokumentation und PKMS

Nicht immer mehr dokumentieren, sondern anders!

Losgelöst von der eigentlichen Pflegearbeit wird die Dokumentation häufig als zusätzliche Arbeit be-trachtet, für die ohnehin keine Zeit vorhanden ist und die Pflegende vom Patientenbett fernhält. Fakt ist jedoch: Pflegedokumentation gehört als Teil des Pflegeprozesses zu den Kernaufgaben beruflich Pfle-gender. Dies ist nicht nur gesetzlich so geregelt und aus bekannten rechtlichen Gründen unabdingbar, sondern auch aus pflegefachlicher und berufspoli-tischer Sicht erforderlich.

Pflegedokumentation aus pflegefachlicher Perspektive Die Patientenversorgung im Krankenhaus ist geprägt durch zunehmend komplexere Pflegesituationen. Pflegende müssen immer mehr ältere, multimorbide und unterschiedlich hilfebedürftige Patienten versor-gen. Eine individuelle, auf den Patienten abgestimmte Pflegeversorgung gewinnt daher verstärkt an Bedeu-tung, denn der Grund des stationären Aufenthalts gibt längst keinen Aufschluss mehr darüber, welche Pflegeversorgung bei dem Patienten sozusagen „stan-dardisiert“ indiziert oder notwendig ist.

Hier beginnt die professionelle Pflege durch pfle-gediagnostisches Vorgehen: Pflegeprobleme müssen im Einzelfall identifiziert und eingeschätzt werden; daraus ergibt sich der pflegerische Handlungsbedarf. Daher sollte es für Pflegende selbstverständlich sein, festgestellte Pflegediagnosen und Pflegebedarfe sowie durchgeführte Maßnahmen auch zu dokumentieren, damit diese für das am Pflegeprozess beteiligte the-rapeutische Team transparent sind. Hierdurch wird letztendlich auch eine einheitliche, überprüfbare und vor allem patientenorientierte Pflegeversorgung un-terstützt.

Pflegedokumentation aus berufspolitischer Sicht Die Pflegenden können mit der strukturierten Ver-schriftlichung ihrer Pflegeleistungen ihre Arbeit überhaupt erst abbildbar machen. Vor allem mit der Einführung des PKMS gelingt es erstmals, besonders aufwendige Pflege unabhängig von medizinischen Leistungen oder Diagnosen erlösrelevant zu doku-mentieren. Hierdurch wird der Pflege auch aus wirt-schaftlicher Perspektive ein anderer Stellenwert bei-gemessen. Die Pflegedokumentation ist aber auch unabhängig vom PKMS, der nur einen Teil im hoch- D

OI:

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Pflege-dokumentation PKMSPflegeprozessPflegeinter-vention

KEYWORDS

Am Sinn und Unsinn von Dokumentationen in der Pflege scheiden sich schnell die Geister: Nach dem Motto „Wer schreibt, der bleibt“ würden die Einen am liebsten alles dokumentieren, was sie erbracht haben, während die Anderen das Gefühl haben, wertvolle Zeit am Patienten zu verlieren. Gibt es denn keinen Mittelweg?

P� egeprozess in der Dokumentation abbilden

Konzentrieren Sie sich auf den Pflegeprozess:

▶ Pflegeprobleme dokumentieren

▶ Ursachen für Pflegeprobleme dokumentieren

▶ Pflegebedarfe/Umfang der erforderlichen Unter-stützung durch das Pflegepersonal dokumentie-ren

▶ Pflegemaßnahmen und durchführende Pflege-person/en (per Handzeichen) dokumentieren

▶ ggf. Ergebnis/Wirkung/Evaluation von Pflege-maßnahmen dokumentieren

D E R ROTE FAD E N

30

PflegeKolleg IT in der P� ege

Heilberufe / Das P� egemagazin 2014; 66 (5)

aufwendigen Bereich abbildet, eine Möglichkeit, die Pflege nicht „im Dunkeln“ zu lassen.

Pflegepersonal bei der Dokumentation unterstützen Trotz der unbestrittenen Notwendigkeit einer adä-quaten Pflegedokumentation, reicht es nicht aus, dem

Pflegepersonal ausschließlich Pflichten aufzuzeigen. Es geht darum, Lösungen zu finden, wie man trotz knapper Zeitressourcen eine gute und vollständige Dokumentation im Stationsalltag umsetzen kann.

Angesichts dieser Problematik wurde im Bremer Klinikum Links der Weser gGmbH die Einführung des PKMS als Anstoß genutzt, die Pflegenden auf den Stationen bei der Dokumentation zu unterstützen. In diesem Zusammenhang hat sich die pflegerische Ge-schäftsführung entschlossen, eine Klinische Pflege-expertin als PKMS-Beauftragte einzusetzen, um die Mitarbeiter der Stationen schulen und entlasten zu können. Die Pflegenden werden sensibilisiert, bei welchen Patienten die Dokumentation durch den PKMS ergänzt werden muss. Die Kodierung auf dem PKMS-Bogen erfolgt durch die PKMS-Beauftragte und muss nicht von den Pflegenden selbst geleistet werden. Somit wird den Mitarbeitern auf Station keine Zusatzdokumentation abverlangt.

Im Zuge der PKMS-Implementierung wurde sich automatisch verstärkt mit der Pflegedokumentation auseinandergesetzt, da diese bei der Anwendung des PKMS als Grundlage dient und genauestens ange-schaut wird. Hierdurch sollen einerseits fortlaufend Verbesserungspotentiale erkannt und kommuniziert, andererseits auch eine MDK-sichere Dokumentation gewährleistet werden. Am Beispiel von identifizierten

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Doppeldokumentation vermeiden

Keine Einträge im Pflegebericht, die an anderer Stel-le zu dokumentieren sind. Das betrifft insbesondere typische Formulierungen wie:

▶ „Patient wurde gelagert“

▶ „Patient wurde gewaschen“

▶ „Patient hat abgeführt“

▶ „Essen wurde angereicht“

Vermeidung von über� üssigen, aber „liebgewonnenen“ Phrasen

Keine Einträge im Pflegebericht, die aus pflegefach-licher Sicht nicht von Bedeutung sind. Hierzu gehö-ren Formulierungen wie:

▶ „Patient war unauffällig“

▶ „Keine Besonderheiten“

▶ „Patient schlief bei den Durchgängen“

▶ „Patient äußert keine Beschwerden“

TI PPKonzentrieren Sie sich bei der Dokumentation auf das Wesentliche und nutzen Sie den Pflegeprozess dabei als roten Faden.

31Heilberufe / Das P� egemagazin 2014; 66 (5)

PKMS-Patienten können bereits fallbezo-gen Tipps und Hinweise zur erforder-lichen Dokumentation von Seiten der PKMS-Beauftragten an das Pflegeperso-nal weitergegeben werden.

Doppel-Dokumentation vermei-den Es lässt sich wiederholt feststellen, dass für eine gute Dokumentation zumeist nicht mehr, sondern lediglich anders do-kumentiert werden müsste. So fallen zum Beispiel vor allem im Pflegebericht ver-mehrt Einträge auf, die dort überhaupt nicht dokumentiert werden müssen, was teilweise zu einer doppelten oder sogar überflüssigen Dokumentation führt (Abt-Zegelin et al. 2004).

Paradoxerweise finden sich oftmals seitenweise unnötige oder doppelte Ein-tragungen in der Pflegedokumentation, wohingegen pflegerelevante Informatio-nen beinahe gesucht werden müssen. Grundsätzlich sollten sich Pflegende bei der Dokumentation auf das Wesentliche konzentrieren und den Pflegeprozess da-bei als roten Faden nutzen.

Schafft man es, bei der Dokumentation grundsätzlich den Pflegeprozess abzubil-den, herrscht Transparenz für die Pfle-genden, welche Pflegeinterventionen aus welchen Gründen und in welchem Um-fang bei jedem einzelnen Patienten zu leisten sind. Für die Anwendung des PKMS bedeutet dies dann auch keine an-dersartige oder gar zusätzliche Dokumen-tation, da auf diese Weise der hohe Pfle-geaufwand automatisch deutlich wird.

Pflegepersonal schulen Um die Pflegedokumentation wieder ver-mehrt ins Bewusstsein der Pflegenden zu rücken, wurde das Thema im Klinikum Links der Weser gGmbH fest in das in-nerbetriebliche Fortbildungsangebot auf-genommen. Die regelmäßig stattfin-denden Veranstaltungen können auch von externen Teilnehmern aus anderen Häu-sern besucht werden. Ziel ist es, den Pfle-genden zunächst die Notwendigkeit einer guten Pflegedokumentation erläutern zu können. Außerdem sollen insbesondere Vorteile aufgezeigt und die praktische Umsetzung geschult werden.

Unabhängig von Möglichkeiten der Unterstützung seitens der Institution, ob personell oder durch Schulungsangebote,

beginnt die größte Unterstützung jedoch bei jedem Einzelnen im Team. Jede Pfle-geperson sollte sich einmal selbst fragen, welche Einstellung sie eigentlich zur Do-kumentation hat und wie stark dies darauf tatsächlich Einfluss nimmt. Es muss für Pflegende nicht nur klar sein, warum, wofür und wie dokumentiert werden muss, sondern vor allem auch, dass do-kumentiert wird – und zwar von allen.

▶ Nur durch eine transparente Doku-mentation für alle am Pflegeprozess Beteiligten wird eine einheitliche, überprüfbare und vor allem patien-tenorientierte Pflegeversorgung un-terstützt.

▶ Vermeiden Sie Doppeldokumentati-onen.

▶ Eine PKMS-Beauftragte kann die Mit-arbeiter der Stationen schulen und auch entlasten, indem sie die Kodie-rung auf dem PKMS-Bogen vornimmt.

FA Z IT FÜ R D I E PFLEG E

Anz

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Sandra BeckmannKrankenschwester, Klinische Pflegeexpertin (B.A.) und PKMS-BeauftragteKlinikum Links der Weser gGmbH Bremen Senator-Weßling-Str. 128277 [email protected] beim Verfasser

32 Heilberufe / Das P� egemagazin 2014; 66 (5)

IT in der P� egePflegeKolleg


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