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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die ... · 312 N. Kersting, S. H. Schneider chen der...

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AUFSÄTZE DOI 10.1007/s12286-016-0308-7 Z Vgl Polit Wiss (2016) 10:311–339 Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu Bürgerbeteiligung Norbert Kersting · Sebastian H. Schneider Online publiziert: 23. November 2016 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Zusammenfassung Gemeinderat und Kommunalverwaltung sind die für Kommu- nalpolitik maßgeblichen Institutionen. Governance-Probleme und gesellschaftlicher Wandel haben jedoch zur Folge, dass ihre Legitimation zunehmend infrage ge- stellt wird. Vor allem die Bürger fordern eine stärkere Mitsprache in kommunalen Belangen, weshalb viele Gemeinden mit Bürgerbeteiligungsverfahren experimentie- ren. Im gleichen Zug sind es aber diese etablierten Institutionen, die für die Ein- und Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren verantwortlich sind. Der vor- liegende Beitrag untersucht deshalb die Einstellung von Gemeinderatsmitgliedern in 27 deutschen Gemeinden (N = 587) zu direkter Demokratie und deliberativer Bürgerbeteiligung. Argumentiert wird, dass einerseits die Zugehörigkeit zu ideolo- gische Parteiblöcken eine Rolle spielt, anderseits aber auch strategisches Nutzen- kalkül, das aus der Zugehörigkeit zur Ratsmehr- oder -minderheit resultiert. Die Ergebnisse zeigen erstens, dass eine neutrale bis leicht positive Einstellung gegen- über direktdemokratischer Beteiligung und eine positive Einstellung zu deliberativer Beteiligung vorzufinden ist, jedoch auch beträchtliche Streuung innerhalb der und zwischen den Gemeinden vorherrscht. Zweitens werden die Einstellungen durch die Zugehörigkeit zu linken Parteien (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) po- sitiv und zur relativen Ratsmehrheit negativ beeinflusst. Bei simultaner Kontrolle dominiert jedoch die Parteizugehörigkeit. Zudem zeigt sich für die direkte Demo- kratie, dass linke Ratsmitglieder, deren Partei die relative Ratsmehrheit stellt, eine nochmals deutlich positivere Einstellung aufweisen. Drittens spielen politische Ge- meindemerkmale keine Rolle für die Erklärung der Einstellungen. Allerdings geht mit zunehmender Gemeindepopulation eine negativere Einstellung zu beiden Berei- Prof. Dr. N. Kersting () · Dipl. Soz.-Wiss. S. H. Schneider () Institut für Politikwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Scharnhorststr. 100, 48151 Münster, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] K
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AUFSÄTZE

DOI 10.1007/s12286-016-0308-7Z Vgl Polit Wiss (2016) 10:311–339

Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik:Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zuBürgerbeteiligung

Norbert Kersting · Sebastian H. Schneider

Online publiziert: 23. November 2016© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016

Zusammenfassung Gemeinderat und Kommunalverwaltung sind die für Kommu-nalpolitik maßgeblichen Institutionen. Governance-Probleme und gesellschaftlicherWandel haben jedoch zur Folge, dass ihre Legitimation zunehmend infrage ge-stellt wird. Vor allem die Bürger fordern eine stärkere Mitsprache in kommunalenBelangen, weshalb viele Gemeinden mit Bürgerbeteiligungsverfahren experimentie-ren. Im gleichen Zug sind es aber diese etablierten Institutionen, die für die Ein-und Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren verantwortlich sind. Der vor-liegende Beitrag untersucht deshalb die Einstellung von Gemeinderatsmitgliedernin 27 deutschen Gemeinden (N = 587) zu direkter Demokratie und deliberativerBürgerbeteiligung. Argumentiert wird, dass einerseits die Zugehörigkeit zu ideolo-gische Parteiblöcken eine Rolle spielt, anderseits aber auch strategisches Nutzen-kalkül, das aus der Zugehörigkeit zur Ratsmehr- oder -minderheit resultiert. DieErgebnisse zeigen erstens, dass eine neutrale bis leicht positive Einstellung gegen-über direktdemokratischer Beteiligung und eine positive Einstellung zu deliberativerBeteiligung vorzufinden ist, jedoch auch beträchtliche Streuung innerhalb der undzwischen den Gemeinden vorherrscht. Zweitens werden die Einstellungen durch dieZugehörigkeit zu linken Parteien (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) po-sitiv und zur relativen Ratsmehrheit negativ beeinflusst. Bei simultaner Kontrolledominiert jedoch die Parteizugehörigkeit. Zudem zeigt sich für die direkte Demo-kratie, dass linke Ratsmitglieder, deren Partei die relative Ratsmehrheit stellt, einenochmals deutlich positivere Einstellung aufweisen. Drittens spielen politische Ge-meindemerkmale keine Rolle für die Erklärung der Einstellungen. Allerdings gehtmit zunehmender Gemeindepopulation eine negativere Einstellung zu beiden Berei-

Prof. Dr. N. Kersting (�) · Dipl. Soz.-Wiss. S. H. Schneider (�)Institut für Politikwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster,Scharnhorststr. 100, 48151 Münster, DeutschlandE-Mail: [email protected]; [email protected]

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chen der Bürgerbeteiligung einher, während die Einstellung zu direkter Demokratiein den östlichen Bundesländern geringfügig positiver ausfällt.

Schlüsselwörter Bürgerbeteiligung · Deutschland · Einstellung · Gemeinderat ·Kommunalpolitiker · Mehrebenenanalyse

New claims to power in local politics: the attitudes of councilorstowards civic engagement

Abstract Municipal council and administration are essential for local politics. In-creasingly, however, governance problems and societal changes are challenging theirlegitimacy. Citizens in particular are demanding to have a greater say in local plan-ning and decision-making processes. As a result, many municipalities are tryingout alternative means of civic engagement. At the same time, it is these establishedauthorities who are in charge of conducting these processes and are responsiblefor implementing their outcomes. Thus, their attitudes and behavior are crucial forthe proper functioning of civic engagement. This article therefore examines theattitudes of local councilors (N = 587) towards direct democracy and deliberativecivic engagement in 27 German municipalities. On the one hand, it is argued thatlocal councilors’ party affiliation affects their attitudes. On the other hand, theirattitudes are also assumed to result from strategic considerations related to the re-spective local councilor’s membership in the majority or minority party within thecouncil. As this study shows, first of all, the councilors’ attitude towards directdemocracy ranges from neutral to moderately positive and their attitude towardsdeliberative civic engagement is positive. At the same time, there is great variancewithin and between the individual municipalities. Second, membership in the leftparty block (SPD, Green Party, Left Party) is positively correlated with councilors’attitudes towards both kinds of civic engagement whereas membership in the relativecouncil majority is negatively correlated with their attitudes towards citizen partic-ipation. When controlling for both variables simultaneously, the effect of the partyvariable predominates. With regard to attitudes towards direct democracy, there isa notable interaction between party affiliation and majority status. Left councilorswhose party is in the majority have a comparatively more positive attitude towardsdirect democracy. No such interaction effect applies to deliberative civic engage-ment. Third, municipalities’ political characteristics have no effect on councilors’attitudes. Nevertheless, as population size increases, councilors’ attitudes towardsboth dimensions of civic engagement become increasingly negative. In the East-ern federal states, councilors have a slightly more positive attitude towards directdemocracy.

Keywords Attitudes · Civic engagement · Germany · Local council · Localpoliticians · Multilevel modelling

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1 Einleitung

Die Ausweitung bürgerlicher Mitsprache in der Politik ist in Deutschland und welt-weit seit geraumer Zeit zweifelsohne wieder populär (Nanz und Fritsche 2012). AlsExperimentierfeld hierfür dient vor allem die kommunale Ebene (Geißel 2008). Seitder deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 wurden zunächst die Kommunal-ordnungen im Hinblick auf direktdemokratische Verfahren reformiert (Bürgerbegeh-ren und -entscheid, Ratsreferendum) und der „süddeutschen Ratsverfassung“ ange-passt (Direktwahl der Bürgermeister, Personalisierung des Kommunalwahlrechts),der Schwerpunkt liegt gegenwärtig indes auf der Initiierung von dialogisch-konsul-tativen bzw. deliberativen Beteiligungsverfahren, angefangen bei klassischen Bür-gerforen über Bürgerhaushalte und Planungszellen hin zu Formen der elektronischenPartizipation (Überblick bei Kersting 2016a).1 Durch Ereignisse wie den Protestenzum Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“, dem Reaktorunfall in Fukushima und den Cas-tortransporten hat dieser Trend einen besonderen Anschub erfahren (Roth 2011,S. 13 f.).

Die Ursachen für diesen Trend jenseits konkreter Ereignisse sind vor allem zweiengverzahnten Erklärungskreisen zuzuordnen: Erstens zeigen sich Governance-Pro-bleme, etwa in Form von chronisch verschuldeten Haushalten vieler Gemeinden (Bo-gumil et al. 2014) und vermehrten Konflikten um die Ansiedlung von großen Infra-strukturprojekten, die oftmals Widerstände in der Bevölkerung hervorrufen (Butzlaffet al. 2013). Staatlichen Institutionen fällt eine für alle Beteiligten zufriedenstellendePolitikgestaltung unter effizientem Ressourceneinsatz zunehmend schwerer. Damitverbunden ist Kritik an der öffentlichen Verwaltung, die als ineffizient und starrwahrgenommen wurde (Kersting 2004, S. 70 ff.). Zweitens haben sich die politi-schen Einstellungen und Verhaltensweisen deutlich gewandelt. Die Wahlbeteiligungsinkt auf allen Ebenen des politischen Systems, die Bürger sind den politischenInstitutionen und Akteuren gegenüber skeptischer eingestellt und tendieren zu eli-tenkritischeren Formen politischer Partizipation (z. B. Dalton 2004; Geißel 2011;Inglehart und Catterberg 2002; Norris 2011). Aus solchen Befunden werden Legiti-mationsprobleme, wenn nicht gar eine Krise der Demokratie abgeleitet.

Dieser Wandel führt insgesamt dazu, dass lokale politische Strukturen und dieRolle der traditionellen Institutionen und Akteure (Gemeinderat, Bürgermeister, Ver-waltung) neu ausgehandelt werden, insbesondere weil die Bürger eine stärkere Mit-sprache in politischen Planungs- und Entscheidungsprozessen einfordern (Copus2010, 571 f.; Schnapp 2002). Viele Kommunen experimentieren daher aufgrundsolcher Ansprüche und Reformdruck mit diversen Formen der Bürgerbeteiligung(Kersting 2016a). Allerdings entsteht zugleich ein potentieller Konflikt zwischenden verschiedenen politischen Akteuren, denn die gewählten politischen Autoritäten(Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister) verfügen trotz der Beteiligungsambi-tionen der Bürger und aller Reformen weiterhin über die Entscheidungshoheit inkommunalen Belangen. Dies gilt auch für die Durchführung von Bürgerbeteili-gungsverfahren. Somit hängt ihr Erfolg in beträchtlichen Teilen von den Einstellun-

1 Aus Gründen der Einfachheit und an die internationale Literatur anknüpfend wird im Folgenden stetsder Begriff deliberative Beteiligung bzw. Verfahren verwendet.

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gen und dem Verhalten dieser Autoritäten ab (Karlsson 2012, S. 799 f.; Lowndeset al. 2006). Hinzu kommt, dass die Kommunalpolitiker selbstverständlich nicht nurdem Wähler gegenüberstehen, sondern auch institutionellen und parteipolitischenLogiken ausgesetzt sind (Copus 2010, S. 570 f.).

Im vorliegenden Beitrag werden deshalb die Einstellungen von deutschen Kom-munalpolitikern zu Bürgerbeteiligung in Form von direkter Demokratie und delibera-tiven Verfahren in den Vordergrund gerückt. Die Grundannahme dabei ist, dass dieEinstellung zunächst von der Parteizugehörigkeit bzw. ideologischen Selbstveror-tung abhängt (Ideologiethese). Ratsleute linker Parteien dürften demnach insgesamtpositivere Einstellungen zu Bürgerbeteiligung aufweisen, da sie einen stärkeren Be-zug zu postmaterialistischen und emanzipatorischen Werten, wie z. B. gesellschaft-liche Mitsprache und Mitbestimmung, haben dürften.

Allerdings vernachlässigt diese Annahme die Tatsache, dass Kommunalpolitikin einem sozialen und politischen Kontext stattfindet (Books und Prysby 1991). Eswird deshalb zweitens argumentiert, dass die Einstellung eines Kommunalpolitikersauch von instrumentellen Motiven beeinflusst wird (vote, office und policy seeking;Strøm und Müller 1999), beispielsweise um sich dem Elektorat als bürgernah zupräsentieren oder sich strategisch gegenüber der politischen Konkurrenz zu positio-nieren (Nutzenthese). Dieser Nutzen sollte wiederum primär von der Zugehörigkeitzur Mehrheit oder Minderheit im Gemeinderat abhängen. Darüber hinaus dürftenweitere politische Gemeindecharakteristika einen Einfluss haben, unter anderem dieFragmentierung des Gemeinderats, eine Kohabitationskonstellation und die Höhe derWahlbeteiligung. Auch diese Faktoren bestimmen den Nutzen, der Bürgerbeteiligungzugeschrieben wird, in diesem Fall jedoch für die etablierten kommunalpolitische In-stitutionen und Akteure insgesamt. Dabei wird die unterschiedliche Verbindlichkeitvon direktdemokratischen und deliberativen Verfahren in der Argumentation berück-sichtigt, da sie zu einer unterschiedlichen Bewertung beider Partizipationsbereicheführen dürfte (McKenna 2012, S. 104).

Als Datenbasis zur Überprüfung der Hypothesen dient eine Befragung (N = 587)der Bertelsmann Stiftung unter Kommunalpolitikern in 27 deutschen Gemeindenaus dem Jahre 2013 (Gabriel und Kersting 2014). Diese wird um Informationenzu den sozialen und politischen Charakteristika der Gemeinde ergänzt, so dass einhierarchischer Datensatz entsteht, der im Anschluss mittels Mehrebenenregressionenanalysiert wird (Hox 2010; Snijders und Bosker 2012).

Der Beitrag gliedert sich wie folgt: In Abschn. 2 wird der Forschungsstand kom-pakt zusammengefasst und das obige Argument weiter elaboriert. Abschn. 3 stelltanschließend die Datenbasis, Operationalisierungen sowie Analysestrategie vor. Dieempirischen Analysen folgen in Abschn. 4. Zentrale Ergebnisse werden in Abschn. 5zusammengefasst, gefolgt von einer Diskussion von künftigen Forschungsaufgaben.

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2 Forschungsstand, theoretischer Rahmen und Hypothesen

2.1 Literaturüberblick

Die Forschung zur Einstellung zu Bürgerbeteiligung, sei es in direktdemokratischeroder deliberativer Form, rekurriert in der Regel auf Bevölkerungsumfragen, die einegroße Unterstützung für solche „demokratischen Innovationen“ (Smith 2009) nach-weisen (Decker et al. 2013, S. 60 ff.; Gabriel 2013; Gabriel und Kersting 2014).Ebenso wichtig sind jedoch die Einstellungen politischer und administrativer Eli-ten (Karlsson 2012, S. 796). Ihre Relevanz resultiert aus der Tatsache, dass dieDurchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren diesen kommunalpolitischen Elitenobliegt. Sie entscheiden über die Implementation und beeinflussen ihre praktischeDurchführung, beispielsweise ihr Design, die Mobilisierung der Bevölkerung undbesonders den Umgang mit den Beteiligungsergebnissen (Fung und Wright 2001;Karlsson 2012, S. 796). Selbst bei in den Gemeindeordnungen rechtlich klar regle-mentierten Verfahren der direkten Demokratie (Bürgerbegehren und -entscheiden,Ratsreferenden) bestehen Möglichkeiten der Einflussnahme (Holtkamp und Brock-mann 2016, S. 44 ff.).

Empirische Studien zeigen folglich, dass vor allem der Erfolg deliberativer Ver-fahren beträchtlich vom Engagement der Verantwortlichen abhängt (z. B. Font undGalais 2011, S. 934; Lowndes et al. 2006). Sie schaffen Anreize für die Bevölkerung,sich zu beteiligen, die über Individualmerkmale, wie sie etwa das Civic Voluntarism-Modell (Verba et al. 1995) thematisiert, der Bürger hinausgehen. So scheint es sogarmöglich, dass Entscheidungsträger ein Verfahren nur halbherzig durchführen oderim Extremfall gezielt sabotieren.

Die Einstellungen spiegeln wiederum einen Konflikt zwischen und innerhalb derpolitischen Institutionen und Akteure wider. Einerseits sind Kommunalpolitiker (undauch Bürgermeister) durch Wahlen entsprechend der Gemeindeordnungen der Län-der legitimiert, repräsentativ für die Kommune politische Entscheidungen zu treffen.Anderseits streben diverse gesellschaftliche Akteure (Vereine, NGOs, Bürgerinitia-tiven, ortsansässige Unternehmen, einzelne Bürger) danach, diese Planungsprozesseund Entscheidungen zu beeinflussen, um ihre Interessen durchzusetzen (Plüss undKübler 2013). Am auffälligsten scheint dabei der in den letzten Jahren wieder zuneh-mende Anspruch der Bürger, sich verstärkt in die (Kommunal-)Politik einbringenzu wollen (Copus 2010, S. 571 f.; Roth 2011, S. 14 f.; Schnapp 2002).

Kommunalpolitiker stehen dadurch in einem Spannungsverhältnis zwischen Re-präsentation und Responsivität (Copus 2010, S. 571), da sie auf der einen Seitenbeträchtliche Ressourcen für ihr ehrenamtliches Engagement in der Kommunal-politik investieren (Zeit, Opportunitätskosten) (Naßmacher und Naßmacher 2007,S. 211; Reiser 2006, S. 246) und dementsprechend Macht- und politische Gestal-tungsansprüche haben (Naßmacher und Naßmacher 2007, S. 65). Hinzu kommt dieNotwendigkeit zur Loyalität gegenüber der eigenen Partei bzw. Fraktion (Copus2003, S. 32), schließlich weist auch die unterste Ebene des politischen Systemszum Teil beträchtliche Parteipolitisierung und Fraktionszwänge auf (Bogumil undHoltkamp 2013, S. 163 ff.). Auf der anderen Seite sind (Kommunal-)Politiker auchvon den Präferenzen des Wählers abhängig. Sie können sich folglich nicht gänzlich

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gegen die Beteiligungswünsche der Bürger stellen. Deliberative Bürgerbeteiligung,etwa in Form von Bürgerforen, Bürgerhaushalten oder Planungszellen, scheint dies-bezüglich jedoch weiter weniger risikoreich als beispielsweise rechtlich bindendedirektdemokratische Verfahren (Kersting 2016b, S. 308).2 Dies erklärt womöglichihre Popularität, schließlich lassen sich die Beteiligungsergebnisse aufgrund des Ent-scheidungsrechts der Gemeindevertretung im Zweifelsfall abweisen (Karlsson 2012,S. 799 f.).

Aktuelle Beiträge können anhand von Befragungen auf kommunaler Ebene zei-gen, dass Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung durchaus positive Ein-stellungen in Bezug auf Bürgerbeteiligung haben. So zeigen beispielsweise Gabrielund Kersting (2014, S. 79 ff.), dass die Mehrzahl der Befragten in 27 deutschenKommunen durch Bürgerbeteiligung eine erhöhte Akzeptanz für kommunalpoliti-sche Entscheidungen in der Bevölkerung ermöglicht sieht; dass eine bessere Qualitätsolcher Entscheidungen durch Einbezug der Bürger wahrscheinlich ist; und dass einebessere Informationsgrundlage für die kommunale Planung und Entscheidungsfin-dung geschaffen wird. Auch einem Abbau von Politikverdrossenheit wird überwie-gend zugestimmt. Negative Auswirkungen erfahren hingegen nur geringe Zustim-mung, obgleich es durchaus möglich scheint, dass Beteiligungsverfahren lediglichals „Showevent“ dienen oder verzögernd auf politische Entscheidungen wirken (Ga-briel und Kersting 2014, S. 90 ff.). Ähnliche Befunde zeigen sich bei separaterBetrachtung von Ratsmitgliedern (Kersting 2016c). Interessant ist ferner, dass dieRatsleute unabhängigen Entscheidungen durch den Gemeinderat nicht zwangsläufigdie besten Politikergebnisse zuschreiben. Das deutet darauf hin, dass Kommunal-politiker den Bürgern recht hohe Autorität für kommunalpolitische Planungs- undEntscheidungsprozesse beimessen, obgleich die Ratsmitglieder über die Entschei-dungsgewalt verfügen.

Rückt man von der Einstellung zu Bürgerbeteiligung ab und wirft einen Blickauf die von kommunalpolitischen Eliten vertretenen Demokratiekonzeptionen, sozeigt sich sowohl für Bürgermeister (Egner 2007, S. 172 ff.) als auch Gemeinde-ratsmitglieder (Heinelt 2013, S. 111) in Deutschland eine positive Einschätzungpartizipativer Demokratiekonzeptionen. Ähnliche Befunde liefern europaweit ver-gleichende Befragungen unter Gemeinderatsmitgliedern und Bürgermeistern (Hausund Sweeting 2006; Razin und Hazan 2014; Sweeting und Copus 2013). Insgesamtlässt sich daraus ableiten, dass Bürgerbeteiligung im kommunalpolitischen Main-stream angekommen ist.

2.2 Hypothesen

An dieser Stelle knüpft der vorliegende Beitrag an, indem er sich den individu-ellen und kontextuellen Einflussfaktoren auf die Einstellung zu Bürgerbeteiligungwidmet. Vor allem der politische Kontext wird in der vorliegenden Literatur kaum

2 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Initiative für einen Bürgerentscheid durch ein Bürger-begehren aus den Reihen der Bürger entsteht. Dennoch haben Politik und Verwaltung Einfluss darauf, obein solcher Entscheid überhaupt durchgeführt wird und im Falle einer Durchführung, welches Ergebnisbzw. welche Auswirkungen er hat (Holtkamp und Brockmann 2016, S. 40 ff.).

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berücksichtigt. Zunächst wird jedoch davon ausgegangen, dass die Einstellung ei-nes Kommunalpolitikers zu Bürgerbeteiligung beträchtlich davon abhängt, welcheideologische Position er vertritt bzw. welcher Partei er angehört. Da Bürgerbeteili-gung derzeit in Mode ist, bietet sich eine Befürwortung dieser Thematik sicherlichan, sei es auf Ebene des Politikers oder der Partei (Holtkamp 2012, S. 245). Den-noch sind Unterschiede zwischen den Parteien entsprechend der klassischen Links-Rechts-Verortung zu erwarten, die sich aus Befunden auf nationaler Ebene ableiten(etwa Kittilson und Scarrow 2003, S. 62 ff.) und durch Befunde zu Policy-Präfe-renzen bzw. konkreten Policies gestützt werden (z. B. Debus et al. 2012; Goerresund Tepe 2013; Krapp und Egner 2013, S. 78 ff.): Kommunalpolitiker der politischlinks zu verortenden Parteien (Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, aber auch SPD)vertreten demnach im Vergleich zu bürgerlichen Parteien (CDU/CSU, FDP) ein par-tizipativeres Demokratieverständnis (Heinelt 2013, S. 120), das heißt, sie sollten imgleichen Zug auch eine positivere Einstellung zu Bürgerbeteiligung aufweisen. Ähn-liche Befunde zeigen sich im Hinblick auf Bürgerbeteiligung in anderen Kontexten(für Großbritannien z. B. Copus 2003) und partizipative Reformen im internationa-len Vergleich (Razin und Hazan 2014). Der zugrundeliegende Mechanismus ist ihreanzunehmende größere Nähe zu postmaterialistischen und emanzipatorischen Wert-orientierungen (Inglehart 1990), die sich bereits sehr gut in Willy Brandts Ausspruch„Mehr Demokratie wagen“ aus den 1960er-Jahren widerspiegelt. Gesellschaftlicheund politische Mitsprache bzw. Mitbestimmung der Bürger dürfte in diesem politi-schen Lager ein zentraler Wert sein. Daraus resultiert die erste Untersuchungshypo-these, die gewissermaßen die „Baseline“ in Bezug auf Bürgerbeteiligung darstellt:

H1a: Kommunalpolitiker der linken Parteien weisen eine positivere Einstellungzu direktdemokratischer Bürgerbeteiligung auf.

H1b: Kommunalpolitiker der linken Parteien weisen eine positivere Einstellungzu deliberativer Bürgerbeteiligung auf.

Nun agieren Kommunalpolitiker selbstverständlich nicht im „luftleeren Raum“,sondern orientieren sich in ihren politischen Positionen und ihrem Verhalten an denpolitischen und gesellschaftlichen Konstellationen in ihrer Kommune (Books undPrysby 1991). Dies dürfte auch für die Einstellung zu Bürgerbeteiligung der Fallsein (McKenna 2012, S. 108). Der Grundgedanke dabei ist, dass auch Kommu-nalpolitiker sowohl danach streben, Wählerstimmen zu gewinnen als auch auf dieÜbernahme von Ämtern und die Realisierung von Policies abzielen (Vote, policyund office seeking; Strøm und Müller 1999). Bürgerbeteiligung wird folglich nichtnur aus substantiellen bzw. ideologischen Gründen befürwortet oder abgelehnt, son-dern dürfte gleichermaßen einem macht- und parteipolitischen bzw. elektoralen –also letztendlich instrumentellen – Kalkül unterliegen (Downs 1957).3 Ihre Präfe-renzen und ihr Verhalten sind somit strategisch geprägt (z. B. Shepsle 2010, Kap. 6).

3 Als anekdotische Evidenz für diese Annahme sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Autoren im Kontaktmit Kommunalpolitikern mehrmals mit der Frage konfrontiert waren, ob man den im Wahlkampf auf dieAusweitung von Bürgerbeteiligung setzen solle bzw. ob mit der Einführung von Beteiligungsverfahrenauch ein elektoraler Nutzen in Form von Stimmzuwächsen einhergeht.

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Die Einstellung zu Bürgerbeteiligung sollte demnach stärker ausgeprägt sein, wenndurch sie Vorteile bzw. ein positiver Nutzen abzusehen sind, sei es um bei den Wäh-lern zu punkten, eigene politische Maßnahmen mit Legitimation zu versehen odersich gegenüber den politischen Kontrahenten in der Gemeinde zu positionieren. Einsolches Kalkül ließ sich bereits bei den Reformen des Wahlrechts und der Gesetz-gebung zu direkter Demokratie in den 1990er-Jahren auf Ebene der Bundesländerbeobachten (Scarrow 1997, S. 454 f.; Vetter 2009). Zu bedenken ist ferner, dass Bür-gerbeteiligung finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen bindet und politischePlanungs- und Entscheidungsprozesse aufwändiger bzw. langwieriger machen kann(Irvin und Stansbury 2004, S. 58; Lowndes et al. 2001, S. 211 f.). Auch dies sprichtdafür, dass Kommunalpolitiker das Für und Wider in Hinblick auf Bürgerbeteiligungsorgfältig abwägen dürften.

Dieser Argumentation folgend hängen die Einstellungen gegenüber Bürgerbetei-ligung erstens davon ab, ob die eigene Partei die relative Ratsmehrheit stellt odernicht. Gehört man der Mehrheitsfraktion an, so könnte zunächst aus strategischenGründen die Befürwortung für deliberative Bürgerbeteiligung höher ausfallen. Dakaum der eigenen Anhängerschaft komplett zuwiderlaufende Politiken durchgesetztwerden dürften, eignet sich diese Form der Bürgerbeteiligung besonders gut, umsich als bürgernah zu präsentieren und eigenen Positionen Legitimation zu verschaf-fen, ohne den eigenen Handlungsspielraum zu sehr einzuschränken (McKenna 2012,S. 108). Gehört man jedoch einer der Minderheitsfraktionen an, so scheint eine stär-kere Befürwortung von direktdemokratischer Bürgerbeteiligung wahrscheinlich, umso die eigene Position durchzusetzen bzw. um Druck auf die Ratsmehrheit auszu-üben. Daraus ergeben sich die nachfolgenden Hypothesen:

H2a: Kommunalpolitiker der Mehrheitsfraktionen haben eine positivere Einstel-lung zu deliberativer Bürgerbeteiligung

H2b: Kommunalpolitiker der Mehrheitsfraktionen haben eine negativere Einstel-lung zu direktdemokratischer Bürgerbeteiligung.

H2c: Die Zugehörigkeit zu Mehrheits- bzw. Minderheitsfraktionen moderiert denEffekt der Parteizugehörigkeit. Linke Parteien in Mehrheitssituationen sollten ge-genüber direkter Demokratie negativer eingestellt sein, gegenüber deliberativer Be-teiligung jedoch positiver.

Eng mit den Machtverhältnissen im Gemeinderat, die individuellen bzw. partei-spezifischen Nutzen der Unterstützung von Bürgerbeteiligung generieren, ist zwei-tens ein weiteres politisches Kontextmerkmal verzahnt: die Fragmentierung desRats. Je mehr effektive Parteien vertreten sind (Laakso und Taagepera 1979), destoschwieriger gestalten sich Planungs- und Entscheidungsprozesse in der Kommune(Bogumil und Holtkamp 2013, S. 110 f.; Naßmacher und Naßmacher 2007, S. 250).Eine Abhilfe könnte hier die Ausweitung von Bürgerbeteiligung sein, vor allemin deliberativer Form (Copus 2003, S. 35). Die Gründe hierfür liegen zunächst inder Ermittlung der Präferenzen der Bürger. Darüber hinaus besteht darin auch dieMöglichkeit, eigenen Maßnahmen durch Mobilisierung der eigenen Klientel bzw.der Bürger eine erhöhte Legitimation zu verschaffen oder politische Pattsituationen

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aufzulösen, indem die Planung und Entscheidungsfindung partiell an die Bürgerausgelagert wird. Nicht zuletzt stellen eine Umschiffung von Konflikten sowie dieErhöhung von Akzeptanz und Legitimation politischer Entscheidungen Bürgerbe-teiligung zugeschriebene positive Wirkungen dar, wie das folgende Zitat zeigt:

„Avoiding worst-case confrontations. Once a controversy becomes bitter andadversarial, it is much harder to resolve the issue. Public participation pro-vides opportunities for the parties to express their needs and concerns withouthaving to be adversarial. Early public participation can help reduce the proba-bility that the community will face painful confrontations. Nevertheless, publicparticipation is not magic; it will not reduce or eliminate all conflicts.Maintaining credibility and legitimacy. The way to achieve and maintain le-gitimacy, particularly when controversial decisions must be made, is to followa decision-making process that is visible and credible with the public andinvolves the public. Public participation programs will also leave the publicmore informed of the reasoning behind decisions“ (Creighton 2005, S. 19).

Auch an dieser Stelle forciert macht- bzw. parteipolitisches Kalkül die Befür-wortung von Bürgerbeteiligung, jedoch aus Perspektive des gesamten etabliertenkommunalen Institutionen- und Akteursgefüges. Dies führt zur nächsten Hypothe-se:

H3a: Je größer die Fragmentierung des Gemeinderats, desto positiver die Einstel-lung zu direktdemokratischer Bürgerbeteiligung.

H3b: Je größer die Fragmentierung des Gemeinderats, desto positiver die Einstel-lung zu deliberativer Bürgerbeteiligung.

Eine gesonderte Rolle kommt drittens einer Kohabitationskonstellation in derGemeinde zu, also gegensätzliche Parteibücher von Ratsmehrheit und Bürgermeis-ter (Naßmacher und Naßmacher 2007, S. 249 f.). In einer solchen Konstellationsind Konflikte, gegenseitige Blockaden und fehleranfällige Informationsübermitt-lung möglich (dazu z. B. Bogumil und Holtkamp 2013, S. 189; Holtkamp 2008,S. 240 f.; Wehling 2010, S. 363). Gerade in dieser Situation – in der die Institu-tionen und Akteure in einem Spannungsverhältnis stehen – könnte verstärkt dieAusweitung von Bürgerbeteiligung als Ausweg gesehen werden, um der eigenenPosition Legitimation zu verschaffen oder auch Blockadesituationen aufzulösen. ImExtremfall könnte dies in Form einer Entscheidungsabgabe an die Bürger durchein Ratsreferendum geschehen. Auch hier können folglich die oben bereits ange-führten positiven Auswirkungen von Bürgerbeteiligung herangezogen werden, diewiederum einen kollektiven Nutzen für die politischen Entscheidungsträger schaffen.Diese Argumentation mündet in der nachfolgenden Hypothese:

H4a: Liegt in der Gemeinde eine Kohabitationskonstellation vor, fällt die Einstel-lung zu direktdemokratischer Bürgerbeteiligung positiver aus.

H4b: Liegt in der Gemeinde eine Kohabitationskonstellation vor, fällt die Einstel-lung zu deliberativer Bürgerbeteiligung positiver aus.

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Als letztes politisches Kontextmerkmal ist viertens die Wahlbeteiligung anzufüh-ren, schließlich fußen gängige Krisendiagnosen westlicher Demokratien nicht zu-letzt auf sinkender Wahlbeteiligung auf sämtlichen Ebenen der politischen Systeme,aus der wiederum die Forderung nach Ausweitung von Beteiligungsmöglichkeitenresultiert (zur Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene z. B. Vetter 2008). Folglichscheint es durchaus plausibel, dass besonders in Gemeinden mit niedriger Wahlbetei-ligung eine positive Einstellung gegenüber Bürgerbeteiligung vorherrscht, weil sichdie kommunalpolitische Elite einem Legitimationsdefizit ausgesetzt sieht. Darausresultiert die letzte Hypothese:

H5a: Je geringer die Wahlbeteiligung in der Kommune, desto positiver die Ein-stellung zu direktdemokratischer Bürgerbeteiligung.

H5b: Je geringer die Wahlbeteiligung in der Kommune, desto positiver die Ein-stellung zu deliberativer Bürgerbeteiligung.

2.3 Kontrollvariablen

Darüber hinaus sind weitere Individual- und Kontextmerkmale zu kontrollieren: Aufder Individualebene dürften neben der Parteizugehörigkeit auch das Alter, das Ge-schlecht sowie das Bildungsniveau eine Rolle spielen, schließlich könnten sie alsProxy-Variablen Sozialisations- und Lebensphaseneffekte auf Demokratiekonzep-tionen abbilden, die separat von der Parteiposition und machtpolitischem Kalkül zubetrachten sind (Geißel 1999, S. 135; Heinelt 2013, S. 113; Norris und Lovenduski1995, Kap. 11).

Auf Gemeindeebene könnten die Gemeindegröße und die Haushaltslage eine ge-wisse Relevanz aufweisen, da sie Anreize auf die Befürwortung oder Ablehnungvon Bürgerbeteiligung ausüben könnten, die parteipolitische Anreize überlagern.Für die Gemeindegröße ist deshalb analog zur Debatte um „Size and Democracy“(Dahl und Tufte 1973; Denters et al. 2014; Kelleher und Lowery 2009) anzunehmen,dass mit steigender Größe das Bedürfnis nach Bürgerbeteiligung zunimmt, weil di-rekte persönliche Kontakte zu den Bürgern schwieriger werden. Der Einsatz vonBeteiligungsinstrumenten könnte folglich ein probates Mittel darstellen, detailliertePräferenzen des Elektorats in Erfahrung zu bringen, obgleich die allgemeine De-mokratiekonzeption von Gemeinderatsmitgliedern nicht in einem solchen linearenZusammenhang mit der Gemeindegröße steht (Heinelt 2013, S. 115). Die Finanz-lage hingegen dürfte eher einen hemmenden Effekt haben, da die Einrichtung vonBeteiligungsverfahren in Zeiten angespannter Haushalte eine „Demokratisierung derMachtlosigkeit“ (Roth 2001) bedeuten würde, was wiederum eine weitere Ernüch-terung der Bürger über politischen Handlungsspielraum zur Folge haben könnte.Nutzenmaximierende Kommunalpolitiker sollten solche negativen Folgeerscheinun-gen jedoch tunlichst vermeiden (Holtkamp 2012, S. 244 f.).

Jenseits von Individual- und Gemeindemerkmalen ist herauszustellen, dass die un-tersuchten Gemeinden in unterschiedlichen Bundesländern liegen, der institutionelleRahmen also nicht konstant gehalten wird. Folglich könnten sich auch Unterschiedein den Gemeindeordnungen auf die Einstellungen der Politiker auswirken, schließ-

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 321

lich unterscheiden sich bspw. der Einfluss des Gemeinderates und die Regelungenfür Bürgerbegehren und -entscheide trotz des „Siegzuges der süddeutschen Rats-verfassung“ (Knemeyer 1999) zum Teil beträchtlich (z. B. Eder 2010; Flick 2010).Hier stößt die nachfolgende Analyse jedoch an eine Grenze: Die 27 untersuchtenGemeinden reichen nicht aus, um in der Mehrebenenanalyse valide eine dritte Ebene(Bundesländer) zu kontrollieren, zumal nicht alle Bundesländer im Sample vertretensind.

Da mehr als 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung Unterschiede inder politischen Kultur zwischen beiden Landesteilen fortbestehen (Bogumil undHoltkamp 2016; Westle 2015), die auch für politische Eliten auszumachen sind, vorallem im Hinblick auf direkten Einbezug der Bürger in das politische Geschehen(Heinelt 2013, S. 115 f.), sind diese zu guter Letzt ebenfalls zu berücksichtigen.

3 Daten und Analysestrategie

3.1 Datenbasis

Zur Überprüfung der Hypothesen wird ein Datensatz der Bertelsmann Stiftung ausdem Jahr 2013 verwendet, in der 1247 Gemeinderatsmitglieder in 27 deutschenKommunen unterschiedlicher Größe telefonisch befragt wurden (Gabriel und Kers-ting 2014, S. 176 f.).4 Bei 587 der 1247 kontaktierten Personen konnte ein Interviewrealisiert werden, was einer Ausschöpfungsquote von rund 47% entspricht, wo-bei der Rücklauf in einigen Großstädten gering ausfiel (Bonn, Erfurt, Freiburg undMünster).5 Die Auswahl der Gemeinden erfolgte dabei sowohl nach inhaltlichen Kri-terien (Erfahrung mit direkter und/oder deliberativer Demokratie ja/nein) als auchunter Berücksichtigung von geographischer Lage und Gemeindegröße. Thematischfokussiert die Befragung auf den Themenkomplex Bürgerbeteiligung und ihre Aus-wirkungen, die Messinstrumente orientierten sich dabei an vorliegenden Studien(Gabriel und Kersting 2014, 180 f.). Die Beobachtungszahl variiert zwischen acht(Bernau am Chiemsee, Bayern) und 44 (Essen, Nordrhein-Westfalen). Im Durch-schnitt wurden 22 Ratsleute befragt. Dabei gilt zu bedenken, dass die Gesamtzahlder Sitze im Rat mit Gemeindegröße und Bundesland variiert. Trotz der Einschrän-kungen bei der Auswahl der Kommunen (einige Bundesländer sind nicht vertreten,einige unabhängige Kontrollvariablen nicht enthalten) stellt dieser Datensatz diegegenwärtig beste Option zur Untersuchung der vorliegenden Fragestellung dar.

4 Zugleich wurden auch Bürgermeister und Dezernenten in den 27 Kommunen befragt. Diese Befragten-gruppen werden im vorliegenden Beitrag jedoch nicht berücksichtigt.5 Der Rücklauf positioniert sich dabei zwischen den Rücklaufquoten ähnlicher Studien. So liegt der Rück-lauf der bundesweiten Studie von Egner et al. (2013, S. 176 f.) bei 22%, in der Befragung in Hessen vonvan Deth und Tausendpfund bei rund 54% (MZES 2010, S. 3).

K

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322 N. Kersting, S. H. Schneider

Tab. 1 Abhängige Variablen

Direkte Demokratie Deliberative Bürgerbeteiligung

Items Einwohner sollten direkt über wich-tige kommunale Fragen entscheidenkönnen

Einwohner sollten immer die Mög-lichkeit haben, ihre Sicht darzulegenund mit zu diskutieren, bevor derGemeinderat wichtige kommunaleEntscheidungen trifft

Wenn die Bürger selbst direkt übereine politische Frage entscheidenkönnen, sind sie eher dazu bereit, einErgebnis zu akzeptieren, mit dem sieinhaltlich nicht einverstanden sind

Wenn die Bürger bei politischenEntscheidungen gehört werden undmitdiskutieren können, sind sie eherdazu bereit, ein Ergebnis zu akzep-tieren, mit dem sie inhaltlich nichteinverstanden sind, selbst wenn dieendgültige Entscheidung bei den ge-wählten Vertretern liegt

Die direkte Mitwirkung der Bürgerdurch kommunale Bürgerbegehrenund Bürgerentscheide führt zu besse-ren politischen Lösungen

Wenn Bürger bei der Suche nach Lö-sungen für politische Probleme Gehörfinden und mitdiskutieren können,führt dies zu besseren Ergebnissen

Cronbach’s Alpha 0,65 0,57

Alle Items waren mit einer fünfstufigen Antwortskala versehen, deren Endpunkte mit „stimme voll undganz zu“ (1) und „stimme überhaupt nicht zu“ (5) benannt waren. Für eine einfachere Interpretation wurdediese Skala vor der Berechnung der beiden Indizes umgekehrt

3.2 Operationalisierungen

Als abhängige Variablen kommen zwei quasi-intervallskalierte Indizes zum Einsatz,die die Einstellung der befragten Ratsmitglieder zu direktdemokratischer und de-liberativer Bürgerbeteiligung abbilden. Sie berechnen sich durch die Addition derZustimmung zu jeweils drei Aussagen zu den beiden Beteiligungsformen und an-schließender Standardisierung auf den Wertebereich der ursprünglichen Items (1–5).Cronbach’s Alpha beträgt 0,65 bzw. 0,57, was in Anbetracht der geringen Anzahlan Items – die unterschiedliche Teilaspekte der Beteiligungsform erfassen (norma-tive Position, Nutzenzuschreibungen) – und der lediglich fünfstufigen Antwortskalaakzeptabel scheint, vor allem weil der vorliegende Beitrag gewissermaßen eine Kol-lektivdiagnostik und keine Individualdiagnostik zum Ziel hat (Moosbrugger undKelava 2012, S. 135 ff.). Darüber hinaus wiesen Hauptkomponentenanalysen beideDimensionen als eindimensional aus (nicht tabelliert). Tab. 1 bietet einen Überblickder exakten Frageformulierungen.

Die zentralen unabhängigen Variablen auf Individualebene werden wie folgt er-fasst. Die ideologische Verortung wird zunächst durch eine Dummy-Variable abge-bildet, die für den linken Parteienblock (SPD; Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen)den Wert 1 annimmt, für das bürgerliche Lager (CDU/CSU, FDP) den Wert 0.6 Kom-munalpolitiker der sonstigen Parteien (N = 15), Piratenpartei (N = 1) sowie Befragte

6 Für ein vergleichbares Vorgehen siehe z. B. Goerres und Tepe (2013, S. 178). Zu beachten ist ferner, dassfür die Elitenbefragung die Frage nach der Parteiidentifikation aus der Bevölkerungsstudie übernommenwurde, das heißt, es wurde nicht die tatsächliche Parteizugehörigkeit erfragt. Gleichwohl ist davon auszu-gehen, dass die Befragten in ihrer Antwort nicht von ihrer tatsächlichen Parteizugehörigkeit abwichen.

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 323

ohne Angabe (N = 32) werden hingegen aufgrund nicht möglicher ideologischer Zu-ordnung als fehlender Wert codiert. Zur Erfassung der Mehrheitsverhältnisse wirdeine weitere Dummy-Variable berechnet: Stellt die eigene Partei die relative Mehr-heit bzw. größte Partei im Gemeinderat, so erhält die Variable denWert 1, andernfallsden Wert 0. Zur Erfassung der zu kontrollierenden Merkmale auf Ebene der Kom-munalpolitiker kommen weitere Variablen hinzu: Das Geschlecht (0 = männlich,1 = weiblich), akademischer Bildungsabschluss (0 = nein, 1 = ja) sowie das Alterin Jahren.

Nun ist auf die Variablen auf Gemeindeebene einzugehen. Besondere Diskussi-on bedarf hier der Ermittlung einer Kohabitationskonstellation, da diese aufgrunduntypischer und oftmals wechselnder Kooperationen im Gemeinderat (z. B. Debusund Gross 2015; Gross 2014, 2016) in quantitativen Studien nur mit großem Auf-wand zu ermitteln ist (Egner 2007, S. 110 f.). Aus diesem Grund wird im Rahmendes Beitrags auf einen einfachen Abgleich zwischen parteipolitischer Verortung desBürgermeisters und der Ratsmehrheit zurückgegriffen. Bei ideologischer Kongruenz(ebenfalls in der Dichotomie rechts/links) erhält die Dummy-Variable den Wert 0,andernfalls wird sie auf den Wert 1 gesetzt. Die Komposition des Gemeinderats,die Parteizugehörigkeit des (Ober-)Bürgermeisters ebenso wie die Wahlbeteiligungbei der letzten Kommunalwahl wurde hierfür den Webseiten der Gemeinden ent-nommen. Die parteipolitische Fragmentierung des Gemeinderats wird im Anschlussmittels des in der kommunalpolitischen Forschung gebräuchlichen Laakso-Taagpe-ra-Index (Laakso und Taagepera 1979) berechnet („Effective number of legislativeparties“).

Die Variablen Gemeindegröße (Bevölkerungszahl im 2013) und finanzielle La-ge (Schulden pro Kopf in Euro 2013) stammen aus dem Wegweiser Kommune derBertelsmann Stiftung, einer frei zugänglichen Datenbank zu den sozialen und ökono-mischen Charakteristika deutscher Kommunen.7 Eine Übersicht über alle Variableneinschließlich üblicher deskriptiver Statistiken findet sich in Tab. 5 im Appendix.

3.3 Analysestrategie

Zur Analyse des Datensatzes, der zwei Analyseebenen verknüpft, kommen hierarchi-sche lineare Mehrebenenmodelle zum Einsatz, die auf der ersten Ebene Kommunal-politiker, auf der zweiten Ebene Gemeinden enthalten (Hox 2010; Snijders und Bos-ker 2012). Die Verwendung solcher Modelle ist einerseits aufgrund von Hypothesenauf unterschiedlichen Analyseebenen notwendig, anderseits weil die hierarchischebzw. geclusterte Datenstruktur die Annahme unabhängiger Fehler konventionellerOLS-Modelle verletzt.

Bei solchen Modellen ist zu entscheiden, ob und wie die unabhängigen Variablenauf Ebene eins zentriert werden, zum einen um die Interpretation des Achsenab-schnitts zu erleichtern, zum anderen um hohe Korrelationen zwischen den Varianz-komponenten auf beiden Untersuchungsebenen und Schätzprobleme zu reduzieren(Enders und Tofighi 2007; Hox 2010, S. 62). Wenn der Fokus auf Variablen der zwei-ten Datenebene liegt, empfiehlt sich die Zentrierung der unabhängigen Variablen am

7 http://www.wegweiser-kommune.de/

K

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324 N. Kersting, S. H. Schneider

Mittelwert der Gesamtstichprobe zur Überprüfung der Kontexteffekte, während fürdie Überprüfung von Individualhypothesen die Zentrierung der Variablen am Mittel-wert der Gemeinde vorteilhaft ist. Dies betrifft auch unabhängige Dummy-Variablen,von denen ebenfalls der Gesamt- oder Gruppenmittelwert subtrahiert wird (Bickel2007, S. 136; Enders und Tofighi 2007, S. 134 f. u. 138).

Da im vorliegenden Beitrag der analytische Fokus zwar auf beiden Analyseebenenliegt, anderseits jedoch angenommen wird, dass die Koeffizienten der unabhängigenVariablen nicht zwischen den einzelnen Kommunen variieren und darüber hinausnicht die relative Position eines Kommunalpolitikers in seiner Gemeinde von Inte-resse ist (sogenannte „Frog Pond-Effekte“), soll die Verwendung einer Zentrierungam Gesamtmittelwert im vorliegenden Fall genügen.

Die anschließende Analyse erfolgt nach dem in der Literatur etablierten Sche-ma (Hox 2010, S. 56 ff.): Einleitend wird ein „Nullmodell“ geschätzt, das lediglicheinen Achsenabschnitt enthält, der zwischen den Gemeinden variieren kann (randomintercept). Anhand dieses Modells lässt sich die Varianz der abhängigen Variablenbestimmen, die auf Ebene der Gemeinde angesiedelt ist (Intraklassenkorrelation –ICC). In einem weiteren Schritt werden die Individualvariablen hinzugefügt, gefolgtvon den Variablen auf Ebene der Kommunen. Letztere erklären die Varianz des Ach-senabschnitts. Aufgrund möglicher Korrelationen zwischen den Variablen auf Ge-meindeebene sowie der verhältnismäßig geringen Anzahl an Kommunen (27) werdendiese Variablen separat demModell hinzugefügt. Zur Vermeidung von Schätzproble-men werden ferner sämtliche intervallskalierte Variablen auf Ebene der GemeindenZ-standardisiert.8

4 Empirische Analysen

4.1 Deskriptive Analysen

Vor der multivariaten Überprüfung der Hypothesen erfolgt ein deskriptiver Blickauf die Daten, um zu prüfen, welche Unterschiede im Einstellungsbild innerhalbund zwischen den 27 Gemeinden vorliegen und wie viel Varianz der abhängigenVariablen durch die bloße Zugehörigkeit eines befragten Kommunalpolitikers zueiner spezifischen Gemeinde erklärt wird.

Für die Einstellung zu direkter Demokratie ergibt sich ein Mittelwert von rund 3,4bei einer Standardabweichung von 0,85. Daraus lässt sich folgern, dass die Kommu-nalpolitiker zwar in der Gesamtschau zu einer durchschnittlichen bis leicht positivenBewertung tendieren. Die Einstellungen variieren jedoch sowohl innerhalb als auchzwischen Gemeinden deutlich (siehe Abb. 1 oberes Diagramm). Der Unterschiedim Mittelwert beträgt dabei mehr als ein Skalenpunkt zwischen der durchschnittlich

8 Zum Einsatz kommt stets eine Restricted Maximum Likelihood-Schätzung mit Satterthwaite-Approxi-mation der Freiheitsgrade für Signifikanztests. Die Modelle wurden mit dem Paket lme4 in R geschätzt(Bates et al. 2015). Signifikanztests wurden mit lmerTest durchgeführt, die Tabellen mit dem Paket texregerstellt (Leifeld 2013). Die R²-Kennzahlen wurden nach dem Ansatz von Nakagawa und Schielzeth (2013)berechnet.

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 325

Abb

.1Mittelwerte

derEinstellungen

in27

Gem

einden

(Nbrutto

=587)

K

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326 N. Kersting, S. H. Schneider

positivsten Einstellung in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt und Oberam-mergau in Bayern. Die Intraklassenkorrelation weist mit einem Wert von 0,034darauf hin, dass etwas mehr als 3% der Varianz durch die Gemeindezugehörigkeiterklärt wird. Dieser Befund deckt sich mit ähnlichen Analysen zur Wahrnehmungder Kommunen durch die Bürger, in der die Intraklassenkorrelationen mit weni-gen Ausnahmen in der Regel niedrig ausfielen (Van Deth und Tausendpfund 2013,S. 445).

Die Einstellung gegenüber deliberativer Bürgerbeteiligung mit einem Mittelwertvon etwa 3,8 und einer Standardabweichung von knapp 0,7 etwas positiver aus.Dies verwundert aufgrund der geringen Verbindlichkeit dieser Partizipationsinstru-mente im Vergleich zu Bürgerentscheiden und Referenden kaum. Auch an dieserStelle zeigt sich erneut beträchtliche Streuung innerhalb und zwischen den Gemein-den (siehe Abb. 1 unteres Diagramm). Erneut weisen die befragten Ratsmitgliederaus Erfurt die positivste Einstellung auf, während ihre Kollegen in Oberammergau,Münster und Essen die skeptischsten Einstellungen vertreten. Auch hier liegen dieUnterschiede in den Mittelwerten bei beinahe einem Skalenpunkt. In diesem Fallliegt die Intraklassenkorrelation bei 0,040, das heißt, 4% der Varianz in der Ein-stellung ist wiederum auf die Gemeindezugehörigkeit zurückzuführen. Obgleich dieVarianz auf Gemeindeebene für beide Dimensionen der Bürgerbeteiligung nicht son-derlich groß ist, genügt sie doch, um nicht nur aus theoretisch-inhaltlichen Gründen(siehe Abschn. 3.3) auf eine statistische Mehrebenenanalyse zurückzugreifen.

Abschließend ist auf die Korrelation zwischen beiden Einstellungsdimensionenüber alle befragten Politiker hinweg einzugehen. Der Koeffizient liegt bei 0,60 (Pear-son’s R; p < 0,000), das heißt, mit einer positiven Bewertung direkter Demokratiegeht in der Regel auch eine positive Bewertung deliberativer Beteiligung einher undumgekehrt.

4.2 Mehrebenenmodelle

Nun ist zur Überprüfung der Hypothesen aus Abschn. 2.3 mittels Mehrebenenmo-dellierung überzugehen. Im Voraus ist anzumerken, dass sich aufgrund der geringenVarianz auf Gemeindeebene (3–4%) vermutlich nur schwer Effekte der Gemeinde-merkmale ermitteln lassen. Begonnen wird jedoch mit den Merkmalen auf Ebene derKommunalpolitiker. Der Einschluss dieser Variablen hat zunächst für beide abhängi-gen Variablen eine verbesserte Modellanpassung zur Folge, die sich in steigenden R²-Kennzahlen bzw. sinkender Residualvarianz ausdrückt (siehe Tab. 2). Dabei kristal-lisiert sich die Zugehörigkeit zum linken Parteiblock als deutlich erklärungskräftigerheraus.

Für direktdemokratische Beteiligung zeigen sich bei separater Kontrolle der Zu-ordnung zu ideologischen Parteiblöcken und Zugehörigkeit zur relativen Mehrheitim Gemeinderat die in den Hypothesen H1a und H2a postulierten Zusammenhänge(vgl. Modelle DD1 bis DD4 Tab. 2). So weisen die Politiker der linken Parteiendurchschnittlich eine signifikant und substantiell positivere Einstellung zu dieserPartizipationsform auf, während jene der relativen Mehrheit eine negativere Ein-stellung vorweisen. Unter simultaner Kontrolle beider Merkmale in Modell DD3verbleibt jedoch lediglich der Effekt des Parteiblocks auf einem in etwa identischen

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 327

Tab.

2Random

Intercept-Modelle

Individualebene

DD1

DD2

DD3

DD4

DB1

DB2

DB3

DB4

Intercept

3,39

****

3,40

****

3,39

****

3,46

****

3,84

****

3,84

****

3,84

****

3,87

****

(0,05)

(0,05)

(0,05)

(0,06)

(0,04)

(0,04)

(0,04)

(0,05)

Linke

Partei

0,59

****

–0,60

****

0,60

****

0,31

****

–0,33

****

0,33

****

(0,07)

–(0,10)

(0,09)

(0,06)

–(0,08)

(0,08)

Mehrheitspartei

––0,37*

***

0,02

0,13

––0,18*

**0,03

0,08

–(0,08)

(0,10)

(0,11)

–(0,07)

(0,08)

(0,10)

L.P

artei**Mehrheit

––

–0,48

**–

––

0,21

––

–(0,22)

––

–(0,19)

Akademiker

0,03

0,03

0,03

0,01

0,02

0,02

0,02

0,01

(0,07)

(0,08)

(0,07)

(0,08)

(0,07)

(0,07)

(0,07)

(0,07)

Alter(inJahren)

0,00

0,00

0,00

0,00

–0,00

–0,00

–0,00

–0,00

(0,00)

(0,00)

(0,00)

(0,00)

(0,00)

(0,00)

(0,00)

(0,00)

Weiblich

–0,02

–0,11

–0,02

–0,02

–0,01

–0,06

–0,01

–0,01

(0,08)

(0,08)

(0,08)

(0,08)

(0,07)

(0,07)

(0,07)

(0,07)

AIC

1204,83

1243,16

1209,64

1208,09

1071,49

1087,02

1076,45

1078,71

Log

Likelihood

–595,41

–614,58

–596,82

–595,05

–528,75

–536,51

–530,22

–530,36

N(K

ommunen)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

Varianz

Intercept

0,02

0,02

0,02

0,02

0,02

0,02

0,02

0,02

Varianz

Residual

0,58

0,63

0,58

0,58

0,44

0,46

0,45

0,45

ICC

0,033

0,031

0,033

0,033

0,044

0,042

0,043

0,043

R²fi

xed

0,124

0,054

0,123

0,134

0,052

0,022

0,052

0,055

R²cond

0,155

0,083

0,155

0,165

0,091

0,060

0,091

0,093

****p<0,001,

*** p

<0,01,*

* p<0,05,*p<0,1.SämtlicheVariablen

amGesam

tmittelwertzentriert.Standardfehler

inKlammern

K

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328 N. Kersting, S. H. Schneider

Niveau. Dies verwundert aufgrund der recht hohen Korrelation (Pearson’s R = 0,66;p < 0,001) zwischen beiden Variablen nicht. Prüft man ferner eine Interaktion zwi-schen beiden Merkmale, so zeigt sich wiederum eine signifikante Verbesserung desModells. Diese lässt sich als eine nochmals positivere Einstellung zu direkter Demo-kratie interpretieren, wenn die Partei eines linken Kommunalpolitikers zugleich dierelative Mehrheit im Gemeinderat stellt. Dieser Befund überrascht, sollte ein Rats-mitglied in dieser Position doch eher Vorbehalte gegenüber direkter Demokratieaufweisen. Hypothese H2c muss in diesem Fall also verworfen werden.

Für die Einstellung zu deliberativer Bürgerbeteiligung zeigen sich zunächst inetwa identische Befunde (vgl. Modelle DB1 bis DB4 in Tab. 2). Die Ratsmitgliederder linken Parteien weisen eine signifikant positivere Einstellung auf, während je-ne der relativen Ratsmehrheit eine negativere vertreten. Dies spricht für HypotheseH1b und gegen Hypothese H2b. Letztere ging davon aus, dass Mehrheitsparteienpositiver zu diesem Bereich eingestellt sind. Die Koeffizienten fallen allerdings imVergleich zu den Modellen zur Einstellung gegenüber direkter Demokratie in ihremBetrag etwas geringer aus. Das heißt, die Unterschiede zwischen den ideologischenLagern bzw. Mehr- und Minderheit sind für diese unverbindliche Form bürgerlicherEinflussnahme geringer als für direkte Demokratie. Unter simultaner Kontrolle bei-der Merkmale dominiert erneut die Zugehörigkeit zum linken Parteienspektrum, derKoeffizient zur Erfassung der relativen Ratsmehrheit ist nicht mehr signifikant (Mo-dell DB3 in Tab. 2). Im Unterschied zu den Einstellungen zur direkten Demokratiefindet sich hingegen keine Interaktion zwischen beiden Merkmalen in den Daten(Modell DB4 in Tab. 2). Hypothese H2c ist demnach für deliberative Beteiligungebenfalls zu verwerfen.

Zum Abschluss der Betrachtung der Individualmerkmale bleibt festzuhalten, dasskeines der soziodemographischen Charakteristika in einem signifikanten, substan-tiell relevanten Verhältnis zu den Einstellungen gegenüber beiden Bereichen derBürgerbeteiligung steht. Die Unterschiede dürften folglich primär aus ideologischenbzw. parteipolitischen Eigenschaften resultieren. Allerdings erlauben die bisher ge-schätzten Modelle noch keine Aussagen über die Effekte des kommunalen Kontexts,schließlich dürften auch Merkmale auf Ebene der Gemeinden Anreize für positiveoder negative Einstellungen gegenüber Bürgerbeteiligung induzieren. Im Folgendenwerden deshalb separat solche Merkmale zu den vollständigen Individualmodellen(DD4 und DB4 in Tab. 2) hinzugegeben und auf eine Verbesserung der Modellan-passung überprüft, bevor ein vollständiges Modell geschätzt wird.

In Tab. 3 werden zunächst die Modelle für die Einstellung zur direkten Demo-kratie dargestellt. Keines der in den Hypothesen (siehe Abschn. 2.3) thematisiertenMerkmale weist einen signifikanten Koeffizienten auf. Das heißt, die HypothesenH3a, H4a und H5a müssen verworfen werden. Lediglich für die Kontrollvariablensind interessante Befunde festzustellen. Erstens sinkt mit steigender Bevölkerungs-zahl einer Gemeinde die durchschnittliche Einstellung gegenüber direkter Demo-kratie (p < 0,05). Über die Gründe kann an dieser Stelle nur spekuliert werden.Eine mögliche Erklärung könnte ein höherer Professionalisierungsgrad der Poli-tik in größeren Gemeinden sein (Reiser 2006), der mit Skepsis gegenüber direkterEinflussnahme der Bürger oder der politischen Fähigkeiten einhergehen könnte.Zweitens zeigt sich ein auf dem 10%-Niveau signifikanter Unterschied zwischen

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 329

Tab.

3KontexteffekteEinstellung

direkteDem

okratie

AB

CD

EF

G

Fragmentierung

0,02

––

––

––0,00

(0,05)

––

––

–(0,05)

Wahlbeteilig

ung

––0,03

––

––

–0,00

–(0,05)

––

––

(0,05)

Kohabitatio

n–

–0,06

––

–0,13

––

(0,11)

––

–(0,11)

Gem

eindegröße

2013

––

––0,09*

*–

––0,12*

*

––

–(0,04)

––

(0,05)

Schulden

proKopf2013

––

––

–0,03

–0,03

––

––

(0,05)

–(0,05)

Ostdeutschland

––

––

–0,20

*0,22

*

––

––

–(0,11)

(0,12)

AIC

1214,20

1214,03

1212,30

1210,62

1213,90

1209,51

1233,05

Log

Likelihood

–597,10

–597,02

–596,15

–595,31

–596,95

–594,76

–601,53

N(G

emeinden)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

Varianz

Intercept

0,02

0,02

0,02

0,01

0,02

0,02

0,01

Varianz

Residual

0,58

0,58

0,58

0,58

0,58

0,58

0,58

ICC

0,033

0,033

0,033

0,017

0,033

0,033

0,017

R²fi

xed

0,135

0,135

0,135

0,143

0,134

0,141

0,154

R²cond

0,167

0,168

0,169

0,163

0,167

0,167

0,173

****p<0,001,

*** p

<0,01,*

* p<0,05,*p<0,1.AusgangsbasisModellD

D4in

Tab.2.

KoeffizientenderIndividualvariablennichttabelliert.S

tandardfehlerin

Klammern

K

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330 N. Kersting, S. H. Schneider

Tab.

4KontexteffekteEinstellung

delib

erativeBürgerbeteilig

ung

AB

CD

EF

G

Fragmentierung

0,01

––

––

–0,05

(0,04)

––

––

–(0,05)

Wahlbeteilig

ung

–0,02

––

––

0,04

–(0,04)

––

––

(0,04)

Kohabitatio

n–

––0,12

––

––0,10

––

(0,10)

––

–(0,10)

Gem

eindegröße

(2013)

––

––0,08*

*–

––0,08*

––

–(0,04)

––

(0,04)

Schulden

proKopf2013

––

––

–0,04

–0,00

––

––

(0,04)

–(0,04)

Ostdeutschland

––

––

–0,12

0,13

––

––

–(0,10)

(0,11)

AIC

1085,03

1085,01

1082,12

1081,21

1084,25

1082,09

1106,13

Log

Likelihood

–532,52

–532,51

–531,06

–530,60

–532,12

–531,05

–538,07

N(G

emeinden)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

504(27)

Varianz

Intercept

0,02

0,02

0,02

0,01

0,02

0,02

0,01

Varianz

Residual

0,45

0,45

0,45

0,45

0,45

0,45

0,45

ICC

0,043

0,043

0,043

0,022

0,043

0,043

0,022

R²fi

xed

0,056

0,056

0,061

0,068

0,057

0,059

0,082

R²cond

0,095

0,096

0,095

0,092

0,096

0,096

0,108

***p

<0,001,

**p<0,01,*

p<0,05,****p

<0,1.AusgangsbasisModellD

B4in

Tab.2.KoeffizientenderIndividualvariablennichttabelliert.Standardfehler

inKlammern

K

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 331

beiden Landesteilen. Die Ratsmitglieder aus den neuen Bundesländern weisen imDurchschnitt positivere Einstellung zur direkten Demokratie auf. Vorstellbar sindhier grundlegende Unterschiede in politischer Kultur und den Formen politischerRepräsentation (siehe dazu z. B. Bogumil und Holtkamp 2016).

Für die Einstellung zu deliberativer Bürgerbeteiligung wiederholen sich die Be-funde aus Tab. 3. Die Hypothesen H3b, H4b und H5b müssen ebenfalls verwor-fen werden, da weder Fragmentierung, Wahlbeteiligung noch Kohabitation einensignifikanten Koeffizienten aufweisen (siehe Tab. 4). Einzig die KontrollvariableGemeindegröße ist auf dem 5%-Niveau signifikant. Mit steigender Gemeindegrößesinkt auch die durchschnittliche Einstellung gegenüber dieser Form der Bürgerbe-teiligung. Als ad-hoc Erklärung könnte erneut die oben bereits erwähnte höhereProfessionalisierung herangezogen werden. Die Gemeindegröße ist folglich syste-matisch mit beiden Dimensionen der Bürgerbeteiligung verknüpft, was in diesemFall für die sogenannte „small is beautiful“-These spricht (Kelleher und Lowery2009).

4.3 Robustheitstests und weiterführende Analysen

Um die Robustheit der Modelle zu prüfen, wurden alternative Modelle geschätzt, dieanstatt auf die Dichotomie linke versus bürgerliche Parteien auf den Gegensatz zwi-schen den beiden Volksparteien (CDU/CSU und SPD) und den kleineren Parteienabzielen (nicht tabelliert). Auch hier könnte man annehmen, dass Vertreter kleinererParteien eine positivere Einstellung zu Bürgerbeteiligung aufweisen, um sich alsbürgernah zu präsentieren und die großen Parteien herauszufordern. Hinzu kommt,dass unter Umständen weniger Befürchtungen im Hinblick auf Machtverlust vorherr-schen. Diese alternativen Modelle zeigen, dass die Ratsleute der kleineren Parteientatsächlich eine positivere Einstellung zu direktdemokratischer als auch deliberati-ver Bürgerbeteiligung aufweisen. Für erstere zeigt sich ferner schon die in Tab. 2beobachtete positive signifikante Interaktion mit der Variable „relative Mehrheit“.Das heißt, auch Kommunalpolitiker von Kleinparteien, die in ihrer Gemeinde dieMehrheit stellen, sind direkter Demokratie gegenüber nochmals positiver eingestellt,anstatt sich in einer solchen Machtposition von ihr zu distanzieren.

Ferner gilt für sämtliche Modelle, dass zwar die Achsenabschnitte über die 27 Ge-meinden variieren können (random intercepts), die Koeffizienten auf Individualebe-ne jedoch nicht. Diese Annahme wurde durch die Hinzugabe sogenannter randomslopes zu den Modellen DD3 und DB3 überprüft. Hierbei kristallisierte sich keinesder theoretisch relevanten Politikermerkmale als zwischen den Gemeinden variabelheraus (ebenfalls nicht tabelliert).

5 Zusammenfassung und Ausblick

Bürgerbeteiligung ist seit geraumer Zeit wieder ein Modethema, und zwar sowohlin Wissenschaft als auch in öffentlichen und politischen Diskursen. Die Forschungkommt dabei zu dem Schluss, dass die Bürger diesem Trend gegenüber positiv ge-stimmt sind. Befunde bezüglich der Einstellung von Kommunalpolitikern – die sich

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332 N. Kersting, S. H. Schneider

in der Regel mit der Ein- und Durchführung von Beteiligungsverfahren befassenmüssen – zu diesem Themenkomplex einschließlich entsprechender Erklärungsmo-delle sind jedoch bisher Mangelware.

Dieser Beitrag möchte diese Lücke verkleinern. Es wird deshalb argumentiert,dass die Einstellungen zum einen von der Parteizughörigkeit, zum anderen aber auchvon den Machtverhältnissen im Gemeinderat abhängen. Die Grundidee ist dabei,dass sie vom durch Bürgerbeteiligung zu erwartenden Nutzen beeinflusst werden.Die etablierten politischen Autoritäten dürften als vote und office seeker (Strøm undMüller 1999) positivere Einstellungen aufweisen, wenn durch Bürgerbeteiligung einMehrwert für sie selbst bzw. ihre Partei oder die etablierten politischen Institutionenzu erwarten ist. Zu unterschieden ist dabei jedoch zwischen rechtlich verbindlicherdirekter Demokratie und deliberativer Bürgerbeteiligung, deren Resultate gegebe-nenfalls auch ignoriert werden können.

Die Ergebnisse der empirischen Analysen lassen sich wie folgt zusammenfas-sen: Deskriptiv ergibt sich, dass die befragten Kommunalpolitiker eine neutrale bisleicht positive Einstellung zu direkter Demokratie und eine positive Einstellung zudeliberativer Bürgerbeteiligung aufweisen. Dies sollte nicht verwundern, da letztereaufgrund der Unverbindlichkeit kaum die eigenen Handlungsspielräume einschränkt.Zugleich zeigt sich jedoch beträchtliche Streuung zwischen und innerhalb der Ge-meinden. 3,4% bzw. 4% der Varianz in den Einstellungen sind dabei auf die Ge-meindeebene zurückzuführen. Dieser Befund entspricht ähnlich gestalteten Studienzu Einstellungen und Verhaltensweisen von Bürgern (Van Deth und Tausendpfund2013, S. 445).

Die Überprüfung der Hypothesen zeigt im Anschluss, dass die Kommunalpoliti-ker linker Parteien (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) sowohl direktdemo-kratische als auch deliberative Beteiligung positiver bewerten als ihre bürgerlichenAmtskollegen (CDU/CSU, FDP). Dies deckt sich mit analogen Unterschieden inBezug auf Demokratiekonzeptionen (Heinelt 2013) und Policy-Präferenzen (Krappund Egner 2013). Die Zugehörigkeit zur relativen Mehrheit im Gemeinderat gehtbei separater Analyse mit einer negativeren Einstellung zu beiden Bereichen derBürgerbeteiligung einher. Dies spricht zunächst für eine strategische Positionierunggegenüber Bürgerbeteiligung. Allerdings verschwindet dieser Zusammenhang, so-bald die Parteizugehörigkeit kontrolliert wird. Schließlich zeigt sich eine signifikanteInteraktion zwischen Parteiblock und Zugehörigkeit zur Ratsmehrheit: Linke Rats-leute sind in einer Mehrheitssituation nochmals positiver zur direkten Demokratieeingestellt. Dies spricht gegen eine strategische Abwägung aus Parteikalkül. Fürdeliberative Beteiligung ist hingegen keine Interaktion feststellbar.

Für die Hypothesen zur Wirkung politischer Gemeindemerkmale lässt sich indeskeine Evidenz in den Daten finden. Dies dürfte nicht zuletzt auf die relativ geringeVarianz auf Gemeindeebene zurückzuführen sein. Lediglich für die Gemeindegrößelassen sich für beide abhängigen Variablen signifikante, negative Koeffizienten fest-stellen, das heißt, mit steigender Bevölkerungszahl fällt die Einstellung zu beidenBeteiligungsbereichen negativer aus. Ad-hoc können hierfür größere Professionali-sierung des Politikbetriebs und unter Umständen Vorbehalte gegenüber den Fähig-keiten der Bürger eine mögliche Erklärung bieten. Darüber hinaus zeigt sich, dass inden neuen Bundesländern eine positivere Einstellung gegenüber direkter Demokratie

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 333

vorherrscht (p < 0,10), nicht jedoch im Hinblick auf deliberative Beteiligung. Diesist kongruent mit Befunden zu Unterschieden in politischer bzw. demokratischerKultur in beiden Landesteilen (z. B. Bogumil und Holtkamp 2016; Westle 2015).

Allerdings seien an dieser Stelle einige Einschränkungen erwähnt: Erstens verfügtder verwendete Datensatz insgesamt über nur wenige politische bzw. keine amts-bezogenen Informationen zu den Befragten. So fehlen beispielsweise Variablen zurÜbernahme exponierterer Positionen in der Kommunalpolitik, wie z. B. Partei- undFraktions- oder Ratsvorsitz. Es ist denkbar, dass diese aufgrund ihrer Stellung, diesicherlich auch mit einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung verbunden ist, einengrößeren Nutzen in der Befürwortung von Bürgerbeteiligung sehen, etwa um sichund ihre Partei als besonders bürgerfreundlich zu präsentieren (Askim und Hans-sen 2008, S. 390). Anderseits könnten sie als Führungspersonal aus Gründen derEntscheidungsfähigkeit einer Beeinflussung durch die Bürger eher abgeneigt sein(dazu z. B. Wehling 2010, S. 354 f.). Zweitens könnte auch die politische Erfah-rung relevant sein. Während sich Neulinge für eine Reform des Politikbetriebs starkmachen, könnten ältere Ratsmitglieder eher auf eine Art „Besitzstandswahrung“ ab-zielen. Umgekehrt könnten wiederum jüngere Ratsleute aufgrund von politischemGestaltungtrieb und Karriereambitionen Bürgerbeteiligung skeptischer sehen. Auchdie Dauer der Gremienaktivität ist in den Daten nicht verfügbar. Drittens schließlichdürfte auch der Repräsentationsstil eines Ratsmitglieds entscheidend sein (Swee-ting und Copus 2013). Während Delegates Bürgerbeteiligung positiv sehen, sindParteisoldaten eher kritisch. Ratsleute vom Typ Trustee dürften sich zwischen denbeiden erstgenannten Stilen positionieren und Bürgerbeteiligung ambivalent beur-teilen.

Hier bietet sich ein Anknüpfungspunkt für künftige Forschung, schließlich zeigenvorliegende Beiträge, wie an anderer Stelle bereits hervorgehoben, dass der Erfolgvon Beteiligungsverfahren beträchtlich vom Engagement der sie durchführenden In-stitutionen und Akteure abhängt. Eine interessante und vor allem auch praktischrelevante Frage ist deshalb, ob die ideologische bzw. parteipolitische Färbung vonGemeinderat und Verwaltungsspitze einen Einfluss auf die Durchführung und denErfolg solcher Verfahren hat (zu möglichen Evaluationskriterien siehe z. B. Geißel2008, Kersting 2008; für das Beispiel Bürgerhaushalt Busse und Schneider 2015).Es scheint plausibel, dass sich konservative politische Akteure schwerer mit den Be-teiligungsansprüchen der Bürger tun als jene des linken Parteienspektrums, sich demgegenwärtigen Trend zugleich nicht gänzlich widersetzen können. Womöglich liegthier ein Schlüssel zur Erklärung des Scheiterns zahlreicher Beteiligungsambitionen.

Ausgangspunkt zur Untersuchung solcher Fragestellungen könnte deshalb einForschungsdesign darstellen, das erstens eine deutlich höhere Zahl an Kommunenals die „üblichen 30“ vieler Mehrebenenstudien in den Fokus nimmt, um Unter-schiede in den institutionellen Bedingungen (Gemeindeordnungen) und der demo-kratischen Praxis zwischen den Bundesländern stärker zu berücksichtigen (Bogumilund Holtkamp 2013, Kap. 5; Holtkamp 2008) und die Möglichkeiten der Mehrebe-nenanalysen besser auszuschöpfen (Stegmueller 2013); das zweitens eine größereAnzahl an Kommunalpolitikern befragt, um auch Unterschiede zwischen den Par-teien detaillierter herausarbeiten zu können; das drittens persönliche und politischeMerkmale kommunalpolitischer Eliten erhebt (z. B. Mandatszeit, Übernahme ex-

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ponierter Positionen, Repräsentationsstil); und das viertens auch den politischenKontext genauer abbildet. Zu letzterem gehört vor allem eine detaillierte Ermittlungvon parteipolitischen Kooperationen – die oftmals flexibler als auf Bundes- undLandesebene ausfallen – und Kohabitationskonstellationen in der Kommune (z. B.Debus und Gross 2015; Egner 2007, S. 110 f.; Gross 2014, 2016), um so macht-und parteipolitisches Kalkül besser erfassen zu können. Innerhalb dieses Designsbieten sich dann Optionen, mittels qualitativer Methoden (Experteninterviews, teil-nehmende Beobachtungen) und gezielter Fallauswahl auch systematisch Auswir-kungen der parteipolitischen Konstellationen auf konkrete Beteiligungsverfahren zuuntersuchen.

Danksagung Wir bedanken uns bei den beiden anonymen Gutachtern sowie bei Bernd Schlipphak und denTeilnehmern der Klausurtagung des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Münster im Juni 2016in Freckenhorst für wertvolle Kommentare und Verbesserungsvorschläge zu diesem Beitrag. BesondererDank gilt der Bertelsmann Stiftung, Staatsrätin Gisela Erler und den Koautoren der Studie Partizipati-on im Wandel. Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden, im Besonderen OscarW. Gabriel und Brigitte Geißel, für die Realisierung des Projekts und die Bereitstellung der Umfragedaten.

Interessenkonflikt Es liegen keine Interessenkonflikte vor. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Nor-bert Kersting in die Entwicklung des Forschungsdesigns der in diesem Beitrag verwendeten Befragunginvolviert war.

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Neue Machtansprüche in der Kommunalpolitik: Die Einstellungen von Ratsmitgliedern zu... 335

Appendix

Tab. 5 Datenbeschreibung und deskriptive Statistiken unabhängige Variablen

Variable Bedeutung/Quelle/Fragewortlaut Stat. Kennzahlen

Linke Partei Befragung Bertelsmann Stiftung; „Viele Leute in derBundesrepublik neigen längere Zeit einer bestimm-ten politischen Partei zu, obwohl sie auch ab undzu eine andere Partei wählen. Wie ist es bei Ihnen?Neigen Sie einer bestimmten Partei zu? Und fallsja, welcher?“ [Falls SPD, Die Grünen, Die Linkegenannt wurde, Dummy-Variable = 1; andernfalls =0]

Bürgerliche Partei41,3%Linke Partei 58,7%

Relative Mehrheit Eigene Berechnung (Vgl. Abschn. 3; Daten zu Wahl-ergebnissen von Landeswahlleitern, Webseiten derKommunen usw. entnommen)

Nein 68,3%Ja 31,7%

Akademiker Befragung Bertelsmann Stiftung; „Undwelchen höchsten beruflichen Ausbil-dungsabschluss haben Sie? Was trifftauf Sie zu?“ (Falls Bachelor an (Fach-)Hochschule, Fachhochschul-abschluss (z. B. Di-plom, Master), Universitätsabschluss (z. B. Diplom,Magister, Staatsexamen, Master), Promotion DummyVariable = 1, andernfalls 0)

Nein 32,3%Ja 67,7%

Alter (in Jahren) Befragung Bertelsmann Stiftung; „Die Ergebnissedieser Befragung werden auch für unterschiedlicheAltersgruppen ausgewertet. Würden Sie mir bittesagen, wie alt Sie sind?“

Arith. Mittel 54,0SD 12,2

Geschlecht Befragung Bertelsmann Stiftung; Eigene Codierungdes Interviewers; Männlich = 0, Weiblich = 1

Männlich 69,2%Weiblich 30,8%

Fragmentierung a Eigene Berechnung nach Laakso und Taagepera(1979); Daten zu Wahlergebnissen von Landeswahl-leitern, Webseiten der Kommunen usw. entnommen

Arith. Mittel 3,8SD 1,1

Kohabitation a Eigene Codierung (vgl. Abschn. 3); 0 = Nein, 1 = Ja Nein 81,5%Ja 18,5%

Wahlbeteiligung a Wahlbeteiligung letzte Kommunalwahl in %; Datenzu Wahlergebnissen von Landeswahlleitern, Websei-ten der Kommunen usw. entnommen

Arith. Mittel 49,6SD 8,2

Gemeindegröße a Bevölkerungszahl. Daten für 2013. Wegweiser Kom-mune Bertelsmann Stiftung

Arith. Mit-tel 154.717,7SD 171.736,4

Schulden pro Kopf a In Euro; Daten für 2013. Wegweiser KommuneBertelsmann Stiftung

Arith. Mittel 3111,6SD 5636,2

Ost a Eigene Codierung (0 = West, 1 = Ost) West 77,8%Ost 22,2%

Für die Analysen werden die Variablen auf Individualebene am Gemeindemittel zentriert, die Variablenauf Gemeindeebene Z-standardisiertMit a markierte Variablen sind GemeindemerkmaleSD Standardabweichung

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336 N. Kersting, S. H. Schneider

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