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Natürlich mehr leisten! || Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

Date post: 14-Dec-2016
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177 Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich? 9.1 Die Kraft der Ausrichtung nutzen – 180 9.1.1 Nützen Sie die Kraft des inneren Sinns – 180 9.1.2 Sinnstiftende Visionen ziehen als inneres Bild – 181 9.1.3 Transparenz für jeden Einzelnen sicherstellen – Erwartungshaltungen in Commitment verwandeln – 183 9.1.4 Balance zwischen Vision und Ziel sicherstellen – auf die Qualität des nächsten Schrittes achten – 183 9.2 Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfalten – 185 9.2.1 Die individuellen Erfolgsfaktoren mobilisieren – 185 9.2.2 Das individuelle Potenzial ausschöpfen – die inneren Ressourcen nutzen – 186 9.2.3 Die Schlüsselpositionen stärken – 188 9.3 Die notwendigen Strukturen und Prozesse gestalten – 188 9.3.1 Strukturen sind gerade in unsicheren Zeiten notwendig – 189 9.3.2 Vom Einhalten klarer Verantwortungen und vom Nutzen der Entscheidungsspielräume – 189 9.3.3 Von festen Strukturen zum Flow – vom Kernprozess zur Qualität – 190 9.4 Führung angemessen einsetzen – 191 9.4.1 Das Führungsverständnis zwischen Person, Team und Organisation muss übereinstimmen – 191 9.4.2 Masterplan-Ansatz – 193 9.4.3 Flow-Ansatz – 193 9.4.4 Personenansatz – 194 9 J. Leidenfrost, A. Sachs, Natürlich mehr leisten!, DOI 10.1007/978-3-642-35321-5_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

9.1 Die Kraft der Ausrichtung nutzen – 1809.1.1 Nützen Sie die Kraft des inneren Sinns – 1809.1.2 Sinnstiftende Visionen ziehen als inneres Bild – 1819.1.3 Transparenz für jeden Einzelnen sicherstellen – Erwartungshaltungen

in Commitment verwandeln – 1839.1.4 Balance zwischen Vision und Ziel sicherstellen – auf die Qualität des

nächsten Schrittes achten – 183

9.2 Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfalten – 185

9.2.1 Die individuellen Erfolgsfaktoren mobilisieren – 1859.2.2 Das individuelle Potenzial ausschöpfen – die inneren Ressourcen

nutzen – 1869.2.3 Die Schlüsselpositionen stärken – 188

9.3 Die notwendigen Strukturen und Prozesse gestalten – 1889.3.1 Strukturen sind gerade in unsicheren Zeiten notwendig – 1899.3.2 Vom Einhalten klarer Verantwortungen und vom Nutzen der

Entscheidungsspielräume – 1899.3.3 Von festen Strukturen zum Flow – vom Kernprozess zur Qualität – 190

9.4 Führung angemessen einsetzen – 1919.4.1 Das Führungsverständnis zwischen Person, Team und Organisation

muss übereinstimmen – 1919.4.2 Masterplan-Ansatz – 1939.4.3 Flow-Ansatz – 1939.4.4 Personenansatz – 194

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J. Leidenfrost, A. Sachs, Natürlich mehr leisten!, DOI 10.1007/978-3-642-35321-5_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

9.5 Das Umfeld gewinnen – als Team stabil sein – 1979.5.1 Rahmenbedingungen für Topleistungen sicherstellen – 1979.5.2 Werte als Stabilität nutzen – 198

9.6 Spitzenleistung im Flow – der Teamgeist – 1999.6.1 Geeignetes Leistungsklima schaffen – 200

9.7 Erfolge von morgen sichern – 2029.7.1 Erfolg ist die Basis für zukünftige Erfolge – 2039.7.2 Erfolg baut auf vergangenen Erfolgen auf – 204

179 9Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

In diesem Kapitel laden wir Sie zu einem zusammenfassenden Über-blick zu den Erfolgsfaktoren ein, die Sportteams kurzfristig stark und langfristig stärker machen. Nun sind Analogien aus dem Sport selten »eins zu eins« ins Wirtschaftsumfeld zu transferieren, denn jede Leis-tung ist das Zusammenspiel von verschiedenen Erfolgsfaktoren. Ge-rade die Interaktion zwischen Aufgabe, Team und Kontext beinhaltet viele Variationsmöglichkeiten. Am ehesten bestehen Vergleichsmög-lichkeiten mit Organisationseinheiten und -kulturen, die stark von Erfolgs- und Zielorientierung geprägt sind. Dort, wo Individuali-tät, Erfolg, Effektivität und Profitabilität besonders belohnt werden, knüpft die Leistungslogik des Sports besonders gut an. Mitunter wird eine Leistungsorientierung missverstanden und ein bloßes Funktio-nieren ist gefragt, koste es, was es wolle. Dann erreicht diese Art des Wirtschaftens ihre Grenzen, denn der Wettbewerb wird auf Kosten von Vitalität und langfristigen Entwicklungschancen ausgetragen. Gleichgewichte gehen verloren und für die Einseitigkeit der Werte, bezogen auf kurzfristige Zielorientierung und Gewinnmaximierung, zahlen alle ihren Preis. Sind die Grundlagen gesunder Leistung und gemeinschaftlicher Erfolgsorientierung auch in Teams erst einmal bewusst, dann bestehen umfangreiche Möglichkeiten, die Leistungs-fähigkeit optimal zu balancieren und sie damit auch langfristig positiv zu beeinflussen. Ziel ist dabei, die Leistungsmöglichkeiten zu erhöhen und langfristig mehr Energie und Umsetzungskraft zu haben.

In jedem bestehenden Team existieren alle der nachfolgend aufge-führten Erfolgsfaktoren auf ihre eigene Art und Weise. Manche Teams »leben« z. B. von der Kraft ihrer Ausrichtung und andere wiederum von den bestmöglichen Teammitgliedern und deren Stärken. Das heißt, jedes Team hat seinen eigenen Pluspunkt und es ist eher selten, dass alle Erfolgsfaktoren gleichzeitig auf höchstem Niveau ausgeprägt sind. Dennoch ist es, so wie bei jedem einzelnen Sportler oder jeder Führungskraft auch, von Zeit zu Zeit hilfreich, alle Faktoren in den Blick zu nehmen und auf deren Zusammenspiel hin zu überprüfen. Sobald wir die Aufmerksamkeit wieder auf das große Ganze lenken, bestehen gute Chancen, dann sich auch bisher eher vernachlässigte Aspekte des Teams entwickeln und zu neuen Stärken werden. In der nachfolgenden Übersicht zu den einzelnen Erfolgsfaktoren finden Sie bereits einige Fragen, die einladen, um die eigene Perspektive als Teamleader oder auch als Teammitglied zu erweitern. Wenn Sie die Fragen bereits spannend finden, lohnt es sich, diesen Erfolgsfaktor in unseren kurzen nachfolgenden Kapiteln zu vertiefen. Ansonsten schauen Sie vielleicht auf Ihr Zusammenspiel im Team und nutzen dazu gerne auch die Anregungen aus unseren Trainingsplänen.1. Die Kraft der Ausrichtung nutzen: Wie energetisiert die Kombi-

nation aus langfristiger Vision und kurzfristiger Zielsetzung das Team zu neuen Leistungen? Wie attraktiv sind die Zukunftsvor-stellungen über das Team?

180 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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2. Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfal-ten: Wer bringt die besten Kompetenzen für diese Aufgaben ein? Wer teilt ähnliche Werte, Motivation und Engagement?

3. Die notwendigen Strukturen und Prozesse gestalten: Welche inneren Strukturen (Rollen, Verantwortungen, Aufgaben) und welche Kernprozesse für Entscheidungen und Lösungsfindungen dienen der Zielerreichung? Wie werden Strukturen für langfris-tige Höchstleistungen angelegt?

4. Führung angemessen einsetzen: »Wenn’s läuft, dann läuft’s«, wer kennt es nicht, dieses Motto. In Zeiten von Flow und Höchstleistung agieren Sportteams hoch autonom; dann braucht es Führung eher für das Aufrechterhalten bester Rahmenbedin-gungen. Wie trägt Führung jedoch speziell in schwierigen Zeiten zum Teamerfolg bei?

5. Das Umfeld gewinnen – als Team stabil sein: Wie schafft man es, das Umfeld für sich zu gewinnen und beste Rahmenbedin-gungen zu ermöglichen? Fans? Sponsoren? Etc.

6. Spitzenleistung im Flow – der Teamgeist: Wie entwickelt sich eine Art Mentalgeist, der alle verbindet? Welche Haltung ermög-licht Flow und Höchstleistung? Wie können die Teamentwick-lung oder ein vertrauensvoller und wertschätzender Umgang miteinander gefördert und damit die Basis für eine andere Ebene des Zusammenspiels gelegt werden?

7. Die Erfolge von morgen sichern: Wie gelingt das Wechselspiel zwischen konkreten Aufgaben heute und der Weiterentwicklung im Wettbewerb von morgen? Wie können Erfolge von heute die Erfolge von morgen sicherstellen? Was trägt zu einer solch zu-versichtlichen Verfassung bei und gibt Kraft für neue Taten?

9.1 Die Kraft der Ausrichtung nutzen

9.1.1 Nützen Sie die Kraft des inneren Sinns

Die Kraft der Ausrichtung besteht im Wesentlichen aus der Kombi-nation aus langfristiger Vision und kurzfristiger Zielsetzung. So wird Energie produziert und gelenkt. Es entsteht eine Zugkraft, die im bes-ten Falle attraktiv ist, so dass Herausforderungen angegangen und Energien für immer neue Schritte in Richtung Erfüllung mobilisiert werden. Dabei ist es notwendig, abwechselnd sowohl die langfristige Perspektive – aus der Vogelperspektive und in der Vision – als auch die kurzfristige Perspektive –als realistische Zielsetzung –, zu berück-sichtigen.Hierbei unterscheiden sich die Hintergründe und Details zu Vision und Zielrichtung im Team nicht von denen eines Individuums (7 Kap. 2 und dazugehörige Trainingspläne). Die Herausforderungen im Team bestehen jedoch darin, geteilte Bilder zu finden und damit auch gemeinsam von der Kraft einer Ausrichtung zu profitieren. Al-lein der Austausch über eine attraktive Zukunft, das Aufspüren von

181 99.1 • Die Kraft der Ausrichtung nutzen

Verbindendem und das Finden einer geteilten Haltung für das weitere Vorgehen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Diese – im wahrs-ten Sinne des Wortes – Aushandlungsprozesse in Teams brauchen Zeit und sind doch gleichzeitig lohnenswert, weil eine geteilte Aus-richtung stabilisierend wirkt: nach innen, weil sich die Gruppendy-namik zieldienlich ausrichten kann, und nach außen, weil sie eine klare Positionierung, Sichtbarkeit und auch Wertschätzung des Teams ermöglichen. Die Vision des Teams erhält dann Stärke, wenn sie an die Vision der Organisation bzw. des jeweiligen Kontextes anknüpft. Dazu dienen Fragen wie: Unterstützt die Teamvision z. B. den Sinn und Zweck der gesamten Organisation und trägt zu diesem bei? Be-flügelt die Vision auch übergeordnete Führungskräfte in ihrem Han-deln? Leistet das Team mit seiner Vision mehr »Beitrag« für das große Ganze. Schauen wir uns ein paar Besonderheiten zur Ausrichtung in Teams in den nachfolgenden Abschnitten an.

9.1.2 Sinnstiftende Visionen ziehen als inneres Bild

Während es als Einzelperson noch einfacher ist, eine Vision zu haben und diese erfolgreich umzusetzen, bedarf es im Team oder gar in Organisationen viel intensivere Prozesse und Auseinandersetzungen, um an das Gleiche zu glauben.

Ein moderner Ansatz von Sinek (2011) besteht darin, dies als WHY (»Warum/Wofür«) zu bezeichnen. Im Gegensatz zu WHAT (»Was«) und HOW (»Wie«) knüpft diese Perspektive einer Vision an den Vorerfahrungen der Beteiligten an und fokussiert auf die in-neren Bewertungen und Bedeutungen, die Menschen einer Sache beimessen. Das heißt, man gewinnt eine tiefere Einsicht darüber, warum Menschen etwas gemeinsam umsetzen wollen oder wofür die Produkte am Markt dienen sollen. Die persönliche, innere Bedeu-tungsgebung wiederum ist vergleichbar mit dem Wert, dem jemand einer Sache zuschreibt. Ist etwas hoch bedeutungsvoll für einen Men-schen, weil man damit z. B. Teammitglied für eine bahnbrechende Revolutionierung des Computermarktes und einer gesamten Le-bensphilosophie auf diesem Planeten ist (vgl. Apple), so wird daraus eine andere emotionale Energie mobilisiert, als wenn jemand Teil eines Teams ist, weil es sein »Job« ist. Wenn es um Höchstleistungen geht, dann geht das nur, wenn die Vision sinnstiftend und emotional bedeutsam für alle Beteiligten ist. Der verbindende Charakter einer Teamvision erwächst also aus dem geteilten WHY aller Beteiligten. Je größer die Schnittmenge dessen ist, was alle Beteiligten mit der Er-füllung dieser Vision verbinden, desto stärker dient die Vision dem Zusammenhalt, weil, auf Sportlerdeutsch gesagt, »alle dafür bren-nen«. Hilfreiche Fragen hierzu sind: Welche Werte werden geteilt? Welchen Sinn macht die Vision für die Beteiligten? Woran »glauben« alle? Welche innere Bedeutung wird dem Erfüllen der Vision bei-gemessen?

sinnstiftende Visionen bewegen

182 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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2006: Fußballweltmeisterschaft in DeutschlandBasis des WM-Erfolges der deutschen Mannschaft war eine geteilte Vi-sion, ausgehend von der Führungsmannschaft, mit gelebten inneren Werten (junges, dynamisches Fairplay mit neuen Methoden) und einer ambitionierten Zielsetzung (nämlich Weltmeister zu werden). Diese Vi-sion motivierte, ja begeisterte und zündete dadurch den Turbo. Klins-mann hat das deutsche Spielsystem modernisiert. Statt langatmig in die Breite, wurde ambitioniert nach vorne gespielt und damit die Fans begeistert. Klinsmann hatte neue Methoden im Trainings- und Mental-bereich eingeführt, welche die bestehenden Praktiken auf den Kopf stellten und natürlich hatte er sich zu Beginn damit nicht nur Freunde geschaffen. Später wurde der 3.  Platz, früher eine Enttäuschung, en-thusiastisch gefeiert. Denn es wurde nicht nur das WAS, sondern auch das WIE wertgeschätzt. Nicht nur das Ergebnis zählte, auch die begeis-ternde Art, wie es geschaffen wurde, ließ den Funken überspringen. Die langfristige Vision wurde in kurzfristige Ziele umgelegt und selbst eine Niederlage in der Vorbereitung hatte nicht die Bedeutung, denn es ging um das Endziel: eine neue, junge Mannschaft, die für etwas brennt und die eine bestimmte Haltung ausstrahlt. Das neue System vereinte die Kraft der Mannschaft zu einer geschlossenen Einheit, die sich durch nichts vom Wege abbringen ließ. Später stellte sich heraus, dass diese Haltung nicht vom gesamten Fußballverband getragen wurde und die Ausrichtung musste unter Jogi Löw erst neu errungen werden.

Derzeit wird auch im deutschen Fußball wieder um eine neue Aus-richtung gerungen. Die Vision vom jungen, dynamischen Fairplay mit viel Freude am Spiel soll bestehen bleiben, doch die Zielsetzungen werden überprüft. Teilen alle die Zielsetzung Weltmeister? Ist diese in so kurzer Zeit zu erreichen oder wird daraus ein neuer Teil der Vision? Alle diese Fragen werden an Jogi Löw zurzeit herangetragen und es wird sich zeigen, wie die Weiterentwicklung dieser Teamausrichtung aussieht.

Dabei ist es für Teammitglieder oft gar nicht so einfach zu beantwor-ten, warum man sich von eben dieser Vision angezogen fühlt und was man selbst damit verknüpft. Erfolgreiche Führungskräfte arbeiten da-her gerne mit Bildern statt mit Definitionen. Sie nehmen sich Zeit, zunächst die inneren Bilder der Teammitglieder zu erkunden, indem sie z. B. die Einzelnen befragen: Wie seht Ihr Euch selbst, wenn uns die Erfüllung der Vision gelungen ist. Wie seht Ihr dann das Team? Was wird dann für Dich persönlich ebenso wie für unsere Resultate, Prozesse, Strukturen, den Mehrwert den wir schaffen, das Miteinan-der, das wir leben, anders sein? Meist ist das sogar ein sehr freudiger und hoch interessanter Prozess im Team, wenn wirklich sinnbildlich gearbeitet wird und Bilder, Skulpturen, Bewegungen, ein Motto etc. dazu gefunden werden. Wenn es gelingt, geteilte Bilder zu finden, steigt ganz automatisch die Energie und die Stimmung im Team und jedem ist sofort klar: das ist es! Wenn es hier so zugeht, dann bin ich

183 99.1 • Die Kraft der Ausrichtung nutzen

gerne Teil des Ganzen! Für alle Beteiligten wird in solchen Momenten klar und sichtbar, dass dies gerade Erlebte automatisch verbindet und das weitere Zusammenwirken beflügelt. Die spürbare »Belebung« des Teams spiegelt wider, wie stark das Team durch die Vision auch zu-künftig belebt wird. Vielleicht wird diesem dann sogar Ausdruck ver-liehen, indem ein Motto, ein Song, ein Ritual, ein Teamtanz oder ein Erinnerungsanker verschiedenster Art kreiert werden und im Alltag dann verfügbar ist.

9.1.3 Transparenz für jeden Einzelnen sicherstellen – Erwartungshaltungen in Commitment verwandeln

Um die Zugkraft einer inspirierenden Vision, mit Vorstellungen und Werten sozusagen bis auf die Handlungsebene spürbar werden zu lassen, muss relativ schnell klar sein, worin der Beitrag der Anteil der einzelnen Mitarbeiter besteht. Je früher Transparenz und Klarheit für jeden Job sichergestellt wird, desto eher kann zielgerichtet vorgegan-gen werden. Im Anschluss an das eher sinnbildliche »Beleben« einer Vision ist es daher besonders für organisationale Kontexte hilfreich, konkrete Beschreibungen und Operationalisierungen abzuleiten bzw. das Ganze auf Zielebene und für die einzelnen Verantwortungsberei-che zu konkretisieren. Dazu ist es notwendig, diesem Vorstellungs- und Akzeptanzprozess im Team immer wieder die notwendige Zeit einzuräumen. Sonst wird die Vision auf die lange Bank geschoben und kann keine Kraft entwickeln. Leider wird dieser Andockpro-zess meist unterschätzt und erfährt nicht die notwendige Beachtung bzgl. der zur Verfügung gestellten Zeit, Aufmerksamkeit und Budget. Hochglanzbroschuren und Plakate alleine bzw. ein 30-minütiger Vor-trag wecken eben noch keine Emotionen. Da es um die Anknüpfung der persönlichen Werte und Sinngebungen an die des Teams geht, braucht es Phasen und Prozesse der Auseinandersetzung. Gerade hier ist Führung gefragt, denn auch hier entscheidet sich meist recht schnell, ob jemand die Visionen und Zielsetzungen teilt und ob die eigenen Beiträge das Team voranbringen. Personalentscheidungen werden nicht selten nach diesen Phasen revidiert oder angepasst, weil das gemeinsame WHY eben nicht stimmte.

9.1.4 Balance zwischen Vision und Ziel sicherstellen – auf die Qualität des nächsten Schrittes achten

Jedes Team, jeder Mitarbeiter benötigt sowohl die kurzfristige Energie von Zielen, als auch die mittel- und langfristige Kraft der Zugehö-rigkeit und Sinngebung. Dabei sind kurzfristige Ziele wichtig, um das eigene Handeln immer wieder direkt überprüfen zu können und

Transparenz führt zum Ziel

mit kurzfristigen Zielen zum Endziel

184 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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strukturiert vorzugehen. Die 5.000 km quer durch Amerika werden in 53 Zeitstationen runtergebrochen und geben damit Orientierung und Energie. Verkaufswettbewerbe, die am Ende des Jahres abge-rechnet werden, sind sinnlos, wenn man nicht ein laufendes Update bekommt und vielleicht auch »Zwischensprints« veranstaltet. So be-steht z. B. die Kunst, Jahresziele durch Verkaufswettbewerbe sicher-zustellen, in der richtigen Balance und in gezielt gesetzten Schwer-punkten, die abwechselnd die profitabelsten und umsatzträchtigsten Produkte in den Fokus der Aufmerksamkeit der Verkäufer rücken. Reine Gesamtziele ohne Zwischenschwerpunkte ermöglichen keine Fokussierung und sind meist weniger effektiv. Das bringt das Salz in die Suppe. Kaum ein Radrennen, das nicht einen Bergkönig feiert, einen Zwischensprint veranstaltet. Allerdings braucht es Zeit, um den Gesamtkurs wieder in den Blick zu nehmen. Stimmt die Ausrichtung entlang der geteilten Werte und Haltungen noch oder werden wir durch eine kurzfristige Aktion nach der anderen geführt bzw. gar ver-führt? Die Qualität des nächsten Schrittes wird stets aufs Neue durch die Vision bestimmt.

? Transferfragen: Welche Ausrichtung, welche Vision zieht sie als Team in Ihrem Arbeitsumfeld? Was sind die konkreten Bilder, die dem Team Zugkraft verleihen? Was ist die gemeinsame Schnitt-menge, die Sie persönlich damit verbindet? Was ist die gemein-same Schnittstelle des gesamten Teams? Wie können Sie das gemeinsame WHY zusammenfassen? Was sind die gemeinsamen Werte?

Worauf wird bei Ihnen hingearbeitet? Welche Ziele haben Sie definiert? Wie gut sind diese verankert? Was sind Ihre Zwischen-ziele? Mit welcher »Spielweise« wird deshalb vorgegangen?

In unseren Trainingsplänen zur Grundausrichtung (7 Kap. 2) finden Sie gezielte Hinweise zum Aufspüren von Visionen. Wenden Sie diese Fragen und Zugänge gerne auch auf Ihr Team an (7 Kap. 2, Trainings-plane »Ihre Vision erforschen – Ziel- und Handlungsorientierung stärken« und »Durch Visionen Umsetzungsenergie mobilisieren«). Erhalten Sie Einblick in die geteilten Werte des Teams und zeichnen Sie darüber hinaus beispielsweise einen Teamkompass um sich das gemeinsame WHY zu verbildlichen (7 Kap. 2, Trainingsplane »Meine Wertehierarchie« und »Mein Ausrichtungskompass«). Zum Navigie-ren und Stärken Ihrer Teamausrichtung eignet sich der Trainingsplan »Das Energiepotenzial der eigenen Vision erhöhen«.

Bei Bedarf holen Sie sich dazu beraterische Unterstützung, das gibt Ihnen als Führungskraft die Chance, sich inhaltlich zu beteiligen und den Erarbeitungsprozess vertrauensvoll in sicheren Händen zu wissen.

Wenn die Grundausrichtung steht und es um die konkrete Ge-staltung der Umsetzung geht, dann lohnt sich eine Orientierung an konkreten Zielen und Zwischenzielen (7 Kap. 5, Trainingspläne: »Sich fokussieren und verschiedene Zielarten beschreiben«, »Die mentale

185 99.2 • Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfalten

Verstärkungskraft von Zielen bewusst nutzen«, »Ziel visualisieren und Ziel verankern«).

Übungen dazu finden Sie in unseren Trainingsplänen unter http://extras.springer.com oder http://www.soom.eu/natuerlich-mehr-leisten/trainingsplaene.

9.2 Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfalten

9.2.1 Die individuellen Erfolgsfaktoren mobilisieren

Will ein Team etwas Besonderes erreichen oder eine spezielle Phi-losophie verwirklichen, kommt es auf Basis der gemeinsamen Aus-richtung vor allem auf die Fähigkeiten der Einzelnen an, die in der Ergänzung eine Mannschaftsleistung möglich machen. Dabei geht es vor allem um die Kernkompetenzen, die Menschen mitbringen und weniger um Spezialwissen bzw. einzigartige Expertisen, denn die kann man im Zweifelsfall zukaufen. Kernkompetenzen sind ein Kompetenzbündel, in das vor allem die wissensunabhängigen Meta-kompetenzen einfließen und das Menschen in ihrer Art und Weise, mit Herausforderungen umzugehen, unterscheidet (Hüther u. Dohne 2010; 7 Abschn. 3.1):

Im Zusammenspiel all dieser Kompetenzen werden sozusagen die Haltungen, die Menschen bei der Erfüllung von Aufgaben prägen, deutlich. Das heißt bei der Auswahl der passenden Besetzungen für ein Team ist es weniger entscheidend, WAS jemand als Hintergrund mitbringt, sondern vor allem WIE jemand zu seinen Ergebnissen kommt.

Im Fußball reicht es z. B. nicht mehr aus, »nur« Stürmer zu sein und Pässe ins Tor zu verwandeln. Denn der Aufgabenbereich des Stürmers beginnt schon, wenn die Verteidigung beim aggressiven Tackling den Gegner in Bedrängnis bringt und dadurch schnelle Gegenstöße ermöglicht. Rollenflexibilität ist angesagt und vor allem die Fähigkeit, das eigene Können jeweils situativ abrufen zu können. Je flexibler jemand mit seinen Handlungsstrategien ist, d. h. mal eher vorsichtig prüfend auf Qualität bedacht oder mal eher risikovoller auf Quantität aus, desto flexibler wird sich jemand auch im Team und vor allem in der Kommunikation mit dem Team bewegen können.

Denn neben der Ausprägung der Kernkompetenzen kommt es auch auf die Fähigkeit der Kommunikation und Interaktion an, so dass ein Gefühl »menschlicher Passung« entsteht. Im Teamzusam-menspiel wiederum wird dies als Respekt und Anerkennung des an-deren, als Zugehörigkeit und Vertrauen sichtbar. Vor allem Hoch-leistungsteams, die in komplexen Situationen agieren (wie z. B. eine Fußballmannschaft), leben sozusagen von der stimmigen Interaktion und dem nahezu »blinden« Verständnis, das letztlich zu hohem Ver-trauen führt.

Als Datei zum Download: http://extras.springer.de oder http://

www.soom.eu/natuerlich-mehr-leisten/trainingsplaene

Kompetenzen und Haltung

Rollenflexibilität

186 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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9.2.2 Das individuelle Potenzial ausschöpfen – die inneren Ressourcen nutzen

Wenn also eine neue Teamzusammensetzung möglich ist, dann macht es Sinn, auf jene Personen aufmerksam zu sein, die zum einen die gleichen Werte teilen und der Aufgabe eine ähnliche Bedeutung zuschreiben und die zum anderen in ihrer Haltung und der Art und Weise der Aufgabenerfüllung flexibel sind. So kann z.  B. je-mand mit einem hohen Lernvermögen, viel Engagement und enger Andockung an ein Teamziel geeigneter sein als jemand, der zwar die nötige Fachexpertise mitbringt, doch nur in einer einzigen Art und Weise zum Ziel kommt und damit immer ähnliche Rahmen-bedingungen braucht, um erfolgreich zu sein. Das geht nur dann gut, wenn sich die Mannschaft sozusagen um einen »Star« herum organisiert.

Umgekehrt finden die besten »Spieler« nur zu ihrem Spiel, wenn ihre Kompetenz durch eine ähnliche Grundmotivation und hohe Flexibilität der Anderen aufgegriffen und weiterentwickelt wird. Ent-scheidend ist immer wieder das geteilte WHY, das sich im direkten Handeln ausdrückt. Denn ein A-Klasse-Spieler wird z. B. weitere A-Klasse-Spieler anziehen, während ein Hobbyspieler weitere Hobby-spieler anziehen wird.

Positive Konkurrenz beflügelt – auch im FußballJeder will spielen, das ist verständlich. Das geht bis zur Integration der Ersatzbank – in jedem Spiel! Im großen Kader ist jeder einzelne wichtig und muss beim Einsatz sofort hundertprozentig losstarten können. In den unteren Ligen des Fußballs ist dieses gemeinsame Verständnis oft schwieriger. Während ein Teil der Mannschaft ambitioniert spielt, um zu gewinnen, ja vielleicht sogar eine Liga höher zu klettern, spielen andere Mitglieder, falls sie überhaupt zum Training erscheinen, haupt-sächlich der Gemeinschaft wegen und der Freude an einem Hobby-sport, einschließlich des Gläschens Bier nach dem Spiel!

Das heißt, um die individuellen Potenziale wirklich ausschöpfen zu können, braucht es einerseits das Team mit ähnlich motivierten Mitgliedern und damit das Gefühl der Zugehörigkeit, Anerkennung und Wertschätzung. Denn Feedback, was nicht von der Teamleitung, sondern von Teammitgliedern kommt, wird nur dann ernst genom-men, wenn den Anderen auch Kompetenz zugeschrieben wird, d. h., wenn man weiß, dass man in der gleichen »Liga« spielt. Andererseits braucht es für alle einzelnen Aufgaben, an denen sie wachsen können und damit das Gefühl, neugierig und mit Begeisterung immer wieder über sich selbst hinaus zu wachsen. Das heißt, sich autonom und mit Stärkung des Selbstwertes weiterzuentwickeln.

Aus der neurobiologischen Forschung weiß man, dass das Wech-selspiel zwischen Neugier- und Bindungssystem für die Potenzia-lentfaltung entscheidend ist (Hüther 2009). Teams, die eingespielt

Potenziale durch ähnlich motivierte Mitglieder nutzen

187 99.2 • Die bestmöglichen Leute suchen und deren Potenziale entfalten

sind und sich immer weiter entwickeln, bieten in diesem Sinne ihren Mitgliedern beides:

5 Wertschätzung der Autonomie und 5 kreatives Weiterentwickeln eigener Gedanken und Anerken-

nung, wenn diese in den Dienst und zum Wohle des Ganzen gestellt werden, d. h., dem Zusammenspiel und der Bindung förderlich sind.

Was im Sport durch das direkte Feedback in jedem Spiel und die klare messbare Leistung deutlich wird, braucht in anderen Umfeldern ein genaueres Hinschauen, klare Maßstäbe und persönliches Feed-back. Vor allem braucht es ein Verständnis der Kernkompetenzen einer Person und einen besonderen Blick auf die Haltung und Grund-motivation. Nur auf dieser gemeinsam geteilten Grundlage können Führungskräfte und Teams einzelne Personen wirklich zur Entfaltung bringen. Neue Blickwinkel und Instrumente in der Personalauswahl sind hier gefragt

Die Kraft des inneren Antriebs nutzenDer Spruch: »11  Freunde musst ihr sein« ist daher lange überholt. Denn was freundschaftlich verbindet, muss nicht unbedingt einer ge-teilten Vision und dem besten Kompetenzmix entsprechen. Zumal gerade im Sport nach außen hin zwar oft der freundschaftliche As-pekt sichtbar wird (bei Siegen und Niederlagen), doch hinter die-sem gemeinsamen Verständnis steht jede Menge Übung, eingespielte Kommunikation und die Fähigkeit, sich entlang unterschiedlichster Situationen immer wieder neu zu fokussieren und belastbar zu sein, ohne einseitig zu reagieren. Dahinter steht also das Training, was oft zur Freundschaft führt, doch selten der Ausgangspunkt eines erfolg-reichen Teams ist.

Legen Sie sich als Führungskraft oder Teamleader also ruhig die Messlatte hoch an und versammeln Sie die bestmöglichen Leute um sich, um im Miteinander deren Potenzial voll zur Entfaltung zu brin-gen. Voraussetzung ist deren volles Commitment zum gemeinsamen Ziel. Stars und Experten machen noch keine Mannschaft! Die not-wendigen Kompetenzen und menschliche Passung im Team müssen im Einklang sein. Fingerspitzen- und Bauchgefühl sind notwendig, denn es gibt keine Garantie, sondern nur Entwicklungsarbeit. Wie weit können Stars das persönliche Ego zurückstellen und mann-schaftsdienlich agieren, dort, wo sie gebraucht werden und nicht dort, wo sie glänzen können. Sind sie bereit auch auszuhelfen und für andere einzuspringen. Aber Achtung: es muss nicht jedes Team ein interaktives Hochleistungsteam wie ein Fußballteam sein. Manchmal werden die Leistungen auch hintereinander, wie im Tennis Davis-cup, erbracht und das Team ist eine Art Heimathafen. Die richtige Mischung macht’s, je nach Art der zentralen Aufgaben des Teams. Die Bandbreite reicht eben vom interaktiven Hochleistungsteam bis zu Einzelkämpfern, die in Projekten mit anderen Abteilungen agieren

»mannschaftsdienlich« agieren

188 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

9

und eigentlich nur Erfahrungsaustausch und eine Art Rückzugsort für ihr Zugehörigkeitsgefühl benötigen.

9.2.3 Die Schlüsselpositionen stärken

Oft ist es nicht möglich und auch nicht nötig, jedes Mal das Team neu zu besetzen oder Personen auszutauschen. Daher gilt es umso konse-quenter, mit den Schlüsselpositionen zu arbeiten, diese zu definieren und Vertrauen dahin gehend aufzubauen.

? Transferfragen: Welche Kompetenzen brauchen Sie in Ihrem Team, um die Vision zu verwirklichen und die Strategie zu leben? Wer sind Ihre »Schlüsselspieler«? Was kann jeder Einzelne auf seiner Position zum Ziel beitragen? Worin ist er/sie besser als ein Wettbewerber auf der Position? Welche Fähigkeiten und Stärken bringen alle Team-mitglieder mit, um ihre Aufgaben zu erfüllen? Woran erkennen Sie als Führungskraft, welche Aufgaben Ihren Mitarbeitern am meisten Freude machen und sie begeistern? Woran messen Sie als Führungskraft Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen?

Worauf können Sie sich als Team verlassen – welche Quali-täten fließen da jetzt schon zusammen? Welche Herausforderun-gen haben Sie in letzter Zeit gemeistert und welche Stärken sind daran deutlich geworden? Welche Herausforderung würde gut tun, um das volle Potenzial des Teams zu entfalten? Welche innere Haltung benötigen Sie zur Weiterentwicklung? Welches sind die Teammuster, die Weiterentwicklung ermöglichen oder verlangsa-men/verhindern?

Zur gezielten Analyse und zum Stärken der Kernkompetenzen Ihres Teams greifen Sie gerne auf unsere Anregungen aus 7 Kap. 3 zurück. Hier finden Sie gezielte Hinweise zu »Kernkompetenzen und beson-dere Bündel von Stärken erkunden« und die Möglichkeit einer Team-auswertung unter »Kernkompetenzen und Potenziale systematisch analysieren und für anstehende Aufgaben nutzen«.

9.3 Die notwendigen Strukturen und Prozesse gestalten

Gezielte und professionelle Strukturen führen zur Nachhaltigkeit und wiederholbarer Höchstleistung. Je unklarer und je uneingespielter Si-tuationen sind, desto mehr können einfache Strukturen und Regeln helfen. Klare Verantwortungen sind essenziell. Allerdings wird heu-te eine hohe Rollenflexibilität durch vielfältige Arbeitsprozesse und schnell wechselnde Rahmenbedingungen immer notwendiger. Des-wegen sind Entscheidungsspielräume mit Freiheit zur Entscheidung am »point of decision« notwendig. Nicht alles kann von der Zentrale geregelt werden. Zu vielseitig sind die Situationen vor Ort. Vertrauen

189 99.3 • Die notwendigen Strukturen und Prozesse gestalten

in die Fähigkeit und das Lösungspotenzial vor Ort ist ausschlagge-bend. Hochleistungsteams agieren meist hoch delegativ, strategisch, pragmatisch und effizient, das entspricht der Leistungslogik solcher Teams. Daher basieren solche Teams immer auf professionellen Strukturen und Prozessen.

9.3.1 Strukturen sind gerade in unsicheren Zeiten notwendig

Während sich beim RAAM sehr schnell zeigte, dass wechselnde Posi-tionen bei ungeschliffenen Prozessen Chaos erzeugen und auch kon-sequentes Lernen erschweren, gehen viele Wirtschaftsbereiche immer nach demselben Erfolgsschema vor, auch wenn sie eingefahrene Wege verlassen. Je mehr Vertrauen und Klarheit gegeben ist, desto weni-ger Vorschriften benötigt es. Ein gutes Beispiel sind die informellen Strukturen innerhalb der Firmen, basierend auf eingespielten und vertrauten Netzwerken, die manchmal Dinge ermöglichen, die durch die normierten Prozesse nicht mehr möglich sind.

Wenn ich mich in neue Märkte bewege, neue Produkte, an neue Zielgruppen verkaufe, nimmt die Komplexität und Unsicherheit deutlich zu. Schnelle Adaption der basierenden Annahmen ist ge-fragt. Gerade bei der Strategiearbeit ist ein jährliches Update der Grundannahmen und der Wegrichtung notwendig, um Lernprozesse mit der Strategie abzugleichen.

Entscheidend ist, dass Informationen fließen und bekannt sind, um einen möglichst gleichen und umfangreichen Entscheidungs-background zu haben. Oft werden Entscheidungen kritisiert, die ge-fällt wurden, allerdings nicht den gleichen Informationshintergrund hatten. Die Achtung und Wertschätzung der Kompetenz der Mit-arbeiter ist da ein wichtiger Punkt und die Weitergabe aller Informa-tionen durch alle Hierarchien entscheidend. Wie oft werden Informa-tionen zurückbehalten, einfach aus Angst oder politischen Gründen. Wissen ist Macht, war der alte Grundsatz. Wissen an alle – wäre der neue Grundsatz. Denn die Flexibilität und der Entscheidungsfrei-raum vor Ort sichern schnelles Anschlusshandeln. Nicht nur, dass Personen damit mehr involviert und gefordert sind, sondern auch dass der Wissensstand vor Ort im Regelfall am größten ist. Klar fehlt da manchmal die große Linie. Deshalb benötigt es Grundstrukturen, Werte und Regeln, an denen man sich orientieren und die finale Ent-scheidung treffen kann.

9.3.2 Vom Einhalten klarer Verantwortungen und vom Nutzen der Entscheidungsspielräume

Fixe Strukturen und Prozesse sind die Basis eines funktionierenden Betriebes. Jeder muss wissen, was er tun muss, wofür er verantwortlich

informelle Strukturen nutzen

Lernprozesse mit der Strategie abgleichen

190 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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ist und diese Position so ausfüllen, dass sich das Team darauf verlas-sen kann. Das gilt sowohl für das Kernteam als auch für angrenzende Schnittstellen zu Kooperationspartnern bzw. administrativen Funk-tionen. Je neuer bzw. unroutinierter das Team, desto intensiver muss man diese besprechen und üben. Mit jedem Spielertransfer beginnt die Gruppendynamik neu, muss die »Hackordnung« wieder herge-stellt bzw. neu aufgestellt werden und die Ausrichtung auf das ge-meinsame Ziel erfolgen.

Je eingespielter ein Team und je vertrauter die Situationen, desto leichter läuft alles Hand in Hand. Strukturen können durch Vertrau-en ersetzt werden. Jeder weiß in einem eingespielten Team, was als nächstes abläuft.

Entscheidend ist die Kommunikation und das tiefe Verständnis, was vor Ort passiert und ob dies mit den ursprünglichen Annahmen noch übereinstimmt. Beim RAAM war es ganz klar, dass einige An-nahmen wie notwendige Kompetenzen, Anforderungen an die Navi-gation und Rahmenbedingungen wie fehlende Handykommunika-tion eine rasche Anpassung der Strukturen notwendig machte. Dies geschah im laufenden Prozess. Zusätzlich war natürlich der Lerneffekt enorm hoch.

9.3.3 Von festen Strukturen zum Flow – vom Kernprozess zur Qualität

Es gilt den Kernprozess zu definieren, zu unterstützen, zu optimieren. Je öfter die Prozesse wiederholt werden, desto mehr Klarheit ist ge-geben. Die Prozesse spielen sich ein, Kleinigkeiten werden verbessert. Die Rollen und Inputs der Beteiligten folgen einem tieferen Verständ-nis fürs Ganze, man weiß sukzessive, was jeder einbringt, in welcher Qualität, auf was er vertrauen kann.

Beim RAAM wurden Strukturen und Prozesse rasch adaptiert und die richtigen Leute auf die richtigen Jobs gesetzt. Schnelles Ler-nen und Adaptieren war die Basis und erfolgte im laufenden Prozess. Wichtig war den Kernprozess zu definieren, an den sich die anderen Supportprozesse anlehnen mussten. Während die Köchin ihren Pro-zess des À-la-carte-Kochens als sehr wichtig nahm, behinderte das notwendige À-la-carte-Einkaufen den eigentlichen Kernprozess. Der lag darin, dass die 2 ruhenden Radfahrer wieder möglichst schnell an das andere Team herangeführt werden mussten, um auch den Kom-munikationsprozess aufrechterhalten zu können.

Blindes VerständnisIm Sport nennt man das blindes Verständnis, wenn der Stürmer schon startet, weil er weiß, mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt jetzt der Ball ins Loch gespielt. Stellt sich der Gegner darauf ein, ist die nächste Stu-fe der Individualität wieder erforderlich. Stellt sich der Gegner auf die Taktik und Spielzüge ein, braucht es neue Kreativität und Variabilität,

rasche Anpassung der Strukturen

191 99.4 • Führung angemessen einsetzen

d.  h. noch während des Spiels können sich neue Spielzüge und Vor-gehensweisen herausbilden. Gerade dafür sind Spielführer gefragt, die eine Mannschaft mit Mut und Risikobereitschaft mitziehen können.

Betrachtet man die hohe Spielkunst des FC Barcelona und des spanischen Nationalteams, dann kann man erspüren was Flow bedeu-tet. Teams, die eingespielt sind, wenn Fähigkeiten und Kompetenzen passen, wenn man sich nicht mehr auf das WAS konzentrieren muss, sondern auf die Perfektion des WIE.

In anderen Sportarten als dem Fußball werden z. B. Spielzüge von außen durch den Coach angesagt, wie z. B. im American Football. Jeder Spieler läuft dann exakt seine Linie und den dazugehörigen Prozess. Deshalb werden hier auch im Vorfeld Gegner besonders studiert und Taktiken ausgeklügelt.

? Transferfragen: Welche Strukturen sichern Ihnen die Bewältigung der Aufgaben? Welche tragen zur Leichtigkeit bei? Welche zur Sicherheit? Welche stammen von Ihren Vorgängern als Führungs-kraft, welche haben Sie selbst etabliert? Wie achten Sie darauf?

Was sind Ihre Kernprozesse? Welches sind die wichtigsten Support-Prozesse? Auf welche Prozesse oder Standards wür-den Sie keineswegs verzichten? Weshalb? Welche Prozesse sind eingespielt? Welche sind die anfälligsten, welche ermöglichen besondere Leistungsspitzen?

Übungen dazu finden Sie in unseren Trainingsplänen unter http://extras.springer.com oder http://www.soom.eu/natuerlich-mehr-leisten/trainingsplaene.

9.4 Führung angemessen einsetzen

9.4.1 Das Führungsverständnis zwischen Person, Team und Organisation muss übereinstimmen

Sehr schnell ist man mit dem Wort Team bei der Hand und doch bestehen zwischen der Bezeichnung und den Bildern im Kopf der meisten Leute oft große Differenzen. Die klassischen Hochleistungs-teams, in denen miteinander agiert wird, findet man in den meis-ten Mannschaftssportarten wie Fußball, Basketball etc. Im extremen anderen Fall sind es Einzelsportler, die allerdings alle ein Team als Service, Backup etc. im Hintergrund haben. Kein Extremradler beim Race Across America (RAAM) kann dieses ohne sein Serviceteam in dieser Art bestreiten, kein Skifahrer wird siegen, wenn Wachs und Schier nicht passen und das Team nicht alles im Vorfeld getestet und vorbereitet hat.

Dazwischen gibt es jede Menge von Abstufungen. Teams bei denen die Punkte addiert werden, wie zum Beispiel beim Daviscup im Tennis. Auch das RAAM bestritten wir im Team und doch waren es

Als Datei zum Download: http://extras.springer.de oder http://

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192 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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Einzelleistungen in Form von Zeiten, die addiert wurden. Mit einigen Feinheiten, wie man in der Summe aus Einzelleistungen doch noch mehr herausholen kann.

Manchmal gibt es aber auch simple Trainingsgruppen, die sich gegenseitig zu Höchstleistungen treiben sollen, wie klassische Lauf-camps in Kenia, die Massen an neuen Läufern mobilisieren.

Ähnlich unterschiedlich wie die Teams und ihre Kontexte, ist das Führungsverständnis und Führungshandeln, welches zum Erfolg führt. Typische Beispiele hierfür sind Felix Magath und Jürgen Klopp. Während der eine dann erfolgreich ist, wenn er in einem Team von vielen Alpha-Typen eher direktiv eingreift, setzt der andere viel auf Selbstorganisation und die Energetisierung des gesamten Systems.

Sowohl im Sport als auch in der Wirtschaft ist es daher entschei-dend zu wissen, welches Führungsverhalten jeweils zum Wohle des Ganzen beiträgt und dementsprechend dem Kontext (Aufgabe, Ziel-setzung, Rahmenbedingungen etc.) und der Struktur des Teams (Rol-len, Prozesse, Art der Zusammenarbeit etc.) am ehesten entspricht und der Steuerung am stärksten dient. Verbindend zwischen Sport und Wirtschaft ist weiterhin, dass Führung keineswegs mehr einfach eine Position ist, die der ranghöchste Experte innehat und das von einem gewissen Heldentum geprägt ist. Dieses Bild der Führung ent-stammt Zeiten, in denen routinierte (Produktions-)Prozesse beob-achtet, gesteuert, angewiesen und kontrolliert werden mussten.

Derartig stabile Rahmenbedingungen, die Führung eher in Form von klassischem Management erfordern (7  Abschn.  9.4.2), sind je-doch sowohl im Sport als auch in der Wirtschaft selten geworden bzw. beschränken sich auf bestimmte Bereiche und Situationen. Die Rahmenbedingungen für Hochleistungsteams haben sich stattdessen stark verändert. Hohe Dynamik, wechselnde Voraussetzungen, enor-me Komplexität und vor allem wenig geteilte Zeit und Anwesenheit von Führungskräften und Mitarbeitern ergeben Bedingungen, die eher einem ständigen WM-Spiel gleichen als einem Produktionspro-zess. Doch je komplexer die Aufgaben der Teams, je kompetenter die Personen und je spezifischer das Know-how, das die Einzelnen einbringen, desto stärker verändert sich das Führungsbild. Führung selbst wird eher zum Prozess, der nicht linear verläuft und voller Wi-dersprüche ist und der von stimmigen, angemessenen Interventionen in die Mannschaft oder auch in das Umfeld hinein lebt: wirksam, wachsam und wertschätzend (Seliger 2008). Im Führungsprozess geht es vor allem darum, die Teamaktivitäten zu koordinieren und die Rahmenbedingungen für beste Leistungen sicherzustellen. Die Füh-rungsinterventionen bestehen vor allem im dosierten Managen von Grenzen, im Zuführen von Energie, dem speziellen Entwickeln von Personen und dem Modulieren von Spannung und Reizen zwischen Außen- und Innenwelt des Teams.

Die Führungsaufgaben von Hochleistungsteams ranken sich so-mit verstärkt um Aspekte wie:

Führung als Prozess: wirksam, wachsam und wertschätzend intervenieren

193 99.4 • Führung angemessen einsetzen

1. Grenzen dosiert managen: Energie zuführen, Personen entwickeln, Reize und Spannung modulieren.

2. Koordination der Teamaktivitäten.3. Das Ganze sehen.4. Vorleben der Werte.

Zur exemplarischen Unterscheidung von unterschiedlichen Zugän-gen zu Führung wollen wir im Folgenden drei verschiedene Ansätze anhand des Sports illustrieren: den Masterplan-Ansatz, den Flow-An-satz und den Personenansatz.

9.4.2 Masterplan-Ansatz

Hierbei ist es hilfreich, wenn die jeweilige Führungskraft eher die Rolle eines Managers innehat und aufgrund der stärksten Fachkom-petenz bzw. langjähriger Expertise im jeweiligen Feld genaue Anwei-sungen geben kann. Im besten Fall werden dann die Arbeitsprozesse der Mitarbeiter aus der Nähe überwacht, vor allem mit dem Ziel, negative Abweichungen von einem optimalen Vorgehen rechtzeitig zu bemerken und Veränderungen einzuleiten. Jeder Mitarbeiter weiß umgekehrt haargenau, was auf ihn zukommt, welchen Griff und wel-che Handlungen er setzen muss. Es gibt keine Überraschungen, alles ist im Prinzip vorprogrammiert (7 Abschn. 9.3.2).

Im Sport findet man diese Form des Vorgehens und der Team-arbeit speziell im American Football perfekt illustriert. Der Coach ist immer der Chef und hat mit dem Quarterback am Spielfeld entspre-chenden Funkkontakt. Nach jedem »down« wird der Spielzug von außen durch den Coach angesagt und via Quarterback den Spielern am Spielfeld mitgeteilt. Ob der Spielzug durch Namen oder Ziffern dargestellt wird, ist sekundär. Jeder Spieler am Spielfeld weiß ganz genau, was er zu tun hat und läuft seine vorgeplanten Linien. Der Quarterback hat die entsprechende Übersicht und, läuft alles nach Plan, kommt der Pass haargenau an. Die Kommunikation zwischen Coach und Team verläuft top down – auf Punkt und Strich und auch die Interaktion des Teams selbst ist mit bestimmten Strukturen ver-tikal geregelt. Führung besteht in einer ganz klaren Strategie, die im Vorfeld ausgearbeitet wird und einem ständigen Coaching zur Ver-innerlichung und Perfektionierung der Strategie unterliegt.

9.4.3 Flow-Ansatz

Der klassische Gegensatz zum Masterplan ist eine Mannschaft, die »ihr Spiel« am Gegner entwickelt. Hier steht das kreative Miteinander im Vordergrund. Natürlich gibt es auch hier Taktik (Kernprozesse), eingeübte Situationen wie Freistöße (Standards). Auch Coaching-Im-pulse von außen sind während des Spiels möglich, doch ganz häufig

punktgenaue Kommunikation und vertikale Interaktion

194 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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werden diese durch den verlängerten Arm – den Kapitän – weiter-gegeben. Im Mittelpunkt des Spiels sind die Spieler selbst, die für jede noch so herausfordernde Situation die richtige Lösung finden müssen. Sei es im Angriff, sei es in der Verteidigung.

Durch die Komplexität des Spiels mit 22 Spielern, kommt es im-mer wieder zu neuen Konstellationen und Spielsituationen, die ge-rade eingespielte Teams am besten lösen können. Das alte Spiel über den Einzelstar hat dabei ausgedient. Selbst der aktuell wahrscheinlich beste Fußballspieler der Welt, Lionel Messi, ist meist nur ganz kurz am Ball und lässt seine Genialität in Sekundenbruchteilen wirken. Ein perfektes Beispiel von horizontaler Kommunikation und Interaktion der Spieler untereinander, verbal und nonverbal.

In der Wirtschaft ist dies am ehesten mit Hochleistungsteams für Produkteinführungen vergleichbar, wenn komplexe Kreationen durch das Miteinander verschiedenster Kompetenzen aus Produkt-entwicklung, Produktion, Marketing und Verkauf entstehen. Bei gro-ßen Projekten können Personen sogar in projektbezogenen Teams für eine Zeitspanne in wechselnden »Mannschaften« spielen.

Führungshandeln besteht hier häufig darin, immer wieder die Ausrichtung und Zielorientierung im Blick zu haben und dem Team die entsprechenden Rahmenbedingungen sowie Aufgaben zum Wachsen zur Verfügung zu stellen. Was im Sport die Trainingsbe-dingungen und Trainingspläne sind, ist in der Wirtschaft die Regel-kommunikation, die Zielvereinbarung. Selbst hochrangige Trainer betrachten diese Seite ihres Tuns manchmal als Hausarbeit. Es fällt auf, wenn es nicht gemacht wird, doch es bleibt unbemerkt, wenn es täglich erfolgreich durchgeführt wird.

Des Weiteren brauchen Teams, die im Flow miteinander »spielen« wollen, ein Führungsverhalten, das von hoher Wachsamkeit geprägt ist. Unter dem Druck des Tagesgeschäfts oder des Wettkampfes geht diese dem Team mitunter verloren. Chancen entdecken, Gefahren er-kennen, Veränderungen bemerken, Informationen neu bewerten, Er-wartungen revidieren, Spannungen modulieren und dem Team immer wieder eine Außenperspektive zur Verfügung stellen, so dass neue In-formationen schnell und umfassend verarbeitet und andere Entschei-dungen möglich werden (Weick u. Sutcliffe 2003). Der klassische Mas-terplansatz mit klaren Routinen, festen Zielen und Plänen und ein-deutigen Annahmen macht Menschen eher bequem und verhindert Wachsamkeit. In jeder Sportart, in der die Technik eine Rolle spielt und das Sportgerät perfekt zu den Umgebungsbedingungen passen muss, hängt der Erfolg oder Misserfolg häufig von höchster Wachsamkeit und stimmigen Interaktionen zwischen allen Beteiligten ab.

9.4.4 Personenansatz

Die 3. Führungsvariante eines Teams basiert auf Einzelpersonen. Die-se sind u. a. vergleichbar mit Einzelspielern eines Baseballteams, wo der Werfer oder Schläger mit seinem Gegenüber alleine ist und ganz

horizontale Kommunikation und Interaktion

Nutzung persönlicher Kompetenzen, die perfekt aufeinander aufbauen

195 99.4 • Führung angemessen einsetzen

auf seine persönlichen Kompetenzen und Erfahrungen bauen muss. Mann gegen Mann. Die Teamleistung besteht in der Ergänzung und Ausführung des Spielzuges oder auch in der Summe der jeweiligen Einzelleistungen, die perfekt aufeinander aufbauen, wie in Staffelwett-bewerben. Vergleichbar in der Wirtschaft ist dies mit der klassischen Rolle des Verkäufers. Auch hierbei ist der Verkäufer zwar unterstützt mit allen Unterlagen und technischer Unterstützung, der Verkaufs-erfolg stellt sich aber nur im Einzelgespräch mit dem Kunden ein. Somit ist der Verkäufer in derartigen Situationen, »vis à vis« mit dem Kunden, meist auf sich alleingestellt.

Führungshandeln ist hierbei höchst erfolgreich, wenn der Blick auf das Ganze und ein sicheres Gefühl für den Einsatz der richtigen Person am richtigen Platz besteht. Die Hauptaufgabe des Trainers be-steht darin, die richtigen Leute auf die richtige Position zu setzen. Darüber hinaus sind besonders die gelungene Einzelansprache und die Kompetenzentwicklung der Einzelnen wichtige Grundlagen für den Erfolg. Dies ist eine Aufgabe voller Widersprüche, um

5 das Vertrauen im Team aufzubauen, 5 Beziehungen/Interaktionen im Team positiv zu beeinflussen, 5 das Arbeitsumfeld zu gestalten, 5 zur Höchstleistung zu inspirieren, 5 nachhaltiges Commitment zu den gemeinsamen Zielen zu er-

reichen oder 5 bei Rückschlägen nicht aufzugeben.

Die ständige Balance, dem Einzelnen einerseits die Autonomie und den Raum für Entwicklung zu geben und andererseits, mit dem Hin-weis auf gemeinsame Ausrichtungen, Schnittstellen und Kernprozes-se im Sinne der Zugehörigkeit zu fokussieren, ist für viele Führungs-kräfte eine echte Herausforderung.

Gerade in den Fußballmannschaften sieht man oft, wie Trainer an Spielern festhalten, an sie glauben, auch wenn es Misserfolge ge-geben hat. Hier zählen häufig das Engagement und der Wille zur Entwicklung mehr, als das aktuelle Ergebnis. Gerade gute Trainer haben einen Blick dafür, welche Herausforderungen jemand braucht, um sein Potenzial voll entfalten zu können. An welchen Aufgaben jemand wächst und welche Form der Zugehörigkeit und der Fürsor-ge jemand braucht, um Vertrauen zu schöpfen. Talent ist das Eine, jedoch die Führung, um Menschen zum Wirken zu bringen – an der richtigen Position, mit der richtigen Ansprache, mit den rich-tigen Aufgaben und dem notwendigen Schutz – das ist das Andere! Das unterscheidet Trainer, die mit Zug führen von Trainern, die mit Druck führen. Druck braucht immer und ständig das persönliche Engagement des Trainers. Kaum schaut er weg, machen die Sport-ler, was sie wollen. Die Arbeit mit Zug setzt an der persönlichen Motivation an, am Sinn, den jemand einer Sache beimisst, und unter-stützt dann sukzessive eine attraktive Perspektive mit Lob, Anerken-nung, aber auch herausfordernden Aufgaben und konsequentem Training.

196 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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Führung als Prozess und als fortlaufend wachsame, wirksame Intervention – bis hin zum »jetzt nicht intervenieren« – ist damit unmittelbar auch mit der persönlichen Entwicklung der Führungs-kräfte verbunden. Kein Team kann sich entwickeln, wenn sich nicht die Führungskräfte selbst entwickeln und diese Erfahrungen wieder-um in das Teamgeschehen einbringen. Professionalität als Führungs-kraft erwächst in diesem Sinne weniger aus Fachlichkeit, als vielmehr aus einer klaren Werteorientierung, guter Problemlösefähigkeiten für verschiedenste Situationen, hoher Beziehungsfähigkeit und nahezu endloser Kraft. Das heißt, kühler Geist, warmes Herz und Dauerpow-er. Fähigkeiten, in Beziehungen erfolgreich zu agieren. Ebenso wie für die Sportler selbst, gilt es für die Trainer konstant an sich zu arbeiten, zu trainieren und selbst für den Erfolg »zu brennen«.

Mark Kirchner, der Nationaltrainer der Deutschen Biathlon-mannschaft schildert seine Eindrücke dazu z. B. so (14.06.2012, per-sönliche Mitteilung):

» Ich erlebe das derzeit so: Je weiter Du als Trainer in die Spitze kommst, desto ähnlicher ist das Training aller – da kannst Du als Trai-ner kaum noch einen Unterschied machen. Vielmehr bist Du z. B. ge-fragt als Betreuer, d. h. Du musst für optimale Trainingsbedingungen sorgen, als mentaler Coach, d. h. es geht drum, Sportler immer wieder für sich selbst und ihre Entwicklungschancen zu sensibilisieren bzw. denen ihre Potenziale bewusst zu machen oder als Improvisationsta-lent, um immer wieder neue Situationen zu managen und mit eigener Kreativität und Biss für das Wohl der ganzen Mannschaft zu sorgen. Das heißt, als Trainer muss ich mir selbst ein gutes Gefühl geben, Situ-ationen richtig sehen und selbst die Einstellung haben, das reizt mich jetzt – da gehe ich bewusst weiter und entwickle mich. «

» Bei Einzelpersonen schaue ich oft nicht nur auf die Leistungspara-meter, sondern v. a. danach, ob Entwicklungen vonstattengehen, ob jemand erkennt und umsetzt oder es bei der Erkenntnis bewenden lässt. Dann muss ich manchmal Einzelne auch unabhängig stärken und sie aus der Gruppe herausnehmen, dass sie einen Schritt machen können und nicht durch loyale, freundschaftliche Beziehungen ge-bunden bleiben. «

» Das ist nicht immer leicht, denn was für viele in meinem Umfeld zählt, sind ausschließlich die Erfolge. Was für mich als Trainer und per-sönlich zählt, ist darüber hinaus die Professionalität, mit der ich das alles mache, so dass ich mir selbst keine Vorwürfe machen brauche, weil ich weiß, ich habe mein Bestes gegeben. «

? Transferfragen: Welche Art von Teamleistung ist bei Ihnen er-forderlich? Welches »Spielsystem« ist bei Ihnen vorherrschend? Wie eingespielt ist Ihr Team damit? Wie hoch ist der Reifegrad? Wie findet Training bzw. Entwicklung statt? Welche Reize werden

197 99.5 • Das Umfeld gewinnen – als Team stabil sein

gesetzt? Wann fühlen Sie sich eingebunden und positiv herausge-fordert? Welche Qualitäten schätzen Sie an bestimmten führen-den Personen?

Wie wird Führung in Ihrem Umfeld wahrgenommen? Wenn Sie selbst Führungskraft sind, welches sind die drei wichtigs-ten Faktoren an Ihrer Aufgabe, die Ihnen am meisten Freude bereiten? Wie fühlen Sie sich dann und wie bemerken das Ihre Mitarbeiter? Was funktioniert ganz einfach gut in Ihrem Führungs-alltag? Welche besonderen Talente und Erfahrungen schätzen andere an Ihnen?

Als Führungskraft können Sie immer wieder bewusst eine Haltung einnehmen, mit der sie Freude entwickeln. Dies setzt einerseits Si-cherheit in wesentlichen Kernaufgaben voraus, doch andererseits vor allem auch ausreichend Energie, um ebenso wie Ihr Team immer wei-ter zu lernen. Als kleines Grundlagentraining empfehlen wir daher eine Haltung, mit der Sie bewusst Ihre Aufmerksamkeit nutzen, um Energie zu tanken (7 Kap. 5, Trainingspläne: »Sich selbst und andere in einen guten inneren Zustand fokussieren« und »Aufmerksamkeits-fokussierung als Tankstelle«).

Übungen dazu finden Sie in unseren Trainingsplänen unter http://extras.springer.com oder http://www.soom.eu/natuerlich-mehr-leisten/trainingsplaene.

9.5 Das Umfeld gewinnen – als Team stabil sein

9.5.1 Rahmenbedingungen für Topleistungen sicherstellen

Ein erfolgreiches Trainerverhalten ist stets mit dem stimmigen Kon-text und unterstützender Führung bzw. Rückendeckung seitens des Vereins und der Sponsoren verbunden, ebenso wie ein erfolgreicher Teamleiter nur im Kontext eines stärkenden Top-Managementteams agieren kann.

Die Aufgabe des Trainers bzw. des Managements besteht darin, das Team in Ruhe arbeiten zu lassen. Je mehr Unruhe in das Team ge-tragen wird, desto größer werden der Druck und damit auch die The-matik, seine beste Leistung abzurufen. Jede Änderung des Teams be-darf einer Neuausrichtung, einer geänderten Aufstellung, einer neuen Kompetenzverteilung. Das alles kostet Energie und ist immer ver-bunden mit Leistungsverlust, bis die alte Eingespieltheit wieder herge-stellt ist, genauso wie in Fußballteams. Gerade in Hochleistungsteams und erfolgreichen Mannschaften ist der Grad der Selbstorganisation und -steuerung besonders hoch. Der Mannschaftskapitän übernimmt viel Führungsarbeit, ebenso wie die einzelnen Spieler, die an jeder Stelle zielgerichtet unterstützen. Trainer und Vereinsvorsitzende ha-ben weniger die Aufgabe, IM System zu arbeiten, sondern AM Sys-tem. Ihre Aufgabe ist es, die Ressourcen und Rahmenbedingungen

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198 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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sicherzustellen und damit wesentliche Störgrößen zu vermeiden oder ggf. neue Herausforderungen zu ermöglichen.

So zeichnen sich Hochleistungsteams auch dadurch aus, dass die Führungskräfte sozusagen als »Betreuer« für beste Rahmenbedin-gungen sorgen. Dazu gehört, die Anerkennung von außen zu ermög-lichen wie Lob, Applaus, Sichtbarkeit, Berichterstattung, Fanpost etc. Die Teamleistung wird nach außen hin vertreten und gerade dort liegen umfangreiche Aufgaben für die Führungskräfte. In einem wohl gewählten Gleichgewicht zwischen Aufmerksamkeit nach innen und nach außen wählen Trainer heutzutage aus, wann sie welche Infor-mationen nach außen geben. In Zusammenarbeit mit den Managern vieler Sportler liegt hier so mancher Konfliktstoff, denn häufig sind die Sponsoren- oder Managementinteressen andere als die Trainer-interessen. Daher ist es eine wichtige Führungsaufgabe, schon früh-zeitig wichtige Stakeholder für den gemeinsamen Erfolg zu gewinnen. Das bedeutet wie eine Art Produzent erfolgreich um Budgets und Ressourcen, um Prioritäten und Zusagen und ebenso um Stille und Regenerationszeiten für die Sportler zu kämpfen. Denn die Interview- und Vermarktungsaufgaben stehen meist zwischen den Wettkämpfen und in den Aufbauzeiten an. Es gilt, das relevante Umfeld im Vorfeld für sich zu gewinnen und im Laufe des Prozesses nicht zu verlieren. Das ermöglicht Vertrauen und Sicherheit für das Team und damit Basisfaktoren für Höchstleistung.

Nur nachhaltiges Arbeiten mit klaren Prioritäten und Konse-quenz in Zeit und Budget ermöglicht entsprechenden Erfolg. Die Rahmenbedingungen sind essenziell für den Erfolg. Auch zwischen-durch muss sichergestellt werden, dass das relevante Umfeld ausrei-chend informiert ist. Im Sport ist alles unmittelbarer. Der Zuseher sitzt direkt am Spielfeld. In der Wirtschaft benötigt es entsprechende Informationsprozesse. Allerdings dürfen diese auch nicht übertrieben werden. Der Hauptfokus der Energie muss immer auf das Ziel bzw. den nächsten Schritt gerichtet sein.

9.5.2 Werte als Stabilität nutzen

Werte stabilisieren speziell in Grenzsituationen. Beim RAAM waren anfangs sicherlich enorme Lernschritte zu machen. Die Änderung von Positionen und Abläufen, die Regelung von Verantwortungen und alles im laufenden Rennen. Die Prozesse und Abläufe waren nichts Alltägliches, z. T. auch schwer im Vorfeld zu trainieren, auch nicht im Detail planbar.

Andreas Sachs berichtet dazu (30.01.12, persönliche Mitteilung):

» So musste Etappe um Etappe neu geplant werden. Damit kam es deutlich mehr auf die Kompetenzen aller Teammitglieder an und auf die ständige Improvisation bei der Kommunikation untereinander. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten diese Prozesse nach

für beste Rahmenbedingungen sorgen

Werte stabilisieren

199 99.6 • Spitzenleistung im Flow – der Teamgeist

3 Tagen eingeschliffen und in den unendlichen Weiten von Kansas auch ohne Navigationsdruck perfektioniert werden. Nicht umsonst sind wir dann die schnellsten Zeiten der gesamten Teams gefahren. Wir waren von unserem internen Druck befreit und konnten uns komplett auf unsere Leistung fokussieren. Als dann die unfaire Atta-cke unserer Gegner kam, brachte diese nicht uns, sondern sie selbst aus dem Gleichgewicht. Wir handelten nach unseren Werten Fair-ness und Vertrauen und waren so stabil, denn wir hatten uns nichts vorzuwerfen. «In solchen entscheidenden Situationen können Werte nicht erst aus-gehandelt werden, es braucht eine gemeinsame Basis von Anfang an. Dann ist es letztlich egal, wer vom Team darauf hinweist, dass hier ein Werte- oder Regelverstoß droht, Hauptsache die nächsten Schritte können zügig entschieden werden, weil immer klar ist, wofür das Team steht!

? Transferfragen: Welches Umfeld unterstützt das Team bei seinen Aufgaben, bei der Konzentration, bei wichtigen Projekten? Welche spezifischen Rahmenbedingungen gehören dazu bzw. beflügeln sogar noch? Wer gehört zu den relevanten Stakehol-dern (»Spielern«) im Umfeld ihres Teams? Wie können Sie deren Unterstützung für ein »gutes Spiel der Mannschaft« gewinnen? Wer kümmert sich aktiv um diese? Wie holen Sie diese an Bord?

Als Führungskraft: Wie sorgen Sie für Ruhe im Team? Wie schaffen Sie Anerkennung von außen als zusätzliche Stimulierung? Welche Kommunikationsstrategie nutzen Sie für z. B. neue und unvorhergesehene Situationen? Wie und wann informieren Sie im Führungsalltag? Wo machen Sie das? Was davon, welche Orte, welche Zeiten, welche Zusammensetzungen für Kommunikation haben sich besonders bewährt? Wann ist es hilfreich, z. B. Kunden, Stakeholder, Shareholder, Dienstleister, benachbarte Abteilungen etc. hinzuzuziehen? Wann tut der Fokus auf das Team selbst gut?

Von Zeit zu Zeit kann es hilfreich sein, mit dem Team gemeinsam die relevanten Umwelten und die spezifischen Rahmenbedingungen zu analysieren. Dazu gehört es, den gesamten Teamkontext gezielt an-zuschauen, Entwicklungen im Umfeld zu erkennen und zu benennen und ggf. mikropolitische Zusammenhänge herstellen: z. B. wichtige Schnittstellen, relevante Stakeholder, Fans, Kunden etc. Methodisch eignen sich dafür alle Arten der Visualisierung.

9.6 Spitzenleistung im Flow – der Teamgeist

Teamgeist ist ein interessanter Baustein, der schwer wissenschaftlich fassbar und doch enorm effektiv ist. Teamgeist entsteht, wenn vie-le andere Erfolgsfaktoren zueinander in positiver Resonanz stehen.

200 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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Dann drücken sich sozusagen die stimmigen inneren Haltungen der einzelnen Teammitglieder an konkreten Erfolgen im Außen aus. Der Zustand des Flows ist eben eine resultierende Größe aus mehreren positiven Interaktionen, bei der das gemeinsame Handeln zu einer höheren Leistung führt, als dass Einzelnen möglich ist. Wesentliche Voraussetzung dafür sind in der Gruppe das Gefühl der Zugehörig-keit und der Bindung sowie besondere Rahmenbedingungen, die durch die Führung ermöglicht werden können.

9.6.1 Geeignetes Leistungsklima schaffen

Einiges ist klar: es benötigt Zeit zur Teamentwicklung und einen ver-trauensvollen und wertschätzenden Umgang miteinander. Der Wille zur Zusammenarbeit, der Respekt für die andere Person und deren Leistung ist wohl ebenso wichtig, wie eine offene und schnelle Kom-munikation ohne Hintertürchen und Vorbehalte. Natürlich ist jede Person anders und man muss sich auch nicht lieben. Wenn man aller-dings schafft, die anderen Personen zu verstehen, deren Motive und Hintergründe, dann kann man als Führungskraft gezielter und indi-vidueller kommunizieren und intervenieren. Die beste Leistung brin-gen immer inhomogene Teams, wenn sie es schaffen, die unterschied-lichen Kompetenzen zu einem fulminanten Ganzen zu verschmelzen. Dazu sind nicht nur Zeit, sondern entsprechende Herausforderungen und gemeinsame Erfahrungen notwendig. Erst im Grenzbereich ent-steht so das spezielle Klima, das zusammenschweißt und über alltäg-liche Hindernisse hinaus mehr ermöglicht.

Ein echtes Leistungsklima entsteht erst dann, wenn man sich mehr zutrauen darf. Es ist leicht, keinen Fehler zu machen, wenn man auf sicherem Boden agiert und immer wieder die gleichen Ak-tivitäten ausübt. Langfristig heißt dies aber Stillstand. Um sich zu entwickeln, muss man nicht nur die Komfortzone verlassen, sondern auch Neuland bestreiten und muss damit eine Bereitschaft mitbrin-gen, auch mal kurzfristig an Leistung zu verlieren und fehleranfälliger zu werden, um dann auf einem höheren Niveau zurückzukehren. Das ist das Grundprinzip jedes Trainingszyklus im Sport, Jahr für Jahr. Es gilt immer wieder neu zu entdecken, neue Reize zu setzen und dafür braucht es ein spezielles Klima. Nur so kann die Zukunft erfolgreich gestaltet werden.

Erfolg in der Wirtschaft ist, ähnlich wie Erfolg im Sport, gewis-sen Rhythmen unterworfen. Zeiten der Optimierung folgen Zeiten von Sprüngen auf neue Technologien, der Umstellung von Prozessen, in denen man fehlerhafter agiert und Leistung einbüßt. Die Kunst liegt darin, diese Weiterentwicklung in ruhigeren Zeiten zu trainie-ren. Kein Athlet im Sport wird kurz vor dem Wettkampf neue Dinge ausprobieren. Kein Turmspringer macht einen neuen Sprung erstma-lig im Wettkampf. Dieser ist hundertmal trainiert, damit er dann im Wettkampf unter Wettkampfdruck passt.

sich zutrauen, Neuland zu bestreiten

201 99.6 • Spitzenleistung im Flow – der Teamgeist

Im Sport ist es z. B. durchaus üblich, ein Mannschaftsmanifest zu erarbeiten, ein Team-Building im Vorfeld der Meisterschaft zu ma-chen. Während im modernen Fußball oft bis zu 1/3 der Mannschaft pro Saison wechselt, der Trainer eine extrem kurze Einsatzdauer hat, ist üblicherweise in Organisationen mehr Nachhaltigkeit angesagt. Dennoch, der Spruch »11 Freunde müsst Ihr sein« ist sowohl im Fuß-ball als auch in der Wirtschaft überholt. Es geht um Respekt und An-erkennung der anderen Person, um Teamfähigkeit, um Rollenflexibi-lität im Notfall, doch letztlich immer um zielbezogene Leistung. Der Verteidiger wird wohl bei einer hundertprozentigen Chance kaum sagen: Moment, ich warte auf den Stürmer.

Auch in der Wirtschaft ist es unklug, Änderungen erst in kriti-schen Zeiten vorzunehmen. Nicht nur im Radsport ist bekannt: bei Rückenwind strampelt es sich leichter. Bergab kann man Schwung nehmen, um einen Teil des nächsten Hügels mit der Masse noch hi-naufzurollen. Vorausschauende Führung ist essenziell, um Entwick-lungen vorauszusehen und sich dementsprechend mit aller Konse-quenz vorzubereiten. Hierbei spielt das tägliche Feedback zur eigenen Leistung eine entscheidende Rolle, was im Sport sowohl im Training als auch im Wettkampf täglich vorhanden ist. Trainingstagebücher mit Aufzeichnungen zu den Ergebnissen sowie zum aktuellen Emp-finden werden zwischen Sportlern und Trainern zu ganz wichtigen Utensilien des Alltags, selbst wenn beide nicht am gleichen Ort sind. Der Austausch darüber stellt sicher, dass Rhythmen der Leistungs-fähigkeit und Erfolgs- bzw. Risikofaktoren gefunden werden können. Denn, wer rechtzeitig agieren und vital auf Entwicklungen eingehen will, braucht diese permanenten Rückmeldungen. Im Wirtschafts-umfeld eignen sich die wöchentlichen Meetings und monatlichen Standortbestimmungen dazu ebenso. Wichtig wäre nur, diese nicht ausschließlich zur Bewältigung aktueller Probleme, sondern vielmehr auch für das Erkennen von Entwicklungen zu nutzen. So lohnt es sich z. B. aktuelle Gerüchte und Wahrnehmungen anzusprechen und als Team ein Bild zu gewinnen, ob diese Dinge als relevant betrachtet werden oder welche Bedeutung das Team dem Ganzen beimessen möchte. Gemeinsame Bildgestaltung bzgl. des Umfeldes, der Kunden, der Leistungsentwicklung oder des Klimas im Team ist hier dienlich, um als Team oder auch Einzelner in der Beziehung zum Vorgesetzten aktiv gestaltend zu wirken. Zeit und Aufmerksamkeit auf Rahmen-bedingungen und deren Veränderungen sind essenziell.

Gerade weil heutzutage die meisten »Mannschaften« weniger an der Güte der Gemeinschaft als vielmehr an den leistungsbezogenen Ergebnissen gemessen werden, ist es in diesem Zusammenhang wich-tiger, den Geist, der verbindet, zu pflegen. Hier ist uns der Sport ein großes Vorbild, denn nirgendwo sind so viele Rituale sichtbar, wie vor, während oder nach dem Spiel. Selbst das gemeinsame Anrei-sen im Mannschaftsbus, die Vorbereitungen in der Kabine, das Ritual der gemeinsamen Konzentration vor Spielanpfiff, die Feierrituale auf dem Spielfeld, die Besprechungsrituale (letzte Einstimmung, kurze

202 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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Auszeit, lange Auswertung nach dem Spiel) etc., all das ist Ausdruck eines gezielten Zusammenspiels und des spezifischen Teamgeistes. Ohne das, würde die Mannschaft vielleicht funktionieren, doch sie würden Ihre Stärke, Lebendigkeit und Durchsetzung missen. Jeder Zuschauer merkt, wie wohl sich die Spieler in einer Mannschaft füh-len oder nicht – und diese Energie überträgt sich auch auf das Um-feld. Das gemeinsame und aktive Gestalten nicht nur der Leistung, sondern auch der Rahmenbedingungen spiegelt sich somit im Außen wider. Teams werden als Ganzes sichtbar und sind sowohl in ihrer Kompetenz als auch soziale Einheit im Umfeld spürbar und bekannt. Das ist eine wichtige Ressource, die es lohnt zu pflegen, mit kleinen oder großen Ritualen, mit Aufmerksamkeit und mit Zeit, einfach un-kompliziert ein paar wesentliche Beobachtungen zum Team oder zum Umfeld anzusprechen.

? Transferfragen: Wie schaffen Sie es, einen gemeinsamen Rhyth-mus im Team zu erzielen? Welche Rituale geben Ihrem Umfeld den spezifischen Geist, in dem Sie arbeiten? Wer sorgt dafür? Woran würden Sie merken, dass sich der Teamgeist und das Zusammenspiel zum Positiven verändern? Wie könnte das aus-gedrückt werden? Welche Personen haben wichtige Rollen für den Teamgeist? In welchen Situationen bzw. Aufgaben ist der Teamgeist besonders wichtig bzw. sichtbar? Wie empfinden die Teammitglieder dann die Zusammenarbeit? Welche Rahmenbe-dingungen stützen bzw. hindern den Teamgeist?

Im Sinne des gemeinsamen Trainings regen Sie gerne in Ihrem Team mal eine Reflexion zu den obigen Fragen an und denken Sie ggf. ge-meinsam über die Voraussetzungen für Flow nach (7  Kap.  1, Trai-ningsplan »Voraussetzungen für Flow schaffen«).

Übungen dazu finden Sie in unserem Trainingsplan unter http://extras.springer.com oder http://www.soom.eu/natuerlich-mehr-leisten/trainingsplaene.

9.7 Erfolge von morgen sichern

Der Erfolg von heute ist Erfolgsgarant für den Erfolg von morgen. Dem Erfahrungsschatz des Teams werden viele positive Momente und vor allem Lösungswege für unterschiedliche Situationen hinzu-gefügt. Gerne erinnert man sich an die großen und kleinen Erfolge. Wer will nicht erfolgreich sein? Erfolge geben Stärke und Kraft, wecken Bilder und Emotionen, auf der persönlichen und auf der Teamebene. Ein wichtiger Faktor besteht darin, nach Erfolgen nicht automatisch zur Tagesordnung überzugehen, frei nach dem Motto: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Erfolge muss man angemessen feiern (7 Abschn. 4.4).

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203 99.7 •  Erfolge von morgen sichern

9.7.1 Erfolg ist die Basis für zukünftige Erfolge

Erfolge haben eine spezielle Qualität. Eine innere Befriedigung, eine Anerkennung seiner selbst, für die Entwicklung des Selbstbildes und der Selbstüberzeugung. Jeder Mensch will erfolgreich sein. Umso schöner ist es, dieses Erfolgserlebnis zu verinnerlichen, es mit allen Sinnen zu erleben und tief in das emotionale Erfahrungsgedächtnis »einzugraben«. Mit je mehr Sinnen erlebt, desto stärker und körper-lich abrufbar ist die Erfolgserfahrung. Das Selbstbewusstsein ist ge-stärkt für zukünftige Herausforderungen. Kein Champion fällt vom Himmel. Dies gilt im Sport besonders stark, da das Feedback zur eigenen Leistung in jedem Training und jedem Wettkampf unmittel-bar erlebbar wird..

Im Fußball sieht man dies drastisch: Emotionen pur, nach jedem Tor, nach dem Sieg, bei der Siegesfeier. Es geht darum, die Fans zum Zwischenapplaus zu gewinnen. Das motiviert zusätzlich, setzt neue Kräfte frei, ermöglicht den Zwischenspurt, gibt zusätzliche Kraft für den Endspurt. Warum wohl ist ein Heimspiel leichter als ein Aus-wärtsspiel?

Auch in der Wirtschaft gibt es diese vielen kleinen und großen Erfolge. Sie müssen meist deutlicher transparent gemacht werden. Oft sind dies Erfolge aufgrund von Teamleistungen, die quer durch das Unternehmen eben nicht sichtbar sind. Wer von den Angestellten geht schon ins Lager und erfreut sich an der gesteigerten Menge an Auslieferungen. Viele, aber bei weitem nicht alle sehen Umsatzlisten, manche nur 1-mal im Jahr. Viele Mitarbeiter, aber bei weitem nicht alle, sehen die Erfolge der eigenen Firma direkt, z. B. in Form von Umsatzlisten. Oft wirkt es verstörend, wenn der Quartalserfolg erst der öffentlichen Presse entnommen werden muss oder sich gar das interne und das externe Feedback zum Unternehmenserfolg unter-scheiden. So bleibt dem Angestellten zwar der kleine tägliche Erfolg, nur, wenn dieser Erfolg nicht sichtbar (gemacht) ist, nicht anerkannt wird, stumpfen selbst die Motiviertesten ab. Selbst negative Kritik kann positiv sein, zeigt diese doch, dass jemand teilhat am eigenen Tun.

Direktes und vor allem stärkendes Feedback fehlt ganz häufig. In vielen Teams, in denen wir als Berater tätig sind, wird dies daher oft bemängelt und als einer der großen Unterschiede zum Sport gese-hen. In gleichem Atemzug werden Hinweise und Anregungen gerne und umgehend aufgegriffen, um Erfolge sichtbar zu machen und zu feiern. Führungskräfte warten nicht mehr erst bis zur Jahresendfeier, bis sie Danke sagen, Kollegen geben sich häufiger Zwischenapplaus und selbst in Teambesprechungen wird der Fokus verstärkt darauf gelegt, was gelungen ist bzw. welche Fehler erfolgreich verhindert werden konnten, anstelle dass ausschließlich das Problem analysiert wird. Diese verstärkte Gegenwartsorientierung und das Fokussie-ren von gelingenden Spielzügen (würde man im Sport sagen) tragen

204 Kapitel 9 • Erfolgsfaktoren – Was macht ein Hochleistungsteam erfolgreich?

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wesentlich zu einer Haltung bei, die weitere Erfolge fördert und das Teamklima positiv unterstützt. Auch die weitere Ausrichtung für neue Ziele wird z. B. erst angegangen, nachdem sinnbildlich vom Team für das Team oder von bzw. an die Führung ein »Fanbrief« geschrieben wurde, um Vergangenes zu würdigen und sich darüber klar zu wer-den, welche Aspekte des Teams in Zukunft fortgesetzt werden sollen.

9.7.2 Erfolg baut auf vergangenen Erfolgen auf

In jeder Firmenkultur gibt es eine Art genetischen Code und eine spezifische organisationale Energie. Wofür steht die Firma, wer hat sie gegründet, mit welchen Werten. Wie wurden schwierige Situationen gemeistert und welche Geschichten erzählt man sich als typisch? Hie-rum ranken sich viele Erfolgs-, manchmal auch Misserfolgsgeschich-ten, die offensichtlichen und auch die stillen Erfolge. Betrachtet man die Geschichten um diese Erfolge näher, kann sich daraus eine unge-heure Kraft entwickeln. Man sieht die leuchtenden Augen der Leute, wenn sie von ihren Erlebnisse berichten. Bei jeder neuen Herausfor-derung, bei jeder neuen Strategie, bei jeden ambitionierten Ziel fragt sich der Mitarbeiter: »Schaffen wir das, was motiviert mich, daran zu glauben, was kommt mir davon schon bekannt vor?«

In diesen Situationen ist es entscheidend, ob im Team, in der Ab-teilung oder im gesamten Unternehmen an eine positive Vorerfah-rungen, an eine starke organisationale Energie und Erfolgsgeschich-ten angekoppelt werden kann.

? Transferfragen: Wie gelingen Ihnen Erfolge im Team? Was sind die Erfolge, die es wert sind, zu feiern? Welche kurzfristigen Mög-lichkeiten nutzen Sie, um Erfolge transparent zu machen? Welche Erfolgsgeschichten werden erzählt? Für welche Ergebnisse bzw. Teamqualitäten möchten Sie gerne anerkannt werden? Wofür können Sie ein Lob gut gebrauchen? Wie wird Wertschätzung in Ihrem Team, in Ihrer Organisation ausgedrückt? Wie erfolgsorien-tiert ist Ihre Organisation, Ihr Team generell ausgerichtet? Was würde dazu führen, dass Sie den Turbo zünden?

Die Erfolgsverfassung und -orientierung in einem Team können ebenso trainiert werden. Dazu braucht es vor allem eine Haltung, die ein erfolgreiches Handeln unterstützt, denn Erfolge werden niemals in der gleichen Haltung errungen, in der sie formal ausgeblieben sind; d. h. alles, was dem positiven Wandel der Führungshaltung und der Teamhaltung dient. Das können z. B. kleine Momente sein, in denen man gemeinsam an positive Vorerfahrungen anknüpft (7 Kap. 3, Trai-ningspläne: »Meine Erfolgsreise und Erfolgsbilder« oder  7  Kap.  4, Trainingspläne: »Change-Erfahrung im Team, im Unternehmen nut-zen«). Oder es kann mit gezielten Vorbereitungen auf wichtige Pro-jekte oder Situationen eine Haltung stabilisiert werden, die sukzessive

205 99.7 •  Erfolge von morgen sichern

Handlungsgewissheit vermittelt und damit die Umsetzung schon im Vorfeld stabilisiert (7  Kap.  4, Trainingsplan: »Handlungsgewissheit durch gezielte Vorbereitungen erhöhen«). Erfolge sollten vor allem registriert und gewürdigt werden, selbst wenn es keine großen Feiern gibt. Wesentlich ist die dankbare Wahrnehmung dessen, was gelun-gen ist, ebenso wie die dankbare Wahrnehmung aller Schwierigkeiten auf dem Weg. Denn durch Erfolg und Misserfolg entfalten wir unsere Potenziale. Wie feiern Sie Ihre Erfolge (7 Kap. 3, Trainingsplan: »Er-folge feiern«)?

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