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Mohammed.-.Der Prophet Allahs

Date post: 09-Jan-2017
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WELTGESCHICHTE-SPANNEND WIE EIN ROMAN

Es gibt nichts, was so interessant ist wie die Geschichte der Menschheit. Seitdem der Mensch aus den Höhlen der Steinzeit seinen Weg in die Zukunft begann, ist jedes Jahr­hundert voll von atemberaubendem Geschehen. In dem neuen volkstümlichen Geschichtswerk von Otto Zierer „Bild der Jahrhunderte" sind die Ereignisse, Gestalten und Schauplätze so interessant und allgemeinverständlich dar­gestellt, daß man die Bücher wie spannende Romane liest

O T T O Z I E R E R

BILD DER JAHRHUNDERTE Eine Weltgeschichte in 19 Einzel- und 11 Doppelbänden

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VERLAG SEBASTIAN LUX - MURNAU VOR M Ü N C H E N

WELTGESCHICHTE-EINMAL GANZANDERS

K L E I N E B I B L I O T H E K D E S W I S S E N S

LUX-LESEBOGEN NATUR- U N D K U L T U R K U N D L I C H E H E F T E

VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN

2006 digitalisiert von Manni Hesse

Die llärchenstadt Byzanz

s geschah vor dreizehnhundert Jahren und es ge­schah weit im Süden . . .

Ein Frühlingstag von durchsichtiger Bläue spannt sich über das Meer, auf dem ein einsames Segel wie ein Wölkchen dahintreibt. Ein kaiserlich-römisches

Kurierschiff eilt durch das Marmarameer zu der Hauptstadt an den Meerengen.

Hinter dem waldigen Vorgebirge, dessen Fels in kühnem Sturz in die Tiefe fällt, öffnet sich der Blick gegen Byzanz-Konstantinopel wie durch ein Tor, das geradewegs ins Märchen führt.

Sogar die rotbemützten griechischen Seeleute, die oftmals diese Gewässer durchschifft haben, drängen sich mit staunendem Zuruf an der niederen Reling des Seglers und schauen zum Ufer hinüber.

Weiße Marmorterrassen mit verwirrender Blumenpracht steigen aus der See; grüner, roter und schwarzer Stein türmt sich in Galerien, Säulenreihen und wuchtigen Palastljauten. Ein Kranz von Gärten krönt das Steilufer, Festungsmauern und blockige Vierecktürme überragen die weißen Felsen; dahinter flimmern und gleißen die buntglasierten Ziegeldächer, funkeln die vergoldeten Kuppeln der Kirchen, glühen die edelsteinbesetzten Kreuze auf den Glocken­türmen.

Das ist Byzanz, die Mutter der Städte, das zweite, unbezwingliche Rom, Mittelpunkt eines Weltreiches. Im Panzer seiner tausend Bastionen blickt es hinab auf den bunten Teppich der Schiffe, der

sich um seine Halbinsel bis zum Goldenen Hörn dehnt. Ein Dröhnen, Rauschen und Brausen schwingt mit dem Nordwind herüber: das ist der Lärm des Hafengongs, der hundertfältige Ruf der Schiffer und das Gewühl der Märkte.

Hoch über der von Leuchttürmen flankierten Einfahrt zum kaiser­lichen Hafen liegt die Palaststadt, das „Augusteum", ein Baugewirr aus Mauern, glitzernden Bögen, Türmchen und Zinnen. In gewaltiger Wölbung hebt die Hagia Sophia, alles überragend, die rotvergoldete Kuppel. Im Augusteum, in heiligen, märchenhaften Bereichen thront der Herr des Oströmischen Reiches, Kaiser Heraklius, der Siegel über die Perser, Schreck der Slawen und Beschützer der Völker.

Während das schlanke Segelschiff unter dem Südostwind die Hafeneinfahrt des kaiserlichen Stadtteils ansteuert, steht Joannes Keraunos, der Gesandte, auf dem erhöhten Steuerdeck und wendet keinen Blick von dem Bilde der Stadt. Er trägt den langen, falten­reichen und buntbestickten Byzantinermantel des hohen Beamten. In wenigen Stunden wird Joannes Keraunos vor den Gebieter des Erdkreises treten. Und er kommt nicht mit guter Botschaft. Möge die Großmut des Herrschers ihm gnädig sein!

Patriarch Sophronios von Jerusalem hat ihn, vor einer Woche etwa, mit ernster Miene empfangen und ihm Mitteilung von einer Kunde gemacht, die dem Weltreich des Kaisers aus der schweigenden Wüste zugekommen war. Irgendein unbekannter Scheik, ein Stammeshäuptling der immer kämpf- und beutelüsternen Araber, hatte dem Oberhaupt Jerusalems eine seltsam überhebliche, drohende Warnung an den Kaiser von Byzanz übergeben lassen. Hat der so lebenserfahrene Bischof nicht gesagt, daß aus jenem Stückchen Pergament vielleicht Blut, Verwirrung und Völkernot aufwachsen werden?

Soll das durch die Barbaren schwer geschlagene Römer-Imperium wirklich nicht mehr zur Ruhe kommen; soll die Folge der Kata­strophen, die seit der Völkerwanderung das einst blühende Mittel­meerreich erschütterten, nie mehr ein Ende haben?

Es sind nun hundert Jahre her, seit der Zeit des großen Kaisers Justinian. Die Feldherren Belisar und Narses hatten die Goten in Italien, dieVandalen in Afrika, die Westgoten in Spanien geschlagen, die Perser aus Syrien verdrängt und das Heidentum aus seinen letzten Asylen vertrieben. Das Römerreich in seiner Herrlichkeit schien unter der Führung von Byzanz wiedererstanden. Aber dieser Zeit neuer, römischer Hoffnungen waren Jahre der schweren Be-

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sandten auf die schnelle Reise geschickt, umsonst waren alle sorgen­vollen Gedanken!

Joannes Keraunos umfaßt mit stolzem Blick die goldene, gewal­tige Stadt, die höher und höher aus dem dunkelblauen Wasser steigt. Dies Reich wird niemals untergehen, Byzanz-Konstantinopel ruht sicher und fest am Herzen der Welt.

Kurze Befehle des Piloten schallen, langgezogen antwortet der Zuruf der Matrosen. Die mächtige, lateinische Raa rasselt vom Mast, das purpurne Segeltuch fällt in sich zusammen und wird geborgen. Langsam, in beinah lautloser Fahrt gleitet das Schiff zwischen viel-rudrigen Galeeren, tiefliegenden Lastschiffen und zahllosen Kähnen hindurch und läuft in das spiegelblanke Fahrwasser der kaiserlichen Bucht. Weiß gleißen die Marmorkais am Ufer, ein goldener Mosaik­bogen wölbt sich vor einer breiten Treppe, die bergwärts zum „Augusteum" führt.

Tags darauf wird der Gesandte durch einen kaiserlichen Diener am Tor des „Chalkis", des Außenpalastes, empfangen. Dieser „Erz­palast" trägt seinen Namen von den bronzenen Ziegeln auf den Dächern; er liegt gleich neben der riesigen Sophienkirche und besteht aus einer großen Anzahl von Gebäuden, Hallen und Bogengängen. Joannes Keraunos durchschreitet, von dem Hofbeamten geführt, mehrere Innenhöfe mit kühlenden Wasserbecken, stillen Baum­gruppen und mächtigen Steinfiguren.

Man hat nun die zweite und glänzendere Abteilung des „Augu-steums", den Palast „Daphne" erreicht, über den sich die Porphyr­kuppel wölbt. Hier warten in den Prachtzimmern die Gesandtschaf­ten der Bulgaren, der Avaren, Perser und Westgoten. Unruhig über­prüfen die Männer noch einmal die ausgelegten, kostbaren Geschenke für den Herrscher, und mit ängstlicher Heimlichkeit füllen sie die hochmütig ausgestreckten Hände der zahlreichen Palastbeamten mit klingender Münze.

„Die Majestät erwartet Euch im Triclinum Magnaura, im Gold­saal", sagt der Diener, der Joannes begleitet.

In den Galerien, die zum Empfangssaal führen, dröhnt der takt­mäßige Schlag der Ebenholzstäbe. Die „Silentarii" — die Schweige­gebietenden — nahen und rufen eintönig ihre Formel, die Stille fordert und den Weg für den Kaiser frei macht. Langsam tauchen sie aus dem Halbdunkel auf, hohe, weißgekleidete Gestalten mit purpurnen Stirnbinden, an beiden Seiten der Galerie dahinwandelnd. Hinter ihnen gleißen im Zwielicht die vergoldeten Brustpanzer der

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„Spathiarü" — der Degenmänner —, der Leibwache des Kaisers. Die kunstvoll getriebenen Goldhelme mit den roten Roßschweifen werden sichtbar, die kurzen roten Rö'ckchen, die vergoldeten Bein­schienen. Die Spathiarü tragen die blanken Schwerter in den Fäusten.

Der Zug löst sich aus der Dämmerung und bewegt sich gegen die grelle, lichtdurchflossene Pforte des „Chrysotriclinums" — des gol­denen Thronsaales. An den erzenen Torflügeln stehen Offiziere, Minister, Bischöfe und Höflinge, alle in bunten, goldbestickten „Dalmatiken", in Samtschuhen, ohne Kopfbedeckung.

Da nahen die Wedelträger mit den Pfauenfederfächern, ein Baldachin schimmert. Joannes Keraunos wirft sich gleich den anderen auf den Boden und streckt schutzflehend die flachen Hände empor. So erhascht er nur einen Widerschein von Gold und Purpur: Kaiser Heraklius schreitet vorüber. Weihrauchgewölk und der blaue Duft schwelender Gewürzkräuter folgen der Spur des Herrschers.

Vor der Wand, die mit gelber Seide bespannt ist, steht ein flacher Thron auf erhöhtem Podest; ringsum aber klingelt ein Zauberhain goldener Bäume, deren Blätter Edelsteine sind und in deren Geäst künstliche Vögel sitzen. Und plötzlich beginnen sich die kunstreichen Mechanismen zu bewegen, aus dem Gezweig kommt ein Singen und Flöten, und die Vögel neigen ihre Köpfchen. Heraklius hebt die rotbehandschuhte Hand. Eine ferne, hoheitsvolle Stimme befiehlt Joannes Keraunos näherzutreten.

Wie im Traum überreicht der Gesandte die geschnitzte Elfenbein­büchse, die den Brief des Patriarchen enthält. Der unsäglich dicke Kanzler, der etwas tiefer als der Kaiser sitzt, nimmt die Botschaft entgegen, öffnet den Verschluß und entnimmt der Büchse ein ge­rolltes Pergament. An purpurnem Bande baumelt eine goldene Siegelkapsel. Der Kanzler prüft Echtheit und Unversehrtheit des Siegels, dann erst entrollt er das Blatt. Wie üblich, ist das Schreiben des Patriarchen an zwei Elfenbeinstäbchen befestigt, an denen man das Blatt leicht auf- und zuwickeln kann. Das Pergament zeigt die beste Schönschrift, ausgemalte Anfangsbuchstaben und eingefügte Heiligenbilder. Aber nur der kaiserliche Vorleser, ein Günstling, dem die Auszeichnung der roten Fußbekleidung zusteht, hat das Recht, den Text vorzutragen. Nach den gebräuchlichen Anreden und Einleitungen teilt Patriarch Sophronius aus Jerusalem mit, daß sich dort, wo das Heilige Land in die Arabische Wüste übergehe, in den letzten Monden große Unruhe ausbreite. In die jüdischen Nieder­lassungen und in die Siedlungen der Christen brächen Nomaden ein.

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Gefolgsleute eines Mannes, der weit im Süden in der Oase des Abrahambrunnens als Prophet die Fahne des Aufruhrs erhoben habe. Und nun seien auf heimlichen Pfaden die Abgesandten des Aufwieglers, Männer seiner Leibwache, mit Briefen unterwegs zu den Höfen des Negus von Äthiopien, des Kaisers von Persien, des Statthalters von Ägypten und des Satrapen von Syrien. Die Botschaft für den erlauchten Kaiser sei ihm, dem Patriarchen von Jerusalem, zur Weiterleitung nach Byzanz übergeben worden. Er lege sie hier­mit pflichtgemäß in die Hände Seiner Majestät. Man möge das Schreiben des Aufrührers nicht leicht nehmen, mahnt der Patriarch. Die Wüste sei groß und undurchschaubar. Irgendein Schicksal braue sich in jenem entlegenen Winkel der Welt. Der Nachricht des heiligen Bischofs ist ein kleines, schmutzig-gelbes Pergamentblatt beigefügt, offenbar jene seltsame Mitteilung aus Mekka, die den Patriarchen so nachdenklich gemacht hat.

„Ich wünsche den Brief dieses Narren zu hören!", befiehlt Kaiser Heraklius. Der Lektor überfliegt die Schriftzüge, stockt und stam­melt mit gepreßter Stimme, was geschrieben steht.

„Hört, Ihr Machthaber der Erde, es spricht zu Euch Mohammed, der Gottgesandte, der Prophet Gottes! Macht Euch bereit zur Unter­werfung, denn das Schicksal ist aufgebrochen, und das Antlitz der Erde wird sich verwandeln. Gott ist der einzige Gott, Gott ist das Ewige. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt, und ihm ist kein Wesen gleich. Er aber hat beschlossen, Euch in die Hand der Gläu­bigen zu geben, seid bereit.

Mohammed, der Apostel Gottes."

Einen Augenblick ist Schweigen. Auf dem elfenbeinfarbenen, vom langen, grauen Bart umrahmten Antlitz des Kaisers steht spöttisches Lächeln. Seine Worte sind voller Hohn und Verachtung:

„Unser Beich ist groß", sagt er, „von der Donau bis zu den Nil­katarakten, vom Kaukasus bis zum Atlantischen Meer regieren wir die Völker. Was will dieser Mohammed? Schickt ein paar thrakische Lanzenknechte gegen die wahnsinnigen Horden des verblendeten Wüstenseheiks!"

Die gespannten Züge der Umstehenden lösen sich, und es ist, als klingelten die Blätter der goldenen Bäume. Der Kaiser erhebt sich. Das Pergament des Propheten flattert achtlos zu Boden.

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Im Lateinischen Kloster zu Jerusalem . . . Zu Füßen des Ölberges liegt, eingebettet in Gärten, beschattet

von den dunklen Höhenrücken Jerusalems, eine kleine, nur not­dürftig aus den Ruinen des Perserkrieges erstandene Klause, das „Lateinische Kloster", die bescheidene Wohnstatt frommer Benedik­tinermönche. Die Insassen sind Italiker, Spanier oder Afrikaner, die zu den heiligen Stätten der Christenheit gepilgert sind, um hier den Wegen des Herrn zu folgen. Alle anderen Klöster Jerusalems leben nach der Regel des großen Basilius oder anderer, griechischer Ordensstifter. Auch gibt es viele gottentflammte Asketen: Säulen­steher, wilde Büßer und Höhlenmönche, — Einsiedler, die in Selbst­entäußerung gleich den Propheten des Alten Testaments von Heu­schrecken, Honig und Kräutern leben.

Seit Kaiser Heraklius vor drei Jahren das Heilige Kreuz wieder nach Jerusalem geführt hat, ist auch in Palästina überall das religiöse Leben zurückgekehrt.

Am späten Abend des vergangenen Tages hat sieh ein fremder Mönch das Kedrontal heraufgeschleppt, ist müde und zerschunden an die Klosterpforte gekommen und hat um Gottes Barmherzigkeit und beim Andenken Sankt Benedikts um Aufnahme gebeten. Diese Anrufung und die Tatsache, daß sich der Fremde der lateinischen Sprache bediente, haben ihm Nachtmahl und Unterkunft verschafft.

Noch weiß niemand, wer der Mann ist, woher er stammt und was ihn herbeigeführt hat. Er fiel — kaum, daß er ein wenig zu sich gekommen war — todmüde auf sein Lager. Nun aber ist die Nacht vorüber, die zerfallenen Mauern der Davidsburg zeigen den ersten Widerschein der aufgehenden Sonne, die jenseits des Ölberges herauf­kommt, während das Tal noch ganz im Schatten verdämmert liegt. Von den kleinen Laubhütten, die sich arme Leute an den Hang des Josaphattales gebaut haben, tönt das Krähen der Hähne herüber. Da und dort flackern Öllampen auf. In der „Lateinischen Klause" erhebt sich der Bruder „Circator", verrichtet ein kurzes Gebet, be­ginnt den Morgenrundgang und weckt die Mönche zur vierten Vigilie. Mit einem Holzhammer klopft er an die Türen der Schlafzellen.

„Surge Pater! — Wach auf, Vater!" An der Tür der dienenden Brüder klopft er zweimal. „Surgite fratres! — Wachet auf, Brüder!" Auch der fremde Mönch fährt beim Klang der lange nicht ge­

hörten Worte empor. Verstört blickt er sich um; er besinnt sich und verläßt gleich den anderen Brüdern das Lager. Schweigend ziehen

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die Mönche die Kapuzen über die Häupter, fügen sich zur langen Doppelreihe und schreiten, die kleinen öllämpchen vor sich haltend, durch die düsteren Gänge zur Kapelle. Andere stoßen zu ihnen, eine lange Prozession schwarzer, feierlicher Gestalten. Dicht neben­einandergereiht, vom roten Geflacker der Lichter umstrahlt, stehen sie in der Kirche, geben in liturgischem Rhythmus Antwort auf die Gebete des Priors und erheben dann ihre Stimmen zum Choral nach der Regel Papst Gregors. So begrüßen die Mönche den neuen Tag; denn es wird hell über den Höhen, der erste Abglanz des jungen Morgens fällt ins Tal.

Als sich der Zug der Klosterinsassen aus der Kirche zum Refek­torium bewegt, sieht man, wie das gefurchte Antlitz des fremden Bruders von Tränen feucht ist.

* * * Vor dem versammelten Konvent wird der Unbekannte nach dem

Woher und Wohin gefragt. Der Mönch fährt sich über das sonnen­gedörrte Gesicht, wischt sich über die Augen und blickt sich um.

„Fromme Väter", sagt er, „ich feiere heute die Heimkehr in die Christenheit, aus deren Gemeinschaft ich seit mehr als zwei Jahr­zehnten gerissen war. Ich bin ein Geretteter, den der Herrgott auf wundersame Weise aus den Ländern der Heiden heimgeführt hat.'

„Berichte von Anfang an, Bruder!" Der Mönch nickt, dann atmet er tief auf und beginnt. Dieses aber

war seine Erzählung:

Die Erzählung des Mönches

Sklave in Mekka Der Fremde stammte aus einem Gebirgsdorf in Süditalien. Er

hatte schon früh den Bauernkittel mit dem Gewand eines Mönches und den Namen seiner Jugend mit dem Ordensnamen Fabian ge­tauscht. Die Obern hatten ihn dem Kloster Vivarium in Unteritalien zugewiesen, das von dem großen Cassiodor — König Theoderichs Kanzler — gegründet war. Hier tat er in der Schreibstube Dienst, getreu dem Worte: „Soviele Wunden empfängt der Satan, als der fleißige Bücherabschreiber Buchstaben malt". Mit dem Schreibrohr kämpfte er gegen Unwissenheit und Unglauben, denn der Mönch Fabian schrieb eine gute Handschrift.

Da befahl der Prior des Klosters, in dem Fabian sich geborgen fühlte, daß er einen älteren Ordensmann auf einer Missionsreise

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Wüstenreiter mit der Fahne des Propheten

nach dem fernen Lande Äthiopien begleiten sollte; denn es ging die Kunde, daß in diesem Lande, nahe dem Rande der Erdseheibe, ein Priesterkönig Johannes herrsche, daß aber keineswegs sicher sei, ob die dortigen Christen sich zur wahren Glaubensformel des Konzils von Chalzedon bekannten. Gehorsam machten sich die Brüder St. Benedikts auf die Reise.

Das Schiff trug die beiden Männer in acht Tagen nach Alexandria; dort erfuhren sie, daß die Indienfahrer — denen sie sich anschließen wollten — den Weg durch den Ptolemäuskanal zum Arabischen Meerbusen nahmen. Da den Mönchen aber das Geld für die teure Fahrt durch den Nilkanal fehlte, begaben sie sich durch die ober­ägyptische Wüste zum sogenannten „Maushafen", um dort nach einer billigen Schiffspassage zu suchen. Sie zogen wegen der Hitze des Sommers bei Nacht, schauten nach den Sternen und durchquerten von Brunnen zu Brunnen die grausame Einöde. Über Tag rasteten sie unter einem armseligen Zelt. Nach vieler Mühsal erreichten sie glücklich den Hafenplatz am Roten Meer.

Die Handelsschiffe, die von hier aus in etwa dreißig Tagen die Südspitze Arabiens, in drei Monaten das ferne Indien und Ceylon ansteuerten, nahmen gewöhnlich Bogenschützen an Bord, weil man

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die Piraten der arabischen Küstengebiete fürchtete. Auch der Schiffsherr des kleinen Seglers, auf dem Fabian und sein Mitbruder fuhren, hatte sich einige Bewaffnete gemietet; aber wie wenig sollte diese Vorsicht ihnen nützen!

Am fünfzehnten Tage der Reise, als rote, ausgedörrte Felsen über dem breiten Meeresarm aufstiegen, ruderten plötzlich arabische Seeräuber auf zusammengebundenen Ochsenschläuchen hinter den Klippen hervor, griffen den Segler an, überwältigten die kleine Schar der Bewaffneten und kaperten das Schiff.

Alle, die an Bord waren, wurden auf die Sklavenmärkte verschleppt und wie Herdenvieh an die arabischen Kaufleute verschachert. Dabei wurde Fabian zu seinem größten Schmerze von seinem Mit­bruder getrennt. Auch die übrigen Gefährten der Reise sah er nicht wieder. Der Mönch kam zu einem Kaufmann, der in der Stadt Mekka, in „Arabia felix", beheimatet war . ..

Nun hatte zwar der römische Schriftsteller Strabo viel Wunder­sames von diesem Südlande Arabiens geschrieben; aus seiner Feder stammte auch der Name Arabia Felix — das glückliche Arabien. Da gebe es Oasen mit Milch- und Honigquellen, Weihrauch und Gewürze dufteten in den Gärten, und mit Gold und Elfenbein spielten die Kinder. Aber das war Seefahrergeschwätz! Seit langem sah die Wirklichkeit ganz anders aus . . . Diese riesige Halbinsel, die von Meeren- umschlossen als undurchdringliche Sperre zwischen Afrika und Asien lag, war in all ihren Teilen barbarische Wildnis geworden. Auch die Küstengebiete der Arabia Felix mit ihren einst reichen Fürstentümern, Handelsplätzen, üppigen Palmenwäldern, Gärten und gesicherten Karawanenwegen lagen verödet. Herr des Landes waren die Beduinen der „Arabia Deserta", der arabischen Wüste, gewalttätige Räuber, die immer wieder plündernd in die besiedelten Oasendörfer entlang des Meeres einbrachen.

Die mitleidlose Härte des Landes, diese glühende Platte auf höllischem Herd, ließ nur wenige Möglichkeiten, an die sich das Leben der Menschen klammern konnte. Wo eine warme, salzig schmeckende Quelle aus dem Sand sickerte, sammelten sich einige ' Palmen und Weideflächen um die Nähe des belebenden Wassers. Diese Plätze waren die Trittsteine der Wüste. Tagelang eilten die selten gewordenen, immer gefährdeten Kamelkarawanen durch den wehenden, wandernden Sand zur nächsten Rettungsinsel, und der dürre, schweigende Tod folgte jeglichem Leben auf seinem Pfad durch die Öde. Wenn die Nomaden sich des Nachts in die blauen Schatten der Berge kauerten und ihr Lagerfeuer, von Kamelmist

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gespeist, zuckend die Dunkelheit ein paar Schritte weit erhellte, wenn sich der hohe Silberbogen des stummen Sternenhimmels über ihnen wölbte, dann glaubten sie, daß die Wüste belebt sei von tausend Dämonen, Geistern, Engeln und Götzen — sie fühlten die Nähe der Ewigkeit und fanden doch nicht den Weg zu ihr . . .

Zwei Urkräfte waren es, die hier den Menschen beherrschten: Aus Dürftigkeit und Kargheit wuchs zuerst die gewaltige Sehnsucht nach dem Leben — nach Wasser, blühenden Gärten, Reichtümern, Schätzen und Genüssen; aus der stummen Großartigkeit der töd­lichen und verzehrenden Landschaft schlug aber auch das Feuer urwilder Entflammung, ein Sich-Selbstverbrennen, das die Menschen anfällt wie der Gluthauch von Dämonen.

Am stärksten brannte dieses Feuer bei den Wüstenstämmen, jenen ungezügelt dahinlebenden Arabern der felsigen Hochländer und Dünenmeere des inneren Landes, das unerschlossen war. Nur hier und dort entlang einer Karawanenstraße hatten sich jüdische Siedler niedergelassen. Man sagte, es seien die Nachfahren jener, die vor einem halben Jahrtausend vor den Legionen des Kaisers Titus aus dem zerstörten Jerusalem geflohen waren. In den süd­lichen Oasenlandschaften, am Roten Meer und am Ozean, wo seß­hafte Araberstämme lebten, hatten Krieg, blutige Fehden und Ver­folgungen die silbrig flimmernden Büsche der Weihrauchbäume in den Gärten, die Gewürzplantagen und die Kupfer- und Türkisgruben vernichtet. Die Karawanenwege aber waren verfallen, seitdem die Ägypter und Äthiopier mit ihren Seglern den Kaufleuten aus dem Mittelmeer den Seeweg nach Indien eröffnet hatten. Einzig die Stadt der heiligen Kaaba, die uralte Oase Mekka, hatte in dieser alten Kulturlandschaf t einen letzten Abglanz einstiger Größe bewahrt.

Aber wie verkommen war selbst diese Stadt! Sie war zu einem armseligen Platz von einigen Tausend Einwohnern herabgesunken. Es gab keine Gärten mehr, nicht einmal die Dattelpalme — die in ihrer Bedürfnislosigkeit der Nachtkälte und der Tageshitze wider­steht — gedieh auf der verwüsteten Erde. Wenige Dornsträucher und dürre Weiden zogen von den nackten Felsenbergen ins Tal, in dem die weißen Lehmhäuser sich um ein Heiligtum sammelten. Daß die Menschen dort trotzdem ausharrten, dafür gab es auch nach dem Verfall des durchziehenden Gewürz- und Elfenbeinhandels manche gewichtigen Gründe: Der Sklaven- und Kamelmarkt warf im Laufe des Jahres einigen Verdienst ab. Aber mehr noch banden zwei Dinge den Menschen an Mekka: Das eine war der Heilige Brunnen Zem-Zem, das andere die Kaaba.

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Von dem Brunnen erzählten die Araber in ihrer aus biblischer Überlieferung und alten Volksmärchen gemischten Vorstellungswelt, daß Abrahams Magd Hagar ihn mit ihrem Sohn Ismael entdeckt habe. Deshalb galt Ismael den Arabern als Begründer ihres Volkes, Abraham als der Begründer Mekkas. DieKaaba aber war ein würfel­förmiger, aus Holz und Lehm gefügter Tempel, der sich auf dem Hauptplatze Mekkas erhob. Er war um einen Stein errichtet, von dem die Einwohner erzählten, er sei in undenklicher Vorzeit als Bot­schaft eines Gottes vom Himmel gefallen. Die Oberfläche des Steines war von den unzähligen Küssen der Pilger geglättet. Das Kaaba-Haus hatten die Pilger mit Fellen und Teppichen behängt und eine Unzahl hölzerner Götzenbilder dort aufgestellt. Einer dieser Götzen — dem die Gläubigen die höchste Verehrung zollten — trug den Namen Hobal, oder wie ihn die Wüstenstämme nannten: Al-Lat — Al-Lah . . .

* * *

Was i n M e k k a g e s c h a h . . .

In jener Stadt Mekka also kam der Mönch Fabian in das Haus eines Kaufmannes, um ihm als Sklave zu dienen. Die Karawanserei seines Herrn umfaßte breithingelagert einige Gebäude oberhalb des Platzes der Kaaba. In ihnen wohnten meist Pilger, die zum Heilig­tum gekommen waren. Das Tagwerk war hart, und oft erhielt der Gefangene statt der Nahrung grausame Peitschenhiebe.

Da begab es sich, daß ein junger Mann namens Zaid, mit dem Fabian nach Sonnenuntergang häufig am Kamelbrunnen im Hofe des Nachbarhauses zusammentraf, sich dem Mönche näherte und zu seinem Freunde wurde. Das Haus des Nachbarn ragte mit mehreren Stockwerken weit über die Stadt und gehörte der reichen Kauf­mannswitwe Chadidja. Zaid war ihr ' Sklave. Er hatte, ehe er nach Mekka verkauft wurde, christlichen Kaufleuten in Syrien ge­dient und besaß eine schwache Vorstellung von den christlichen Wahrheiten. Durch Zaid erfuhr Fabian im Laufe der Jahre all jene Vorgänge im Hause Chadidjas, die später für das Schicksal von Byzanz und des Abendlandes so bedeutungsvoll geworden sind. Im Hause Chadidjas verkehrte ein junger, vermögensloser Händler namens Mohammed, eben jener spätere „Apostel Gottes", der in fernen Tagen seine drohenden Botschaften an die Mächtigen des Erdkreises senden sollte.

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Die Kaabe in Mekka nach einer altpersischen Handschrift

Freilich war Mohammed damals ein Mann ohne Rang und Namen in einem Volke, das seine Führer nur nach Alter, Vermögen und Wagemut auswählte. Er war der Sohn Abdullahs des Sohnes Abd AI Muttalibs und schon in jungen Jahren zum Waisen geworden. Als Hüteknabe wuchs er auf, dann hatte er sich auf den Pilger­märkten nützlich gemacht. Als Mohammed das 40. Lebensjahr über­sehritt, war er ein kleiner, sehr beweglicher Mann mit durchdringen­den schwarzen Augen. Das feingeschnittene Antlitz umwallte der rötliche Bart. Man nannte Mohammed den „Zuverlässigen". Er war wortkarg; wenn es aber ein Unrecht zu verhüten galt, entfachte sich in ihm eine leidenschaftliche Beredsamkeit. Sein Mitgefühl galt allen Lebewesen. Er erhob seine Stimme gegen die Tierschinder und Vogel­räuber. Kamelen, die nach dem Tode ihres Herrn an die Grabsteine gefesselt wurden, bis sie verhungerten, gab Mohammed die Freiheit; er wandte sich gegen die Brandzeichnung der Tragesel, gegen das Abschneiden der Pferdemähnen. Freundlich war er auch zu den Kindern. Trotzdem war er von Geheimnissen umwittert. Zaid und

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die anderen Sklaven sprachen nur mit Scheu von ihm. Ein seltsamer Einfluß ging von ihm ans. Es hieß, daß er mit Engeln und Dämonen in Verbindung stehe, auch warfen ihn von Zeit zu Zeit schreckliche Anfälle böser Geister zu Boden, und allerhand Stimmen sprachen aus ihm . . .

Der Mönch Fabian sah zu seinem Kummer, daß der Sklave Zaid, den er so gern heimlich für den christlichen Glauben gewonnen hätte, sich immer mehr seinem Einfluß entzog und in den Bann Mohammeds geriet. In dieser Zeit geschah es auch, daß die vierzig­jährige Chadidja Mohammed die Hand zur Ehe gab und ihn damit zum reichen Kaufherrn machte. Jetzt war er 'Zaids Herr, und da Mohammed — genau wie Fabians eigener Herr — zum Hauptstamm der Koreischiten gehörte, war es gut, sich sein Mißfallen nicht zuzu­ziehen. Um diese Zeit begann •Mohammed über die göttlichen Dinge nachzudenken; es war für ihn schmerzlich zu beobachten, wie seine Heimatstadt Mekka langsam dahinschwand und die Pilgerzüge von Jahr zu Jahr seltener wurden. Er schloß daraus, daß die Tage der Götzenbilder vorüber seien und daß die hölzernen Götter und Dämonen in der Kaaba ihre Wirkung selbst auf die einfachen Araber der Wüste eingebüßt hatten. Da ihm manches aus der durchgeistigten Glaubenswelt des Christentums vertraut war und er zudem den Ein-Gott-Kult der Juden täglich vor Augen hatte, rang er sich bald zu der Einsicht durch, daß nur ein einziger, wahrer und rein geistiger Gott lebe. In Visionen, Träumen, Engelsoffenbarungen glaubte Mohammed die Stimme dieses Gottes, des Allah der heiligen Kaaba, zu hören. Was ihm so aus dem Jenseits zugetragen war, berichtete Mohammed den wenigen Freunden, und sie zeichneten seine Aus­sprüche auf — mit Kohle auf das weiße Schulterblatt eines Schafes oder mit Rötel auf eine gegerbte Eselshaut — und faßten sie zum Buche der „Suren" zusammen. Immer wieder spraeh Mohammed darin von dem Undank der Geschöpfe gegen ihren Schöpfer:

„Bei den schnellen Rossen, die schnaubend dahineilen Und mit ihren Hufen Funken aus dem Gestein schlagen, Bei denen, die in der Morgenfrühe auf den Feind einstürmen Und dabei Staubwolken aufwirbeln und Die feindlichen Haufen durchbrechen . . . Wahrlich der Mensch ist undankbar gegen seinen Herrn . . . "

Er forderte von den Menschen Unterwerfung unter Allahs Gesetz und nannte sich selber „Sendbote Gottes" und „Muslim", d. h. „Er­gebung in den Willen Gottes."

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„Gott ist ein einziger Gott, Gott ist der Ewige! Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt, Und ihm ist kein Wesen gleich . . ."

Aus den beiden großen Bekenntnissen der Christen und Juden zog er den Schluß, daß die Welt immer noch auf das Erscheinen eines Erlösers warte — denn gerade in Arabien kannte man damals das Christentum meist nur durch die syrischen und ägyptischen Sekten. Unter diesen Sektierern aber raunte man seit langem von einer bevorstehenden Wiederkehr Christi, vom tausendjähriggn Reich und dem bevorstehenden Jüngsten Gericht. Darum erklärte Mohammed, Moses und Christus seien große Propheten gewesen, er aber sei der dritte und größte, gesandt, Gottes Allmacht und Stärke und das Gericht über die Guten und Bösen zu verkünden. „Das Richtende! Was ist das Richtende? Und was wird Dich lehren, was das Richtende sei? In diesen Tagen werden die Menschen zerstreuten Motten, Werden die Berge auseinandergezupfter Wolle gleichen. Und der, dessen Waagschale voll ist, wird ein herrliches Leben führen; Der aber, dessen Waagschale zu leicht ist, Der soll im Abgrund der Hölle Wohnung finden! Was aber lehrt Dich verstehen, was dieser Abgrund ist? Er ist das glühende Feuer . . ."

Dem einzigen Gott Allah opferte Mohammed die Stammes- und Oasengötter Arabiens. Er wollte die Religion Abrahams wiederher­stellen und verpflichtete seine Jünger zu den gottesdienstlichen Handlungen der Juden: Waschungen und Enthaltung von dem Genuß des Schweinefleisches.

Aus seiner Familie hielt zuefst Chadidja, die Treue und Ergebene, die mütterliche Freundin, zu ihm. Sie erst gab Mohammed, der noch immer zweifelte, ob er die Stimmen von Dämonen oder das Wort des Erzengels Gabriel höre, das feste Vertrauen zu sich selbst. Dann kamen vor allem Sklaven des Hauses und der Nachbarschaft zu ihm: der gute, dunkelhäutige Zaid mit seiner plattgeschlagenen Nase; der äthiopische Neger Bilal, ein Kerl wie ein Turm; Waraka, alt und zahnlos; dann der junge Ali, ein Vetter Mohammeds. Die meiste Stärkung erhielt die kleine Gemeinde durch die Gewinnung Abu Bekrs, eines reichen Kaufmannes, der im Hause Chadidjas verkehrte.

Das Überraschendste an Mohammeds Vorgehen war die Spren­gung der strengen Stammes- und Sippeneinteilung Mekkas. Die

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neuen Gläubigen waren nicht nur Angehörige der bevorzugten Koreischiten, sondern auch anderer Gruppen, ja sogar der Sklaven. Diese Mißachtung alter, geheiligter Gebräuche erregte viel Aufsehen. Die Feinde Mohammeds begannen, sich der neuen Lehren zu er­wehren und belästigten seine Anhänger. Einmal wurden fast alle Sklaven — auch Zaid und Bilal — in den Fußbock gesperrt und mußten einen langen Tag in der erbarmungslosen Sonne auf dem Platz der Kaaba sitzen. Sie alle waren am Abend ohnmächtig, einzig Bilal lallte unverdrossen: „Akhad! A k h a d . . .", das heißt „Einer Einer . . ." — er meinte den einen Gott.

Dabei forderte Mohammed von seinen Freunden keineswegs das Martyrium. Das Paradies, das er ihnen versprach, malte er vor ihren Augen als einen ewigen Lustgarten mit kühlenden Wassern, schat­tigen Gärten und Flüssen, in denen Milch und Honig fließt. Jeder, der bei seiner Lehre ausharre, werde dieser Freuden des Jenseits teilhaftig. So lehrte er in der 78. Sure:

„Für die Gottesfürchtigen aber ist eine Stätte der Seligkeit bestimmt,

Ein umzäunter Garten mit Weinreben Und ein immer randvoller Becher . . ."

Die Grundsätze Mohammeds aus dieser Zeit waren in die Formel zu fassen: Allah ist der einzige Gott und Mohammed ist sein Prophet. Zu diesen beiden, beinah einzigen Dogmen kamen eine Reihe untergeordneter Vorschriften und fünf unumstößliche Pflichten, das sind: vorgeschriebenen Waschungen, das Verrichten der Gebete, die Einhaltung des Fastenmonats Ramadan, in dem sich die Gläu­bigen von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang der Speise, des Trankes und aller Genüsse zu enthalten haben, weiter ist jedem aufgegeben, einmal in seinem Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka zu unternehmen, und als fünfte und letzte Pflicht ist eine Armensteuer zu leisten: Als Mohammed diese Lehre formte, lebte er lange Zeit in der Wüste, um sich zu sammeln und mit den Geistern zu ringen. Als er wiederkehrte, begann er die neue Lehre auch über den Kreis der Familie und Sippe zu verbreiten, er nannte sie „Islam" — das heißt „Hingabe an Gott!"

„Bei der Sonne und ihrem Scheine, Bei dem Monde, wenn er ihr folgt, Bei dem Tage, wenn er sie verhüllt, Und bei der Nacht, wenn sie bedeckt, Beim Himmel und dem, der ihn gebaut hat,

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Mohammed nnd AH, nach einer alündischen Handschrift

Bei der Erde und dem, der sie ausgebreitet hat, Bei der Seele und dem, der sie gebildet hat, Wohl dem, der sich von Sünden reinigt; Hoffnungslos, der durch sie verdorben bleibt. . ."

In dieser dichterischen Verklärung seiner Lehre war Mohammed ganz Araber. Wenn die Wüstensöhne an abendlichen Lagerfeuern kauerten und die Sternennacht rings um sie lauschte, dann fabelten sie gern in klingenden Worten von bunten, herrlichen Märchen und bauten kühne Traumschlösser. Der Prophet war einer von ihnen, er wußte, wie Wohlklang und Gleichmaß ins Ohr gingen, wie sehr der rhythmische Fluß seiner Sprache überzeugte. Jede Strophe seiner heiligen Lehrdichtung klang in einem donnernden „Hah!" aus, und das war wie das Niederprasseln jagender Rossehufe.

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D a s F e u e r i s t a n g e z ü n d e t !

Zunächst glitt Mohammeds Schicksal bergab. Die Feindschaft der Mekkaner nahm zu, die Juden verspotteten ihn, die Kaufleute ruinierten sein und Chadidjas Vermögen und verjagten viele seiner Anhänger nach dem benachbarten Medina. Als endlich die Haupt­stütze Mohammeds, der reiche und mächtige Abu Tahib, ein Onkel des Propheten, starb, glaubten die Gegner zum offenen Angriff übergehen zu dürfen. Aber lange schon hatten Mohammeds Getreue die Flucht vorbereitet. Auf wundersame Weise entrann der Prophet den Häschern.

Freilich ist manches legendenhaft an dieser Erzählung von Mo­hammeds Flucht. Die phantastische Vorstellungskraft der Orientalen überschattete in der Erinnerung zu oft den tatsächlichen Gang der Ereignisse. So berichtet die Überlieferung, daß eines Abends die Rotte in Chadidjas Haus eingedrungen sei, aber statt Mohammed habe man nur Ali im Schlafgemach gefunden. Der Prophet habe in dem düsteren Hausflur mit einer Handvoll Pfeffer seine Gegner ge­blendet und sei entkommen.

Mohammed flüchtete in die Berge und verbarg sich in einer Höhle. Eine mitleidige Spinne zog ein Netz vor den Eingang. Die Verfolger durchsuchten deshalb die Höhle nicht; denn wie hätte ein Mensch hineinschlüpfen können, ohne das Gespinst zu zerreißen?

Am Tage nach seiner Rettung hatte der Prophet seine Heimat­stadt Mekka schon weit hinter sich gelassen. An einem vereinbarten Treffpunkt fanden ihn die Freunde, die ihm gefolgt waren. Da die Flüchtigen in der mehrere Tagemärsche entfernten Wüstenstadt Jatrib—Medina viele Anhänger wußten, zu denen Mohammed vor der Heiligen Kaaba gepredigt hatte, wandte er sich mit seinen Be­gleitern dorthin. Die Freunde aus Medina kamen ihnen mit schnellen Rossen entgegen, und Mohammed ritt unter ihrem Schutz in die gastliche Stadt. Den Tag dieser Flucht — es war der 20. Juni des Jahres 622 nach der Geburt des Erlösers — haben Mohammeds An­hänger „Hedschra", „Auswanderung" genannt. Für sie war die An­kunft des Propheten in Medina wie der Anbruch einer neuen Zeit.

Medina empfing Mohammed wie einen Gottgesandten, und die Ausgestoßenen schlössen Mann für Mann mit je einem Mitglied der angesehenen Familien zu Medina Blutsbrüderschaft. Hier entstand eine kleine, glaubensstarke Gemeinschaft, die bereit war, alles für ihren Glauben hinzugeben. In Medina vollzog Mohammed auch eine

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straffere Zusammenfassung seiner Lehre. Der Islam wurde zur Re­ligion und Organisation; denn die Fremde und die tödliche Feind­schaft Mekkas zwangen zur Zusammenraffung aller Kräfte. Um seine Anhängerschaft durch den Hinzutritt Andersgläubiger zu ver­mehren, verkündete derProphet die Verbrüderung der Bekenntnisse:

„Die Gläubigen: Juden, Christen und Andere, die an den jüngsten Tag glauben und gute Werke ausüben, werden Lohn bei ihren Herrn empfangen und haben keinen Grund sich zu fürchten. Alle früheren Propheten — Moses wie Christus — waren von Gott mit der gleichen Lehre ausgesandt, ein jeder zu seinem Volke."

Den jüdischen Gemeinden in den Oasen suchte Mohammed dadurch entgegenzukommen, daß er seinen Anhängern befahl, sich beim täglichen Gebet in der Richtung des Heiligen Tempels zu Jerusalem zu verneigen. Als die Glaubenstreue der Israeliten ihn zurückwies, riß er sich und seine Lehre von Moses los und befahl den Betern, das Antlitz, wo sie auch seien, nach der Kaaba zu verneigen. Dann nahm Mohammed den Kampf gegen Mekka auf. Ein vieljähriger Wüstenkrieg begann.

Mohammed war sich wohl bewußt, daß das Schwert ebenso sehr den Schlüssel zum Himmel wie auch zur Hölle sein konnte. So erbat er sich in einer Verzückung den Spruch des Engels. Und der Himmel offenbarte ihm, daß der Kampf, der für die Verteidigung des wahren Glaubens geführt werde, Gott wohlgefällig sei. „Am Tage des Gerichts sollen die Wunden der im Heiligen Krieg Gefallenen leuchten wie Rubinen und duften wie Balsam."

Die Einwohner Medinas begannen mit Überfällen auf mekkanische Karawanen, machten Beute, lobten Allah und Mohammed. Da meldete man eines Tages das Herannahen eines großen Waren­transportes, der von der Küste durch die Berge nach Mekka ge­schafft werden sollte. Ohne Zögern zog der Prophet der Karawane entgegen. Dreiundachtzig Mekka-Flüchtlinge und zweihundertund­dreißig Leute aus Medina folgten ihm. Rasch verbreitete sich die Nachricht vom Aufbruch des Propheten. Auf dem Tempelplatz in Mekka mischten sich die anfeuernden Rufe der Weiber und die Empörung der Männer in das Klirren rasch herbeigeschaffter Waffen und das aufgeregte Wiehern der Rosse. In kürzester Zeit stand eine Streitmacht von 950 Männern, 700 Kamelen und 100 Pferden marschbereit, um die Karawane zu schützen und Mohammed zu züchtigen.

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Späher hatten das Ziel des Mohammedzuges erkundet: am Brunnen von Badr sollte der Überfall stattfinden. Auch Fabians Herr war ge-waffnet in den Sattel seiner weißen Kamelstute gestiegen und hatte dem Mönch befohlen, ihm mit einem Packesel zu folgen. Fabian lief inmitten des Lärmes und Staubes, ausgedörrt von der Hitze. Weitentrollte Banner flatterten, Pomp und Pracht umgaben die Krieger, die mit untergeschlagenen Beinen auf hohen Kamelsatteln sassen; Zimbeln und Flöten, Pauken und Gongs dröhnten unab­lässig, und das Heer war in steter durcheinanderwogender Be­wegung. An den Rastplätzen wurde Vieh geschlachtet und Wein ausgeschenkt, griechische Tänzerinnen tanzten zum Schall von Kessel­pauken und Knochenflöten. — Bei den Göttern der Kaaba, Truppe und Troß kamen viel zu langsam voran!

Inzwischen hatte Mohammed den Brunnen von Badr besetzt und dadurch die Mekkaner gezwungen, um das Wasser zu kämpfen, so­fern sie nicht verdursten wollten. Der Prophet betete bei An­näherung des feindlichen Heeres in einer Hütte und erflehte Allahs Erleuchtung und Hilfe. Kurz vor Beginn der Schlacht stand er wieder unter den Seinen, verhieß den Tapferen das Paradies, den Feiglingen die Hölle und verkündete das Herannahen eines Hilfs­heeres von 3000 Engeln. In fanatischer Ekstase stürzten sich die Entflammten auf das Heer der Mekkaner. Vor dem ungestümen An­griff wurde die Streitmacht Mekkas in alle Winde zerstreut und hinterließ Beute, Schlachtfeld und Sieg dem Propheten. Im Triumph kehrte Mohammed nach Medina zurück.

Die Schlacht von Badr hatte den Weg in die Zukunft frei gemacht, daran änderten auch einige kleinere Niederlagen nichts mehr. In zunehmendem Maße schlössen sich dem Propheten nun die Beduinen­stämme Innerarabiens an, selbst Mekka widerstand nicht länger. Der Flüchtling von einst konnte an der Spitze von 2000 Reitern Einzug auf dem Platze der Kaaba feiern, die Götzenbilder entfernen und die Kaaba zum Heiligtum des einen, rein geistigen Gottes machen. Zwei Jahre danach führte der sechzigjährige Mohammed eine Pilger­schar von 140 000 f anatisierten Arabern in seine Heimatstadt.

„La ilaha illa ilahu" — kein Gott ist außer Allah! Das war ihr Losungsruf, und es gab im arabischen Lande niemand mehr, der ihn j überhören konnte. Schon standen unter Mo'hammeds Fahne be- j deutende Beduinenscheiks. Mekka wurde die „Verbotene Stadt". I Nur Muslims durften pilgernd die heiligen Bezirke betreten, mit 1 ihren Lippen den göttlichen Stein berühren, aus dem Brunnen I Zem-Zem schöpfen und siebenmal zu den sieben Heiligen Hügeln I

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der Stadt hinansteigen. Über der Wüste Arabiens war Allahs Flamme entzündet. Der Islam war bereit, die hemmenden Dämme ringsum zu durchbrechen . . .

Die Sendboten Allahs

Das also war es, was die Brüder im „Lateinischen Kloster" zu Jerusalem aus dem Munde des Fremden erfuhren, der sich in ihre Gemeinschaft geflüchtet hatte. „Möge der Herr es fügen", so schloß der Mönch Fabian seine Erzählung, „daß der Schlachtruf von Mekka niemals wie die Posaune des Jüngsten Gerichts über den Ländern der Christenheit ertöne".

Noch während der fremde Bruder sprach, hatte sich die Er­regung, mit der er seine Schilderungen und Schicksale vortrug, auf die Brüder des Konvents übertragen. Zum erstenmale kam hier glaubhafte Kunde aus dem Mittelpunkt des Wüstenaufruhrs, und die Botschaft Mohammeds an die Mächtigen der Erde und an den Kaiser gewann unter dem Eindruck dieses Berichtes doppelt be­drohliches Gewicht. Hier in Jerusalem, in der engsten Nachbarschaft der brodelnden Wüste mußte man die Fanfarenrufe von drüben ernster nehmen als im fernen Byzanz hinter den unüberwindlichen Bastionen des Bosporus.

„Mein Bruder, niemand hier in Jerusalem", so sagte nach einer Zeit des Schweigens der Prior, „niemand, Christ wie Jude, wird die Furchtbarkeit dieser Drohung bezweifeln. Schon leiden unsere Ge­meinden im Süden unter den sich mehrenden Überfällen fanati-sierter Beduinenschwärme. Der Ruf „Allah il Allah" ist zum Schreckensruf für die einen aber auch zum Lockruf für viele andere geworden. Die Flut aus der Wüste tritt bereits allerorten über die Grenzen. Aber der Herr wird diese Geißel von seinem Volke fernhalten!"

„Möge es so sein, wie du sagst, o Vater!" entgegnete Fabian. „Mohammed hat den Hohn und Hochmut, mit dem die Kaiser und Könige seine Botschaften und Boten bedacht haben, mit dem Fluche beantwortet: „Mein Gott, zerreiße du ihnen ihre Reiche, wie sie meine Pergamente zerrissen haben." Der Islam kann zum Sturm­wind werden, ihr Brüder! Schon ordnet er seine Reitermassen. Jeder seiner Anhänger fühlt sich als Sendbote Gottes, und wie eine Fackel brennt in ihnen der Auftrag des Propheten, die neue

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Lehre mit Feuer und Schwert in dieWelt zu tragen und die Völker dem einzigen Gotte Allah zu unterwerfen: „Bekämpfet auf dem Wege Gottes die, so Euch bekämpfen", ist sein Befehl. Und wahr­lich, bei St.. Benedikt!, Mohammed hat die Gier seiner Heerscharen mit großartigen Lockungen entzündet. Jeder Streiter Allahs soll nach dem Willen des Propheten gleichen Anteil an der Kriegsbeute haben, nur ein Fünftel soll dem Propheten gehören. Mit Trompeten­stößen verkündete er seine Forderungen: Freiheit des Bodens, Be­freiung von harter Zinsknechtschaft, von ungerechten Steuern und Anteil an allem Land für jeden, der sich zu Allah bekennt! Diese einfache und gut verständliche Sprache wird ihre Wirkung auf die Armen, die Unterdrückten und Entrechteten in allen Ländern haben. Warten nicht die Ketzer, die Sektierer, die Unruhigen in den öst­lichen Provinzen auf den Anlaß zum großen Brande? Glaubt mir, der Islam ist ein gefährlicher Geist, der den Erdkreis erfassen wird . . ."

„Bruder, wie sprichst Du? Wir alle stehen in Gottes Hand!" „Ich bin Christ, meine Väter, doch verschließe ich nicht die

Augen vor dem, was ist. Ehe der Prophet von einer tödlichen Krankheit ergriffen wurde, überfiel ihn noch einmal eine seiner Erleuchtungen und er rief den Umstehenden zu:

,0 ihr Menschen, das Feuer ist entzündet! Und es wird eine Verwirrung wie die dunkelste Nacht kommen.'

Und er wiederholte einigemale mit grollender Stimme das Wort: .Ich Bin das angezündete Feuer Allahs! Wahrlich, das Feuer ist angezündet!"1

Betreten blicken die Mönche zu Boden.

„Du hast uns noch nicht gesagt, Bruder, wie Du dem schrecklichen Lande entkamst?"

„Der Engel des Herrn führte mich. Vor einem halben Jahre am 8. Junius des 632. Jahres nach der Geburt des Erlösers ist Mo­hammed in den Armen seiner zweiten Frau Ayescha verschieden. Abu Bekr, sein alter Anhänger, warf sich zum ,Kalifen' — zum Nachfolger des Propheten auf. Die Wüstenstämme erhoben sich, Aufstände brachen in Mekka und Medina aus, in der Verwirrung gelang mir die Flucht. . . "

Der Heimgekehrte breitet die Arme aus, als empfinde er nun erst das volle Glück, unter Glaubensbrüdern weilen zu dürfen.

„Hier stehe ich, bin gerettet! Ewiger Dank sei dem Herrn!" Die Väter Sankt Benedikts sprechen das Amen.

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I n de r Omar-Hosch.ee Wahrlich, das Schicksal ist aufgebrochen, die Welt von Grund auf

zu erschüttern; die Flamme Allahs springt aus den arabischen Ein­öden in den Kreis der Kulturstaaten . ..

Abu Bekr, der Erste Kalif, ringt noch mit aufsässigen Wüsten­stämmen, mit den Beduinen von Kufa und den Leuten aus Oman, da schickt er — getreu dem Vermächtnis des Propheten — schon das erste Eroberungsheer nach Südbabylonien, um sein Teil an Beute aus dem Leibe des tödlich verwundeten Perserreiches zu reißen.

Als den wilden Kamelreiterscharen die Einnahme des reichen Landes an der Mündung der Ströme Euphrat und Tigris unerwartet leicht, gelingt, entsendet Abu Bekr im Frühjahr des folgenden Jahres (634) zwei Heere gegen Syrien, um Jerusalem, die heilige Stadt Gottes, von der Mohammed so Herrliches gesprochen hat, zu erobern. Die Kunde von ausgedehnten und erfolgreichen Beute­zügen rührt alle Araber auf und führt sie in hellen Scharen unter die grüne Fahne des Kalifen. Sieg und Reichtum auf Erden, das Paradies mit allen irdischen Freuden und ewig blühenden Gärten erwarten die Glaubensstreiter im Jenseits.

Jetzt kommt die Stunde, da sich Kaiser Heraklius sorgenvoll jenes Tages erinnert, da er zum ersten Male den Namen Mohammeds ver­nommen hat. Das Schicksal ruft ihn aus .seinem Zauberschloß, er er­hebt sich vom Throne der goldenen Magnaura — unter klingelnden Juwelenbäumen und mechanischen Goldvögeln — läßt sich mit der silbergetriebenen Rüstung des Feldherrn wappnen und den Purpur­mantel des römischen Imperators um die Schultern legen. Dann reitet der Kaiser zu den in Syrien versammelten Heeren, den Kampf um den Bestand des Reiches aufzunehmen.

Die arabischen Feldherrn Amr ibn al Aß und Chalid haben den römischen Reichsmarschall Aretion zum Kampf gestellt; zum ersten Male begegnen sich Halbmond und Kreuz auf dem Schlachtfelde. Das Feuer aus der Wüste rast über das Christenheer fort. Die völlig aufgelösten kaiserlichen Scharen fluten über den Jordan nach Jerusalem zurück. Alles, was außerhalb der Mauern liegt — auch das „Lateinische Kloster" im Tale Josaphat — steht in Flammen. Aretion rettet den Kern seines Heeres mit Not auf den Felsen von Sion, unter dessen Bastionen nun die Kamelreiterkorps des Islam vorüberströmen und alles verwüsten, was am Wege liegt.

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Unter den Mauern von Damaskus stellt sich Kaiser Heraklius der Streitmacht des Propheten, aber auch hier siegen nach furchtbarem Hingen die fanatisierten Massen des Islam, ein halbes Jahr später weht die grüne Fahne auf den Zinnen von Damaskus.

Kalif Abu Bekr führt seine Heere nicht selbst, er residiert in Medina und beaufsichtigt die Sammlung der Aussprüche des Pro­pheten. Die 114 Suren werden in der „Lesung", dem „Koran", ver­einigt, der künftig das Buch der Offenbarungen für die Gläubigen sein wird.

Noch während die ersten Erfolgsnachrichten der Reitervorhuten eintreffen, stirbt Abu Bekr und hinterläßt die Führung dem her­vorragendsten unter Mohammeds Fluchtgenossen, dem kraftvollen Omar, der als „Zweiter Kalif" die Fahne des Propheten weiterträgt.

Nun muß sich Persien erneut des Ansturmes erwehren. Überall schließen sich die in langer Vorzeit eingewanderten Araber, die als Händler, Hirten und Soldaten ins Land gekommenen Wüstenbauern dem Vormarsch der Mohammedaner an. Die ärmere Bevölkerung bekehrt sich begeistert zu einer Religion, die gleiche Beuteanteile für die Glaubensstreiter sichert. Stück um Stück stürzt das Perser­reich in sich zusammen; auf den Ruinen von Persepolis schlägt der letzte Schah die letzte Schlacht; dann ergießt sich der Strom der Sieger unter dem Rufe „Kein Gott außer Allah!" bis an die Füße des Kaukasus, ins Hochland von Iran und in die unausdenkbare, grenzenlose Weite des Ostens.

Um dieselbe Zeit wird auch die Eroberung Syriens abgeschlossen. Omar selbst führt die Heere nach Jerusalem, um die Heilige Stadt zu belagern. Am Tage von „Dschabija" erlaßt der Kalif die Ver­ordnungen, nach denen die große Beute der Welt verwaltet werden soll.

Künftig erhalten alle Gläubigen, die am „Heiligen Kriege" des Propheten teilnehmen werden, ein festes Einkommen, nur ein Fünftel aller Werte verfällt dem Staate. Altbesitzer können in den eroberten Ländern gegen Zinszahlung auf ihren Häusern, Gütern und Ackern seßhaft bleiben. Da aber Ostrom-Byzanz, durch die Katastrophen der letzten Zeit gezwungen, ungeheuerliche Steuer­sätze erhebt, bedeutet der Tausch der Herren für die Masse der Bevölkerung große Erleichterung. Wer sich freiwillig der Woge des Islam unterwirft, zahlt nur geringe Abgaben. In den Provinzen des Südostens hat zudem all die Jahre der verbissene Kampf der Ketzer­sekten getobt. Die kaiserliche Polizei ist mit Härte und grausamen Strafen gegen die Sekten vorgegangen. Jetzt werden die Araber

wie Befreier empfangen; denn sie lassen zunächst jedermann in dem Glauben, den er gewählt hat.

Die Reichsverteidigung bricht zusammen, das Land ist voller Überläufer, Verräter und Hasser. So fällt auch der Felsen von Jerusalem — für Juden, Christen und Mohammedaner Mittelpunkt der Welt — unter den Stürmen, die Omar heraufführt.

Ein Steppenbrand ist entfesselt, der die Welt durchfliegt. Die Kinder, die in den Tagen von Mohammeds Hingang geboren wurden, werden noch als Greise erleben, daß der Islam seine Feld­zeichen im Osten in Indien aufgepflanzt hat, während seine west­lichen Banner am Atlantischen Ozean, in Spanien und Südfrank­reich wehen.

Das Feuer Allahs hüllt den Erdball in blutroten Schein.

* * *

Der Mönch Fabian, der glücklich der arabischen Sklaverei ent­ronnen war, blieb auch nach der Einnahme Jerusalems in der Stadt. Er hatte beschlossen, sein Leben am Grabe des Erlösers zu enden.

Manchmal kommen christliche Pilger zu den heiligen Stätten; noch ist der Islam duldsam und verfolgt niemanden um seiner Religion willen. Einen dieser Wanderer, einen jungen Griechen aus Byzanz-Konstantinopel, den es an die Wunderorte Palästinas getrieben hat, führt Fabian durch die Stadt Jerusalem.

Auf der hohen Felsentafel, die einst Salomos Tempel trug, hat Kalif Omar die erste große Moschee errichtet. Fabian und der Grieche drangen sich durch das Gewühl der Völker und Rassen, die den Vorplatz beleben. Silbern klingeln die Schellen der Kamele, bunte Banner flattern von langen Lanzen; Neger und dunkelhäutige Beduinen kauern auf dem schaukelnden Rücken de'r Dromedare, und vom schlanken Minarett singt der Gebetsausrufer seine ewig gleiche Formel: ,La ilaha illa ilahu!' — Es ist kein Gott außer Allah!

„Warum sehe ich", fragt der kleine Grieche seinen alten Begleiter, „so viele Frauen mit verhülltem Gesicht, weshalb verbergen diese arabischen Mädchen ihr Antlitz hinter Schleiern?" Er deutet auf die geheimnisvoll verschleierten Gestalten, die aus schmalem Augen­schlitz dunkle Blicke werfen.

„Wisse, mein Freund", antwortet Fabian, „daß der Islam lehrt, das Antlitz ist die Pforte der Seele. Wer von einem Gesicht Besitz ergreift, ergreift Besitz vom Herzen. Die Frau aber soll nur ihrem Herrn gehören, nicht jedem, der ihre Schönheit mit Blicken an sich reißt."

27

Die Ausbreitung des Islam bis zum Jahre 800

Schweigend gehen sie weiter und gelangen an das geschweifte Tor der Omarmoschee; sie treten mit vielen anderen Männern zugleich in den von Mauern umzirkten Innenhof ein. Es ist, als gehe man aus Lärm und Getümmel in die Stille einer anderen Welt. Auf schlanken Säulen ruhen wundersam verzierte Kielbögen und ziehen einen schattigen Gang um den viereckigen Hof, an dessen Seite ein kristallklarer Quell in ein Becken aus Lapislazuli plätschert.

Fabian berührt leise den Arm seines Schützlings. „Siehe, hier begegnest du den Wirklichkeit gewordenen Sehn­

süchten der Wüste: Schatten und Wasser. Darum wendet das Haus des Arabers, sein Palast wie seine Moschee, einem Zelte gleich sein Antlitz nach innen. Eine Seite dieser Arkadenhöfe muß immer im Schatten sein, und köstlicher ist nichts für den Wanderer aus der Einsamkeit der glühenden Gebirge als das Fließen der Wasser."

Schweigend, vom Anhauch des allgegenwärtigen Gottes berührt , überqueren sie den Hof und treten durch ein Portal, das der persische Baumeister mit kühn verschlungenen Ornamenten um­rankt hat, in einen zweiten Hof. Flache Treppen führen zur Moschee empor. Sie sehen, wie die Mohammedaner vor den Toren die Schuhe abstreifen und folgen diesem Beispiel.

Ein dämmriger, zauberhafter Baum tut sich auf.

2R

Hunderte von Gläubigen kauern mit ausgestreckten Armen auf den Teppichen; das Gemurmel der Betenden steigt zu den Gewölben, die wie das steingewordene Palmdach einer Oase sind. Große, runde Tafeln, mit der seltsam schnörkeligen, arabischen Schrift bedeckt, hängen im Kaum, aber kein Bildnis, keine Figur, kein Altar sind zu sehen.

„Der Gott der Islam ist rein geistig", flüstert Fabian seinem Begleiter zu, „Allah hat kein Bild, das ihn dem Menschen gleich macht. Nichts, was dem Himmel durch Gemälde, Figur oder Schnitz­werk irdische Form verleiht, darf die Größe seines Wesens trüben; denn Gott soll nach Mohammeds Willen i n den Menschen, nicht aber wie ein Bild v o r ihnen sein . . ."

Vor dem inneren Auge des Griechen aber steht die Erinnerung an die Inbrunst, mit der er alte, vom Leben geschlagene Mütterchen vor den Ikonen der Gottesmutter beten sah; wie sich die naive Seele der Gläubigen an dem Bilde emporrankte, wie die Darstellung der Himmlischen ihnen gleichsam zum Tore wurde, durch das sie ins Reich des Geistes einzugehen vermochten. Und er gedenkt mit

Die Moschee Omars, der „Felsendom", in Jerusalem

90

Liebe jener dunkeläugigen, auf goldenem Grunde blühenden Mariengestalten, die auf byzantinischen Altären thronen.

Als sie wieder auf dem Hofe stehen, hebt der Gebetsausrufer auf dem schlanken Minarett an, den Lobgesang des Islam über die Stadt hin zu rufen. Und es verstummt für Augenblicke das Brausen der Straßen, das Lärmen der Märkte. Die Gläubigen gedenken ihres Gottes.

„Preis sei Gott, dem Weltherrn, Dem Allerbarmer, Der da herrschet am Tage des Gerichts; Dir wollen wir dienen und Dich um Hilfe anflehen: Führe uns den geraden Weg, Den Weg derer, denen Du gnädig bist, Und nicht den Weg derer, Denen Du zürnst und nicht den der Irrenden!"

Nie fühlten es die beiden Christen stärker, als jetzt, da ringsum die Gläubigen auf ihren Gebetsmatten die Arme gen Mekka he­ben, daß es ein einziger Gott ist, zu dem die Völker dieser Welt aus t iefe ' Not und Sehnsucht rufen. Der ewige Gott, dem vor Jahrhunderten auf diesem Felsen Jerusalems König David den 130. Psalm sang:

„Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir! Herr höre meine Stimme, Laß deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens! So du willst, Herr, Sünden zu rechnen, Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, Daß man dich fürchte. Ich harre des Herrn, meine Seele harret, Und ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn von einer Morgenwache bis zur anderen. Israel hoffet auf den Herrn; Denn bei dem Herrn ist die Gnade und die Erlösung

ist bei ihm."

SO

Z e i t t a f e l z u r G e s c h i c h t e des I s l a m s (vgl. die Karte S. 28)

570 n. Chr.: Mohammed geboren 622 n. Chr.: Mohammeds „Auswanderung" (Hedschra) nach Medina. Der Prophet

legt seine Glaubenslehre im Koran, dem Buch der Suren, fest. 630 n. Chr.: Mohammed kehrt nach Mekka zurück, entthront die Stammes­

götter Arabiens und verkündet Allah als den einzigen Gott. 633 n. Chr.: Der „Apostel Allahs" stirbt in Mekka. Nach seinem Tode unter­

werfen seine „Stellvertreter" (Kalifen) zunächst die Halbinsel Arabien dem Islam und tragen dann den „Heiligen Krieg" gegen das byzantinische Reich und gegen Persien. In den ersten 25 Jahren nach Mohammeds Tod sind die oströmischen Gebiete Syrien, Palästina und Ägypten, ebenso die Länder Persien, Nordwestindien und Turkestan unterworfen. Nach der Eroberung Ägyptens beginnt der Vorstoß gegen die oströmischen Provinzen in Nord­afrika bis Tunis und gleichzeitig über die Inseln Rhodos, Zypern, Kreta, Sizilien, Malta bis nach Sardinien.

698 n. Chr.: Mit dem Fall Karthagos bricht die oströmische Herrschaft in Nord­afrika zusammen. Das Banner des Islam weht entlang der Küste von der Nilmündung bis zur Straße von Gibraltar.

711 n. Chr.: Die Araber setzen nach Spanien über und bringen durch den Sieg von Xeres de la Frontera (711) das Westgotenreich in Spanien zu Fall, übersteigen die Pyrenäen, dringen bis in die Nähe von Paris vor, werden aber in der Schlacht von Tours und Poitiers (732) durch Karl Martell, den Großvater Karls d. Gr., zurückgeworfen.

Von 1250—1492 Rückgang der mohammedanischen Herrschaft in Spanien. Bil­dung selbständiger islamitischer Staaten im alten Herrschaftsbereich des Islam.

Seit 960 lösen im Osten die mit Mongolen und Turkmenen vermischten kleinasiatischen Türken weithin die Araber in der Führung des Islam ab. Gegen sie wenden sich die Kreuzzüge. Die Türken erobern Kleinasien, den Balkan und Konstantinopel (1453). Vor Wien werden sie 1528 und 1686 zum Halten gebracht. Ende der gewaltsamen Ausbreitung des Islam.

Umschlaggestaltung Karlheinz Dobsky.

Das Bild auf Seite 2 zeigt das Stadtbild von Byzanz im Jahr 1493, die Abbildung auf der letzten Umschlagseite die Omar-Moschee, darüber eine Sure des Koran

in arabischer Zierschrift.

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