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Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

Date post: 25-Mar-2016
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Vortrag von Edgar Wagner, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, Mainz, im Rahmen des Kolloquiums "Bedarfe und Desiderate des Forschungsdatenzugangs im BIldungswesen in Deutschland" anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Horst Weishaupt am 4. März 2013 in Farnkfurt am Main.
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Bedarfe und Desiderate des Forschungsdatenzugangs im Bildungswesen in Deutschland Kolloquium anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Horst Weishaupt Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung Vortrag von Edgar Wagner. Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, Mainz 4. März 2013, Campus Westend / Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Page 1: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

Bedarfe und Desiderate des Forschungsdatenzugangs im Bildungswesen in Deutschland Kolloquium anlässlich der Verabschiedung von

Prof. Dr. Horst Weishaupt

Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

Vortrag von Edgar Wagner. Landesbeauftragter für den Datenschutz und die

Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, Mainz

4. März 2013, Campus Westend / Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

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Wissenschaftliches Kolloquium

„Bedarfe und Desiderate des Forschungsdatenzugangs im Bil-

dungswesen in Deutschland“

anlässlich des Eintritts in den Ruhestand von

Prof. Dr. Horst Weishaupt

am 04. März 2013

Campus Westend der

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

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Sehr geehrter Herr Prof. Weishaupt,

sehr geehrter Herr Prof. Hasselhorn,

meine Damen und Herren,

Ich darf mich herzlich für die Gelegenheit bedan-

ken, aus diesem besonderen Anlass über die Mög-

lichkeiten und Grenzen des Datenzugangs für die

Bildungsforschung zu referieren. Da der D a t e n -

s c h u t z diese Möglichkeiten zuweilen b e -

g r e n z t , ist ein Dialog gerade zwischen Vertre-

tern der Wissenschaft und des Datenschutzes

sinnvoll. Ich freue mich deshalb, dass wir diesen

Dialog heute wieder etwas intensivieren können.

Meine Damen und Herren, a l l e wollen mehr Da-

ten, einen leichteren Datenzugang und einen freie-

ren Umgang mit den Daten: der Staat, die Wirt-

schaft und auch die Forschung. Dies ist Ausdruck

unserer Informations- und Wissensgesellschaft

und Folge der digitalen Entwicklung. Erlauben Sie

mir deshalb, dass ich meinen Vortrag mit einigen

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Gedanken über die Bedeutung von Daten und In-

formationen in unserer Gesellschaft einleite (vgl. I.)

und dann auf die Rolle des Datenschutzes in der

Bildungsforschung zu sprechen komme, wobei ich

mich vor allem auf den Schulbereich konzentrieren

möchte (vgl. II.). Im Anschuss daran erlaube ich

mir noch einen kurzen Blick auf den Entwurf einer

europäischen Datenschutzgrundverordnung, der

derzeit auf allen politischen Ebenen diskutiert wird

und ebenfalls Regelungen zum Wissenschaftsbe-

reich enthält.

Auf die Bezüge, die mein Thema zur Informations-

freiheit aufweist, will ich zunächst nur am Rande

eingehen und stattdessen diese Bezüge im Verlau-

fe der Podiumsdiskussion etwas vertiefen.

I.

1. Meine Damen und Herren, auch wenn schon

frühere Gesellschaften auf Daten, Informationen

und Wissen aufbauten, so ist die Bedeutung dieser

Begriffe in unserer Zeit doch ernorm gewachsen,

nicht zuletzt wegen des rasanten technologischen

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Fortschritts. Er erlaubt es, Daten, Informationen

und Wissen in nahezu unbegrenztem Umfang zu

generieren, zu speichern und zu nutzen. Von der

„digitalen Revolution“ ist die Rede, die nach Auf-

fassung von Eric Schmidt, dem früheren Vor-

standsvorsitzenden von Google, dazu geführt hat,

dass wir mittlerweile in zwei Tagen so viele Daten

erzeugen, wie die Menschheit zuvor in zweitau-

send Jahren, wobei die Prognosen erwarten las-

sen, dass sich die vorhandene Datenmenge künf-

tig alle zwei Jahre noch verdoppeln wird.

In der P r i v a t w i r t s c h a f t stellen Daten – wie

man sagt – das „Gold des 21. Jahrhunderts“ dar,

das seinen Wert nicht aus einem begrenzten Vor-

kommen, sondern – im Gegenteil – aus seiner be-

liebigen Vermehrbarkeit bezieht. Vor allem im In-

ternet herrscht deshalb Goldgräberstimmung. Fa-

cebook speichert derzeit pro Tag z.B. 300 Millio-

nen Fotos. Das hat sich bis heute auf 220 Milliar-

den Fotos summiert. Folge davon ist u.a., dass

Facebook aus den bisher erfassten Fotos die größ-

te biometrische Datenbank erstellt hat, die es

weltweit gibt. Die Zahlen und Entwicklungen bei

Google, Apple, Microsoft, Amazon, aber auch bei

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Unternehmen außerhalb des Internet sind ver-

gleichbar. Sie belegen, dass sich Daten – neben

dem Kapital, der Arbeitskraft und den Rohstoffen –

mittlerweile zum vierten P r o d u k t i o n s f a k t o r

unserer Wirtschaft entwickelt haben.

Daten und Informationen sind außerdem die Vo-

raussetzungen dafür, dass der S t a a t seine Auf-

gaben erfüllen kann. Und wie die Wirtschaft nutzt

auch er die technologischen Möglichkeiten, um

sich mit Hilfe zahlloser gesetzlicher Ermächtigun-

gen in einem bislang nicht bekannten Umfang Zu-

griff auf die Daten seiner Bürgerinnen und Bürger

zu verschaffen. Ich will dafür nur ein Beispiel – und

zwar aus dem Sicherheitsbereich – nennen. Die

von der Europäischen Kommission verfügte Flug-

gastdatenspeicherung wird dazu führen, dass al-

lein in Deutschland pro Jahr von rund 170 Millio-

nen Passagieren rund 4 Milliarden Daten erhoben

und überprüft werden.

Diese Datenlawine erfasst natürlich auch die Wis-

senschaft und die Forschung. Auch in diesen Be-

reichen wachsen Datenbestände und Datennach-

fragen ins Maßlose. Das ist zum einen darauf zu-

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rückzuführen, das mittlerweile auch die Praxis von

Wissenschaft und Forschung digital ist und zum

anderen – gerade auch im Bildungsbereich – darin

begründet, das die zunehmende Bedeutung von

Bildungsforschung, Bildungsmonitoring und von

Leistungsvergleichen auf nationaler und internatio-

naler Ebene zu einem ständig wachsenden Daten-

bedarf geführt haben.

2. Ob Staat, Wirtschaft und Forschung wirklich

a l l e vorhandenen und weitere Datenbestände

benötigen, vermag ich nicht zu beurteilen, jeden-

falls vermag ich es nicht für den Bereich der For-

schung, schon gar nicht für die Forschung im Bil-

dungsbereich. Allerdings ist es bemerkenswert,

dass z.B. die Gewerkschaft Erziehung und Wis-

senschaft jüngst zum wiederholten Mal Zweifel am

Nutzen vieler Datenerhebungen und Untersuchun-

gen gerade im Schulbereich geäußert hat und

dass dies von den zuständigen Schulministerien

zurückgewiesen worden ist.

Diese Diskussion ist wichtig, gerade auch in da-

tenschutzrechtlicher Hinsicht, nicht zuletzt wegen

der Folgen, die mit der allgemeinen Gier nach Da-

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ten verbunden sind. Denn auch wenn nicht alle Da-

ten über die Staat, Wirtschaft und Forschung ver-

fügen, personenbezogene Daten sind, genügen

die vorhandenen personenbezogenen Daten, um

von allen Bürgerinnen und Bürgern Persönlich-

keitsprofile, Verhaltensprofile, Bewegungsprofile,

möglicherweise auch Bildungsprofile erstellen zu

können, also ein digitales Abbild entstehen zu las-

sen, das sich wirtschaftlich ausbeuten, staatlich

nutzen und wissenschaftlich verwerten lässt.

Mittlerweile ist von Big Data die Rede, von dem

Versuch, aus den unendlichen Datenbeständen

neue Erkenntnisse zu analysieren, um daraus

neuen Nutzen und neue Vorteile zu ziehen. Die da-

für notwendige Analysesoftware ist längst auf dem

Markt und in der Lage eine Milliarde Datensätze in

neun Sekunden nach beliebigen Kriterien unter die

Lupe zu nehmen.

Was am Ende auch immer die Vorteile dieser Ent-

wicklung sein werden – wir werden dafür auch ei-

nen P r e i s zahlen müssen. Dieser Preis besteht

in einer Einbuße an Privatheit, an informationeller

Selbstbestimmung, an Freiheit, ja letztlich auch in

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einem Verlust an Menschenwürde. Nicht von unge-

fähr trug ein jüngst von der Bundesregierung orga-

nisierte Veranstaltung den Titel „Big Data – Gold-

mine oder Dynamit?“ Manche sprechen sogar da-

von, dass die Kehrseite von Big Data der Big

Brother des digitalen Zeitalters sei.

Eine solche Entwicklung kann man nicht einfach

sich selbst überlassen. Man muss versuchen sie

zu beeinflussen, auch mit den Mitteln des Daten-

schutzes und das heißt vor allem mit Hilfe des Ge-

bots der D a t e n s p a r s a m k e i t und der Da-

tenvermeidbarkeit. Dieser Grundsatz gehört zu den

Fundamentalprinzipien des Datenschutzes und ist

im europäischen Datenschutzrecht ebenso veran-

kert wie in den Datenschutzgesetzen des Bundes

und der Länder, die insoweit nicht nur Programms-

ätze formulieren, sondern eine Rechtspflicht be-

gründen, auch für die Forschung.

3. Daran vermag auch die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1

des Grundgesetzes geregelte Forschungsfreiheit

nichts zu ändern. Denn dieses Freiheitsrecht steht

immer dann, wenn es um personenbezogene For-

schungsdaten geht, in einem Spannungsverhältnis

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mit dem ebenfalls im Grundgesetz verankerten in-

formationellen Selbstbestimmungsrecht, das jeder

Person die Befugnis einräumt, grundsätzlich selbst

zu entscheiden, wann und innerhalb welcher

Grenzen sie persönliche Sachverhalte offenbaren

will.

Beide Grundrechte stehen sich gleichrangig ge-

genüber. Keines ist wichtiger als das andere. Kei-

nes darf deshalb auf Kosten des anderen realisiert

werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich Wis-

senschaftsfreiheit und informationelle Selbstbe-

stimmung gegenseitig beschränken und bei ihrer

Realisierung jeweils Abstriche machen müssen.

Wie weit diese Abstriche gehen dürfen, wo die

Grenzen eines gerechten Ausgleichs zwischen

beiden Rechtspositionen zu ziehen sind, haben –

je nach Regelungsbereich – die zuständigen Ge-

setzgeber zu entscheiden.

Bundestag und Landtage sind dieser Aufgabe bis-

her auch schon in erstaunlich vielfältiger Weise

nachgekommen. Ein erster Überblick zeigt, dass

es für den Umgang mit personenbezogenen Daten

in den verschiedenen Forschungsbereichen zwar

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kein gemeinsames Gesetz gibt, aber viele bereich-

spezifische Regelungen. Auf Bundesebene finden

sie sich etwa im SGB X, im Bundeszentralregister-

gesetz, in der Strafprozessordnung, im Strafvoll-

zugsgesetz und auch in diversen Statistikgesetzen

und auf Landesebene z.B. in den Landeskranken-

hausgesetzen, in den Landesarchivgesetzen, aber

auch in den Schulgesetzen und in den Statistikge-

setzen.

Und ergänzend zu diesen Sonderregelungen

kommen auch noch die allgemeinen Vorschriften in

den Datenschutzgesetzen des Bundes und der

Länder zum Zuge, vor allem die darin jeweils ent-

haltenen Wissenschaftsklauseln. Mit anderen Wor-

ten: Die Gesetzgeber haben ein dichtes normati-

ves Koordinatensystem geschaffen, in dem sich

Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen des

Forschungsdatenzugangs im Allgemeinen und im

Bildungsbereich im Besonderen prinzipiell gut be-

antworten lassen.

Erlauben Sie mir, dass ich vor diesem Hintergrund

die Bedeutung des Datenschutzes für die Bil-

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dungsforschung insbesondere im Schulbereich et-

was näher beleuchte.

II.

1. Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten

des Datenzugangs für die Bildungsforschung ent-

sprechen grundsätzlich denen in anderen For-

schungsbereichen. Entweder werden bereits vor-

handene Daten genutzt oder sie werden – wenn

auf solche Datenbestände nicht zurückgegriffen

werden kann – bei bestimmten Personen unmittel-

bar erhoben. Zuweilen, etwa bei der Erstellung des

jüngsten Bildungsberichts, wird sowohl auf die eine

wie auf die andere Datenquelle zurückgegriffen.

Soweit es um den Schulbereich geht, überwiegt –

jedenfalls im Zuständigkeitsbereich meiner Behör-

de – die unmittelbare Datenerhebung bei Schüle-

rinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften. Die

Rechtmäßigkeit dieser Datenerhebung richtet sich

zunächst nach den Bestimmungen des S c h u l -

g e s e t z e s , das Befragungen in Schulen nur er-

laubt, wenn die Betroffenen eingewilligt haben und

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die wissenschaftliche Untersuchung von der

Schulbehörde genehmigt worden ist. Das ge-

schieht nur dann, wenn die Behörde ein erhebli-

ches pädagogisch-wissenschaftliches Interesse

anerkennt und aus der Sicht meiner Behörde keine

datenschutzrechtlichen Bedenken geltend gemacht

werden.

Ob wir Bedenken äußern, richtet sich nach den all-

gemeinen Datenschutzgesetzen, nach dem Lan-

desdatenschutzgesetz, wenn es um Hochschulen

des Landes geht, nach dem Bundesdatenschutz-

gesetz, wenn die Untersuchung von Forschungs-

reinrichtungen in privater Trägerschaft durchge-

führt werden.

Im einen wie im anderen Fall ist auch unter Daten-

schutzgesichtspunkten grundsätzlich die Einwilli-

gung der Betroffenen erforderlich, wobei bei min-

derjährigen Schülern auch die Einwilligung der El-

tern einzuholen ist. In jedem Falle muss es sich um

eine informierte Einwilligung handeln, d.h. die zu-

ständige Forschungsstelle muss insbesondere

über die Zwecke der Erhebung, die Verwendung

der Daten, die Dauer der Speicherung und die

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Rechte der Befragten aufklären. Es liegt auf der

Hand, dass bei minderjährigen Personen besonde-

re Anstrengungen notwendig sind, um von einer

angemessenen Information sprechen zu können.

Im Übrigen sind die Daten zu anonymisieren, so-

bald dies nach dem Forschungszweck möglich ist.

Dabei kann von einer Anonymisierung erst dann

ausgegangen werden, wenn die erhobenen Ein-

zelangaben über persönliche oder sachliche Ver-

hältnisse der Betroffenen derart verändert werden,

dass sie nicht mehr oder nur mit einem unverhält-

nismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Ar-

beitskraft einer bestimmten Person zugeordnet

werden können. Man spricht – sie wissen es – von

der faktischen Anonymisierung.

Nach diesen Grundsätzen werden alle Befragun-

gen, die an Schulen durchgeführt werden, beurteilt.

Das sind überwiegend Bachelor- und Masterarbei-

ten, auch Dissertationen und ähnliche wissen-

schaftliche Projekte von Einzelpersonen. Pro Jahr

sind es rund 100 solcher Arbeiten, die wir in daten-

schutzrechtlicher Hinsicht überprüfen.

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Hinzu kommen aber natürlich auch die sogenann-

ten Large-Scale-Assessments. Zu ihnen zählt vor

allem das 2008 vom Bundesministerium für Bil-

dung und Forschung ins Leben gerufene Nationale

Bildungpannel. Im Rahmen dieser bisher größten

Langzeitstudie in der Bildungsforschung wird die

Entwicklung von Kompetenzen vom Kleinkindalter

über den Schulbereich bis zum Studium und zum

Arbeitsleben untersucht. Um dafür repräsentative

Daten zu erlangen, werden jährlich rund 60.000

Personen in ganz Deutschland befragt und getes-

tet. Die Hälfte davon sind Schülerinnen und Schü-

ler von rund 1.000 Schulen.

Bei diesen Erhebungen, die in regelmäßigen Ab-

ständen in allen Bundesländern durchgeführt wer-

den, ist die Forschungsstelle auf personenbezoge-

ne Daten angewiesen. Deshalb sind die Befra-

gungen nur auf der Grundlage einer Einwilligung

der Betroffenen möglich, die – wie gesagt – freiwil-

lig, widerrufbar, informiert und in aller Regel schrift-

lich erfolgen muss.

Da mehr oder weniger alle Bundesländer betroffen

sind, sind auch alle Datenschutzbeauftragten mit

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diesen Erhebungen befasst. Das bisherige Fazit ist

überall dasselbe. Es wird festgestellt, dass die

Verantwortlichen von NEPS den datenschutz-

rechtlichen Belangen schon im Ansatz einen ho-

hen Stellenwert einräumen und im Übrigen den

Anregungen der Datenschutzbeauftragten weitest-

gehend Rechnung tragen.

Diese Anregungen betrafen und betreffen vor al-

lem Fragen der Anonymisierung bzw. der Pseudo-

nymisierung der erhobenen Daten. Als sogenannte

Panelstudie, bei der dieselben Personen über ei-

nen langen Zeitraum hinweg mehrfach befragt

werden und die zu verschiedenen Zeitpunkten er-

hobenen Daten zusammengeführt werden müs-

sen, ist eine sofortige Anonymisierung der Daten

nicht möglich. Nach den Forschungsklauseln der

Landesdatenschutzgesetze muss NEPS deshalb

jedenfalls die Identifizierungsmerkmale und die

Einzelangaben gesondert speichern, wobei Name

und Adresse der Teilnehmer nur von den von

NEPS mit der Befragung betrauten Erhe-

bungsinstituten gespeichert werden dürfen.

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Was für NEPS als Längsschnittstudie gilt, trifft im

Prinzip auch auf eine Reihe vergleichbarer Quer-

schnittsstudien zu, auch auf die IGLU- und die

TIMSS-Studie, die von Prof. Bos betreut werden.

Diese beiden Studien beziehen bundesweit ca.

4000 Schülerinnen und Schüler von knapp 200

Schulen sowie deren Eltern und Lehrer ein; sie

werden alle vier bzw. fünf Jahre durchgeführt und

zwar im Auftrag des Kultusministerkonferenz und

des Bundesministeriums für Bildung und For-

schung, um auf diesem Weg Lesekompetenzen

und naturwissenschaftliche Kompetenzen der

Schüler festzustellen.

Auch diese Studien wurden den Landesdaten-

schutzbeauftragten vorgelegt und von diesen auch

als datenschutzkonform bewertet und zwar aus

folgenden Gründen:

- Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig.

- Von allen Beteiligten liegt eine ausdrückliche

Einwilligung vor, auch von den Eltern und Leh-

rern.

- Das Einverständnis aller Beteiligten ist

widerrufbar.

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- Es beruht auf einer umfassenden Information

über Inhalt und Zweck der Befragung.

- Außerdem werden die von den Schülern, ihren

Eltern und Lehrer erhobenen Daten vor ihrer

Auswertung und Nutzung pseudonymisiert –

so wie das ja auch bei NEPS der Fall ist.

Ich könnte die Reihe vergleichbarer Untersuchun-

gen beinahe beliebig ergänzen. Es gibt Dutzende

davon, nicht zuletzt Untersuchungen zur PISA-

Studie, die auch in Rheinland-Pfalz wiederholt

durchgeführt worden sind. Derzeit werden außer-

dem die Daten für die Computer and Information

Literacy Study (ICILS) erhoben, um die computer-

und informationsbezogenen Kompetenzen von

Schülern der 8. Jahrgangsstufe zu ermitteln. Das

geschieht weltweit in 20 Staaten, auch in 150

Schulen in Deutschland mit insgesamt 3.000 Schü-

lerinnen und Schülern und einer Reihe von Lehr-

kräften. Wir haben Herrn Prof. Bos, der auch diese

Studie mitbetreut, am 10. Januar dieses Jahres

Folgendes mitgeteilt:

„Die Prüfung hat ergeben, dass s t a n d a r d i -

s i e r t e Verfahren eingesetzt und Informati-

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onsmaterial verwendet wird, das auch bei ande-

ren Studien wie PISA, STEG und NEPS zur An-

wendung kommt. Datenschutzrechtliche Be-

denken bestehen daher gegen die Durchführung

dieser Studie nicht.“

So, meine Damen und Herren, lautet nicht etwa die

Zusammenfassung unseres Schreibens. Es ist der

komplette Text. Er macht deutlich, dass es bei die-

sen Panel-, Kompetenz- und Leistungsstudien im

Bildungsbereich kaum offene oder strittige daten-

schutzrechtliche Fragestellungen gibt. Die – stan-

dardisierten – Verfahren sind Ausdruck dessen,

was die Juristen unter „praktischer Konkordanz“

verstehen. Das heißt, sie genügen den Erforder-

nissen der Forschung ebenso wie denen des Da-

tenschutzes.

Dass dies so ist, meine Damen und Herren, ist

nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass diese

Studien und Untersuchungen ausnahmslos auf der

E i n w i l l i g u n g der Befragten beruhen. Auch

wenn deren Einholung mit Aufwand und ggf. auch

mit Schwierigkeiten verbunden ist, ist dieser Weg

jedenfalls unter Datenschutzgesichtspunkten der

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Königsweg. Denn er lässt den Betroffenen die Ent-

scheidung über die Verarbeitung ihrer Daten. Sie

können – wie es das Bundesverfassungsgericht in

seiner Volkszählungsentscheidung formuliert hat –

„selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer

Daten“ entscheiden und machen auf diesem Weg

auch von ihrem informationellen Selbstbestim-

mungsrecht Gebrauch. Kurz gesagt: Sie sind Sub-

jekt und nicht Informationsobjekt.

Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass den

Betroffenen dann eine ganze Reihe von Daten-

schutzrechten zusteht, die sie jederzeit gegenüber

der Forschungsstelle geltend machen können: der

Anspruch auf Auskunft über die gespeicherten

personenbezogenen Daten, das Recht auf Wider-

ruf der Einwilligung und der Anspruch auf Lö-

schung von Daten, die nach dem festgelegten

Zweck des Forschungsvorhabens nicht mehr be-

nötigt werden.

Ich habe allerdings keine Information darüber, ob

und in welchem Umfange die Befragten von diesen

Rechten gebrauch machen, so wie wir ja auch

nicht darüber informiert werden, ob die erhobenen

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Daten tatsächlich gelöscht werden und wann dies

der Fall ist. Im Zweifel müssten wir dies selbst kon-

trollieren. Dafür fehlen uns aber die personellen

Kapazitäten. Sie sehen, meine Damen und Herren,

der Datenschutz beginnt zwar mit der Erschließung

von Datenquellen, er hört aber damit noch lange

nicht auf.

2. Lassen sie mich zu einer weiteren Form der Da-

tenerhebung kommen, der sog. Sekundärver-

wertung von bereits vorhandenen Daten, insbe-

sondere von amtlichen Datenbeständen, die von

den Verwaltungsbehörden für die Erfüllung eigener

Aufgaben erhoben werden. Für den Zugang zu

diesen Daten gibt es – wie gesagt – eine Reihe be-

reichsspezifischer Sonderregelungen. Für die kri-

minologische Forschung sind es etwa die Wissen-

schaftsklauseln im Bundeszentralregistergesetz, in

der Strafprozessordnung und in den Strafvollzugs-

gesetzen der Länder.

Für die B i l d u n g s f o r s c h u n g eröffnen dem-

gegenüber vor allem die Wissenschaftsklauseln in

den Statistikgesetzen des Bundes und der Länder

den Zugang auf statistische Bildungsdaten. Denn

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dort – bei den Statistischen Ämtern des Bundes-

und der Länder – findet sich ein großes Reservoir

an Bildungsdaten. Es speist sich vor allem aus der

Schulstatistik, der Hochschulstatistik, der Berufs-

bildungsstatistik, der Kinder- und Jugendhilfestatis-

tik, und natürlich auch aus dem Mikrozensus, um

nur ein paar Beispiele zu nennen.

Zum Teil sind es Bundes-, zum Teil Landesstatisti-

ken und durchgängig wohl auch Sekundärstatisti-

ken. Auf diese statistischen Daten kann die wis-

senschaftliche Forschung unter den Vorausset-

zungen des § 16 Abs. 6 des Bundesstatistik-

gesetzes und des § 1 Abs. 2 des Landesstatistik-

gesetzes Rheinland-Pfalz zugreifen, wobei der Zu-

gang grundsätzlich auch über die 2001 im Zuge

der Änderung des Bundesstatistikgesetzes einge-

richteten Forschungsdatenzentren der statistischen

Ämter ermöglicht werden kann. Allerdings gilt dies

gerade nicht für die Schulstatistiken. Auf sie möch-

te ich im Folgenden näher eingehen.

S c h u l s t a t i s t i k e n werden in allen Bundes-

ländern geführt, allerdings nicht einheitlich. In

manchen Bundesländern – etwa in Baden-

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Württemberg und in Nordrhein-Westfalen – beste-

hen sie aus aggregierten Daten, in anderen – z.B.

in Bayern und in Rheinland-Pfalz – aus Individual-

daten, in Mecklenburg-Vorpommern und einigen

anderen Bundesländern sogar aus beiden Daten-

arten. Dementsprechend unterschiedlich sind auch

die Erhebungsmerkmale und der Erhebungsum-

fang.

Dies gilt selbst in den Bundesländern, in denen

sich die Schulstatistiken am sogenannten Kernda-

tensatz orientieren, den die Kultusministerkonfe-

renz 2003 beschlossen und 2008 ergänzt hat. In

Rheinland-Pfalz etwa wird derzeit durch eine Än-

derung des Schulgesetzes auch den staatlichen

Studienseminaren die Meldung bestimmter statisti-

scher Angaben vorgeschrieben.

Außerdem ist nicht in allen Bundesländern, die den

Kerndatensatz der Kultusministerkonferenz umset-

zen, eine schuljahresübergreifende statistische

Auswertung möglich. In Rheinland-Pfalz wird diese

Möglichkeit derzeit durch eine weitere Änderung

des Schulgesetzes erst geschaffen.

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23

Die Schulstatistiken der Länder sind also in jeder

Hinsicht heterogen. Sie unterscheiden sich damit

aber auch ganz wesentlich von den sonstigen bil-

dungsrelevanten Statistiken, die – wie z.B. die

Hochschulstatistik und die Berufsbildungsstatistik –

auf einem einheitlichen Individualdatensatz beru-

hen. Dieser Unterschied ist sicherlich auch darauf

zurückzuführen, dass für die Schulstatistik die

Länder zuständig sind, während für die meisten

übrigen Bildungsstatistiken der Bund verantwortlich

ist. Aber auch der Datenschutz dürfte in diesem

Zusammenhang eine Rolle spielen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der

Länder haben schon vor Jahren grundsätzliche

Bedenken gegen den Kerndatensatz vorgetragen.

Die Bedenken bestehen bei vielen Datenschutzbe-

auftragten auch heute noch, obwohl die Kultusmi-

nisterkonferenz ihr ursprüngliches Konzept mittler-

weile in einem wesentlichen Punkt modifiziert hat.

2007 hat sie nämlich auf Druck der Konferenz der

Datenschutzbeauftragten des Bundes und der

Länder auf eine bundesweite Zusammenfassung

der Schuldaten in einer länderübergreifenden zent-

ralen Schüler-Datenbank verzichtet. Stattdessen

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soll es eine dezentrale Lösung geben, bei der die

statistischen Einzeldaten bei den Ländern verblei-

ben.

Verbindlich ist dieser Beschluss allerdings nicht. Er

könnte jederzeit revidiert werden, zumal natürlich

ein Bedürfnis dafür besteht, die einzelnen Länder-

ergebnisse zu einem Bundesergebnis zusammen-

zuführen. Ob es dafür schon Konzepte gibt, weiß

ich nicht. Die Ankündigung der Kultusministerkon-

ferenz entsprechende Überlegungen mit den Da-

tenschutzbeauftragten zu diskutieren, wurden je-

denfalls bisher – soweit ich weiss – noch nicht rea-

lisiert.

Aber auch ohne eine Zentralisierung bleiben noch

genügend datenschutzrechtliche Probleme. Da das

Projekt des Kerndatensatzes von der Bil-

dungsforschung nachdrücklich unterstützt wurde

und wird, will ich wenigstens auf den wichtigsten

Vorbehalt kurz eingehen: den Umstand, dass der

Kerndatensatz von allen Schülerinnen und Schü-

lern erhoben wird, also eine sog. Totalerhebung

darstellt.

Page 26: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

25

Eine Totalerhebung ist aus Gründen der Verhält-

nismäßigkeit und des eingangs schon erwähnten

Grundsatzes der Datensparsamkeit und Daten-

vermeidung für viele Datenschutzbeauftragte frag-

würdig. Sie gehen davon aus, dass sich For-

schungsvorhaben und wohl auch Bildungsberichte

mit repräsentativen Stichproben hinreichend reali-

sieren lassen und verweisen dabei auf die bereits

erwähnten Studien, also auf PISA NEPS, IGLU,

TIMMS, STEG und ICILS. Sie alle führten mit einer

relativ geringen Probantenzahl zu beachtlichen Er-

gebnissen und auch zu entsprechenden Konse-

quenzen seitens der Bildungspolitiker.

Ich weiß, dass Sie – sehr geehrter Herr Prof.

Weishaupt – ganz anderer Auffassung sind und in

der schulstatistischen Vollerhebung „die Vorraus-

setzungen für die notwendige Differenzierung von

bildungspolitischen Analysen nach Bildungsgän-

gen, Geschlecht, Migrationssituationen und ggf.

auch nach regionalen Bedingungen“ sehen.

Es wäre anmaßend, wollte ich Ihnen in dieser

Fachfrage widersprechen. Aber ganz überzeugt

sind die Datenschutzbeauftragten immer noch

Page 27: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

26

nicht. Auch die jüngste Volkszählung – dieses Mal

Zensus genannt – verzichtete im Unterschied zur

Volkszählung aus dem Jahre 1984/1985 auf eine

totale Erhebung bei allen Bürgerinnen und Bürgern

und begnügte sich stattdessen mit einer repräsen-

tativen Stichprobe und einem Zugriff auf verschie-

dene staatliche Register.

Eine entsprechende Weiterentwicklung von der To-

talerhebung zur repräsentativen Erhebung war

vom Bundesverfassungsgericht in seiner Volkszäh-

lungsentscheidung aus dem Jahre 1983 auch an-

gemahnt worden. Es besteht also eine gewisse

verfassungsrechtliche Notwendigkeit, wissen-

schaftliche Methoden zur Vermeidung von Totaler-

hebungen zu entwickeln und anzuwenden.

Vielleicht, meine Damen und Herren, gilt dies aber

nur für Primär- und nicht für Sekundärstatistiken,

da deren Daten ja bereits vorliegen. Ich kann diese

Frage heute nicht beantworten, wenngleich ich

mittlerweile durchaus auch Ihre Auffassung – Herr

Prof. Weishaupt – nachvollziehen kann.

Page 28: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

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Ob nun eine Totalerhebung bei allen Schülerinnen

und Schülern mit dem Datenschutz vereinbar ist

oder auch nicht, die Datenlage bei den Schulstatis-

tiken bleibt – so oder so – sehr heterogen. Offen-

sichtlich wirkt sich dies auch auf den Zugang zu

diesen Daten aus.

Nach dem in der parlamentarischen Beratung be-

findlichen E-Government Gesetz des Bundes soll

im Bundesstatistikgesetz künftig a u s d r ü c k l i c h

klargestellt werden, dass die Bereitstellung von

Einzelangaben für wissenschaftliche Zwecke zu

den Aufgaben des Statistischen Bundesamtes ge-

hört.

Diese Klarstellung hilft allerdings für den Bereich

der Schulstatistiken nicht viel weiter, weil die Län-

der dem Statistischen Bundesamt keine entspre-

chenden Individualdaten liefern, was nicht zuletzt

mit der disparaten Gestaltung der Schulstatistik in

den Ländern zusammenhängt. Soweit ich infor-

miert bin erhält das Statistische Bundesamt von

den Landesämtern nur aggregierte Daten, Sum-

mendaten also, die offenbar weniger aussagekräf-

tig sind, als Einzeldaten. Nichts anderes gilt für die

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Forschungsdatenzentren der Länder, da die

Schulstatistiken dort – anders als etwa die Hoch-

schulstatistik – gar nicht eingestellt werden.

Hinzu kommt, dass offenbar auch bei den Statisti-

schen Landesämtern die entsprechenden Daten

von der Forschung kaum nachgefragt werden. Das

gilt auch für unser Landesamt in Bad Ems, obwohl

dort die Schulstatistik als Individualdatensatz vor-

gehalten und im Wege der Amtshilfe auch auf

schulstatistische Daten anderer Bundesländer ge-

griffen werden kann. Jedenfalls wurde mir vom

rheinland-pfälzischen Bildungsministerium mitge-

teilt, dass es

„im Bereich der Schulstatistik (…) bislang nur

einige wenige Anfragen“ gegeben habe, „ins-

besondere vom Deutschen Institut für Interna-

tionale Pädagogische Forschung im Rahmen

der Indikatorenforschung für die Bildungsbe-

richterstattung.“

Das Statistische Landesamt hat diese Aussage

noch präzisiert und spricht von zwei Nutzungsan-

trägen in den letzten vier bis fünf Jahren.

Page 30: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

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Meine Damen und Herren, wer allerdings glaubt,

dass die Forschung ein größeres Interesse an den

sonstigen Bildungsstatiken hätte, sieht sich ge-

täuscht. Denn obwohl die Datenlage bei der Stu-

dentenstatistik, der Prüfungsstatistik, der Berufsbil-

dungsstatistik und der Kinder- und Jugendhilfesta-

tistik bundesweit einheitlich ist, diese Statistiken

überall aus Individualdaten bestehen und deshalb

auch in das Angebot der Forschungsdatenzentren

eingestellt sind, ist die Nachfrage auch nach diesen

Daten gering, so gering, dass man sich als Daten-

schutzbeauftragter schon wundern muss.

Auf Nachfrage beim Statistischen Bundesamt bzw.

dem dortigen Forschungsdatenzentrum wurde mir

mitgeteilt, dass es seit Einrichtung des FTZ zur

Personalstellenstatistik und zur Habilitationstatistik

keine einzige Anfrage gegeben habe und zur Prü-

fungs- und Studentenstatistik zwar immerhin eine

Nachfrage, aus der sich aber kein Projekt ergeben

habe.

Ich kenne die Gründe für diese Zurückhaltung nicht.

Auf den Datenschutz wird man sie nicht zurückfüh-

Page 31: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

30

ren können. Denn gerade bei den Forschungsda-

tenzentren gibt es ein ausgeklügeltes Datenzu-

gangssystem, das mit den Datenschutzbeauftragten

abgestimmt und datenschutzrechtlich in jeder Hin-

sicht in Ordnung ist.

Es wird also andere Gründe für die mangelnde

Nachfrage geben. Immerhin macht sie deutlich,

dass die Datenlage für die Bildungsforschung nicht

überall defizitär ist, sondern wohl teilweise auch

über den Bedarf hinausgeht. Und selbst dort, wo

das verfügbare Datenangebot nicht ausreicht, tra-

gen nicht der Datenschutz und seine Beauftragten

dafür Verantwortung, sondern andere, z.B. die

Schulbehörden oder die Bildungspolitiker. Zum Teil

ist die Datenmisere im Schulbereich sicherlich auch

ein Ergebnis unseres Bildungsföderalismus.

III.

Daran, meine Damen und Herren, wird sich auch

durch die europäische Datenschutzgrundverord-

nung nichts ändern, die – ich erwähnte es schon –

derzeit vom Europäischen Rat und vom Europäi-

Page 32: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

31

schen Parlament beraten wird. Erlauben Sie mir

dazu noch einige abschließende Anmerkungen.

Diese Grundverordnung wird mit Ihrer Verabschie-

dung unmittelbar geltendes Recht werden; sie muss

also nicht erst durch nationales Datenschutzrecht

umgesetzt werden. Im Gegenteil: sie tritt an die

Stelle der Datenschutzgesetze des Bundes- und

der Länder und ersetzt deren Regelungen, auch je-

ne, welche die Datenverarbeitung durch For-

schungseinrichtungen betreffen.

Der Entwurf der Grundverordnung enthält gleich-

sam als Ersatz eine Reihe von Bestimmungen, die

sich auf die Wissenschaft und die Forschung bezie-

hen. Von besonderer Bedeutung ist dabei Art. 83.

Er regelt die Datenverarbeitung zu historischen o-

der statistischen sowie zum Zwecke der wissen-

schaftlichen Forschung, wobei er sich an die For-

schungsklausen anlehnt, die auch in den Daten-

schutzgesetzen des Bundes- und der Länder ent-

halten sind. Das heißt, er normiert insbesondere die

Voraussetzungen unter denen personenbezogene

Daten zum Zwecke der wissenschaftlichen For-

schung verarbeitet werden können und unter wel-

Page 33: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

32

chen Voraussetzungen personenbezogene Daten

veröffentlicht werden dürfen.

Ob es bei der Entwurfsfassung bleibt oder ob es im

Zuge der Beratungen noch zu Änderungen kom-

men wird, ist derzeit nicht absehbar. Immerhin lie-

gen bereits eine Reihe von Änderungsanträgen –

auch zu Art. 83 – vor.

Sie betreffen vor allem Art. 38 Abs. 3, der die Euro-

päische Kommission ermächtigt, mehr oder weniger

alles anders zu regeln, als es in Art. 83 vorgesehen

ist. Der Widerstand gegen diese und vergleichbare

Regelungen ist groß. Er zeigt, dass im Zusammen-

hang mit der europäischen Datenschutzgrundver-

ordnung noch vieles im Fluss ist.

IV.

Ich komme zum Schluss und damit auch zur Zu-

sammenfassung meiner Überlegungen:

1. Die Frage, ob es notwendig ist, für die Bildungs-

forschung neue Datenquellen zu erschließen, ist ei-

Page 34: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

33

ne Fachfrage. Sie kann aus Datenschutzsicht nicht

beantwortet werden.

2. Immerhin gibt es nicht nur Anhaltspunkte für Da-

tendefizite, sondern auch für ungenutzte Datenbe-

stände.

3. Die Bildungsforschung sollte bei ihren Bemühun-

gen um eine Verbesserung der Datenlage beden-

ken, dass wieder neuer Datenbestand die bereits

vorhandene Datenflut weiter ansteigen lässt und die

Betroffenen zusätzlich gefährdet.

4. Datenschutzrechtlicher Regelungsbedarf besteht

im Übrigen nicht. Die vorhandenen Bestimmungen

sind ausreichend und tragen der Forschungsfreiheit

ebenso Rechnung wie dem informationellen

Selbstbestimmungsrecht.

5. Defizite gibt es eher im Vollzug der datenschutz-

rechtlichen Forschungsklauseln. Sie sollten von den

Verantwortlichen der Forschungsprojekte gemein-

sam mit den Vertretern des Datenschutzes beho-

ben werden.

Page 35: Möglichkeiten und Grenzen der Datennutzung

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6. Dies gilt auch für die noch offenen Datenschutz-

fragen, etwa die Zulässigkeit von Totalerhebungen

für die Schulstatistiken.

7. Zur Klärung der offenen Fragen könnte ein Koor-

dinierungskreis aus Vertretern der Wissenschaft,

des Datenschutzes und der zuständigen Ministerien

eingerichtet werden. Ich bin gerne bereit, mich dafür

im Kreise meiner Kolleginnen und Kollegen einzu-

setzen.


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