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Modellierung überbetrieblicher behandlungsprozesse durch objekt-petrinetze; Modeling...

Date post: 19-Aug-2016
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1 Einleitung Durch die ju ¨ ngst im Rahmen der Refor- men des Gesundheitssystems gesetzlich eingefu ¨ hrte fallpauschalbasierte Vergu ¨ tung von Gesundheitsleistungen in Deutschland nimmt die Bedeutung der Modellierung von Prozessen auch im Gesundheitswesen zu [EiZi03, 76f.; GrHo02, 73f.; Berg04, 15]. Ziel der Modellierung ist neben Opti- mierung der Abla ¨ufe und Erho ¨ hung der Kostentransparenz vor allem auch die Ver- besserung der Qualita ¨t der gesundheitli- chen Versorgung. Dabei ist zu beru ¨ cksich- tigen, dass diese Doma ¨ne Besonderheiten aufweist, die bei der Wahl der Modellie- rungsmethode beru ¨ cksichtigt werden mu ¨ s- sen. Eine dieser Besonderheiten ist die ha ¨ufig organisationsu ¨ bergreifende Ausfu ¨ h- rung von Behandlungsprozessen durch unterschiedliche Gesundheitseinrichtungen [Scha02]. So kooperieren Hausa ¨rzte, spe- zialisierte Facha ¨rzte, Krankenha ¨user und weitere Gesundheitseinrichtungen, wie Reha-Kliniken und Labore, indem sie durch eine z. T. abgestimmte Zusammen- arbeit Gesundheitsleistungen am Patienten erbringen. Somit ergibt sich die Anforde- rung an eine Modellierungsmethode, dass sie neben der Modellierung der Flusskon- trolle der Behandlungsschritte auch die fu ¨r unterschiedliche Behandlungsabschnitte zusta ¨ndigen Einrichtungen beschreiben und mit dem Behandlungsprozess in Be- ziehung setzen muss, um eine Behandlung angemessen zu repra ¨sentieren. In der Literatur existieren derzeit unter- schiedliche Ansa ¨tze, die dynamische Ei- genschaften von Petrinetzen mit dem ob- jektorientierten Paradigma verknu ¨ pfen [GiVa03, 146 157; Zapf00]. Ein aus der In- formatik hervorgegangener Ansatz sind die Objekt-Petrinetze [Valk04]. Sie stellen Marken in Petrinetzen wieder als Petri- netze dar und ermo ¨ glichen dadurch die Modellierung auf mehreren Ebenen. Eine Anwendung dieser Petrinetze ist die Be- schreibung unterschiedlicher Sichten eines Prozesses durch eine einheitliche Notation [AMVW99]. Vor dem Hintergrund der hier angesprochenen Anforderung ko ¨ nnen Objekt-Petrinetze prinzipiell dazu verwen- det werden, das Beziehungsgeflecht von Gesundheitseinrichtungen sowie die zwi- schen ihnen ablaufenden Behandlungspro- zesse durch jeweils eine eigene Modellie- rungsebene formal zu beschreiben und miteinander in Beziehung zu setzen, um damit die thematisierte Anforderung zu er- fu ¨ llen. Doch an Petrinetzen wird ha ¨ufig die abstrakte Darstellung kritisiert, was sie fu ¨r wenig bewanderte Modellierer schwer ver- sta ¨ndlich macht [GrRo99, 231]. Um den Anwendungsbezug von Petrinetzen zu verbessern, wurde bereits fru ¨ hzeitig von Petri die Interpretation von Petrinetzen thematisiert [Petr75]. Dabei werden forma- len Netzelementen der Petrinetze reale Objekte einer Doma ¨ne zugeordnet, um durch die Beru ¨ cksichtigung der doma ¨nen- spezifischen Fachterminologie die Anwen- dung der Petrinetze in unterschiedlichen Doma ¨nen zu vereinfachen. Tabelle 1 ver- deutlicht das beispielhaft anhand unter- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 3, S. 203 210 Die Autoren Kamyar Sarshar Peter Loos Dipl.-Inform. Kamyar Sarshar (MBA) Prof. Dr. Peter Loos Johannes Gutenberg-Universita ¨t Mainz Lehrstuhl fu ¨r Wirtschaftsinformatik und BWL ISYM Information Systems & Manage- ment 55099 Mainz {sarshar|loos}@isym.bwl.uni-mainz.de http://www.isym.bwl.uni-mainz.de 06131 39-23205 Modellierung çberbetrieblicher Behandlungsprozesse durch Objekt-Petrinetze Kernpunkte Behandlungsprozesse werden ha ¨ufig durch unterschiedliche Gesundheitseinrichtungen aus- gefu ¨hrt. Objekt-Petrinetze bieten eine formale Methode, mit der solche Prozesse prinzipiell beschrieben werden ko ¨nnen. Jedoch erschwert ihre abstrakte Darstellung ihre Anwendung im Gesundheitswesen. Der Beitrag entwickelt eine Netzinterpretation fu ¨r Objekt-Petrinetze, um dadurch die Beschreibung von Behandlungsprozessen durch Objekt-Petrinetze fu ¨r Do- ma ¨nenanwender zu vereinfachen. Stichworte: u ¨berbetriebliche Prozesse, Behandlungsprozesse, Netzinterpretation, Objekt- Petrinetze WI – Schwerpunktaufsatz
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Page 1: Modellierung überbetrieblicher behandlungsprozesse durch objekt-petrinetze; Modeling interorganizational clinical processes by object petri nets;

1 Einleitung

Durch die jungst im Rahmen der Refor-men des Gesundheitssystems gesetzlicheingefuhrte fallpauschalbasierte Vergutungvon Gesundheitsleistungen in Deutschlandnimmt die Bedeutung der Modellierungvon Prozessen auch im Gesundheitswesenzu [EiZi03, 76f.; GrHo02, 73f.; Berg04,15]. Ziel der Modellierung ist neben Opti-mierung der Ablaufe und Erhohung derKostentransparenz vor allem auch die Ver-besserung der Qualitat der gesundheitli-chen Versorgung. Dabei ist zu berucksich-tigen, dass diese Domane Besonderheitenaufweist, die bei der Wahl der Modellie-rungsmethode berucksichtigt werden mus-sen. Eine dieser Besonderheiten ist diehaufig organisationsubergreifende Ausfuh-

rung von Behandlungsprozessen durchunterschiedliche Gesundheitseinrichtungen[Scha02]. So kooperieren Hausarzte, spe-zialisierte Facharzte, Krankenhauser undweitere Gesundheitseinrichtungen, wieReha-Kliniken und Labore, indem siedurch eine z. T. abgestimmte Zusammen-arbeit Gesundheitsleistungen am Patientenerbringen. Somit ergibt sich die Anforde-rung an eine Modellierungsmethode, dasssie neben der Modellierung der Flusskon-trolle der Behandlungsschritte auch die furunterschiedliche Behandlungsabschnittezustandigen Einrichtungen beschreibenund mit dem Behandlungsprozess in Be-ziehung setzen muss, um eine Behandlungangemessen zu reprasentieren.

In der Literatur existieren derzeit unter-schiedliche Ansatze, die dynamische Ei-genschaften von Petrinetzen mit dem ob-jektorientierten Paradigma verknupfen[GiVa03, 146–157; Zapf00]. Ein aus der In-formatik hervorgegangener Ansatz sind dieObjekt-Petrinetze [Valk04]. Sie stellenMarken in Petrinetzen wieder als Petri-netze dar und ermoglichen dadurch dieModellierung auf mehreren Ebenen. EineAnwendung dieser Petrinetze ist die Be-

schreibung unterschiedlicher Sichten einesProzesses durch eine einheitliche Notation[AMVW99]. Vor dem Hintergrund derhier angesprochenen Anforderung konnenObjekt-Petrinetze prinzipiell dazu verwen-det werden, das Beziehungsgeflecht vonGesundheitseinrichtungen sowie die zwi-schen ihnen ablaufenden Behandlungspro-zesse durch jeweils eine eigene Modellie-rungsebene formal zu beschreiben undmiteinander in Beziehung zu setzen, umdamit die thematisierte Anforderung zu er-fullen.Doch an Petrinetzen wird haufig die

abstrakte Darstellung kritisiert, was sie furwenig bewanderte Modellierer schwer ver-standlich macht [GrRo99, 231]. Um denAnwendungsbezug von Petrinetzen zuverbessern, wurde bereits fruhzeitig vonPetri die Interpretation von Petrinetzenthematisiert [Petr75]. Dabei werden forma-len Netzelementen der Petrinetze realeObjekte einer Domane zugeordnet, umdurch die Berucksichtigung der domanen-spezifischen Fachterminologie die Anwen-dung der Petrinetze in unterschiedlichenDomanen zu vereinfachen. Tabelle 1 ver-deutlicht das beispielhaft anhand unter-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 3, S. 203–210

Die Autoren

Kamyar SarsharPeter Loos

Dipl.-Inform. Kamyar Sarshar (MBA)Prof. Dr. Peter LoosJohannes Gutenberg-Universitat MainzLehrstuhl fur Wirtschaftsinformatikund BWLISYM – Information Systems & Manage-ment55099 Mainz{sarshar|loos}@isym.bwl.uni-mainz.dehttp://www.isym.bwl.uni-mainz.de06131 39-23205

Modellierung �berbetrieblicherBehandlungsprozesse durchObjekt-Petrinetze

Kernpunkte

Behandlungsprozesse werden haufig durch unterschiedliche Gesundheitseinrichtungen aus-gefuhrt. Objekt-Petrinetze bieten eine formale Methode, mit der solche Prozesse prinzipiellbeschrieben werden konnen. Jedoch erschwert ihre abstrakte Darstellung ihre Anwendungim Gesundheitswesen. Der Beitrag entwickelt eine Netzinterpretation fur Objekt-Petrinetze,um dadurch die Beschreibung von Behandlungsprozessen durch Objekt-Petrinetze fur Do-manenanwender zu vereinfachen.

Stichworte: uberbetriebliche Prozesse, Behandlungsprozesse, Netzinterpretation, Objekt-Petrinetze

WI – Schwerpunktaufsatz

Page 2: Modellierung überbetrieblicher behandlungsprozesse durch objekt-petrinetze; Modeling interorganizational clinical processes by object petri nets;

schiedlicher Domanen. Entsprechende In-terpretationen finden sich in der Literaturbeispielsweise fur den Einsatz der Petrinet-ze im Rahmen der Geschaftsprozesssimu-lation [Uthm01] sowie der Steuerungs-und Digitaltechnik [KoQu88].Der vorliegende Beitrag entwickelt eine

Interpretation der Objekt-Petrinetze furdie Modellierung von Behandlungsprozes-sen. Dabei wird herausgearbeitet, wie for-male Netzelemente dieser Petrinetzvariante(Stelle, Transition, Objektnetz, System-netz, Interaktionen etc.) reale Objekte undSachverhalte der diskutierten Domane (Be-handlungsschritt, Patientenzustand, Ge-sundheitseinrichtung etc.) zugeordnet wer-den konnen. Dadurch werden Anwenderin der medizinischen Domane, die bei derBeschreibung von Behandlungsprozessenauf Objekt-Petrinetze zuruckgreifen wol-len, methodisch unterstutzt.Die vorliegende Arbeit ist wie folgt ge-

gliedert: Nach der Einleitung folgt in Kapi-tel 2 eine Darstellung verwandter Arbeiten.Kapitel 3 gibt eine allgemeine Einfuhrungin Objekt-Petrinetze. Es folgt die Darstel-lung und Erlauterung der Netzinterpretati-on von Objekt-Petrinetzen in Kapitel 4. InKapitel 5 wird deren Einsatz anhand eineskonstruierten Beispiels demonstriert. DieArbeit schließt mit einer Zusammenfassungund einem Ausblick in Kapitel 6.

2 Verwandte Arbeiten

Bei der Betrachtung der Literatur konnenmehrere Modellierungsmethoden identifi-ziert werden, die bei der Beschreibung me-dizinischer Behandlungsprozesse zum Ein-satz kommen. Diese werden nachfolgendkurz erlautert, ihre Vor- und Nachteile be-schrieben und im Anschluss zusammenfas-send dargestellt.Ein nahe liegender Ansatz ist die Nut-

zung etablierter domanenneutraler Model-lierungsmethoden zur Beschreibung me-dizinischer Prozesse. Vor diesem Hinter-

grund werden vor allem die aus derGeschaftprozessmodellierung bekanntenund durch ihre Verbreitung und Toolunter-stutzung etablierten EreignisgesteuertenProzessketten (kurz EPK) [KeNS92] zurDarstellung von Behandlungsprozessenpropagiert [SlWa04; GrHo02, 78f.; Perr03;EiZi03; ScCZ96]. Neben vorhandenen Er-fahrungen und Methodenwissen hat dieseMethode den Vorteil, dass mit dem ARIS-Toolset ein ausgereiftes Werkzeug vorliegt,welches bei der Modellierung in der Do-mane zum Einsatz kommen kann. Auchbei der Nutzung der Modelle zur Gestal-tung bzw. Konfiguration von Informati-onssystemen liegen Erfahrungen vor, diegenutzt werden konnen. Alternativ kannauch auf UML-Aktivitatsdiagramme zu-ruckgegriffen werden [Fowl04, 117f.], diedurch Swimlanes Verantwortlichkeiten beider Ausfuhrung von Behandlungsprozes-sen entsprechende Gesundheitseinrichtun-gen zuordnen lassen.Weiterhin bieten sich domanenspezi-

fische Methoden an. In diesem Umfeld her-vorgebrachten Arbeiten behandeln die Be-reitstellung graphischer Konstrukte, die andie zumodellierende Realitat angepasst sindund damit dem Modellanwender entgegen-kommen [WPTB02]. Nachteile dieserMethoden sind die mangelnde Werkzeug-unterstutzung und ihre Heterogenitat imHinblick auf die Darstellung der zu model-lierenden Inhalte, was eine Auswahlent-scheidung in der Praxis erschwert [SaLo04].Außerdem ist unklar, wie die entstandenenModelle, die hauptsachlich diagnostischeund therapeutische Sachverhalte zum Ge-genstand haben, in eine Form uberfuhrtwerden konnen, auf die bei der Gestaltungvon Krankenhaus-Informationssystemenzuruckgegriffen werden kann.Einen Mittelweg zwischen den beiden

erstgenannten Modellierungsansatzen ver-folgen Arbeiten, die auf der Grundlage do-manenneutraler Methoden eine Sprach-erweiterung vorschlagen. Dieser Ansatzwird in [Seng00] verfolgt, wo zunachst dieEignung der EPK im Kontext von Kran-

kenhauslogistik untersucht und auf Defizi-te u. a. in Bezug auf die Darstellung vonBehandlungsschleifen hingewiesen wird.Daraufhin wird die agentenorientierte Er-weiterung Ereignisgesteuerter Prozessket-ten (kurz xEPK) entwickelt und ihr Ein-satz durch mehrere Beispiele demonstriert[KHPP02]. Es fehlen jedoch empirischeBefunde, die die Anwendbarkeit der xEPKin Bezug auf die Modellierung von Be-handlungsprozessen sowie ihre Akzeptanzdurch Domanenanwender belegen konnen.

Bei den bisher genannten Methoden liegtder Fokus auf der graphischen Reprasenta-tion der Modelle und weniger auf ihrer for-malen Untersuchung. Dies wird durchGui-de [QFSC00] ermoglicht. Es handelt sichhierbei um eine Sprache, die zunachstKonstrukte zur Modellierung von Behand-lungsprozessen bereitstellt, um anschlie-ßend entstandene Modelle in Petrinetze zutransformieren. Zu den Konstrukten geho-ren u. a. „Patientenzustand uberwachen“,„Wartezyklus“, „Behandlungsschritt“ oder„Behandlungsentscheidung“. Um die durchdiesen Zwischenschritt entstandenen Mo-delle formal zu untersuchen und sie furWorkflowsysteme einsetzbar zu machen,werden sie nach der Modellierung auto-matisiert in Petrinetze transformiert. Damitwird gleichzeitig die Moglichkeit der Simu-lation der Modelle geschaffen.Tabelle 2 fasst die beschriebenen Metho-

den zusammen und teilt sie zunachst in do-manenneutrale und -spezifische Methodenein. Bei allen Modellierungsmethoden istdie Beschreibung der Flusskontrolle desBehandlungsablaufs gegeben. Erste Unter-schiede lassen sich bei den Ansatzen darinerkennen, dass sie Verantwortlichkeiten furBehandlungsschritte verschiedenartig dar-stellen. Wahrend drei Methoden die Ver-antwortlichkeit der Ausfuhrung als Attri-but hinterlegen, wird bei der eEPK ein ei-genes graphisches Konstrukt an eineFunktion hinzumodelliert. Die UML-Ak-tivitatsdiagramme stellen die Verantwort-lichkeit durch die Positionierung einzelnerAktivitaten innerhalb von Swimlanes dar.Noch deutlicher werden die Unterschiedezwischen den Methoden, wenn es darumgeht, Organisationsstrukturen zu reprasen-tieren. Die eEPK greift dazu auf Organi-gramme zuruck, wahrend die UML-Akti-vitatsdiagramme in der aktuellen Versionhierarchische Swimlanes verwenden. Defi-zit beider Ansatze ist, dass durch sie aus-schließlich hierarchische Organisations-strukturen abgebildet werden konnen.Zwar bieten die xEPK hier durch SD-Dia-gramme differenziertere Darstellungsmog-lichkeiten, doch sie berucksichtigen aus-

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Tabelle 1 Netzinterpretationen in unterschiedlichen Domanen [Quelle: In Anlehnung an Petr75, 11]

Domane Stellen Transitionen

Informationstechnologie Speicherplatze Lese- oder Schreibbefehle

Softwaretechnik Programmiersprache Compiler

Produktion Produkte Produktionsaktivitaten

Chemie Chemische Komponenten Chemische Reaktionen

Medizin Nervenzellen Reizubertragung

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schließlich organisationsinterne Einheiten.So kann zusammenfassend festgestellt wer-den, dass durch keine der aufgefuhrten Me-thoden die uberbetriebliche Organisations-sicht von Gesundheitsnetzen, die nichtzwingend hierarchisch organisiert seinmussen, modelliert und mit Abschnittenvon Behandlungsprozessen in Bezug ge-setzt werden kann.

3 Einfuhrung in Objekt-Petrinetze

Unter Petrinetzen wird eine Anzahl vonMethoden zur Modellierung, Analyse undSimulation nebenlaufiger Systeme zusam-mengefasst, die sich in elementare und ho-here Petrinetze einteilen lassen. ElementarePetrinetze bestehen aus Stellen, Transitio-nen und Kanten, die zusammenfassend alsNetzelemente bezeichnet werden. Stellenund Transitionen sind dabei zwei disjunkteMengen von Knoten. Kanten verbinden je-weils unterschiedliche Typen von Knoten.Das dynamische Verhalten von Petrinetzenist durch Marken und die ihnen zugrundeliegenden Schaltregeln formalisiert. Die Be-sonderheit elementarer Petrinetze, zu de-nen die elementaren Netzsysteme [Thia87]und die Stellen/Transitions-Netze (kurzS/T-Netze) [Reis87] zahlen, ist die Unun-terscheidbarkeit der Marken. Hohere Pe-trinetze, zu denen die Pradikat/Transi-tions-Netze (kurz Pr/T-Netze) [Genr87]und die gefarbten Petrinetze [Jens87;Jens92] zahlen, unterscheiden Marken, in-dem sie ihnen Werte zuordnen.Wahrend bei hoheren Petrinetzen Mar-

ken Datenobjekte reprasentieren, die durchTransitionen manipuliert werden, stellenObjekt-Petrinetze Marken als aktive Ob-jekte dar, die ihren Zustand auch ohne Zu-tun von Transitionen andern konnen[Valk04]. Die Ursprunge des Ansatzes las-sen sich auf die Auftrags/Verkehrs-Netze

(kurz AV-Netze) zuruckverfolgen [Valk87].Bei der Verallgemeinerung der AV-Netzezu den Objekt-Petrinetzen wird von einemSystemnetz gesprochen, das Objektnetzeals Marken enthalt [fur formale Definitio-nen vgl. Valk91; Valk96; Valk98]. Bei dereinfachsten Variante der Objekt-Petrinetzeexistiert ein Systemnetz, das genau ein Ob-jektnetz oder Kopien desselben Objektnet-zes als Marke enthalt. Bei dieser als unareelementare Objektsysteme (kurz unareEOS) bezeichneten Variante sind System-und Objektnetz elementare Netzsysteme.Bei den elementaren Objektsystemen (kurzEOS) werden die zwei Ebenen auf n Ebe-nen ausgeweitet, wobei ein Objektnetzselbst das Systemnetz der darunter liegen-den Ebene reprasentieren kann. Außerdemwerden unterschiedliche Objektnetze in ei-nem Systemnetz zugelassen.Die Wechselwirkung zwischen den Tran-

sitionen des System- und der Objektnetzewird durch <in> notiert und ist durch eineInteraktionsrelation formalisiert. Bild 1 ver-deutlicht diesen Zusammenhang beispiel-haft durch eine einfache unare EOS. In demBild ist links ein Objektnetz (ON) und

rechts ein Systemnetz (SN) dargestellt. DasObjektnetz befindet sich als Marke in derStelle p1 des Systemnetzes.

Die Transition e1 des Objektnetzes kannschalten, ohne dass das Systemnetz t1schalten muss, da zwischen e1 und t1 keineInteraktion vorgesehen ist. Die nach demSchalten von e1 aktivierten Transitionen e2und e3 konnen nicht autonom schalten, dahier eine Interaktion mit dem Systemnetzvorgesehen ist. Dazu muss zunachst durchdas Schalten der Transition t1 des System-netzes das Objektnetz nach p2 transpor-tiert werden. Erst danach ist das Schaltenvon e2 bzw. e3 durch eine Synchronisationmit dem Systemnetz moglich. Nach demTransport des Objektnetzes durch das Sys-temnetz nach p2 konnen e2 und e3 alterna-tiv in zwei unterschiedlichen Reihenfolgenschalten. Das Beispiel verdeutlicht, wie dasVerhalten des Systemnetzes und der Ob-jektnetze durch folgende drei Schaltmog-lichkeiten bestimmt wird:

Interaktion: Durch eine Interaktion wirddas synchrone Schalten von Transitionendes System- und des Objektnetzes erreicht.Sie wird durch eine spitze Klammer (<in>)

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Tabelle 2 �bersicht der Modellierungsmethoden

eEPK(ARIS)

UML-Aktivitats-diagramme

xEPK Prodigy Proforma Guide

Domanenspezifisch � � þ þ þ þFlusskontrolle derBehandlungsschritte

þ þ þ þ þ þ

Zuordnung vonVerantwortlichkeiten

þ(Graphisch)

þ(Swimlanes)

þ(Graphisch)

þ(Attribut)

þ(Attribut)

þ(Attribut)

Darstellung der Organisations-struktur

Organigramme Hierarch.Swimlanes

SD-Diagramme � � �

Bild 1 Elementares Objektsystem [Quelle: Valk98, 10]

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notiert und bewirkt, dass an bestimmtenTransitionen das System- und das Objekt-netz synchron schalten.Systemautonomes Schalten (Transport):

Neben der Moglichkeit des synchronenSchaltens beider Netze ist das autonomeSchalten des Systemnetzes vorgesehen.Hierbei transportiert das Systemnetz einObjektnetz, ohne dass sich dabei der Zu-stand des Objektnetzes andert.

Objektautonomes Schalten: Analog exis-tiert das autonome Schalten des Objektnet-zes. Wahrend bei den ersten beiden Schalt-moglichkeiten das Systemnetz beteiligtwar, ermoglicht das objektautonome Schal-ten eine Zustandsanderung des Objektnet-zes ohne Beteiligung des Systemnetzes.Solange Objektnetze nicht kopiert wer-

den oder Kopien nicht zusammengefuhrtwerden mussen, wird zur Markierung einesObjekt-Petrinetzes die bi-Markierung ver-wendet, die sich aus der Markierung desSystem- und des Objektnetzes ergibt. Hin-gegen konnen durch die bi-Markierungkeine Inkonsistenzen erkannt werden, dieim Zusammenhang mit der Zusammenfuh-rung mehrerer Kopien eines Objektnetzesentstehen konnen. Dazu wird die p-Mar-kierung verwendet, die Prozesse von Ob-jektnetzen als Marken verwendet [fur for-male Definitionen und beispielhafte An-wendungen vgl. u. a. Valk98].

Neben theoretischen Untersuchungen derObjekt-Petrinetze [Kohl03] gehen Arbeitenzu ihrer Anwendung bislang auf die Model-lierung implementierungsnaher Aspektevon Agentensystemen ein [KoMR03] unduntersuchen deren Einsatz im Kontext derGeschaftsprozessmodellierung [MoVa00;AMVW99]. In Anlehnung anObjekt-Petri-netze wurden die Referenznetze entwickelt[Kumm02], bei denen die Marken einesNetzes nicht andere Netze, sondern Refe-renzen auf Netze darstellen.

4 DomanenspezifischeInterpretation der Objekt-Petrinetze

In der bisherigen Darstellung wurden dieObjekt-Petrinetze als abstrakte Gebildeeingefuhrt, die aus verschiedenen Netzele-menten bestehen und ein bestimmtes Ver-halten ausweisen. Um Domanenanwenderbei der Modellierung von Behandlungs-prozessen mit Objekt-Petrinetzen zu un-terstutzen, wird nachfolgend eine doma-nenspezifische Interpretation der Netzele-mente dieser Petrinetzvariante gemaß derDarstellung in Tabelle 3 eingefuhrt.

4.1 Interpretation der statischenElemente

In der vorgenommenen Interpretation re-prasentiert das Systemnetz das Gesund-heitsnetz samt dem Beziehungsgeflecht derzusammengeschlossenen Gesundheitsein-richtungen und damit die Organisations-sicht. Das Systemnetz unterscheidet zweidisjunkte Mengen von Stellen und Tran-sitionen. Stellen des Systemnetzes sindrechtlich selbstandige Einrichtungen, diebestimmte Gesundheitsleistungen anbietenund dabei z. T. Leistungen anderer Ein-richtungen nutzen. Durch Transitionen desSystemnetzes werden Austauschbeziehun-gen zwischen Gesundheitseinrichtungenreprasentiert. Zu ihnen zahlen in erster Li-nie die �berweisung von Patienten sowiedie Auftrags- und Lieferbeziehungen vonWaren und Dienstleistungen. Kanten ver-binden Stellen und Transitionen und ver-deutlichen damit die Richtung der Aus-tauschbeziehungen. Ausgehend von dementstandenen Beziehungsgeflecht zwischenGesundheitseinrichtungen entstehen unter-schiedliche Netzorganisationen, dessenStruktur durch das Systemnetz beschriebenwird. Bei einer verfeinerten Darstellungeinzelner Stellen kann diese Organisations-sicht je nach Granularitat auch die internenAbteilungen oder Stellen und ihre Wei-sungsbeziehungen formal beschreiben.Objektnetze sind Marken im System-

netz, die selbst wieder als Petrinetze be-schrieben werden und ein eigenes dyna-misches Verhalten ausweisen. Sie werdenals Behandlungsprozesse interpretiert.Analog zum Systemnetz besteht auch dasObjektnetz aus Stellen und Transitionen,die durch gerichtete Kanten verbundensind. Dabei ist eine Stelle des Objektnetzesein Behandlungszustand eines Patienten.Dieser Zustand wird durch die Ausfuh-rung von Diagnose- und Behandlungs-schritten, die durch Transitionen dargestelltwerden, verandert.

4.2 Interpretation dynamischerElemente

Die unterschiedlichen Schaltmoglichkeitender Objekt-Petrinetze reprasentieren dieAusfuhrung eines Behandlungsprozessesdurch Institutionen eines Gesundheitsnet-zes. Das objektautonome Schalten kann alsdie Ausfuhrung einzelner Behandlungs-schritte innerhalb einer Gesundheitsein-richtung interpretiert werden. Solange sichdas Objektnetz in einer Stelle des System-netzes befindet, wird der Behandlungspro-

zess durch die jeweilige Einrichtung er-bracht. Bild 2 verdeutlicht diesen Vorganganhand eines einfachen Beispiels.Die Interaktion von System- und Ob-

jektnetz bewirkt, dass das Systemnetz dasObjektnetz transportiert und dabei dasObjektnetz seinen Zustand verandert. Die-ser Schaltvorgang kann eingesetzt werden,um an bestimmten Positionen innerhalbder Bearbeitung den Behandlungsprozessan eine nachgelagerte Gesundheitseinrich-tung zur Weiterbehandlung zu ubergeben.Dazu werden, wie in Bild 3 dargestellt, dieTransitionen auf beiden Ebenen gekenn-zeichnet (hier durch <i1>), die synchronschalten sollen. Im Beispiel soll bei der Di-agnose eines akuten Herzinfarktes der Pa-tient an ein Krankenhaus uberwiesen wer-den.Das systemautonome Schalten bewirkt,

dass ein Objektnetz ohne eigene Zustand-sanderung von einer Stelle in eine anderegeschaltet (transportiert) wird. Dadurchwird die Weitergabe von Behandlungspro-zessen an nachfolgende Einrichtungen er-moglicht, ohne dass sich der Zustand derBehandlung dabei andert.

5 Beispielhafte Anwendung

5.1 Das Gesundheitsnetzwerkals Systemnetz

Bild 4 beschreibt im unteren Teil als Sys-temnetz (SN) die am Netzwerk beteiligtenGesundheitseinrichtungen sowie die zwi-schen ihnen bestehenden Beziehungen ausder Organisationssicht. Im vorliegendenidealisierten Beispiel sollen sechs Einrich-tungen am Netzwerk beteiligt sein. Zu-nachst ist ein Hausarzt als erste Anlaufstel-le fur den Patienten vorgesehen. Der Kar-diologe bekommt als Facharzt Patientenvom Hausarzt uberwiesen. Bei akuten Fal-len kann der Hausarzt den Patienten auchdirekt ins Krankenhaus uberweisen. Furdie Diagnostik sind eine radiologische Pra-xis und ein Labor am Netzwerk beteiligt,die durch ihre Leistungen den Kardiologenbei der Diagnose unterstutzen. Die Aus-tauschbeziehungen bestehen hier aus derAnforderung bzw. der �bermittlung vonBefunden. Auch der Kardiologe kann denPatienten ins Krankenhaus uberweisen.Die am Netzwerk beteiligte Reha-Klinikubernimmt die Nachversorgung des Pa-tienten. Die dargestellte Organisations-struktur ist unabhangig von den einzelnenBehandlungsprozessen, die durch die Ko-operation der Gesundheitseinrichtungen

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206 Kamyar Sarshar, Peter Loos

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erbracht werden konnen. Sie stellt lediglichdie Gesundheitseinrichtungen sowie diezwischen ihnen existierenden Beziehungenim dar.

5.2 Der Behandlungsprozessals Objektnetz

Das im Systemnetz als Marke dargestellteObjektnetz reprasentiert hier einen Be-handlungsprozess. Er beinhaltet in starkvereinfachter Form Diagnose- und Be-handlungsschritte sowie Patientenzustan-de, die durch die Kooperation am Netz-werk beteiligter Einrichtungen organisati-onsubergreifend erbracht werden. DerPatientenzustand wird durch Stellen dar-gestellt und durch Transitionen, die einzel-ne Behandlungsschritte reprasentieren, ve-randert.Der Behandlungsprozess stellt sich wie

folgt dar: Ausgehend von der Anamnese,wo die Vorgeschichte der Krankheit ermit-telt wird, und der anschließenden Unter-suchung (hier ein EKG) erstellt der Haus-arzt eine erste Diagnose. Sie kann je nachKrankheitsbild im vorliegenden Beispielein normaler Befund, ein Verdacht aufHerzinsuffizienz (Herzschwache) oder einakuter Herzinfarkt sein. Bei Verdacht aufHerzinsuffizienz werden weitere Unter-suchungen durchgefuhrt. Dazu zahlen eineradiologische Untersuchung sowie eineBlutbilduntersuchung. Falls sich danachein akuter Herzinfarkt herausstellt, istalternativ eine medikamentose oder eineinterventionelle Therapie moglich (Lyse-therapie bzw. PCTA). Danach muss derPatientenzustand in einem stationaren Auf-enthalt beobachtet werden. Dieser in Bild 4oben als Objektnetz (ON) dargestellte Be-handlungsprozess ist durch die logischeAbfolge der Behandlungsschritte beschrie-ben.Der Bezug zum Systemnetz und damit

zu dem Aufgabentrager einzelner Prozess-abschnitte wird durch die Interaktionsrela-tion hergestellt, die in spitzen Klammernnotiert wird. Wahrend hier, wie in Bild 4dargestellt, die ersten Schritte des Behand-lungsprozesses objektautonom schaltenund damit durch den Hausarzt erbrachtwerden, ist an den Transitionen „Verdachtauf Herzinsuffizienz“ und „Akuter Herz-infarkt“ eine Interaktion mit dem System-netz durch <i1> bzw. <i2> vorgesehen.Durch das Schalten dieser Transitionenwird der Behandlungsprozess an den Kar-diologen bzw. an das Krankenhaus zurWeiterbehandlung weitergereicht. Im ers-ten Fall, wo der Patient zur Weiterbe-handlung zum Kardiologen uberwiesen

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Tabelle 3 Interpretation von Objekt-Petrinetzen in der Domane Gesundheitswesen

Objekt-Petrinetze Interpretation der Objekt-Petrinetze in der DomaneGesundheitswesen

Netzelemente

Systemnetz Organisation von Gesundheitseinrichtungen

Stellen im Systemnetz Einzelne Gesundheitseinrichtungen

Transitionen im Systemnetz Auftrags- bzw. �berweisungsbeziehungen zwischen Ge-sundheitseinrichtungen

Objektnetz(e) Behandlungsprozess(e)

Stellen im Objektnetz Patientenzustand

Transition im Objektnetz Behandlungsschritt

Dynamisches Verhalten

Objektautonomes Schalten Ein Behandlungsschritt wird innerhalb der Einrichtung aus-gefuhrt

Systemautonomes Schalten Die Ausfuhrung eines Behandlungsprozesses wird an einenachgelagerte Gesundheitseinrichtung weitergegeben

Interaktionsrelation Es wird ein Behandlungsschritt ausgefuhrt, wobei gleichzei-tig der Behandlungsprozess an eine nachgelagerte Gesund-heitseinrichtung weitergegeben wird

Bild 2 Beispiel fur das objektautonome Schalten

Bild 3 Beispiel fur eine Interaktion

Modellierung uberbetrieblicher Behandlungsprozesse durch Objekt-Petrinetze 207

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wird, sind zwei Untersuchungen im Be-handlungsprozess vorgesehen. Nach derAusfuhrung der Untersuchungen erstelltder Kardiologe seine Diagnose. Wenn einakuter Herzinfarkt diagnostiziert wird,wird der Prozess, bedingt durch die Inter-aktion <i3>, an das Krankenhaus weiter-gegeben, wo nach der Behandlung desHerzinfarkts der Patient stationar ver-sorgt, beobachtet und spater entlassenwird (objektautonomes Schalten). Die Re-ha-Klinik ist an diesem Behandlungspro-zess nicht beteiligt.

6 Zusammenfassungund Ausblick

Eine Modellierungsmethode, die Behand-lungsprozesse beschreiben soll, muss in derLage sein, neben der Flusskontrolle einzel-ner Behandlungsschritte auch die fur dieSchritte verantwortlichen Einrichtungenzu reprasentieren. In der vorliegenden Ar-beit wurden die aus der Informatikfor-schung hervorgegangenen Objekt-Petri-netze als ein Ansatz vorgeschlagen, um Be-

handlungsprozesse samt der Organisationder an ihrer Ausfuhrung beteiligten Ge-sundheitseinrichtungen formal zu beschrei-ben. Dabei wurde eine domanenspezifischeInterpretation der Objekt-Petrinetze ein-gefuhrt, die unterschiedlichen Netzelemen-ten dieser Methode reale Objekte undSachverhalte der diskutierten Domane zu-ordnet und so den Zugang von Domanen-anwendern zu dieser formalen Methode er-leichtert. Durch die fachterminologischeAusrichtung dieser Petrinetzvariante an dieDomane wird fur Domanenanwender dieVoraussetzung geschaffen, um Behand-lungsprozesse durch diese Petrinetzvaria-nte zu beschreiben und sie damit der theo-retischen Analyse sowie Simulationen zu-ganglich zu machen.Der diskutierte Ansatz ist uber das Ge-

sundheitswesen hinaus insofern fur dieWirtschaftsinformatik von Bedeutung, daer einen Weg aufzeigt, wie neben der Da-tensicht und der Flusskontrolle eines Pro-zesses, fur die jeweils neben graphischenNotationen auch formale Beschreibungenvorliegen [Codd70; Aals94], auch die un-ternehmensinterne bzw. die -ubergreifendeOrganisation formalisiert werden kann. Sokonnen Organigramme, die typischerweisezur graphischen Darstellung der (inner-betrieblichen) Organisation von Unterneh-men zum Einsatz kommen, durch �ber-fuhrung in entsprechende Systemnetze beider formalen Beschreibung von Prozessenherangezogen werden. Der Nutzen einessolchen Vorgehens ware beispielsweise derstarkere Einbezug der Organisationssichtim Rahmen von Workflow-Management-systemen, dessen derzeitige Vernachlassi-gung in der Literatur oft kritisiert wird[z. B. Mueh04, 271; BaKu02, 4].Allerdings existiert in diesem Kontext

noch eine Reihe offener Punkte. Zunachstist zu klaren, inwieweit existierende Mo-dellierungstools die hier diskutierte Petri-netzvariante unterstutzen. Mit Renew[KWDS04] liegt zwar ein Tool vor, das beider Modellierung von Referenznetzen ge-nutzt werden kann, dessen Einsatz ins-besondere zur Simulation der dargestelltenModelle bedarf aber einer weitergehendenUntersuchung. Weiterhin ist zu klaren, obDomanenanwender die graphische Repra-sentation der Elemente der Objekt-Petri-netze direkt verwenden sollen (Kreise,Quadrate, schwarze Marken etc.) oder obeine Alternative Darstellung benotigt wird.Ein solches Vorgehen wurde Domanen-anwendern die Details der Objekt-Petri-netze weiter verbergen und damit dessenAnwendungen fur ungeubte Modellierererleichtern. Schließlich ist die Erfullung

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Reha-Klinik

Bild 4 Behandlungsprozess- (Objektnetz) und Organisationsdarstellung (Systemnetz)

208 Kamyar Sarshar, Peter Loos

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weiterer Anforderung der Domane zu pru-fen. Hier ware ein Feldversuch vonnoten,um Anforderungen der Domane, wie z. B.die Modifikation der Behandlungsprozessebei der Prozessausfuhrung aufgrund un-vorhergesehener Komplikationen, zu erhe-ben und im Kontext der Objekt-Petrinetzezu untersuchen.

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Abstract

Modeling Interorganizational Clinical Processes by Object Petri Nets

Clinical processes are often performed by the cooperation of different healthcare organiza-tion. But even that for modeling of such processes the object Petri nets can be used, theyoften lack of intuitive comprehensibility. This contribution presents an interpretation of objectPetri nets which assigns abstract net elements to real objects of the healthcare domain. Bydoing this it helps domain user to apply this Petri net type to the modeling of clinical pro-cesses. The application of this approach is demonstrated.

Keywords: Interorganizational Processes, Clinical Processes, Modeling, Object Petri Nets

Modellierung uberbetrieblicher Behandlungsprozesse durch Objekt-Petrinetze 209

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