+ All Categories
Home > Documents > Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende...

Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende...

Date post: 17-Sep-2018
Category:
Upload: hakhanh
View: 223 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
5
TECHNIK LEITUNGSBAU 2 11-2015 Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in Rohrleitungen Die Bewegung von Wasser in Rohrleitungen kann durch Lufteinschlüsse stark beeinflusst werden. Nicht nur bei der Füllung leerer Leitungen, sondern auch beim Einsatz von Be- und Entlüftungsventilen oder der Druckluftspülung gilt es daher, die Existenz eingeschlossener Luft zu beachten. Die Bewegung der Medien Wasser und Luft unterliegt dem Einfluss der Gravitation, der Geschwindigkeit und der Turbulenz der Strömung. In den meisten Anwendungsfällen kommt es zur eindeu- tigen Trennung zwischen Luft und Wasser. Insbesondere die im Gelände frei ver- legten Rohrleitungen, wie sie z. B. für den Abwassertransport eingesetzt werden, sind hinsichtlich ihrer hydraulischen Leistungsfähigkeit empfindlich gegen Luft- einschlüsse. Der Beitrag gibt Hinweise zur Berücksichtigung dieses Phänomens. VAG-Armaturen GmbH
Transcript
Page 1: Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant

Technik Leitungsbau

2 11-2015

Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in Rohrleitungen

Die Bewegung von Wasser in Rohrleitungen kann durch Lufteinschlüsse stark

beeinflusst werden. Nicht nur bei der Füllung leerer Leitungen, sondern auch beim

Einsatz von Be- und Entlüftungsventilen oder der Druckluftspülung gilt es daher,

die Existenz eingeschlossener Luft zu beachten. Die Bewegung der Medien Wasser

und Luft unterliegt dem Einfluss der Gravitation, der Geschwindigkeit und der

Turbulenz der Strömung. In den meisten Anwendungsfällen kommt es zur eindeu-

tigen Trennung zwischen Luft und Wasser. Insbesondere die im Gelände frei ver-

legten Rohrleitungen, wie sie z. B. für den Abwassertransport eingesetzt werden,

sind hinsichtlich ihrer hydraulischen Leistungsfähigkeit empfindlich gegen Luft-

einschlüsse. Der Beitrag gibt Hinweise zur Berücksichtigung dieses Phänomens.

VAG-

Arm

atur

en G

mbH

Page 2: Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant

311-2015

Ein vor einigen Jahren am Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik (IWD) der TU Dresden durchgeführtes Forschungs-vorhaben (Abb. 1), viele Veröffentlichungen anderer Forscher-gruppen, praktische Anwendungsfälle sowie die Berücksichti-gung dieser Problematik in den Merkblättern und Richtlinien von Fachorganisationen (z. B. DWA-A 116, 2013) zeigen, dass den Lufteinschlüssen in Rohrleitungen in den letzten Jahren große Beachtung geschenkt wurde.

Der gemeinsame Transport von Wasser und Luft hat viele Facet-ten und reicht vom Transport kleinerer Luftblasen im Wasser (Blasenströmung) bis hin zum Transport von Wasserteilchen in einer Luftströmung (Spreyströmung) in horizontalen als auch in vertikalen Leitungen. Der Anwendungsfall, der hier diskutiert werden soll, betrifft den störenden Einfluss von Lufteinschlüs-sen in Trinkwasser- oder Abwasserleitungen. Hier liegt in der Regel eine eindeutige Trennung von Luft und Wasser vor, d. h. der Einfluss der Gravitation auf die Strömung überwiegt. Luft- oder Gasblasen werden im Scheitelbereich der Rohrleitung mit der Strömung transportiert, sammeln sich an Hochpunkten und bilden größerer Lufttaschen, die in der Strömung wie eine Art hydraulischer Widerstand wirken. Insbesondere die im Gelände frei verlegten Rohrleitungen, wie sie z. B. für den Abwassertrans-port eingesetzt werden, sind hinsichtlich ihrer hydraulischen

Leistungsfähigkeit empfindlich gegen Lufteinschlüsse. Durch die freie Verlegung kann es zur Ausbildung vieler Hochpunkte kommen, die eine Ansammlung von eingeschlossener Luft ermög-lichen. Ist die Transportgeschwindigkeit des Wassers zu gering, um diese Luft selbstständig zu bewegen (Selbstentlüftung), führt die Ansammlung von Lufteinschlüssen zur Behinderung der Strömung bis hin zum vollständigen Stillstand der Wasser-bewegung.

Eine Möglichkeit für den hydraulischen Nachweis der Wasser-bewegung bei Lufteinschluss ist die Betrachtung eines Extrem-zustandes, d. h. alle möglichen luftgefüllten Abschnitte werden vollständig in der hydraulischen Berechnung berücksichtigt. Erst dann erfolgt in einem zweiten Schritt die Überprüfung einer Selbstentlüftung; die Geschwindigkeit der Wasserströmung muss hierbei größer als eine Mindestfließgeschwindigkeit sein, die zum Austrag von Lufteinschlüssen erforderlich ist. Die Betrachtung des Extremzustandes ist damit begründbar, dass eingetragene Luft den ersten fallenden Rohrabschnitt vollstän-dig füllt, überschüssige Luft weitertransportiert wird und den nächsten fallenden Abschnitt füllt usw. In der Realität stellt sich meist ein Zwischenzustand ein, wobei fallende Leitungsab-schnitte nur teilweise im Bereich des Hochpunktes mit Luft gefüllt sind.

Abb. 1 – Modellversuch im Hubert-Engels-Labor zur Untersuchung der Bewe-gung von Luftblasen in einer geneigten Rohrleitung DN 200

IWD

Lufteinschlüsse in Rohr-leitungen sind in der Lage, die Strömung im Rohr erheb-lich zu behindern – bis hin zum vollständigen Stillstand der Wasserbewegung

IWD

Page 3: Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant

Technik Leitungsbau

4 11-2015

Bewegung von LuftblasenNeben den beschriebenen massiven Möglichkeiten des Luft-eintrages treten häufiger einzelne Luftblasen in Rohrleitungen auf, die durch Pumpen, an undichten Stellen, durch Belüf-tungsarmaturen, durch Ausgasung oder durch biologische und chemische Reaktionen in die Leitung gelangen. Sie sammeln sich an den Hochpunkten der Leitung oder werden mit der Strö-mung mitgerissen. Diese Luftblasen vereinigen sich in der Folge und bilden größere Ansammlungen von Luft, die wie bereits beschrieben als Strömungswiderstand wirken und im Extrem-fall zum Stillstand der Strömung führen können. Größere Geschwindigkeiten und geringeres Gefälle erleichtern die Bewe-gung von Blasen. Werden diese mit der Strömung bewegt und dadurch selbstständig ausgetragen, spricht man von Selbst-entlüftung.

Aufgrund Ihres Auftriebes bewegen sich Luftblasen in der Rohrleitung nach oben, bei steigenden Leitungen mit der Strö-mung und bei fallenden Leitungen entgegen der Strömung. Wäh-rend eine mit der Strömung ansteigende Rohrleitung sich folge-richtig selbstständig entlüftet, erzeugt eine mit der Strömung fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant sind deshalb die fal-lenden Leitungen, da sich bei diesen die Luft sammelt. Kleinere Einzelblasen bewegen sich hier schon bei geringeren Geschwin-digkeiten des Wassers im Scheitelbereich mit dem Wasser mit. Eine Blase verharrt, wenn eine Strömungsgeschwindigkeit erreicht ist, die eine genauso große Kraft erzeugt wie die anteilige Auf-triebskraft der Blase. Da die Blase bei dieser Geschwindigkeit an einem Punkt still steht, wird sie als Stillstandsgeschwindig-keit oder Selbstentlüftungsgeschwindigkeit υS bezeichnet. Die Blase wird mit der Strömung mitgerissen, wenn diese Geschwin-digkeit größer wird und sie bewegt sich entgegen der Strömung, wenn sie kleiner als diese Selbstentlüftungsgeschwindigkeit wird. Die Untersuchungen an einem Modell im Hubert-Engels-Labor haben gezeigt, dass diese Geschwindigkeiten für die unterschiedlichen Blasengrößen nicht gleich sind: Die größte Geschwindigkeit wird den Untersuchungen zufolge für eine mitt-

lere Blasengröße benötigt. Dabei wird die Blasengröße als dimen-sionslose Größe n definiert, indem das Blasenvolumen zu einem Rohrabschnitt mit der Länge des Durchmessers der Rohleitung ins Verhältnis gesetzt wird.

(1)n = VB

π4 · d3

Aus den Untersuchungen ging hervor, dass die Blase mit der Größe n = 0,41 die größte Strömungsgeschwindigkeit benötigt. Ähnliche Ergebnisse hat bereits Gandenberger [6] (in DVGW-Merkblatt W 403, 1988) in seinen Untersuchungen festgestellt. Er schrieb, dass die Bewegung von Luftblasen in Rohrleitungen von der Blasengröße, der Blasenform, dem Durchmesser und der Neigung der Rohrleitung abhängig ist. Die Blasenform wird dabei vom Neigungswinkel der Rohrleitung bestimmt. Ganden-berger ermittelte den größten Strömungswiderstand bei Blasen-größen zwischen n = 1 bis 1,5.

Da die Form der Blase ebenfalls einen Einfluss auf den Strö-mungswiderstand hat, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Neigung auf den Strömungswiderstand auswirkt. Ältere wie auch neuere Untersuchungen, z. B. von Pothof [8] deuten dar-auf hin, dass die notwendigen Geschwindigkeit zur Bewegung von Luftblasen bei mittleren Rohneigungen von 20° bis 45° am größten sind und bei steileren Leitungen wieder abnehmen.

Ermittlung der Geschwindigkeit beim Stillstand einer BlaseEine Blase steht still, wenn in einer fallenden Leitung ein Gleich-gewicht zwischen den Kräften des Auftriebes und des Strö-mungswiderstandes herrscht. Die Auftriebskraft möchte die Blase nach oben und damit gegen die Strömung bewegen, die Strömungswiderstandskraft hingegen möchte sie mit der Strö-mung transportieren. Der theoretische Ansatz für dieses Kräf-tegleichgewicht zwischen der anteiligen Kraft aus dem Blasen-aufstieg FA und der Strömungswiderstandskraft FW einer Blase (Abb. 2) lautet:

FW = FA (2)

Die Strömungswiderstandskraft in Analogie zu einem umström-ten Körper ergibt sich zu: FW = cW ·

ρ ·AB · υ2

2 (3)

Wobei mit ρ die Dichte des Wassers, AB die Querschnittsfläche der Blase, cW der Widerstandsbeiwert und υ die Strömungsge-schwindigkeit bezeichnet wird.

Die Kraft aus dem anteiligen Auftrieb der Blase entgegen der Strömungsrichtung wird zu:

FA = ρ · g ·VB · sinα (4)

Hier bedeuten g die Gravitationskonstante, VB das Volumen der Blase und sinα das Gefälle der Rohrleitung.Abb. 2 – Kräftegleichgewicht an einer Einzelblase in einer geneigten Rohrleitung

Werden bei der Planung von Rohrleitungen grundlegende strömungstechnische Regeln beachtet, so können Probleme durch Lufteinschlüsse effektiv vermieden werden.

FW

FA

υ

α

Page 4: Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant

511-2015

Gefälleknickpunkten, aber auch hinter Flanschen oder Arma-turen. Gegenüber einer Luftblase sind Lufttaschen kurze Abschnitte einer fallenden Rohrleitung, in der sich Teilfüllungs-abfluss einstellt. Teilfüllungsabfluss bedeutet, dass die Kapa-zität der Leitung mit dem vorhandenen Leitungsgefälle als Ener-giegefälle nicht erreicht ist, der vorhandene Abfluss ist kleiner als ein möglicher Abfluss bei Vollfüllung. Teilfüllung kann sich also nur einstellen, wenn das Energiegefälle mit dem vorhan-denen Abfluss bei Vollfüllung geringer ist als das Gefälle der Rohrleitung (IR < sinα) und die Geschwindigkeit so gering ist, dass die sich im System befindliche Luft nicht selbstständig weiterbewegt (υS < υ).

Die theoretische Grenze für den Abfluss ohne Lufteinschluss ist die vollgefüllte Freispiegelleitung, wenn das Rohrleitungs-gefälle gleich dem Energiegefälle ist. Der Durchfluss durch diese Leitung kann mit der Darcy-Weisbach-Gleichung berechnet werden [3]. Hiermit kann eine dimensionslose Geschwindigkeit υ* ermittelt werden zu

(8)υSg⋅d υ= = sinαC 2⋅ sinα

λ=

In Abhängigkeit vom Rauheitsbeiwert λ der Rohrleitung kann der Parameter C einen Wert zwischen 5 und 15 bei normalen Abflussbedingungen annehmen. Erst wenn C kleiner wird, be-steht die Möglichkeit für die Ausbildung von Luftansammlun-gen oder größeren luftgefüllten Abschnitten (Teilfüllung). In teil-gefüllten Leitungsabschnitten ist das Energiegefälle gleich dem Rohrgefälle.

Die Berechnung für den Extremfall bedeutet nun, dass ange-nommen wird, dass alle fallenden Leitungsabschnitte für die gilt IR < sinα bis zum Tiefpunkt mit Luft gefüllt sind (z. B. bei einer Erstfüllung). Die Berechnung schließt diese Abschnitte LL

Abb. 3 – Luftansammlung am Hochpunkte mit Ausbildung einer Lufttasche

HochpunktLufttasche

WechselsprungLuftblase

α

Eigenanzeige 1/4 Seite quer

Aus dem o. g. Gleichgewicht der Kräfte (Gl. (2)) lässt sich mit den Gleichungen (3) und (4) die Stillstands-geschwindigkeit einer Blase ermitteln:

(5)

cW 1

AB VB

2g sinαυS

Unter Berücksichtigung der dimensionslosen Blasengröße n kann Gleichung (5) als dimensionslose Selbstentlüftungs-geschwindigkeit mit folgender Gleichung dargestellt werden: (6)

cW sinα υS

2

g⋅d AB A n

υS= =

Am Hubert-Engels-Labor wurden umfangreiche Untersuchun-gen zur Blasenbewegung mit einer bis zu 15 % neigbaren Rohr-leitung mit einem Innendurchmesser d = 190 mm und einer Länge von L = 22 m durchgeführt. Hier wurden insbesondere die Zusammenhänge zwischen Form und Größe der Blasen sowie Neigung der Rohrleitung ermittelt. Es wurde die Stillstandsge-schwindigkeit υS unterschiedlicher Blasengrößen gemessen. Die stark voneinander abhängigen Variablen der Blasengröße n, der Blasenform VB bzw. AB und des Blasenwiderstandes cW in Abhängigkeit von der Rohrneigung wurden ermittelt. Aus den Ergebnissen und einer Extremwertberechnung ergab sich die maximale Geschwindigkeit zum Bewegen einer einzelnen Luft-blase, wenn diese eine dimensionslose Größe von n = 0,41 er -reichte. Mit diesem Extremwert ergibt sich die dimensionslose Selbstentlüftungsgeschwindigkeit nach Gleichung (6) [2] zu:

(7)(1,64 ⋅ sinα + 0,06)

υSg⋅d

υS= = sinα1,5

Andere Autoren, wie z.B. Kalinske (1943), Kent (1952), Zuko-ski (1966), Wisner et al. (1975), Moswell (1976), Falvey (1980), Krug (1988), Walther/Günthert (1998), Escarameia et al. (2005), van Vuuren in Lauchlan (2005) und weitere Autoren [7] beschäftigten sich mit diesem Problem und lieferten ähnliche Ergebnisse.

Berücksichtigung des LufteinschlussesDie Ansammlungen von einzelnen Luftblasen führen zur Bil-dung von Lufttaschen (Abb. 3), meist an Hochpunkten oder

Page 5: Mitnahme und Bewegung von Lufteinschlüssen in …rcsdaigner/pdf/bbr_blase.pdf · fallende Rohrleitung eine Strömungskraft gegen die Bewegung der Blase. Für die Entlüftung interessant

Technik Leitungsbau

6 11-2015

im Reibungsglied der Bernoulli-Gleichung aus und reduziert dafür die Energiehöhe mit allen Höhendifferenzen hL dieser Ab -schnitte (Abb. 4).

Für eine Rohrleitung mit einer Gesamtleitungslänge L und der zur Verfügung stehenden Energiehöhe hE bedeutet das:

(9)

2⋅ g ⋅(hE – ΣhLυ =Σζ+ ⋅(L – ΣLL)d

λ)

Alle örtlichen Verluste in der wassergefüllten Leitung werden mit dem Term Σζ erfasst. Mit diesem Nachweis sind folgende Aussagen möglich:

hE ΣhL Lufteinschluss verhindert einen Abfluss, der Einsatz von Be- und Entlüftungsventilen wird erforderlich!

υ < υS Keine Selbstentlüftung, Lufteinschluss muss berück-sichtigt werden, bei Lufteinschluss reduziert sich der mögliche Abfluss, Einsatz von Be- und Entlüftungsven-tilen prüfen!

υ υS Selbstentlüftung, Lufteinschluss wird mit der Zeit selbst-ständig ausgetragen, Einsatz von Be- und Entlüftungs-ventilen zur Entlüftung nicht erforderlich!

SchlussfolgerungenWie oben gezeigt, muss Luft in Rohrleitungen nicht zu einem Problem werden, wenn die wichtigsten strömungstechnischen Regeln beachtet und bei der Planung berücksichtigt werden. Die gezeigten Ansätze gelten nicht nur für Gravitationsleitun-gen, sondern auch für Pumpstationen oder Drucksammellei-tungen mit mehreren Einspeisungen. Bei Pumpstationen ver-ändert sich der Arbeitspunkt der Pumpe, weil die Verlusthöhen der luftgefüllten Leitungsabschnitte zu den geodätischen Höhen addiert werden müssen. Meist sind die eingesetzten Pumpen aber in der Lage, diese Abweichungen auszugleichen und mit der Arbeitspunktverschiebung ändert sich nur etwas der Wir-kungsgrad der Pumpe.

Neben den Untersuchungen zur Selbstentlüftung wurde am Modell im Hubert-Engels-Labor die Dauer eines möglichen Luftaustrages ermittelt. Die Versuche haben gezeigt, dass der Luftaustrag nicht nur von der Strömungsgeschwindigkeit und der Rohrneigung abhängig ist, sondern auch von der Luftta-schengröße zu Beginn des Luftaustrages [1].

In sehr steilen teilgefüllten Rohrabschnitten kommt es durch die schnelle Wasserströmung zum Mitreißen der Luft. Die Scher-wirkung zwischen Wasseroberfläche und Luft induziert nicht nur eine Luftbewegung in Strömungsrichtung, sondern bei größe-ren Geschwindigkeiten auch eine Vermischung mit der Luft. Erreicht die turbulente Grenzschicht von der Sohle aus die Was-

serspiegeloberfläche, kommt es laut Volkart (1978) zur Einmischung von Luft in das Wasser, was zu einem An -stieg der Abflussfläche führt; es ent-steht eine Wasser-Luft-Gemischströ-mung. Dieser Prozess beginnt ab einer Boussinesq-Zahl von 6.

Beim Einsatz von Be- und Entlüf-tungsventilen ist darauf zu achten, dass der Luftaustrag gebremst wird, da bei zu schnellem Austrag die der Luft folgende Wassermasse zu stark beschleunigt wird. Dies kann am Ende der Entlüftung zu starken Druckstö-

ßen führen. Die Hersteller von Be- und Entlüftungsventilen dif-ferenzieren deshalb zwischen Belüftungs- und Entlüftungsöff-nung: Die Entlüftung erfolgt durch eine viel kleinere Düse als die Belüftung, was durch eine langsamere Entlüftung diesen Stoßeffekt stark abmindert.

Wie im Beitrag gezeigt, ist eine vollständige Verhinderung von Luft in der Wasserströmung in Rohrleitungen nicht möglich. Der Einfluss der Luft auf den Strömungsvorgang ist aber beherrsch-bar und bei entsprechender Beachtung sind Fehlplanungen ver-meidbar. Der Beitrag hat das Ziel, auf dieses Phänomen hinzu-weisen und über Untersuchungen und Veröffentlichungen auf diesem Gebiet zu informieren.

Literatur[1] Aigner, D. (2003a): Lufttransport in Rohrleitungen. Wasserbau-liche Mitteilungen, Heft 26, Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik. Dresden 2003.[2] Aigner, D. (2003b): Hydraulische Bemessung von Freigefälle-druckleitungen zum Abwassertransport. Freistaat Sachsen, Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie Dresden. Merkblatt Mai 2003[3] Aigner, D.; Bollrich, G. (2015): Handbuch der Hydraulik. 1. Auflage. Beuth-Verlag GmbH. Berlin - Wien - Zürich 2015.[4] DVGW-Merkblatt W 403 (1988): Planungsregeln für Wasser-leitungen und Wasserrohrnetze. Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. Eschborn 1988.[5] DWA-A 116-3 (2013): Besondere Entwässerungsverfahren - Teil 3: druckluftgespülte Abwassertransportleitungen. Arbeitsblatt 1. Auflage. Beuth-Verlag GmbH. Berlin - Wien - Zürich 2013.[6] Gandenberger, W. (1957): Über die wirtschaftliche und betriebs-sichere Gestaltung von Fernwasserleitungen, GWF Wasser, Abwasser 1957 Nr. 4, S. 206.[7] Horlacher, H.-B.; Helbig, U. (2016): Rohrleitungen. 2. Auflage. Springer-Vieweg Verlag, Berlin - Heidelberg 2016.[8] Pothof, I. M. W. (2011): Co-current air-water flow in downward sloping pipes - Transport of capacity reducing gas pockets in waste-water mains. Dissertation Technische Universität Delft, 2011.

Autor

Prof. Dr. Detlef AignerInstitut für Wasserbau und TechnischeHydromechanik (IWD)Technische Universität DresdenGeorge-Bähr-Str. 101069 DresdenTel.: 0351 463-34725Fax: 0351 [email protected]

Abb. 4 - Gravitationsleitung (Freigefälledruckleitung) mit Lufteinschluss

hE

LL2

hL2

hL1

LL1

hE

hL

A

B

IWD

Drucklinie ohne Lufteinschluss

Drucklinie mit Lufteinschluss


Recommended