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Ministerielle Denkschrift betreffend die Fortführung der Steuerreform in Württemberg. Vom 19....

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  • Ministerielle Denkschrift betreffend die Fortfhrung der Steuerreform in Wrttemberg.Vom 19. Mrz 1909Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 27. Jahrg., H. 1 (1910), pp. 394-479Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40905691 .Accessed: 16/06/2014 12:54

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  • Ministerielle Denkschrift betreffend die Fortfhrung der Steuerreform in Wrttemberg1).

    Vom 19. Mrz 1909.

    Inhaltsbersicht. I. Die geschichtliche Entwicklung S. 394. A. Das ltere Recht S. 394. B. Die Reform von 1873|87 S. 396. C. Die Reform von 1903|06 S. 400. II. Die Wir- kungen der Reform von 19O3|O5 S. 407. A. Die gerechtere Verteilung der Steuerlast S. 407.. B. Die grssere Beweglichkeit und Elastizitt des staatlichen Steuerwesens S. 422. C. Die Verbesserung des Verhltnisses zwischen Staats- und Gemeindesteuerwesen S. 426. III. Die knftige Fortbildung des wrttembergischen direkten Steuersystems S. 433. A. Das Be- drfnis der Fortbildung S. 433. B. Die Vorgnge in anderen Staaten S. 437. C. Die ver- schiedenen Mglichkeiten der Fortbildung S. 454. l. Der erste Weg S. 454. 2. Der zweite Weg S. 470. 3. Der dritte Weg S. 473.

    I. Die geschichtliche Entwicklung. A. Das ltere Recht.

    I. Das direkte Steuerwesen Wrttembergs hat sich aus einer einheitlichen Vermgenssteuer, der sog. Schtzung" entwickelt. Ursprnglich eine ausser- ordentliche Massnahme und als solche im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wiederholt beschlossen und durchgefhrt , so . . 1425 und sodann whrend der Landestrennung 1448, 1463, 1470 im Uracher Teil und 1462, 1470, 1481 im Stuttgarter Teil, wurde die Schtzung von 1514 an zur dauernden Ein- richtung und erhielt schliesslich den Namen Ordinaristeuer", welchen sie bis ins 19. Jahrhundert beibehielt.

    Die Schtzung war eine allgemeine Vermgenssteuer , ergnzt durch eine Personalsteuer von den Vermgenslosen: Welcher gar nichts hat, denn dass er seines Handwerks oder Taglohns sich ernhrt, dem solle man da- nach etwas ziemliches ansetzen , nach Gelegenheit seiner Person ," sagt das Generalreskript vom 9. September 1514 im Anschluss an die Schatzungsord- nungen von 1463 und 1470. Steuerpflichtig war das gesamte innerhalb oder ausserhalb des Landes gelegene oder angelegte Vermgen der Steuerpflichtigen und zwar nicht nur das liegenschaftliche Vermgen, sondern auch die Fhrnis, bestehend in Wein, Korn, Barschaft, Kleinod, Forderungen usw. Steuerfrei waren nur Kleider und Waffen.

    Massgebend fr die Schtzung war der Wert der Steuerobjekte, das ist der Preis der beweglichen und unbeweglichen Habe oder der Kapitalwert der Zinsen und Glten. Es wurde aber nicht der absolute Wert verlangt, sondern der relative , d. h. es wurde an dem Wert der Gter der Kapitalwert der auf ihnen und ihrem Besitzer haftenden Lasten (Zinsen, Glten, Leibgedinge) abgezogen.

    Ihrer Ver anlagungs weise nach war die Schtzung eine Quotittssteuer von regelmssig 5 Proz. des Vermgens.

    II. Mit der Umwandlung der Schtzung zur Ordinaristeuer vollzog sich deren Umbildung von der Quotittssteuer zur Repartitionssteuer. Die Schtzung ging damit denselben Weg wie die ordentliche Steuer der ltesten Zeit, welche im brigen lngst zu einem alljhrlich von der Gemeinde an den Staat zu bezahlenden festen Betrag erstarrt war. Bei der Ordinaristeuer wurde

    !) Das reiche Tabellenwerk, das der Denkschrift beigegeben ist, kann hier nicht mitgeteilt werden. D. H.

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 395

    der umzulegende Gesamtbetrag durch Vereinbarung mit den Stnden von Zeit zu Zeit immer wieder neu bestimmt, d. h. erhht. Gleichzeitig entwickelte sich die allgemeine Vermgenssteuer zu einer spezialisierten Vermgens- steuer. Diese Umbildung war die natrliche Folge des Bedrfnisses der dauernden Steuer, sich an dauernde sachliche Verhltnisse anzulehnen. Es wurde denn auch durch Generalreskript vom 26. Oktober 1628 fr alle Ge- meinden die Errichtung besonderer Gter- und Gltbcher angeordnet, und das Jahr darauf erging in Anlehnung an die Gterbcher eine neue Instruktion zum Zweck der Herbeifhrung einer durchgehenden Gleichheit bei der Steuer- umlage, die sog. Erste Steuer Instruktion.

    1. Diese erste S teuer Instruktion von 1629 ordnete die Anlegung eines Katasters an, in welchem alle liegenden Gter und Huser, Fischwasser, Glten sowie die Hantierungen verzeichnet werden sollten. Der Anschlag erfolgte bei den Gtern und Husern in einer bestimmten Quote ihres Werts (Verkaufswerts), wobei zuvor der Wert der auf den Gtern haftenden Lasten (Grundgeflle wie Zinsen, Geld und Naturalglten) abzuziehen war. Ausgeschlossen vom Abzug waren die auf den Grundstcken und Husern ruhenden Geldschulden , dann sonsten derjenigen Gter, so sich uff das Schuldenmachen verlegen, steuerfrei gemacht wrden." Die Hantierungen (Gewerbe) waren den Kapitalien nach, so darinnen liegen", anzuschlagen. Bei den Geldglten, welche ebenfalls nach ihrem Kapitalwert (Verkaufswert) anzuschlagen waren, sollten zuvor etwaige von derselben Person zu entrichtende Geldglten, also die Passivzinsen abge- zogen werden. Von einer Heranziehung derjenigen, die kein Vermgen haben, ist in der Instruktion von 1629 nicht mehr die Rede. Die Summe der Werte dieser verschiedenen Anschlge bildete, gemeindeweise fr jedes Amt (jetzt Oberamt) zusammengestellt, den Massstab fr die Umlage der Ordinaristeuer auf die Aemter. Innerhalb der Aemter und der Gemeinden erfolgte die Um- lage zumeist nach altem Herkommen.

    2. Die zweite Steuerinstruktion vom 16. Januar 1652 ordnete eine infolge des 30jhrigen Kriegs und der durch ihn verursachten Entwertungen ntig gewordene Neukatstrierung an. Am Spezialvermgenssteuerprinzip der In- struktion von 1629 wurde dabei nichts gendert. Im Jahre 1704 wurden so- dann die Geldglten und Kapitalien aus der Ordinaristeuer ausgeschieden und in eine besondere als Quotittssteuer zu veranlagende Kapitalsteuer verwandelt, welche brigens im Jahre 1728 gnzlich den Gemeinden berlassen wurde.

    3. Die dritte Steuerinstruktion vom 24. Januar 1713 bahnte die weitere Umbildung der Ordinaristeuer aus einer spezialisierten Vermgenssteuer in ein System von Ertragssteuern an. Es wurde die Anlegung eines neuen Katasters angeordnet, in welchem zu verzeichnen waren die Grundstcke und Grundgeflle, die Gebude und die Gewerbe. Aeusserlich blieb zwar das Kataster ein Wertskataster, indem die der Steuerumlage zugrunde zu legenden sog. Steuerkapitale den Kapitalwert darstellten, massgebend fr die Ermittlung dieses Kapitalwerts war aber nur noch bei den Gebuden der Verkaufswert, bei den brigen Objekten dagegen der Ertrag. Bei den Grundstcken sollte zu diesem Zweck fr die einzelnen Kulturarten nach Bonittsklassen der Roh- ertrag geschtzt und daran eine bestimmte Quote - bei den Aeckern 2/3 - als Bebauungsaufwand abgezogen werden. Das Residium sollte, zu Kapital geschlagen, den Katasteranschlag darstellen. Bei den Gewerben sollte fr die Einschtzung in die einzelnen Steuerklassen die durchschnittliche Ertragsfhig- keit massgebend sein und hierbei insbesondere auf die Hhe des in dem Be- trieb steckenden Kapitals geachtet werden. Die fr die einzelnen Gewerbe - klassen gebildeten Steueranschlge wurden in Kapital werten (kapitalisierten Ertragssummen) ausgedrckt.

    Auch dieses erst 1744 endgltig abgeschlossene Katasterwerk bildete nur fr die Umlage der Ordinaristeuer auf die Aemter die gesetzliche Grundlage. Die Unterumlage erfolgte nach wie vor nach dem Herkommen. In Streit- und Zweifelfllen wurden dabei die neuen Kataster zu Rate gezogen , im brigen fanden sie bei der Unterumlage nur wenig Beachtung.

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  • 396 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    III. Seinen Abschluss fand der Umbildungsprozess der alten allgemeinen Vermgenssteuer ber die spezialisierte Vermgenssteuer zu einem System von Ertragssteuern im Jahre 1821. In diesem Jahre wurde das Gesetz vom 15. Juli 1821 betreffend die Herstellung eines provisorischen Steuerkatasters erlassen. Provisorisch sollte das Kataster darum sein , weil dem endgltigen Kataster die Fertigstellung der im Jahre 1818 begonnenen trigonometrischen Landesvermessung vorausgehen sollte. Die Landesvermessung fand ihren Ab- schluss im Jahre 1849. Das provisorische Steuerkataster blieb aber aas mehr- fachen Ursachen noch bis in die Jahre 1877 bzw. 1887 in Kraft, in welchen Jahren es von den neuen, auf Grund des Gesetzes vom 28. April 1873 herge- stellten Katastern abgelst wurde.

    1. Mit dem provisorischen Katastergesetz von 1821 vollzog sich die voll- stndige Auflsung der alten Ordinaristeuer in die drei Steuern vom Grund- eigentum nebst den Gefllen, von den Gebuden und den Gewerben.

    Das Grundkataster basierte nach dem Gesetz von 1821 auf dem nach Fluren geschtzten Reinertrag des Grund und Bodens. Um diesen Rein- ertrag zu ermitteln, wurde zunchst der Rohertrag fr die einzelnen Kultur- arten geschtzt, wobei fr die Berechnung des Werts der Bodenprodukte feste, im Gesetz bestimmte Normalpreise zu benutzen waren. An diesem Rohertrag wurden gewisse, ebenfalls im Gesetz mit 1,'a - / bestimmte Quoten desselben als Kulturaufwand abgerechnet, der Rest bildete nach Abzug der Reallasten das Grundkataster.

    Bei der Anfertigung des Gebudekatasters wurden die Gebude ohne Rcksicht auf ihren Zweck, also Wohngebude ebenso wie die zu land- wirtschaftlichen oder gewerblichen Zwecken dienenden Gebude, einzeln nach ihrem Verkaufswert angeschlagen.

    Bei der Herstellung des Gewerbekatasters wurden die Gewerbe nach vier Gattungsabteilungen und weiter nach der Grosse des Orts, der Zahl der Gehilfen, der Grosse des Betriebskapitals in Klassen eingeteilt; fr die Be- messung des fr jede Klasse aufzustellenden Steueranschlags sollte der durch- schnittliche Kapitalertrag und der durchschnittliche Arbeitsertrag der in der b etreffenden Klasse zusammengefassten Betriebe massgebend sein. Der Steuer- anschlag stellte aber in Wirklichkeit keinen Reinertrag, sondern eine Art Nor- malanlage dar, die sich jedoch wiederum nicht mit der Steuerleistung des Gewerbetreibenden deckte, da die letztere erst im Wege der Repartition der aufzubringenden Gesamtsteuersumme auf die Steueranschlge sich ergab.

    2. Ausser den Vorschriften ber die Herstellung neuer Kataster enthielt das Gesetz von 1821 noch die Anordnung, dass bis auf weiteres zu einer Summe von 2,400,000 fl., das ist die Summe, welche damals durch die Ordinaristeuer, jetzt Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer aufzubringen war, das Grundeigen- tum 17/2 4, die Gebude 4k4 und die Gewerbe 3/2 4 beitragen sollen. Obwohl dieses Verhltnis auf ziemlich willkrlichen Annahmen beruhte, blieb man doch in der Folgezeit bei demselben und repartierte bis zum Inkrafttreten des Ge- setzes vom 28. April 1873 den in einer Summe verabschiedeten Umlagebetrag nach diesem Verhltnis auf die drei Kataster. Uebrigens erfolgte nur bezglich der Gebude- und Gewerbesteuer die Repartition bis hinab zu den einzelnen Steuerobjekten nach Massgabe des provisorischen Steuerkatasters. Bei der Grundsteuer dagegen vollzog sich zwar die Repartition auf die Oberamtsbezirke und von diesen auf die Gemeinden ebenfalls nach diesem Kataster, die Um- lage innerhalb der Gemeinden aber geschah nach wie vor nach dem rtlichen Herkommen.

    B. Die Reform von 1873/87. I. Die Reform von 1873/87 ersetzte das provisorische Katastergesetz von

    1821 durch das Gesetz vom 28. April 1873 , betr. die Grund- , Gebude- und Gewerbesteuer. Die auf Grund des Gesetzes von 1873 hergestellten neuen Kataster traten bezglich der Gebude und Gewerbe 1877, bezglich des Grund und Bodens 1887 in Kraft.

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 397

    1. Bezglich der Umlage des immer noch in einer Summe zur Verab- schiedung gelangenden Betrags der einstigen Ordinaristeuer" wurde der Ver- teilungsmassstab des Gesetzes von 1821 im Jahre 1877 durch einen neuen er- setzt, nach welchem das Grundeigentum 13/24 , die Gebude und Gewerbe zu- sammen n/24, und zwar je zur Hlfte zu bernehmen hatten.

    Eine prinzipielle Aenderung trat in dieser Beziehung im Jahre 1887 ein, nachdem im Jahre 1886 auch das Grundkataster vollendet worden war. Nach langen und heftigen Debatten in der Stndeversammlung, wobei der Kampf sich insbesondere um die Frage drehte, ob die drei Kataster als gleichwertig zu betrachten und demgemss bei dem allseitig fr erwnscht gehaltenen Ueber- gang vom Repartitions- zum Quotittssteuersystem mit einem gleichen oder verschiedenen Steuersatz zu belegen seien, siegte schliesslich in der Abgeordneten- kammer mit geringer Majoritt die erstere Ansicht und es wurde demgemss dem Antrag der Regierung entsprechend beschlossen, das Repartitionssystem zu verlassen und unter Anwendung eines gleichen Steuersatzes fr die drei Steuer- quellen zur Quotittssteuer berzugehen, welchem Beschlsse auch die Kammer der Standesherren beitrat. Im Effekt bedeutete die Einfhrung des gleichen Steuersatzes fr das Jahr 1887 eine Entlastung des Grund und Bodens um rund 1 Mill. M. zu Lasten in der Hauptsache der Gewerbe mit rund 900,000 M., whrend den Rest mit rund 100,000 M. die Gebude zu bernehmen hatten.

    2. Was den steuerrechtlichen Inhalt der Reform von 1873/87 anbelangt, so besteht derselbe in der vollkommenen und bestmglichen Ausbildung des Ertragssteuersystems. Man hat es jetzt mit drei selbstndigen Steuern, der die ziemlich belanglose Gefllsteuer in sich schliessenden Grundsteuer, der G e- budesteuer und der Gewerbesteuer zu tun. Ihre gemeinsame Ab- stammung aus der alten Ordinaristeuer verrt sich, abgesehen von der hier nicht weiter berhrenden Haftung der Gemeinden, nur noch usserlich in der Zusammenfassung der drei Steuern in einem und demselben Gesetz.

    Die Grundsteuer ist hiernach eine Steuer auf den mittleren, bei der blichen Wirtschaftsweise erzielbaren Reinertrag des Grund und Bodens. Zum Zweck der in den Jahren 1875 - 1886 vorgenommenen Neukatastrierung wurde der Grund und Boden zunchst nach Kulturarten und nach der Bonitt in Klassen eingeteilt. Fr jede Klasse wurde unter Leitung einer Kommission von Sachverstndigen (der Landesschtzer) der Reinertrag pro Hektar festge- stellt. Bei der Einschtzung war zunchst der Rohertrag zu ermitteln unter Zugrundelegung derjenigen Bewirtschaftungsweise, welche nach den Verhlt- nissen der Gegend zur Zeit der Einschtzung als die allgemein bliche erschien. Vom Rohertrag waren die Kulturkosten einschliesslich der Arbeitskosten unter Zugrundelegung der gleichen Bewirtschaftungsweise abzuziehen. Der Rest bil- dete den Reinertrag. Fr das einzelne Grundstck ergab sich der auf dasselbe entfallende Reinertrag (das Steuerkapital) durch Umrechnung des Reinertrags der betreffenden Klasse (des Steueranschlags) auf den Flchengehalt des Grund- stcks.

    Bei der Gebudesteuer blieb auch nach dem Gesetz von 1873 fr die Einschtzung der einzelnen, gleichviel ob landwirtschaftlichen, gewerblichen oder Wohnzwecken dienenden Gebude der Kapitalwert, d. h. derjenige Wert massgebend, zu welchem ein Gebude samt Grundflche und Hofreite zur Zeit der Katastrierung einen Kufer finden wrde. Um aber die Gebudesteuer mit den brigen Steuern in systematische Uebereinstimmung zu bringen und die Anwendung eines gleichen Steuersatzes fr alle drei Steuern zu ermglichen, wurde durch ein besonderes Gesetz vom 6. Juni 1887 bestimmt, dass eine 3prozentige Rente des Gebudesteueranschlags als steuerbarer Reinertrag (Steuer- kapital) zu gelten habe. Die Gebudes teuer ist hiernach nur usserlich Ertrags - Steuer, ihrem Wesen nach ist sie geblieben, was sie von jeher war, eine spezielle Vermgenssteuer.

    Bei der Gewerbesteuer wurde vom Gesetz von 1873 in Anlehnung an den Gedankengang des provisorischen Katastergesetzes von 1821 der in Kapital- und Arbeitsertrag zerlegt gedachte Reinertrag zum Gegenstand der

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  • 398 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    Besteuerung erklrt. Der Reinertrag wurde aber nicht mehr nach Orts- und Gewerbeklassen, sondern fr jedes einzelne Gewerbe individuell unter Aus- scheidung in den nach Prozenten zu schtzenden Ertrag aus dem Betriebs- kapital und den unter Benutzung einer im Verordnungsweg erlassenen Klassen- tafel zu bestimmenden persnlichen Arbeitsverdienst des Gewerbetreibenden ermittelt. Zur Ermittlung des Ertrags des Betriebskapitals wurden die Ge- werbetreibenden insofern herangezogen, als sie ber die Hhe des Betriebs- kapitals Fassionen abzugeben hatten, in welchen auch ber die Art des Ge- werbes und ber die Zahl der durchschnittlich verwendeten Hilfspersonen An- gaben zu machen waren. Die Summe des geschtzten Ertrags des Betriebs- kapitals und des geschtzten Ertrags der persnlichen Arbeit des Unter- nehmers bildete den Gesamtreinertrag des Gewerbes. Letzterer wurde aber nicht als solcher der Besteuerung zugrunde gelegt, es fand vielmehr behufs Bildung des steuerbaren Reinertrags (des Steuer kapitals) noch eine Reduk- tion statt. Unverkrzt, also im vollen Betrag, kam der Ertrag des Betriebs- kapitals in Ansatz. Aus Betriebskapitalien unter 700 M. war brigens kein Ertrag zu berechnen. Der persnliche Arbeitsverdienst dagegen wurde in der Weise degressiv gekrzt , dass von Betrgen bis 850 . / , von 850 bis 1700 M. 2/io, von 1700-2550 M. 4/io, von 2550-3400 M. 8io und erst von dem weiteren Arbeitsverdienst der ganze Betrag als Steuerkapital in Ansatz kam.

    Das Gesetz vom 28. April 1873 brachte ausser den Bestimmungen fr die Herstellung neuer Kataster auch solche fr deren Fortfhrung. Die Fortfhrung beschrnkt sich hiernach gleichermassen bei allen drei Steuern grundstzlich auf eine Bercksichtigung der Vernderungen in den usseren Verhltnissen. Allein da als solche bei der Grundsteuer sachlich nur Bonitts- und Kultur- vernderungen , bei der Gebudesteuer bauliche Vernderungen, bei der Ge- werbesteuer aber dem Wesen dieser Steuer nach auch nachhaltige Verschie- bungen in der Grosse des Betriebskapitals und der Zahl der Hilfspersonen bzw. in der Hhe des von diesen Faktoren bedingten gewerblichen Reinertrags gelten , so wurde tatschlich durch diese Bestimmungen das Gewerbekataster in viel weiterem Masse geeignet gemacht, der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhltnisse zu folgen, als es die beiden anderen Kataster sind.

    II. Neben der Ordinaristeuer waren zu allen Zeiten in Fllen ausser- ordentlicher Not (Krieg usw.) noch ausserordentliche Steuern (Schtzungen) er- hoben worden. Diese einmaligen Steuern trugen wie die alten Schtzungen, die Vorgnger der Ordinaristeuer, regelmssig den Charakter der allgemeinen Vermgenssteuer. Die aufzubringende Summe, die objektive und subjektive Steuerpflicht und die Art der Veranlagung (gewhnlich eidliche Fassion und Einschtzung gemischt) pflegten in einem ad hoc erlassenen Gesetz bestimmt zu werden. Gelegentlich wurde aber die ausserordentliche Steuer auch auf die ordentliche Steuer geschlagen, also auf die Kataster umgelegt, und wieder in anderen Fllen wurde die ausserordentliche Steuer nur auf die von der Ordinari- steuer nicht erfassten Quellen umgelegt, sie stellte sich alsdann als eine Kapital- und Besoldungssteuer dar. Eine solche ausserordentliche Steuer auf die Kapi- talien und Besoldungen wurde . . 1798, 1800, 1805, 1806, 1808-1812 er- hoben. Vom 1. Juli 1819 ab kam, geregelt durch das Abgabengesetz (das heutige Finanzgesetz) vom 22. Juni 1820, wieder eine solche als ausserordent- liche Steuer gedachte Kapital- und Besoldungssteuer zur Erhebung. Durch das Abgabengesetz von 1821 auf drei weitere Jahre verlngert und von da ab durch die jeweiligen Finanzgesetze immer wieder neu verabschiedet, entwickelte sich die ausserordentliche Kapital- und Besoldungssteuer allmhlich zur sog. Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufseinkommensteuer und stellte sich als neuere direkte Steuer der alten Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer ergnzend zur Seite. Ein ordentliches Gesetz kam ber diese Steuer erst unterm 19. September 1852 zustande, welches mit mehrfachen Aenderungen (1861, 1872, 1873, 1883, 1887, 1888, 1890) bis zu der Steuerreform von 1903 in Kraft blieb.

    Ihrem Wesen nach war auch die Kapital-, Renten- , Dienst- und Beruf s- 398

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 399

    einkommensteuer eine Ertragssteuer, bestimmt, die von der Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer nicht getroffenen, aber im Land erzielten Ertrge der Be- steuerung zu unterwerfen. Gegenstand derselben war bei den Kapitalien der alljhrlich vom Steuerpflichtigen nach dem Stand zu Beginn des Steuerjahres zu fatierende Zinsenertrag, bei den Renten der in gleicher Weise festzustellende Gesamt Jahresbetrag der Rente. Witwen, Waisen und gebrechliche Personen sollten mit ihren einen Jahresbetrag von anfnglich 100 fl., spter 200 fl. = 350 M. und schliesslich 500 M. nicht bersteigenden Zinsen und Renten steuerfrei bleiben, soweit sie im ganzen nicht mehr als 100 fl., 200 fl., 500 M. Einkommen beziehen. Bei der Dienst- und Berufseinkommensteuer wurde das ebenfalls auf dem Weg der Fassion durch die Steuerpflichtigen zu ermittelnde Dienst- und Berufseinkommen, welches bei einer Person den Betrag von 200 fl. (spter 350 M.) nicht bersteigt, fr steuerfrei erklrt und des ferneren bestimmt, dass als steuerbarer Betrag von Einkommen bis 500 fl. (spter 850 .) '/, von dem Mehrbetrag von 500 fl. bis 1000 fl. (spter 1700 M.) 2/10> desgleichen von 1000 fl. bis 1500 fl. (spter 2550 .) 4/>, desgleichen von 1500 fl. bis 2000 fl. (spter 3400 M.) 8/10 und erst von dem weiteren Einkommen der ganze Betrag angesehen werden solle. Ein Abzug etwaiger Passivzinsen war bei den sog. neueren Steuern vom Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufseinkommen ebenso- wenig zugelassen wie bei den lteren direkten Steuern vom Grundeigentum, den Gebuden und den Gewerben.

    III. Hiernach herrschte bis zu der Reform von 1903/05 in Wrttemberg ein System von fnf Ertragssteuern, bestehend aus der die Gefllsteuer ein- schliessenden Grundsteuer, der Gebudesteuer, der Gewerbesteuer, der Kapital- steuer und der Dienst- und Berufseinkommensteuer. Im einzelnen aufs sorg- fltigste ausgebildet und so ziemlich alle Steuerquellen erfassend, wies das wrttembergische Ertragssteuersystem alle Vorzge gut veranlagter Ertrags- steuern auf, war aber auch von den Mngeln nicht frei, welche jedem auch noch so vollkommenen System von Ertragssteuern anhaften. Wegen dieser Mngel ist auf die Denkschrift vom 14. Mai 1895 - Beil. 31 der Drucksachen der Kammer der Abgeordneten vom 20. Mai 1895 , S. 295 ff. - zu verweisen.

    Das Grundkataster wies nach dem Stand vom 1. April 1903 eine all- gemein steuerpflichtige Grundflche von 1,632,054 ha 87 a 15 qm und ein Steuerkapital von 92,824,858 M. 6 Pf., das Gefllkataster ein Steuerkapital von 1,564,551 M. 51 Pf. auf. Bei der Grund- und Gefllsteuer zusammen betrug also im Jahre 1903 das allgemein steuerpflichtige Kataster 94,389,409 M. 57 Pf. Zur selben Zeit umfasste das G ebu de ka tas ter 622,714 Gebude mit einem Staats- bzw. allgemein steuerpflichtigen Steueranschlag von 2,793,667,675 M. oder einem Steuerkapital (das ist die 3prozentige Rente aus dem Steueranschlag) von 83,810,030 M. Das Gewerbekataster umfasste 156,848 Steuerpflich- tige mit einem Steuerkapital von 1 18,603,429 M. Zur Kapitalsteuer waren im Jahre 1903 veranlagt 136,540 Steuerpflichtige mit einem steuerbaren Kapital- und Renteneinkommen von 129,767,815 M. 42 Pf . und zur Dienst- und Be- rufseinkommensteuer 240,738 Steuerpflichtige mit einem steuerbaren Be- trag ihres Einkommens von 58,837,779 M. 38 Pf.

    Der Steuersatz betrug bei der Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer 3,9Proz., bei der Steuer vom Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufseinkommen 4,8 Proz.

    Das Steueraufkommen im Sinn der Rohertrge nach den Rechnungs- ergebnissen von 1903 belief sich

    bei der Grundsteuer mit Einschluss der Gefll- steuer auf 3,674,610 M. 33 Pf.

    Gebudesteuer auf 3,268,808 19 Gewerbesteuer auf 4,634,598 52

    Kapitalsteuer einschliessl. der Apanagen- steuer auf 6,231,282 57

    Dienst- und Berufseinkommensteuer auf 2,824,213 41 Die fnf Ertragssteuern zusammen warfen also

    im Jahre 1903 einen Rohertrag ab von . . 20,633,513 M. 02 Pf. 399

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  • 400 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    C. Die Reform von 1903/05. I. Durch die Reformgesetzgebung von 1903 wurde in Wrttemberg die

    fr 1905 erstmals veranlagte allgemeine Einkommensteuer eingefhrt. Sie lehnte sich in weitem Umfang an die bestehenden Einkommensteuern in Baden und Sachsen und vor allem an das preussische Gesetz an, ging aber in vielen Richtungen ihren eigenen Weg. Dies gilt vor allem fr den Tarif.

    Fr die Ausgestaltung des Tarifs war insbesondere der bisherige, bei der Dienst- und Berufseinkommensteuer in Anwendung stehende Tarif zu beachten. Regierung und Stnde waren von Anfang an darin einig, dass der Tarif der allgemeinen Einkommensteuer smtlichen unteren Einkommen mindestens die- jenigen Erleichterungen bringen msse , welche der Tarif der Dienst- und Berufs- einkommensteuer den Dienst- und Beruf seinkom mensteuer pflichtigen seither schon gewhrt hatte. Im brigen gab es ber den Ausbau des Tarifs lange Kmpfe, die schliesslich damit endigten, dass unter Freilassung eines Existenzminimums von 500 M. der Einheitssatz auf 2 M. Steuer oder 0,4 Proz. bei Einkommen von 500 M. festgesetzt wurde und bei gleichmssigem Ansteigen

    bei 2,000 M. den Satz von 21 M. = 1,05 Proz., 5,000 128 ,, =2,56 7,000 215 =3,07 10,000 359 =3,59 15,000 581 =3,87 20,000 786 =3,93

    und bei 30,000 M. den Satz von 4 Proz. erreichte. Von 30,000 M. an Hess man eine Steigerung des von da ab prozentuierten Steuersatzes fr jede Stufe um 0,05 Proz. eintreten, so dass er bei 50,000 M. = 4,2 Proz., bei 100,000 M. = 4,5 Proz., bei 150,000 M. = 4,75 Proz., bei 200,000 M. = 5 Proz. und damit den Hchstsatz erreichte. Dabei handelte es sich aber nur um Einheitsstze, da in dem Art. 19 des Einkommensteuergesetzes unter den dort nher bezeichneten Modalitten die Bestimmung des wirklichen Steuersatzes dem jeweiligen Finanz- gesetz vorbehalten wurde. Tatschlich deckte sich der wirkliche Steuersatz in den ersten 4 Jahren 1905, 1906, 1907 und 1908 mit dem Einheitssatz, whrend fr 1909 und 1910 eine Erhhung desselben um 12 Proz. vorgesehen ist.

    Bezglich der Regelung der subjektivenSteuerpflicht folgte Wrt- temberg im grossen ganzen dem preussischen Gesetz mit Ausnahme der Be- handlung der nichtphysischen Personen. Bezglich ihrer schloss sich das wrt- tembergische Gesetz an Sachsen an, indem es grundstzlich alle juristischen Personen und sogar die der juristischen Persnlichkeit entbehrenden Personen- vereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl zu Einkommensteuersubjekten machte. Massgebend war brigens fr dieses Vorgehen das ltere wrttem- bergische Recht, nach welchem alle juristischen Personen sowie die sonstigen Personenvereinigungen von jeher und naturgemss steuerpflichtig waren.

    Die Bestimmungen des wrttembergischen Einkommensteuergesetzes ber die objektive Steuerpflicht wurde im wesentlichen , unbeschadet zahl- reicher Einzelabweichungen , den einschlgigen preussischen Bestimmungon an- gepasst, wie denn in dieser Richtung berhaupt die smtlichen Einkommen- steuergesetze in weitem Umfang bereinstimmen. Insbesondere fand auch in dem wrttembergischen Gesetz die Unterscheidung zwischen Einkommen und nicht als Einkommen behandelter Vermehrung des Stammvermgens Eingang. Dabei zog jedoch das wrttembergische Gesetz die Grenzlinien klarer und zu- gunsten des steuerbaren Einkommens auch etwas weiter als das preussische Recht. Einen Abzug der Lebensversicherungsprmien liess das wrttembergische Gesetz nicht zu, weil durch eine solche Massnahme eine besondere Form der Kapitalersparnis vor anderen einseitig begnstigt worden wre und damit zu- gleich eine ungleiche Behandlung der verschiedenen Berufsarten stattgefunden htte. Wohl aber gewhrte auch das wrttembergische Gesetz den Aktien- gesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften und Gesellschaften mit beschrnkter Haftung mit Rcksicht auf die Steuerpflicht

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortsetzung der Steuerreform. .QJ

    einerseits der Gesellschaft, anderseits der einzelnen Gesellschaftsmitglieder (Ak- tionre usw.) , das Recht eines Abzugs an dem buchmssig sich berechnenden steuerbaren Einkommen. Es wurde jedoch dieser Abzug der Hhe nach auf 3 Proz. und dem Umfang nach auf das an die Gesellschaftsmitglieder zur Aus- schttung bestimmte Einkommen beschrnkt.

    Fr die Veranlagung stellte das wrttembergische Einkommensteuer- gesetz im Anschluss an das frhere Recht bei der Kapital- und der Dienst- einkommensteuer einen Normaltag und zwar fr die Jahresveranlagung den 1. April auf. Als unbedingt massgebend wurde aber der Normaltag nur fr die Feststellung der Steuerpflicht erklrt, und zwar nicht nur der subjektiven, sondern auch der objektiven: der Bestand der Einkommensquelle am Normal- tag entscheidet fr die Steuerpflicht des betreffenden Jahres; es besteht das Prinzip der Besteuerung pro futuro und nicht pro praeterito. Fr die Be- messung des steuerbaren Einkommens dagegen wurde in weitem Umfang das Prinzip des Normaltags zugunsten der Bemessung nach den tatschlichen Er- gebnissen einer Vergangenheit verlassen. Es wurde nmlich unterschieden zwi- schen dem Einkommen aus Kapitalien und Renten sowie aus Dienst und Be- ruf, und dem Einkommen aus allen brigen Einkommensquellen. Nur fr das Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufseinkommen und auch fr dieses nur unter gewissen Voraussetzungen wurde die Bemessung nach dem Stand am Normal- tag vorgeschrieben, im brigen, also insbesondere fr das gesamte Einkommen aus Grundeigentum und Gebuden, aus dem Betrieb von Landwirtschaft und Gewerbe wurde als Bemessungsgrundlage der Stand am 1. April verlassen und im wesentlichen das Ergebnis des der Einschtzung unmittelbar vorausgegangenen Steuer-, Geschfts- oder Wirtschaftsjahrs fr massgebend erklrt. Von der Be- nutzung eines lngeren Zeitraumes als desjenigen eines Jahres wurde Abstand genommen. Behufs Gewinnung sicherer Grundlagen fr die Veranlagung wurde die Fassionspflicht eingefhrt. Sie beschrnkt sich aber grundstzlich auf die Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von 2600 M. und darber. Den Steuerpflichtigen mit kleinerem Einkommen wurde ein Recht zur Fassions- abgabe eingerumt und ebenso bekam die Steuerbehrde das Recht, von solchen Steuerpflichtigen die Abgabe einer Steuererklrung dann zu verlangen, wenn die angestellten Erhebungen gengende Merkmale fr die Einschtzung nicht ergeben. Soweit Steuererklrungen vorliegen, ist deren Inhalt, falls gegen die Steuererklrung keine Bedenken vorliegen, die zutreffendenfalls in einem bestimmt geordneten Verfahren zur Erledigung zu bringen wren, fr die Veranlagung massgebend. Im brigen wurde zum Zweck einer guten Durchfhrung der Ver- anlagung ein Zusammenwirken der Organe des Staats und der Gemeinden vor- gesehen, wie auch der Einzug der Steuer teils durch die Organe des Staats, teils durch diejenigen der Gemeinde erfolgt, je unter entsprechender Entsch- digung der Gemeinde.

    II. Die dergestalt eingerichtete allgemeine Einkommensteuer bildet seit ihrer mit dem Steuer jhr 1905 erfolgten Inkraftsetzung die Hauptsteuer unter den direkten Steuern Wrttembergs. Diese Stellung war ihr nach dem Plan der Reformgesetzgebung von 1903 von Anfang an zugedacht. Schon die die ersten Reformentwrfe begleitende Denkschrift von 1895 (Beil. 31 der Drucks, der Kam. der Abg. vom 20. Mai 1895) war davon ausgegangen, dass die Ein- kommensteuer 9 Mill. M., die nach dem Reformplan der Regierung vernderten Ertragssteuern zusammen 7,5 Mill. M. aufbringen sollten. Nach der Berech- nung der Reformvorlagen von 1901 war der Rohertrag der Einkommensteuer zu 11,670,000 M. angenommen, und es sollten die Ertragssteuern zusammen noch 7,300,000 M. aufbringen (Beil. 46 vom 18. Mai 1901 und Beil. 47 vom 25. Mai 1901 der Drucks, der Kam. der Abg.).

    In der Denkschrift zu den Etatskapiteln 124 - 126 des Hauptfinanzetats fr 1905 und 1906 endlich wurde unter Einsetzung der tarifmssigen Einheits- stze als Steuersatz fr die Jahre 1905 und 1906 ein Ertrag an Einkommen- steuer fr das Jahr 1905 von 14,800,000 M. bzw. einschliesslich der ausser- ordentlichen Einnahmen usw. von 14,861,000 M. und fr das Jahr 1906 von

    Finanzarchiv. XXVII. Jahrg. 401 26

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  • 402 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    15,200,000 M. bzw. einschliesslich der ausserordentlichen Einnahmen usw. von 15,265,000 M. angenommen und, da durch die Steuerreform nur eine andere Ver- teilung der Steuerlast bewirkt, ein unmittelbarer Mehrertrag aber nicht erzielt werden sollte, den Ertragssteuern der Rest der fr 1905 und 1906 durch die direkten Steuern aufzubringenden Summe zugewiesen, welcher fr 1905 den Betrag von 7,784,440 M. und fr 1906 denjenigen von 7,768,300 M. ausmachte. Dem- gemss ging der Vorschlag der Regierung dahin, den Steuersatz bei den Ertrags- steuern auf 2 Proz. festzusetzen, welcher Vorschlag die stndische Zustimmung fand. Dieser Satz wurde auch fr die Etatsperiode 1907 und 1908 aufrecht- erhalten, whrend er fr 1909 und 1910 um 12 Proz., also auf 2,24 Proz. er- hht werden soll. Da der Steuersatz vor 1905 bei der Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer 3,9 Proz., bei der Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufsein- kommensteuer 4,8 Proz. betragen hatte, brachte die Reform von 1903 eine betrchtliche Ermssigung des Steuersatzes bei den Ertragssteuern.

    III. Die Ermssigung des Steuersatzes war aber nicht die einzige und nicht die hauptschlichste Einwirkung der Reform von 1903 auf die Ertrags - steuern. Mit der Einfhrung der allgemeinen Einkommensteuer kam nach dem Reformplan den Ertragssteuern grundstzlich nur noch die Stellung der Er- gnzungssteuer zu. Die Absicht ging - wie die Denkschrift zur zweiten Vor- lage der Reformentwrfe von 1901, Beil. 46 der Drucks, der Kam. der Abg. vom 18. Mai 1901, S. 159 ff., sich ausdrckte - dahin,

    die allgemeine progressive Einkommensteuer zur finanziell bedeut- samsten Steuer im knftigen direkten Staatssteuersystem zu gestalten und den Ertragssteuern, soweit ihre Beibehaltung beantragt war, nur mehr eine zweite Stelle einzurumen und dieselben mit ermssigten Stzen teils zur Ergnzung und Ausgleichung etwaiger Lcken und Mngel der allgemeinen Einkommensteuer, teils und insbesondere zu dem Zweck fortbestehen zu lassen, das sog. fundierte Einkommen hher zu belasten als das unfundierte."

    Zu diesem Behuf mussten die Ertragssteuern eine innere Umgestaltung erfahren. Vor allem waren Regierung und Stnde darber einig, dass die Dienst- und Berufseinkommensteuer in der allgemeinen Einkommensteuer auf- gehen msse und mit der Einfhrung der letzteren in Wegfall zu kommen habe. Zu diesem Zweck wurde das Gesetz ber die Kapital-, Renten-, Dienst- und Berufseinkommensteuer nebst seinen verschiedenen Novellen aufgehoben und die Kapitalsteuer in einem neuen Gesetz vom 8. August 1903 geregelt.

    Die durch das Gesetz vom 8. August 1903 neu geordnete Kapital- steuer suchte sich formell tunlichst eng an die einschlgigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes anzulehnen, whrend sie materiell in der Haupt- sache das alte Recht wiedergab. Die Kapitalsteuer ist hiernach eine Ertrags- steuer, die weder eine Progression noch ein Existenzminimum - abgesehen von der aus dem alten Recht bernommenen bedingten Steuerfreiheit der Witwen, Waisen und gebrechlichen Personen - noch einen Schuldenabzug kennt und zum Gegenstand den von den Steuerpflichtigen nach dem Stand am 1. April zu fa- tierenden Zinsenertrag hat. In Abweichung bzw. Rentenertrag von dem frheren Recht brachte aber das neue Kapitalsteuergesetz den Renten die Milderung, dass bei Leibrenten und Leibgedingen und sonstigen nicht lnger als bis zum Tode des Bezugsberechtigten oder eines Anderen fortdauernden Renten nur die Hlfte ihres Jahresertrags als steuerbarer Betrag gilt. Ebenfalls in Abweichung von dem frheren Recht und sich anlehnend an die entsprechende Behandlung innerhalb der Einkommensteuer wurden Zinsen und sonstige Ertrgnisse aus den zum land- oder forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebskapital ge- hrigen Forderungen und Wertpapieren aus der Kapitalsteuer ausgeschieden und der Besteuerung durch die Grund- und die Gewerbesteuer berlassen.

    2. Die Neuregelung der Grund-, Gebude- und Gewerbesteuer zum Zweck der Einpassung in das neue von der Einkommensteuer beherrschte Steuersystem erfolgte durch die Novelle vom 8. August 1903, welche in ihrem

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 4Q3

    Schlussartikel die Ermchtigung zu einer Neuredaktion des Gesetzestextes ent- hielt. Diese Neuredaktion wurde im Regierungsblatt von 1903 S. 344 f. unter

    der Bezeichnung & Gesetz vom - - -^ - - - __._ , betr. die Grund-, Gebude- und & 8. August __._ 1903

    Gewerbesteuer, '^erofentlicht. Wie wenig Einheitliches die aus historischen Grnden usserlich noch immer in einem Gesetz zusammengefassten drei Steuern innerlich haben, zeigt anschaulich die Verschiedenheit der Vernderungen, welche die einzelnen Steuern erfahren mussten, um die ihnen im neuen Steuer- system zugewiesene Stellung einnehmen zu knnen.

    3. Kaum einer Vernderung, hchstens einer gewissen Erneuerung erschien die Gebudesteu er bedrftig. Sie war im Grunde bis zuletzt immer ge- blieben, was sie von Anfang an war, eine spezielle Vermgenssteuer. Wie die Kapitalsteuer schien sie daher ohne innere Umgestaltung geeignet, als Zuschlags- steuer auf das fundierte Einkommen zu funktionieren. Die ussere Angleichung an die Kapitalsteuer , welche den Kapitalertrag trifft, war bei der Gebude- Steuer, welche den Verkaufswert der Gebude zum Massstab hat, dadurch schon seit 1887 vollzogen, dass gesetzlich als steuerbarer Ertrag (Steuerkapital) eine 3prozentige Rente aus dem den Verkaufswert darstellenden Steueranschlag bestimmt worden war. Hiebei wurde es belassen. Und auch die brigen gesetz- lichen Bestimmungen ber die Gebudesteuer blieben im wesentlichen ohne Aenderung.

    Nur eine wichtige Neuerung wurde vollzogen, die Einfhrung einer perio- dischen Revision des Gebudekatasters. Eine solche war in dem Gesetz von 1873 nicht vorgesehen. Das war um so mehr ein Mangel, als in dem Gesetz von 1873 vorgeschrieben war und bei seinem stabilen Charakter vorgeschrieben sein musste , dass bei Bestimmung neuer Steueranschlge die- selben zu den bei der allgemeinen Einschtzung bestimmten Steueranschlgen in ein richtiges Verhltnis gesetzt werden mssen. Da die allgemeine Ein- schtzung in den Jahren 1875 1 76 vorgenommen worden war, musste also bei allen spter entstehenden Gebuden der Wert geschtzt werden, den sie in jenen Jahren gehabt htten, wenn sie damals schon errichtet gewesen wren. Zwar war durch den Art. 83 des Gesetzes von 1873 bei Vernderung der usseren Verhltnisse eine Neueinschtzung unter gewissen weiteren Voraussetzungen vor- gesehen. Der Begriff der usseren Verhltnisse hatte aber in den Motiven zu dem Gesetz von 1873 eine so enge Auslegung erfahren, dass tatschlich von der Bestimmung bis zur Reform von 1903 in keinem Fall Gebrauch gemacht werden konnte. Es sollten durch jene Bestimmung ausgesprochenermassen Ver- suche, unter Berufung auf allgemeine wirtschaftliche Vorgnge die relative Gleichmssigkeit der Katastrierung an einzelnen Punkten zu durchbrechen, von vornherein abgeschnitten werden. Und auf die Herstellung und Erhaltung der relativen Gleichmssigkeit kam es dem Gesetzgeber damals hauptschlich an. Nun steht aber ausser Zweifel, dass bei der lebhaften Bewegung und Ver- schiebung der wirtschaftlichen Verhltnisse der Neuzeit weder die relative Gleich- mssigkeit der Einschtzung noch deren absolute Richtigkeit durch die Stabilitt des Katasters gewahrt bleibt. Man denke nur an das starke Steigen der Ge- budewerte in Grossstdten und Industriezentren und an das vielfache Fallen der Gebudewerte auf dem Lande. Es war daher in der Tat ein Bedrfnis, fr eine periodische Revision des Gebudekatasters Sorge zu tragen, wie dies durch den Art. 85 des Gesetzes in der Fassung der Neuredaktion geschehen ist. Es hat denn auch das Finanzministerium in loyaler Ausfhrung des Ge- setzes und der bei der Beschlussfassung ber den Art. 85 in beiden Kammern zu Tage getretenen Wnsche, sobald die Arbeiten bezglich der Durchfhrung der Einkommensteuer es ermglichten, die Revision des Gebudekatasters an- geordnet, und die neuen Kataster werden mit dem Steuer] ahr 1909 ins Leben treten. Ueber das Ergebnis der Revision, welche sich auf 1345 Steuerdistrikte mit zusammen etwa 500,000 Gebuden erstreckt hat, lassen sich zuverlssige Aufstellungen zur Zeit noch nicht machen.

    4. Ganz anders lagen die Verhltnisse bei der Gewerbesteuer. Das 403

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  • 404 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    Steuerkapital des Gewerbekatasters setzte sich ja aus Betriebskapitalrente und persnlichem Arbeitsverdienst zusammen, und zwar bildete der persnliche Arbeitsverdienst einen wesentlichen Bestandteil des Katasters. Bei der von Zeit zu Zeit vorgenommenen steuerstatistischen Durchzhlung ergaben sich folgende Zahlen: 1876 1888 1894 1900

    Mill. M. Mill. M. Mill. M. Mill. M. Betriebskapital 514,5 514,1 626,2 818,4 Steuerbare Rente daraus 33,3 33,6 40,0 52,7 Persnlicher Arbeitsverdienst .... 133,5 145,8 154,8 174,1 .Steuerbarer Betrag desselben .... 33,6 38,6 46,2 60,8 Gesamtgewerbeertrag 166,8 179,4 194,7 226,8 Steuerkapital 66,9 72,2 86,0 113,5 Steuerkapital von den Wandergewerben 0,8 1,5 1,2 -

    Die Verdrngung der Gewerbesteuer aus der Stellung einer Hauptsteuer in diejenige einer Ergnzungssteuer mit dem im Plan der Reform liegenden Zweck der Vorbelastung des fundierten gewerblichen Einkommens schien eine grundstzliche innere Vernderung des Gewerbekatasters nach sich ziehen zu mssen.

    In der Tat ging der Vorschlag der Regierung bei den Vorlagen von 1895 dahin , in dem Gewerbekataster den persnlichen Arbeitsverdienst zu streichen und zum Gegenstand der Gewerbesteuer weiterhin lediglich den kraft des Ge- setzes einheitlich auf 5 Proz. zu bestimmenden Ertrag des Betriebs- kapitals zu erklren. Dieser Vorschlag fand jedoch bei den Stnden nur teilweise Anklang. Regierung und Stnde waren zwar in der Auffassung einig, dass grundstzlich der Gewerbesteuer nach Einfhrung der Einkommensteuer nur noch die Funktion einer Vorbelastung des fundierten Einkommens zukomme, allein welchem Teil des Gewerbekatasters der Charakter eines fundierten Er- trags zuzuerkennen sei, darber gingen die Ansichten auseinander. Nicht ein- mal prinzipiell bestand in dieser Beziehung Uebereinstimmung, da darber ge- stritten wurde, ob der Unternehmergewinn dem fundierten oder unfundierten Ertrag zuzurechnen sei. Noch weniger aber bestand Uebereinstimmung ber die zahlenmssige Erfassung derjenigen Quote des Gewerbeertrags, welcher der unfundierte oder fundierte Charakter beizulegen wre. Auch die Regierung konnte nicht in Abrede ziehen , dass in ihrem Vorschlag eine Willkrlichkeit enthalten war, nmlich die Annahme, dass 5 Proz. aus dem Betriebskapital den Kapitalertrag und damit fundierten Ertrag darstellen, whrend der Rest des Gewerbeertrags als unfundiert erscheine.

    Nach langen Verhandlungen einigten sich schliesslich Regierung und beide Kammern dahin, das Gewerbekataster in seinem inneren Bestand unverndert zu belassen und der Forderung der Ausmerzung des unfundierten Arbeitsver- dienstes aus dem Kataster durch summarische Abstriche nach folgendem Schema gerecht zu werden :

    bei einem Steuerkapital bis zu 1,000 M 60 Proz. Abzug

    von 1,001 M. bis 5,000 40 5,001 10,000 50 ,. 10,001 30,000 30

    von ber 30,000 20 Eine entsprechende Bestimmung fand in die Novelle Aufnahme und bildet

    18. April 1873 , ,. , ~ jetzt den Art. 107 des Gesetzes vom 8 ^u ust 19Q3

    betr , dle ,. Grund" , > Ge" ~

    bude- und Gewerbesteuer. Fr die Abstufung der Abstriche war die An- schauung massgebend, dass im allgemeinen mit der Grosse des Betriebs der Anteil des Kapitals gegenber dem Arbeitsverdienst des Unternehmers immer mehr zunehme und dass daher eine richtige Durchfhrung des Grundgedankens bei den kleinen Gewerben einen verhltnismssig hheren Abstrich bedinge als bei den grsseren und grossen Gewerben.

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  • Wrttembergisclie Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 405

    5. Wieder etwas anders lagen die Verhltnisse bei der Grundsteuer. Die Grundsteuer ist nach dem Gesetz von 1873 eine Steuer auf den durch- schnittlichen, bei mittleren Verhltnissen erzielbaren Reinertrag des Grund und Bodens. Dieser Reinertrag wurde nicht fr die einzelne Parzelle und nicht fr die einzelne wirtschaftliche Unternehmung je nach deren individuellen Verhlt- nissen ermittelt, sondern je fr eine Messeinheit (1 ha) des nach der Bonitt und nach Kulturarten in Klassen eingeteilten Grund und Bodens, wobei jedoch nicht lediglich die natrliche Fruchtbarkeit bercksichtigt, sondern eine be- stimmte, und zwar die in dem betreffenden Landesteil im allgemeinen bliche Bewirtschaftungsweise zugrunde gelegt wurde.

    Die Grundsteuer ist hiernach eine Art Gewerbesteuer auf den Reinertrag des landesblichen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs. Da jedoch unter den Kulturkosten der Aufwand fr die nach der angenommenen Betriebsweise erforderliche mechanische Arbeit in Abzug gebracht wurde, ohne Rcksicht darauf, ob diese Arbeit in der Wirklichkeit durch bezahlte Arbeitskrfte oder durch den Besitzer und seine Familienangehrigen selbst geleistet wird, so ist in dem das Grundkataster bildenden Reinertrag der persnliche Arbeitsverdienst nicht enthalten. Das Grundkataster enthlt aber zweifel- los neben der Grundrente noch eine Betriebskapitalrente und grundstzlich wohl auch einen Unternehmergewinn. Ob freilich tatschlich beim Grund- katasterreinertrag von einem Unternehmergewinn gesprochen werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Die Denkschrift von 1895 (Beil. 31 vom 20. Mai 1895 der Drucks, der Kam. der Abg. S. 308) hat sich in dieser Beziehung sehr vor- sichtig ausgedrckt durch die folgende Ausfhrung:

    Ob in dem Grundkataster daneben - d. h. neben der Grundrente und der Betriebskapitalrente - auch ein Unternehmergewinn enthalten ist oder enthalten sein kann, mag dahingestellt bleiben. Ein solcher konnte bei den Einschtzungen der einzelnen Parzellen zum Grund- kataster jedenfalls nur sehr schwer zur Geltung kommen; vor allem nicht bei den kleinbuerlichen Betrieben, welche in Wrttemberg so sehr die Mehrzahl bilden, dass nach der Berufszhlung von 1882 von 308,118 Betrieben 246,283 weniger als 5 ha und weitere 53,970 zwischen 5 und 20 ha umfassten und bei denen ein Gewinn wohl hauptschlich nur von der durch die eigene Arbeit gemachten Ersparnis an Arbeits- kosten herrhrt, da der eigene Grundbesitz fr sie vorwiegend als Arbeitsgelegenheit in Betracht kommt. Aber auch bei den grsseren Wirtschaften, wo die Erzielung eines besonderen Einkommens aus dem landwirtschaftlichen Gewerbebetrieb aus solchem vorausgesetzt werden darf, ist dieser Gewinn so sehr bedingt durch besondere, individuelle persnliche Verhltnisse, dass darauf bei dem rein objektiven Ertrags- steuercharakter der Parzellargrundsteuer die Einschtzung unmglich viel Rcksicht nehmen konnte. Ist daher im Grundkataster wohl kaum ein Unternehmergewinn berhaupt bercksichtigt worden, so verbietet es sich von selbst, aus diesem Grund knftig einen Abzug bei der Grundsteuer zu machen."

    Die erste Regierungsvorlage von 1895 hatte denn auch vorgeschlagen, das Grundkataster unverndert der Ergnzungsbesteuerung durch den ermssigten Ertragssteuersatz zugrunde zu legen. Allein dieser Vorschlag stiess in beiden Kammern der Stndeversammlung auf Widerspruch. Zwar wurde anerkannt, dass im Prinzip und theoretisch betrachtet, der persnliche Arbeitsverdienst im Grundkataster nicht enthalten sei; gleichzeitig wurde aber darauf hinge- gewiesen, dass gegenber den bei der Katastrierung verwendeten Zahlen in- zwischen in den Getreidepreisen ein Rckgang, vor allem aber in den Arbeits- lhnen eine starke Steigerung eingetreten sei, so dass, wenn eine Umrechnung des Katasters nach den heutigen Preisen vorgenommen wrde, ein kleinerer Reinertrag sich ergeben wrde, wroraus folge, dass tatschlich doch der Arbeits- verdienst oder wenigstens ein Teil desselben von der Grundsteuer getroffen werde. Wenn auch der letzteren Argumentation mehrfach, so . . im Korn-

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  • 406 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    missionsbericht der Kammer der Standesherren vom 21. Mai 1898, mit Grund entgegengetreten wurde, so konnte doch nicht in Abrede gezogen werden, dass die geltend gemachte Preisverschiebung tatschlich vor sich gegangen war, und ein von beiden Kammern angenommener Antrag, einen erheblichen Teil der Musterschtzungen, welche der G rundsteuer Veranlagung als Grundlage dienen, einer Prfung zu unterwerfen, erbrachte bei seiner Durchfhrung den Beweis fr die Richtigkeit jener behaupteten Preis Verschiebung und zugleich die zahlen- mssige Grundlage fr den Einfluss derselben auf das Grundkataster.

    Entsprechend der erwhnten Anregung nahm nmlich das Finanzministe- rium in den Jahren 1898 und 1899 eine Revision der Grundsteuer mus ter- schtzung in 14 Gemeinden, dem achten Teil smtlicher Musterschtzungsorte des Landes, vor und legte das Ergebnis mit der Wiedereinbringung der Steuer- reformvorlagen im Jahr 1901 als Anlage zu der Denkschrift (Beil. 46 der Drucks, der Kam. der Abg. vom 18. Mai 1901 S. 166 ff.) den Stnden vor. Dabei er- gab sich, dass die seinerzeit bei den Musterschtzungen ermittelten durch- schnittlichen Reinertrge mit den Reinertrgen des landwirtschaftlich bentzten Bodens, wie sie sich bei Anwendung derselben Grundstze in den Jahren 1898 und 1899 berechneten, nicht mehr bereinstimmten. Nach dem Ergebnis der Musterschtzungsrevisionen belief sich das revidierte Grundsteuerkataster im Durchschnitt smtlicher 14 revidierten Gemeinden nur auf 80,93 Proz. des Katasters von 1873/87, wobei jedoch die Differenzen sowohl innerhalb der einzelnen Gemeinden wie bei den einzelnen Bonittsklassen und Kulturarten ziemlich weit auseinandergingen. Was insbesondere die verschiedenen Kultur- arten anbelangt, so berechnete sich deren Kataster im Durchschnitt smtlicher Revisionsgemeinden im Verhltnis zu dem Kataster von 1873/87

    bei den Aeckern einschliesslich der Wechselfelder ... zu 75,67 Proz. Wiesen 101,66 Baumgtern 104,55 Hopfengrten 74,09

    Grten und Lndern 81,10 Weinbergen 46,07

    Auf Grund dieser Ergebnisse und der weiteren Verhandlungen in den Jahren 1901 - 1903 erfuhr schliesslich durch das Gesetz vom -^- -^ - ^ __._ -^- 8. August ^ 1903

    __._

    das Grundkataster zum Zweck seiner Bentzung als Ergnzungssteuer neben der Einkommensteuer eine summarische Krzung, welche betrgt:

    bei der Kulturklasse Weinberge 80 Proz. den brigen landwirtschaftlichen KulturkJassen . . 20 ,,

    whrend bei den Waldungen und Grundgefllen eine Aenderung unterblieb. IV. Hiernach besteht seit der mit dem Steuerjahr 1905 ins Leben ge-

    tretenen Reform von 1903 das direkte Staatssteuerwesen in Wrttemberg aus der allgemeinen Einkommensteuer als Hauptsteuer und aus vier ergnzenden Ertragssteuern , der Kapitalsteuer und der Grund-, Gebude- und Gewerbe- steuer. Nach den Rechnungsergebnissen von 1905 entfllt auf die Einkommen- steuer ein Rohertrag von 16,354,941 M. 66 Pf. , auf die vier Ertragssteuern zusammen ein Rohertrag von 8,048,996 M. 24 Pf., woran es trifft die

    Kapitalsteuer 2,939,368 M. 88 Pf. Grundsteuer 1,543,194 86 Gebudesteuer 1,786,945 34 Gewerbesteuer 1,779,487 16

    zusammen 8,048,996 M. 24 Pf. Auf die Einkommensteuer entfallen hiernach 67,018 Proz., auf die Er-

    tragssteuern zusammen 32,982 Proz. des Gesamtaufkommens. Nach den Rechnungsergebnissen von 1906 ist der Anteil der Einkommen-

    steuer am Gesamtaufkommen bereits ein etwas hherer. Nach ihnen entfllt auf die Einkommensteuer ein Rohertrag von 17,211,317 M. 73 Pf., auf die Ertrags - steuern zusammen ein Rohertrag von 8,398,415 M. 37 Pf. , woran es trifft die

    406

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 407

    Kapitalsteuer 3,042,561 M. 98 Pf. Grundsteuer 1,542,445 74 Gebudeeteuer 1,847,157 60 Gewerbesteuer 1,966,250 05

    zusammen 8,398,415 M. 37 Pf. Es entfallen also nach den Rechnungsergebnissen von 1906 auf die Ein-

    kommensteuer 67,206 Proz. und auf die Ertragssteuern zusammen 32,794 Proz. des Gesamtaufkommens.

    Nach den Rechnungsergebnissen von 1907 betrgt der Rohertrag der Einkommensteuer 18,313,691 M. 82 Pf., derjenige der Ertragssteuern zusammen 8,803,332 M. 44 Pf., woran es trifft die

    Kapitalsteuer 3,280,254 M. 99 Pf. Grundsteuer 15,42,573 92 Gebudesteuer 1,915,488 53 Gewerbesteuer 2,065,015 -

    zusammen 8,803,332 M. 44 Pf7~ so dass also fr 1907 auf die Einkommensteuer 67,536 Proz. und auf die Er- tragssteuern zusammen 32,464 Proz. des Gesamtaufkommens entfallen.

    II. Die Wirkungen der Reform von 1903/05. Was die Reform von 1903 versprochen hat, das hat sie gehalten. Nach

    der einleitenden Denkschrift zu den ersten Entwrfen sollte die Reform in erster Linie (A) der Gerechtigkeit dienen. Durch die Umbildung der Ertrags- steuern und durch die Herabsetzung der Steuerstze bei denselben sollten die Mngel und Hrten der Ertragssteuern auf ein ertrgliches Mass zurckgefhrt werden. Durch die Einfhrung einer allgemeinen progressiven, ein Existenz- minimum freilassenden und den Schuldzinsenabzug gewhrenden Einkommen- steuer sollte eine Entlastung der Schwcheren und Kleineren, durch beide Massnahmen zusammen eine Verschiebung der Steuerlast von den weniger tragfhigen Schultern auf die krftigeren bewirkt werden.

    Ohne unmittelbar eine Steuererhhung zu enthalten, sollte sodann (B) die Reform das wrttembergische Steuersystem beweglicher und elastischer machen und dem Staat fr die Zukunft im Hinblick auf den stark wachsenden Staatsbedarf wachsende Ertrge sichern. Insbesondere sollte die Mglichkeit einer strkeren Inanspruchnahme der direkten Steuern in Fllen der Not und fr die Zwecke des Reichs erleichtert werden.

    Schliesslich sollte durch die Reform (C) die wnschenswerte schrfere Abgrenzung zwischen dem Steuergebiet des Staats und dem der Gemeinden angebahnt und fr die Gemeindebesteuerung eine tragfhigere und breitere Grundlage geschaffen werden.

    A. Die gerechtere Verteilung der Steuerlast.

    I. Ein Haupterfolg der Reform von 1903/05 ist in der Beseitigung oder doch wesentlichen Milderung der Mngel und Hrten der Ertragssteuern zu erblicken.

    Was die Mngel der Ertragssteuern anbelangt, so sind dieselben in der Denkschrift von 1895 wie folgt charakterisiert:

    Unsere Ertragskataster beruhen auf einem durchschnittlichen, mitt- leren Reinertrag, welcher der Wirklichkeit nicht oder doch nur selten entspreche. Eine geringe Belastung der Kataster werde wohl nirgends hart empfunden. Wenn aber zu der Staatssteuer eine um das Mehr- fache hhere Kommunalabgabe hinzutrete, mssen die Umlagen als unbillige Hrten wirken, sobald der wirkliche Reinertrag unter dem ermittelten mittleren Ertrag bleibe.

    407

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  • 408 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    Die Ertragskataster seien berhaupt zu starr und unbeweglich und darum der Gefahr ausgesetzt, dass sie zu rasch veralten.

    Das gegenseitige Verhltnis der beiderlei Gruppen, einerseits der Katastersteuern, entbehre einer genaueren, sachgemssen Ordnung; die strkere Heranziehung der letzteren zur Staatssteuer, der fr sie aus- schliesslich vorgeschriebene niedere Maximalsatz fr ihre Beiziehung zu den Krperschafts- und Gemeindesteuern stehe nicht im Einklang mit der Behandlung der Katastersteuern.

    Grundstzlich knne bei ihnen weder ein Existenzminimum, noch sonst eine Schonung der Schwcheren Platz greifen, und, wo tatsch- lich, wie bei der Berufseinkommensteuer und der Gewerbesteuer, ein Existenzminimum doch anerkannt ist, werde dieses nicht bloss den Schwcheren, sondern gleichmssig allen Steuerpflichtigen zugut ge- rechnet.

    Die Passivschuldzinse werden nicht bercksichtigt, ebensowenig die individuellen Verhltnisse des Steuerpflichtigen and seine Leistungsfhig- keit, da die Ertragskataster sich lediglich an die Steuerobjekte zu halten haben.

    Infolge von all dem seien die bestehenden Steuern zu wenig elastisch, versagen insbesondere den Dienst, wenn eine rasche Steigerung not- wendig wrde."

    1. Allein schon die Denkschrift von 1895 hat darauf hingewiesen, dass einzelne dieser Mngel nur bedingt zuzugeben seien, und dass insbesondere die Unbeweglichkeit der Kataster mit Vorbehalt aufzufassen sei.

    War dieser Vorbehalt damals schon begrndet, so ist er es heute noch viel mehr.

    Vor allem hat schon die Denkschrift darauf aufmerksam gemacht, dass eigentlich bei der Gewerbesteuer ernstlich von einer Unbeweglichkeit nicht die Rede sein knne, indem das Gewerbekataster nicht nur vierteljhr- lich durch Ab- und Zuschreibungen ergnzt, sondern auch jhrlich insofern revidiert werde, als bei der Jahresberichtigung diejenigen Gewerbe einer Neu- schtzung unterworfen werden, bei denen eine nachhaltige Aenderung im Be- trieb stattgefunden hat. Wenn die Durchfhrung dieser Bestimmung in der Praxis vielleicht frher da und dort zu wnschen brig Hess, weil die Steuer- pflichtigen nachhaltige Vernderungen, wenigstens in Ansehung von Betriebs- verbesserungen und -Ausdehnungen, nur selten anzeigten und den Aemtern auf diese Weise vielfach diese Verbesserungen und Ausdehnungen durch lngere Zeit hindurch verborgen blieben, so ist dies mit Einfhrung der allgemeinen Einkommensteuer anders geworden. Die allgemeine Einkommensteuer bedingt eine jhrliche Durchsicht der Verhltnisse des Gewerbebetriebs auf Grund der Einkommensteuererklrung oder der anderweiten Schtzungsunterlagen; die Aenderungen im Betrieb und in dessen Ertrgnissen knnen daher den Aemtern nicht mehr verborgen bleiben. Die Verwertung der Ergebnisse der alljhrlichen Einkommensteuerveranlagung fr die Gewerbesteuer liegt jetzt so nahe, dass sich das Finanzministerium veranlasst gesehen hat, seine ausfhrenden Organe vor einer allzu raschen Fruchtbarmachung dieser Ergebnisse fr das Gewerbe - kataster zu warnen unter dem Hinweis darauf, dass der Gewerbesteuer die Natur einer auf den mittleren durchschnittlichen Reinertrag gelegten Objekt- steuer zukommt und dass daher die zur Einkommensteuer fatierten gewerb- lichen Reinertrge erst nach Ablauf mehrerer Jahre und im Durchschnitt dieser Jahre zur Unterlage fr das Gewerbekataster genommen werden drfen.

    Bei der Kapitalsteuer kann von einer Unbeweglichkeit vollends keine Rede sein, weil sie alljhrlich auf Grund von Fassionen der Steuerpflich- tigen neu veranlagt wird.

    Bei der Gebudesteuer ist, abgesehen von den Fortfhrungs Vor- schriften des alten Gesetzes von 1873, durch die von der Novelle vom 8. August 1903 angeordnete periodische Revision des Gebudekatasters fr eine grssere Beweglichkeit gesorgt worden.

    408

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. .QQ

    Es bleibt noch die Grundsteuer. Bei ihr trifft allerdings der Nach- teil der Unbeweglichkeit bis zu einem gewissen Grad zu. Allein doch auch nur bis zu einem gewissen Grad. Zunchst ist auf die Fortfhrungsvorschriften des Gesetzes vom - - '- - ,~ hinzuweisen, welche fr die Grundsteuer 8. August 1903

    ,~

    folgendes bestimmen:

    Art. 69. Berichtigung der Kataster infolge nachtrglich entdeckter Fehler. Eine Berichtigung der nach Art. 68 hergestellten Kataster wegen ent-

    deckter Fehler hat insbesondere einzutreten, wenn 1. bei der allgemeinen Einschtzung ein Grundstck oder nutzbares Recht

    ganz unbeachtet geblieben oder wenn ein steuerfreie Grundstck oder nutzbares Recht ins Kataster aufgenommen ist,

    2. Flchengehalt, Kulturart, Klasse oder der Steueranschlag vom Hektar bei einem Grundstck irrig angegeben ist,

    3. die auf einem Grundstck haftenden Grundlasten ganz unbeachtet ge- blieben oder rcksichtlich ihrer Art und Grosse irrig angegeben sind,

    4. das Kataster eines Grundstcks oder eines nutzbaren Rechts unrichtig berechnet ist.

    Art. 70. Katasterzuwachs durch Vermehrung der steuerbaren Grundflche. Tritt eine Vermehrung der steuerbaren Grundflche eines Steuerdistrikts

    ein, indem 1. die nach Art. 2 Ziff. 1, 2 u. 4 steuerfrei bleibenden Staats- und Be-

    soldungsgter verussert und in den Hnden ihrer neuen Besitzer steuerpflichtig werden,

    2. ein ertragsunfhiges oder ein nach Art. 2 Ziff. 3 steuerfrei gebliebenes Grundstck, oder die bisherige Grundflche oder Hofraite eines Ge- budes der forst- oder landwirtschaftlichen Kulur gewidmet wird, oder

    3. durch Naturereignisse (Anschwemmungen usw.) neue Grundstcke (Inseln) gebildet oder bereits vorhandene Grundstcke vergrssert werden, oder endlich

    4. infolge von Markungsgrenznderungen Grundstcke einem Steuerdistrikt zuwachsen,

    so werden solche Grundstcke in die entsprechende Kulturart und Klasse des Steuerdistrikts, zu welchem sie gehren, eingereiht und es wird ihr Kataster hiernach festgestellt.

    Art. 71. Katasterabgang durch Verminderung der steuerbaren Grundflche. Tritt eine Verminderung der steuerbaren Grundflche eines Steuerdistrikts

    ein, indem ein Grundstck 1. durch Naturereignisse (Abschwemmungen, Erdflle usw.) ganz verloren

    geht oder verkleinert wird, 2. durch solche Ereignisse (Versandungen usw.) auf die Dauer ganz oder

    teilweise vllig ertragsunfhig wird, 3. fr den Staat oder als Besoldungsgut erworben und nach Art. 2 Ziff. 1,

    2 u. 4 steuerfrei wird, 4. eine Bestimmung erhlt, nach welcher es gemss Art. 2 Ziff. 3 steuer-

    frei zu belassen ist, 5. als Baustelle oder Hof rum mit dem dazu gehrenden Gebude zur

    Besteuerung kommt, 6. infolge von Markungsgrenznderungen an einen anderen Steuerdistrikt

    bergeht, so wird das Steuerkataster des betreffenden Grundstcks an dem Steuerkataster des betreffenden Steuerdistrikts ganz oder zum betreffenden Teil abgeschrieben.

    409

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  • 410 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    Art. 72. Katasternderung durch Aenderung der Steueranschlge. Eine Aenderung der Steueranschlge hat in folgenden Fllen einzutreten: 1. Wird die Ertragsfhigkeit einer Grundflche durch die Entfernung

    nachteiliger oder die Entstehung gnstiger Verhltnisse auf die Dauer so erhht, dass sie fortan unzweifelhaft in eine hhere Klasse gehrt, so hat die entsprechende Erhhung des Steuerkatasters stattzufinden.

    Tritt der umgekehrte Fall ein, so ist das Steuerkataster entsprechend zu ermssigen.

    2. Wird die Kultur eines Grundstcks auf die Dauer verndert durch Verwandlang von Aeckern in Wiesen, Wald usw., oder umgekehrt, Ver- wendung eines Grundstcks als Baumgut, Hopfengarten, Steinbruch usw., oder durch das Aufhren einer solchen Verwendung, so ist das Steuer- kataster desselben fortan nach dem Steueranschlag der neuen Kultur- art, bzw. Klasse, welcher das Grundstck nunmehr angehrt, zu be- stimmen.

    3. Nimmt ein Grundstck die Eigenschaft eines Gartens an, so ist es fortan als solcher einzuschtzen.

    Verliert dagegen ein als Garten eingeschtztes Grundstck diese Eigenschaft, so ist dessen Steuerkataster nach der Kultur art und Klasse, welcher dasselbe alsdann angehrt, neu zu bestimmen.

    4. Wird ein Grundstck von wesentlich ungleicher Gte in der Folge ge- teilt, so knnen die einzelnen Teile desselben nach Verschiedenheit ihres Ertragswerts in die betreffende Kulturart und Klasse neu eingeteilt werden.

    5. Wird infolge einer Markungs-, Gewnde- oder Feldwegregulierung, Gterzusammenlegung oder Wsserungsanlage ein grosser Teil der Grundstcke eines Gewndes oder einer Markung in seinem Bestnde verndert, so sollen die neu gebildeten Grundstcke nach ihrer Kultur- art in Klassen neu eingeteilt und die Steueranschlge durch Schtzung neu bestimmt werden.

    6. Wird eine Grundlast abgelst oder hrt eine im Gefllkataster laufende Nutzung aus einer anderen Ursache auf, so ist das Steuerkataster der- selben im Gefllkataster abzuschreiben, das Steuerkataster des bisher belasteten Grundstcks aber entsprechend zu erhhen.

    7. Fallen die besonderen Umstnde weg, um derenwillen nach Art. 22 Abs. 2 und Art. 43 Abs. 3 Abweichungen von den allgemeinen Be- stimmungen dieses Gesetzes stattfanden, so kann von der Steuerver- waltung eine neue Berechnung der betreffenden Kataster unter Zu- grundlegung der allgemeinen Bestimmungen der Art. 22 u. 43 ange- ordnet werden.

    Ebenso kann die Steuerverwaltung bei dem Wegfallen der beson- deren Umstnde, welche fr einzelne Grundflchen einen Zuschlag zu den Kulturkosten gegenber von anderen Grundstcken eines Steuer- distrikts veranlasst haben, eine diesem Zuschlag entsprechende Er- hhung des Steueranschlags und umgekehrt bei dem Eintritt solcher besonderen Umstnde eine Verminderung des Steueranschlags anordnen.

    Kann bei einer Vernderung der in Ziff. 1 genannten Art die dauernde Wirkung derselben bei der Anzeige noch nicht erwiesen werden, so bleibt die Abschreibung auf die Beibringung dieses Nachweises aus- gesetzt.

    Art. 73. Fortfhrung des Katasters. Die Berichtigung der Steueranschlge infolge entdeckter Fehler oder ein-

    getretener Vernderung der Steuerobjekte (Art. 69 - 72) hat bei der auf die Entdeckung des Fehlers oder auf den Eintritt der Vernderung nchstfolgenden Katasterberichtigung zu geschehen.

    410

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 411

    Die Berichtigung des Steuerkatasters nach Massgabe der Bestimmungen in Art. 69 - 72 ist von der rtlichen Steuersatzbehrde alljhrlich am Anfang des Kalenderjahrs vorzunehmen.

    Die in den Ortsgrundsteuerkatastern vorgenommenen Aenderungen der Katasterbetrge sind binnen 30 Tagen vom Anfang des Kalenderjahrs an dem Bezirkssteueramt anzuzeigen, welches dieselben zu prfen, ntigenfalls im Be- nehmen mit der rtlichen Steuersatzbehrde zu berichtigen und den Kataster- betrag der Gemeinden festzusetzen hat.

    Soweit infolge von Aenderungen im Bestnde der Steuerobjekte neue Klasseneinteilungen oder neue Einschtzungen vorkommen, ist das Bezirks- steueramt befugt, eine Prfung derselben durch eine besondere Kommission anzuordnen.

    Diese Kommission besteht aus dem Bezirkssteuerbeamten oder dessen Stellvertreter, welchem bei Einschtzung von Feldgtern eine nach Art. 7 Ziff. 1 a - c, bei Einschtzung von Waldungen aber eine nach Art. 67 bestellte Schtzungskommission beigegeben ist.

    Hinsichtlich der Erffnung der vom Bezirkssteueramt festgestellten Steuer - anschlage und hinsichtlich etwaiger Beschwerden finden die Bestimmungen der Art. 61 - 64 sinngemsse Anwendung, mit der Massgabe, dass die Dauer der Auflegung des Einschtzungsergebnisses (Art. 61 Abs. 1) auf 15 Tage festge- setzt wird.

    Das berichtigte Kataster bildet vom folgenden Steuerjahre an die Grund- lage der Steuererhebung.

    Art. 74. Fortsetzung. Die wegen des Wechsels in der Person des Steuerpflichtigen alljhrlich

    vorzunehmende Berichtigung des Grundsteuerkatasters hat durch die rtliche Steuersatzbehrde am Anfang des Kalenderjahres zu geschehen."

    Freilich, so sehr diese Vorschriften bemht sind, das Grundkataster im einzelnen evident zu erhalten, eine Gesamterneuerung desselben, eine Ver- jngung seines inneren Gehalts vermgen sie nicht zu bewirken. Ein gewisser Fortschritt ist aber doch auch in letzterer Richtung zu verzeichnen. Er liegt in den durch die Novelle von 1903 verfgten summarischenAbstrichen am Kataster. Diese sttzen sich auf die Revision der Musterschtzungen in 14 Gemeinden. Wenn auch diese 14 Gemeinden nur den achten Teil aller Musterschtzungsgemeinden ausmachen, so sind sie doch so gewhlt worden, dass alle Typen der verschiedenen landwirtschaftlichen Verhltnisse des Landes in ihnen vertreten sind, und wenn auch die Revision nicht zu einer Aenderung der Muster Schtzungen und der Katastrierung des Grund und Bodens im ein- zelnen fhrte, so haben immerhin die Ergebnisse der formell und materiell nach den Vorschriften und dem Vorgang der Katastrierung von 1873/87, aber unter Zugrundelegung der modernen Ertrags-, Preis , Lohn- und sonstigen Ver- hltnisse vorgenommenen Revision in summarischer Weise eine Anpassung des Gmndkat asters an die vernderten wirtschaftlichen Verhltnisse der Neuzeit bewirkt. Nichts wrde hindern, solche summarische Aenderungen auch ferner- hin eintreten zu lassen , wenn nach lngeren Zeitrumen wiederholte um- fassendere Verschiebungen in den Reinertragsverhltnissen des Grund und Bodens sich vollziehen sollten.

    2. Was den weiter gergten Mangel unserer Ertragssteuern, die un gleichmssige Heranziehung derselben sowohl fr die Zwecke des Staats wie fr diejenigen der Gemeinden anbelangt, so ist dieser Mangel fr das Gebiet der Staatsbesteuerung durch die Einfhrung eines gleichen Steuer- satzes fr alle vier Ertragssteuern beseitigt worden. Ob freilich die Kataster auch innerlich gleichwertig sind, darber kann man heute noch ebenso streiten wie dies in den 80er Jahren und vor allem in jener 7tgigen Redeschlacht in der Kammer der Abgeordneten im Mai 1887 aufs lebhafteste geschehen ist. Der Gesetzgeber hat damals die Gleichwertigkeit der Kataster ausgesprochen. Diese Gleichwertigkeit wre durch die Einfgung der Einkommensteuer in das

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  • 4J2 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    direkte Steuersystem Wrttembergs zweifellos zerstrt worden, wenn die Ka- taster unverndert beibehalten worden wren. Allein das ist nicht geschehen. Vielmehr sind die Kataster durch die Reform von 1903 den oben geschilderten Aenderungen unterworfen worden, die, wie in der Denkschrift zu den Vorlagen von 1901 (Beil. 46 der Drucks, der Kamm, der Abg. vom 18. Mai 1901 S. 164) des nheren dargelegt ist, den Zweck verfolgten, in Anpassung an die Ein- kommensteuer der Gleichwertigkeit der Kataster wieder herzustellen. Durch die Vorschrift der Festsetzung eines gleichen Steuersatzes in dem Art. 107 des * 28 APril 1873 > 4. auch i, j. j. wieder - j die j m . * '* a Gesetzes * vom ---. - ^ .___ ist

    > 4. auch i, jetzt j. j. wieder - j die j Gleichwertigkeit m

    . * '* der a 8. Augast ^ 1903 .___

    Kataster bzw. des steuerbaren Ertrags der vier Ertragssteuern gesetzlich aner- kannt und ausgesprochen.

    3. Nach wie vor vorhanden und anzuerkennen ist der Mangel, dass unsere Ertragssteuern weder die Passivschuldzinsen noch die persnlichen Verhltnisse der Steuerpflichtigen bercksichtigen und dass sie eine Scho- nung der Schwcheren durch Gewhrung eines Existenzminimums usw. nicht kennen, oder doch, wenn sie, wie dies bei der Gewerbesteuer der Fall ist, verwandte Einrichtungen treffen, damit eine Ungleichheit in die Behand- lung der einzelnen Berufsstnde hineintragen.

    Allein diese Mngel haben durch die Einfhrung der allgemeinen Ein- kommensteuer und der damit verbundenen betrchtlichen Verminderung des den Ertragssteuern zugeschiedenen Steueraufkommens fr das Gebiet der Staats- besteuerung wesentlich an Bedeutung verloren. Der Steuersatz betrgt jetzt statt wie frher 3,9 Proz. und 4,8 Proz. noch 2 Proz., und whrend nach dem Etat fr 1904 die Ertragssteuern zusammen 21,154,477 M. aufzubringen hatten, ist ihnen im Etat fr 1908 nur noch ein Aufkommen von 8,889,800 M. zuge- schieden, wogegen der Ertrag der Einkommensteuer auf 18,062,000 M. veran- schlagt ist.

    Anderseits ist der erwhnte Mangel nicht ein absoluter, sondern nur ein relativer. Es gibt sogar eine Betrachtungsweise, nach welcher die Nichtberck- sichtigung der persnlichen Verhltnisse und insbesondere der Passivschuld- zinsen als ein Vorzug erscheint. Zu letzterer Betrachtungsweise kommt man nicht nur vom Standpunkt des steuerberechtigten Staats oder der Steuer - berechtigten Gemeinde, sondern auch vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus, sobald man als gerecht nicht lediglich die Heranziehung nach der persnlichen Leistungsfhigkeit, sondern auch nach dem Verhltnis von Leistung und Gegen- leistung ansieht. Und die Anschauung, dass die Gerechtigkeit erheische, bei der Verteilung der Lasten neben der persnlichen Leistungsfhigkeit auch den Grad des Interesses zu bercksichtigen, welches die Steuerpflichtigen an den Einrichtungen des Staats und der Gemeinden haben, findet nicht nur in der Finanzwissenschaft lebhafte Vertretung, sondern deckt .ich in weitem Umfang mit der volkstmlichen Auffassung. Diese tritt besonders deutlich und hufig zutage in den Fllen, wo zwei steuerberechtigte Gemeinden oder Staaten in Konkurrenz treten. Es wird nicht verstanden, dass in einer Gemeinde, in welcher sich Gter, Huser, gewerbliche Anlagen eines Steuerpflichtigen be- finden, darum keine Besteuerungsmglichkeit vorhanden sein soll, weil bei der Bercksichtigung der persnlichen Verhltnisse des in einer anderen Gemeinde wohnenden Steuerpflichtigen schliesslich kein steuerbares Einkommen fr den- selben sich berechnet. In der Tat lsst sich beispielsweise nicht in Abrede ziehen, dass eine Gemeinde, in welcher zwei gleich grosse und gleich gebaute Huser nebeneinander stehen , die der Gemeinde dieselben Aufwendungen ver- ursachen, von ihr dieselben Vorteile haben, auch den gleichen Wertzuwachs erfahren , billigerweise auch von beiden Husern die gleiche Steuer zu fordern berechtigt ist und dass es keineswegs als natrlich und gerecht empfunden wird, wenn das eine Haus bzw. sein Besitzer darum zu den Gemeindelasten nichts beizutragen hat, weil der Besitzer durch persnliche, vielleicht vllig ausserhalb der betreffenden Gemeinde begrndete und sich abwickelnde Ver- hltnisse so verschuldet ist, dass nach den Bestimmungen des Einkommen-

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  • Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 4.^3

    steuergesetzes ein steuerbares Einkommen sich fr ihn nicht berechnet. Ganz hnlich liegen die Verhltnisse beim Staat und von Staat zu Staat. Auch hier wird es durchaus als natrlich und billig angesehen, dass der Staat, unter dessen Schutz die Vermgensanlagen eines Steuerpflichtigen stehen, mit dessen Einrichtungen und Hilfsmitteln sie sich produktiv entfalten und in dessen Ge- biet sie mit anderen Unternehmungen in Konkurrenz treten, steuerberechtigt sein soll, und zwar ohne Rcksicht darauf, ob sich bei dem Steuersubjekt, welches seinen Wohnsitz vielleicht im Ausland hat, nach Bercksichtigung seiner persnlichen Verhltnisse schliesslich ein steuerbares Einkommen be- rechnet oder nicht.

    Diesen Gesichtspunkten werden die Ertragssteuern, vor allem die Grund- steuer und die Gebudesteuer, aber auch bis zu einem gewissen Grad die Ge- werbesteuer und die Kapitals teuer gerecht, whrend die persnliche Vermgens- steuer hier hnlich wie die Einkommensteuer versagt.

    II. Dass und in welchem Grad durch die Einfhrung der Einkommen- steuer in Verbindung mit der Umbildung und Ermssigung der Ertragssteuern eine Entlastung der Schwcheren und Kleineren und eine Verschiebung der Steuerlast von den weniger tragfhigen Schultern auf die krftigeren be- wirkt worden ist, lsst sich, so offenkundig die Tatsache ist, zahlenmssig nur annhernd darlegen, solange nicht ein weiterer, brigens bereits eingeleiteter Ausbau der wrttembergischen Steuerstatistik vorliegt.

    1. Das anschaulichste Bild der Wirkung der Steuerreform von 1903, 05 in der gedachten Richtung gewhrt die in der Beilage I enthaltene Gegenber- stellung des Gesamtaufkommens an direkten Staatssteuern in den einzelnen Gemeinden des Landes nach dem Stand vom 1. April 1904 und nach dem Stand vom 1. April 1905.

    Im Auszug aus dieser Gegenberstellung enthlt die Beilage II eine Zu- sammenstellung derjenigen Gemeinden, in welchen infolge der Steuerreform fr den Staat ein Mehr an direkten Steuern aufzubringen war nebst der Summe des Mehrs, und die Beilage III eine Zusammenstellung derjenigen Gemeinden, in welchen ein Wenigeraufkommen die Folge der Steuerreform war. Da vom 1. April 1905 an nach dem Plan der Reform die Hundesteuer den Gemeinden zu berlassen und fr deren Ausfall in den direkten Steuern Deckung zu schaffen war, ist dem Aufbringen des Jahres 1904 der Ertrag der Hundesteuer hinzugerechnet. Wie eine Durchsicht der Beilage I ergibt, handelt es sich aber bei der Hundesteuer regelmssig um wenig erhebliche Betrge, so dass das Ge- samtbild ein viel anderes nicht wrde, wenn die Hundesteuer bei der Gegen- berstellung weggelassen werden wollte.

    Nach den erwhnten Zusammenstellungen betrgt die Zahl der Ober- amtsbezirke, welche eine Entlastung erfahren haben , oder genauer : in welchen die Steuerpflichtigen in ihrer Gesamtheit ausgeglichen eine Entlastung erfahren haben, 24. Von den 24 entlasteten Oberamtsbezirken entfallen auf den Neckar kreis 7 (Brackenheim, Marbach, Maulbronn, Neuenstadt, Vaihingen, Waiblingen, Weinsberg), auf den Schwarzwaldkreis 5 (Herrenberg, Nrtingen, Spaichingen, Sulz, Urach), auf den Jagstkreis 8 (Crailsheim, Ellwangen, Gera- bronn, Knzelsau, Mergentheim, Neresheim, Oehringen, Schorndorf) und auf den Donaukreis 4 (Blaubeuren, Ehingen, Mnsingen, Saulgau).

    Wesentlich anders wird das Bild, wenn man die Zahl der Gemeinden ins Auge fasst, in denen eine Entlastung in dem obigen Sinn sich ergeben hat; sie ist viel grosser, denn es gibt mit der einzigen Ausnahme des Stadtdirektions - bezirks Stuttgart keinen Bezirk, in welchem nicht verschiedene Gemeinden wren, die eine in ihrem Betrag freilich recht verschiedene Entlastung erfahren haben. Nach Kreisen zusammengestellt betrgt die Zahl der entlasteten Ge- meinden im Neckarkreis 276 von 391 oder 71 Proz., im Schwarzwaldkreis 343 von 515 oder 67 Proz., im Jagstkreis 299 von 426 oder 70 Proz. und im Donaukreis 372 von 573 oder 65 Proz.; im ganzen Land haben also eine Ent- lastung erfahren 1290 Gemeinden oder 68 Proz. aller Gemeinden. Auf die ein- zelnen Oberamtsbezirke verteilt sich die Zahl der entlasteten Gemeinden wie folgt :

    413

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  • 414 Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    Neckarkreis. Oberamtsbezirk Gemeinden

    Backnang 17 von 30 oder 57 Proz. Besigheim 14 19 74 Cannstatt 11 16 69 Esslingen 13 16 81 Marbach 17 26 65 Brackenheim 23 30 77 Heilbronn 11 17 65 Leonberg 12 27 44 Ludwigsburg 13 20 65 Maulbronn 18 23 78 Neckarsulm 32 34 94 Bblingen 10 18 56 Stuttgart Amt .... 11 25 44

    Stadt .... 0 1 - Vaihingen ..... 17 22 77 Waiblingen 24 33 73 Weinsberg 33 34 97

    zusammen 276 von 391 oder 71 Proz.

    Schwarzwaldkreis. Oberamtsbezirk Gemeinden

    Nagold 25 von 38 oder 66 Proz. Baiingen 21 31 68 Freudenstadt .... 22 41 54 Herrenberg 13 ,. 27 48 Calw 26 43 60 Horb 18 29 62 Neuenbrg 19 35 54 Nrtingen 27 30 90 Oberndorf 20 28 71 Reutlingen 10 22 45 ., Rottenburg 17 26 65 Rottweil 29 34 85 Spaichingen .... 16 21 76 Sulz 21 29 72 Tbingen 21 30 70 Tuttlingen 16 23 70 Urach 22 28 79

    zusammen 343 von 515 oder 67 Proz.

    Jags tk r e is. Oberamtsbezirk Gemeinden

    Aalen 10 von 19 oder 53 Proz. Crailsheim 20 26 77 Ellwangen 22 27 81 Gaildorf 20 23 87 Gmnd 23 26 88 Hall 21 28 75 Heidenheim 22 29 76 Neresheim 25 33 76 Welzheim 8 12 67 Mergentheim .... 17 48 35 Oehringen 35 43 81 Gerabronn 26 35 74 Knzelsau 24 49 49 Schorndorf 26 28 93

    zusammen 299 von 426 oder 70 Proz, 414

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  • Wrttembergisohe Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform. 415

    Donaukreis. Oberamtsbezirk Gemeinden

    Biberach 30 von 44 oder 68 Proz. Blaubeuren 29 32 91 Ehingen 40 47 85 Geislingen 18 37 49 Gppingen 20 34 59 Riedlingen 34 53 64 Kirchheim 22 26 85 Leutkirch 10 25 40 Mnsingen 42 48 88 Saulgau 39 ., 50 78 Tettnang 3 22 14 Ulm 22 36 ,61 Waldsee 17 31 87 Wangen 11 24 46 Ravensburg .... 15 23 65 Laupheim 10 41 24

    zusammen 372 von 573 oder 65 Proz.

    Was die Betrge der Entlastung anbelangt, so gehen sie naturgem in den einzelnen Gemeinden weit auseinander, der hchste Betrag ist 8258 M. Gemeinden, in welchen die Entlastung mehr als 1000 M. betrgt, sind es 159, solche, in welchen die Entlastung mehr als 2000 M. betrgt, sind es 25. Die Namen dieser 25 Gemeinden in alphabetischer Ordnung sind: Allmendingen, Bempflingen, Beutelsbach, Bissingen a. d. Teck, Dettingen a. d. Erms, Ehingen, Herbrechtingen, Hermaringen, Herrenalb, Hopf au, Korn tal, Knzelsau, Mark- grningen, Mergelstetten , Mckmhl, Neckartenzlingen, Rottenacker, Schnait- heim, Schnaich, Schwieberdingen, Unterhausen, Wannweil, Wendiipgen, Winter- bach, Zuffenhausen. Dass es sich hierbei um grssere und wohlhabendere Ge- meinden handelt, hat seinen Grund darin, dass eine so hohe Entlastungssumme schon eine relativ hohe Steuerleistung voraussetzt; unter den brigen entlasteten Gemeinden sind es allein 450, bei denen das gesamte einschlgige Steuerauf- kommen fr den Staat den Betrag von 2000 M. nicht erreicht.

    Stellt man den 25 Gemeinden, in welchen die Entlastung am strksten sich gezeigt hat, die 25 Gemeinden gegenber, welche die hchste Mehrbelastung aufweisen, so zeigt sich, dass dies folgende Gemeinden, alphabetisch geordnet, sind: Ebingen, Esslingen, Feuerbach, Freudenstadt, Friedrichshafen, Geislingen, Gmnd, Gppingen, Hall, Heidenheim, Heilbronn, Ludwigsburg, Oberndorf, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Schorndorf, Schramberg, Schwenningen, Sontheim, Stuttgart, Trossingen, Tbingen, Ulm, Vaihingen a. F.

    Dem Betrag nach ist hier allen weit voraus Stuttgart (Gross- Stuttgart), fr welches die Mehrbelastung rund I72 Millionen ausmacht; es folgen sodann nach einem grossen Abstand Reutlingen, Heilbronn, Ulm, Esslingen, Ludwigs- burg, Gppingen, Geislingen, Heidenheim usw., also in der Hauptsache die Stdte mit dem Sitz grosser Industrien und grosser Vermgen. Auf der an- deren Seite reprsentieren die 25 Gemeinden mit der strksten Entlastung zu- meist Gemeinden mit vornehmlich kleinbuerlicher und kleinge wer betreibender Bevlkerung.

    Es hat sich also die an die Steuerreform von 1903 geknpfte Erwartung, dass die Entlastung hauptschlich den rmeren lndlichen Bezirken zugute komme, in weitem Umfang erfllt. Es tritt dies noch deutlicher zutage, wenn man nicht sowohl den Betrag der Entlastung als die Zahl der berhaupt ent- lasteten Gemeinden ins Auge fasst, denn die 1290 entlasteten Gemeinden ge- hren nicht nur in ihrer bergrossen Mehrheit zu den Gemeinden, in welchen der landwirtschaftliche und gewerbliche Kleinbetrieb oder der rein buerliche Charakter vorherrscht, sondern sie stellen auch im grossen ganzen die rmeren Gemeinden dar.

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  • 4_j Wrttembergische Denkschrift betr. die Fortfhrung der Steuerreform.

    2. Wie im besonderen die Einfhrung der Einkommensteuer in der Richtung der Entlastung der schwcheren und der Mehrbelastung der strkeren Schultern gewirkt hat, geht aus der im Auftrag des Finanzministeriums von dem Steuer- kollegium Abteilung fr direkte Steuern bearbeiteten Einkommensteuerstatistik hervor, von der die Ergebnisse fr 1905 und 1906 vorliegen. Die Einkommen- steuerstatistik fr 1905 ist in den Wrtt. Jahrbchern fr Statistik und Landes- kunde Jahrgang 1906, II, S. 53 ff., diejenige fr 1906 in demselben Organ Jahr- gang 1908, I, S. 5 ff. verffentlicht worden. Es mag daraus folgendes hervor- gehoben werden:

    Der Einkommensteuerveranlagung sind unterworfen worden: 1905 1906

    607,236 631,030 physische Personen, 3,987 4,033 nichtphysische Personen,

    zusammen 611,223 635,063 Steuersubjekte, deren gesamtes steuerbares Einkommen sich berechnet auf

    1905 1906 1,036,002,270 M. 1,075,348,842 M.

    Unter den 3987 und 4033 nichtphysischen Personen sind begriffen: 1905 1906 2304 2292 Krperschaften und Anstalten des ffent-

    lichen Rechts, 373 393 rechtsfhige Stiftungen, 122 160 rechtsfhige Vereine,

    9 19 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, 220 200 nicht rechtsfhige Personenvereine,

    zusammen


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