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Meute nach - se46b752fb5232d26.jimcontent.com · komplettieren das immer wie-der beeindruckende und...

Date post: 17-Sep-2018
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Das Schloss Broock bei Demmin (oben rechts) - historischer Sitz der Mecklen- burger Meute - ist nur noch eine Ruine. Guts- und Torhaus (rechts) in Dalwitz hingegen sind vom Grafen Heinrich von Bassewitz erhalten worden. WÖRLITZ 10/11 DIENSTAG, 15. OKTOBER 2013 MITTELDEUTSCHE ZEITUNG A m kommenden Wochenende steht der Wörlitzer Winkel nun schon zum elften Mal ganz im Zeichen der Jagdreiter. Erwar- tet werden etwa 50 Frauen und Männer aus ganz Deutschland, die auf ihren Pferden hinter der Mecklenburger Meute einer Fährte aus Pan- senlake, dem Scent, folgen. 20 Kutschen und Kremser komplettieren das immer wie- der beeindruckende und friedliche Schauspiel. Denn längst vorbei sind die Zeiten, als bei den herrschaft- lichen Parforcejagden Wild - in Dessau vornehmlich Hir- sche - von den Hunden ge- hetzt und von den Jägern erlegt wurde. Heu- te geht es ums anspruchsvolle Reiten hinter einer gut geführten Meute in einer einzigar- tigen Natur. Die Wörlitzer Schleppjagd erin- nert zudem an Fürst Franz von Anhalt-Des- sau, der weit über die Landesgrenzen hin- aus beachtete, beliebte, später auch kriti- sierte und auf jeden Fall kostspielige Par- forcejagden durchführen ließ. Seit dem Jahr 2003 organisiert der Anhal- tische Reit- und Fahrverein Wörlitzer Win- kel mit seinen Mitgliedern - gegen- wärtig sind es 35 - und Partnern die Gedächtnisschleppjagd. Schirmher- rin der Jagd und Präsidentin des Ver- eins ist Edda Darboven, eine gebürti- ge Prinzessin von Anhalt. Foxhounds der Mecklenburger Meute kommen seit 2005 nach Wör- litz. Sie werden wie jedes Jahr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nicht zu vergessen die Jagdhornblä- ser von „Bläserkeil-Neuer-Aufbruch“, deren Mitglieder in verschiedenen Gegen- den Deutschlands leben, gemeinsam jedoch seit 2007 auch auf Schleppjagden ins Horn blasen. Am Sonnabend werden ihre Signale garantiert weithin im Dessau-Wörlitzer Gartenreich zu hören sein. H eute hielt der „Fürst Parforce-Jagd: wir fuhren auf einem leichten Jagdwagen mit. Den Hirsch bekamen wir nur ein- mal zu sehen: allein das beste ist der Lerm, das Geschrey mit Hundegebell u. Jagdhör- nerklang vermischt“, notiert am 3. Oktober 1800 Arthur Schopenhauer in seinem Reisejournal. Der spätere Philosoph ist da gerade zwölf Jahre alt und mit seinen Eltern unterwegs in Wörlitz. Wie er, so berichten viele Zeitgenossen in ih- ren Aufzeichnungen von den Dessauer Parforce- jagden. Und immer wieder geht es dabei auch um die Dessauer Meute (hier auch „Mette“ genannt). Sie muss gut ausgebildet gewesen sein. Nur so ist zu erklären, dass beispielsweise Joseph Freiherr von Born aus Böhmen 1791 formuliert: „Wer aber Parforce-Jagden liebt, der lasse sich mit schwe- ren Kosten Piqueure (Gehilfen des Masters der Meute, Anm. d. Red.) und Hunde aus Frankreich, England und Dessau kommen...“ Und bei Johann Samuel Ersch heißt es 1839 in seiner „Allgemei- nen Encyclopädie der Wissenschaften und Küns- te“: „Häufiger waren in Teutschland die Parforce- hunde von englischer Race, welche man auch in Dessau hatte, die aber bedeutend größer sind als die eigentlichen niederbeinigen Fuchshunde.“ Für Gabriel Rodenberg, den Master der Meck- lenburger Meute, ist dies leicht zu erklären. „Die Dessauer werden im 18. Jahrhundert mit engli- schen, deutschen und französischen Foxhounds gezüchtet haben, um sie kräftiger zu machen.“ Schließlich habe man in Anhalt die Parforcejagd auf Hirsche und nicht auf Füchse wie in England bevorzugt, da seien solche Hunde ge- fragt gewesen. Das habe man frü- her oft gemacht, sagt er. Ro- denberg, der sich insbeson- dere mit der Geschichte der Meuten in Mecklen- burg und Vorpommern beschäftigt, kennt sich aus mit den Fox- hounds. Sozialverträg- lich und gutmütig sei- en sie, dürften nicht beißen und nicht domi- nant gegenüber anderen Hunden sein. Spurtreu, mit großem Lungenvolumen und ohne zu viel Fett, könnten sie ih- re Aufgabe als Laufhunde bei einer Schleppjagd bestens erfüllen. Und damit der Master sie alle auch einzeln ansprechen kann, besitzt jeder Hund heute wie damals einen eige- nen Namen, so wie es Friedrich von Hardenberg im April 1793 schreibt: „Als wir in die Stadt ka- men besahen wir auf der schönen Kavalierstraße die Parforcehunde, der Wärter ließ einige 70 aus einem der Ställe in den Hof, wo sie uns mit einem grässlichen Hungergeheul begrüßten. Es sind lauter Hatzhunde, stark, aber doch schlank ge- baut; ein jeder hat seinen eigenen Namen.“ In Dessau werden sie beispielsweise Brisco, Libelle, Numbella oder Dino gerufen. Auf eine andere Besonderheit macht 1796 Heinrich Theodor von Schön in seinen „Studien- reisen eines jungen Staatswirts in Deutschland“ aufmerksam: „Den 26. August morgens wurde früh aufgestanden. Das für 5 Rthlr. gemietete Pferd zur Parforcejagd bestiegen... Die Jagd ging an, man verlor den Hirsch. Endlich ließ der Fürst einen anderen nehmen, und nun ging das wahre Treiben von Seiten der 80 Hunde (fast alle weiß, wenige nur mit Flecken) los.“ Auch für die Fellfärbung hat Rodenberg ei- ne Erklärung. So habe man die Hun- de gut sehen kön- nen in der Elbaue und den Wäldern, sagt er und kommt ins Schwärmen, wenn er von der Landschaft bei Wörlitz spricht. Sie eigne sich bestens zum Jagdreiten. Das fasziniert schon Georg Franz Dietrich aus dem Winckell vor über 200 Jahren. „Der Boden ist nirgends hart und steinig. Moräste und breite Graben gibt es nur wenige. Erstere sind bezeichnet, letztere hinläng- lich mit Brücken und Durchfahrten versehen, welche man, so wie die Orte, wo Wege in das Holz führen, an denen dabei auf Stangen befindlichen Strohwischen erkennt. Das Laubholz in der Aue ist fast nirgends sehr zusammenhängend, son- dern kleinere Flecken sind mit Wiesen umgeben, und größere Teile mit schnurgraden Wegen durchschnitten, welche immer gut und zweckmäßig unterhalten werden. Auch durch die Haiden - wie man hier zusammenhängende Nadelhölzer nennt - sind gerade Wege geführt, und für die Si- cherheit des Reiters, wenn er auch durchs Holz muß, ist gesorgt, indem fast jedes Stammloch und jeder Fuchsbau dadurch bemerkbar wird, daß die Schale der in der Nähe stehenden Bäume, fünf Fuß über der Erde, acht bis neun Zoll breit abgehauen, und dieser Ring mit weißer oder ro- ter Ölfarbe angestrichen ist“, lässt er die Leser seines „Handbuchs für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber“ wissen. Eines indes hat sich grundlegend geändert. Heute wird nicht mehr parforce auf Wild gejagt. Und so muss niemand - so wie es Sophie Becker im Jahr 1791 getan hat - schreiben: „Da ich dieser Art von Vergnügen näher ins Gesicht sah, ver- schwand das rosige Bild der gehofften Freude. Denn, als nun die Jagd anfing, der schön gebilde- te Hirsch von vernünftigen und unvernünftigen Geschöpfen verfolgt ward, das eine Thierchen von so vielen ... alsdann hörte die Freude auf und machte einer unbehaglichen Empfindung von Mitleiden Platz. Es ist mir ein Rätsel, wie ein Fürst von solcher Milde des Charakters die Par- force-Jagd lieben kann?“. D ass es den Mecklenburg-Vorpommerschen Schleppjagdverein „Freiherr von Esebeck“ und die Mecklenburger Meute gibt, ist größten- teils Gabriel Rodenberg, der vor wenigen Wochen seinen 50. Geburtstag feierte, zuzuschreiben. Als Junge „geistert“ der heutige Master der Meute, ein begeisterter Reiter, Pferdezüch- ter und Betreiber einer Reitanlage auf dem Dalwitzer Gut der Familie des Grafen Hein- rich von Bassewitz, mit Vorliebe durch Schloss Broock bei Demmin. Rodenberg, der mit vier Jahren erstmals auf einem Pferd sitzt, hört von der einst dort existierenden Broocker Meute. Später fällt ihm das Buch „Reit-Erinnerungen“ von George John Why- te-Melville und Kurt von Keudell in die Hän- de. Bearbeitet ist die Ausgabe aus dem Jahr 1906 von Freiherr Hans-Asmus von Esebeck, Oberleutnant im 2. Pommerschen Ulanenregi- ment Nr. 9 in Demmin. Und eben dieser Esebeck (1874-1918) berichtet im Buch über die Broocker Parforcegesellschaft, deren Mitglied er ist, und be- schreibt die Meute. Rodenberg, der übrigens eben- so wie Esebeck das Reiten auf einem Schimmel be- vorzugt, ist begeistert. Und so macht er sich Mitte der 1990er Jahre mit Freunden daran, eine Fox- hound-Meute aufzubauen. Zuvor lernt er das Jagd- reiten und den Umgang mit den Hunden mit der Cappenberger- und der Warendorfer Meute, die zu dieser Zeit oft in Mecklenburg-Vorpom- mern sind. Im Jahr 2000 wird der Schleppjagdverein „Freiherr von Esebeck“ gegründet, im Januar 2003 kommen die ersten Hunde aus Wa- rendorf, im Sommer folgen welche vom Rheinisch-Westfälischen Schleppjagdverein und Foxhounds aus Irland. Auf Gut Dalwitz wird die Meute anfangs provisorisch im Torhaus unterge- bracht, bis am Dorfrand der Kennel, wie die Zwin- geranlage für die Hunde genannt wird, renoviert ist. „Erst Bauch und Herz, dann der Kopf“, so habe er entschieden, erinnert sich Rodenberg. 1709 ❚❚ 1748 ❚❚ 1800 ❚❚ 1807 ❚❚ 1812 ❚❚ Fürst Leopold I. führt im Oktober die erste Parforcejagd in Anhalt durch und betreibt sie zeitlebens mit großer Leidenschaft. Die aufwändigen und kostspieligen Parforce- jagden haben ihren Ursprung in Frankreich (par force/mit Gewalt) und werden daher auch als „französische Jagd“ bezeichnet. In der Dessauer Kavalierstraße wird das Fürstliche Jägerhaus errichtet. In den dort befindlichen Hundeställen ist die Des- sauer Meute untergebracht. Die Parforce- pferde indes stehen im Fürstlichen Marstall neben dem Schloss. Zur Pferdezucht wird später eine Stuterei im Luisium eingerichtet. Am 3. November, dem Hubertustag, findet das Jägerfest zu Dessau mit einer besonders aufwändigen Parforcejagd statt. Die Zahl der Teilnehmer soll beträchtlich und noch nie dagewesen sein. Gezählt werden im- merhin 500 Menschen, 230 Reitpferde und 28 Wagen mit 68 Pferden bespannt. Herzog Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau schenkt Napoleon 26 Jagd- hunde, die dessen Hunde bei der Parforcejagd in den Schatten stellen. Der Kaiser lädt den Herzog nach Paris ein, es wird gejagt. „Die Franzosen verstehen die Parforcejagd nicht“, lässt der Dessauer später daheim alle wissen. Am 7. November findet die letzte Parforce- jagd in Anhalt statt. Sie geht vom Sieglitzer Berg bis nach Naderkau und dauert sechs Stunden. Gejagt und zur Strecke gebracht wird ein kapitaler Hirsch. Der Herzog ist inzwischen 72 Jahre und zu alt für das wilde Jagen hinter der Meute geworden. FOTOS: H. KLEMM - LAYOUT: F. NEUMANN Ursprung Zur Mecklenburger Meute gehören 45 Irish Fox- hounds, die auf Gut Dal- witz im Landkreis Ros- tock zu Hause sind. Der Mecklenburg-Vorpom- mersche Schleppjagdver- ein „Freiherr von Ese- beck“ züchtet die Hunde seit zehn Jahren. Damals kaufte er 14 Foxhounds direkt in Irland. Historisches zur Parforcejagd Historisches zur Parforcejagd Das Zeichen der Mecklenburger Meute mit dem Hasenkopf wurde dem der Broocker Meute, 1837 ge- gründet, nachempfunden. Das P steht für Parforce. Der Master der Meute, Gabriel Ro- denberg (linkes Bild, re.) und Ver- einsvorsitzender Detlef Neumann im Sommer auf dem Gutsgelände in Dalwitz beim Ausritt. Zweimal pro Woche wird mit den Fox- hounds im Gelände trainiert. Ge- horsamsübungen finden im Ken- nel, dort sind die Jagdhunde un- tergebracht, täglich statt. Johann Elias Ridinger zeigt auf diesem kolorierten Kupferstich aus der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Hirschparforcejagd, wie sie auch in Anhalt-Dessau von 1709 bis 1812 häufig statt- gefunden hat. Erfrischung im Dalwitzer Wallgraben Der Meute nach ! SCHLEPPJAGD Am 19. Oktober veranstaltet der Anhaltische Reit- und Fahrverein seine 11. Fürst-Franz-Gedächtnisschleppjagd. Interessierte sind 10 Uhr zum Stelldichein der Reiter und Hunde an der Rousseauinsel eingeladen. Hinter der Mecklenburger Meute geht es dann in die Elbaue. 15 Uhr wird die Jagd an der Luisenklippe beendet. Verein gedenkt Fürst Franz Traum erfüllt sich in Dalwitz ●●●●●●●● ●●●●●●●● ●●●●●●●● ●●●●●●●● ●●●●●●●● Trainiert wird jeden Tag Parforcejagd VON HENRIK KLEMM
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Page 1: Meute nach - se46b752fb5232d26.jimcontent.com · komplettieren das immer wie-der beeindruckende und ... früh aufgestanden. ... jeden Tag Parforcejagd VON HENRIK KLEMM.

Das Schloss Broock bei Demmin (obenrechts) - historischer Sitz der Mecklen-burger Meute - ist nur noch eine Ruine.Guts- und Torhaus (rechts) in Dalwitzhingegen sind vom Grafen Heinrichvon Bassewitz erhalten worden.

WÖRLITZ10/11 DIENSTAG, 15. OKTOBER 2013 MITTELDEUTSCHE ZEITUNG

Am kommenden Wochenende steht derWörlitzer Winkel nun schon zum elften

Mal ganz im Zeichen der Jagdreiter. Erwar-tet werden etwa 50 Frauen und Männer ausganz Deutschland, die auf ihren Pferdenhinter der MecklenburgerMeute einer Fährte aus Pan-senlake, dem Scent, folgen.20 Kutschen und Kremserkomplettieren das immer wie-der beeindruckende undfriedliche Schauspiel.

Denn längst vorbei sind dieZeiten, als bei den herrschaft-lichen Parforcejagden Wild -in Dessau vornehmlich Hir-sche - von den Hunden ge-hetzt und von den Jägern erlegt wurde. Heu-te geht es ums anspruchsvolle Reiten hintereiner gut geführten Meute in einer einzigar-tigen Natur. Die Wörlitzer Schleppjagd erin-nert zudem an Fürst Franz von Anhalt-Des-sau, der weit über die Landesgrenzen hin-

aus beachtete, beliebte, später auch kriti-sierte und auf jeden Fall kostspielige Par-forcejagden durchführen ließ.

Seit dem Jahr 2003 organisiert der Anhal-tische Reit- und Fahrverein Wörlitzer Win-

kel mit seinen Mitgliedern - gegen-wärtig sind es 35 - und Partnern dieGedächtnisschleppjagd. Schirmher-rin der Jagd und Präsidentin des Ver-eins ist Edda Darboven, eine gebürti-ge Prinzessin von Anhalt.

Foxhounds der MecklenburgerMeute kommen seit 2005 nach Wör-litz. Sie werden wie jedes Jahr vielAufmerksamkeit auf sich ziehen.Nicht zu vergessen die Jagdhornblä-ser von „Bläserkeil-Neuer-Aufbruch“,

deren Mitglieder in verschiedenen Gegen-den Deutschlands leben, gemeinsam jedochseit 2007 auch auf Schleppjagden ins Hornblasen. Am Sonnabend werden ihre Signalegarantiert weithin im Dessau-WörlitzerGartenreich zu hören sein.

H eute hielt der „Fürst Parforce-Jagd: wirfuhren auf einem leichten Jagdwagenmit. Den Hirsch bekamen wir nur ein-mal zu sehen: allein das beste ist der

Lerm, das Geschrey mit Hundegebell u. Jagdhör-nerklang vermischt“, notiert am 3. Oktober 1800Arthur Schopenhauer in seinem Reisejournal.Der spätere Philosoph ist da gerade zwölf Jahrealt und mit seinen Eltern unterwegs in Wörlitz.

Wie er, so berichten viele Zeitgenossen in ih-ren Aufzeichnungen von den Dessauer Parforce-jagden. Und immer wieder geht es dabei auch umdie Dessauer Meute (hier auch „Mette“ genannt).Sie muss gut ausgebildet gewesen sein. Nur so istzu erklären, dass beispielsweise Joseph Freiherrvon Born aus Böhmen 1791 formuliert: „Wer aberParforce-Jagden liebt, der lasse sich mit schwe-ren Kosten Piqueure (Gehilfen des Masters derMeute, Anm. d. Red.) und Hunde aus Frankreich,England und Dessau kommen...“ Und bei JohannSamuel Ersch heißt es 1839 in seiner „Allgemei-nen Encyclopädie der Wissenschaften und Küns-te“: „Häufiger waren in Teutschland die Parforce-hunde von englischer Race, welche man auch inDessau hatte, die aber bedeutend größer sind alsdie eigentlichen niederbeinigen Fuchshunde.“

Für Gabriel Rodenberg, den Master der Meck-lenburger Meute, ist dies leicht zu erklären. „DieDessauer werden im 18. Jahrhundert mit engli-schen, deutschen und französischen Foxhoundsgezüchtet haben, um sie kräftiger zu machen.“Schließlich habe man in Anhalt die Parforcejagdauf Hirsche und nicht auf Füchse wie in Englandbevorzugt, da seien solche Hunde ge-fragt gewesen. Das habe man frü-her oft gemacht, sagt er. Ro-denberg, der sich insbeson-dere mit der Geschichteder Meuten in Mecklen-burg und Vorpommernbeschäftigt, kennt sichaus mit den Fox-hounds. Sozialverträg-lich und gutmütig sei-en sie, dürften nichtbeißen und nicht domi-nant gegenüber anderenHunden sein. Spurtreu, mitgroßem Lungenvolumen undohne zu viel Fett, könnten sie ih-re Aufgabe als Laufhunde bei einerSchleppjagd bestens erfüllen. Und damit derMaster sie alle auch einzeln ansprechen kann,besitzt jeder Hund heute wie damals einen eige-nen Namen, so wie es Friedrich von Hardenbergim April 1793 schreibt: „Als wir in die Stadt ka-men besahen wir auf der schönen Kavalierstraßedie Parforcehunde, der Wärter ließ einige 70 auseinem der Ställe in den Hof, wo sie uns mit einemgrässlichen Hungergeheul begrüßten. Es sindlauter Hatzhunde, stark, aber doch schlank ge-baut; ein jeder hat seinen eigenen Namen.“ InDessau werden sie beispielsweise Brisco, Libelle,Numbella oder Dino gerufen.

Auf eine andere Besonderheit macht 1796Heinrich Theodor von Schön in seinen „Studien-reisen eines jungen Staatswirts in Deutschland“aufmerksam: „Den 26. August morgens wurdefrüh aufgestanden. Das für 5 Rthlr. gemietetePferd zur Parforcejagd bestiegen... Die Jagd gingan, man verlor den Hirsch. Endlich ließ der Fürsteinen anderen nehmen, und nun ging das wahreTreiben von Seiten der 80 Hunde (fast alle weiß,

wenige nur mitFlecken) los.“ Auchfür die Fellfärbunghat Rodenberg ei-ne Erklärung. Sohabe man die Hun-de gut sehen kön-nen in der Elbaueund den Wäldern,sagt er und kommtins Schwärmen,wenn er von derLandschaft beiWörlitz spricht. Sieeigne sich bestenszum Jagdreiten.

Das fasziniertschon Georg FranzDietrich aus demWinckell vor über200 Jahren. „DerBoden ist nirgendshart und steinig.Moräste und breiteGraben gibt es nurwenige. Ersteresind bezeichnet,letztere hinläng-lich mit Brücken und Durchfahrten versehen,welche man, so wie die Orte, wo Wege in das Holzführen, an denen dabei auf Stangen befindlichenStrohwischen erkennt. Das Laubholz in der Aueist fast nirgends sehr zusammenhängend, son-dern kleinere Flecken sind mit Wiesen umgeben,

und größere Teile mit schnurgraden Wegendurchschnitten, welche immer gut und

zweckmäßig unterhalten werden.

Auch durch die Haiden - wie man hierzusammenhängende Nadelhölzer nennt -

sind gerade Wege geführt, und für die Si-cherheit des Reiters, wenn er auch durchs Holzmuß, ist gesorgt, indem fast jedes Stammlochund jeder Fuchsbau dadurch bemerkbar wird,daß die Schale der in der Nähe stehenden Bäume,fünf Fuß über der Erde, acht bis neun Zoll breitabgehauen, und dieser Ring mit weißer oder ro-ter Ölfarbe angestrichen ist“, lässt er die Leserseines „Handbuchs für Jäger, Jagdberechtigteund Jagdliebhaber“ wissen.

Eines indes hat sich grundlegend geändert.Heute wird nicht mehr parforce auf Wild gejagt.Und so muss niemand - so wie es Sophie Beckerim Jahr 1791 getan hat - schreiben: „Da ich dieserArt von Vergnügen näher ins Gesicht sah, ver-schwand das rosige Bild der gehofften Freude.Denn, als nun die Jagd anfing, der schön gebilde-te Hirsch von vernünftigen und unvernünftigenGeschöpfen verfolgt ward, das eine Thierchenvon so vielen ... alsdann hörte die Freude auf undmachte einer unbehaglichen Empfindung vonMitleiden Platz. Es ist mir ein Rätsel, wie einFürst von solcher Milde des Charakters die Par-force-Jagd lieben kann?“.

Dass es den Mecklenburg-VorpommerschenSchleppjagdverein „Freiherr von Esebeck“

und die Mecklenburger Meute gibt, ist größten-teils Gabriel Rodenberg, der vor wenigen Wochenseinen 50. Geburtstag feierte, zuzuschreiben. AlsJunge „geistert“ der heutige Master derMeute, ein begeisterter Reiter, Pferdezüch-ter und Betreiber einer Reitanlage auf demDalwitzer Gut der Familie des Grafen Hein-rich von Bassewitz, mit Vorliebe durchSchloss Broock bei Demmin. Rodenberg, dermit vier Jahren erstmals auf einem Pferdsitzt, hört von der einst dort existierendenBroocker Meute. Später fällt ihm das Buch„Reit-Erinnerungen“ von George John Why-te-Melville und Kurt von Keudell in die Hän-de. Bearbeitet ist die Ausgabe aus dem Jahr1906 von Freiherr Hans-Asmus von Esebeck,Oberleutnant im 2. Pommerschen Ulanenregi-ment Nr. 9 in Demmin. Und eben dieser Esebeck(1874-1918) berichtet im Buch über die BroockerParforcegesellschaft, deren Mitglied er ist, und be-

schreibt die Meute. Rodenberg, der übrigens eben-so wie Esebeck das Reiten auf einem Schimmel be-vorzugt, ist begeistert. Und so macht er sich Mitteder 1990er Jahre mit Freunden daran, eine Fox-hound-Meute aufzubauen. Zuvor lernt er das Jagd-

reiten und den Umgang mit denHunden mit der Cappenberger- undder Warendorfer Meute, die zu dieserZeit oft in Mecklenburg-Vorpom-mern sind. Im Jahr 2000 wird derSchleppjagdverein „Freiherr vonEsebeck“ gegründet, im Januar 2003kommen die ersten Hunde aus Wa-rendorf, im Sommer folgen welchevom Rheinisch-WestfälischenSchleppjagdverein und Foxhoundsaus Irland. Auf Gut Dalwitz wird die

Meute anfangs provisorisch im Torhaus unterge-bracht, bis am Dorfrand der Kennel, wie die Zwin-geranlage für die Hunde genannt wird, renoviertist. „Erst Bauch und Herz, dann der Kopf“, so habeer entschieden, erinnert sich Rodenberg.

1709 ❚❚ 1748 ❚❚ 1800 ❚❚ 1807 ❚❚ 1812 ❚❚

Fürst Leopold I. führt im Oktober die ersteParforcejagd in Anhalt durch und betreibt

sie zeitlebens mit großer Leidenschaft. Dieaufwändigen und kostspieligen Parforce-

jagden haben ihren Ursprung in Frankreich(par force/mit Gewalt) und werden daherauch als „französische Jagd“ bezeichnet.

In der Dessauer Kavalierstraße wirddas Fürstliche Jägerhaus errichtet. In den

dort befindlichen Hundeställen ist die Des-sauer Meute untergebracht. Die Parforce-

pferde indes stehen im Fürstlichen Marstallneben dem Schloss. Zur Pferdezucht wird

später eine Stuterei im Luisium eingerichtet.

Am 3. November, dem Hubertustag, findetdas Jägerfest zu Dessau mit einer besonders

aufwändigen Parforcejagd statt. Die Zahlder Teilnehmer soll beträchtlich und nochnie dagewesen sein. Gezählt werden im-

merhin 500 Menschen, 230 Reitpferde und28 Wagen mit 68 Pferden bespannt.

Herzog Leopold III. Friedrich Franz vonAnhalt-Dessau schenkt Napoleon 26 Jagd-

hunde, die dessen Hunde bei der Parforcejagdin den Schatten stellen. Der Kaiser lädt denHerzog nach Paris ein, es wird gejagt. „Die

Franzosen verstehen die Parforcejagd nicht“,lässt der Dessauer später daheim alle wissen.

Am 7. November findet die letzte Parforce-jagd in Anhalt statt. Sie geht vom SieglitzerBerg bis nach Naderkau und dauert sechsStunden. Gejagt und zur Strecke gebracht

wird ein kapitaler Hirsch. Der Herzog istinzwischen 72 Jahre und zu alt für das wilde

Jagen hinter der Meute geworden.

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Zur Mecklenburger Meutegehören 45 Irish Fox-hounds, die auf Gut Dal-witz im Landkreis Ros-tock zu Hause sind. DerMecklenburg-Vorpom-mersche Schleppjagdver-ein „Freiherr von Ese-beck“ züchtet die Hundeseit zehn Jahren. Damalskaufte er 14 Foxhoundsdirekt in Irland.

Historisches zur ParforcejagdHistorisches zur Parforcejagd

Das Zeichen der MecklenburgerMeute mit dem Hasenkopf wurdedem der Broocker Meute, 1837 ge-gründet, nachempfunden. Das Psteht für Parforce.

Der Master der Meute, Gabriel Ro-denberg (linkes Bild, re.) und Ver-einsvorsitzender Detlef Neumannim Sommer auf dem Gutsgeländein Dalwitz beim Ausritt. Zweimalpro Woche wird mit den Fox-hounds im Gelände trainiert. Ge-horsamsübungen finden im Ken-nel, dort sind die Jagdhunde un-tergebracht, täglich statt.

Johann Elias Ridinger zeigtauf diesem koloriertenKupferstich aus der Mittedes 18. Jahrhunderts eineHirschparforcejagd, wie sieauch in Anhalt-Dessau von1709 bis 1812 häufig statt-gefunden hat.

Erfrischungim DalwitzerWallgraben

Der Meutenach!

SCHLEPPJAGD Am 19. Oktober veranstaltetder Anhaltische Reit- und Fahrverein seine

11. Fürst-Franz-Gedächtnisschleppjagd.Interessierte sind 10 Uhr zum Stelldicheinder Reiter und Hunde an der Rousseauinsel

eingeladen. Hinter der MecklenburgerMeute geht es dann in die Elbaue. 15 Uhr

wird die Jagd an der Luisenklippe beendet.

VereingedenktFürstFranz

Traumerfülltsich inDalwitz

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Trainiert wirdjeden Tag

Parforcejagd

VON HENRIK KLEMM

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