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Meine Praxis — einrichten und gestalten

Date post: 20-Jan-2017
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Meine Praxis – einrichten und gestalten

Von Dagmar Möbius // freie Journalistin, Berlin

Rot, orange oder klassisch weiß? Wohlfühlambiente und durchdachte Logi-stik von Empfang bis Wartezimmer. Bei der Praxisplanung müssen nicht nur Lage, Raumaufteilung und Zielgruppe bedacht werden. Ebenso wichtig sind Abfallentsorgung und Barrierefreiheit, Hygiene und Licht, Qualitätsma-nagement und Unterhaltung. Was junge Zahnärzte beachten sollten.

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Ein Junge spielt Tarzan am Seil. Im Bälle-Tunnel raschelt es. Die Tür zur Sonnenterrasse ist leicht geö�net – eine Dame

liegt im Strandkorb. Eine Espressomaschine zischt. In der War-te-Lounge lesen die Patienten Zeitung auf iPads. Ein Herr zieht sich in den mit Wandefeu bep�anzten Zahnputzraum zurück. Im OP-Bereich fühlt man sich wie in einem Schloss. Als Lieb-lingsraum haben die gegenwärtig 101 Mitarbeiter der größten Zahnarztpraxis Deutschlands, davon 21 Zahnärzte, jedoch den „Harmonieraum“ gekürt. Dieser bewusst in Holz gehaltene Sozi-alraum mit Küche bildet einen Kontrast zu den übrigen gelb-orangefarbenen Bereichen. „Hier soll das Team gemeinsam am Tisch sitzen und von der Arbeit abschalten“, sagt Dr. Stephan Ziegler. Der 51-Jährige hat sogar einen eigenen Koch engagiert. Die 2005 von ihm gegründete und geleitete Praxis KU 64 am Berliner Kurfürstendamm ist seine zweite. Die erste hatte er als junger Zahnarzt mit 29 Jahren übernommen. „Bei KU64 wollte ich alte Fehler vermeiden“, sagt er. „Ich war damals anfangs sehr

vorsichtig, hatte zwar tolle Räume mit hoher Decke und Stuck, musste aber stetig erweitern.“ Auf 1500 Quadratmetern und zwei Etagen hat er nun seine Vision einer etwas anderen Zahn-arztpraxis umgesetzt.

Übernehmen oder neu gründen?Zahnärztliche Existenzgründer sind in Westdeutschland durch-schnittlich 35,6 Jahre, in Ostdeutschland 34 Jahre jung. Der Anteil der unter 30-jährigen Zahnärzte mit Gründungswunsch hat sich seit 2000 fast halbiert und betrug 2011 14 Prozent. In die neue Niederlassung musste ein Zahnarzt 2011 429.000 Euro investieren; dies hat das Institut der Zahnärzte mit der Deut-schen Apotheker- und Ärztebank in der Studie „InvestMoni-tor Zahnarztpraxis“ ermittelt. Damit war die Neugründung einer Zahnarztpraxis noch nie so teuer wie heute. Zum Ver-gleich: Die Übernahme einer westdeutschen Einzelpraxis koste-te durchschnittlich 299.000 Euro, in den neuen Bundesländern 198.000 Euro. Allerdings entscheiden sich nur 14 bis 19 Pro-zent der gründungswilligen Zahnärzte für eine Einzelpraxis. Die Berufsausübungsgemeinscha� (früher Gemeinscha�spra-xis) liegt im Trend. Erstaunlicherweise hält sich die Bereitscha� junger Einzelpraxisgründer, ö�entlich über ihre Erfahrungen zu sprechen, deutlich in Grenzen. Dass es sich um ein sensibles �ema handelt, bekrä�igten mehrere Anfragen bei Praxisein-richtern und Dentaldepots.

„Neugründungen sind sehr selten geworden; es gibt eher Über-nahmen. Diesbezüglich praktische Ratschläge für junge Zahn-ärzte zu geben, ist nicht ganz einfach“, bestätigt Professor Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekam-mer (BZÄK) und Präsident der Zahnärztekammer Mecklen-burg-Vorpommern. Die BZÄK steckt die allgemeinen Rahmen-bedingungen wie den Hygieneplan fest. Eine Einrichtungsori-entierungshilfe bietet das vom Institut der Deutschen Zahn-ärzte verö�entlichte Dental Vademekum, das Materialien und Geräte nach einheitlichen Kriterien beurteilt. „Entscheiden muss jeder Arzt selbst“, so Oesterreich. Ein Gefühl ließe sich während der Assistenzzeit und durch „learning by doing“ bekommen. Preisvergleiche bei Dentaldepots lohnen sich, so sein Praxistipp.

Dr. Stephan Ziegler eröffnete 2005 seine Zahnarztpraxis KU64 am Berliner Kurfürstendamm. Hier setzte er nicht nur eine Vision um, sondern vermied Fehler, die er 29-jährig bei seiner ersten Praxisübernahme gemacht hatte.

Das Das Dental Vademekum (DDV) wird von der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärzt-

lichen Bundesvereinigung herausgegeben sowie vom Insti-tut der Deutschen Zahnärzte redaktionell betreut. Das praktische Nachschlagewerk beschreibt über 8000 Den-talprodukte von 308 Firmen systematisch und neutral, darunter Produkte für Prophylaxe und Mundhygiene, Füllungstherapie, Parodontologie, Implantologie, Prothe-tik, Endodontie und Praxishygiene. Alle Angaben wur-den direkt bei der Dentalindustrie erhoben und wissen-scha�lich geprü�. Ergänzend zu den Produkttabellen gibt die wissenscha�liche Kommission kurze praxisrelevante Anwendungshinweise.

Deutscher Zahnärzte Verlag 2009, ISBN 978-3-7691-3402-5, Ladenpreis: 99,95 Euro (Abonnementpreis: 89,95 Euro)

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Dabei sollte Wert auf langfristige Zusammenarbeit, Zuverlässig-keit, Service und Problemlösung gelegt werden. Aber: „Irgend-wann muss man etwas wagen“, ermuntert der seit 22 Jahren in eigener Niederlassung arbeitende Zahnmediziner.

Barrierefrei und Parkplätze„Wer Praxisräume sucht, braucht in der Verhandlung mit dem Vermieter besonderes Geschick“, sagt Tischler Michael A. Linke. „Vermieter haben ein Interesse an einem langjährigen Mietver-trag. Sie übernehmen deshalb bei einer behindertengerechten Einrichtung o� einen Teil der Kosten“, so sein Rat. Auch für Dr. Stephan Ziegler war die Barrierefreiheit bei der Planung ent-scheidend. Die Praxis ist mit dem Fahrstuhl erreichbar. „Pati-enten achten auf Parkmöglichkeiten“, ergänzt er. Die 13 KU64-Stellplätze im Hof sind daher ein klares Plus.

Unverwechselbar – das Praxisprofil„Eine neu gestaltete Praxis wirkt im Idealfall wie aus einem Guss“, sagt PraxenPro�®-Geschä�sführer Holger Brümmer aus Leipzig. Sein Unternehmen hat sich auf Modernisierung, Umbau sowie Ausbau von Arzt- und Zahnarztpraxen in Mitteldeutsch-land spezialisiert – von der theoretischen Praxisplanung auf Papier bis zu Praxisaus- oder Praxisumbau. Klare Visionen sind willkommen. „Ältere Praxisinhaber wissen ganz genau, was sie wollen“, weiß Brümmer aus Erfahrung. Junge Zahnärzte seien zunächst unsicher und mieten o� weniger Raum, stellen aber nach ein bis zwei Jahren fest, dass sie mehr Platz bräuchten. „Es ist menschlich, nicht gleich das Maximum zu nehmen, aber eine teure Investition, weil man für jede ungeplante Erweiterung viel bezahlt“, so der Einrichtungsexperte.

Beim ersten Schritt in die Praxis entscheidet ein Patient, ob er sich wohlfühlt oder nie wiederkommt. Deshalb erinnert der Empfangsbereich in vielen modernen Praxen an die Rezeption eines Hotels. Fensterdekorationen, Kunstwerke an den Wänden, Wartebereiche mit Wohnzimmer- oder Lounge-Atmosphäre sind heute keine Seltenheit mehr. „Zum roten Faden gehört auch alles, was den Wiedererkennungswert einer Praxis ausmacht. Logo, Geschä�spapiere, Flyer, Praxiskleidung und Website. Es ist sinnvoll, sich darüber bereits bei der Praxisplanung Gedan-ken zu machen“, emp�ehlt Holger Brümmer. „Wenn man sicher ist und eine gute Idee hat, sollte man sofort loslegen“, meint Dr. Stephan Ziegler.

Die Form folgt der FunktionEine Zahnarztpraxis soll jedoch nicht nur freundlich wirken oder stylisch aussehen. Vor allem soll die individuelle Einrich-tung nutzerfreundlich, ergonomisch und haltbar sein. Doch eine maßgefertigte Praxiseinrichtung ist nicht automatisch extrem teuer. Möbeltischler Michael A. Linke aus dem niedersächsischen Langenhagen plant „nutzerorientiert, auf dem neuesten Stand der Technik und unter Berücksichtigung der Hygienerichtli-nien“. Nicht nur aus jahrelanger eigener Erfahrung: „Meine Frau ist Zahnärztin“, verrät er. „Ich weiß, wie eine Zahnarztpraxis reibungslos funktioniert und wie Arbeitsabläufe wirtscha�lich optimiert werden.“ Linke plädiert für modernste Werksto�e. „Den Werksto� für Zahnärzte gibt es aber nicht“, sagt er. Mate-rialien wie Corian® oder HI-MACS® (Mineralwerksto�e), Glas, Edelstahl und „high pressure laminate (HPL) verwendet er gern. Regelmäßig bindet er „budgetorientierte Fertigwaren aus regi-onalen Möbelhäusern“ ein. Diese können im Wartezimmer, im ▶

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Die Zahnärztekammern der Länder bieten diverse Informationen zur barrierefreien Praxis an

Checkliste: Ist Ihre Praxis barrierefrei?Eingangsbereich☐ Sind Hausnummer, Praxisschild und Klingel gut sichtbar? ☐ Kann die Eingangstür leicht geö�net werden?☐ Kann ein Rollstuhlfahrer hindurchfahren, ohne sich am

Türrahmen zu stoßen?☐ Wie ist der Zustand des Fußbodens? Gibt es Stolperfallen? ☐ Sind Eingang und Flur hell genug beleuchtet?☐ Wo �nden Patienten die ersten Sitzmöglichkeiten?☐ Bietet die Garderobe genug Platz und ist sie auch für Roll-

stuhlfahrer erreichbar?☐ Gibt es Stock- und Krückenhalter?

Sanitärbereich:☐ Viele Menschen möchten gleich nach der Ankun� den Sani-

tärbereich aufsuchen. Ist die Toilette gut gekennzeichnet und schnell zu �nden?

☐ Wie viel Bewegungsfreiheit bietet der Sanitärbereich selbst?

☐ Können auch Rollstuhlfahrer und kleinwüchsige Menschen das Waschbecken und die Papiertücher zum Händeabtrock-nen erreichen?

☐ Lässt sich die Tür im Notfall von außen ö�nen?☐ Wie hell ist der Ram beleuchtet?

Umgebung und Außenanlage☐ Gibt es am Gebäude Behindertenparkplätze?☐ Ist der Weg vom Parkplatz zur Praxis ausgeschildert?☐ Wie ist der Weg bescha�en und wird er beleuchtet?☐ Gibt es lose P�astersteine oder Sand�ächen, die schwer zu

überwinden sind?☐ Gibt es Furchen oder Senken, in denen sich bei Regen Pfüt-

zen bilden?☐ Wie lassen sich solche Barrieren ausräumen?Quelle: http://www.kbv.de/barrieren-abbauen.html

Das preisgekrönte, vom Architektenbüro GRAFT entworfene, Konzept der sonnig-sandigen „Dünenlandschaft“ soll Patienten der Praxis KU 64 Wohlbefinden vermitteln. Am Empfang steht das Personal. Das ist nicht nur rückenfreundlich, sondern die Patienten schätzen die Begegnung auf Augenhöhe.

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Back-O�ce oder in Sozial- und Umkleideräumen eingesetzt werden. Er hat mehrere Praxen eingerichtet, bei denen im Ste-rilisationsraum IKEA-Möbel stehen. „Das rechnet sich, wenn man selbst au�aut.“ Zwischen 30 und 200 Prozent lassen sich nach seiner Meinung bei individueller Planung sparen.

Zurechtfinden im TeamIn der klassischen Einzelpraxis wechselt ein Zahnarzt meist zwi-schen zwei oder drei Räumen. „Aus Patientensicht ist es blöd, wenn er das Zimmer verlässt“, sagt Dr. Stephan Ziegler. In seiner ersten Praxis gab es keine Systematik: „Jedes Zimmer war anders. Kannte man sich in einem Zimmer aus, konnte man im anderen noch lange nicht arbeiten“, beschreibt er. Bei KU64 hat er anders geplant. Weil das Ambiente nicht wie eine Zahnarztpraxis wir-ken sollte, suchte er einen aus der Gastronomie kommenden Architekten und eine zweite Architektin für die Zahnarztpraxis. „So gehen Design und Funktion Hand in Hand.“ Bei KU64 wird sieben Tage pro Woche gearbeitet. Zwei bis drei Zahnärzte teilen sich ein Behandlungszimmer. „Damit nutzen wir die Räume sehr e�ektiv.“ Allerdings werden die Dentaleinheiten so auch schnel-ler verschlissen und deshalb ö�er ersetzt. „So haben wir immer die modernste Technik“, freut sich der Praxisinhaber. Die Formel heißt: ein Raum – ein Team. Das ermöglicht nicht nur ein gutes Zurecht�nden im Patientenzimmer – jeder Zahnarzt ist auch für seine zahnmedizinische Fachangestellte verantwortlich. Um das Zimmer während der Behandlung nicht verlassen zu müssen, werden Checklisten, ob alles da ist, eingesetzt.

„Sehr wichtig bei der Praxiseinrichtung ist ein Haustechnik-planer“, betont Dr. Stephan Ziegler. Denn auch bei bester Orga-nisation läu� manchmal nicht alles zusammen. „Bei uns klapp-te anfangs das Zusammenspiel von Licht und Klima nicht opti-mal“, berichtet der ganzheitliche Zahnmediziner mit Schwer-punkt Ästhetik. Jetzt hält eine unsichtbare Wärmefolie an den Fenstern – auch die Wände der Praxis sind zum Teil aus Glas – 70 Prozent der Sonnenwärme ab. Diese hat noch eine andere Ra�nesse: Je nach Blickwinkel verändert sich die Sicht in klar oder milchig. So bekommen Personal und Patienten vom Rest der Praxis etwas mit, ohne die Diskretion aufzugeben. „Der Pati-ent soll sich geborgen und nicht weggesperrt fühlen.“

Zentral und transparentEtwa ein Jahr dauerte es von der Idee bis zur Praxisgründung von Dr. Cyrus Alamouti und Dr. André Melchior. Vor vier Jahren erö�neten beide Zahnmediziner, damals 34 bzw. 36 Jahre jung, ihre Berufsausübungsgemeinscha� im Kölner Mediapark. Die Überweiserpraxis für Endodontie und Funktionsdiagnostik hat heute zehn Mitarbeiter. Ein eigenes Labor ist angeschlossen. Bei der Wahl des Standorts spielten das medizinische Netzwerk, die zentrale Lage mit guter Anbindung und leere Räumlichkeiten eine Rolle. „Unsere Vision haben wir mit einem Innenarchitekten erar-beitet“, erzählt Dr. Alamouti. Sein Praxispartner und er wussten genau, was sie wollten und wie sie es umsetzen könnten. Zusätzlich im Boot waren ein Dentaldepot, die Bank und der Steuerberater. Über die Kosten wollen sie in einem Magazin nicht unbedingt etwas lesen. „Viele“, schmunzeln beide. Bei der Planung halfen eigene Erfahrungen als Juniorpartner einer Praxis, Kollegentipps und diverse Fortbildungen. „Das Konzept einer spezialisierten Praxis in schönem Ambiente haben wir konsequent umgesetzt“, konstatieren die Zahnärzte. Die zeitgemäße Corporate Identity in den Farben olivgrün und beige zieht sich von den Praxiswän-

Kinder wollen sich bewegen; Erwachsene wollen sitzen. Deshalb hat KU 64 die Wartebereiche für Kinder und Erwachsene getrennt.

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„Ich kann kein Orange mehr sehen“, schmunzelt Tischler Michael A. Linke. In dieser Zahnarztpraxis hat er die Behandlungszeile an der rückseitigen Vorsatzschale für Elektroleitungen, EDV und Sanitär freitragend montiert. Damit wird Nachrüsten zum Kinderspiel.

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den über die Homepage bis zu den Visitenkarten. Wichtig war ihnen viel Transparenz. Es gibt ein o�enes Entree. Die Empfangs-Lounge mit Ka�ee, Musik, Zeitschri�en und Fernseher ist bei den Patienten am beliebtesten. Für Beratungsgespräche kann sich die Praxismanagerin in separate Räume begeben. Und die Hygiene? „Wir berücksichtigen die Richtlinien des Robert Koch-Instituts. Die Praxisbegehung haben wir mit Bravur bestanden.“

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Zwei bis drei Teams teilen sich , verteilt über sieben Tage pro Woche, in KU64 einen Raum. Checklisten sorgen dafür, dass weder Zahnärzte noch zahnmedizinische Fachangestellte während der Behandlung das Zimmer verlassen müssen.

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Dr. Cyrus Alamouti (38) und Dr. André Melchior (40; v.l.)eröffneten ihre Praxis für Endodontie und Funktionsdiagnostik vor vier Jahren im Kölner Mediapark.

Angst- und stressfreiFarbe, Licht, Form und Material können emotionale Botschaf-ten vermitteln. Farbexperten unterscheiden – je nach Pra-xisausrichtung – vier unter arbeitsmedizinischen Aspekten entwickelte Gestaltungsthemen. In der Präventivpraxis ist die Umgebung entspannt und funktional mit einem hohen Gestal-tungsanspruch. Die Wohlfühlpraxis symbolisiert Leichtigkeit

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und Geborgenheit mit ein „bisschen Landhausatmosphäre und mittlerem bis hohem Gestaltungsanspruch“. Eine Angst- und Stressfreipraxis strahlt Freundlichkeit, Ruhe und Konzentra-tion aus, ist warmtonig, pastellig und mit hohem Anspruch gestaltet. Bei der Regenerativpraxis liegt der Fokus auf Erho-lung und Konzentration mithilfe einer �xen Farb- und For-mensprache. Die Health & Care Network Group, ein bundes-weit agierendes Gesundheitsdienstleisternetzwerk für Raum-gestaltung, hat diese wissenscha�lichen Erkenntnisse in einem Fachbuch verö�entlicht. In Kooperation mit der Hochschule für angewandte Kunst und Wissenscha� Hildesheim wurden nach einem wahrnehmungspsychologischen Konzept Colla-genbücher mit Gestaltungsvarianten entworfen. Gelb, grün, rot und orange emp�nden Menschen demnach anregend, blau und grün frisch. Rosa ist mit lieblich assoziiert. Auch wenn diese Ansätze auf den ersten Blick naheliegend erscheinen, haben sie einen klaren Vorteil: Sie funktionieren dauerha� sowie unabhängig von Trend- und Modeerscheinungen.

Für ihre Zahnarztpraxis im Kölner Mediapark entschieden sich Dr. Cyrus Alamouti und Dr. André Melchior für viel Transparenz und eine konsequente Farbgestaltung in olivgrün und beige. In der Empfangs-Lounge warten die Patienten bei Kaffee, Zeitschriften, Musik und Fernseher gern.

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Lichtzonen beim Zahnarzt

Der zahnärztliche Behandlungsraum wird in drei Licht-zonen eingeteilt. Im Umfeld des Untersuchungsstuhls

müssen mindestens 500 Lux gewährleistet werden. Der Bereich des Patienten erfordert 1000 Lux, und die Ausleuch-tung der Mundhöhle mindestens 5000 Lux. Die Lichtfarbe sollte im gesamten Raum einheitlich neutralweiß oder tages-lichtweiß sein. Um Blendungen zu vermeiden, gilt es, bei der Deckenbeleuchtung ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 2,5 m um das Sichtfeld des Patienten herum auszusparen und generell nur asymmetrisch strahlende Deckenleuch-ten einzusetzen.Quelle: „Gesundheitsfaktor Licht“ / licht.de

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Einige Praxen schwören auf Feng Shui. So hat beispielsweise die Leipziger Implantologin M.Sc. Kerstin Jäger ein Prophylaxe-Zimmer in diesem Stil eingerichtet (leider ohne Foto).

„Feng Shui als Energielehre ist die Kunst, Lebensräume zu harmonisieren“, erklärt Sabine Schmidt aus Rheinland-Pfalz. In Zahnarztpraxen herrsche häu�g Trubel an der Anmeldung. Addieren sich Unruhe und unangenehme Gerüche, kann der erste Eindruck dauerha� beschädigt sein. Deshalb sollte dieser Bereich besonders sorgsam geplant werden. „Feng-Shui-Maß-nahmen können ein entspanntes und vertrauensvolles Umfeld scha�en, in dem Menschen entspannter und ruhiger reagieren“, so die Leiterin des Feng-Shui-Centers Trier.

Um Angst zu reduzieren, werden zunehmend Dü�e und Aro-men in der Zahnarztpraxis eingesetzt. Die Bochumer Zahnärz-tin Dr. Gabriele Marwinski hat über die �ematik promoviert. Sie erklärt: „Die Dü�e sollen körperliches und seelisches Wohl-be�nden der Patienten beein�ussen. Es geht dabei weniger um eine begleitende Behandlung akuter Zahnschmerzen.“ Orangen-du� aus Du�säulen ist im Behandlungsraum ist ihr klarer Favo-rit. Auch Lavendel reduziert Angstgefühle, doch Männer mögen diesen Geruch häu�g nicht. Vanille ist bewusst kaum wahr-nehmbar und eignet sich für den Empfangsbereich. In den Toi-letten setzt Dr. Marwinski Zitrusdu� ein und im Kinderbehand-lungsraum „die fertige Spezialmischung Schokobär mit Honig und Vanille“. In der Praxis sollte jedoch mindestens ein du�-freier Behandlungsraum für Allergiker zur Verfügung stehen.

Licht: funktional und energieeffizientEine gute Beleuchtung ist für Zahnärzte und Patienten essenzi-ell. Dabei soll auf eine ausreichend hohe Beleuchtungsstärke und eine gute Blendungsbegrenzung geachtet werden. Zudem sind

In diesem Raum wird in KU64 operiert. Die Wandillumination versetzt die Patienten in ein barockes Schloss.

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„gerade im Bereich der Diagnostik und bei Operationen sehr gute Farbwiedergabewerte wichtig, um Feinheiten und Details gut zu erkennen“, rät die Fördergemeinscha� Gutes Licht. Ausgewogene direkte und indirekte Lichtanteile bewirken bei den Patienten ein positives Gefühl und eine bessere Orientierung im Raum. Partiell eingesetztes farbiges Licht oder langsam ablaufende Farbwechsel können eine klinisch sterile Atmosphäre au�ockern.

Moderne Leuchten mit „Light-emitting-diode“(LED)-Modu-len sorgen durch hohe Energiee�zienz, eine Lebensdauer von bis zu 50.000 Betriebsstunden und niedrige Wartungskosten für einen ausgewogenen Kostenhaushalt. Räume mit viel Tages-licht brauchen nur eine unterstützende künstliche Beleuchtung in den vom Fenster abgewandten Bereichen.

Pflanzen sind auch in Deutschlands größter Zahnarztpraxis KU64 integriert. Führungen für Kollegen ermöglicht der Praxisgründer auf Anfrage.

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Durch seine weltweit einmalige dreidimensionale Beweglichkeit leistet dieser Bürostuhl einen aktiven Beitrag im Kampf gegen den Bewegungsmangel im Alltag.

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Das sagt der Handel

In der Regel gründet man eine Zahnarztpraxis nur ein- oder zweimal, während Einrichtungsspezialisten über jahre-

lange Erfahrung und Know-how verfügen. Bei der Praxis-planung sind komplexe Zusammenhänge zu bedenken, die weit über die reine Raum- und Installationsplanung hinaus-gehen. Die Formgestaltung, die Auswahl der richtigen Mate-rialien für Fußböden, Wände, Türen und Einrichtung sowie die Lichtplanung spielen wesentliche Rollen. Dabei sind die Unterstützung durch Experten und eine intensive Vorberei-tung wesentlich, zum Beispiel in der Erlebniswelt Dentale Zukun� – einem modernen Praxisgestaltungszentrum für Zahnärzte in Münster. Besucher können dort Raumgestal-tung, Ausstattung sowie Farb- und Lichtgestaltung live erle-ben. In einer „blackbox“ kann zum Beispiel die unterschied-liche Wirkung des Lichts im Raum oder auf verschiedene Ober�ächen bewertet werden. Ein Raum mit verschiebbaren Wänden bietet dem Besucher die Möglichkeit, die Raum-planung selbst auszuprobieren. Impulse und Ideen, wie der Beratungsablauf in der Praxis optimiert und der Patient als Kunde und nicht nur als Kranker behandelt werden können, stehen ebenso im Vordergrund.

Nadine Landes // NWD Gruppe, Nordwest Dental GmbH & Co. KG, Münster

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Das sagt die Industrierende Integration bzw. Adaptation ver-schiedener Systeme/Geräte erlauben, bei gleichzeitig deutlich ergonomischen Vor-teilen für den Behandler. Eine zukun�s-sichere Einrichtung muss Flexibilität für spätere Anpassungen an veränderte Rah-menbedingungen bieten. Ein prospektiv erweiterbares Einrichtungskonzept hil� Folgekosten massiv in Grenzen zu hal-ten. Offene Systeme, die nachträglich an unterschiedliche Arbeitsweisen und

Behandler angepasst werden können, bieten hier wertvolle Vorteile.

Darüber hinaus reduziert eine sinn-volle Anordnung der Möbel um die Dentaleinheit herum Fahr- und Greif-wege während der Behandlung auf ein absolut notwendiges Minimum.

Jan Kucher // Vertriebsleiter Dentale Einrichtungen und CAD/CAM KaVo Dental GmbH, Biberach

Weniger ist oft mehr – dies gilt auch bei Praxisneueinrich-

tungen – Modernisierungen oder Umbauten. Je weniger externe Geräte in einen Behandlungsablauf eingebunden werden müssen, desto e�zienter und ergonomischer kann gearbeitet wer-den. Diesbezüglich sollte bei der Pra-xiseinrichtung grundsätzlich Behand-lungseinheiten der Vorzug gegeben werden, die eine platz- und kostenspa-

Rückengerecht: die bewegte PraxisUm Rückenschmerzen zu vermeiden, empfehlen Ergonomieex-perten „bewegtes Sitzen“. Das belastet die Wirbelsäule und Mus-kulatur weniger und versorgt die Bandscheiben besser. Ideal sind ein dynamischer Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen sowie aktives, bewegtes Sitzen und wechselnde Sitzpositionen über den Arbeitstag. Aktivsitzmöbel haben diverse individuelle Anpassungsmöglichkeiten wie Sitz�äche, Rückenlehne, Anlehn-druck und Sitztiefenfederung oder Beckenkammstütze. Steh-pulte und Steh-Sitz-Schreibtische ergänzen das Mobiliar. Auch PC-Tastaturen und Computermäuse sollten ergonomisch sein.

Innenraumbegrünung ist GesundheitsmanagementEin schlechtes Raumklima führt zu Kopfschmerzen und macht müde. Im Winter, wenn die relative Lu�feuchtigkeit auf weni-ger als 30 Prozent absinkt, reizt trockene Lu� die Schleim-häute. „Mit P�anzen gestaltete Büroräume werden als erfri-schender, abwechslungsreicher und konzentrationsfördernder erlebt“, haben Forscher der Universität Würzburg festgestellt. „Grünp�anzen wirken als natürliche Schalldämmer und Lu�-befeuchter.“ Zudem verbrauchen sie Kohlensto�dioxid und lie-fern Sauersto�. Die Echte Aloe kann beispielsweise 90 Prozent

Formaldehyd abbauen, Efeu 90 Prozent Benzol und die Grünlilie mehr als 96 Prozent Kohlensto�dioxid. Die Grünlilie verdunstet ebenso wie die Birkenfeige oder die Strahlenaralie viel Wasser. Bei Betrachtung grüner P�anzen sinken Blutdruck und Pulsfre-quenz. Es wird Stress abgebaut und die Atmung ruhiger. Kein Wunder, dass Innenraumbegrünung in vielen Unternehmen zum Gesundheitsmanagement gehört.

FazitWas will ich? Wer sind meine Patienten? Was brauche ich, und wie kann mein Team optimal arbeiten? In der Einrichtung der eigenen Zahnarztpraxis drücken sich die Persönlichkeit des Inhabers und die Praxisphilosophie aus. Weil die Übernahme oder Neugründung viel Geld kostet, sollte ausreichend Zeit in die Planung investiert werden. Inspirationen für durchdachte und bewährte Konzepte bieten Fachpublikationen oder Veröf-fentlichungen von Dentaldepots und Praxiseinrichtern. Auch wenn nicht jeder Zahnarzt seine Gestaltungsgeheimnisse gern in der Ö�entlichkeit preisgibt, lohnt sich eine Anfrage in einer Praxis, die einem gefällt. Dabei sind jedoch nicht nur Farben und Designdetails spannend, sondern vor allem funktionale Besonderheiten. ▶

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Linkshttp://www.Berufskunde2020.de http://www.dental-union.com/du/dental_union/depots/z_depo-tUebersicht.html (Übersicht der Dentaldepots)http://www.health-and-care.nethttp://www.praxenprofi.dehttp://www.nwd.de/nwd_epaper/bildband_praxisgestaltung_out-put/web/bildband_praxisgestaltung.html (Bildband Praxisge-staltung der NWD Berlin & Ost als E-Paper zum Durch-blättern, 140 Seiten)

http://www.dahz.org/5.html (Hygieneleitfaden, herausgege-ben vom Deutschen Arbeitskreis für Hygiene in der Zahn-medizin, Musterplan, der an die konkreten Verhältnisse in der jeweiligen Praxis individuell angepasst werden muss, PDF, 50 Seiten)

http://www.alamouti-melchior.dehttp://www.ku64.de

BuchtippsArztpraxen (Braun Publishing, 269 Seiten, ISBN 978-3037680841, zirka 50 Euro)

Gesundheitsfaktor Licht, PDF-Download kostenlos unter http://www.licht.de/lichtwissen oder als gedruckte Version für zehn Euro bestellbar (64 Seiten, ISBN 978-3-926193-81-0)

Farben der Gesundheit / Colours of Health & Care: Das Pla-nungshandbuch für Gestalter im Gesundheitswesen (Call-wey, München, 383 Seiten, ISBN 978-3-7667-1850-1, zirka 69 Euro)

Individuelle Möbelgestaltung: für Büros und Praxen (Deut-sche Verlags-Anstalt, 144 Seiten, ISBN 978-3421037459, zir-ka 70 Euro)

Ergonomie-Ratgeber (im Rahmen eines Infopakets für 9,95 Euro erhältlich bei der Aktion Gesunder Rücken, http://www.agr-ev.de)

„Der Q-BuS-Leitfaden-Tipps und Ratschläge für die Neu-gründung oder den Umzug einer Zahnarztpraxis in Berlin“ versteht sich als Starthilfe, nicht als allumfassender Ratge-ber, speziell für Berlin, als Anregung jedoch auch überregi-onal nutzbar. Neben Checklisten „Termine“, „Aushang“ und „Adressen“, die bei der Einhaltung vorgeschriebener Fristen für Geräteüberprüfungen, Vorsorgeuntersuchungen, Mit-arbeiterunterweisungen sowie der Erstellung und Archivie-rung wichtiger Unterlagen helfen sollen, �nden sich kopier-fähige Vorlagen zur Antragstellung bei Behörden und für Dokumentationen (siehe auch: http://www.zaek-berlin.de/ zahnaerzte/praxisfuehrung/praxisneugruendung-planung.html).

A- bis Z-Checkliste Einrichten☐ Abfall☐ Barrierefrei ☐ Corporate Identity☐ Du�☐ Ergonomie☐ Farbkonzept☐ Geräuschkulisse☐ Hygiene☐ IT-Infrastruktur (zum Beispiel: Liegt Digital Subscriber Line, DSL, an? Leitungsverlegung)☐ „Just in time“ (zeitlich abgestimmt)☐ Klima☐ Licht☐ Musik☐ Nachrichten

☐ Optimale Wege☐ P�anzen☐ Qualitätsmanagement☐ Raumau�eilung☐ Stellplätze☐ Toiletten☐ Umwelt- und Brandschutz☐ Vision☐ Wartebereich☐ Xtras?☐ Yin und Yang (weibliches und männliches Prinzip der chi-

nesischen Philosophie | Synonym für Harmonie)☐ Zielgruppe

(keine Gewähr auf Vollständigkeit)

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