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Andreas Fuchs
Kundenbindungsmanagement im Einzelhandel
GABLER RESEARCH
Schriftenreihe der HHL – Leipzig Graduate School of Management
In dieser Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Bereich
Unternehmensführung präsentiert. Die einzelnen Beiträge spiegeln die wissenschaft-
liche Ausrichtung der HHL in Forschung und Lehre wider. Sie zeichnen sich vor allem
durch eine ganzheitliche, integrative Perspektive aus und sind durch den Anspruch
geprägt, Theorie und Praxis zu verbinden sowie in besonderem Maße internationale
Aspekte einzubeziehen.
Andreas Fuchs
Kundenbindungsmanagement im Einzelhandel Eine kausalanalytische Untersuchung am Beispiel des Textilfacheinzelhandels
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dissertation HHL – Leipzig Graduate School of Management, 2009
1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
Lektorat: Ute Wrasmann | Nicole Schweitzer
Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.gabler.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
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Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-2159-8
V
Geleitwort
Beziehungsorientierte Ansätze haben im Konsumgütermarketing seit Anfang der 90er Jahre eine intensive wissenschaftliche Beachtung erfahren. Dementsprechend liegen eine Reihe von theoretischen wie empirischen Analysen zu den Einfluss-faktoren und Gestaltungskonzepten des Relationship-Marketing vor. Im Rahmen der Professionalisierung des Handelsmarketing werden Konzepte des Kundenbindungs-management zunehmend auch für Einzelhandelsunternehmen diskutiert und eingesetzt. Vor diesem Hintergrund hat sich Dr. Andreas Fuchs das Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Erklärung und Wirkung von Kundenbindungskonzepten im Einzelhandel zu leisten. Theoriegeleitet entwickelt er einen Bezugsrahmen um die Kundenbindung von Einzelhandelsunternehmen sowohl von der Entstehungs- als auch von der Wirkungsseite her zu analysieren. Mit Hilfe einer empirischen Erhebung werden hypothesengestützt Einflussfaktoren der Kundenbindung identifiziert und die ökonomischen Wirkungen ermittelt. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Dr. Fuchs den Wirkungszusammenhang von Kundenzufriedenheit, Kunden-bindung und Kundenprofitabilität kausalanalytisch untersucht. Dabei wird das Konstrukt „Kundenprofitabilität“ durch kundenkartenbasierte Verhaltensdaten und anhand objektiv ermittelter Profitabilitätsdaten erfasst. Diese Untersuchungen sind im wissenschaftlichen Kontext bisher sehr rar. Von daher zeichnet sich die Innovativität der vorliegenden Dissertationsschrift einerseits durch den Anwendungskontext „Einzelhandel“ und andererseits durch die Zusammenführung von Befragungsdaten mit realen Verhaltens- und Profitabilitätsdaten aus. Mit Blick auf eine dynamische Optimierung von Kundenportfolios leitet der Verfasser auf der Grundlage seiner Analyseergebnisse Vorschläge für eine potenzialorientierte Kundensegmentierung und -bearbeitung ab. Wenngleich die empirischen Ergebnisse für die Betriebsform des textilen Facheinzelhandels ermittelt wurden, so sind die grundsätzlichen Erkenntnisse zur Einbeziehung von Zufriedenheits-, Share of Wallet- und Profitabililitätsdaten auch für andere Branchenkontexte höchst relevant. Das vorliegende Werk liefert somit einen weiterführenden Beitrag zur Analyse und zum Management von Kundenbeziehungen. Durch den branchenspezifischen Fokus auf den Einzelhandel macht der Verfasser darauf aufmerksam, dass auch in klein- und mittelständischen Handelsbetrieben erhebliche Profitabilitätsreserven durch systematische Analysen von Kundenportfolios erschlossen werden können. Insofern sind die Ergebnisse ermutigend, sensibilisieren jedoch auch dafür, dass die einfache
VI
Formel „jeder Kunde ist zu binden“ kein Erfolgsrezept darstellt. Vielmehr bedarf es hierzu moderner und dynamischer Kundensegmentanalysen. Ich wünsche dem Leser eine interessante Lektüre und hoffe, dass die Arbeit von Herrn Dr. Andreas Fuchs eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis findet.
Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg
VII
Vorwort
Die Idee, Entstehungs- und Wirkungsmechanismen von Kundenbindung im Einzel-handel aus der Perspektive des Marketing zu untersuchen, entstand bei einer Diskussion mit meinem Doktorvater, Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg, im Januar 2004. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, dass die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kundenbindung im Einzelhandel zwei Jahre später den Grundstein für den Aufbau eines mittelständischen Bekleidungs-unternehmens mit mehr als 50 Mitarbeitern legen wird. Die Bearbeitung der vorliegenden Arbeit erfolgte für mich nicht zuletzt deswegen vor einem interessanten und besonders praxisrelevanten Hintergrund. Aspekte eines strategischen Kundenbindungsmanagements im Einzelhandel werden im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen mit strategischen Fragestellungen durchweg stiefmütterlich behandelt. Es kann daher kaum verwundern, dass auch der Erforschung der Entstehungs- und Wirkungsmechanismen von Kundenbindung im Einzelhandel in der Vergangenheit wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Gleichwohl zeigt die intensive forscherische Durchdringung dieses Problemkreises im Herstellerbereich und die große Akzeptanz der entsprechenden Forschungs-konzepte in der Praxis, dass der Nutzenbeitrag der Kundenbindungsforschung im Rahmen der strategischen Unternehmensführung weitgehend unstrittig ist. Die vorliegende Arbeit hat sich daher das Ziel gesetzt, zum Abbau dieses Forschungsdefizits im Einzelhandel beizutragen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme der jüngeren empirischen und theoretischen Forschung wird dazu ein Grundkonzept zur Analyse von Kundenbindung im Einzelhandel erarbeitet. Der dabei entwickelte Bezugsrahmen stellt zugleich die Grundlage der am Beispiel einer Stichprobe von Kunden eines Bekleidungsfachgeschäfts durchgeführten empirischen Analyse dar. Hier werden zunächst die Einflüsse kontrollierbarer Faktoren auf die Kundenzufriedenheit untersucht. Daran schließt sich eine Analyse der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und den Kundenwert. Ein letzter Untersuchungskomplex ist der Ableitung geeigneter Kundenbindungs-strategien gewidmet, anhand derer die gewonnen Erkenntnisse verdichtet werden. Da eine Promotion zwar als Einzelleistung angelegt ist, sich aber dennoch nur mit der Unterstützung von Dritten bewältigen lässt, möchte ich an dieser Stelle einer Reihe von Personen meine Verbundenheit ausdrücken. Mein besonderer Dank gilt an erster Stelle meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Manfred Kirchgeorg, der mir ein Höchstmaß an forscherischer Freiheit bei der Bearbeitung
VIII
des Themas eingeräumt hat und dennoch in kritischen Momenten jederzeit als Diskussionspartner zur Verfügung stand. Durch sein großes Interesse an der Themenstellung hat er die Entwicklung der Arbeit immer wieder vorangebracht und deren Gelingen wesentlich mit beeinflusst. Des Weiteren gilt mein Dank den weiteren Gutachtern, Herrn Prof. Dr. Thomas Fischer und Herrn Prof. Dr. Henning Zülch, die sich trotz ihrer vielfältigen Verpflichtungen gerne dazu bereit erklärt haben, die Begutachtung der Arbeit in einem sehr engen Zeitrahmen durchzuführen. Weiterhin möchte ich allen denjenigen Menschen danken, die mit Anregungen die Bearbeitung der Arbeit vereinfacht und mit freundschaftlicher Unterstützung den gesamten Promotionsprozess begleitet haben. Erwähnt sei an erster Stelle Herr Horst Heuberger für die jederzeitige Bereitschaft zur kritischen Diskussion und die konstruktiven Anregungen in der konzeptionellen Phase der Arbeit. Für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts gebührt darüber hinaus neben Frau Daniela Jost auch Frau Irene Liss ein herzliches Dankeschön. Danken möchte ich weiterhin meinen Eltern, Ernst und Hildegard Fuchs, die meine Ziele und Vorhaben voll unterstützt haben und in allen Lebenslagen an meiner Seite standen. Schließlich gilt mein besonderer Dank Shaila, Marisol und Ana Paula, die mich stets daran erinnert haben, dass es neben der Promotion noch weitere wichtige Dinge im Leben gibt und deren geduldige Unterstützung von besonderer Bedeutung für die Realisierung dieses Erfolges war.
Dr. Andreas Fuchs
IX
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort .................................................................................................................. V
Vorwort .................................................................................................................... VII
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................... IX
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................... XIII
Tabellenverzeichnis ...............................................................................................XV
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................XVII
A. Kundenbindung im Fokus von Einzelhandelsunternehmen ......................... 1
1. Kundenbindung als Bestandteil der strategischen Marketingplanung im Einzelhandel .................................................................................................. 1
2. Definition und begriffliche Abgrenzung von Kundenbindung .............................. 6
3. Stand der Kundenbindungsforschung im Einzelhandel .....................................14
4. Der Textilfacheinzelhandel als Gegenstand der Untersuchung.........................21
5. Zielsetzung und Gang der Untersuchung ..........................................................27
B. Theoretische Grundlagen zur Kundenbindung im Einzelhandel .................31
1. Kundenbindung im konzeptionellen Bezugsrahmen einer Wirkungskette .........31
2. Das Konstrukt Kundenzufriedenheit ..................................................................34
2.1 Definition der Kundenzufriedenheit ..............................................................34
2.2 Theoretische Erklärungsmodelle und Konzepte...........................................44
2.3 Messung der Kundenzufriedenheit...............................................................46
2.4 Dimensionen der Kundenzufriedenheit ........................................................50
3. Das Konstrukt Kundenloyalität...........................................................................69
3.1 Definition der Kundenloyalität.......................................................................69
3.2 Theoretische Erklärungsmodelle und Konzepte...........................................75
3.3 Messung der Kundenloyalität .......................................................................76
3.4 Dimensionen der Kundenloyalität.................................................................85
X
4. Das Konstrukt Kundenwert ................................................................................87
4.1 Definition des Kundenwerts..........................................................................88
4.2 Messung des Kundenwerts ..........................................................................91
5. Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenprofitabilität .........................................................105
5.1 Empirische Befunde zu den Zusammenhängen.........................................105
5.1.1 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität..........................................105
5.1.2 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenzufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg...............................109
5.1.3 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenloyalität und wirtschaftlichem Erfolg.......................................111
5.1.4 Kritische Würdigung der empirischen Studien....................................113
5.2 Theoretische Fundierung der Zusammenhänge zwischen den drei Konstrukten ..................................................................................115
5.2.1 Neue Institutionenlehre ......................................................................115
5.2.2 Verhaltenswissenschaftliche Theorien ...............................................121
5.2.3 Fazit zur theoretischen Fundierung der Zusammenhänge der Konstrukte .......................................................129
6. Entwicklung eines Untersuchungsmodells zur Kundenbindung im Einzelhandel .....................................................................129
C. Empirische Analyse zur Kundenbindung im Einzelhandel.........................133
1. Design und Methodik der Untersuchung .........................................................133
1.1 Datenerhebung und Datenbasis.................................................................133
1.2 Methoden der statistischen Auswertung ....................................................136
1.3 Vorgehensweise der Analyse.....................................................................156
2. Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit .....................................158
2.1 Untersuchung des Messmodells ................................................................158
2.2 Untersuchung des Strukturmodells ............................................................167
2.3 Ergebnis der Hypothesenprüfung...............................................................169
XI
3. Analyse der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität .........................................................171
3.1 Untersuchung des Messmodells ................................................................172
3.2 Untersuchung des Strukturmodells ............................................................177
3.3 Ergebnis der Hypothesenprüfung...............................................................179
D. Zusammenfassung und Ausblick .................................................................182
1. Zusammenfassung und Würdigung der Ergebnisse........................................182
2. Implikationen für das Handelsmarketing..........................................................192
3. Ansatzpunkte für die weitere Forschung .........................................................197
Anhang ...................................................................................................................201
Literaturverzeichnis ..............................................................................................203
XIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Marktanteile der Angebotstypen des Einzelhandels ......................... 26
Abbildung 2: Geschäftstypen-Modelle im Textileinzelhandel ................................ 27
Abbildung 3: Aufbau der Arbeit.............................................................................. 29
Abbildung 4: Modifizierte Profit Chain ................................................................... 33
Abbildung 5: Confirmation/Disconfirmation Paradigma ......................................... 37
Abbildung 6: Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit .............................. 50
Abbildung 7: Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel ... 69
Abbildung 8: Modellierung der Einstellung ............................................................ 80
Abbildung 9: Messung von Kundenloyalität........................................................... 84
Abbildung 10: Integrierte Konzeptualisierung von Kundenloyalität.......................... 87
Abbildung 11: Dimensionen des Kundenwerts........................................................ 90
Abbildung 12: Ansätze zur Messung des Kundenwerts .......................................... 92
Abbildung 13: Kundendeckungsbeitragsrechnung ................................................ 103
Abbildung 14: Mögliche funktionale Zusammenhänge zwischen Kunden- zufriedenheit und Kundenbindung.................................................. 108
Abbildung 15: Bezugsrahmen der Arbeit............................................................... 132
Abbildung 16: Allgemeine Darstellung eines Kausalmodells................................. 138
Abbildung 17: Vorgehensweise zur Evaluierung von Kausalmodellen .................. 156
Abbildung 18: Kausalmodell zur Analyse der Determinanten der Kunden- zufriedenheit................................................................................... 169
Abbildung 19: Kausalmodell zur Analyse der Wirkungskette Kundenbindung ...... 177
Abbildung 20: Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse ... 187
Abbildung 21: Dimensionen einer Kundenbindungsstrategie ................................ 192
Abbildung 22: Segmentierung der Kunden nach Profitabilität und Share-of-Wallet .............................................................................. 194
Abbildung 23: Potenzialsegmente und Potenzialfaktoren ..................................... 195
Abbildung 24: Strategien für die einzelnen Potenzialsegmente ............................ 196
XV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Handelsspezifische Kundenbindungsstudien...................................... 17
Tabelle 2: Ausgewählte Definitionen zu Kundenzufriedenheit ............................. 35
Tabelle 3: Betrachtete Zufriedenheitsdimensionen in ausgewählten Operationalisierungsansätzen im Handel............................................ 56
Tabelle 4: Ausgewählte Definitionen zur Kundenloyalität .................................... 70
Tabelle 5: Beispiel zur RFMR-Methode ............................................................... 95
Tabelle 6: Studien zu Auswirkungen von Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität.................................................................................. 106
Tabelle 7: Prüfschema zur Beurteilung von Kausalmodellen............................. 155
Tabelle 8: Operationalisierung der Dimensionen der Kundenzufriedenheit ....... 160
Tabelle 9: Rotierte Faktorladungsmatrix der Dimensionen der Kunden- zufriedenheit...................................................................................... 162
Tabelle 10: Globalkriterien des Messmodells der Dimensionen der Kunden- zufriedenheit...................................................................................... 162
Tabelle 11: Detailkriterien zu den Dimensionen der Kundenzufriedenheit........... 163
Tabelle 12: Diskriminanzvalidität zu den Dimensionen der Kunden- zufriedenheit...................................................................................... 164
Tabelle 13: Operationalisierung der Gesamtzufriedenheit ................................... 164
Tabelle 14: Globalkriterien des Messmodells der Globalzufriedenheit ................ 166
Tabelle 15: Detailkriterien der Gesamtzufriedenheit ............................................ 166
Tabelle 16: Zusammenfassende Bewertung des Messmodells ........................... 167
Tabelle 17: Globalkriterien des Kausalmodells zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit ................................................................... 168
Tabelle 18: Ergebnis der Hypothesenprüfung zur Kundenzufriedenheit .............. 170
Tabelle 19: Operationalisierung der Einstellungsloyalität .................................... 173
Tabelle 20: Rotierte Faktorladungsmatrix zu Variablen der Einstellungs- loyalität .............................................................................................. 173
Tabelle 21: Globalkriterien des Messmodells der Einstellungsloyalität ................ 174
XVI
Tabelle 22: Detailkriterien zu den Faktoren der Einstellungsloyalität................... 175
Tabelle 23: Diskriminanzvalidität der Dimensionen der Einstellungsloyalität ....... 175
Tabelle 24: Operationalisierung des Share-of-Wallet .......................................... 176
Tabelle 25: Operationalisierung der Kundenprofitabilität ..................................... 176
Tabelle 26: Zusammenfassende Bewertung des Messmodells ........................... 177
Tabelle 27: Globalkriterien des Kausalmodells zur Wirkung der Kunden- zufriedenheit...................................................................................... 178
Tabelle 28: Ergebnis der Hypothesenprüfung zur Wirkung der Kunden- zufriedenheit...................................................................................... 180
Tabelle 29: Standardisierte Gesamteffekte.......................................................... 180
Tabelle 30: Bildung von zufriedenheitsbasierten Nutzersegmenten .................... 189
Tabelle 31: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und Zufriedenheits- determinanten ................................................................................... 190
Tabelle 32: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und Zufriedenheits- wirkungen.......................................................................................... 190
Tabelle 33: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und soziodemo- graphische Merkmale........................................................................ 191
XVII
Abkürzungsverzeichnis
A
Abb. Abbildung a.M. am Main akt. aktualisierte Aufl. Auflage B
Bd. Band bearb. bearbeitete bzw. beziehungsweise C
ca. circa C/D Confirmation/Disconfirmation CRM Customer Relationship Management D
d.h. das heißt DOB Damenoberbekleidung Dr. Doktor E
€ Euro erw. erweiterte et al. et alii, et alia, et alteri e.V. eingetragener Verein F
f., ff. folgende, fortfolgende G
ggf. gegebenenfalls H
Haka Herrenanzüge Knabenanzüge HHL Handelshochschule Leipzig Hrsg. Herausgeber
XVIII
I
i.A. in Anlehnung an i.d.R. in der Regel J
Jg. Jahrgang K
Kap. Kapitel KOB Kinderoberbekleidung L
lt. laut
M
Mio. Millionen Mrd. Milliarden MW Mittelwert N
n.a. not applicable No. Number Nr. Nummer O
o.V. ohne Verfasser P
Prof. Professor S
S. Seite sog. sogenannte (n,r,s) Sp. Spalte T
Tab. Tabelle TW TextilWirtschaft
XIX
U
u. und u.a. und andere überarb. überarbeitete V
v.a. vor allem Vgl. Vergleiche vollst. vollständig vs. versus Z
z.B. zum Beispiel ZFP Zeitschrift für Forschung und Praxis
1
A. Kundenbindung im Fokus von Einzelhandelsunternehmen
„With a Wal-Mart perched on the edge of town, local merchants
want to know what they can do to stay in business …“1
1. Kundenbindung als Bestandteil der strategischen Marketingplanung im
Einzelhandel
Stagnierende Umsätze und sinkende Anteile des Einzelhandels an den privaten Konsumausgaben kennzeichnen die Situation, in der sich der deutsche Einzelhandel seit mehreren Jahren befindet.2 Diese Entwicklung begründet sich in der Tatsache, dass sich die Konsumstruktur in den letzten Jahren grundlegend verändert hat. Wäh-rend die Ausgaben für Bildung und Freizeit angestiegen sind, sind die Ausgaben für Lebensmittel und Bekleidung, um nur die beiden größten Branchen des deutschen Einzelhandels zu nennen, stetig gesunken.3 Neben einer stagnierenden Nachfrage sieht sich der Einzelhandel einem zunehmend multi-optionalen Kaufverhalten und Verdrängungswettbewerb durch den Eintritt branchenfremder und ausländischer Handelsunternehmen ausgesetzt.4 In einem derart darwinistisch geprägten Umfeld kann es daher nicht verwundern, dass das Problembewusstsein für strategische
Fragestellungen spätestens seit Mitte der 90er Jahre wieder geschärft und die Bemühungen zu ihrer Lösung intensiviert wurden.5 Diese wachsende strategische
1 Noble, S.M., Griffith, D.A., Mavis, T.A. (2006), Drivers of local merchant loyalty: Understanding
the influence of gender and shopping motives, in: Journal of Retailing, 82, 3, S. 177-188, S. 177. 2 Real gerechnet lag der Umsatz im deutschen Einzelhandel in 2005 um mehr als 30 Mrd. Euro
unter dem Niveau des letzten Erfolgsjahres 1992. Das Marktvolumen im deutschen Textileinzel-handel lag im Jahr 2005 bei 54,6 Mrd. Euro, nach 63,1 Mrd. Euro im Jahr 1995. Der Anteil des Umsatzes des Einzelhandels an den privaten Konsumausgaben ist seit 1992 kontinuierlich von 38,2% auf 29,3% in 2005 gesunken. Vgl. HDE (2006), Zahlenspiegel 2006: Daten zum Einzelhandel in Deutschland, Berlin, S. 6 und S. 13; Erlinger, M. (2006), Die größten Textileinzelhändler in Deutschland 2005, in: Textilwirtschaft, 19. Oktober 2006, S. 24-29, S. 28.
3 Vgl. Meffert, H. (2004), Einführung in die Themenstellung, in: Meffert, H., Backhaus, K., Becker, J. (Hrsg.): Handelsstrategien auf dem Prüfstand - Dynamik der Betriebsformen unter dem Einfluss der Discounter, Dokumentationspapier Nr. 173 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung, Münster, S. 12-18, S. 13ff.
4 Vgl. Wübbenhorst, K.L. (2004), Entwicklungstendenzen im Einzelhandel: Bausteine des Konsums, in: Meffert, H., Backhaus, K., Becker, J. (Hrsg.): Handelsstrategien auf dem Prüfstand - Dynamik der Betriebsformen unter dem Einfluss der Discounter, Dokumentationspapier Nr. 173 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster, S. 1-11, S. 8; Liebmann, H.-P., Zentes, J. (2001), Handelsmanagement, München, S. 445.
5 „Die Strategie löst die Struktur wieder als hauptsächlich zu behandelndes Themengebiet ab, so dass man auch von einer Renaissance strategieorientierter Ansätze sprechen könnte.“ Buchholz,
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
2
Orientierung zeigt sich insbesondere in einer verstärkten Beschäftigung des Einzel-handels mit Aspekten der strategischen Marketingplanung.6
Aufgabe der strategischen Marketingplanung ist es, „als systematischer Prozess zu einer klaren Konzeption im Hinblick auf Zielmärkte, Marktbearbeitung und ange-strebte Ergebnisse zu führen“7 und damit zur langfristigen Sicherung von Erfolgs-potenzialen beizutragen. Eine marktorientierte Ausrichtung und Führung eines Handelsunternehmens kann somit nur dann konsequent verwirklicht werden, wenn eine individuelle und abgesicherte Marketingkonzeption zugrunde liegt, die Festlegungen auf den folgenden drei Konzeptionsebenen umfasst:8
� Zielebene � Strategieebene � Instrumentalebene
Wesentlicher Bestandteil der strategischen Marketingplanung im Handel ist die Bestimmung von Zielen und deren Gewichtung. Diese sind Orientierungs- und Richtgrößen für das unternehmerische Handeln und damit eine notwendige Voraus-setzung für die Gestaltung der strategischen und operativen Planungsprozesse.9 Dabei ist zwischen unternehmens-, kunden- und mitarbeiterorientierten Marketingzielen zu unterscheiden.10 Während bei den unternehmensorientierten Zielgrößen ausschließlich ökonomische Ziele wie Umsatz, Gewinn oder Marktanteil betrachtet werden, werden im Rahmen der kunden- bzw. mitarbeiterorientierten Zielgrößen darüber hinaus auch psychologische und verhaltensbezogene Ziele berücksichtigt.
W., Olemotz, T. (1995), Markt- vs. ressourcenbasierter Ansatz: konkurrierende oder komplemen-täre Systeme im Management?, Gießen, S. 1.
6 Vgl. Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 12ff. 7 Köhler, R. (1991), Beiträge zum Marketing-Management: Planung, Organisation, Controlling, 2.
Aufl., Stuttgart, S. 5. 8 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), Dienstleistungsmarketing: Grundlagen - Konzepte - Methoden,
5. Aufl., Wiesbaden, S. 175; Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M. (2008), Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 229ff.; zum Begriff der Marketingkonzeption vgl. ausführlich Becker, J. (2006), Marketing-Konzeption: Grundlagen des zielstrategischen und operativen Marketing-Managements, 8. Aufl., München, S. 5ff.
9 Vgl. Kirchgeorg, M. (2005), Marketingprozesse, in: Schäppi, B., Andreasen, M.M., Kirchgeorg, M., Radermacher, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung: Strategien, Prozesse, Methoden, Ressourcen, Wien/München, S. 699-723, S. 703; Barth, K. (1976), Systematische Unternehmens-führung in den Groß- und Mittelbetrieben des Einzelhandels, Köln, S. 170.
10 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), Dienstleistungsmarketing: Grundlagen - Konzepte - Methoden, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 206.
3
Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit kundenorientierten Zielgrößen steht dabei in den letzten Jahren die Kundenbindung.11 Dies liegt vor allen Dingen darin begründet, dass der Kundenbindung eine positive Wirkung auf die Zielgröße Erfolg (als ökonomische Zielgröße) postuliert wird.12 So konnte z. B. bei gebundenen Kunden häufig eine größere Bereitschaft zu höheren Preisen beobachtet werden. Des Weiteren sind bei gebundenen Kunden eine oftmals steigende Kauffrequenz und erhöhte Cross-Buying-Potenziale zu erkennen. Diesen umsatzfördernden Komponenten stehen auf der Kostenseite Einsparungen durch sinkende Kundenbetreuungskosten gegenüber.13 Neben dem maßgeblichen Einfluss auf den ökonomischen Erfolg wirkt sich Kundenbindung auch im Bereich der psychographischen Zielgrößen aus. Dies zeigt sich z. B. in einer Erhöhung des Bekanntheitsgrades sowie einer positiven Einstellung und größerem Vertrauen gegenüber einem Anbieter.14
Bedingt durch das Wissen um den starken Einfluss der verhaltensbezogenen Ziel-größe Kundenbindung auf ökonomische und psychographische Zielgrößen, wird ihr in der jüngeren Zeit auch zunehmend ein zentraler Stellenwert im Zielsystem von
11 Vgl. Homburg, C., Bruhn, M. (2005), Kundenbindungsmanagement - Eine Einführung in die theo-
retischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Kundenbin-dungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S.3f.; Müller-Hagedorn, L. (2004), Was leistet die Handelswissenschaft?, in: Handel im Fokus, 56, 4, S. 254-266, S. 254ff; Peter, S.I. (1999), Kundenbindung als Marketingziel: Identifi-kation und Analyse zentraler Determinanten, 2., überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden, S. 3; Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 81; Dichtl, E., Schneider, W. (1994), Kundenzufriedenheit im Zeitalter des Beziehungsmanagement, in: Belz, C., Schögel, M., Kramer, M. (Hrsg.): Lean Management and Lean Marketing, St. Gallen, S. 6-12, S. 6ff.
12 Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), Dienstleistungsmarketing: Grundlagen - Konzepte - Methoden, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 264ff.; Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 13; Venohr, B., Zinke, C. (1998), Kundenbindung als strategisches Unternehmens-ziel: vom Konzept zur Umsetzung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbin-dungsmanagement: Grundlagen - Konzepte - Erfahrungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 151-168, S. 160; Reichheld, F.F., Sasser, W.E. (1991), Zero-Migration: Dienstleister im Sog der Qualitaetsrevolution, in: Harvard Business Manager, 13, 4, S. 108-116.
13 Vgl. Dittrich, S. (2002), Kundenbindung als Kernaufgabe im Marketing: Kundenpotentiale lang-fristig ausschöpfen, 2. Aufl., St. Gallen, S. 11ff.; Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 3ff.; Reichheld, F.F., Sasser, W.E. (1991), Zero-Migration: Dienstleister im Sog der Qualitaetsrevolution, in: Harvard Business Manager, 13, 4, S. 108-116, S. 111.
14 Vgl. Kirchgeorg, M., Lorbeer, A. (2004), Vertrauenswirkungen in Kundenbeziehungen bei E-Health-Service-Anbietern, in: Wiedmann, K.-P. (Hrsg.): Fundierung des Marketing, Wiesbaden, S. 439-462, S. 448; Lorbeer, A. (2003), Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 4; Weißenberger, B.E. (1998), Zur Bedeutung von Vertrauensstrategien für den Aufbau und Erhalt von Kundenbindung im Konsumgüterbereich, in: Zeitschrift für betriebswirt-schaftliche Forschung, 50, 7/8, S. 614-640, S. 615ff.; Jungwirth, G. (1997), Geschäftstreue im Einzelhandel: Determinanten - Erklärungsansätze - Meßkonzepte, Wiesbaden, S. 22f.
4
Einzelhandelsunternehmen eingeräumt.15 Da ein Unternehmen seinen Erfolg sowohl mit der Pflege von Bestandskunden als auch mit der Gewinnung von Neu-kunden erzielen kann, setzen Aussagen zum Stellenwert von Kundenbindung häufig an dieser Zweiteilung an.16 So konstatieren Reichheld/Sasser, dass der Ertragswert eines Kunden bei ausschließlicher Betrachtung des Erstkaufs nur relativ gering ist und das volle Ertragspotenzial erst durch eine langfristige Kundenbindung ausge-schöpft werden kann.17 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kosten der Neukundenakquisition im Mittel das Fünffache der Kosten betragen, die für die Pflege von Bestandskunden aufzubringen sind, wird die Relevanz einer dauerhaften Kundenbindung besonders deutlich.18
Wird mit der Kundenbindung das Ziel verfolgt, einen strategischen Erfolgsfaktor zur Profilierung gegenüber dem Wettbewerb zu schaffen, dann kann das Kundenbin-dungsmanagement als Teil des strategischen Marketing angesehen werden.19 Im Rahmen der Konkretisierung geeigneter Marketingstrategien wird in der Folge die Frage aufgeworfen, inwieweit das Kundenbindungsmanagement mit der wettbe-werbsstrategischen Ausrichtung von Unternehmen konform geht.20
Meffert analysiert in diesem Zusammenhang die Präferenzstrategie und die Preis-Mengen-Strategie hinsichtlich ihres Kundenbindungspotenzials und kommt zu dem Schluss, dass der Schwerpunkt von Präferenzstrategien auf dem Aspekt der Stamm-kundenbindung und der Rückgewinnung von ehemaligen Kunden liegt, da nicht der 15 Vgl. Strüker, J. (2005), Individualisierung im stationären Einzelhandel, Wiesbaden, S. 89. Vgl. beispielhaft für ein Zielsystem im Handel Drexel, G. (1981), Strategische Unternehmens-
führung im Handel, Berlin-New York, S. 143. 16 Vgl. Thomas, J.S. (2005), A Methodology for linking Customer Acquisition to Customer Retention,
in: Journal of Marketing Research, 38, 2, S. 262-268, S. 262ff.; Müller-Hagedorn, L. (2001), Kundenbindung mit System, in: Müller-Hagedorn, L. (Hrsg.): Kundenbindung im Handel, 2.,akt. u. überarb. Aufl., Frankfurt a.M., S. 11-46, S. 13ff.
17 Vgl. Reichheld, F.F., Sasser, W.E. (1991), Zero-Migration: Dienstleister im Sog der Qualitaets-revolution, in: Harvard Business Manager, 13, 4, S. 108-116, S. 108ff.; vgl. ähnlich Reichheld, F.F. (1997), Lernen Sie von abtruennigen Kunden, was Sie falsch machen, in: Harvard Business Manager, 19, 2, S. 57-70, S. 57ff.; Reichheld, F.F., Teal, T. (1996), The loyalty effect. The hidden force behind growth, profits and lasting value, Boston, S. 153.
18 Vgl. Müller, W., Riesenbeck, H.-J. (1991), Wie aus zufriedenen auch anhängliche Kunden werden, in: Harvard Business Manager, 13, 3, S. 67-79, S. 69.
19 Vgl. Homburg, C., Krohmer, H. (2006), Marketingmanagement: Strategie - Instrumente - Umsetzung - Unternehmensführung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 524ff.; Meffert, H. (2005), Kunden-bindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 145-166, S. 150; Liebmann, H.-P., Zentes, J. (2001), Handelsmanage-ment, München, S. 85.
20 Meffert definiert eine Marketingstrategie als „ein bedingter, langfristiger, globaler Verhaltensplan zur Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele“. Meffert, H. (1980), Strategische Planung in gesättigten, rezessiven Märkten, in: absatzwirtschaft, 23, 6, S. 89-97, S. 89.
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einzelne Kaufakt, sondern die Schaffung langfristiger Kundenbeziehungen im Vor-dergrund steht, und somit die Kundenbindung als ein konstitutives Element wettbe-werbsorientierter Präferenzstrategien angesehen werden kann.21 Gleichwohl weist Meffert daraufhin, dass in nahezu allen Märkten auch preissensible Kunden anzu-treffen sind und folglich auch mit Preis-Mengen-Strategien Wettbewerbsvorteile er-zielt und die Grundlagen zur Kundenbindung geschaffen werden können.22
Um die Ziele des Kundenbindungsmanagements unter Berücksichtigung der soeben vorgestellten Strategien zu erreichen, bedarf es eines strategischen Einsatzes der Marketinginstrumente. 23 Damit stellt sich im Rahmen einer strategischen Analyse die Frage nach der Relevanz kontrollierbarer Faktoren, die auf die Kundenbindung einwirken. Bei der Kundenbindung kann grundsätzlich zwischen zwei Ursachen diffe-renziert werden. Zum einen kann der Kunde in einen Zustand der (unfreiwilligen) Gebundenheit eintreten, zum anderen kann aufgrund von psychologischen Bindungsursachen eine freiwillige Verbundenheit dem Unternehmen gegenüber entstehen.24 Da jedoch im Einzelhandel die Gebundenheit von Endverbrauchern
21 Vgl. Meffert, H. (2005), Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Bruhn,
M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 145-166, S. 151ff.
Während mit der Preis-Mengen-Strategie primär das Ziel verfolgt wird, durch Kostenvorteile in Beschaffung und Produktion Preisvorteile und einen hohen relativen Marktanteil gegenüber den Wettbewerbern zu erzielen, wird mit der Präferenzstrategie versucht, durch den Einsatz von nicht-preislichen Marketingmaßnahmen mehrdimensionale Präferenzen beim Kunden aufzubauen, um dadurch einen überdurchschnittlichen Preis erzielen zu können. Vgl. Becker, J. (2006), Marketing-Konzeption: Grundlagen des zielstrategischen und operativen Marketing-Managements, 8. Aufl., München, S. 230ff.
Die Charakterisierung der beiden Strategiealternativen verdeutlicht, dass die Preis-Mengen-Stra-tegie auf der Bildung eindimensionaler, preisorientierter Präferenzen aufbaut und folglich nur ein-geschränkt mit den Zielen des Kundenbindungsmanagements vereinbar ist, während die Präferenzstrategie mit der Schaffung mehrdimensionaler, überwiegend nicht-preisorientierter Präferenzstrukturen insbesondere für Güter mit einer hohen Kundenbindungsrelevanz zum Tragen kommt.
22 So wird z.B. ein loyaler Aldi- oder Lidl-Kunde solange seiner Einkaufsstätte treu bleiben, wie diese die für ihn entscheidende Preisgünstigkeit bietet. Vgl. Treis, B., Wolf, S. (1995), Kundenzufrie-denheit und Kundenbindung - Neue Dimensionen für das Handelsmarketing?, in: Bauer, H.H., Diller, H. (Hrsg.): Wege des Marketing: Festschrift zum 60. Geburtstag von Erwin Dichtl, Berlin, S. 335-347, S. 339.
23 Vgl. Kirchgeorg, M. (2005), Marketingprozesse, in: Schäppi, B., Andreasen, M.M., Kirchgeorg, M., Radermacher, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung: Strategien, Prozesse, Methoden, Ressourcen, Wien/München, S. 699-723, S. 704; Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 38f.
24 Die Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Bindung wird von Bliemel/Eggert ein-gehend analysiert. Freiwillige Bindung (Verbundenheit) liegt demzufolge dann vor, wenn eine Anbieter-Kunde-Beziehung auf guten Erfahrungen in der Vergangenheit beruht und Vertrauen auf zukünftige gute Erfahrungen besteht. Somit ist ein Kunde einem Handelsunternehmen verbunden, wenn er dieses nicht wechseln will. An ein Handelsunternehmen gebunden ist ein Kunde dann, wenn er dieses z.B. aufgrund von bestehenden Wechselbarrieren nicht wechseln kann.
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aufgrund vertraglicher, technisch-funktionaler und ökonomischer Wechselbarrieren eine eher unbedeutende Rolle spielt, ist die Herausforderung bei der Gestaltung des Marketing-Mix vor allen Dingen unter dem Aspekt einer emotionalen Bindung des Kunden an den Anbieter zu sehen.25 Hierzu Bedarf es einer freiwilligen Verbundenheit aufgrund hoher Zufriedenheit mit der bisherigen Leistung und Vertrauen in die künftige Leistungskompetenz des Anbieters.26 Neben einem an Kundennutzen orientierten Einsatz der klassischen Marketinginstrumente kann diese Form der Bindung durch den Einsatz von speziellen Kundenbindungsinstrumenten gefördert werden.27
Ziel der Forschung zur Kundenbindung im Handel ist festzustellen, welche Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Kundenbindung ausüben, um anhand dieser Erkenntnisse eine Basis zur Planung und Durchführung von strategischen Maßnahmen zu erhalten. Die Identifikation relevanter Einflussfaktoren auf die Kundenbindung ist dabei nicht nur für die Unternehmen mit einer bislang schwachen Kundenbindung von Relevanz, denen dadurch eine insgesamt effizientere Unternehmensführung ermöglicht wird, sondern auch für Unternehmen mit einer starken Kundenbindung. Letzteren kann eine Ermittlung der zentralen Bestimmungs-größen der Kundenbindung eine Bestätigung der verfolgten Strategie bzw. Hinweise für eine weitere Optimierung liefern. Neben der Ermittlung relevanter Einflussfaktoren ist die Untersuchung der Wirkung der Kundenbindung von zentraler Bedeutung für das strategische Handelsmanagement.
2. Definition und begriffliche Abgrenzung von Kundenbindung
Wie bereits kurz skizziert, ist der Begriff Kundenbindung in Theorie und Praxis sehr weit verbreitet. Intuitiv kann ihn wahrscheinlich ein jeder mit Bedeutungsinhalt füllen – eine präzise Definition und Abgrenzung von inhaltlich verwandten Begriffen fällt
Vgl. Bliemel, F., Eggert, A. (1998), Kundenbindung die neue Sollstrategie?, in: Marketing - ZFP, 20, 1, S. 37-46, S. 39ff.
25 Vgl. Liebmann, H.-P., Zentes, J. (2001), Handelsmanagement, München, S. 444. Freundt/Kirchgeorg/Perrey bestätigen auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen zur Ver-
haltensrelevanz emotionaler und rationaler Markenimages die hohe Bedeutung emotionaler Bin-dungsfaktoren im Textilbereich am Beispiel der Marken H&M und Zara. Vgl. Freundt, T., Kirchgeorg, M., Perrey, J. (2005), Im Wechselbad der Gefühle, in: absatzwirtschaft, 48, 6, S. 30-33, S. 33.
26 Vgl. Meffert, H. (2005), Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 145-166, S. 159.
27 Als spezielle Kundenbindungsinstrumente können Kundenclubs, Kundenkarten, Kundenzeitungen, oder ein Beschwerdemanagement angesehen werden. Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006), Dienst-leistungsmarketing: Grundlagen - Konzepte - Methoden, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 265ff.
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aber sowohl dem Laien, als auch der praxisnahen Marketingwissenschaft schwer. So werden z. B. die im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym verwendeten Begriffe Kundenbindung, Kundennähe, Kundentreue, Kundenzufriedenheit oder Kundenloyalität auch in einer Vielzahl wissenschaftlicher Auseinandersetzungen nicht sauber abgegrenzt und in der Folge oftmals fehlerhaft zugrunde gelegt.28
Im Interesse der Eindeutigkeit der weiteren Ausführungen dieser Arbeit erscheint es daher notwendig, den Begriff Kundenbindung zunächst theoretisch-konzeptionell zu beleuchten und von verwandten Begriffen abzugrenzen. Im Anschluss daran soll eine Definition von Kundenbindung dargelegt werden, welche die wichtigsten Betrachtungsperspektiven integriert und somit zu einem handelsspezifischen Verständnis von Kundenbindung beitragen soll.29
Das Phänomen Kundenbindung wird in deutschsprachigen Publikationen in erster Linie von Meyer/Oevermann, Diller, Eggert, Weinberg und Homburg/Bruhn wissen-schaftlich beleuchtet.30 Auf der Basis einer dyadischen Geschäftsbeziehung als
28 Vgl. in diesem Zusammenhang beispielhaft die Beiträge von Höfner, K., Schuster, H.-W. (1992),
Strategien zur Steigerung der Kundenloyalität, in: Marktforschung & Management, 3, S. 123-126, S. 123; Zollner, G. (1995), Kundennähe in Dienstleistungsunternehmen, Wiesbaden, S. 162; Streichert, O. (1995), Maßnahmen zur Herstellung und Verbesserung der Kundenbindung: dargestellt am Beispiel des EDV-Marktes, München, S. 3ff.
29 Vor dem Hintergrund der in Kap. A.1 dargestellten Bedeutungszunahme der Kundenbindung im Einzelhandel erscheint eine eigenständige Definition des Begriffes erstrebenswert. In den meisten handelswissenschaftlichen Beiträgen greifen die Autoren auf vorhandene branchenübergreifende Definitionen zurück bzw. geben lediglich einen deskriptiven Überblick darüber. Eine Integrations-leistung und weitere Konkretisierung von Kundenbindung im Kontext Einzelhandel bleibt somit bislang aus. Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2001), Kundenbindung mit System, in: Müller-Hagedorn, L. (Hrsg.): Kundenbindung im Handel, 2.,akt. u. überarb. Aufl., Frankfurt a.M., S. 11-46, S. 18; Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 12ff.; Liebmann,H.-P., Zentes, J. (2001), Handelsmanagement, München, S. 443ff.
30 Vgl. Meyer, A., Oevermann, D. (1995), Kundenbindung, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.): Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 1340-1351; Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94; Eggert, A. (1999), Kundenbindung aus Kundensicht, Wiesbaden; Weinberg, P., Terlutter, R. (2005), Verhaltens-wissenschaftliche Aspekte der Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 41-66; Homburg, C., Bruhn, M. (2005), Kundenbindungsmanagement - Eine Einführung in die theoretischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40.
Darüber hinaus widmen sich auch die Arbeiten von Vogel, Dittrich, Peter und Krüger schwerpunkt-mäßig dem Konstrukt Kundenbindung, dessen Determinanten und Konsequenzen. Vgl. Vogel, V. (2006), Kundenbindung und Kundenwert: der Einfluss von Einstellungen auf das Kaufverhalten, Wiesbaden; Dittrich, S. (2002), Kundenbindung als Kernaufgabe im Marketing: Kundenpotentiale langfristig ausschöpfen, 2. Aufl., St. Gallen; Peter, S.I. (1999), Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, 2., überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden; Krüger, S.M. (1997), Profitabilitätsorientierte Kundenbindung durch Zufriedenheitsmanagement: Kunden-zufriedenheit und Kundenwert als Steuerungsgröße für die Kundenbindung in marktorientierten Dienstleistungsunternehmen, München.
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Bezugssystem der Kundenbindung erarbeitet Diller eine anbieter-, eine kunden- und eine beziehungsbezogene Definition der Kundenbindung.31 Die aus der Verknüpfung dieser drei Sichtweisen hervorgehende Definition wird jedoch in der Begriffs-extension so weit und komplex, dass der Autor im Hinblick auf eine operationale Anwendbarkeit eine engere Definition der Kundenbindung vorschlägt. Aufgrund des leicht beobachtbaren Kaufverhaltens (Transaktionsmerkmale) definiert Diller Kunden-bindung wie folgt: „Kundenbindung liegt dann vor, wenn innerhalb eines zweckmäßig definierten Zeitraums wiederholte Informations-, Güter- oder Finanztransaktionen zwischen zwei Geschäftspartnern stattgefunden haben (ex post-Betrachtung) bzw. geplant sind (ex ante-Betrachtung)“32. Dieser Definition liegt ein verhaltens-orientiertes Begriffsverständnis zugrunde, das die Kundenbindung im Wesentlichen am Wiederkaufverhalten der Kunden festmacht.
Meyer/Oevermann richten im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Phänomen ebenfalls den Fokus auf die Geschäftsbeziehung und definieren Kundenbindung „einerseits (als) das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten und andererseits (als) die zukünftigen Wiederkauf-, Zusatzkauf- (Cross-Selling-) und Weiterempfehlungsabsichten (Goodwill) eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen […]“33.
Sowohl in der Definition von Diller als auch in der Definition von Meyer/Oevermann manifestieren sich zwei zeitliche Dimensionen: Sie unterscheiden im Rahmen der Konzeptualisierung des Konstruktes zwischen einem bisherigen (ex post-Betrach-tung) und einem zukünftigen (ex ante-Betrachtung) Verhalten. Während Diller seine Definition in diesem Zusammenhang etwas breiter fasst, konkretisieren Meyer/ Oevermann bereits mögliche Indikatoren der Kundenbindung in Bezug auf die beiden Dimensionen. Daneben zeigt sich, dass bei der begrifflichen Abgrenzung der Kun-denbindung, je nach Blickwinkel und Zweckbezogenheit, eine stärkere Gewichtung der Anbieter- oder der Kundenperspektive möglich ist.
In der Marketingpraxis findet vor allen Dingen die anbieterorientierte Sichtweise starke Verbreitung. So definieren Homburg/Bruhn in Anlehnung an die Definitionen In englischsprachigen Publikationen wird Kundenbindung unter anderem unter dem Begriff
„Customer Retention“ insbesondere von Reichheld und seinen Ko-Autoren untersucht. Vgl. Reichheld, F.F., Sasser, W.E. (1990), Zero Defections: Quality comes to Services, in: Harvard Business Review, 68, 5, S. 105-111.
31 Vgl. Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 82f.
32 Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 84. 33 Meyer, A., Oevermann, D. (1995), Kundenbindung, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.):
Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 1340-1351, Sp. 1341.
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von Diller und Meyer/Oevermann Kundenbindung als „sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl die bisherigen Verhaltensweisen als auch die zukünftigen Verhaltensabsichten als auch das tatsächliche Verhalten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren bzw. auszuwei-ten“34. Bei diesem instrumentell geprägten Begriffsverständnis geht es in erster Linie darum, die kundenbindenden Aktivitäten so zu steuern, dass dem Anbieter ein dauerhafter Vorteil im Wettbewerb um den Kunden entsteht.35 Homburg und Bruhn sprechen in diesem Zusammenhang auch von Kundenbindungsmanagement als „systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen“36 und unterstreichen damit den Management-Aspekt des Begriffes.
Die kundenorientierte Sichtweise zielt demgegenüber stärker auf die Einstellung des Kunden zur Geschäftsbeziehung mit einem Anbieter ab, die sich in dessen Be-reitschaft zu Folgetransaktionen niederschlägt.37 Sie beruht somit auf einer positiven Einstellung des Kunden zum Verhalten des Anbieters in der Geschäftsbeziehung. Da die Bereitschaft zu Folgetransaktionen auch prinzipiell mit negativen Einstellungen einhergehen kann (z.B. aufgrund einer rechtlichen Bindung), schlägt Eggert zu einer differenzierteren Betrachtung der Kundenbindung aus Kundensicht zwei mögliche innere Bindungszustände des Individuums vor: das Gefühl der Gebundenheit, welches je nach wahrgenommener Einschränkung der künftigen Wahlfreiheit des Kunden freiwilliger oder unfreiwilliger Art sein kann und das Gefühl der Verbundenheit, welches dagegen immer freiwillig ist und ausschließlich auf einer positiven Einstellung gegenüber dem Anbieter beruht (z.B. aufgrund von Kundenzu-friedenheit).38 Weinberg knüpft an diese Zweiteilung an und definiert Kundenbindung
34 Homburg, C., Bruhn, M. (2005), Kundenbindungsmanagement - Eine Einführung in die
theoretischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Kunden-bindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S. 8.
35 Vgl. Strüker, J. (2005), Individualisierung im stationären Einzelhandel, Wiesbaden, S. 89; Reimann, E. (1996), Kundenbindung in der virtuellen Bankfiliale, in: Bank und Markt, 25, 3, S. 29-32; Holz, S. (1998), Die Kundenkarte als Instrument zur Kundenbindung im deutschen Einzel-handel, in: Direkt Marketing, 4, S. 20-24.
36 Homburg, C., Bruhn, M. (2005), Kundenbindungsmanagement - Eine Einführung in die theo-retischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Kundenbin-dungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S. 8.
37 Vgl. Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 83.
38 Vgl. Eggert, A. (1999), Kundenbindung aus Kundensicht, Wiesbaden, S. 130ff.
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aus der Perspektive des Kunden als „ein psychisches Konstrukt der Verbundenheit oder Verpflichtung einer Person gegenüber […] einem Unternehmen“39. Kundenbin-dung als ein innerer Zustand von Verbundenheit oder Gebundenheit/Verpflichtung des Kunden drückt somit im positiven Fall den Wunsch nach einer dauerhaften Geschäftsbeziehung aus.
Fasst man an dieser Stelle kurz zusammen, so wird klar, dass die unterschiedlichen Definitionsversuche mehr oder weniger stark von theoretischen oder praktischen Überlegungen geprägt sind. Im Hinblick auf das Untersuchungsziel dieser Arbeit erscheint eine griffige, aber noch hinreichend breite Definition zweckmäßig, in der die Merkmale anbieterorientierte Aktivitäten (Marketing-Mix), Kundenverhalten, Kunden-einstellungen und Zeitraum als konstitutiv für die Kundenbindung angesehen werden. Damit kann sich Kundenbindung grundsätzlich sowohl auf in der Vergangen-heit liegende als auch auf zukünftige Transaktionen beziehen, womit die von Meyer/ Oevermann und Diller vorgeschlagene zweidimensionale Konzeptionalisierung des Konstrukts aufgegriffen wird. Gleichzeitig liefert die Begriffsbestimmung eine ein-deutige Fokussierung auf die anbieterseitigen Aktivitäten. Kundenbindung dient somit dem Ausbau der Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Kunde und wird daher als transaktionsorientierter Prozess angesehen. Im Rahmen dieser Arbeit soll Kundenbindung aus der Perspektive des Anbieters beleuchtet werden. Die systema-tische Auswahl und Gestaltung von (Marketing-) Maßnahmen eines Unternehmens steht somit im Vordergrund der Betrachtung. Die Festlegung eines als zweckmäßig erscheinenden Zeitraumes hängt v.a. von der Kaufhäufigkeit in der jeweiligen Produktgattung ab. So gilt z.B. beim Automobilkauf als Zeitraum zwischen zwei Käufen mehrere Jahre bis Jahrzehnte, während das Intervall beim Kauf von Bekleidung wenige Tage, Wochen oder Monate ausmachen kann.
Um eine differenziertere Betrachtung der bisher gewonnenen Erkenntnisse über Kundenbindung zu ermöglichen, soll diese in einem nächsten Schritt von inhaltlich ähnlichen und oftmals synonym verwendeten Begriffen abgegrenzt werden. Im Folgenden werden die Begriffe Kundennähe, Kundentreue, Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität kurz charakterisiert.
Unter Kundennähe wird eine Grundhaltung von Unternehmen verstanden, die sich in dem Bemühen sämtlicher Bereiche/Mitarbeiter widerspiegelt, Anforderungen bzw. Probleme aktueller und potenzieller Kunden schnell und flexibel zu identifizieren und
39 Weinberg, P., Terlutter, R. (2005), Verhaltenswissenschaftliche Aspekte der Kundenbindung, in:
Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instru-mente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 41-66, S. 46.
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ihnen durch qualitativ im Wettbewerbsvergleich überdurchschnittliche Leistungen gerecht zu werden.40 Dieses Begriffsverständnis überschneidet sich zwar in Teilen mit der anbieterorientierten Sichtweise von Kundenbindung, jedoch ist es nicht iden-tisch. Die in zahlreichen Publikationen synonym verwendeten Begriffe Kundennähe und Kundenorientierung unterstreichen diese Unterschiede.41 Auf der einen Seite verdeutlicht der Einbezug der Akquisitionsphase das grundlegend weiter gefasste Verständnis von Kundennähe. Auf der anderen Seite ist die Begriffsdefinition von Kundenähe weniger konkret im Hinblick auf Kriterien, anhand derer man das Konstrukt operationalisieren und messen kann.42
Der Begriff Kundentreue wird wissenschaftlich im Zusammenhang mit behavioristi-schen Modellen behandelt. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei die Messung der Markentreue anhand des konkreten Wiederkaufverhaltens.43 Mit der Einführung einer Einstellungskomponente und der Übertragung des Konzeptes in einen allgemeinen Kontext Mitte der 90er Jahre durch Dick/Basu, kam es zu einer Annäherung an das Konstrukt Kundenloyalität.44 Somit kann Kundentreue dem Verständnis von Kundenbindung aus der Kundenperspektive gleichgesetzt werden.45
Kundenzufriedenheit bezeichnet ein abstraktes Konstrukt der Sozialforschung, das zumeist als das Verhältnis von Kundenerwartung zu Bedürfnisbefriedigung beschrieben wird.46 Zufriedenheit entsteht als Empfindung des Kunden durch seinen Vergleich von wahrgenommenem Wertgewinn (als Resultat des Kaufs) und
40 Vgl. Homburg, C. (1995), Kundennähe von Industriegüterunternehmen, Wiesbaden, S. 203 und
Albers, S., Eggert, K. (1988), Kundennähe, in: Marketing - ZFP, 10, 1, S. 5-16, S. 5ff. 41 Vgl. Zollner, G. (1995), Kundennähe in Dienstleistungsunternehmen, Wiesbaden, S. 15; Guth, S.
(2002), Kundennähe in der Elektrizitätswirtschaft, Berlin, S. 23. Bruhn verwendet die Begriffe Kundennähe und Kundenorientierung synonym im Rahmen einer Leistungs- und interaktions-orientierten Interpretation der Kundenorientierung. Vgl. Bruhn, M. (2003), Kundenorientierung, 2., völlig überarb. Aufl., München, S. 15.
42 So hat bislang nur Homburg Kundennähe aus der Sicht des Kunden konzeptionalisiert und in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung von Kundennähe des Leistungsangebots und Kundennähe des Interaktionsverhaltens vorgenommen. Vgl. Homburg, C. (1995), Kundennähe von Industriegüterunternehmen, Wiesbaden, S. 112.
43 Vgl. den Überblick zu behavioristischen Modellen bei Jacoby, J., Chestnut, R. (1978), Brand Loyalty Measurement and Management, New York, S. 7ff.; Nolte, H. (1976), Die Markentreue im Konsumgüterbereich, Bochum, S. 16ff.
44 Vgl. Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113, S. 107ff.
45 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 14ff.
46 Vgl. Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 9.
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erwartetem Wertgewinn (vor dem Kauf).47 Da der vorrangig kognitiv geprägte Vergleich in einer Bewertung resultiert, die durch affektive Elemente geprägt ist, setzt Oliver im Rahmen seines vierstufigen Kundenbindungsmodells die Kunden-zufriedenheit mit affektiver Loyalität bzw. affektiver Kundenbindung gleich.48
Homburg/Becker/Hentschel bezeichnen gemäß ihrer kundenbezogenen Definition einen Kunden dann als gebunden, „wenn er gegenüber dem jeweiligen Anbieter loyal ist“49. Somit definieren sie Kundenbindung im Rückgriff auf die Kundenloyalität. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Loyalität eines Kunden in seinem Kaufverhalten äußert und auf einer positiven Einstellung beruht.50 Da Kunden-bindung jedoch bei einer negativen Einstellung existieren kann, z. B. aufgrund individuell wahrgenommener Wechselbarrieren, erscheint eine Gleichsetzung der Begriffe Kundenloyalität und Kundenbindung fragwürdig.51 Neben diesem konzeptionellen Unterschied weisen zahlreiche Autoren auf die stärkere Zustandsorientierung der Kundenloyalität in Bezug auf die Einstellungen der Kunden gegenüber einem Anbieter hin.52 Kundenbindung kann zwar auch als Zustand, muss darüber hinaus jedoch als Prozess verstanden werden. Diese prozessorientierte 47 Vgl. Korte, C. (1995), Customer Satisfaction Measurement: Kundenzufriedenheitsmessung als
Informationsgrundlage des Hersteller- und Handelsmarketing am Beispiel der Automobilwirtschaft, Frankfurt a.M., S. 26.
48 Vgl. Oliver, R.L. (1996), Satisfaction: A Behavioral Perspective on the Consumer, Boston et al., S. 394ff.
In der vorliegenden Arbeit finden zwar alle vier Stufen des Modells von Oliver Berücksichtigung, jedoch wird die erste und zweite Stufe im Konstrukt Kundenzufriedenheit (vgl. Kap. B.2) abgebildet und die dritte und vierte Stufe in den Konstrukten Kundenloyalität und Kundenwert (vgl. Kap. B.3 und Kap. B.4).
49 Homburg, C., Becker, A., Hentschel, F. (2005), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kunden-bindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 93-124, S. 100.
50 Vgl. Pritchard, M., Howard, D., Havitz, M. (1992), Loyalty Measurement: A critical Examination and Theoretical Extension, in: Leisure Sciences, 14, 2, S. 155-164, S. 155ff.; Weinberg, P. (1977), Die Produkttreue der Konsumenten, Wiesbaden, S. 12; Jacoby, J. (1971), Brand Loyalty: A Conceptual Definition, in: Proceedings of the American Psychological Association, 6, S. 655-656, S. 655.
51 Vgl. Tomczak, T., Dittrich, S. (1997), Erfolgreich Kunden binden: Eine kompakte Einführung, Zürich, S. 13.
In neueren Publikationen wird versucht, diesem Problem insoweit Rechnung zu tragen, als dass drei Arten von Kundenloyalität differenziert werden. Dabei wird von „echter Loyalität“ bei hohem Wiederkaufverhalten und positiver Einstellung gesprochen, von „latenter Loyalität“ bei positiver Einstellung, aber geringem Wiederkaufverhalten und von „unechter Loyalität“ bei hohem Wieder-kaufverhalten, aber negativer Einstellung. Vgl. Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113.
52 Vgl. exemplarisch Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113, S. 102 und Kotler, P., Armstrong, G. (1994), Principles of Marketing, 6. Aufl., Englewood Cliffs, N. J., S. 559.
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Sichtweise kommt besonders bei einer Betrachtung aus Anbietersicht zum Tragen und ist somit als weiteres Unterscheidungskriterium anzusehen.53
Nach einer Darstellung der verschiedenen Facetten von Kundenbindung und einer Abgrenzung von synonym verwendeten Begriffen soll abschließend eine Definition von Kundenbindung in dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Kontext erfolgen. In der vorliegenden Arbeit wird Kundenbindung mit dem Fokus auf Einzelhandelsunter-
nehmen analysiert. Diese sind zu definieren als Institutionen, deren „wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend dem Einzelhandel im funktionellen Sinne zuzurechnen ist“54. Von Einzelhandel im funktionellen Sinne wird gesprochen, „wenn Marktteilnehmer Güter, die sie i.d.R. nicht selbst be- oder verarbeiten, von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an Dritte absetzen“55. Im Hinblick auf das Unter-suchungsziel wird eine Definition des Begriffs zugrunde gelegt, welche mögliche Strategieansätze für das Management der Kundenbindung aus Anbietersicht berück-sichtigt. Kundenbindung wird in dieser Arbeit wie folgt definiert:
Kundenbindung im Einzelhandel umfasst Aktivitäten eines Anbieters, die
darauf abzielen, die Kundenzufriedenheit auf ein optimales Niveau zu bringen
bzw. ein bereits erreichtes optimales Niveau zu halten, um damit die Kunden-
loyalität, welche Einstellung sowie tatsächliches Verhalten und zukünftig
beabsichtigtes Verhalten des Kunden umfasst, positiv zu beeinflussen. Die Definition impliziert, dass sich Kundenbindung im Einzelhandel sowohl auf den Anbieter als auch dessen Produkte und Leistungen beziehen kann. Somit muss grundsätzlich zwischen der Kundenbindung auf der Basis eines Produktes (Herstel-lermarke) und der Kundenbindung gegenüber einem Anbieter differenziert werden.56 Sofern dem Einzelhandelsunternehmen kein Alleinstellungsmerkmal aufgrund des Angebots bestimmter Marken zukommt, bietet die Bindung von Kunden an eine Herstellermarke aus der Perspektive des Anbieters nur wenige Ansatzpunkte zur
53 Für die dieser Arbeit zugrunde liegende Zielsetzung ist die kundenbezogene Perspektive (Kunden-
loyalität) im Prozess der Kundenbindung von hoher Relevanz. Aus diesem Grund wird in Kap. B.3 von Kundenloyalität als Teil des Prozesses Kundenbindung gesprochen.
54 Vgl. o.V. (2006), Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution (Hrsg.): Katalog E, Definitionen zu Handel und Distribution - Elektronische Fassung, 5. Ausgabe, Köln, S. 19.
55 Vgl. o.V. (2006), Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution (Hrsg.): Katalog E, Definitionen zu Handel und Distribution - Elektronische Fassung, 5. Ausgabe, Köln, S. 18.
56 Auf die Eigenmarkenpolitik von Einzelhandelsunternehmen soll an dieser Stelle nicht weiter ein-gegangen werden, da der Untersuchungsfokus dieser Arbeit auf den Facheinzelhandel gerichtet ist und bei dieser Betriebsform Handelsmarken bislang eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Sortimentsplanung spielen. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. A.4.
14
Festigung bzw. Verbesserung der Kundenbindung gegenüber dem Unternehmen.57 Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit die Kundenbindung an einen Anbieter bzw. dessen Prozessleistung und nicht an einer Marke untersucht.58
Die Aufspaltung der Kundenbindung in die beiden Konstrukte Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität wird im theoretischen Teil (vgl. B.2 und B.3) weiter fundiert. Im folgenden Abschnitt werden anhand einer Übersicht der bereits durchgeführten Untersuchungen die Defizite bei der Forschung zum Thema Kundenbindung aufgezeigt.
3. Stand der Kundenbindungsforschung im Einzelhandel
Vor dem Hintergrund der hohen Relevanz des Themas Kundenbindung im Rahmen der strategischen Marketingplanung überrascht die bislang wenig intensive Forschung im Einzelhandel. Obwohl der Messung und der Identifikation von Einfluss- und Wirkungsfaktoren der Kundenbindung in Wissenschaft und Praxis in jüngerer Zeit verstärktes Interesse entgegengebracht worden ist, ist die Mehrzahl der zum Teil viel beachteten Untersuchungen auf einer branchenübergreifenden oder einer Hersteller-Kunde-Ebene angesiedelt.59 Dies hat zur Folge, dass die ermittelten Faktoren aufgrund der starken Branchenheterogenität nur in einem eher allgemeinen Zusammenhang gesehen werden können und damit der Aussagewert dieser Forschungsansätze für den Einzelhandel als vergleichsweise gering einzustufen ist. Vor diesem Hintergrund, und um den Besonderheiten des Einzelhandels gerecht werden zu können, erscheint eine einzelhandelsbezogene Forschung zur
Kundenbindung notwendig.60
Zur Bestandsaufnahme der neueren Forschung zur Kundenbindung im Einzelhandel wurden Monographien mit dem Fokus auf Kundenbindung und 25 deutsch- und englischsprachige Fachzeitschriften unter Berücksichtigung von Periodika mit
57 Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn der Anbieter über exklusive Vertriebsrechte in seinem Ein-
zugsgebiet verfügt. 58 Die Prozessleistung des Handelsunternehmens wird geprägt durch Faktoren wie Sortiment,
Ladengestaltung, Kompetenz und Freundlichkeit des Verkaufspersonals sowie durch andere handelsspezifische Leistungsfaktoren. Vgl. Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 36ff.
59 Vgl. zu einem sehr umfassenden Überblick die Gegenüberstellungen bei Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 42ff; Gerpott, T.J. (2000), Kundenbindung: Konzepteinordnung und Bestandsaufnahme der neueren empirischen Forschung, in: Die Unternehmung, 54, 1, S. 23-42, S. 31ff.
60 Charakteristisch für den Einzelhandel ist dabei die Vorrangigkeit der Sortimentsorientierung vor der Produktorientierung des Herstellers. Ferner ist der Einzelhandel durch die Nähe zum Konsu-menten geprägt. Von besonderer Relevanz für das strategische Marketing im Einzelhandel ist schließlich die Vielzahl von Betriebsformen und Betriebstypen.
15
marketingwissenschaftlichem Schwerpunkt ab 1990 ausgewertet.61 Die 21
aufgenommenen empirischen Studien zur Kundenbindung im Einzelhandel sind nach ihrem Jahr der Veröffentlichung sortiert in Tab. 1 dargestellt.62 Je drei Studien wurden in Deutschland und Australien, je zwei Studien in Frankreich und Spanien, je eine Studie in den Niederlanden, Schweden, Kanada und Taiwan und die restlichen 61 Dabei wurden nur jene Arbeiten berücksichtigt, die sich entweder mit der Messung oder der Identi-
fikation von Einfluss- und Wirkungsfaktoren beschäftigen oder aber das Wiederkaufverhalten von Kunden in Abhängigkeit von potentiell kundenbindenden Aktivitäten des Managements untersuchten. Nicht erfasst wurden Arbeiten mit kursorischen Verweisen auf empirische Erhe-bungen der Autoren, bei denen präzise Erläuterungen zu Erhebungsstichproben, Variablen-operationalisierungen, -ausprägungen und -zusammenhängen fehlten. In Bezug auf die Stich-probengröße wurden nur solche Arbeiten berücksichtigt, in denen ein Stichprobenumfang von mindestens 200 Befragten zugrunde gelegt wurde. Vgl. zur Mindestgröße einer Stichprobe Baumgartner, H., Homburg, C. (1996), Applications of structural equation modeling in marketing and consumer research: A review., in: International Journal of Research in Marketing, 13, 2, S. 139-161, S. 142ff.
62 Vgl. Burmann, C. (1991), Konsumentenzufriedenheit als Determinante der Marken- und Händlerloyalität. Das Beispiel Automobilindustrie, in: Marketing - ZFP, 4, S. 249-258; Deppisch, C.G. (1997), Dienstleistungsqualität im Handel, Wiesbaden; Herrmann, A., Huber, F. (1997), Kundenloyalität als Erfolgsdeterminante im Marketing: Ergebnisse einer kausalanalytische Studie im Automobilsektor, in: Journal für Betriebswirtschaft, 22, 1, S. 4-25; Macintosh, G., Lockshin, L.S. (1997), Retail relationships and store loyalty: A multi-level perspective, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 487-497; Sharp, B., Sharp, A. (1997), Loyalty programs and their impact on repeat-purchase loyalty patterns, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 473-486; East, R., Hammond, K., Harris, P., Lomax, W. (2000), First-Store Loyalty and Retention, in: Journal of Marketing Management, 16, 4, S. 307-325; Reynolds, K.E., Arnold, M.J. (2000), Customer Loyalty to the Salesperson and the Store: Examining Relationship Customers in an Upscale Retail Context, in: Journal of Personal Selling & Sales Management, 20, 2, S. 89-98; Sivadas, E., Baker-Prewitt, J.L. (2000), An examination of the relationships between service quality, customer satisfaction, and store loyalty, in: International Journal of Retail & Distribution Management, 28, 2/3, S. 73-83; Odekerken-Schröder, G., De Wulf, K., Kasper, H., Kleijnen, M., Hoekstra, J., Commandeur, H. (2001), The impact of quality on store loyalty: A contingency approach, in: Total Quality Management, 12, 3, S. 307-322; Sirdeshmukh, D., Singh, J., Sabol, B. (2002), Consumer Trust, Value, and Loyalty in Relational Exchanges, in: Journal of Marketing, 66, 1, S. 15-37; Arrondo, E., Berné, C., Múgica, J.M., Rivera, P. (2002), Modelling of customer retention in multi-format retailing, in: International Review of Retail, Distribution & Consumer Research, 12, 3, S. 281-296; Reinartz, W.J., Kumar, V. (2002), The mismanagement of customer loyalty, in: Harvard Business Review, 80, 7, S. 86-94; Wong, A., Sohal, A. (2003), Service quality and customer loyalty perspectives on two levels of retail relationships, in: Journal of Services Marketing, 17, 5, S. 495-513; Mägi, A.W. (2003), Share of wallet in retailing: the effects of customer satisfaction, loyalty cards and shopper characteristics, in: Journal of Retailing, 79, 2, S. 97-106; Ngobo, P.V. (2004), Drivers of customers' cross-buying intentions, in: European Journal of Marketing, 38, 9/10, S. 1129-1157; Elorz, M.C.M., Villanueva, M.L. (2004), Retail Store Loyalty Management via an Analysis of Heterogeneity of the Service Elements, in: International Review of Retail, Distribution & Consumer Research, 14, 4, S. 407-437; Seiders, K., Voss, G.B., Grewal, D., Godfrey, A.L. (2005), Do Satisfied Customers Buy More? Examining Moderating Influences in a Retailing Context, in: Journal of Marketing, 69, 4, S. 26-43; Fullerton, G. (2005), The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, in: Canadian Journal of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, 22, 2, S. 97-110; Chang, C.-H., Tu, C.-Y. (2005), Exploring Store Image, Customer Satisfaction and Customer Loyalty Relationship: Evidence from Taiwanese Hypermarket Industry, in: Journal of American Academy of Business, 7, 2, S. 197-202; Zboja, J.J., Voorhees, C.M. (2006), The impact of brand trust and satisfaction on retailer repurchase intentions, in: Journal of Services Marketing, 20, 5, S. 381-390; Jones, M.A., Reynolds, K.E. (2006), The role of retailer interest on shopping behavior, in: Journal of Retailing, 82, 2, S. 115-126.
16
sieben Erhebungen im angloamerikanischen Raum durchgeführt. Die Verschiedenheit der Ansätze im Rahmen handelsbezogener Kundenbindungs-forschung und die dadurch grundsätzlich schwierige Vergleichbarkeit einzelner Forschungsergebnisse verdeutlicht die Notwendigkeit einer Systematisierung der Untersuchungsansätze. Im Folgenden sollen daher die identifizierten Studien im Hinblick auf die in der empirischen Kundenbindungsforschung abgedeckten Themenfelder Messung der Kundenbindung, Determinanten der Kundenbindung und Wirkungsanalyse von Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements in jeweils einem Abschnitt behandelt werden.63
� Messung der Kundenbindung
Die in Tab. 1 dargestellten Untersuchungsansätze zur Messung der Kundenbin-
dung im Einzelhandel lassen sich zunächst danach systematisieren, ob tatsäch-liches Kundenverhalten und/oder Verhaltensabsichten von Kunden berücksichtigt werden und inwieweit der Wiederkauf von Leistungen (= direkte Messung) des Un-ternehmens oder der Wechsel zu Leistungen anderer Anbieter (= indirekte Messung) als Indikatoren herangezogen werden.
Erfolgt eine direkte Messung und stellt das Objekt dieser das Verhalten der Kunden dar, so werden in der überwiegenden Zahl der untersuchten Studien die Wiederkauf-häufigkeit, die Dauer der Geschäftsbeziehung zu einem Kunden und Kundeninvesti-tionen in Produkte eines Anbieters als Indikatoren der Kundenbindung herangezogen (14 von 21 untersuchten Studien). Verhaltensabsichten finden hingegen in 15 der 21 Arbeiten Berücksichtigung. In diesem Zusammenhang dominieren als Indikatoren der Kundenbindung die Wiederkaufabsicht, die Weiterempfehlungsabsicht und die Zusatzkaufabsicht. In insgesamt sechs Studien erfolgt eine indirekte Messung von Kundenbindung. Dabei werden bei Bezugnahme auf das tatsächliche Verhalten der Markenwechsel und der Anbieterwechsel und bei Bezugnahme auf die Verhaltens-absichten der Leistungswechsel und der Anbieterwechsel als Indikatoren herange-zogen.
Ansätze zur Messung von Kundenbindung lassen sich ferner danach systematisie-ren, inwieweit objektiv ermittelbare Indikatoren zum Wiederkaufverhalten – wie etwa die Kauffrequenz von Leistungen oder der Umsatz, den ein Kunde in einem bestimmten Betrachtungszeitraum generiert – oder die subjektiv erlebte Bindungs-intensität des Kunden als Indikatoren verwendet werden. Bei Letzteren erfolgt die
63 Vgl. zu dieser Einteilung Gerpott, T.J. (2000), Kundenbindung: Konzepteinordnung und Bestands-
aufnahme der neueren empirischen Forschung, in: Die Unternehmung, 54, 1, S. 23-42, S. 29.
17
Tabelle 1: Handelsspezifische Kundenbindungsstudien
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20
Messung ausschließlich über die Befragung von Kunden zu deren Verhalten bzw. Verhaltensabsichten. Dabei wird nicht überprüft, inwieweit sich dieses Erleben auch in tatsächlichen Folgekaufakten niederschlägt. Bei lediglich zwei von den 21 betrachteten Untersuchungen werden objektive Kundendaten berücksichtigt. Als Begründung dafür, dass nur selten eine Messung der Kundenbindung über objektiv ermittelbare Kriterien zum Wiederkaufverhalten erfolgt, kann sicherlich die aufwändigere Datenerhebung, die über eine bloße Kundenbefragung hinausgeht, angeführt werden. Andererseits überrascht in einem Zeitalter, in dem Scannerkassen und Kundenkarten im Einzelhandel weit verbreitet sind, der Mangel an messmethodisch anspruchsvollen und damit auch belastbaren Studien zur Kundenbindung.
� Determinanten der Kundenbindung
Da unterschiedliche Ursachen und Gründe denkbar sind, warum sich ein Kunde an ein Unternehmen bindet, ist die Identifikation solcher Determinanten der wohl wichtigste Gegenstand der empirischen Kundenbindungsforschung.64 Die in den aufgenommenen Studien in Tab. 1 berücksichtigten Determinanten der Kunden-bindung im Einzelhandel lassen sich grob in Angebotsfaktoren und Kundenmerkmale differenzieren. Angebotsfaktoren sind dabei vom Unternehmen direkt gestaltbar, während Kundenmerkmale nur mittelbar über die Wahl der Zielmärkte beeinflusst werden können.65
Die bisher am häufigsten untersuchte Determinante der Kundenbindung ist zweifels-frei die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamtleistung (Globalzufriedenheit) oder bestimmten Leistungsdimensionen (Einzelzufriedenheiten) oder anderen Bezugsobjekten (z.B. Händler, Verkäufer, Einkaufsstätte).66 Da der Grad an Kunden-zufriedenheit auch Ergebnis objektiv definierbarer Merkmale der Absatzleistungen eines Anbieters ist, spiegelt diese Determinante der Kundenbindung gleichermaßen Angebotsfaktoren und Kundencharakteristika (z.B. Leistungserwartungen) wider, d.h. sie kann sowohl als Angebotsfaktor als auch als Kundenmerkmal klassifiziert werden.
64 Vgl. Dittrich, S. (2002), Kundenbindung als Kernaufgabe im Marketing: Kundenpotentiale lang-
fristig ausschöpfen, 2. Aufl., St. Gallen, S. 52. 65 Als Angebotsfaktoren wurden insbesondere ökonomische Bleibe- bzw. Wechselanreize sowie
Qualitätsmerkmale des Leistungserbringungsprozesses berücksichtigt. Als Kundenmerkmale wur-den in erster Linie Soziodemo- und psychographische Variablen sowie objektive Kundenverhal-tensmerkmale untersucht.
66 So werden bei 16 von 21 untersuchten Studien Zufriedenheitsaspekte berücksichtigt.
21
� Wirkungsanalyse von Massnahmen zum Kundenbindungsmanagement
Die ökonomischen Vorteile einer gefestigten bzw. gesteigerten Kundenbindung werden zwar in den meisten der in Tab. 1 dargestellten Untersuchungen postuliert, selten aber empirisch überzeugend festgestellt.67 Als adäquat erscheinendes Konzept zur Überprüfung der ökonomischen Wirkung kundenorientierter Anbieter-aktivitäten wird von Reinartz/Kumar der Kundenwert vorgeschlagen.68 In ihren Studien stellen die Autoren bei Versandhandelskunden zwischen der Dauer der Geschäftsbeziehung und dem Kundenwert einen signifikanten positiven Zusammen-hang fest. Zeithaml/Berry/Parasuraman kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass gebundene Kunden im Handel eine größere Bereitschaft zur Akzeptanz höherer Preise aufweisen, die wiederum in einem größeren wirtschaftlichen Erfolg des Anbieters resultiert.69 Die weiteren in Tab. 1 dargestellten Studien treffen in Bezug auf die Wirkungen von abgegrenzten Maßnahmen zur Kundenbindung eher unspezifische Aussagen bzw. sind durch einen Mangel an methodisch überzeugenden Wirkungsanalysen gekennzeichnet.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Ergebnisse der empirischen Forschung zur Kundenbindung im Einzelhandel unbeschadet der aufgezeigten Defizite zur Fundierung des Wissens um die Determinanten, die Messung und die Wirkungen von Kundenbindung beigetragen haben. Aufgrund der Untersuchung unterschiedlichster Aspekte lassen sich erste Anhaltspunkte zur Festigung und Steigerung der Kundenbindung im Einzelhandel ableiten. Es bleibt jedoch kritisch anzumerken, dass bis auf zwei Untersuchungen alle Ansätze der einzelhandels-spezifischen Forschung zur Kundenbindung auf die Berücksichtigung der subjektiv erlebten Bindungsintensität abstellen. Inwieweit sich dieses Erleben auch positiv auf objektiv ermittelbare Folgekaufakte auswirkt, bleibt unbeantwortet.
4. Der Textilfacheinzelhandel als Gegenstand der Untersuchung
Vor dem Hintergrund der bislang vernachlässigten wissenschaftlichen Erforschung von Kundenbindung im Einzelhandel erscheint die Entwicklung eines umfassenden
67 Vgl. hierzu auch Kumar, V., Shah, D. (2004), Building and sustaining profitable customer loyalty
for the 21st century, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 317-330. 68 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Reinartz, W.J., Kumar, V. (2002), The mismanagement of
customer loyalty, in: Harvard Business Review, 80, 7, S. 86-94, S. 90ff. und Reinartz, W.J., Kumar, V. (2000), On the profitability of long-life customers in a noncontractual setting: An empirical investigation and implications for marketing, in: Journal of Marketing, 64, 4, S. 17-35, S. 21ff.
69 Vgl. Zeithaml, V.A., Berry, L.L., Parasuraman, A. (1996), The Behavioral Consequences of Service Quality, in: Journal of Marketing, 60, 2, S. 31-46, S. 41.
22
Kundenbindungskonzeptes von Relevanz. Um eine hinreichende Konkretisierung der zu vergleichenden Determinanten und Variablen und einen hohen Aussagewert sicher zu stellen, empfiehlt sich dabei die Konzentration auf eine Betriebsform
und eine Branche.
Einen besonders geeigneten Untersuchungsbereich zur Analyse von Kundenbindung im Einzelhandel stellt die Betriebsform des Fachgeschäftes dar.70 Für die Berück-sichtigung von Fachgeschäften spricht, dass in dieser Betriebsform das gesamte Spektrum des Marketing-Mix mit unterschiedlichsten Schwerpunktsetzungen zum Einsatz kommt, während in Betriebsformen wie z.B. bei Discountern, SB- oder Fachmärkten überwiegend der Preis als Marketing-Instrument im Vordergrund steht. In Bezug auf die Branche bietet sich der Textilbereich an, da hier eine besonders ausgeprägte Handelsdynamik vorliegt. So ist z.B. die Ware modischer Obsoleszenz unterworfen und die Sortimentierung saisonal bedingt. Das Sortiment setzt sich sowohl aus selbstbedienungsfähiger Ware (z.B. Artikel) als auch aus stark beratungsintensiven Produkten (z.B. Konfektion) zusammen. Die Markenpolitik und damit einhergehende Flächenpartnerschaften gewinnen zunehmend an Bedeutung.71
70 Das Fachgeschäft ist ein Einzelhandelsbetrieb, der ein branchenspezifisches oder bedarfs-
gruppenorientiertes Sortiment in großer Auswahl und in unterschiedlichen Qualitäten und Preis-lagen mit ergänzenden Dienstleistungen (z.B. Kundendienst) anbietet. Vgl. o.V. (2006), Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution (Hrsg.): Katalog E, Definitionen zu Handel und Distribution - Elektronische Fassung, 5. Ausgabe, Köln, S. 33.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Fachhandel und Fachgeschäfte vielfach synonym ver-wendet. Der Facheinzelhandel (als Synonym zu Fachhandel) stellte jedoch ursprünglich eine Betriebsform dar und wurde den Warenhausunternehmen, den Versandhandelsunternehmen und den sog. Konsumgenossenschaften gegenüber gestellt. Zum Fach(einzel)handel zählten neben den Fachgeschäften auch Spezialgeschäfte und Boutiquen. Als gemeinsames Charakteristikum wurden insbesondere die fachkundige Beratung und die ergänzenden Dienstleistungen ange-sehen. Auch wenn heute diese Unterteilung in der amtlichen Statistik nicht mehr anzutreffen ist, kann diese Differenzierung fortgeführt werden. Vgl. Kaapke, A. (2006), Fachgeschäfte und Fachmärkte - Erscheinungsformen und zukünftige Entwicklung, in: Zentes, J. (Hrsg.): Handbuch Handel: Strategien - Perspektiven - Internationaler Wettbewerb, Wiesbaden, S. 361-376, S. 361ff.
71 Flächenpartnerschaften wie z.B. „Shop-in-Shop-Systeme“ werden dabei mit dem Ziel eingesetzt, den Absatz von bestimmten Markensortimenten zu steigern. Vgl. Breitkopf, S., Wagener, K. (2003), Textileinzelhandel - Restrukturierung leitet die Wende ein, in: Der Handel, 3, S. 22-23, S. 22; o.V. (2003), Mit Flächenkonzepten die Rendite steigern, Chancen, Auswahlkriterien und Umsetzungsempfehlungen, in: Textilwirtschaft, 05. Juni 2003, S. 22ff.
Unter einem Shop-in-Shop-System, auch als Shop-in-Store-Konzept bezeichnet, wird eine laden-bauliche Maßnahme verstanden, bei der bestimmte Teile des Sortiments (i.d.R bestimmte Marken) als Spezialabteilungen herausgehoben werden. Der Kunde trifft dann innerhalb einer meist großflächigen Einkaufsstätte auf Markensortimente, die sich durch Anordnung und Darbie-tung optisch vom Umfeld abheben. Vgl. Weinberg, P. (1992), Erlebnismarketing, München, S. 147.
Flächenpartnerschaften stellen vor diesem Hintergrund eine Möglichkeit zur Fokussierung auf ein überschaubares Markenportfolio für den Textileinzelhandel dar, um Markenerosion aufgrund von Markenvielfalt zu vermeiden. Vgl. Kirchgeorg, M., Klante, O. (2005), Ursachen und Wirkungen der Markenerosion, in: Esch, F.-R. (Hrsg.): Moderne Markenführung: Grundlagen, Innovative
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
23
Fachgeschäftstypische Merkmale wie z.B. persönliche Beratung, Auswahl und Service spielen auch im Textilfacheinzelhandel eine besondere Rolle. Das Betriebsgrößenspektrum geht von Spezialisten (Haka, DOB, KOB) bis hin zu Vollsortimentern. Dabei zeichnet sich die Betriebsform Facheinzelhandel durch stationäre, kleinere und mittelgroße, häufig inhabergeführte, Textilfachgeschäfte aus.72
Die Nachfragesituation im Textilfacheinzelhandel ist, wie die im gesamten Einzel-handel, zunächst geprägt durch eine wesentliche Veränderung der Altersstruktur
der Konsumenten. Die Bevölkerung in Deutschland altert dramatisch. So wird heute davon ausgegangen, dass bereits im Jahr 2030 der Altenquotient bei 70,9 liegt, d.h. 100 Menschen im Erwerbsalter (20 bis 59 Jahre) stehen dann 71 Personen im Ren-tenalter (60 Jahre und älter) gegenüber.73 Im Jahr 2001 lag dieser Quotient noch bei 43,9. Dabei besteht schon heute eine zentrale Herausforderung an den Einzelhandel darin, sich den wandelnden Bedürfnissen und dem Konsumentenverhalten durch das Angebot spezifischer Dienstleistungen und Produkte anzupassen.74 Neben den Ver-änderungen in der Altersstruktur der Konsumenten stellen die Zunahme von Single-
Haushalten und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit weitere sozioökonomische Entwicklungen dar, die die Nachfragesituation nachhaltig beeinflussen.75 Ungünstig für den Textilfacheinzelhandel wirken sich darüber hinaus die Veränderungen bei
den Ausgaben der Konsumenten aus. So sank in den letzten Jahren der Anteil des
Ansätze, Praktische Umsetzungen, 4., vollständig überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 329-350, S. 331.
72 Vgl. Horstmann, S. (1997), Vertikale Vertriebskooperationen in der Bekleidungswirtschaft: eine Analyse innovativer Distributionskonzepte US-amerikanischer und deutscher Bekleidungsherstel-ler, Münster, S. 21.
Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) geht dabei in seinen Untersuchungen von folgendem Größenraster aus: Kleine Unternehmen beschäftigen maximal neun Mitarbeiter und erzielen einen Jahresumsatz von maximal 500.000 €. Mittelgroße Unternehmen beschäftigen zwischen 10 und 499 Mitarbeiter und erzielen einen Jahresumsatz zwischen 500.000 € und 50 Mio. €. Als große Unternehmen werden Unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern und einem Jahresumsatz über 50 Mio. € eingestuft. Vgl. Günterberg, B., Wolter, H.-J. (2003), Unternehmensgrößenstatistik 2001/2002, Daten und Fakten, Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.), IfM-Materialien Nr. 157, Bonn, S. 13.
73 Vgl. o.V. (2003), Bevölkerung Deutschlands bis 2050, (Hrsg.) Statistisches Bundesamt Deutschland, Ergebnisse der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden, S. 32.
74 Vgl. Mandac, L. (2000), Kaufhof Warenhaus AG: Senioren-Marketing - Integration statt Abgrenzung, in: Meyer-Hentschel (Hrsg.): Handbuch Senioren-Marketing. Erfolgsstrategien aus der Praxis, Frankfurt a.M., S. 257-272, S. 264.
75 Vgl. o.V. (2005), Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland, (Hrsg.) Bundesagentur für Arbeit, Monatsbericht Dezember und Jahr 2005, Nürnberg, S. 2ff.; Evans, K.R., Christiansen, T., Dill, J.D. (1996), The Impact of Social Influence and Role Expectations on Shopping Center Patronage Intentions, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 24, 3, S. 208-218, S. 208ff.
24
Einzelhandelsumsatzes an den privaten Konsumausgaben um mehr als ein Viertel.76 Bei Bekleidung zeichnet sich ein noch weitaus ungünstigeres Bild ab. Absolut gesehen hat sich in diesem Segment der Anteil am Gesamtbudget in den vergangenen 30 Jahren sogar halbiert. Ferner ist die Nachfragesituation im Textilfacheinzelhandel besonders stark durch die infrastrukturellen Probleme der Stadtzentren beeinflusst worden.77
Neben diesen strukturellen Veränderungen des Absatzmarktes sind gravierende Ver-änderungen im Konsumentenverhalten zu erwähnen.78 Durch den Wertewandel wird ein wachsender Pluralismus des Lebensstils begünstigt, der gerade im Textilbereich die Mode und individuelle Kombinierbarkeit der Garderobe zunehmend bedeutungsvoller erscheinen lässt. Von besonderer Bedeutung ist ferner die wachsende Polarisierung des Einkaufsverhaltens. Auf der einen Seite ist der Konsument im Bereich grundnutzenorientierter Produkte extrem preissensibel, auf der anderen Seite wird zusatznutzenorientierte Ware zunehmend über Image oder Einkaufserlebnis verkauft. Der Konsument verhält sich somit multi-optional und lässt sich nicht mehr wie Otto Normalverbraucher in eine bestimmte Kategorie einordnen.79
76 Vgl. hierzu sowie im Folgenden o.V. (2006), Textileinzelhandel 2006, BTE-Statistik-Report, (Hrsg.)
Bundesverband des deutschen Textileinzelhandels, Köln, S. 86ff. 77 In gleicher Weise wie die Geschäfte auf der grünen Wiese in der Gunst der Verbraucher gestiegen
sind, haben die Stadtzentren und damit verbunden die klassischen Bekleidungsfachgeschäfte an Attraktivität verloren. Vgl. Schuckel, M., Sondermann, N. (2005), Zur Entwicklung des innerstädtischen Einzelhandels - Zukunft ohne PKW-Kunden?, in: Handel im Fokus, 2005, 2, S. 79-94, S. 79ff.; Nowicki, J. (2004), Frequenz verzweifeld gesucht, in: Textilwirtschaft, 23. September 2004, S. 70-72, S. 70ff.
78 Vgl. Wübbenhorst, K.L. (2004), Entwicklungstendenzen im Einzelhandel: Bausteine des Kon-sums, in: Meffert, H., Backhaus, K., Becker, J. (Hrsg.): Handelsstrategien auf dem Prüfstand - Dynamik der Betriebsformen unter dem Einfluss der Discounter, Dokumentationspapier Nr. 173 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster, S. 1-11, S. 7ff.
79 Als multi-optional werden Konsumenten bezeichnet, deren Kaufverhalten sich in oder zwischen einzelnen Produktgruppen bzw. Dienstleistungen unterschiedlichen Mustern folgt. Wechselt der Konsument zwischen zwei Handlungsprinzipien oder verfolgt er diese nebeneinander (z.B. Versorgungs- vs. Erlebnisorientierung, Preisorientierung vs. Markenorientierung), wird von multi-optionalem oder hybridem Kaufverhalten gesprochen. Besonders häufig wird von multi-optionalem Konsumentenverhalten in Bezug auf die Preisbereitschaft eines Konsumenten gesprochen. In diesem Fall hebt der Begriff auf die unterschiedliche Bedeutung der Preisgünstigkeit für dessen Kaufentscheidungen ab. Zum Ausdruck kommt dies beispielsweise darin, dass Konsumenten für einige Produkte und Leistungen (z.B. Restaurantbesuch) bzw. in einigen Situationen (z.B. im Urlaub) bereit sind, besonders hohe Preise zu bezahlen, wohingegen ihr Verhalten bei anderen Produkten (z.B. Lebensmittel) bzw. in anderen Situationen (z.B. Wochenendeinkauf) durch eine ausgeprägte Sparneigung gekennzeichnet ist. Vgl. Schmalen, H. (1994), Das hybride Kaufverhalten und seine Konsequenzen für den Handel, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 64, 10, S. 1221-1240, S. 1221ff.
25
Als große Herausforderung für den Handel ebenso wie für die Hersteller ist die damit verbundene schwindende Einkaufsstätten- und Markentreue.80
Die Wettbewerbssituation im Textileinzelhandel ist, wie in zahlreichen anderen Handelsbranchen, durch Verdrängungswettbewerb und Konzentration gekennzeich-net. Lt. Angaben der Fachzeitschrift Textilwirtschaft und ihrer Rangliste der größten Textileinzelhändler in Deutschland, so wird offensichtlich, dass die Konzentration in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat.81 Die größten 20 Unternehmen erzielten demnach im Jahr 2005 zusammen einen Marktanteil von 51%. Vor 10 Jahren dokumentierte die TW-Größtenliste im Vergleich dazu erst einen Marktanteil von 42% der 20 größten Unternehmen. Besonders erfolgreich innerhalb des Textileinzelhandels waren in den vergangenen Jahren v.a. Unternehmen wie Aldi, Lidl oder Tchibo, d.h. Lebensmitteldiscounter, die Textilien als interessante Produktgruppe entdeckt haben und mit der entsprechend perfektionierten Discounter-Mechanik vertreiben. In diesem Zusammenhang sind auch Unternehmen wie KiK, Takko oder Ernsting’s Familiy zu sehen, die sich als Textil-Discounter verstehen und laut eigener Angaben bereits Umsätze mit Textilien realisieren, die das Niveau von solch bekannten Anbietern wie Wöhrl, Breuninger oder auch die Nordgruppe von Peek & Cloppenburg übertreffen.
Betrachtet man die Entwicklung der Betriebsformen des Einzelhandels in den letzten Jahren, so zeigt sich, dass insbesondere die kleinen und mittleren Fachgeschäfte besonders stark unter dem Verdrängungswettbewerb im Handel leiden (vgl. Abb. 1). Ihr Marktanteil ging von 36,1% im Jahr 1995 auf 29,8% im Jahr 2004 zurück. Prozentual den größten Zuwachs erzielten in diesem Zeitraum die Fach- und Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser.82 Während Fachmärkte ihren Marktanteil um 17% steigern konnten, erzielten Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser sogar einen Zuwachs von mehr als 22%.
80 Vgl. Wübbenhorst, K.L. (2004), Entwicklungstendenzen im Einzelhandel: Bausteine des
Konsums, in: Meffert, H., Backhaus, K., Becker, J. (Hrsg.): Handelsstrategien auf dem Prüfstand - Dynamik der Betriebsformen unter dem Einfluss der Discounter, Dokumentationspapier Nr. 173 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster, S. 1-11, S. 8.
81 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Erlinger, M. (2006), Die größten Textileinzelhändler in Deutschland 2005, in: Textilwirtschaft, 19. Oktober 2006, S. 24-29, S. 25.
82 Zu den Fachmärkten zählen auch die Unternehmen ALDI, Lidl, Kik und Takko.
26
Abbildung 1: Marktanteile der Angebotstypen des Einzelhandels
(Quelle: i.A. an Träger, U.C. (2006), Strukturen und Entwicklungstendenzen im deut-schen Distributionssystem, in: Zentes, J. (Hrsg.): Handbuch Handel: Strategien, Perspektiven, Internationaler Wettbewerb, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 89-110, S. 105)
Zur Erklärung dieser Entwicklung eignet sich das von Guldin/Ohr entwickelte Ge-schäftstypenmodell des Textilfacheinzelhandels, welches in Abb. 2 dargestellt ist. Folgt man diesem Modell, so ist bezüglich des Fachhandels zunächst festzustellen, dass diese Unternehmen, mit Ausnahme des gehobenen und luxuriösen Segements, sich häufig im am stärksten schrumpfenden Markt der Mitte positionieren und somit in der aktuellen Marktsituation am stärksten unter Druck sind.83 Als problematisch erweist sich dabei die geringe Differenzierungsfähigkeit in der Grundleistung (Sorti-mente). Angesichts des von Kunden erwarteten Angebots an individueller Betreuung und Zusatzleistung sowie einer kompetitiven Preisgestaltung, sieht sich der Textil-facheinzelhandel mit einer Situation konfrontiert, die in einem reinen Preiswettbewerb aufgrund der Kostennachteile gegenüber großen Handelsketten nicht zu bewältigen ist. Folglich müssen Alternativstrategien in Betracht gezogen werden.
Zu den großen Gewinnern der letzten Jahre zählt neben Discountern wie KiK, Takko oder Adler der vertikale Bekleidungshandel mit Anbietern wie H&M, Zara und Esprit.84 Letztere sind aufgrund ihrer Schnelligkeit und Flexibilität bei der Sortiments- 83 Vgl. Albaum, M. (2004), Forever Young statt Young Fashion, in: Textilwirtschaft, 11. November
2004, S. 29-31, S. 29. 84 Vgl. Erlinger, M. (2006), Die größten Textileinzelhändler in Deutschland 2005, in: Textilwirtschaft,
19. Oktober 2006, S. 24-29, S. 25ff.
5,5 5,4 6,0
36,129,8 27,0
21,823,2 24,3
5,34,0 3,5
13,816,1 16,5
17,5 21,5 22,7
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
1995 2004 2008
Schätzung
Verbrauchermärkte/ SB-Warenhäuser Fachmärkte Warenhäuser Filialisierte Fachgeschäfte Kleinere und mittlere Fachgeschäfte Versandhandel
27
erstellung und -vermarktung, der vollständigen Kontrolle der gesamten Wert-schöpfungskette, der fokussierten Zielgruppenausrichtung und dem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis am erfolgreichsten im gesamten Bekleidungsmarkt.
Abbildung 2: Geschäftstypen-Modelle im Textileinzelhandel
(Quelle: i.A. an Guldin, A., Ohr, D. (2005), Kundenbindungsmanagement im Beklei-dungshandel, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungs-management: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, Wiesbaden, S. 767-796, S. 771)
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Wettbewerb innerhalb des Textil-einzelhandels in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist, gepaart mit einem gleichzeitigen Rückgang der Anteile an den privaten Konsumausgaben. Das klassische Bekleidungsfachgeschäft wird zunehmend durch Großfilialisten, Fach-märkte und zielgruppenfokussierte vertikale Anbieter bedroht.
5. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
Ausgehend von dem dargestellten Problemhintergrund und dem besonderen Stellenwert einer handelsbezogenen Kundenbindungsforschung besteht die generelle Zielsetzung der Arbeit darin, einen Beitrag zur Erfassung und Erklärung von Kundenbindung im Einzelhandel zu leisten. Ausgangspunkt dieser Zielsetzung ist die Überlegung, dass Unternehmen, die eine starke Kundenbindung aufbauen,
Luxus
Markt der Mitte
Discount
War
enhä
user
Fach
hand
el
Fach
hand
el
Ver
sand
hand
el
Ver
tikal
er
Bek
leid
ungs
hand
el
Dis
coun
ter
Preisposition des Marktes
28
Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen erzielen können.85 Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung, die dem Bereich der theoriegeleiteten Forschung zuzurechnen ist, steht damit die Frage, unter welchen Umständen und in welcher Form es aus Unternehmenssicht von Relevanz sein kann, gezielt die Bindung von Kunden an das eigene Unternehmen zu fördern.
Diese generelle Zielsetzung der Arbeit lässt sich in mehrere Teilziele und Forschungsschwerpunkte konkretisieren:
� Aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden theoretischen Fundierung vorhandener Untersuchungsansätze ergibt sich unmittelbar die Notwendigkeit der Erarbeitung eines geeigneten theoretischen Grundkonzeptes zur
Kundenbindung im Einzelhandel. Zentrale Fragestellungen beziehen sich dabei auf Entstehungs- und Entwicklungsmechanismen von Kundenbindung. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Kundenzufriedenheit und ihre Determinanten zu legen. Um aufbauend auf diesen Erkenntnissen Schluss-folgerungen für die gezielte Förderung von Kundenbindung ziehen zu können, sind außerdem der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung einerseits sowie zwischen Kundenbindung und dem Kunden-wert andererseits zu erörtern. Damit ist es möglich, einen integrativen Bezugsrahmen abzuleiten, indem Kundenbindung sowohl von der Entstehungs- als auch von der Wirkungsseite her umfassend diskutiert wird.
� Die empirische Überprüfung des entwickelten Bezugsrahmens ermöglicht zum einen die generelle Fundierung der theoretisch-konzeptionellen Überlegungen und zum anderen eine Quantifizierung der Determinanten und der
Wirkungen von Kundenbindung im Einzelhandel. Insbesondere in dem zweiten Aspekt ist ein wichtiger Erklärungsbeitrag dieser Arbeit zu erwarten, da es durch die Bestimmung der relativen Bedeutungsgewichte gelingt, die Zusammenhänge zwischen einzelnen, den Kundenbindungsprozess deter-minierenden Faktoren zu bewerten und so die wichtigsten herauszuarbeiten.
� Abschließend sind die theoretisch-konzeptionellen sowie empirischen Erkenntnisse zusammen zu führen und Aussagen hinsichtlich der Gestaltung
eines Kundenbindungsmanagements abzuleiten. Aus der Perspektive des
85 Vgl. Thomas, J.S. (2005), A Methodology for linking Customer Acquisition to Customer Retention,
in: Journal of Marketing Research, 38, 2, S. 262-268, S. 263; Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 23; Müller-Hagedorn, L. (2001), Kundenbindung mit System, in: Müller-Hagedorn, L. (Hrsg.): Kundenbindung im Handel, 2.,akt. u. überarb. Aufl., Frankfurt a.M., S. 11-46, S. 11ff.
29
Textilfacheinzelhandels sollen dabei insbesondere Implikationen für das Beziehungsmanagement abgeleitet werden, um die Entwicklung der Kundenbindung systematisch zu analysieren, zu beeinflussen und zu kontrollieren.
Mit den beschriebenen Ziel- und Schwerpunktsetzungen ist der Gang der Unter-
suchung bereits vorgezeichnet (vgl. Abb. 3). Im nachfolgenden Teil B erfolgt eine Erarbeitung eines theoretischen Konzeptes zur Analyse von Kundenbindung im Einzelhandel. In einem ersten Schritt werden dabei die zentralen Konstrukte des Prozesses Kundenbindung im Untersuchungskontext dieser Arbeit definiert und diesbezüglich zentrale Fragestellungen diskutiert. In einem zweiten Schritt wird der Zusammenhang zwischen den Konstrukten erörtert. Hierbei werden zunächst empirische Befunde zu den Zusammenhängen vorgestellt und bewertet, bevor im Anschluss eine theoretische Fundierung dieser erfolgt. Die aus den konzeptionellen Überlegungen gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der Wirkungskette der Kunden-bindung im Einzelhandel werden in einem letzten Schritt in einen Bezugsrahmen integriert und durch übergeordnete Untersuchungshypothesen spezifiziert. Diese stellen die Untersuchungsgrundlage für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte empirischen Untersuchung dar.
Abbildung 3: Aufbau der Arbeit
Gegenstand der empirischen Untersuchung des Teils C der vorliegenden Arbeit bildet zunächst die Beschreibung des Untersuchungsdesigns, wobei sowohl auf die Stichprobenstruktur als auch auf methodische Aspekte eingegangen wird. Auf der
Problemstellung der Arbeit
Kundenbindung als strategischer Erfolgsfaktor, Defizite in der Kundenbindungsforschung im Einzelhandel
Terminologische Grundlagen und Aufbau
Begriffsverständnis von Kundenbindung, Methodisches Vorgehen
Konzeptionelle Grundlagen
Entstehung und Entwicklung von Kundenbindung, Begriffsverständnis von und Zusammen-hänge zwischen den zentralen Konstrukten
Empirische Untersuchung
Determinanten der Kundenzufriedenheit, Wirkungskette von Kundenbindung
Zusammenfassung und Ausblick
Implikationen für das Kundenbindungsmanagement, Offene Forschungsfelder
30
Grundlage des Bezugsrahmens und der aus den theoretischen Vorüberlegungen abgeleiteten Hypothesen erfolgt die empirische Überprüfung entlang der im Bezugs-rahmen aufgezeigten Beziehungsstruktur. Als Analyseverfahren wird hierbei auf die Kausalanalyse zurückgegriffen.
Im abschliessenden Teil D erfolgt eine zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse der Arbeit, die der Ableitung von Implikationen für das Kundenbindungs-management im Einzelhandel dient. In diesem Kontext gilt es inbesondere Hinweise für das Handelsmarketing zu liefern, die bei dem gezielten Aufbau und der Steuerung von Kundenbindung unterstützen. Abschließend werden offene Forschungsfelder und die damit verbundenen Implikationen für weitere Forschungsfragestellungen dargestellt.
31
B. Theoretische Grundlagen zur Kundenbindung im Einzelhandel
1. Kundenbindung im konzeptionellen Bezugsrahmen einer Wirkungskette
Dass Kundenbindung einen mittlerweile anerkannt hohen Stellenwert in und für Kundenbeziehungen im Einzelhandel hat, wurde einleitend bereits dargelegt. Ebenfalls wurde gezeigt, dass die Kundenzufriedenheit im Zusammenhang mit Untersuchungen zum Thema Kundenbindung bisher am häufigsten untersucht wurde, während als Indikator der ökonomischen Wirkung der Kundenbindung der Kundenwert vorgeschlagen wurde.
Auf die Notwendigkeit einer systematischen Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenwert, weist Parasuraman bereits im Jahr 1997 hin, als er konstatiert, dass „the relationship between customer value and value from the organization’s perspective – notably stockholder value – needs to be examined systematically“86. Diese Beziehung wird im Rahmen des Relationship Marketing über die Kundenbindung abgebildet.87
Zwar existieren in der Literatur zahlreiche Arbeiten, die Zusammenhänge zwischen den oben genannten Konstrukten analysieren, jedoch ist einschränkend festzuhalten, dass in den meisten Fällen eine isolierte Betrachtung der Zusammenhänge zweier Konstrukte erfolgt und nicht eine umfassende Wirkungskette von der Kunden-zufriedenheit bis hin zum Kundenwert im Fokus der Betrachtung steht.88 Aufgrund
86 Parasuraman, A. (1997), Reflections on Gaining Competitive Advantage Through Customer
Value, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 25, 2, S. 154-161, S. 160; vgl. ähnlich Eggert, A. (2006), Die zwei Perspektiven des Kundenwerts: Darstellung und Versuch einer Integration, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 41-59, S. 55f. und Anderson, E.W., Mittal, V. (2000), Strengthening the Satisfaction-Profit Chain, in: Journal of Service Research, 3, 2, S. 107-121, S. 107.
87 In den letzten Jahren hat sich der Ansatz des Relationship- bzw. Beziehungsmarketing sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis fest etabliert. Vgl. Meffert, H. (2005), Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 145-166, S. 127.
Unter Relationship Marketing wird ein ganzheitlicher Ansatz der Unternehmensführung verstan-den, der alle kundenbezogenen Prozesse mit dem Ziel, nachhaltig profitable Geschäftsbezie-hungen mit ausgewählten Kunden aufzubauen und zu pflegen, integriert und optimiert. Vgl. Ahlert, D., Hesse, J. (2002), Relationship Management im Beziehungsnetz zwischen Hersteller, Händler und Verbraucher, in: Ahlert, D., Becker, J. (Hrsg.): Customer Relationship Management im Handel: Strategien - Konzepte - Erfahrungen, Berlin u.a., S. 3-30, S. 4f.
Die Kundenbindung und ihre ökonomischen Auswirkungen (z.B. auf den Kundenwert) gelten damit als zentrale Konstrukte im Rahmen des Relationship Marketing.
88 Vgl. Homburg, C., Bucerius, M. (2006), Kundenzufriedenheit als Managementherausforderung, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., überarb. u.
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
32
der expliziten Einbindung einer Erfolgsgröße bei der im Folgenden skizzierten Profit Chain, ist diese als Bezugsrahmen im Relationship Marketing geeignet.89
Die von Heskett et al. entwickelte Service Profit Chain (SPC) kann dabei als Ausgangspunkt der Forschung zu den Zusammenhängen zwischen den Konstrukten Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert betrachtet werden.90 Der Return-on-Quality-Bezugsrahmen, die Satisfaction Profit Chain, das Relationship Profitability Model und der Customer Satisfaction Sales Performance-Bezugsrahmen stellen leicht abgewandelte bzw. in Abhängigkeit der Zielsetzung der Publikation weiterentwickelte Ansätze dar.91 Empirisch überprüft wurden bereits alle der genannten Ansätze, Pritchard/Silvestro konstatieren jedoch einen Mangel an Publikationen, die die Wirkungszusammenhänge explizit in einem handels-spezifischen Kontext testen und analysieren.92
Im deutschsprachigen Raum haben insbesondere Bruhn, Krafft und Homburg/ Fassnacht die Erforschung dieser Ursache-Wirkungs-Beziehungen forciert, wobei jeweils Modifikationen an den bestehenden Ansätzen vorgenommen wurden.93 Im
erw. Aufl., Wiesbaden, S. 53-89, S. 67; Zeithaml, V.A. (2000), Service Quality, Profitability and the Economic Worth of Customers: What we Know and what we Need to Learn, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 28, 1, S. 67-85, S. 83 sowie die in Kap. B.5.1 vorgestellten Studien.
89 Vgl. Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 57.
90 Vgl. Heskett, J.L., SasserJr., W.E., Schlesinger, L.A. (1997), The Service Profit Chain: How leading Companies link Profit and Growth to Loyalty, Satisfaction, and Value, New York, S. 11ff.; Heskett, J.L., Jones, T.O., Loveman, G.W., SasserJr., W.E., Schlesinger, L.A. (1994), Putting the Service-Profit Chain to Work, in: Harvard Business Review, 72, 2, S. 164-170, S. 166.
91 Vgl. zum Return-on-Quality-Bezugsrahmen Bowman, D., Narayandas, D. (2004), Linking Customer Management Effort to Customer Profitability in Business Markets, in: Journal of Marketing Research, 41, 4, S. 433-447, S. 434ff.; Rust, R.T., Zahorik, A.J., Keiningham, T.L. (1995), Return on Quality (ROQ): Making Service Quality Financially Accountable, in: Journal of Marketing, 59, 2, S. 58-70; zur Satisfaction Profit Chain Anderson, E.W., Mittal, V. (2000), Strengthening the Satisfaction-Profit Chain, in: Journal of Service Research, 3, 2, S. 107-121, S. 107ff.; zum Relationship Profitability Model Storbacka, K., Strandvik, T., Grönroos, C. (1994), Managing Customer Relationships for Profit: The Dynamics of Relationship Quality, in: International Journal of Service Industry Management, 5, 5, S. 21-38, S. 21ff. und zum Customer Satisfaction Sales Performance-Bezugsrahmen Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 266.
92 Vgl. Pritchard, M., Silvestro, R. (2005), Applying the Service Profit Chain to Analyse Retail Performance: The Case of the Managerial Strait-Jacket?, in: International Journal of Service Industry Management, 16, 4, S. 337-356, S. 338.
93 Vgl. Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 45ff.; Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 57ff.; Homburg, C., Faßnacht, M. (2001), Kundennähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei Dienstleis-tungsunternehmen, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 441-464, S. 441ff.
33
Rahmen dieser Arbeit bietet es sich deshalb an, eine der Zielsetzung adäquate Wirkungskette zu verwenden, deren Glieder die drei vorgestellten Konstrukte Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert bilden (vgl. Abb. 4).
Abbildung 4: Modifizierte Profit Chain
(Quelle: i.A. an Homburg, C., Bruhn, M. (2005), Kundenbindungsmanagement - Eine Einführung in die theoretischen und praktischen Problemstellungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S. 10; Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 58; Heskett, J.L., SasserJr., W.E., Schlesinger, L.A. (1997), The Service Profit Chain: How leading Companies link Profit and Growth to Loyalty, Satisfaction, and Value, New York, S. 52.)
Zentrales Element der SPC ist die Kundenzufriedenheit, welche das erste Glied der häufig als Erfolgskette bezeichneten Ursache-Wirkungs-Beziehung darstellt.94 Sie wird von verschiedenen vorgelagerten Anbieteraktivitäten beeinflusst. Eine hohe Kundenzufriedenheit resultiert in einer hohen Kundenloyalität. Die Kundenloyalität stellt somit das zweite Glied der Erfolgskette dar. Aus einer hohen Kundenloyalität resultiert i.d.R. ein höherer ökonomischer Erfolg. Dieser ökonomische Erfolg, der das dritte Glied der Erfolgskette darstellt, wird in der vorliegenden Arbeit durch einen monetären, objektiv beobachtbaren, individualisierten Kundenwert operationalisiert.
94 Häufig wird im Rahmen von Profit Chains an Stelle von Kundenzufriedenheit auch von Kunden-
nettonutzen gesprochen. Nimmt der Kunde einen hohen Nettonutzen wahr, so ist davon auszu-gehen, dass er auch sehr zufrieden ist. Vgl. Woodruff, R.B. (1997), Customer Value: The Next Source for Competitive Advantage, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 25, 2, S. 139-153, S. 142.
Anbieter-aktivitäten
Kunden- zufrieden- heit
Kunden-loyalität Kundenwert
Kundenbindung
34
Nachdem in diesem Kapitel der Grundgedanke der SPC vorgestellt und mögliche Zusammenhänge zwischen den Konstrukten skizziert wurden, sollen im Folgenden die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge theoretisch fundiert werden. Vor diesem Hintergrund erfolgt zunächst eine ausführliche Darstellung der betrachteten Kon-strukte. Im Anschluss daran wird auf die Beziehungen zwischen den Konstrukten eingegangen. Darauf aufbauend wird das Untersuchungsmodell dieser Arbeit abge-leitet.
2. Das Konstrukt Kundenzufriedenheit
Nach einer Klärung der definitorischen Grundlagen des Konstruktes Kunden-zufriedenheit sollen zunächst theoretische Erklärungsmodelle und Konzepte in Bezug auf die Entstehungsprozesse von Kundenzufriedenheit vorgestellt werden. Im Anschluss an die Darstellung der unterschiedlichen Messansätze zur Kunden-zufriedenheit werden dann die relevanten Dimensionen der Kundenzufriedenheit für den Textilfacheinzelhandel diskutiert.
2.1 Definition der Kundenzufriedenheit
In diesem Abschnitt werden zunächst bisherige Definitionen zu Kundenzufriedenheit gesichtet und die Unterscheidungsmerkmale dieser Ansätze erörtert, bevor auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse eine Ableitung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Definition erfolgt.95
Während die Anwendung des Begriffs im alltäglichen Sprachgebrauch zu keinen größeren Verständnisproblemen führt, existieren in der marketingwissenschaftlichen Auseinandersetzung eine Vielzahl von Konzepten zur Definition und Beschreibung des Konstrukts Kundenzufriedenheit.96 Ein einheitliches Begriffsverständnis liegt bislang nicht vor.97 Eine systematische Sichtung der in der Literatur vorgeschlagenen Definitionen zeigt jedoch, dass aus den bestehenden Ansätzen drei wesentliche
95 Vgl. für Überblicke zu Kundenzufriedenheitsstudien Szymanski, D.M., Henard, D.H. (2001),
Customer Satisfaction: A Meta-Analysis of the Empirical Evidence, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 29, 1, S. 16-36; Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24.
96 Vgl. hierzu die Überblicke bei Matzler, K. (1997), Kundenzufriedenheit und Involvement, Wiesbaden; Oliver, R.L. (1997), Satisfaction: A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a, Yi, Y. (1989), A critical review of consumer satisfaction, in: Zeithaml, V.A. (Hrsg.): Review of Marketing, Chicago, S. 68-123, S. 68ff.
97 Vgl. Stauss, B., Seidel, W. (2006), Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheits-dynamik bei Dienstleistungen, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit. Konzepte - Metho-den - Erfahrungen, 6., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 171-196, S. 174; Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 6; Oliver, R.L., DeSarbo, W.S. (1988), Response determinants in satisfaction judgement, in: Journal of Consumer Research, 14, 4, S. 495-507, S. 496ff.
35
Charakteristika extrahiert werden können, die im Folgenden der Reihe nach behandelt werden:98
Autor (Jahr) Definition Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt
Grund (1998)99 „Kundenzufriedenheit ist ein multidimensionales Konstrukt mit transaktionsorientierten sowie beziehungsorientierten Komponenten, das mit positiven Empfindungen des Leistungsempfängers verbunden ist.“
Meffert/Schwetje (1999)100 „… die Zufriedenheit stellt ein multiattributives Konstrukt dar, bei dem sich ein globales Zufriedenheitsurteil als das Ergebnis der Bewertung einer Vielzahl einzeln wahrge-nommener Merkmale des Beurteilungsobjektes ergibt.“
Diller (2000)101 Nach Auffassung des Autors stellt (Preis-) Zufriedenheit ein multiattributives Konstrukt dar, das in eine Reihe von Teil (preis-) zufriedenheiten aufgegliedert werden kann.
Kundenzufriedenheit als einstellungsnahes Konstrukt
Kundenzufriedenheit als Kognition
Tse/Wilton (1988)102 „Customer Satisfaction ist the consumer’s response to the evaluation of the perceived discrepancy between prior expectations and the actual performance of the product as perceived after its consumption.“
Westbrook/Oliver (1991)103 „It is a postchoice evaluative judgement concerning a specific purchase selection.“ Kundenzufriedenheit als Affektion
Kotler (2000)104 „… a person’s feelings of pleasure or disappointment from comparing a product’s perceived performance (or outcome) in relation to his or her expectations.“
Halstead/Hartman/Schmidt (1994)105 „… a transaction-specific affective response resulting from the customer’s comparison of product performance to some prepurchase standard, such as expectation, ideal, or norm.“
Riemer (1986)106 „… ein Gefühl, das ein Konsument im Zusammenhang mit der Nutzung einer Unter-nehmensleistung empfindet.“
Kundenzufriedenheit als Kognition und Affektion
Giering (2000)107
„… das Ergebnis eines kognitiven und affektiven Evaluierungsprozesses, in dessen Rahmen eine geforderte oder gewünschte Soll-Leistung mit der tatsächlich wahrge-nommenen Ist-Leistung verglichen wird. Das Zufriedenheitsurteil bezieht sich hierbei auf die Gesamtheit der Erfahrungen mit einem bestimmten Anbieter und dessen Produkten.“
Oliver (1997)108 „Satisfaction is the consumer’s fulfillment response. It is a judgement that a product or service feature, or the product or service itself, provided (or is providing) a pleasurable level of consumption-related fulfillment, including levels of under- or overfulfillment.“
Tabelle 2: Ausgewählte Definitionen zu Kundenzufriedenheit
98 Vgl. für einen Überblick über ausgewählte Definitionen und Modellierungsansätze Tab. 2. 99 Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwi-
schen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 18. 100 Meffert, H., Schwetje, T. (1999), Bedeutung von Mitarbeiterinteraktion und Mitarbeiterzufrieden-
heit für die Kundenzufriedenheit im Handel, in: Planung & Analyse, 26, 5, S. 44-49, S. 44. 101 Vgl. Diller, H. (2000), Preiszufriedenheit bei Dienstleistungen, in: DBW, 60, 5, S. 570-587, S. 574. 102 Tse, D., Wilton, P. (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, in: Journal
of Marketing Research, 25, 2, S. 204-212, S. 204. 103 Westbrook, R.A., Oliver, R.L. (1991), The Dimensionality of Consumption Emotion Patterns and
Consumer Satisfaction, in: Journal of Consumer Research, 18, 1, S. 84-91, S. 84. 104 Kotler, P. (2000), Marketing Management, New Jersey, S. 36. 105 Halstead, D., Hartmann, D., Schmidt, S. (1994), Multisource Effects on the Satisfaction
Formation Process, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 114-129, S. 122. 106 Riemer, M. (1986), Beschwerdemanagement, Frankfurt a.M., S. 18. 107 Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine
Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 14. 108 Oliver, R.L. (1997), Satisfaction: A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a., S. 13.
36
� Kundenzufriedenheit als Prozess
� Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt
� Kundenzufriedenheit als einstellungsnahes Konstrukt
Im Großteil der Veröffentlichungen wird Kundenzufriedenheit über einen Prozess definiert, d.h. für die Modellierung werden weitere Mechanismen sowie deren Zusammenwirken berücksichtigt.109 Die weiteste Verbreitung hat in diesem Zusammenhang das Confirmation/Disconfirmation (C/D)-Paradigma erlangt.110 Grundgedanke des C/D-Paradigmas ist, dass das Zufriedenheitsurteil eines Kunden aus einem Soll/Ist-Vergleichsprozess resultiert.111 Dabei vergleicht der Kunde seine tatsächliche Erfahrung bei Inanspruchnahme einer Leistung (Ist-Leistung) mit einem Vergleichsstandard (Soll-Leistung). Entspricht die wahrgenommene Leistung dem zugrunde liegenden Vergleichsstandard, kommt es zur Konfirmation (Bestätigung), die zu Zufriedenheit führt. Übertrifft die wahrgenommene Leistung den zugrunde liegenden Vergleichsstandard, kommt es zu positiver Diskonfirmation, die in einer gesteigerten Zufriedenheit resultiert.112 Ist die wahrgenommene Leistung hingegen niedriger als der zugrunde liegende Vergleichsstandard, kommt es zu negativer 109 Vgl. Oliver, R.L. (1997), Satisfaction: A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a.; Tse,
D., Wilton, P. (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, in: Journal of Marketing Research, 25, 2, S. 204-212, S. 204ff.
110 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 19; Szymanski, D.M., Henard, D.H. (2001), Customer Satisfaction: A Meta-Analysis of the Empirical Evidence, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 29, 1, S. 16-36, S. 18; Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 6; Agrawal, M. (1995), You Haven't Seen All: Hypothesis for Extending Research on the Benefits of Customer Satisfaction, in: Marketing Today and for the 21st Century, Proceedings of the 24th Annual Conference of the European Marketing Academy, S. 1-17, S. 4; Wirtz, J. (1993), A Critical Review of Models in Consumer Satisfaction, in: Asian Journal of Marketing, 2, 1, S. 7-22, S. 2; Yi, Y. (1989), A critical review of consumer satisfaction, in: Zeithaml, V.A. (Hrsg.): Review of Marketing, Chicago, S. 68-123, S. 69.
111 Vgl. Fornell, C., Johnson, M., Anderson, E., Cha, J., Bryant, B (1996), The American Customer Satisfaction Index: Nature, Purpose and Findings, in: Journal of Marketing, 60, 4, S. 7-18, S. 8ff.; Anderson, E., Sullivan, M. (1993), The Antecedents and Consequences of Customer Satisfaction for Firms, in: Marketing Science, 12, 2, S. 125-143, S. 127f.; Richins, M., Bloch, P. (1991), Post-Purchase Product Satisfaction: Incorporating the Effects of Involvement and Time, in: Journal of Business Research, 23, 2, S. 145-158, S. 145ff.; Bearden, W., Teel, J. (1983), Selected Determinants of Consumer Satisfaction and Complaint Reports, in: Journal of Marketing Research, 20, 1, S. 21-28, S. 22ff.; Churchill, G., Surprenant, C. (1982), An Investigation Into the Determinants of Customer Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 19, 4, S. 491-505, S. 492; Oliver, R.L. (1981), Measurement and Evaluation of Satisfaction Process in Retail Setting, in: Journal of Retailing, 57, 3, S. 25-48, S. 25ff.
112 Kirchgeorg spricht in diesem Zusammenhang von „leichter“ bzw. „schwerer“ Zufriedenheit. Vgl. Kirchgeorg, M. (2005), Marktforschung, Kunden- und Konkurrenanalyse - Gewinnung der markt-orientierten Basisinformationen für den Innovationsprozess, in: Schäppi, B., Andreasen, M.M., Kirchgeorg, M., Radermacher, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung: Strategien, Prozesse, Methoden, Ressourcen, Wien/München, S. 141-168, S. 154.
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Diskonfirmation, die Unzufriedenheit zur Folge hat. Der dem C/D-Paradigma zugrunde liegende Vergleichsprozess ist in Abb. 5 dargestellt.
Abbildung 5: Confirmation/Disconfirmation Paradigma
Hinsichtlich der Soll-Leistung, die dem Vergleichsprozess zugrunde liegt, werden in der Forschung zur Kundenzufriedenheit verschiedene inhaltliche Ausprägungsfor-men diskutiert. Die größte Beachtung wird in diesem Zusammenhang den Erwartungen des Kunden (antizipiertes Leistungsniveau) zuteil.113 Darüber hinaus haben insbesondere Erfahrungsnormen, Idealvorstellungen, Wertvorstellungen und soziale Normen als Vergleichsmaßstäbe Anwendung gefunden.114 Die Frage, welchen Vergleichsmaßstab Kunden in unterschiedlichen Situationen zugrunde legen, wird in der Literatur intensiv diskutiert.115 Außer bei der Ausprägungsform des Vergleichsmaßstabs herrscht ferner Unklarheit in Bezug auf die verwendete Anzahl bzw. Auswahl der Standards. So ist durchaus vorstellbar, dass mehrere Standards
113 Vgl. Kopalle, P.K., Lehmann, D.R. (2001), Strategic Management of Expectations: The Role of
Disconfirmation Sensivity and Perfectionism, in: Journal of Marketing Research, 38, 3, S. 386-395, S. 386ff.; Fournier, S., Mick, D.G. (1999), Rediscovering Satisfaction, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 5-24, S. 6f.
114 Vgl. Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 6f. 115 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufrieden-
heit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., über-arb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 20ff.; Erevelles, S., Leavitt, C. (1992), A Comparison of Current Models of Consumer Satisfaction/Dissatisfaction, in: Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behaviour, 5, S. 104-114, S. 108.
Vergleichsprozess
Ist-Leistung (wahrgenommene
Leistung)
Soll-Leistung (Vergleichsstandard)
positive Diskonfirmation
(Ist > Soll)
Konfirmation (Ist = Soll)
negative Diskonfirmation
(Ist < Soll)
Zufriedenheit
Unzufriedenheit
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sequenziell oder simultan bei der Bildung des Zufriedenheitsurteils eine Rolle spielen.116
Bezüglich der Ist-Leistung herrscht in der Literatur weitgehend Übereinstimmung, dass es sich hierbei um die vom Kunden subjektiv wahrgenommene Leistung eines Produkts oder einer Dienstleistung handelt.117 Der Kunde selektiert somit subjektiv aus einer Fülle von Reizen nur jene, die das eigene Informationssystem nicht überfordern, so dass objektiv gleiche Leistungen interindividuell unterschiedlich interpretiert werden.118
Im Vergleichsprozess wird das Verhältnis zwischen Soll- und Ist-Leistung bewertet. Dabei erfolgt der Vergleich zwischen Soll- und Ist-Leistung nicht anhand einer objektiv nachprüfbaren mathematischen Subtraktion, sondern anhand der vom Kunden subjektiv empfundenen Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Leistung und dem unterstellten Vergleichsstandard.119 Die direkte Erfassung der subjektiv empfundenen Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen und der erwarteten Leistung ist der separaten Messung von Soll- und Ist-Leistung insofern überlegen, als individuelle Unterschiede aufgrund psychologischer Effekte berücksichtigt werden können.120
Es bleibt festzuhalten, dass nach dem heutigen Stand der Forschung zum C/D-Paradigma noch nicht endgültig geklärt ist, welche und wie viele Vergleichsstandards ein Kunde als Soll-Komponente in Betracht zieht. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur die Soll-Leistung nach wie vor kontrovers diskutiert, während in Bezug auf das Verständnis der Ist-Leistung und des Vergleichsprozesses weitgehend Überein-stimmung herrscht. Basierend auf diesen Erkenntnissen empfiehlt es sich, Kunden- 116 Tse/Wilton weisen in diesem Zusammenhang den simultanen Einfluss von drei unterschiedlichen
Vergleichsstandards auf die Zufriedenheit nach. Vgl. Tse, D., Wilton, P. (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, in: Journal of Marketing Research, 25, 2, S. 204-212, S. 204ff.
117 Vgl. Tse, D., Wilton, P. (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, in: Journal of Marketing Research, 25, 2, S. 204-212, S. 204; Cadotte, E.R., Woodruff, R.B., Jenkins, R.L. (1987), Expectations and Norms in Models of Consumer Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 24, 3, S. 305-314, S. 306; Kaas, K.P., Runow, H. (1984), Wie befriedigend sind die Ergebnisse der Forschung zur Verbraucherzufriedenheit, in: DBW, 44, 3, S. 451-460, S. 452; Churchill, G., Surprenant, C. (1982), An Investigation Into the Determinants of Customer Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 19, 4, S. 491-505, S. 492.
118 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 268ff.
119 Vgl. hierzu ausführlich Wirtz, J. (1993), A Critical Review of Models in Consumer Satisfaction, in: Asian Journal of Marketing, 2, 1, S. 7-22.
120 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufrieden-heit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., über-arb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 22.
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zufriedenheit direkt als Ergebnis des beim Kunden ablaufenden Evaluierungspro-zesses zu messen und von einer Operationalisierung einzelner Modellkomponenten abzusehen.121
Als zweites Merkmal der Definitionen von Kundenzufriedenheit wurde dargestellt, dass es sich bei der Kundenzufriedenheit um ein multiattributives Konstrukt handelt.122 Multiattributive Modelle der Kundenzufriedenheit beruhen auf der Annahme, dass die Gesamtzufriedenheit des Kunden aus einer Aggregation
merkmalspezifischer Teilzufriedenheiten resultiert.123 Mathematisch lässt sich das Grundmodell eines multiattributiven Zufriedenheitskonstrukts somit anhand der folgenden Funktion darstellen:124
GZij = ƒ(EZij1, EZij2, …, EZijk)
121 Vgl. Prakash, V. (1984), Validity and Reliability of the Confirmation of Expectations Paradigm as a
Determinant of Consumer Satisfaction, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 12, 4, S. 63-76, S. 65.
122 Vgl. exemplarisch Meffert, H., Bruhn, M. (2000), Dienstleistungsmarketing: Grundlagen, Kon-zepte, Methoden, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 220ff.; Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 45; Dabholkar, P.A. (1993), Customer satisfaction and service quality: Two constructs or one?, in: Enhancing Knowledge Development in Marketing, 4, S. 10-18, S. 10ff; Hentschel, B. (1992), Dienstleistungsqualität aus Kundensicht: Vom merkmals- zum ereignisorientierten Ansatz, Wiesbaden, S. 111; Peterson, R., Wilson, W. (1992), Measuring Customer Satisfaction: Fact and Artefact, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 20, 1, S. 61-71, S. 61ff.; Schütze, R. (1992), Kundenzufriedenheit: After-Sales Marketing auf indus-triellen Märkten, Wiesbaden, S. 152; Burmann, C. (1991), Konsumentenzufriedenheit als Determi-nante der Marken- und Händlerloyalität. Das Beispiel Automobilindustrie, in: Marketing - ZFP, 4, S. 249-258, S. 249ff.; Bruhn, M. (1985), Marketing und Konsumentenzufriedenheit, in: Das Wirtschaftsstudium, 14, 6, S. 300-307, S. 301ff; Runow, H. (1982), Zur Theorie und Messung der Verbraucherzufriedenheit, Frankfurt a.M., S. 92ff.; Meffert, H., Bruhn, M. (1981), Beschwerde-verhalten und Zufriedenheit von Konsumenten, in: Die Betriebswirtschaft, 41, 4, S. 597-613, S. 601ff.
123 Vgl. Hentschel, B. (2000), Multiattributive Messung von Dienstleistungsqualität, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität: Konzepte, Methoden, Erfahrungen, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 289-320, S. 297f.; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumenten-verhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 200ff.; Korte, C. (1995), Customer Satisfaction Measurement: Kundenzufriedenheitsmessung als Informationsgrundlage des Hersteller- und Handelsmarketing am Beispiel der Automobilwirtschaft, Frankfurt a.M., S. 35ff.; Stauss, B., Hentschel, B. (1991), Dienstleistungsqualität, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 20, 3, S. 232-259, S. 240.
124 Hierbei gilt: GZij = Gesamtzufriedenheit des Kunden i bezüglich Leistung j EZijk = Einzelzufriedenheit des Kunden i bei Leistung j mit dem Merkmal k (k = 1, …, n) Vgl. Kroeber-Riel, W. (1999), Konsumentenverhalten, 7. Aufl., München, S. 306.
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Auf den zugrunde liegenden Aggregationsalgorithmus bezogen, werden in der Wissenschaft unterschiedliche Modelle (additive, konjunkte, disjunkte) diskutiert.125 Konsens besteht indes dahingehend, dass die relative Bedeutungsgewichtung der einzelnen merkmalspezifischen Teilzufriedenheiten sowohl durch individuelle Bedürfnisse als auch situative Einflussfaktoren bestimmt wird. In Bezug auf die zu berücksichtigenden Zufriedenheitsdimensionen weist Korte darauf hin, dass in Abhängigkeit von der betrachteten Branche und vom betrachteten Produkt bzw. Anbieter, unterschiedliche Zufriedenheitsdimensionen von Relevanz sind.126
Es bleibt festzuhalten, dass die Mehrzahl der wissenschaftlichen Publikationen Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt verstehen. Von besonderer Bedeutung erweist sich in diesem Zusammenhang die Auswahl der für den jeweiligen Untersuchungskontext relevanten Zufriedenheitsdimensionen.127
Als drittes Definitionsmerkmal wurde angeführt, dass es sich bei Kunden-zufriedenheit um ein einstellungsnahes Konstrukt handelt. Einstellungen werden allgemein definiert als gelernte und relativ dauerhafte Bereitschaften eines Individuums, auf bestimmte Objekte konsistent positiv oder negativ zu reagieren.128 Zur Abgrenzung der Begriffe Kundenzufriedenheit und Einstellung wurde ausgehend von einem transaktionalen Zufriedenheitsverständnis in der Literatur lange Zeit betont, dass Zufriedenheit eher konstatierend und an konkrete Erfahrungen gebunden ist, während die Einstellung als eine transaktionsübergreifende und nicht von eigenen Erfahrungen abhängige Objektbewertung zu verstehen ist.129 In diesem Sinne kann Transaktionszufriedenheit auch als ein der Einstellung vorgelagertes Konstrukt verstanden werden.130
125 Vgl. Siefke, A. (1998), Zufriedenheit mit Bahnreisen - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
im innerdeutschen Schienenpersonenfernverkehr, Arbeitspapier der Wissenschaftlichen Gesell-schaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Nr. 125, Münster, S. 73.
126 Vgl. Korte, C. (1995), Customer Satisfaction Measurement: Kundenzufriedenheitsmessung als Informationsgrundlage des Hersteller- und Handelsmarketing am Beispiel der Automobilwirtschaft, Frankfurt a.M., S. 54.
127 Vgl. zur Auswahl der zugrunde liegenden Zufriedenheitsdimensionen die Ausführungen in Kap. B.2.4 dieser Arbeit.
128 Vgl. Berekoven, L., Eckert, W., Ellenrieder, P. (2006), Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 11., überarb. Aufl., Wiesbaden, S. 80; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 54; Meffert, H. (1992), Marketingforschung und Käuferverhalten, 2., vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 55; Fishbein, M., Ajzen, I. (1972), Attitudes and Opinions, in: Annual Review of Psychology, 23, S. 487-544, S. 488.
129 Vgl. Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 12. 130 Vgl. Schütze, R. (1992), Kundenzufriedenheit: After-Sales Marketing auf industriellen Märkten,
Wiesbaden, S. 148.
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Im Vergleich zur Transaktionszufriedenheit beschreibt die Beziehungszufriedenheit eine transaktionsübergreifende Bewertung, in die sämtliche Erfahrungen, die im Laufe einer Beziehung gemacht werden, mit eingehen.131 Sie unterscheidet sich von der Einstellung nur noch darin, dass sie an eigene Erfahrungen gebunden ist. Folglich kann Beziehungszufriedenheit auch als eine erfahrungsgebundene, positive Einstellung interpretiert werden.
Im Hinblick auf den in dieser Arbeit zu untersuchenden Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität stellt sich die Frage, ob es das auf einer einzelnen Transaktion basierende oder das sich auf wiederholter Erfahrung beim Kunden stabilisierte Zufriedenheitsurteil (Beziehungszufriedenheit) ist, das die Treue eines Kunden determiniert. Meffert und Schwetje weisen in diesem Zusammenhang empirisch nach, dass ein längerfristig geprägtes Zufriedenheitsurteil im Vergleich zur Transaktionszufriedenheit eine höhere Kaufverhaltensrelevanz aufweist.132 Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommen Anderson, Fornell und Lehmann, die hierzu festhalten: „Whereas transaction-specific satisfaction may provide diagnostic infor-mation about particular product or service encounter, cumulative satisfaction is a more fundamental indicator of a firm’s past, current, and future performance“133.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und in Anbetracht der Tatsache, dass das Interesse der Marketingforschung an der Kundenzufriedenheit einzig durch die Verhaltensauswirkungen legitimiert wird, empfiehlt sich im Rahmen der vorliegenden
131 Vgl. Stauss, B., Seidel, W. (2006), Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheits-
dynamik bei Dienstleistungen, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit. Konzepte - Metho-den - Erfahrungen, 6., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 171-196, S. 176ff.; Bauer, M. (2000), Kundenzufriedenheit in industriellen Geschäftsbeziehungen: kritische Ereignisse, nichtlineare Zufriedenheitsbildung und Zufriedenheitsdynamik, Wiesbaden, S. 32ff.; Strandvik, T., Liljander, V. (1995), A Comparison of Episode Performance and Relationship Performance for a Descrete Service, in: Kleinaltenkamp, M. (Hrsg.): Dienstleistungsmarketing: Konzeption und Anwendungen, Wiesbaden, S. 111-139S. 120f.; Anderson, E.W., Fornell, C., Lehmann, D.R. (1994), Customer Satisfaction, Market Share, and Profitability: Findings from Sweden, in: Journal of Marketing, 58, 3, S. 53-66, S. 54; Bitner, M.J., Hubbert, A.R. (1994), Encounter Satisfaction Versus Overall Satisfaction Versus Quality, in: Rust, R.T. (Hrsg.): Service Quality: new directions in theory and practice, Thousand Oaks, S. 72-94, S. 77.
132 Vgl. Meffert, H., Schwetje, T. (1998), Messprobleme der Kundenzufriedenheit - Erfahrungen aus einem Marktforschungsprojekt, in: Erichson, B., Hildebrandt, L. (Hrsg.): Probleme und Trends in der Marketingforschung, Stuttgart, S. 73-93, S. 84.
133 Anderson, E.W., Fornell, C., Lehmann, D.R. (1994), Customer Satisfaction, Market Share, and Profitability: Findings from Sweden, in: Journal of Marketing, 58, 3, S. 53-66, S. 54. Vgl. ähnlich Gabarino, E., Johnson, M. (1999), The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships, in: Journal of Marketing, 63, 2, S. 70-87.
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Arbeit eine Konzeptualisierung der Kundenzufriedenheit als Beziehungszufriedenheit und damit als längerfristiges, einstellungsnahes Konstrukt.134
Wie in Tab. 2 dargestellt, lässt sich die Kundenzufriedenheit als einstellungsnahes Konstrukt über drei Ansätze definieren. Während der erste Ansatz davon ausgeht, dass Kundenzufriedenheit aus einem rein kognitiven Soll-/Ist-Vergleich resultiert, beschreibt der zweite Ansatz Kundenzufriedenheit als reine Emotion. Jüngeren Arbeiten liegt häufig ein breiteres Konstruktverständnis zugrunde, bei dem neben einer kognitiven zusätzlich eine affektive Zufriedenheitskomponente in Ansatz gebracht wird.135 Eine Betonung der affektiven Zufriedenheitskomponente liegt auch jenen Veröffentlichungen zugrunde, die sich mit dem Konstrukt Customer Delight beschäftigen.136 Oliver/Rust/Varki definieren Customer Delight als „a strong positive, emotional reaction to a product or service“137.
Aufgrund der bereits angeführten Ähnlichkeit zwischen den Konstrukten Kundenzufriedenheit und Einstellung lassen sich grundsätzlich auch die Ergebnisse der Einstellungsforschung in diesem Zusammenhang als Unterstützung heranziehen. So hat sich in Bezug auf die Modellierung des Konstrukts Einstellung die Auffassung etabliert, dass „attitudes have two distinct, but generally highly correlated, components: affective and cognitive (or evaluative) dimensions“138.
Grundsätzlich werden Emotionen in der Literatur auf zwei unterschiedliche Weisen in kognitive Zufriedenheitsmodelle integriert: entweder als unabhängige oder als intervenierende Variable.139 Im ersten Fall bestimmen Emotionen zusammen mit
134 Vgl. zur Legitimation der Zufriedenheitsforschung Bruhn, M. (1985), Marketing und Konsumenten-
zufriedenheit, in: Das Wirtschaftsstudium, 14, 6, S. 300-307, S. 302. 135 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufrieden-
heit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., über-arb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 22; Koschate, N. (2002), Kundenzufriedenheit und Preisverhalten, Wiesbaden, S. 17; Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzu-friedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 14; Wirtz, J., Bateson, J. (1999), Consumer Satisfaction with Services: Integrating the Environment Perspective in Services Marketing into the Traditional Disconfirmation Paradigm, in: Journal of Business Research, 44, 1, S. 55-66, S. 55ff.
136 Vgl. exemplarisch Rust, R.T., Oliver, R.L. (2000), Should We Delight the Customer?, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 28, 1, S. 86-95, S. 86ff. und die dort zitierte Literatur.
137 Oliver, R.L., Rust, R., Varki, S. (1996), Customer Delight: Foundations, Findings, and Managerial Insight, in: Arbeitspapier, Owen Graduate School of Management, Vanderbilt University, December, S. 4.
138 Bagozzi, R.P., Gopinath, M., Nyer, P.U. (1999), The Role of Emotions in Marketing, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 27, 2, S. 184-206, S. 185.
139 Vgl. Stauss, B. (1999), Kundenzufriedenheit, in: Marketing - ZFP, 21, 1, S. 5-24, S. 9.
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einer kognitiven Beurteilung die Zufriedenheit.140 Aus einer konzeptionellen Perspektive besitzen sie somit den gleichen Status wie eine Produkteigenschaft. Im zweiten Fall werden Emotionen als Mediator zwischen der kognitiven Evaluation und der Zufriedenheit positioniert. Bei dieser Betrachtungsweise wird der Soll-Ist-Vergleich lediglich als Zwischenergebnis angesehen, dessen nachträgliche Bewertung, die als emotionale Reaktion auf eine Konfirmation/Diskonfirmation interpretiert wird, zu Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit führt.141 Dieser Ansatz lässt sich durch attributionstheoretische Überlegungen stützen, die davon ausgehen, dass Attributionen (d.h. Ursachenzuschreibungen) hinsichtlich der Erwartungserfüllung wesentlich die Zufriedenheit beeinflussen.142 Zur Kategorisierung der Ursachen werden im Rahmen der Attributionstheorie drei Dimensionen unterschieden:143 Erstens kann die Zufriedenheit davon abhängen, ob das Ergebnis der eigenen Person, außenstehenden Personen oder situativen Einflussfaktoren zugeschrieben wird. Zweitens kann die Einschätzung, ob es sich um ein dauerhaftes oder vorübergehendes Ergebnis handelt, die Zufriedenheit beeinflussen. Drittens ist eine Variation des Zufriedenheitsurteils abhängig davon, ob die Ursache als beeinflussbar oder nicht beeinflussbar angesehen wird.
Es bleibt festzuhalten, dass die Diskussion um die Rolle von Emotionen im Zufrie-denheitskonstrukt noch keineswegs abgeschlossen ist. In der jüngeren Literatur wird jedoch vielfach ein Konstruktverständnis zu Grunde gelegt, das sowohl kognitive als auch affektive Komponenten berücksichtigt.
Auf Basis der vorangegangenen Ausführungen wird Kundenzufriedenheit im Rahmen dieser Arbeit wie folgt definiert:
140 Vgl. Oliver, R.L. (1993), Cognitive, affective, and attribute bases of the satisfaction response, in:
Journal of Consumer Research, 20, 3, S. 418-430, S. 418ff. 141 Vgl. Dichtl, E., Schneider, W. (1994), Kundenzufriedenheit im Zeitalter des Beziehungsmanage-
ment, in: Belz, C., Schögel, M., Kramer, M. (Hrsg.): Lean Management and Lean Marketing, St. Gallen, S. 6-12, S. 7; Schütze, R. (1992), Kundenzufriedenheit: After-Sales Marketing auf indus-triellen Märkten, Wiesbaden, S. 190; Tse, D., Wilton, P. (1988), Models of Consumer Satisfaction Formation: An Extension, in: Journal of Marketing Research, 25, 2, S. 204-212, S. 204; Cadotte, E.R., Woodruff, R.B., Jenkins, R.L. (1987), Expectations and Norms in Models of Consumer Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 24, 3, S. 305-314, S. 307.
142 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufrieden-heit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., über-arb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 29.
143 Vgl. Erevelles, S., Leavitt, C. (1992), A Comparison of Current Models of Consumer Satisfaction/ Dissatisfaction, in: Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behaviour, 5, S. 104-114, S. 110; Bitner, M.J. (1990), Evaluating Service Encounters: The Effect of Physical Surroundings and Employee Responses, in: Journal of Marketing, 54, 2, S. 69-82, S. 70.
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Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis eines kognitiven und affektiven Evaluie-
rungsprozesses, welcher sich auf die gesamten Erfahrungen eines Kunden mit
einem bestimmten Anbieter und dessen Leistungen bezieht.
2.2 Theoretische Erklärungsmodelle und Konzepte
Wie die Ausführungen in Kap. B.2.1 verdeutlicht haben, wird Kundenzufriedenheit als Ergebnis eines psychischen Soll-Ist-Vergleichsprozesses zwischen Erwartung und Erfahrung verstanden. Wird dabei die zugrunde gelegte Soll-Leistung (Erwartungen, Wünsche, individuelle Normen oder ein anderer Vergleichsstandard) bestätigt, ist der Kunde zufrieden. Wird die zugrunde gelegte Soll-Leistung übererfüllt, entsteht pro-gressive Kundenzufriedenheit. Wird diese nicht erfüllt, entsteht Unzufriedenheit.
Unter den psychologischen Erklärungsansätzen zum Verständnis des Konstrukts Kundenzufriedenheit sind in den Verhaltenswissenschaften die Konsistenztheorie, die Kontrasttheorie und die Assimilations-Kontrast Theorie hervorzuheben.144 Diese insbesondere in der Sozialpsychologie verwurzelten Erklärungsmodelle werden in diesem Abschnitt vorgestellt und auf ihren Beitrag zum Verständnis des dargestellten Soll-Ist-Vergleichsprozesses untersucht.
Eine der in diesem Zusammenhang am häufigsten genannten Theorien ist die Konsistenztheorie, die in enger Verbindung mit der Theorie der kognitiven Dissonanz steht.145 Festinger geht in seiner Theorie der kognitiven Dissonanz von der Annahme aus, dass Menschen ein dauerhaftes Gleichgewicht ihres kognitiven Systems anstreben.146 Inkonsistenzen, d.h. die Nichtbestätigung der Erwartungen, werden als psychische Spannungen vom Konsumenten erlebt. Zur Wiederherstellung des kognitiven Gleichgewichts wird daher versucht, diese Inkonsistenzen abzubauen.147 Für den Soll-Ist-Vergleichsprozess bedeutet dies, dass bei einer Diskrepanz der Kunde versucht, seine psychologische Spannung damit zu reduzieren, dass er seine Wahrnehmung in Richtung seiner Erwartungen anpasst.148 Somit lässt sich aus der Konsistenztheorie schlussfolgern, dass die durch
144 Vgl. Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006), Theoretische Perspektiven zur Kundenzufrieden-
heit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., über-arb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 17-51, S. 23ff.
145 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. B.5.2 dieser Arbeit. 146 Vgl. Festinger, L. (1957), A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford, S. 3ff. 147 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl.,
München, S. 182ff. 148 Vgl. Anderson, R. (1973), Consumer Dissatisfaction: The Effect of Disconfirmed Expectancy on
Perceived Product Performance, in: Journal of Marketing Research, 10, 1, S. 38-44, S. 39;
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
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ein Unternehmen geschaffenen hohen Erwartungen zu einer höheren Wahrnehmung seitens der Kunden führen. Die Unternehmensleistung wird folglich in Abhängigkeit von der Erwartungshaltung positiver bzw. negativer beurteilt.
Die Annahme, dass ein Kunde nachträglich seine Wahrnehmung korrigiert, falls die Erwartung nicht mit der Ist-Leistung übereinstimmt, liegt auch der auf Helsons Adaptation-Level Theory basierenden Kontrasttheorie zugrunde.149 Allerdings verläuft hier die Anpassung gegenläufig zu der von der Konsistenztheorie aufgestellten Annahme. Unterschiede sowohl im positiven als auch im negativen Sinn werden beim Soll-Ist-Vergleichsprozess vom Kunden übertrieben. D.h. für den positiven Fall, dass die empfundene Leistung die Erwartung übersteigt, wird der Kunde die Produktwahrnehmung von seinen Erwartungen weg bewegen und die Leistung des Unternehmens besser wahrnehmen, als sie tatsächlich ist. Das Ergebnis ist Zufriedenheit.150
Sherif/Hovland vereinen die Aussagen der Konsistenz- und Kontrasttheorie zur Assimilations-Kontrast-Theorie.151 Danach bestimmt die Größe der Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Leistung, welche der beiden Theorien angewandt wird. Weicht die wahrgenommene Leistung nur geringfügig von den Erwartungen ab, tendiert der Konsument dazu, seine Wahrnehmung an die Erwartung anzugleichen, zu assimi-lieren (Konsistenztheorie). Geringfügig höhere Erwartungen führen noch zu Zufrie-denheit. Wird jedoch ein bestimmter Toleranzbereich bei der Diskrepanz überschritten, setzt der Kontrasteffekt ein. Überhöhte Erwartungen führen dann zu einer niedrigeren wahrgenommenen Leistung, was in Unzufriedenheit resultiert.152 Als naheliegende Konsequenz für das Marketing empfiehlt sich die Steuerung der Erwartungen auf ein realistisches Niveau.
Cardozo, R. (1965), An Experimental Study of Customer Effort, Expectation, and Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 11, 3, S. 244-249, S. 244ff.
149 Vgl. Helson, H. (1964), Adaptation-Level Theory, New York. 150 Vgl. Churchill, G., Surprenant, C. (1982), An Investigation Into the Determinants of Customer
Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 19, 4, S. 491-505, S. 491f.; Cardozo, R. (1965), An Experimental Study of Customer Effort, Expectation, and Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 11, 3, S. 244-249, S. 244ff.
151 Vgl. Sherif, M., Hovland, C. (1961), Social Judgement: Assimilation and Contrast Effects in Communication and Attitude Change, New Haven, S. 5ff.
152 Vgl. Meyers-Levy, J., Tybout, A. (1997), Context Effects at Encoding and Judgement in Consumption Settings: The Role of Cognitive Resources, in: Journal of Consumer Research, 24, 1, S. 1-15, S. 3ff.
46
2.3 Messung der Kundenzufriedenheit
In der Forschung zur Kundenzufriedenheit existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit. Das vorliegende Kapitel stellt die verschiedenen Messverfahren einander gegenüber und analysiert sie auf ihre Anwendungsfähigkeit. Im Einzelnen sollen hierbei objektive und subjektive, ereignis- und merkmalsorientierte, implizite und explizite, ein- und mehrdimensionale Verfahren sowie der Zeitpunkt der Befragung diskutiert werden.
In Anlehnung an Andreasen lassen sich die Verfahren zur Erhebung von Kunden-zufriedenheit zunächst in subjektive und objektive Erhebungsmethoden unter-teilen.153
Zu den objektiven Messverfahren gehören messbare Indikatoren, die eine hohe Korrelation mit der Zufriedenheit aufweisen, jedoch keinen subjektiven Wahrnehmungsverzerrungen unterliegen.154 Hierzu zählen monetäre Größen wie z.B. der Umsatz, der Gewinn, der Marktanteil, die Abwanderungsrate oder die Wiederkaufrate. Ein Rückschluss auf die gegenwärtige Zufriedenheit anhand dieser Kennzahlen ist jedoch nur eingeschränkt möglich, da davon ausgegangen werden muss, dass diese auch von zahlreichen anderen Faktoren (wie z.B. der Konjunktur oder Wettbewerberaktivitäten) beeinflusst werden.
Subjektive Messverfahren der Kundenzufriedenheit erfassen demgegenüber die vom Kunden subjektiv empfundene Zufriedenheit. Die Messung erfolgt somit unabhängig von den unterschiedlichen Ausprägungen der objektiven Indikatoren. Wegen der starken Abhängigkeit der objektiven Erhebungsmethoden von weiteren Einflüssen haben in erster Linie subjektive Messansätze zur Quantifizierung von Kundenzufrie-denheit in der Zufriedenheitsforschung Verwendung gefunden.155
Innerhalb der subjektiven Verfahren werden ereignis- und merkmalsorientierte
Verfahren unterschieden. Bei den ereignisbezogenen Verfahren wird die Zufriedenheit mit einem als besonders wichtig empfundenen Kundenkontaktereignis, wie z.B. einem kürzlich stattgefundenen Telefonat, betrachtet. Zur Messung werden hierzu in der Literatur v.a. die Kontaktpunktanalyse, die Frequenz-Relevanz-Analyse, die Analyse von Standardereignissen und die Critical Incident Technique heran-
153 Vgl. Andreasen, A.R. (1982), Verbraucherzufriedenheit als ein Beurteilungsmaßstab für die unter-
nehmerische Marktleistung, in: Hansen, U., Stauss, B., Riemer, M. (Hrsg.): Marketing und Verbraucherpolitik, Stuttgart, S. 182-195, S. 183ff.
154 Vgl. McNeal, J.U. (1969), Consumer Satisfaction: The Measurement of Marketing Effectiveness, in: MSU Business Topics, Summer 1969, S. 31-35, S. 31ff.
155 Vgl. Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 16.
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gezogen.156 Wegen des zeitlich eingeschränkten Betrachtungshorizonts eignen sich diese Methoden jedoch nicht für eine umfassende Messung der Kunden-zufriedenheit, da lediglich einzelne Ereignisse und nicht der ganze Umfang einer Kundenbeziehung Gegenstand der Betrachtung sind.157 Merkmalsbezogene Verfahren hingegen berücksichtigen ein breites Spektrum an Produkt-, Service- oder Interaktionsmerkmalen, über die sich ein Kunde im Zeitablauf eine Meinung bildet.
Merkmalsorientierte Verfahren lassen sich wiederum in implizite und explizite
Methoden unterscheiden.158 Implizite Methoden erfassen die Kundenzufriedenheit anhand von Indikatoren, die mehr oder minder valide Rückschlüsse auf die vorhandene Zufriedenheit erlauben.159 Dabei konzentrieren sich in der Praxis die Messungen hauptsächlich auf die Erfassung von Leistungsdefiziten in Form von Beschwerden oder Reklamationen.160 So wird eine Beschwerdehäufung als ein Indikator betrachtet, der sich wiederum negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirken kann. Die Beschwerdeerfassung als Basis für Rückschlüsse auf Kunden(un-)zufriedenheit ist jedoch aus zwei Gründen umstritten. Erstens setzt das Verfahren ein aktives Beschwerdemanagement seitens des Unternehmens voraus, was in der Realität nach einstimmiger Meinung in Wissenschaft und Praxis nur selten gegeben ist.161 Zweitens muss davon ausgegangen werden, dass sich nur ein geringer Anteil der unzufriedenen Kunden auch tatsächlich beschwert.162 Untersuchungen in diesem Zusammenhang zeigen, dass der Rest der unzufriedenen Kunden seine negativen Erfahrungen bei kleineren Problemen durchschnittlich gegenüber 10 anderen Per-sonen (bei schwerwiegenden Problemen durchschnittlich gegenüber 16 anderen Personen) äußert, ohne sich direkt an das Unternehmen zu
156 Vgl. Stauss, B., Seidel, W. (2006), Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheits-
dynamik bei Dienstleistungen, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Metho-den - Erfahrungen, Wiesbaden, S. 171-196, S. 190ff.
157 Vgl. Beutin, N. (2006), Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit im Überblick, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6. Aufl., Wies-baden, S. 121-170, S. 126.
158 Vgl. Standop, D., Hesse, H.W. (1985), Zur Messung von Kundenzufriedenheit mit KfZ-Repara-turen, Osnabrück, S. 3f.
159 Vgl. Schütze, R. (1992), Kundenzufriedenheit: After-Sales Marketing auf industriellen Märkten, Wiesbaden, S. 184.
160 Vgl. Hentschel, B. (2000), Multiattributive Messung von Dienstleistungsqualität, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität: Konzepte, Methoden, Erfahrungen, 3. Aufl., Wies-baden, S. 289-320, S. 298ff.
161 Vgl. Günter, B. (2006), Beschwerdemanagement als Schlüssel zur Kundenzufriedenheit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, Wiesbaden, S. 369-390, S. 375ff.
162 Vgl. Hansen, U., Jeschke, K. (2000), Beschwerdemanagement für Dienstleistungsunternehmen - Beispiel des KfZ-Handels, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 443-459, S. 447.
48
wenden.163 Merkmalsorientierte, explizite Verfahren hingegen messen die Kunden-zufriedenheit entweder indirekt durch den Erfüllungsgrad der Konsumenten-erwartungen (Nichtbestätigung) oder erfragen direkt die empfundene Zufriedenheit anhand von Zufriedenheitsskalen.164
Eine Aufteilung der Verfahren ist ferner nach dem Zeitpunkt der Messung möglich. In diesem Zusammenhang wird zwischen der ex ante-/ex post- und der reinen ex post-Messung unterschieden. Ex ante/ex post bedeutet dabei, dass bei der Kunden-zufriedenheitsmessung ein Vergleich zwischen einer ex ante erhobenen Erwartungs-haltung und einer zeitlich nachgelagerten ex post-Messung der Erfüllung dieser Erwartungen erfolgt. Um die Differenzen zwischen der Erwartungshaltung und Erwartungserfüllung sichtbar zu machen, wird im Anschluss i.d.R. eine Gap-Analyse durchgeführt.165 In jüngerer Zeit verliert diese, sich an den SERVQUAL-Ansatz anlehnende Erhebungstechnik jedoch zunehmend an Bedeutung, da die direkt erhobene Kundenzufriedenheit (ex post-Messung) aufgrund der höheren Verhaltens-relevanz als aussagekräftiger eingestuft wird.166
Schließlich kann eine Aufteilung der Verfahren auch nach ihrer Dimensionalität erfolgen. Dabei kann Kundenzufriedenheit anhand ein- oder mehrdimensionaler
Zufriedenheitsskalen erhoben werden. Im Rahmen von eindimensionalen Ansätzen wird die Kundenzufriedenheit mittels einer einzigen Dimension, d.h. eines inhaltlichen Bereiches der Zufriedenheit gemessen.167 Bei der mehrdimensionalen Messung der Kundenzufriedenheit werden hingegen alle relevanten Einzelaspekte der angebotenen Leistung abgefragt. Somit wird in diesem Fall das Leistungsbündel zunächst in seine relevanten Bestandteile (Zufriedenheitsdimensionen) zerlegt, bevor anhand der entsprechenden Attribute die Kundenzufriedenheitswerte erhoben
163 Vgl. Stauss, B. (2005), Kundenbindung durch Beschwerdemanagement, in: Bruhn, M., Homburg,
C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolg-reiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 332.
164 Vgl. Beutin, N. (2006), Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit im Überblick, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6. Aufl., Wies-baden, S. 121-170, S. 128.
165 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 55.
166 Vgl. Homburg, C., Fürst, A. (2005), Überblick über die Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 555-588, S. 563ff.; Oliver, R.L. (1980), A Cognitive Model of the Antecedents and Consequences of Satisfaction Decisions, in: Journal of Marketing Research, 17, 4, S. 460-469, S. 464; Vgl. zum SERVQUAL Ansatz Rudolph, B. (1998), Kundenzufriedenheit im Industriegüterbereich, Wiesbaden,S. 39ff.
Vgl. zum SERVQUAL-Ansatz die Ausführungen in Kap. B.2.4. 167 Vgl. Rudolph, B. (1998), Kundenzufriedenheit im Industriegüterbereich, Wiesbaden, S. 55.
49
werden.168 Das meist umfassende und differenzierte Produkt- und Dienstleistungs-angebot eines Anbieters macht in der Praxis eine differenzierte Betrachtung einzelner Zufriedenheitsdimensionen notwendig. Daher ist die mehrdimensionale Messung der Kundenzufriedenheit auch das heute am weitesten verbreitete Verfahren.169
Mehrdimensionale Konstrukte können grundsätzlich sowohl global (im Sinne von Gesamtzufriedenheitswerten) als auch multiattributiv erfasst werden. Die Gesamt-zufriedenheit kann hierbei entweder durch explizit auf den Generalfaktor konstruierte Fragebögen oder durch ein Einzelitem gemessen werden. Im Rahmen von multi-attributiven Messverfahren wird im Gegensatz dazu die Zufriedenheit mit den einzelnen Merkmalen des Beurteilungsobjekts erhoben.
Für die vorliegende Arbeit erscheint auf Basis der in Kap. B.2.1 zugrunde gelegten Definition der Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt sowie der zu überprüfenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge von Kundenzufriedenheit sowohl eine globale als auch eine multiattributive Zufriedenheitsmessung angebracht. So ermöglicht die globale Zufriedenheitsmessung eine Untersuchung darüber, ob ein Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenprofitabilität vorliegt (Auswirkung der Kundenzufriedenheit), während durch die differenzierte Betrachtung einzelner Zufriedenheitsdimensionen ein tieferer Einblick in Zusammenhänge und mögliche Einflussgrößen gewonnen werden kann. Entsprechend dem Konstruktverständnis wird folglich bei der Messung der Kunden-zufriedenheit eine globale Erfassung und ein multiattributiver Messansatz zugrunde gelegt. Bei Letzterem erfolgt die Erhebung der Kundenzufriedenheit über eine Reihe von Indikatoren, welche die unterschiedlichen Zufriedenheitsdimensionen abbilden.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine Vielzahl von Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit zur Verfügung stehen. Die Ausführungen in diesem Abschnitt haben jedoch gezeigt, dass die Durchführung einer subjektiven, merkmals-
orientierten, expliziten, mehrdimensionalen ex post-Kundenzufriedenheits-
messung die sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft generell präferierte und am weitesten verbreitete Methode darstellt. Vor diesem Hintergrund beziehen sich alle weiteren Ausführungen auf diese Form der Messung.
168 Vgl. Homburg, C., Rudolph, B., Werner, H. (1995), Messung und Management von Kundenzu-
friedenheit in Industriegüterunternehmen, in: Simon, H., Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufrieden-heit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 321.
169 Vgl. Beutin, N. (2006), Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit im Überblick, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6. Aufl., Wies-baden, S. 121-170, S. 129.
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Abb. 6 zeigt zusammenfassend die verschiedenen Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit.
Abbildung 6: Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit
(Quelle: i.A. an Homburg, C., Fassnacht, M., Werner, H. (2003), Operationalisierung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Grundlagen - Konzepte - Erfahrungen, 5. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 553-575, S. 558.)
2.4 Dimensionen der Kundenzufriedenheit
Nach der Erläuterung des in dieser Arbeit zugrunde gelegten Messverfahrens im vorangegangenen Abschnitt soll im Folgenden eine Klärung der relevanten Dimensionen der Kundenzufriedenheit vorgenommen werden.
Trotz umfangreicher wissenschaftlicher Forschung konnten sich bisher weder inter- noch intrabranchenspezifische Operationalisierungsansätze zur Erfassung der Kundenzufriedenheit etablieren.170 Dies ist insofern nachvollziehbar, als die Situation für den Kunden im Kontakt mit Unternehmen innerhalb der gleichen Branche bzw.
170 Vgl. Dormann, C., Kaiser, D.M. (2002), Job conditions and customer satisfaction, in: European
Journal of Work and Organizational Pychology, 11, 3, S. 257-283, S. 267; Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 47.
Objektive Verfahren
� Ex ante/ex post � Ex post
Explizite Methoden
Implizite Methoden
Ereignisorientierte Verfahren
Merkmalsgestützte Verfahren
Subjektive Verfahren
Messung der
Kundenzufriedenheit
� eindimensional � mehrdimensional
51
verschiedener Branchen sehr abweicht und somit verschiedene Anknüpfungspunkte für ein Unternehmen von Relevanz sein können.171
Wie in Kap. A.4 dargestellt, handelt es sich bei dem zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Dimensionen der Kundenzufriedenheit und der Globalzufriedenheit herangezogenen Unternehmen um ein Einzelhandels-unternehmen. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, sich bei der Bestimmung relevanter Zufriedenheitsdimensionen im Rahmen dieser Untersuchung auf Operationalisierungsansätze im Handel zu fokussieren.
Aufgrund seiner branchenübergreifenden Anwendbarkeit und einer vergleichsweise einfachen Strukturierung des Fragebogens findet im Rahmen der Messung der Dienstleistungsqualität, welche starke Überschneidungen zum Konstrukt der Kundenzufriedenheit im Dienstleistungsbereich aufweist, der SERVQUAL-Ansatz sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis großes Interesse.172 Auf der Grundlage quantitativer und qualitativer Untersuchungen identifizieren Parasuraman/Zeithaml/Berry in diesem Zusammenhang fünf Dimensionen der Dienstleistungsqualität („SERVice QUALity“): 173
1. Das tangible Umfeld („tangibles“), bezieht sich auf eine ansprechende und angemessene Verkaufsraumgestaltung sowie das Erscheinungsbild der Mit-arbeiter.
2. Die Zuverlässigkeit („reliability“) spiegelt das Einhalten von Leistungszusagen, das Ernstnehmen von Kundenproblemen sowie die Verlässlichkeit und Pünktlichkeit der Leistungserstellung wider.
3. Die Reagibilität („responsiveness“) beinhaltet den Willen, dem Kunden zu helfen, ein unmittelbares Erfüllen von Kundenwünschen, einen prompten Service sowie die Information über den Zeitpunkt der Leistungserstellung.
171 Vgl. Homburg, C., Fassnacht, M., Werner, H. (2003), Operationalisierung von Kundenzufrie-
denheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungs-management: Grundlagen - Konzepte - Erfahrungen, 5., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 553-575, S. 561.
172 Vgl. Bauer, H.H., Huber, F., Majer, T. (2000), Zufriedenheitsdynamik und Kundenbindung bei Kundendienstleistungsprozessen im Handel, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungs-management Jahrbuch 2000, Wiesbaden, S. 23-47, S. 26 sowie die dort zitierte Literatur.
173 Vgl. Parasuraman, A., Zeithaml, V.A., Berry, L.L. (1991), Refinement and reassessment of the SERVQUAL Scale, in: Journal of Retailing, 67, 4, S. 420-450, S. 420ff; Parasuraman, A., Zeithaml, V.A., Berry, L.L. (1988), SERVQUAL. A multiple item scale for measuring consumer perceptions of service quality, in: Journal of Retailing, 64, 1, S. 12-40, S. 12ff.; Parasuraman, A., Zeithaml, V.A., Berry, L.L. (1985), A conceptual model of service quality and its implications for future research, in: Journal of Marketing, 49, 4, S. 41-50, S. 41ff.
52
4. Die Leistungskompetenz („assurance“) umschreibt die Vertrauenswürdigkeit, das Sicherheitsgefühl, die Höflichkeit, sowie die Unterstützung der Mitarbeiter im Unternehmen.
5. Das Einfühlungsvermögen („empathy“) beschreibt die individuelle Aufmerk-samkeit, das persönliche Kümmern um den Kunden, die Kenntnis der Kun-denbedürfnisse, eine Fokussierung auf das Interesse der Kunden sowie angenehme Öffnungszeiten.
Die dem SERVQUAL-Ansatz zugrunde liegende fünfdimensionale Struktur gibt zwar interessante Anhaltspunkte für die Operationalisierung der Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Dienstleistungsbereich, konnte jedoch aufgrund teilweiser hoher Interkorrelationen empirisch nicht gestützt werden.174 Die Ergebnisse einer konfirmatorischen Faktorenanalyse von Finn/Lamb auf der Basis des ursprünglichen Fragebogens von Parasuraman/Zeithaml/Berry lassen im Hinblick auf die Messung der Dienstleistungsqualität im Handel darüber hinaus erhebliche Zweifel an der Reliabilität des SERVQUAL-Ansatzes aufkommen.175 Die beiden Autoren kommen auf der Grundlage ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass „…the SERVQUAL measurement model is not appropriate in a retail store setting“176. Problematisch erscheint ferner, dass der Ansatz inhaltlich abstrakt erscheint und deshalb in Bezug auf das jeweils betrachtete Unternehmen weiter konkretisiert werden muss.
Zur konkreten Bestimmung der Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Handel wurden deshalb als empirische Grundlage die Kundenzufriedenheitsstudien von Westbrook, Schwetje, Gómez/McLaughlin/Wittink, Winter, Wunderlich Meyer/ Dornach und Bauer/Huber/Jung herangezogen.177
174 Vgl. Cronin, J.J., Taylor, S.A. (1992), Measuring service quality. A reexamination and
extensions., in: Journal of Marketing, 56, 3, S. 55-68, S. 55ff. sowie die dort zitierte Literatur. 175 Vgl. Finn, D.W., Lamb, C.W. (1991), An Evaluation of the SERVQUAL Scales in a Retailing
Setting, in: Advances in Consumer Research, 18, 1, S. 483-490, S. 483ff. 176 Vgl. Finn, D.W., Lamb, C.W. (1991), An Evaluation of the SERVQUAL Scales in a Retailing
Setting, in: Advances in Consumer Research, 18, 1, S. 483-490, S. 487. 177 Vgl. Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of
Retailing, 57, 3, S. 68-85; Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden; Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278; Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: eine mehrebenenanalytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheitsmessung, Mann-heim; Wunderlich, M. (2005), Integriertes Zufriedenheitsmanagement in Franchisingnetzwerken, Wiesbaden; Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kunden-orientierung, München; Bauer, H.H., Huber, F., Jung, S. (1997), Kundenwertanalyse im Textil-einzelhandel, Mannheim.
53
Anhand einer explorativen Faktorenanalyse auf der Basis von 24 Zufriedenheits-indikatoren konnte Westbrook acht Dimensionen ermitteln, die dem Zufriedenheits-urteil von Handelskunden zugrunde liegen.178 Die Faktorstruktur des theoretischen Modells konnte im Anschluss durch multiple Regressionsanalyse empirisch bestätigt werden (r2 = 0,519; signifikant bei a = 0,05). Den höchsten Erklärungsbeitrag für die Globalzufriedenheit lieferten die Dimensionen Personal, Sonderangebote und Produkte/Dienstleistungen. Die Analyse erfolgte auf Grundlage einer Befragung von 206 Kunden eines Warenhauses.
Eine weitere Untersuchung aus dem Warenhausbereich liegt von Schwetje vor.179 Auf Basis einer Befragung von 171 Kunden ermittelt er fünf Dimensionen, die dem Zufriedenheitsurteil über die Abteilung eines Warenhauses zugrunde liegen. Bis auf eine Ausnahme (Zufriedenheit mit der Einkaufsatmosphäre) können im Rahmen der exploratorischen Faktorenanalyse alle theoretisch hergeleiteten Indikatoren den entsprechenden Zufriedenheitsdimensionen zugeordnet werden.180 Die im Anschluss durchgeführte multiple Regessionsanalyse weist für alle fünf Dimensionen hoch signifikante Zusammenhänge mit der Globalzufriedenheit aus (r2 = 0,466; signifikant bei a = 0,001). Die höchste Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Zufriedenheitsdimensionen Sortiment, Personal und Preis zu.
Im Rahmen ihrer umfangreichen Untersuchungen im Lebensmitteleinzelhandel identifizieren Gómez/McLaughlin/Wittink anhand von 18 Einzelitems faktorana-lytisch die drei Zufriedenheitsdimensionen „Customer Service“, „Quality“ und „Value“ (r2 = 0,720; signifikant bei a = 0,1).181 Dabei bezieht sich Customer Service zu einem überwiegenden Teil auf die Zufriedenheit mit dem Ansprechpartner, Quality auf die Zufriedenheit mit dem Sortiment und Value auf die Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis sowie den monetären Sonderleistungen für Kundenkarten-inhaber. Die auf der Auswertung von 25.000 Fragebögen basierenden Schätz-ergebnisse zeigen, dass die beiden Zufriedenheitsdimensionen Customer Service und Value den stärksten Einfluss auf die Globalzufriedenheit ausüben.
178 Vgl. Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of
Retailing, 57, 3, S. 68-85 , S. 81. 179 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen.
Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 143ff.
180 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 161ff.
181 Vgl. Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 272.
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Weitere Anhaltspunkte für Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Handel liefert die Studie von Winter.182 Auf der Basis von 17 Indikatoren extrahiert die Autorin sieben Zufriedenheitsdimensionen, die sich alle als signifikante Prädiktoren der Globalzufriedenheit erweisen (r2 = 0,420; signifikant bei a = 0,001). Die bedeut-samste Dimension im gewählten Warenhauskontext stellt die Zufriedenheit mit der Verkaufsraumgestaltung dar. An zweiter Stelle steht die Zufriedenheit mit dem angebotenen Sortiment und an dritter Stelle die Zufriedenheit der Kunden mit dem Mitarbeiterverhalten. Die Analyse erfolgte auf der Grundlage von 8.473 mündlich befragten Kunden.
Die empirischen Ergebnisse von Wunderlich bieten weitere Hinweise über mögliche Zufriedenheitsdimensionen im Handel.183 Im Rahmen der durchgeführten explora-tiven Faktorenanalyse konnten zunächst auf Basis von acht Indikatoren, drei Faktoren extrahiert werden. Neben der Zufriedenheit mit dem Personal und dem Sortiment/Warenpräsentation, konnte die Zufriedenheit mit dem Preisniveau im Anschluss als signifikante Einflussgröße der Globalzufriedenheit identifiziert werden (signifikant bei a = 0,1). Der Erklärungsbeitrag der drei Zufriedenheitsdimensionen an der Globalzufriedenheit wurde im Kausalmodell mit 0,54 angegeben, wobei der Faktor Sortiment/Warenpräsentation gefolgt von dem Faktor Personal den höchsten Erklärungsbeitrag für die Zufriedenheit der Kunden lieferte. Für die Umfrage wurden 11.220 Kundenfragebögen eines Handelsunternehmens ausgewertet.184
Der Kundenmonitor Deutschland von Meyer/Dornach stellt die umfassendste Studie zur Kundenorientierung in Deutschland dar.185 Im Rahmen der Untersuchung wird die Kundenzufriedenheit mit Anbietern in 51 verschiedenen Branchen, unter an-derem für Bekleidungsgeschäfte, erhoben. Insgesamt wurden 43.568 Interviews durchgeführt (repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 16 Jahren), wovon sich 5.015 explizit auf die Zufriedenheit mit Bekleidungsgeschäften beziehen. Von zentraler Bedeutung für die Zufriedenheit mit Bekleidungsgeschäften ist dabei
182 Vgl. Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: eine mehrebenen-
analytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheits-messung, Mannheim, S. 141ff.
183 Vgl. Wunderlich, M. (2005), Integriertes Zufriedenheitsmanagement in Franchisingnetzwerken, Wiesbaden, S. 131ff.
184 Um was für ein Handelsunternehmen es sich bei der Untersuchung handelte wurde aus Gründen der Anonymität nicht veröffentlicht. Vgl. Wunderlich, M. (2005), Integriertes Zufriedenheits-management in Franchisingnetzwerken, Wiesbaden, S. 109.
185 Vgl. Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kundenorien-tierung, München, S. 68ff.
Seit dem Jahr 2001 wird die Kundenzufriedenheit mit Bekleidungsgeschäften im Rahmen des Kundenmonitor Deutschland nicht mehr erhoben.
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das Leistungsmerkmal „Qualität der angebotenen Ware“ (r = 0,49).186 Die zweit-höchste Korrelation weisen die Leistungsmerkmale „Aktualität der angebotenen Ware“ und „Auswahl und Angebotsvielfalt“ auf (r = 0,48). An dritter Stelle wird die Zufriedenheit mit der „Freundlichkeit von Mitarbeitern“ und der „Gestaltung der Verkaufsräume“ genannt (r = 0,46).
Bauer/Huber/Jung ermitteln im Rahmen ihrer Untersuchung mit Hilfe der Conjoint-Analyse neun Zufriedenheitsdimensionen im Textileinzelhandel.187 Der Zufrieden-heitsdimension Preis kommt dabei bei allen drei berücksichtigten Betriebsformen die größte relative Bedeutung zu. Im Kaufhaus trägt er 26,6%, im Discounter 28,9% und in der Boutique 22,6% zur Zufriedenheit der Kunden mit dem Bekleidungsgeschäft bei. Zweitwichtigstes Merkmal stellt die Qualität der angebotenen Textilien dar. Der Erklärungsanteil dieser Dimension zur Kundenzufriedenheit mit einem Bekleidungs-geschäft beträgt in der Boutique 22,1%, im Kaufhaus 20,1% und im Discounter 15%. Die Zufriedenheitsdimension Warenangebot bzw. Auswahlmöglichkeiten stellt mit einem relativen Bedeutungsgewicht von 14,6% beim Textildiscounter den drittwich-tigsten „Satisfaction Driver“ dar. Im Kaufhaus wird an dieser Stelle die Zufriedenheit mit dem Umtausch (11,4%), in der Boutique die Zufriedenheit mit der Qualität der Beratung (13,7%) genannt. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden 120 Personen befragt.
Tab. 3 gibt einen kompakten Überblick über die auf Basis dieser empirischen Studien abgeleiteten Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Handel.
Da – wie bereits erwähnt – die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit im Handel – speziell im Textilfacheinzelhandel – durchgeführt wird, sollen im Folgenden die ermittelten Zufriedenheitsdimensionen inhaltlich dahingehend konkretisiert werden, ob sie einen Beitrag zur Erfassung der Kundenzufriedenheit im speziellen
Untersuchungskontext leisten können. Neben theoretischen Überlegungen fließen in das Urteil die in Tab. 3 dargestellten Untersuchungen ein. Ferner finden die Erkenntnisse von Salfeld Berücksichtigung, der im Rahmen einer empirischen Analyse zur Kompetenzwahrnehmung von Textilfacheinzelhandelsunternehmen fünf Dimensionen der Bewertung des Leistungsspektrums durch Konsumenten
186 Der ausgewiesene Wert r ist der Pearson’sche Korrelationskoeffizient des Leistungsmerkmals mit
der Globalzufriedenheit. 187 Vgl. Bauer, H.H., Huber, F., Jung, S. (1997), Kundenwertanalyse im Textileinzelhandel, Mann-
heim, S. 13. Im Rahmen der empirischen Erhebung wird neben den Betriebsformen „Textildiscounter“ und
„Textilboutique“ auch das „Textilkaufhaus“ berücksichtigt.
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unterscheidet.188 Schließlich wird auf die Ergebnisse von Expertengesprächen mit Geschäftsführern von Textilfacheinzelhandelsunternehmen sowie auf eine Kunden-zufriedenheitsbefragung des kooperierenden Unternehmens aus dem Jahr 2003 zurückgegriffen. Dabei kristallisieren sich die folgenden Dimensionen der Kunden-zufriedenheit heraus.
Dimension Westbrook
(1981)
Bauer/Huber/ Jung
(1997)
Schwetje (1999)
Meyer/ Dornach
(2000)
Gómez/ McLaughlin/
Wittink (2004)
Winter (2005)
Wunderlich (2005)
Sortiment Sortiment und Waren-präsentation
Waren-angebot und Auswahl-möglichkei-ten / Qualität
Sortiment Qualität / Aktualität / Auswahl und Angebots-vielfalt
„Quality“ Sortiment Sortiment und Waren-präsentation
Ansprech-partner
Personal Freundlichkeit und Hilfsbereit-schaft / Qualität der Beratung
Personal Freundlich-keit / Verfügbar-keit / Fachkompe-tenz
„Customer Service“
Mitarbeiter-verhalten/ Mitarbeiter-verfügbarkeit
Personal
Preise Preis-Leistungs-Verhältnis
Preis Preis Preis-Leistungs-Verhältnis
„Value“ Preise Preisniveau
Verkaufs-raumge-staltung
Ladenein-richtung
Warenprä- sentation / Ausstattung und Atmosphäre des Verkaufs-raums
Tangibles Umfeld
Sauberkeit / Gestaltung / Ausschil-derung
Verkaufs-raumge-staltung
Sonstige: Service, Standort,Kassen,
Service, Sonderange-bote, andere Kunden, Produkte/ Dienstleis-tungen
Kulanz, Umtausch
Kasse Erreichbar-keit / Kassen
Kassen-abwicklung, Standort
Tabelle 3: Betrachtete Zufriedenheitsdimensionen in ausgewählten Operationalisierungsansätzen im Handel
� Sortiment
Das Sortiment stellt eine der bedeutendsten Kundenzufriedenheitsdimensionen im Handel dar und wird als ein zentrales Leistungselement des Handelsmarketing angesehen.189 Generell wird unter dem Begriff des Sortiments eines Handelsunter-nehmens die „gedankliche Zusammenfassung der zu einem bestimmten Zeitpunkt
188 Vgl. Salfeld, A. (2003), Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptiona-
lisierung, Operationalisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 146.
189 Vgl. Meffert, H., Schwetje, T. (1999), Bedeutung von Mitarbeiterinteraktion und Mitarbeiter-zufriedenheit für die Kundenzufriedenheit im Handel, in: Planung & Analyse, 26, 5, S. 44-49, S. 45f.; Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 189; Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 223; Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entscheidungshilfen, 2., über-arb. Aufl., München, S. 73.
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getroffenen Auswahl verschiedenartiger selbständiger Sachleistungen zum Zweck der Verwertung im Absatzmarkt, unter Einschluss der durch handelsübliche Manipulationen im Betrieb neu entstandenen Sachleistungen“190 verstanden. Es bildet somit das Kernstück der von einem Handelsunternehmen erbrachten Leistung und generiert demzufolge den Grundnutzen des Einkaufs für den Konsumenten.191
Der Nutzen eines breiteren Sortiments resultiert nach Ailawadi/Keller vor allen Dingen aus der höheren Wahrnehmungschance des Handelsunternehmens durch den Konsumenten.192 Darüber hinaus führen die Autoren an, dass aufgrund der limitierten Einkaufszeit der Konsumenten grundsätzlich der Wunsch besteht, einen möglichst großen Teil des individuellen Bedarfs an einem Ort zu decken.
Vorteile einer größeren Sortimentstiefe sehen Kahn/Wansink insbesondere für Variety-Seeking-Customers, die aufgrund der verfügbaren Anzahl von Marken, Größen und Mengen innerhalb einer Kategorie einen Zusatznutzen erfahren.193 Ferner führen Ailawadi/Keller in diesem Zusammenhang an, dass eine größere Sortimentstiefe zu einer höheren wahrgenommenen Flexibilität des Kunden bei der Auswahl führen und sich diese förderlich auf die Bildung einer Einkaufsstätten-präferenz auswirken kann.194
Die Warenauswahl im Sinne der Sortimentsbreite und -tiefe bestimmt daher entscheidend, ob der Kunde die von ihm gesuchte Ware im jeweiligen Geschäft findet oder sich hierüber informieren kann.195 Vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu verwundern, dass diesen Sachverhalt betreffende Fragestellungen in allen
190 Gümbel, R. (1963), Die Sortimentspolitik in den Betrieben des Wareneinzelhandels, Köln, S. 59. 191 Vgl. Kreller, P. (2000), Einkaufsstättenwahl von Konsumenten. Ein präferenztheoretischer
Erklärungsansatz, Wiesbaden, S. 62. 192 Vgl. Ailawadi, K.L., Keller, K.L. (2004), Understanding retail branding: conceptual insights and
research priorities, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 331-342, S. 334f. Die Sortimentsbreite stellt das Spektrum additiver Kaufmöglichkeiten für den Kunden dar. Somit
wird damit die grundsätzliche Möglichkeit realisiert, unterschiedliche Bedürfnisse innerhalb eines Einkaufsvorgangs zu befriedigen. Vgl. Barth, K., Hartmann, M., Schröder, H. (2002), Betriebs-wirtschaftslehre des Handels, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 46f.
193 Vgl. Kahn, B.E., Wansink, B. (2004), The influence of assortment structure on perceived variety and consumption quantities, in: Journal of Consumer Research, 30, 4, S. 519-533, S. 519ff.
Die Sortimentstiefe bezieht sich im Vergleich zur Sortimentsbreite auf die dem Konsumenten zur Verfügung stehenden alternativen Auswahlmöglichkeiten. Somit beschreibt die Tiefe des Sorti-ments den Grad der Ausdifferenzierung verschiedener Artikel innerhalb eines Warenkomplexes. Vgl. Barth, K., Hartmann, M., Schröder, H. (2002), Betriebswirtschaftslehre des Handels, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 47.
194 Vgl. Ailawadi, K.L., Keller, K.L. (2004), Understanding retail branding: conceptual insights and research priorities, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 331-342, S. 335.
195 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 49.
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der in Tab. 3 dargestellten Untersuchungen Berücksichtigung finden. Dabei konnte sowohl in den Studien von Westbrook, Schwetje, Winter und Wunderlich im Warenhausbereich und in der Studie von Gómez/Mclauglin/Wittink im Lebensmittelbereich als auch explizit in den Studien von Bauer/Huber/Jung und Meyer/Dornach im Textilbereich eine positive Wirkung auf die Kundenzufriedenheit nachgewiesen werden. Neben der Zufriedenheit mit der Warenauswahl können Westbrook, Schwetje, Winter und Meyer/Dornach zudem belegen, dass die (modische) Aktualität der angebotenen Waren, welche ebenfalls als Indikator der Sortimentszufriedenheit angesehen werden kann, einen positiven Einfluss auf die Globalzufriedenheit hat.
Auch die Studie von Salfeld kann die Sortimentsgestaltung als relevante Dimension zur Kompetenzwahrnehmung in Textilfacheinzelhandelsunternehmen bestätigen. Inhaltlich wird ergänzend zu den bereits angeführten Aspekten das Markenangebot des Handelsunternehmens berücksichtigt.
Eine Erfassung der Dimension Sortiment unter Berücksichtigung der genannten Teil-aspekte im Kontext dieser Untersuchung ist daher als sinnvoll anzusehen.
� Ansprechpartner
Eine weitere relevante Dimension der Kundenzufriedenheit im Handel stellt der Ansprechpartner dar.196 Die Personalpolitik wird als zentrales Leistungselement des Handelsmarketing angesehen.197 Angesichts der strategischen Positionierung von Facheinzelhandelsunternehmen, die durch kompetente Beratung den Preisnachteil gegenüber Discountern und anderen Großbetriebsformen im Einzelhandel auszugleichen versuchen, ist dem Ansprechpartner insbesondere im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine zentrale Bedeutung für die Kundenzufriedenheit beizu-messen.198
Generell stellen Mitarbeiter im Dienstleistungsbereich einen zentralen Erfolgsfaktor dar, da der Kunde die Qualität des Produkts zum Teil nur schwer beurteilen kann und 196 Vgl. hierzu die in Tab. 3 dargestellten Untersuchungen. Häufig werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „Personal“, „Beratung/Persönliche Inter-
aktion“, „Mitarbeiter“ und „Ansprechpartner“ synonym angewandt. 197 Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 369ff.;
Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 290ff.; Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entscheidungs-hilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 313ff.
198 Vgl. Barth, K., Hartmann, M., Schröder, H. (2002), Betriebswirtschaftslehre des Handels, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 95; Schuckel, M. (1999), Bedienungsqualität im Einzel-handel, Stuttgart, S. 250.
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somit die Interaktion mit dem Mitarbeiter zu einem wichtigen Aspekt der Qualitäts-wahrnehmung und damit der Kundenzufriedenheit wird.199 Price/Arnould/Deibler konnten in ihrer empirischen Untersuchung zeigen, dass mit zunehmender Interaktionsdauer die Zufriedenheit der Kunden mit den Mitarbeitern steigt und die Dimension der Zufriedenheit mit den Mitarbeitern eine stärkere Bedeutung für die Gesamtzufriedenheit gewinnt.200 Wesentlich für die Beurteilung der Kunde-Mitarbeiter-Interaktion ist dabei das gekonnte Tarieren des Mitarbeiters zwischen Aufdringlichkeit und Zurückhaltung, die nur durch eine gezielte Auswahl von Verkäuferpersönlichkeiten im Rahmen der Personalpolitik gelöst werden kann.201 Einsparungen im Personalbereich haben jedoch dazu geführt, dass die für Beratung zur Verfügung stehende Zeit deutlich gesunken ist und damit der vielfach propagierten Kundenorientierung entgegensteht.202
In der Untersuchung von Westbrook ist der Ansprechpartner durch die Indikatoren Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit und Verfügbarkeit repräsentiert.203 Für alle vier Indikatoren werden hohe Ladungen auf den entsprechenden Faktor ausgewiesen, wobei die drei erstgenannten dominieren. Im Regressionsmodell weist der anhand dieser Indikatoren gebildete Faktor den höchsten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit aus. Darüber hinaus kann in den Studien von Bauer/Huber/ Jung, Schwetje, Meyer/Dornach, Gómez/Mclaughlin/Wittink, Winter und Wunderlich die Zufriedenheit mit dem Ansprechpartner als relevante Dimension der Kunden-zufriedenheit bestätigt werden. Auch in der Untersuchung von Salfeld wird der Ansprechpartner explizit als wichtige Dimension zur Charakterisierung und Bewertung der Kompetenz von Textilfacheinzelhandelsunternehmen genannt.204 Inhaltlich werden unter der Dimension des Ansprechpartners neben den bereits
199 Vgl. Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge
zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 24ff. 200 Vgl. Price, L.L., Arnould, E.J., Deibler, S.L. (1995), Consumers' emotional responses to service
encounters, in: International Journal of Service Industry Management, 6, 3, S. 34-63, S. 46f. 201 Vgl. Heinemann, M. (1976), Einkaufsstättenwahl und Firmentreue des Konsumenten, Wiesbaden,
S. 160. 202 Vgl. zu der Thematik ebenso Burmann, C. (1995), Fläche und Personalintensität als Erfolgs-
faktoren im Einzelhandel, Wiesbaden, S. 63ff. 203 Vgl hierzu sowie im Folgenden Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with
Retail Outlets, in: Journal of Retailing, 57, 3, S. 68-85, S. 79. 204 Salfeld spricht in diesem Zusammenhang von Beratungskompetenz vgl. Salfeld, A. (2003),
Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptionalisierung, Operationa-lisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 168.
Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2002), Handelsmarketing, 3., vollst. überarb. und erw. Aufl., Stuttgart, S. 312ff. und Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Ent-scheidungshilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 313ff.
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angeführten Indikatoren ferner die Beratungsqualität, das Erscheinungsbild, die entgegengebrachte Sympathie, das Einfühlungsvermögen, die Ehrlichkeit und die Erkennbarkeit genannt.
Aufgrund obiger Erkenntnisse wird die Zufriedenheitsdimension Ansprechpartner in ein Erfassungsmodell der Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel aufgenom-men. Als für die Zufriedenheitsdimension Ansprechpartner geeignet erweisen sich die von Westbrook empirisch bestätigten Indikatoren.
� Preise
Preise gelten im Handel als wichtiger Bestimmungsfaktor bei der Wahl einer Einkaufsstätte.205 Somit stellt die Preispolitik ein bedeutendes absatzpolitisches Instrument für Handelsbetriebe dar.206 Die Erfassung von Preisaspekten als eigenständige Zufriedenheitsdimension wird in der wissenschaftlichen Literatur zur Operationalisierung der Kundenzufriedenheit jedoch kontrovers diskutiert. Einerseits wird argumentiert, dass Kundenurteile über das Preisniveau oder das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht unabhängig von anderen Teilzufriedenheitsurteilen, wie z.B. über das Sortiment, seien.207 Andererseits wird angeführt, dass im Handel eine große Anzahl identischer Markenprodukte in Abhängigkeit von Handels-unternehmen und einzelnen Filialen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, wodurch dem Konsumenten, zumindest bei Markenartikeln, wiederum eine eigenständige, von anderen Zufriedenheitsdimensionen unabhängige Beurteilung des Preises möglich ist.208 Die faktoranalytischen Untersuchungen von Westbrook, Schwetje, Winter und Wunderlich im Warenhaussegment und von Gómez/ McLaughlin/Wittink im Lebensmittelsegment dokumentieren jedoch, dass die
205 Vgl. Rudolph, T., Wagner, T. (2003), Preisimage-Politik im Handel, in: Diller, H., Herrmann, A.
(Hrsg.): Handbuch Preispolitik: Strategien - Planung - Organisation - Umsetzung, 1. Aufl., Wies-baden, S. 177-198, S. 177.
206 Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 256ff.; Mattmüller, R., Tunder, R. (2004), Strategisches Handelsmarketing, München, S. 260ff.; Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entscheidungs-hilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 177ff.
207 Vgl. Deppisch, C.G. (1997), Dienstleistungsqualität im Handel, Wiesbaden, S. 112; Dickson, P.R., Sawyer, A.G. (1990), The price knowledge and search of supermarket shoppers, in: Journal of Marketing, 54, 3, S. 42-53, S. 42ff.
208 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 50.
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Preisbeurteilung trotz der festgestellten Interdependenzen vom Konsumenten als eigenständige Zufriedenheits-/ Kompetenzdimension wahrgenommen wird.209
Zur Untersuchung der Entstehungsmechanismen des Preisimages bei Kunden von Handelsunternehmen entwickelten Desai/Talukdar einen Bezugsrahmen auf der Basis der Produkt-Preis-Wahrnehmung.210 Produkte mit hohem Einzelpreis und hoher Umschlagshäufigkeit unterliegen danach einer höheren Wahrnehmung durch den Konsumenten und üben einen stärkeren Einfluss auf die Preiswahrnehmung aus als Produkte mit niedrigem Einzelpreis und niedriger Umschlagshäufigkeit.211 Neben der expliziten Berücksichtigung bestimmter Produkte bei der Bildung von Preis-images konstatieren Ailawadi/Keller, dass häufige geringe Preisnachlässe sich positiver auf die Wahrnehmung des Preises auswirken als weniger häufige, große Preisnachlässe.212 Ferner weisen Bucklin/Lattin empirisch nach, dass häufige Preis-Promotions innerhalb einer bestimmten Warengruppe nur einen indirekten Effekt auf die generelle Preiswahrnehmung des Konsumenten ausüben, da dadurch stärker die Kaufentscheidung im Laden selbst beeinflusst wird (Zusatzkauf), als die Entschei-dung für oder wider einer Einkaufsstätte.213
Als Indikatoren für die Kompetenzdimension Preis-Leistung werden von Salfeld neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis die Häufigkeit von Sonderangeboten und Schnäppchen sowie das generelle Preisniveau herangezogen und faktoranalytisch bestätigt.214 In der sich anschließenden kausalanalytischen Untersuchung konnte
209 Vgl. Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of
Retailing, 57, 3, S. 68-85, S. 79; Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufrie-denheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 161; Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufrie-denheit: eine mehrebenenanalytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimen-sionaler Zufriedenheitsmessung, Mannheim, S. 141; Wunderlich, M. (2005), Integriertes Zufriedenheitsmanagement in Franchisingnetzwerken, Wiesbaden, S. 133ff.; Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 270.
210 Vgl. Desai, K.K., Talukdar, D. (2003), Relationship between product groups' price perceptions, shopper's basket size, and grocery store's overall store price image, in: Psychology & Marketing, 20, 10, S. 903-933, S. 903-933.
211 Wobei der Einfluss der Umschlagshäufigkeit den Einfluss des Einzelpreises dominiert. Vgl. Desai, K.K., Talukdar, D. (2003), Relationship between product groups' price perceptions, shopper's basket size, and grocery store's overall store price image, in: Psychology & Marketing, 20, 10, S. 903-933, S. 912.
212 Vgl. Ailawadi, K.L., Keller, K.L. (2004), Understanding retail branding: conceptual insights and research priorities, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 331-342, S. 334.
213 Vgl. Bucklin, R.E., Lattin, J.M. (1992), A Model Product Category Competition Among Grocery Retailers, in: Journal of Retailing, 68, 3, S. 271-293, S. 271ff.
214 Vgl. Salfeld, A. (2003), Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptiona-lisierung, Operationalisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 146.
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jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen Preis-Leistung und der Gesamt-kompetenz im Bekleidungsfachhandel festgestellt werden.215 Im Gegensatz hierzu kommt in der Studie von Bauer/Huber/Jung dem Merkmal Preis bei allen drei untersuchten Bekleidungsgeschäften die größte relative Bedeutung für die Kunden-zufriedenheit zu.216 Auch in der bislang umfangreichsten empirischen Untersuchung zur Zufriedenheit von Kunden mit Bekleidungsgeschäften von Meyer/Dornach kann ein wesentlicher Einfluss der Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis auf die Globalzufriedenheit nachgewiesen werden.217
Die Untersuchungen von Westbrook (Indikatoren: Preis-Leistungs-Verhältnis, Preis-niveau), Schwetje (Indikatoren: Preisniveau, Preis-Leistungs-Verhältnis, Anzahl der Sonderangebote), Winter (Indikator: Preis-Leistungs-Verhältnis) und Wunderlich (Indikator: Preisniveau) im Warenhausbereich sowie Gómez/McLaughlin/Wittink (Indikatoren: Preis-Leistungs-Verhältnis, Preisniveau im Vergleich zur Konkurrenz) im Lebensmittelbereich unterstreichen ferner die Bedeutung des Preises für die Kundenzufriedenheit im Handel.
Auf der Basis dieser Erkenntnisse ist der Preis als weitere Dimension der Kunden-zufriedenheit im Textilfacheinzelhandel heranzuziehen. Geeignete Indikatoren für die Operationalisierung dieser Zufriedenheitsdimension stellen das Preisniveau sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis dar.
� Verkaufsraumgestaltung
Der mit der Verkaufsraumgestaltung eng verwandte Begriff der Ladenatmosphäre wurde bereits von Kotler als eigenständiges Marketinginstrument eingeführt.218 Auch bei Müller-Hagedorn und Berekoven wird die Verkaufsraumgestaltung als ein zentrales Instrument des Handelsmarketing angeführt.219
215 Vgl. Salfeld, A. (2003), Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptiona-
lisierung, Operationalisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 168.
Hierbei wurden als Indikatoren die Zufriedenheit mit Schnäppchen, Sonderangeboten, dem Preis-Leistungs-Verhältnis und der generellen Günstigkeit zugrunde gelegt.
216 Vgl. Bauer, H.H., Huber, F., Jung, S. (1997), Kundenwertanalyse im Textileinzelhandel, Mann-heim, S. 13.
217 Vgl. Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kunden-orientierung, München, S. 68ff.
218 Vgl. Kotler, P. (1973), Atmospherics as a Marketing Tool, in: Journal of Retailing, 49, 4, S. 48-64, S. 48ff.
219 Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 397ff.; Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entscheidungs-hilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 276ff.
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Der Begriff der Ladenatmosphäre wird zwar vielfach genutzt und als eigenständige Dimension in Zufriedenheitsuntersuchungen erhoben, jedoch finden sich selten Aus-sagen zu seiner Operationalisierung. Baker/Parasuraman/Grewal/Voss sind als die Autoren zu nennen, die den Atmosphärenbegriff in Form der „Store Environment“ im Handelskontext strukturiert aufarbeiten.220 Ladenatmosphäre lässt sich danach durch physische Elemente, wie z.B. Ladendesign, -beleuchtung und -layout, durch Umfeld-elemente, wie z.B. Musik und Geruch, und durch soziale Elemente, wie z.B. Mitarbeiterverfügbarkeit und -freundlichkeit sowie das Kundenumfeld, gestalten. Die Autoren belegen empirisch, dass die Ladenatmosphäre einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung der für den Konsumenten mit dem Besuch eines Ladens verbundenen ökonomischen und psychologischen Kosten ausüben kann.221 Eine angenehme Ladenatmosphäre aufgrund von physischen Elementen reduziert dabei sowohl die wahrgenommenen ökonomischen als auch psychologischen Kosten, während für Umfeldelemente lediglich ein positiver Zusammenhang mit Letzteren nachgewiesen werden konnte. Baker/Parasuraman/Grewal/Voss können der Ladenatmosphäre ferner eine Mediatorfunktion in Bezug auf andere Image-dimensionen einer Einkaufsstätte nachweisen.222 So konnten im Rahmen ihrer Unter-suchungen signifikante Zusammenhänge zwischen den berücksichtigten Elementen der Ladenatmosphäre, insbesondere der physischen Designelemente, und der Qualitäts-, Preis- und Mitarbeiterwahrnehmung festgestellt werden. In anderen empirischen Studien konnte zudem nachgewiesen werden, dass sich eine ange-nehme Ladenatmosphäre in einer erhöhten Kauffrequenz, längeren Aufenthalts-zeiten und letztlich höheren Umsätzen im Laden niederschlägt.223
Im Servicebarometer Deutschland von Meyer/Dornach sind die Gestaltung der Verkaufsräume, deren Ausschilderung und Sauberkeit als Indikatoren der Kunden-zufriedenheit im Bekleidungsgeschäft integriert und weisen hohe Korrelationen mit
220 Vgl. Baker, J., Parasuraman, A., Grewal, D., Voss, G.B. (2002), The Influence of Multiple Store
Environment Cues on Perceived Merchandise Value and Patronage Intentions, in: Journal of Marketing, 66, 2, S. 120-141, S. 120ff.
221 Vgl. Baker, J., Parasuraman, A., Grewal, D., Voss, G.B. (2002), The Influence of Multiple Store Environment Cues on Perceived Merchandise Value and Patronage Intentions, in: Journal of Marketing, 66, 2, S. 120-141, S. 134.
222 Vgl. Baker, J., Parasuraman, A., Grewal, D., Voss, G.B. (2002), The Influence of Multiple Store Environment Cues on Perceived Merchandise Value and Patronage Intentions, in: Journal of Marketing, 66, 2, S. 120-141, S. 138.
223 Vgl. Grewal, D., Baker, J., Levy, M., Voss, G.B. (2003), The effects of wait expectations and store atmosphere evaluations on patronage intentions in service-intensive retail stores, in: Journal of Retailing, 79, 4, S. 259-268, S. 259ff.; Eroglu, S.A., Machleit, K.A. (1990), An Empirical Study of Retail Crowding: Antecedents and Consequences, in: Journal of Retailing, 66, 2, S. 201-221, S. 201ff.; Bellizzi, J.A., Crowley, A.E., Hasty, R.W. (1983), The effects of Color in Store Design, in: Journal of Retailing, 59, 1, S. 21-45, S. 21ff.
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der Globalzufriedenheit auf.224 Die relative Wichtigkeit der Ladengestaltung und Warenpräsentation wird auch in der empirischen Studie von Bauer/Huber/Jung im Textilhandel bestätigt.225 Die Befunde von Westbrook, Schwetje und Winter im Warenhausbereich zeigen darüber hinaus, dass die Verkaufsraumgestaltung (bei Westbrook als „Ladeneinrichtung“, bei Schwetje als „tangibles Umfeld“ bezeichnet) einen wesentlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit ausübt.226 Ferner kann Salfeld explizit für den Textilfacheinzelhandel belegen, dass die Verkaufsraum-gestaltung (dort als „Wohlfühlkommunikationskompetenz“ bezeichnet) einen signifikanten Einfluss auf die Kompetenz der Betriebstypenmarke ausübt.227 In ein Erfassungsmodell der Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel ist die Zufriedenheit mit dem Verkaufsraum aufgrund obiger Erkenntnisse als eine zentrale Zufriedenheitsdimension aufzunehmen. Als Indikatoren eignen sich die Anordnung der Kleidung sowie die Übersichtlichkeit im Verkaufsraum.
� Service
Der Service stellt eine weitere bedeutende Dimension der Kundenzufriedenheit im Handel dar.228 Die Serviceorientierung von Unternehmen kann nach Homburg/Hoyer/ Fassnacht sowohl auf einer individuellen als auch auf einer unternehmensbezogenen Ebene analysiert werden.229 Auf der individuellen Ebene geht es um die Service-orientierung einzelner Personen (Mitarbeitereinsatz im Verkauf), auf der unternehmensbezogenen Ebene um die organisatorischen Gegebenheiten in einem
224 Der Pearson’sche Korrelationskoeffizient weist in allen drei Fällen einen Wert größer als 0,4 auf.
Vgl. Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kunden-orientierung, München, S. 69.
225 Vgl. Bauer, H.H., Huber, F., Jung, S. (1997), Kundenwertanalyse im Textileinzelhandel, Mann-heim, S. 18.
226 Vgl. Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of Retailing, 57, 3, S. 68-85, S. 81; Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufrie-denheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 163; Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufrie-denheit: eine mehrebenenanalytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimen-sionaler Zufriedenheitsmessung, Mannheim, S. 142.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in der empirischen Untersuchung von Winter die Verkaufsraumgestaltung als wichtigste Determinante der Kundenzufriedenheit im Warenhaus nachgewiesen werden konnte.
227 Vgl. Salfeld, A. (2003), Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptiona-lisierung, Operationalisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 168.
228 Vgl. Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entschei-dungshilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 164ff.
229 Vgl. Homburg, C., Hoyer, W.D., Fassnacht, M. (2002), Service Orientation of a Retailer's Business Strategy: Dimensions, Antecedents, and Performance Outcomes, in: Journal of Marketing, 66, 4, S. 86-101, S. 86ff.
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Unternehmen (Unternehmenskultur, Klima, Dezentralisierung) und um den Umstand, inwieweit die Serviceorientierung als Teil der Unternehmensstrategie anzusehen ist. Der Strukturierungsrahmen zeigt, dass Serviceaspekte häufig auch in anderen Zufriedenheitsdimensionen enthalten sind (z.B. Zufriedenheit mit den Mitarbeitern). Um Überschneidungen der einzelnen Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Vorfeld weitestgehend auszuschließen, soll daher im Folgenden die Service-orientierung als Teil der Unternehmensstrategie auf einer unternehmensbezogenen Ebene betrachtet werden. Hiermit ist eng die Frage verbunden, in welchem Ausmaß die Unternehmen von einer Serviceorientierung Gebrauch machen. Der Textilfach-einzelhandel bietet in diesem Zusammenhang seinen Kunden zahlreiche Zusatz- und Servicedienstleistungen an, die nicht der klassischen Handelsleistung zuzurechnen sind.230 Beispielhaft können diesbezüglich Verpackungs- oder Lieferservice, Kunden-karten, Umtausch, Änderungsdienste, „Auswahl mit nach Hause“ oder die Kredit-finanzierung angeführt werden.231
Salfeld konnte im Rahmen seiner Untersuchungen im Textilfacheinzelhandel nach-weisen, dass die Servicekompetenz in Form der Zufriedenheit mit Reklamationen und Änderungen einen signifikanten Einfluss auf die Kompetenz der Betriebs-typenmarke ausübt.232 In der Studie von Bauer/Huber/Jung konnte ferner für alle betrachteten Betriebstypen die Zufriedenheit mit den Umtauschmöglichkeiten und mit der Kulanz eine hohe relative Bedeutung nachgewiesen werden.233
Die Zufriedenheit der Kunden mit der Kundenkarte, als weitere Serviceleistung, wird von Gómez/McLaughlin/Wittink in mehreren Teilaspekten thematisiert und zeigt im
230 Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass im Einzelhandel das Ausmaß der Servicepolitik eng
mit der Wahl der Betriebsform verknüpft ist. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. A.4 sowie Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 77.
231 Vgl. hierzu die ausführliche Auflistung bei Brandenburg, H. (2003), Durch aktive Servicepolitik den Umsatz steigern: Service-Konzepte für die Praxis, Service-Leistungen von A - Z, Service-Ideen Schlag auf Schlag, Service-Zufriedenheit messen, BBE-Unternehmensberatung (Hrsg.), Köln, S. 3ff. und Gerstung, F. (1978), Die Servicepolitik als Instrument des Handelsmarketing, Göttingen, S. 114.
232 Vgl. Salfeld, A. (2003), Kompetenzorientiertes Betriebstypenmarkenmanagement. Konzeptiona-lisierung, Operationalisierung und Gestaltungsempfehlungen für den Bekleidungseinzelhandel, 1. Aufl., Münster, S. 146 und S. 168.
233 Vgl. Bauer, H.H., Huber, F., Jung, S. (1997), Kundenwertanalyse im Textileinzelhandel, Mann-heim, S. 18.
Der Erklärungsanteil der Zufriedenheit mit den Umtauschmöglichkeiten zur Zufriedenheit der Kun-den mit einem Bekleidungsgeschäft beträgt in der Boutique 10,4%, im Kaufhaus 11,4% und im Discounter 10,2%. Der Erklärungsanteil der Kulanz liegt in der Boutique bei 10,8%, im Kaufhaus bei 10,9% und im Discounter bei 9%.
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Lebensmittelhandel einen starken Zusammenhang mit der Globalzufriedenheit.234 Aufgrund der rasanten Verbreitung von Kundenkarten im Textilfacheinzelhandel in den letzten Jahren kann auch im Untersuchungskontext der vorliegenden Arbeit von einer Relevanz dieser Zusatzleistung für die Zufriedenheit ausgegangen werden.235 Expertengespräche bestätigen ferner die Bedeutung dieser Teilzufriedenheit aus der Unternehmensperspektive.
Die Ergebnisse einer Zufriedenheitsbefragung von 231 Kunden des kooperierenden Unternehmens aus dem Jahr 2004 ergab jedoch, dass zwischen 30% und 50% der Befragten zur Zufriedenheit mit den Serviceaspekten „Änderungen“, „Kulanz“ und „Auswahl mit nach Hause“ keine Angaben machen konnten. Dies belegt, dass einem Großteil der Befragten eine Beurteilung von bestimmten Serviceleistungen aufgrund der Nicht-Inanspruchnahme nicht möglich ist.
Die Erfassung der Kundenzufriedenheit mit den Serviceleistungen beschränkt sich aus diesem Grund in der vorliegenden Untersuchung auf die Operationalisierung der Zufriedenheit mit der Kundenkarte.236 Als Indikator wird die Zufriedenheit mit den Rabattgutscheinen für Kundenkarteninhaber zugrunde gelegt.
� Standort
Eine weitere relevante Dimension der Kundenzufriedenheit im Handel stellt der Standort dar, welcher von Winter im Warenhausbereich und von Meyer/Dornach im Bekleidungsbereich berücksichtigt wird.237 Die Standortpolitik wird von Müller-Hagedorn und Berekoven als eines der entscheidenden absatzpolitischen Instru-mente im Handel genannt.238 Dies kann unter anderem darauf zurück geführt
234 Vgl. Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales
performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 266f. 235 Vgl. Albaum, M., Haak, A. (2004), Kundenkarten: Tante Emma auf Datenbasis, in: Textil-
wirtschaft, 15. April 2004, S. 28-31S. 28ff. 236 Hier kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass alle Kunden ihre Zufriedenheit oder
Unzufriedenheit bekunden können, da die Zufallsstichprobe in der vorliegenden Untersuchung aus der Kundenkartei des kooperierenden Unternehmens gezogen wurde und somit nur Kunden berücksichtigt wurden, die seit zwei Jahren Kundenkarteninhaber des Unternehmens sind. Mit dem Besitz einer Kundenkarte sind folgende Vorteile verbunden: „Auswahl mit nach Hause“, „3% Rabatt bei jedem Einkauf“ sowie „Rabattgutscheine bei besonderen Ereignissen (z. B. zum Saisonstart)“.
237 Vgl. Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: eine mehrebenen-analytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheits-messung, Mannheim, S. 141ff.; Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kundenorientierung, München, S. 68ff.
238 Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 131ff.; Berekoven, L. (1995), Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing. Grundlagen und Entscheidungs-hilfen, 2., überarb. Aufl., München, S. 342ff.
67
werden, dass in der Funktion des physischen Güterumschlags ein wesentlicher Teil der Handelsleistung gesehen wird.239
In den 80er Jahren erfuhr die Optimierung von Standortentscheidungen in der wissenschaftlichen Forschung zunächst große Aufmerksamkeit.240 Die höhere Mobilität der Konsumenten und die damit verbundene Bereitschaft, größere Distanzen für einen Einkauf zurückzulegen, haben jedoch in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Standort als Determinante der Einkaufsstättenwahl aus Konsumentensicht an Bedeutung verloren hat. Bell/Ho/Tang weisen in diesem Zusammenhang nach, dass der Standort nicht mehr den Großteil der Varianz bei der Einkaufsstättenwahl erklären kann.241 Nach Ansicht der Autoren versuchen Konsumenten bei der Wahl einer Einkaufsstätte die gesamten Einkaufskosten, d.h. sowohl variable als auch fixe mit dem Einkauf verbundene Kosten zu optimieren. Anstrengungen, die zur Erreichung einer bestimmten Einkaufsstätte erforderlich sind, werden dabei nur als eine Komponente der Fixkosten betrachtet und spielen somit eine untergeordnete Rolle. Dies wird durch die Ergebnisse von Winter und von Meyer/Dornach bestätigt.242 In beiden Untersuchungen liefert die Zufriedenheit mit dem Standort des Unternehmens von allen untersuchten Zufriedenheitsdimensionen den geringsten Beitrag zur Gesamtzufriedenheit. In den weiteren der in Tab. 3 angeführten Studien finden Standortaspekte keine Berücksichtigung.
Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die Standortentscheidung eine Basisentscheidung eines Handelsunternehmens darstellt, die im Gegensatz zu den laufend zu treffenden Entscheidungen wie die Sortiments- Preis-, Personal- und Verkaufsraumpolitik im Rahmen des Kundenzufriedenheitsmanagements i.d.R. nicht ad hoc beinflusst werden kann.243 Aufgrund dieser Erkenntnisse soll im Folgenden auf eine Erfassung der Kundenzufriedenheit mit dem Standort verzichtet werden.
239 Vgl. Deppisch, C.G. (1997), Dienstleistungsqualität im Handel, Wiesbaden, S. 9f. 240 Vgl. unter anderem Achabal, D., Gorr, W.L., Mahajan, V. (1982), Multiloc: A multiple store
location decision model, in: Journal of Retailing, 58, 2, S. 5-25, S. 5ff.; Donthu, N., Rust, R.T. (1989), Estimating geographic customer densities using kernel density estimation, in: Marketing Science, 8, 2, S. 191-203, S. 191ff.; Ghosh, A., Craig, C.S. (1983), Formulating Retail Location Strategy in a Changing Environment, in: Journal of Marketing, 47, 3, S. 56-66, S. 56ff.
241 Vgl. Bell, D., Ho, T.-H., Tang, C. (1998), Determining Where to Shop: Fixed and Variable Costs of Shopping, in: Journal of Marketing Research, 35, 3, S. 352-369, S. 352ff.
242 Vgl. Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: eine mehrebenen-analytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheits-messung, Mannheim, S. 142; Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kundenorientierung, München, S. 69.
243 Vgl. zur Unterscheidung von Basisentscheidungen und laufenden Entscheidungen im Rahmen des Handelsmarketing Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stutt-gart, S. 2ff.
68
� Kassenabwicklung
Eine weitere relevante Dimension der Kundenzufriedenheit im Handel stellt die Kassenabwicklung dar. Schwetje und Winter nehmen in ihren Untersuchungen im Warenhausbereich die Dimension Kassen bzw. Kassenabwicklung mit auf und begründen dies mit Studien im Handels- und Dienstleistungskontext von Tom/Lucey, Carmon/Shanthikumar/Carmon sowie Ramsbacher, die Anlass zu der Vermutung geben, dass ein Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit der Kassen-abwicklung und der Globalzufriedenheit existiert.244 Sowohl bei Schwetje als auch bei Winter kann die Teilzufriedenheit mit der Kassenabwicklung als relevante Dimension der Kundenzufriedenheit nachgewiesen werden.245 Im Kundenmonitor Deutschland, in welchem die Kassenabwicklung berücksichtigt wird, können im Bekleidungs-bereich insgesamt nur schwache Korrelationen zwischen der Kassenabwicklung und der Globalzufriedenheit festgestellt werden (r = 0,34).246
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Kassenabwicklung die Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel nicht maßgeblich determiniert. Hierfür spricht zum einen, dass Warenhäuser aufgrund ihrer Innenstadtlage von einer weitaus höheren Kundenfrequenz profitieren als der größtenteils regional ansässige Textilfacheinzelhandel. Zum anderen ist aufgrund des besonderen Stellenwerts des Ansprechpartners und seiner hohen Verfügbarkeit im Textilfacheinzelhandel in der Kassenabwicklung keine wesentliche Determinante der Kundenzufriedenheit zu sehen. Eine Erhebung der Zufriedenheit mit der Kassenabwicklung erscheint aus den genannten Gründen für die vorliegende Untersuchung nicht zielführend.
Insgesamt können somit die Dimensionen Preise, Ansprechpartner, Kundenkarte, Sortiment und Verkaufsraum als relevante Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel festgehalten werden. In Abb. 7 sind diese im Überblick dar-gestellt. 244 Vgl. Tom, G., Lucey, S. (1995), Waiting time delays and customer satisfaction in supermarkets,
in: Journal of Services Marketing, 9, 5, S. 20-29, S. 20ff.; Carmon, Z., Shanthikumar, J., Carmon, T. (1995), A psychological perspective on service segmentation models: The significance of accounting for consumers perceptions of waiting and service, in: Management Science, 41, 11, S. 1806-1815, S. 1806ff.; Ramsbacher, B. (1995), Zeitoptima bei Bankdienst-leistungen: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Zeit bei Bankdienstleistungen, Wien, S. 22ff.
245 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 163; Winter, S. (2005), Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit: eine mehrebenenanalytische Untersuchung der Zusammenhänge auf Basis multidimensionaler Zufriedenheitsmessung, Mann-heim, S. 142.
246 Vgl. Meyer, A., Dornach, F. (2000), Kundenmonitor Deutschland - Qualität und Kunden-orientierung, München, S. 69.
69
Abbildung 7: Dimensionen der Kundenzufriedenheit im Textilfacheinzelhandel
3. Das Konstrukt Kundenloyalität
3.1 Definition der Kundenloyalität
Eng verbunden mit der hohen Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen zur Kundenloyalität ist die Vielzahl von Modellierungsansätzen und Definitionen.247 Ein einheitliches Begriffsverständnis existiert – wie auch beim Konstrukt Kundenzufrie-denheit – bisher nicht.248 Vor diesem Hintergrund erfolgt in Analogie zur Vorgehens-weise im Rahmen der Definition der Kundenzufriedenheit zunächst eine systematische Sichtung der in der Literatur vorgeschlagenen Definitionen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird im Anschluss die dieser Arbeit zugrunde liegende Definition von Kundenloyalität abgeleitet. Tab. 4 bietet einen Überblick über aus-
247 Vgl. die Überblicke bei Quester, P., Lim, A.L. (2003), Product involvement/brand loyalty: is there
a link?, in: Journal of Product & Brand Management, 12, 1, S. 22-38, S. 26ff.; Fournier, S., Yao, J.L. (1997), Reviving brand loyalty: A reconceptualization within the framework of consumer - brand relationships, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 451-473.
248 Vgl. Uncles, M.D., Dowling, G.R., Hammond, K. (2003), Customer loyalty and customer loyalty programs, in: Journal of Consumer Marketing, 20, 4, S. 294-317, S. 295; Oliver, R.L. (1999), Whence Consumer Loyalty?, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 33-44, S. 34; Fournier, S., Yao, J.L. (1997), Reviving brand loyalty: A reconceptualization within the framework of consumer - brand relationships, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 451-473, S. 452; Gierl, H., Marcks, M. (1993), Der Einsatz von Modellen zur Markentreue-Messung, in: Marketing - ZFP, 15, 2, S. 103-108, S. 103; Smith, A., Sparks, L. (2004), All About Eve?, in: Journal of Marketing Management, 20, 3/4, S. 363-386, S. 364.
Preise
Ansprechpartner
Kundenkarte
Sortiment
Verkaufsraum
Westbrook (1981), Bauer et al. (1997), Schwetje (1999), Meyer/Dornach (2000), Gómez et al. (2004), Winter (2005), Wunderlich (2005) Westbrook (1981), Bauer et al. (1997), Schwetje (1999), Meyer/Dornach (2000), Gómez et al. (2004), Winter (2005), Wunderlich (2005) Westbrook (1981), Gómez et al. (2004) Westbrook (1981), Bauer et al. (1997), Schwetje (1999), Meyer/Dornach (2000), Gómez et al. (2004), Winter (2005), Wunderlich (2005) Westbrook (1981), Bauer et al. (1997), Schwetje (1999), Meyer/Dornach (2000), Winter (2005)
Kunden-zufriedenheit
(im Textilfacheinzelhandel)
70
Autor (Jahr) Definition Kundenloyalität als verhaltensbasiertes Konstrukt
East et al. (2000)249 „… the customer’s expenditure in the first store (i.e. where most money is spent) divided by total customer expenditure in the retail category.“
Neal (1999)250 „… the proportion of times a purchaser chooses the same product or service in a category compared with his or her total number of purchases in the category …“
Yim/Kannan (1999)251 „… hard-core Loyalty is the proportion of a product alternative’s purchases that is accounted by customers, who exclusively purchase that alternative.“
Cunningham (1956)252 „… the proportion of total purchases represented by the largest single brand used.“ Kundenloyalität als einstellungsbasiertes Konstrukt
Reichheld (2003)253 „… the willingness of someone – a customer, an employee, a friend – to make an investment or personal sacrifice in order to strengthen a relationship.“
Giering (2000)254 „… die Absicht eines Kunden, die Produkte eines bestimmten Anbieters wieder zu kaufen, den entsprechenden Anbieter weiterzuempfehlen und die Einkäufe bei diesem Anbieter auszudehnen.“
Oliver (1999)255 „A deeply held commitment to rebuy or repatronize a preferred product/service consistently in the future …“
Herrmann/Huber (1997)256 „… ein nach außen gerichtetes Gefühl der persönlichen Bindung.“ Kundenloyalität als kombiniertes Konstrukt aus Einstellungen und Verhalten
Sirdeshmuck et al. (2002)257
„Consumer loyalty is indicated by an intention to perform a diverse set of behaviors that signal a motivation to maintain a relationship with the local firm, including allocating a higher share of the category wallet to the specific service provider, engaging in postive word of mouth (WOM), and repeat purchasing.“
Odekerken-Schröder et al. (2001)258 „We regard store loyalty as the conscious buying behavior of a consumer expressed over time with respect to one store out of a set of stores and which is driven by commitment to this store.“
Dick/Basu (1994)259 „… the relationship between the relative attitude toward an entity (brand/service/ store/vendor) and patronage behavior.“
Tabelle 4: Ausgewählte Definitionen zur Kundenloyalität
249 East, R., Hammond, K., Harris, P., Lomax, W. (2000), First-Store Loyalty and Retention, in:
Journal of Marketing Management, 16, 4, S. 307-325, S. 308. 250 Neal, W.D. (1999), Satisfaction is Nice, but Value drives Loyalty, in: Marketing Research, 11, 1, S.
20-23, S. 21. 251 Yim, C.K., Kannan, P.K. (1999), Consumer Behavioral Loyalty: A Segmentation Model and
Analysis, in: Journal of Business Research, 44, 2, S. 75-92, S. 77. 252 Cunningham, R.M. (1956), Brand loyalty - what, where, how much?, in: Harvard Business
Review, 34, 1, S. 116-128, S. 118. 253 Reichheld, F.F. (2003), The one number you need to grow., in: Harvard Business Review, 81, 12,
S. 46-54, S. 48. 254 Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine
Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 18. 255 Oliver, R.L. (1999), Whence Consumer Loyalty?, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 33-44, S. 34. 256 Herrmann, A., Huber, F. (1997), Kundenloyalität als Erfolgsdeterminante im Marketing: Ergeb-
nisse einer kausalanalytische Studie im Automobilsektor, in: Journal für Betriebswirtschaft, 22, 1, S. 4-25, S. 6.
257 Sirdeshmukh, D., Singh, J., Sabol, B. (2002), Consumer Trust, Value, and Loyalty in Relational Exchanges, in: Journal of Marketing, 66, 1, S. 15-37, S. 20.
258 Odekerken-Schröder, G., De Wulf, K., Kasper, H., Kleijnen, M., Hoekstra, J., Commandeur, H. (2001), The impact of quality on store loyalty: A contingency approach, in: Total Quality Management, 12, 3, S. 307-322, S. 311.
259 Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113, S. 100.
71
gewählte Definitionen zur Kundenloyalität.260
Basierend auf der Analyse bestehender Definitionsansätze lassen sich drei
grundlegende Betrachtungsweisen ableiten, die im Folgenden der Reihe nach diskutiert werden:
� Kundenloyalität als verhaltensbasiertes Konstrukt
� Kundenloyalität als einstellungsbasiertes Konstrukt
� Kundenloyalität als kombiniertes Konstrukt aus Einstellungen und Verhalten
Zahlreiche Autoren definieren Kundenloyalität als behavioristisches Konstrukt.261 Gemäß dem behavioristischen Paradigma eignen sich nur beobachtbare Größen zur Erklärung des Konsumentenverhaltens.262 Jacoby/Chestnut sprechen in diesem Zusammenhang dann von Kundenloyalität, wenn ein Nachfrager eine gewisse Konsistenz in seinem Markenwahlverhalten zeigt.263 Als Maße für diese Konsistenz werden unter anderem Kaufanteile, Kaufintensitäten und Kaufreihenfolgen heran-gezogen.264 Behavioristische Loyalitätsauffassungen greifen somit auf Verhaltens-
daten der Konsumenten in der Vergangenheit zurück. Hinsichtlich des zeitlichen Bezugs liegen daher diesen Definitionen ex post-Betrachtungen zugrunde. 260 Es sei darauf verwiesen, dass der Begriff der Kundenloyalität sowohl im Konsumgüter-, Industrie-
güter- als auch im Dienstleistungsbereich Anwendung findet. Historisch gesehen stand in der Forschung zur Kundenloyalität zunächst die Loyalität von Kunden gegenüber einer bestimmten Marke und somit der Konsumgüterbereich im Vordergrund. Vgl. zur Historie der Kundenloyalität Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 14ff.
Inzwischen wird die in Tab. 4 aufgezeigte Systematisierung der Kundenloyalität jedoch nicht nur dann angewendet, wenn das Bezugsobjekt eine Marke im Konsumgüterbereich ist, sondern sie wird allgemein dem Begriff Kundenloyalität zugrunde gelegt. Vgl. Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113.
Aufgrund der Übertragbarkeit von Erkenntnissen unabhängig vom Bezugsobjekt werden daher im Folgenden auch Definitionen aus verwandten Forschungsgebieten berücksichtigt.
261 Vgl. East, R., Hammond, K., Harris, P., Lomax, W. (2000), First-Store Loyalty and Retention, in: Journal of Marketing Management, 16, 4, S. 307-325, S. 308; Neal, W.D. (1999), Satisfaction is Nice, but Value drives Loyalty, in: Marketing Research, 11, 1, S. 20-23, S. 21; Yim, C.K., Kannan, P.K. (1999), Consumer Behavioral Loyalty: A Segmentation Model and Analysis, in: Journal of Business Research, 44, 2, S. 75-92, S. 77; Cunningham, R.M. (1956), Brand loyalty - what, where, how much?, in: Harvard Business Review, 34, 1, S. 116-128, S. 118.
262 Vgl. zum behavioristischen Stimulus-Response Paradigma Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 322ff.
263 Vgl. Jacoby, J., Chestnut, R. (1978), Brand Loyalty Measurement and Management, New York, S. 44ff.
264 Vgl. Yim, C.K., Kannan, P.K. (1999), Consumer Behavioral Loyalty: A Segmentation Model and Analysis, in: Journal of Business Research, 44, 2, S. 75-92, S. 75ff.; DuWors, R.E., Haines, G.H. (1990), Event history analysis measures of brand loyalty, in: Journal of Marketing Research, 27, 4, S. 485-494, S. 485ff.
72
Die in jüngerer Zeit bei den Anbietern verstärkt zu beobachtende Einführung von Bonusprogrammen spekuliert v.a. auf eine behavioristische Loyalität der Kunden.265 So erfolgt in zahlreichen Programmen die Evaluierung der Kundenloyalität anhand des in der Vergangenheit beobachteten Wiederkaufverhaltens, z.B. dem getätigten Umsatz eines Kunden in einem bestimmten Zeitraum. Je mehr Umsatz ein Kunde dabei generiert, umso loyaler wird er eingestuft, und umso höher fällt die entsprechende Prämienzuweisung aus.266
Als kritisch an rein behavioristischen Definitionen der Kundenloyalität wird jedoch angesehen, dass die Beobachtung von tatsächlichem Verhalten keine Rück-
schlüsse auf die Verhaltensursachen zulässt. So bleibt unberücksichtigt, ob das beobachtete Kaufverhalten zufällig oder durch Zwänge zustande kommt („spurious loyalty“) oder aus einer positiven Bewertung, Einstellung oder Handlungsabsicht gegenüber dem Anbieter resultiert.267 Kalyanaram/Little weisen in diesem Zusammenhang z.B. darauf hin, dass Kunden, die eine bestimmte Marke nur aufgrund eines andauernden Sonderangebots nachfragen, jedoch bei dessen Aufhebung sofort zu einem Markenwechsel bereit sind, nicht als loyal deklariert werden sollten.268
Eine zweite Gruppe von Autoren definiert Kundenloyalität als positive Einstellung eines Kunden, die sich in dessen Absicht zu Folgetransaktionen äußert.269 Diesem Loyalitätsverständnis liegt die Annahme zugrunde, dass Kunden, die in Bezug auf einen Anbieter eine positive Einstellung aufweisen, sich diesem gegenüber in
265 Vgl. Sharp, B., Sharp, A. (1997), Loyalty programs and their impact on repeat-purchase loyalty
patterns, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 473-486, S. 474. 266 Vgl. Lauer, T. (2002), Bonusprogramme richtig gestalten, in: Harvard Business Manager, 24, 3,
S. 98-106, S. 98ff. 267 Vgl. zur Kritik an rein behavioristischen Loyalitätsmodellen Ryan, M.J., Rayner, R., Morrison, A.
(1999), Diagnosting Customer Loyalty Drivers, in: Marketing Research, 11, 2, S. 83-88, S. 83ff.; Baldinger, A.L., Rubinson, J. (1996), Brand Loyalty - The Link Between Attitude and Behavior, in: Journal of Advertising Research, 36, 6, S. 22-34, S. 22ff.; Jacoby, J., Kyner, D.B. (1973), Brand Loyalty vs. Repeat Purchasing Behavior, in: Journal of Marketing Research, 10, 2, S. 1-9, S. 1ff. und zum Begriff der „Spurious Loyalty“ Day, G. (1969), A Two-Dimensional Concept of Brand Loyalty, in: Journal of Advertising Research, 9, 3, S. 29-35, S. 30f..
268 Vgl. Kalyanaram, G., Little, J.D.C. (1994), An empirical analysis of latitude of price acceptance in consumer package goods, in: Journal of Consumer Research, 21, 3, S. 408-419.
269 Vgl. Reichheld, F.F. (2003), The one number you need to grow., in: Harvard Business Review, 81, 12, S. 46-54, S. 48; Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 18; Oliver, R.L. (1999), Whence Consumer Loyalty?, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 33-44, S. 34; Herrmann, A., Huber, F. (1997), Kundenloyalität als Erfolgsdeterminante im Marketing: Ergebnisse einer kausalanalytische Studie im Automobilsektor, in: Journal für Betriebswirtschaft, 22, 1, S. 4-25, S. 6; Day, G. (1969), A Two-Dimensional Concept of Brand Loyalty, in: Journal of Advertising Research, 9, 3, S. 29-35, S. 29ff.
73
Zukunft loyal verhalten werden. Hinsichtlich des zeitlichen Bezugs handelt es sich somit bei dieser Loyalitätsauffassung um eine ex ante-Betrachtung. Die Messung der Einstellung erfolgt neben der Erhebung der Wiederkaufabsicht häufig durch die Erfassung der Weiterempfehlungs- und der Zusatzkaufabsicht.270 Dabei wird die Stärke der gemessenen Einstellung als Indiz für das künftige Verhalten des Kunden bzw. dessen Loyalität gewertet.271
Insbesondere im Bereich der Marken- und Werbewirkungsforschung findet diese Auffassung von Loyalität große Beachtung, da sie bei der Suche nach Strategien zur Verankerung von Marken in der Psyche des Konsumenten eine große Rolle spielt.272 Darüber hinaus geben einige Studien Indizien dafür, dass sich Einstellungsloyalität in positivem Verhalten gegenüber einem Anbieter äußert. So konnten Ahluwalia/ Unnava/Brunkrant nachweisen, dass einstellungsloyale Kunden weniger empfänglich für Negativinformationen zu einer bestimmten Marke sind als nicht-einstellungsloyale Kunden.273 Ferner belegten Gremler/Braun, dass sich die Umsätze für einstellungs-
270 Vgl. unter anderem zur Wiederkaufabsicht Zboja, J.J., Voorhees, C.M. (2006), The impact of
brand trust and satisfaction on retailer repurchase intentions, in: Journal of Services Marketing, 20, 5, S. 381-390, S. 389; Seiders, K., Voss, G.B., Grewal, D., Godfrey, A.L. (2005), Do Satisfied Customers Buy More? Examining Moderating Influences in a Retailing Context, in: Journal of Marketing, 69, 4, S. 26-43, S. 26ff.; Grewal, D., Hardesty, D.M., Iyer, G.R. (2004), The effects of buyer identification and purchase timing on consumers' perceptions of trust, price fairness, and repurchase intentions, in: Journal of Interactive Marketing, 18, 4, S. 87-100, S. 87ff.
Vgl. unter anderem zur Weiterempfehlungsabsicht Jones, M.A., Reynolds, K.E. (2006), The role of retailer interest on shopping behavior, in: Journal of Retailing, 82, 2, S. 115-126, S. 115ff; Mittal, V., Kumar, P., Tsiros, M. (1999), Attribute-Level Performance, Satisfaction, and Behavioral Intentions over Time: A Consumption-System Approach, in: Journal of Marketing, 63, 2, S. 88-101, S. 88ff.; Duhan, D., Johnson, S.D., Wilcox, J.B., Harrel, G.D. (1997), Influences on Consumer Use of Word-of-Mouth Recommendation Sources, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 25, 4, S. 283-295, S. 283ff.
Vgl. unter anderem zur Zusatzkaufabsicht Ngobo, P.V. (2004), Drivers of customers' cross-buying intentions, in: European Journal of Marketing, 38, 9/10, S. 1129-1157; S. 1129ff.; Verhoef, P.C. (2003), Understanding the Effect of Customer Relationship Management Efforts on Customer Retention and Customer Share Development, in: Journal of Marketing, 67, 4, S. 30-45, S. 30ff.; Zeithaml, V.A., Berry, L.L., Parasuraman, A. (1996), The Behavioral Consequences of Service Quality, in: Journal of Marketing, 60, 2, S. 31-46, S. 31ff.
271 Vgl. Uncles, M.D., Dowling, G.R., Hammond, K. (2003), Customer loyalty and customer loyalty programs, in: Journal of Consumer Marketing, 20, 4, S. 294-317, S. 296.
272 Vgl. Aaker, D.A. (1996), Building Strong Brands, Boston; De Chernatony, L., McDonald, M. (1998), Creating Powerful Brands, Oxford; Keller, K.L. (1998), Strategic Brand Management, New York.
273 Vgl. Ahluwalia, R., Unnava, H.R., Brunkrant, R.E. (1999), Towards Understanding the Value of a Loyal Customer: An Information-Processing Perspective, in: Report No. 99-116, Marketing Science Institute, Cambridge, S. 5ff.
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loyale Kunden deutlich zuverlässiger prognostizieren lassen als für nicht-einstellungsloyale Kunden.274
Trotz des hohen psychologischen und soziologischen Erklärungsgehalts von einstel-lungsbasierten Definitionen der Kundenloyalität sind jedoch auch diese in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht unumstritten.275 So kritisiert Dabholkar, dass „attitude based loyalty is less applicable for understanding the buying of low-risk, frequently-purchased brands, or when impulse buying or variety seeking is undertaken, than for important or risky decisions“276. Oliver weist in diesem Zusam-menhang darauf hin, dass bislang wenige systematische, empirische Unter-suchungen vorliegen, die dieses Konstruktverständnis bestätigen bzw. ablehnen.277 Vor diesem Hintergrund stellen nach Auffassung von Oliver auch die oben angeführten Beispiele Einzelfälle dar, die vielfach zitiert werden, um theoretisch mögliche Umsatzeffekte anstelle von tatsächlichen Profitabilitäten aufzuzeigen.
Basierend auf diesen Erkenntnissen modelliert eine weitere Gruppe von Autoren Kundenloyalität als ein kombiniertes Konstrukt, dem sowohl eine Einstellungs- als auch eine Verhaltenskomponente zugrunde liegt.278 Diese Auffassung des Konstrukts Kundenloyalität gilt in der Literatur als weit verbreitet und erweist sich im Hinblick auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Aufgabenstellung als besonders zielführend.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wird Kundenloyalität in Anlehnung an Grund wie folgt definiert:279
274 Vgl. Gremler, D.D., Brown, S.W. (1999), The loyalty ripple effect: appreciating the full value of
customers, in: International Journal of Service Industry Management, 10, 3, S. 271-293, S. 271ff. 275 Vgl. Dowling, G.R. (2002), Customer Relationship Management: in B2C markets, often less is
more, in: California Management Review, 44, 3, S. 87-104. 276 Dabholkar, P.A. (1999), Expectancy Value Models, in: Earl, P.E., Kemp, S. (Hrsg.): The Elgar
Companion to Consumer Research and Economic Psychology, Cheltenham, S. 201-208, S. 203. 277 Vgl. Oliver, R.L. (1999), Whence Consumer Loyalty?, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 33-44,
S. 43. 278 Vgl. hierzu die in Tab. 4 angeführten Quellen sowie Homburg, C., Jensen, O. (2004), Kunden-
bindung im Industriegütergeschäft, in: Backhaus, K., Voeth, M. (Hrsg.): Handbuch Industriegüter-marketing: Strategien - Instrumente - Anwendungen, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 481-520, S. 486.; Homburg, C., Giering, A. (2001), Personal Characteristics as Moderators of the Relationship Between Customer Satisfaction and Loyalty - An Empirical Analysis, in: Psychology & Marketing, 18, 1, S. 43-66, S. 43ff.
279 Vgl. Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 11.
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Kundenloyalität beschreibt das Maß der konativen Beziehungsstärke eines
Kunden zu einem in der Vergangenheit mindestens einmal in Anspruch
genommenen Anbieter, die sich in einem für das Unternehmen positiven
Kundenverhalten manifestiert.
3.2 Theoretische Erklärungsmodelle und Konzepte
In diesem Abschnitt werden verschiedene verhaltenswissenschaftliche Theorien zur Erklärung von Kundenloyalität vorgestellt und diskutiert. Von besonderer Relevanz sind in diesem Zusammenhang die Lerntheorie, die Risikotheorie und die Dissonanz-theorie, die im Folgenden kompakt dargestellt werden sollen.280
Gemäß der Lerntheorie führen positive Erfahrungen, die ein Konsument in einer Geschäftsbeziehung macht, zu einem Wiederholungskauf bzw. einer Verstärkung im Sinne einer weiteren Kaufbereitschaft.281 Beim Lernen nach dem Verstärkungs-
prinzip wird davon ausgegangen, dass Verhaltensweisen, für die das Individuum belohnt wurde, beibehalten werden, während Verhaltensweisen, für die das Indi-viduum bestraft wurde, zu Verhaltensänderungen führen.282 Neben dem Lernen nach dem Verstärkungsprinzip kann ferner das Lernen am Modell zur Erklärung von Loyalität im Rahmen der Lerntheorie herangezogen werden.283 Bei Letzterem wird der besonderen Bedeutung des sozialen Umfeldes, insbesondere der Familie, Rechnung getragen. Erfahrungen und Konsumgewohnheiten werden demnach beo-bachtet und übernommen. Somit beruhen Verhaltensänderungen bzw. - absichten auf Nachahmungen oder Imitationen des vom Modell vorgeführten Verhaltens.
Der Kauf von Leistungen kann grundsätzlich mit Risiken finanzieller, funktionaler, sozialer, gesundheitlicher oder psychischer Natur verbunden sein.284 Die Risiko-
theorie geht davon aus, dass das Kaufverhalten von Individuen durch Versuche, diese Risiken zu minimieren, bestimmt wird.285 Als eine Strategie zur Risikoreduktion kann loyales Verhalten angesehen werden. So verhält sich ein Kunde, dessen 280 Vgl. Homburg, C., Krohmer, H. (2003), Marketingmanagement: Strategie - Instrumente -
Umsetzung - Unternehmensführung, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 104. 281 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl.,
München, S. 324f. 282 Vgl. Mayer, H., Illmann, T. (2000), Markt- und Werbepsychologie, Stuttgart, S. 249. 283 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Osselaer, S.M., Alba, J.W. (2000), Consumer Learning and
Brand Equity, in: Journal of Consumer Research, 27, 6, S. 1-16, S. 1ff. 284 Vgl. Kuß, A., Diller, H. (2001), Kaufrisiko, in: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes Marketinglexikon,
München, S. 757-758, S. 758. 285 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl.,
München, S. 399.
76
Erwartungen erfüllt bzw. übererfüllt wurden, einem Anbieter gegenüber loyal, um dem Risiko einer Nichterfüllung seiner Erwartungen bei einem anderen, ihm noch unbekannten Anbieter, entgehen zu können.286 Loyalität unter risikotheoretischen Aspekten wird i.d.R. immer dann auftreten, wenn ein Konsument bereits über entsprechende Erfahrungen verfügt. Eine Ausnahme hierzu stellen allgemein anerkannte Produkte bzw. Marken dar, die den Kunden einen quasi risikolosen Preis-Qualitäts-Zusammenhang vermuten lassen.287
Im Rahmen der Dissonanztheorie kann Loyalität darauf zurück geführt werden, dass Konsumenten in einer Geschäftsbeziehung keine oder nur geringe Dissonanzen erlebt haben und sich demzufolge in einem psychischen Gleichgewicht befinden.288 Um dieses zu erhalten, versuchen sie ihr zukünftiges Verhalten so auszurichten, dass Dissonanzen vermieden werden, d.h. sie verhalten sich loyal.
3.3 Messung der Kundenloyalität
In diesem Kapitel sollen die zur Messung der Dimensionen der Kundenloyalität herangezogenen Indikatoren inhaltlich weiter konkretisiert und auf ihre Anwend-barkeit im Kontext dieser Arbeit hin überprüft werden. Im Anschluss an die Darstellung und Diskussion von Indikatoren zur Beurteilung des bisherigen Verhaltens folgt die Erläuterung relevanter Einstellungsvariablen.
Als potentielle Messgrößen zur Erfassung von bisherigem loyalen Verhalten eines Kunden können nach Diller die Kaufintensität, die Zuneigung, die Treue, die Kundendurchdringungsrate, die Dauer und die Kontaktdichte herangezogen werden.289
Die Kaufintensität bezieht sich auf die Anzahl der Kaufakte eines Konsumenten bei einem Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum. Unter einem Kaufakt wird dabei 286 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl.,
München, S. 403. 287 Vgl. Meffert, H. (1992), Marketingforschung und Käuferverhalten, 2., vollst. überarb. und erw.
Aufl., Wiesbaden, S. 71. 288 Vgl. Homburg, C., Krohmer, H. (2006), Marketingmanagement: Strategie - Instrumente -
Umsetzung - Unternehmensführung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 61f. sowie die Ausführungen im Rahmen der Konsistenztheorie in Kap. B.2.2 dieser Arbeit.
289 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 85f.
Weitere Überblicke zu möglichen Messgrößen zur Erfassung von loyalem Kaufverhalten finden sich bei Knox, S.D., Denison, T.J. (2000), Store loyalty: its impact on retail revenue. An empirical study of purchasing behavior in the UK, in: Journal of Retailing and Consumer Services, 7, 1, S. 33-45, S. 34f. und Wagner, U., Boyer, C. (2000), Measuring Brand Loyalty on the Individual Level: a Comparative Study, in: Decker, R., Gaul, W. (Hrsg.): Classification and Information Processing at the Turn of the Millenium, Berlin u.a., S. 275-287, S. 275ff.
77
der Kauf jedes einzelnen Artikels verstanden, d.h. kauft ein Konsument bei einem Anbieter drei Artikel, handelt es sich in der Folge auch um drei Kaufakte. Die Kaufintensität kann sowohl absolut als auch relativ (bezogen auf alle Kaufakte des Konsumenten) ausgedrückt werden.
Die Zuneigung erfasst den Anteil der Einkäufe eines Kunden bei einem Anbieter an allen Einkäufen des Kunden in einem bestimmten Zeitraum. Einkäufe bezieht sich dabei nicht auf die Menge der gekauften Waren, sondern lediglich auf den Umstand, dass der Besuch der Einkaufsstätte mit einem Kauf abgeschlossen wurde. Bei der Zuneigung handelt es sich somit um eine relative Größe.
Die Treue charakterisiert die Anzahl oder den Anteil der Einkäufe, die (zuletzt oder durchschnittlich, bezogen auf Kaufsequenzen) in unmittelbarer Folge, d.h. ohne zwischenzeitlichen Anbieterwechsel, getätigt werden. Kauft z.B. ein Kunde Produkte aus einer bestimmten Warengruppe ohne zwischenzeitlichen Anbieterwechsel dreimal in Folge bei dem gleichen Unternehmen A, so würde seine Kauffolge entsprechend A, A, A lauten. Die Treue kann in Form relativer und absoluter Kenn-zahlen erhoben werden.
Die Kundendurchdringungsrate beschreibt den Anteil der Bedarfsdeckung des Kunden bei einem Anbieter.290 Dabei wird der Umsatz, den ein Kunde in einer bestimmten Periode bei einem bestimmten Unternehmen tätigt, in Beziehung zum Gesamtumsatz des Kunden bei allen Unternehmen derselben Branche in der be-trachteten Periode gesetzt. Hierbei wird explizit die (Nicht-) Hinwendung des Kunden zu Wettbewerbern erfasst. Die Kundendurchdringungsrate stellt somit eine relative Größe dar.
Die Dauer als der Zeitraum seit dem letzten Kaufakt oder Einkauf eines Kunden bei einem Anbieter kann ebenfalls zur Beschreibung von Loyalität herangezogen werden. Als relative Kennzahl schlägt Diller in diesem Zusammenhang die Bildung der Differenz zwischen vergangenem Zeitraum seit dem letzten Kauf und dem durchschnittlichen Zeitraum zwischen zwei Käufen vor. Folglich kann auch hier zwischen einer absoluten und einer relativen Größe differenziert werden.
Die Kontaktdichte beschreibt die Anzahl oder den Anteil der Kontakte des Kunden mit einem Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum, wobei der Begriff Kontakt in
290 Die Begriffe „Share-of-Wallet“, „Share-of-Consumer“, „Share-of-Purchase“ und „Bedarfsdeckungs-
rate“ werden häufig als Synonym zur Kundendurchdringungsrate verwendet.
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diesem Zusammenhang sehr weit gefasst sein kann. Die Kontaktdichte kann absolut oder relativ (bezogen auf alle Kundenkontakte) definiert werden.
Grundsätzlich finden alle von Diller genannten Messgrößen in der empirischen Handelsforschung Berücksichtigung.291 Besondere Verbreitung hat jedoch die Kundendurchdringungsrate (im folgenden als „Share-of-Wallet“ bezeichnet) erfahren, da diese Größe – wie bereits erwähnt – implizit die (Nicht-) Hinwendung des Kunden zur Konkurrenz erfasst.292 Diller bezeichnet sie aus diesem Grund auch als die
291 Vgl. zur Kaufintensität unter anderem Sawmong, S., Omar, O. (2004), The Store Loyalty of the
UK's Retail Consumers, in: Journal of American Academy of Business, 5, 1/2, S. 503-509, S. 508; Seiders, K., Tigert, D.J. (1997), Impact of market entry and competitive structure on store switching/store loyalty, in: The International Review of Retail, Distribution and Consumer Research, 7, 3, S. 227-247, S. 227ff.; Kelley, R.F. (1967), Estimating ultimate performance levels of new retail outlets, in: Journal of Marketing Research, 4, 1, S. 13-19, S. 13ff.; Thompson, B. (1967), An analysis of supermarket shopping habits in Worcester, Massachusetts, in: Journal of Retailing, 43, 3, S. 17-29, S. 17ff.
Vgl. zur Zuneigung unter anderem Sivadas, E., Baker-Prewitt, J.L. (2000), An examination of the relationships between service quality, customer satisfaction, and store loyalty, in: International Journal of Retail & Distribution Management, 28, 2/3, S. 73-83, S. 76; Sharp, B., Sharp, A. (1997), Loyalty programs and their impact on repeat-purchase loyalty patterns, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 473-486, S. 476.
Vgl. zur Treue unter anderem Jungwirth, G. (1997), Geschäftstreue im Einzelhandel: Determi-nanten - Erklärungsansätze - Meßkonzepte, Wiesbaden, S. 94; Heinemann, M. (1976), Einkaufs-stättenwahl und Firmentreue des Konsumenten, Wiesbaden, S. 33; Frank, R.E. (1962), Brand Choice as a Probability Process, in: Journal of Business, 35, 1, S. 43-56, S. 43ff.
Vgl. zur Kundendurchdringungsrate unter anderem Mägi, A.W. (2003), Share of wallet in retailing: the effects of customer satisfaction, loyalty cards and shopper characteristics, in: Journal of Retailing, 79, 2, S. 97-106, S. 98; Sirdeshmukh, D., Singh, J., Sabol, B. (2002), Consumer Trust, Value, and Loyalty in Relational Exchanges, in: Journal of Marketing, 66, 1, S. 15-37, S. 20; DeWulf, K., Odekerken-Schröder, G., Iacobucci, D. (2001), Investments in Consumer Relationships: A Cross-Country and Cross-Industry Exploration, in: Journal of Marketing, 65, 4, S. 33-50, S. 33ff.; Narayandas, D., Bowman, D. (2001), Managing Customer-Initiated Contacts with Manufacturers: The Impact on Share of Category Requirements and Word-of-Mouth Behavior, in: Journal of Marketing Research, 38, 3, S. 281-297, S. 281ff.; Sirohi, N., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (1998), A model of consumer perceptions and store loyalty intentions for a supermarket retailer, in: Journal of Retailing, 74, 2, S. 223-245, S. 223ff.; Cunningham, R.M. (1956), Brand loyalty - what, where, how much?, in: Harvard Business Review, 34, 1, S. 116-128, S. 116ff.
Vgl. zur Dauer seit dem letzten Kaufakt unter anderem East, R., Hammond, K., Harris, P., Lomax, W. (2000), First-Store Loyalty and Retention, in: Journal of Marketing Management, 16, 4, S. 307-325, S. 309.
Vgl. zur Kontaktdichte unter anderem Mägi, A.W. (2003), Share of wallet in retailing: the effects of customer satisfaction, loyalty cards and shopper characteristics, in: Journal of Retailing, 79, 2, S. 97-106, S. 98.
292 Vgl. Kumar, V., Shah, D. (2004), Building and sustaining profitable customer loyalty for the 21st century, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 317-330, S. 318; Mägi, A.W. (2003), Share of wallet in retailing: the effects of customer satisfaction, loyalty cards and shopper characteristics, in: Journal of Retailing, 79, 2, S. 97-106, S. 97; East, R., Hammond, K., Harris, P., Lomax, W. (2000), First-Store Loyalty and Retention, in: Journal of Marketing Management, 16, 4, S. 307-325, S. 314; Macintosh, G., Lockshin, L.S. (1997), Retail relationships and store loyalty: A multi-level perspective, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 487-497, S. 488.
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valideste Form der Messung der Verhaltensloyalität.293 Auf Basis dieser Erkenntnisse sowie der expliziten Empfehlung von Müller-Hagedorn für den Textilfacheinzelhandel erfolgt die Erfassung der Verhaltensloyalität in dieser Arbeit anhand des Share-of-Wallet.294
Neben der Erfassung des Share-of-Wallet als Indikator des loyalen bisherigen Verhaltens wird basierend auf der in Kap. B.3.1 dargelegten Definition die loyale
Einstellung als weiterer Aspekt von Kundenloyalität berücksichtigt.
Die Einstellung ist die am häufigsten zur Erklärung des Käuferverhaltens herangezogene Variable.295 Die große, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis anerkannte Relevanz kann darauf zurück geführt werden, dass Einstellungen als besonders verhaltensprägend, durch Messung gut verifizierbar und schließlich vom Anbieter als beeinflussbar charakterisiert werden können.296 Grundsätzlich werden unter Einstellungen „innere Bereitschaften (Prädispositionen) eines Indivi-duums, auf bestimmte Stimuli der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren“297 verstanden. Rosenberg et al. unterscheiden bei der Interpretation und Analyse von Einstellungen drei Komponenten:298
� Affektive Komponente: Sie beinhaltet die mit der Einstellung verbundene gefühlsmäßige Einschätzung eines Objekts.
� Kognitive Komponente: Sie enthält die mit der Einstellung verbundenen Gedanken (subjektives Wissen) über das Einstellungsobjekt
� Konative Komponente: Sie charakterisiert eine mit der Einstellung verbundene Handlungstendenz (Verhaltensabsicht)
293 Vgl. Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94,
S. 85. 294 Vgl. Müller-Hagedorn, L. (2001), Kundenbindung mit System, in: Müller-Hagedorn, L. (Hrsg.):
Kundenbindung im Handel, 2.,akt. u. überarb. Aufl., Frankfurt a.M., S. 11-46, S. 22. 295 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl.,
München, S. 168. 296 Vgl. Trommsdorff, V. (2002), Konsumentenverhalten, 4., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart, S. 149;
Boulding, W., Kalra, A., Staelin, R., Zeithaml, V.A. (1993), A dynamic process model of service quality: From expectations to behavioral intentions, in: Journal of Marketing Research, 30, 2, S. 7-27, S. 8ff.; Bolton, R.N., Drew, J.H. (1991), A longitudinal analysis of the impact of service changes on customer attitudes, in: Journal of Marketing, 55, 1, S. 1-9, S. 2ff.
297 Vgl. Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M. (2008), Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 121.
Objekte der Einstellung können somit Sachen, Personen oder Themen sein. 298 Vgl. Rosenberg, M., Hovland, C., McGuire, W., Abelson, R., Brehm, J. (1960), Attitude
Organisation and Change: An Analysis of Consistency Among Attitude Components, New Haven, S. 32ff.
80
Grundsätzlich existieren verschiedene Interpretationen der Dreikomponenten-
theorie mit unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich der Kausalstruktur der Komponenten.299 Im Rahmen dieser Arbeit wird in Anlehnung an Trommsdorff die Auffassung vertreten, dass eine Einstellung affektiv und kognitiv bedingt ist und dass sie direkt die Verhaltensintentionen beeinflusst und indirekt das Verhalten.300 In Abb. 8 ist dieses Verständnis kausalgraphisch dargestellt.
Abbildung 8: Modellierung der Einstellung
(Quelle: i.A. an Trommsdorff, V. (2004), Konsumentenverhalten, 6. Aufl., Stuttgart, S. 164)
Aufgrund der mit dieser Kausalstruktur verbundenen Abgrenzungsprobleme in Bezug auf das Konstrukt Kundenzufriedenheit wird in der vorliegenden Arbeit von einer direkten Erfassung der Einstellung Abstand genommen. Wie in Kap. B.2.1 dargestellt wurde, ist es sinnvoll, Kundenzufriedenheit in dieser Untersuchung als Beziehungs-zufriedenheit und damit als längerfristiges, einstellungsnahes Konstrukt zu konzeptualisieren. Aus der daraus resultierenden Abgrenzungsproblematik ergibt
299 Vgl. beispielhaft Steffenhagen, H. (1984), Kommunikationswirkung - Kriterien und Zusammmen-
hänge, Aachen; Bagozzi, R.P., Burnkrant, R.E. (1978), Attitude Organization and the Attitude Behavior Relationship, in: Arbeitspapier (Hrsg.): School of Business Administration, Berkeley.
300 Vgl. Trommsdorff, V. (2002), Konsumentenverhalten, 4., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart, S. 154f.
Kognition
Affektion
Intention Verhalten
Einstellung
81
sich unmittelbar die Notwendigkeit, die positive Einstellung des Kunden gegenüber einem Anbieter anhand von Intentionen indirekt zu erfassen.301
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Kundenloyalität wird zwischen der Wiederkaufintention, der Weiterempfehlungsintention und der Zusatzkaufintention unterschieden.302 Diese sollen im Folgenden charakterisiert und auf ihre Anwendbarkeit in der vorliegenden Untersuchung geprüft werden.
Unter Wiederkaufintention (im Folgenden als „Wiederkaufabsicht“ bezeichnet) ist die gedankliche Vorentscheidung einer Person zu verstehen, eine gleiche Leistung bzw. ein gleiches Produkt beim selben Anbieter unter Berücksichtigung der späteren Abschlussbedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens wieder zu erstehen.303 Die Wiederkaufabsicht ist somit bei prozessualer Betrachtung als ein aus positiver Einstellung folgendes Konstrukt zu interpretieren, das näher an der Kaufhandlung liegt als die positive Einstellung, aber eben noch nicht Kaufhandlung
301 Die Verhaltensabsicht wird somit als selbständige psychische Größe betrachtet, die neben der
Einstellung besteht. Vgl. Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 81; Kotler, P., Bliemel, F. (1992), Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 7., neu bearb. u. erw. Auflage, Stuttgart, S. 399ff.; Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 16 sowie Diller, H., Goerdt, T., Geis, G. (1997), Marken- und Einkaufsstättentreue bei Konsumgütern, Arbeitspapier Nr. 58, Erlangen-Nürnberg, S. 16, die in diesem Zusammenhang von einstellungsgeprägten Verhaltenskonzepten sprechen.
302 Vgl. Homburg, C., Jensen, O. (2004), Kundenbindung im Industriegütergeschäft, in: Backhaus, K., Voeth, M. (Hrsg.): Handbuch Industriegütermarketing: Strategien - Instrumente - Anwen-dungen, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 481-520, S. 486; Homburg, C., Faßnacht, M. (2001), Kunden-nähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei Dienstleistungsunternehmen, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 441-464, S. 451; Meyer, A., Oevermann, D. (1995), Kundenbindung, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.): Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 1340-1351, Sp. 1342.
Die Preiserhöhungstoleranz als eine weitere inhaltliche Facette erfährt erst in jüngerer Zeit ver-stärkte Beachtung und ist noch nicht so eingehend untersucht worden wie die anderen Kompo-nenten. Aus diesem Grund soll auf eine Berücksichtigung der Preiserhöhungstoleranz im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Vgl. zur Preiserhöhungstoleranz Homburg, C., Koschate, N. (2005), Behavioral Pricing-Forschung im Überblick - Teil 1: Grundlagen, Preisinformations-aufnahme und Preisinformationsbeurteilung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 75, 4, S. 383-423, S. 383ff.; Homburg, C., Koschate, N. (2005), Behavioral Pricing-Forschung im Überblick - Teil 2: Preisinformationsspeicherung, weitere Themenfelder und zukünftige Forschungs-richtungen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 75, 5, S. 501-524, S. 501ff. und Homburg, C., Jensen, O. (2004), Kundenbindung im Industriegütergeschäft, in: Backhaus, K., Voeth, M. (Hrsg.): Handbuch Industriegütermarketing: Strategien - Instrumente - Anwendungen, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 481-520, S. 486.
303 Vgl. Straßburger, H. (1991), Wiederkaufentscheidungsprozeß bei Verbrauchsgütern. Ein verhal-tenswissenschaftliches Erklärungsmodell, Frankfurt a.M., S. 8 und ähnlich Jones, M.A., Mothersbaugh, D.L., Beatty, S.E. (2000), Switching Barriers and Repurchase Intentions in Service, in: Journal of Retailing, 76, 2, S. 259-274, S. 260; Mittal, V., Ross, W.T., Baldasare, P.M. (1998), The Asymetric Impact of Negative and Positive Attribute-Level Performance on Overall Satisfaction and Repurchase Intentions, in: Journal of Marketing, 62, 1, S. 33-47, S. 35.
82
bedeutet, sondern lediglich eine mehr oder weniger hohe Kaufwahrscheinlichkeit ausdrückt.304 Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der Kundenloyalität im Handel kommt der Wiederkaufabsicht in empirischen Untersuchungen eine zentrale Rolle zu.305 Eine Berücksichtigung in der vorliegenden Untersuchung erscheint aus diesem Grund zielführend.
Neben der Wiederkaufabsicht wird in zahlreichen Untersuchungen im Handel die Weiterempfehlungsabsicht als weiterer Loyalitätsindikator berücksichtigt.306 Grund-sätzlich wird in diesem Zusammenhang von der Annahme ausgegangen, dass loyale Kunden ihre Erfahrungen an Bekannte und Verwandte weitergeben.307 Da ein Kunde durch Empfehlungen seine Reputation aufs Spiel setzt, kann nach Reichheld für den Fall einer hohen Weiterempfehlungsbereitschaft eines Kunden auf eine starke Loya-lität gegenüber einem Anbieter geschlossen werden.308
304 Vgl. Bänsch, A. (1995), Käuferverhalten, 6. Aufl., München, S. 42. 305 Vgl. Zboja, J.J., Voorhees, C.M. (2006), The impact of brand trust and satisfaction on retailer
repurchase intentions, in: Journal of Services Marketing, 20, 5, S. 381-390, S. 381f.; Sawmong, S., Omar, O. (2004), The Store Loyalty of the UK's Retail Consumers, in: Journal of American Academy of Business, 5, 1/2, S. 503-509, S. 508; Wong, A., Sohal, A. (2003), Service quality and customer loyalty perspectives on two levels of retail relationships, in: Journal of Services Marketing, 17, 5, S. 495-513, S. 510; Sirdeshmukh, D., Singh, J., Sabol, B. (2002), Consumer Trust, Value, and Loyalty in Relational Exchanges, in: Journal of Marketing, 66, 1, S. 15-37, S. 26; Too, L.H.Y., Souchon, A.L., Thirkell, P.C. (2001), Relationship Marketing and Customer Loyalty in a Retail Setting: A Dyadic Exploration, in: Journal of Marketing Management, 17, 3/4, S. 287-319, S. 318; Zins, A. (2001), Relative attitudes and commitment in customer loyalty models, in: International Journal of Service Industry Management, 12, 3, S. 269-294, S. 269ff.; Liddy, A. (2000), Relationship Marketing, loyalty programmes and the measurement of loyalty, in: Journal of Targeting, Measurement Analysis for Marketing, 8, 4, S. 351-362, S. 351ff.; Sirohi, N., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (1998), A model of consumer perceptions and store loyalty intentions for a supermarket retailer, in: Journal of Retailing, 74, 2, S. 223-245, S. 223ff.; Macintosh, G., Lockshin, L.S. (1997), Retail relationships and store loyalty: A multi-level perspective, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 487-497, S. 487ff.
306 Vgl. Sawmong, S., Omar, O. (2004), The Store Loyalty of the UK's Retail Consumers, in: Journal of American Academy of Business, 5, 1/2, S. 503-509, S. 508; Reichheld, F.F. (2003), The one number you need to grow., in: Harvard Business Review, 81, 12, S. 46-54; Wong, A., Sohal, A. (2003), Service quality and customer loyalty perspectives on two levels of retail relationships, in: Journal of Services Marketing, 17, 5, S. 495-513, S. 510; Sirdeshmukh, D., Singh, J., Sabol, B. (2002), Consumer Trust, Value, and Loyalty in Relational Exchanges, in: Journal of Marketing, 66, 1, S. 15-37, S. 26; Too, L.H.Y., Souchon, A.L., Thirkell, P.C. (2001), Relationship Marketing and Customer Loyalty in a Retail Setting: A Dyadic Exploration, in: Journal of Marketing Management, 17, 3/4, S. 287-319, S. 318; Sirohi, N., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (1998), A model of consumer perceptions and store loyalty intentions for a supermarket retailer, in: Journal of Retailing, 74, 2, S. 223-245, S. 223ff.
307 Vgl. Foscht, T. (2002), Kundenloyalität. Integrative Konzeption und Analyse der Verhaltens- und Profitabilitätswirkungen, Wiesbaden, S. 60.
308 Vgl. Reichheld, F.F. (2004), Mundpropaganda als Maßstab für den Erfolg, in: Harvard Business Manager, 26, 3, S. 22-35, S. 25; vgl. ähnlich Eggert, A., Helm, S. (2000), Determinanten der Weiterempfehlung: Kundenzufriedenheit oder Kundenbindung?, in: der markt, 39, 153, S. 63-72, S. 63f.
83
Das besondere Interesse an der Weiterempfehlung resultiert daraus, dass per-sönliche Kommunikation generell wirkungsvoller eingestuft wird als Massenkom-munikation.309 Ursachen hierfür sind nach Kaas in der größeren Glaubwürdigkeit und stärkeren sozialen Kontrolle des Kommunikators, der besseren selektiven Infor-mationsaufnahme durch den Kommunikanten sowie in der größeren Flexibilität beim gegenseitigen Informationsaustausch zu sehen.310
Mit der Einbeziehung des Weiterempfehlungsverhaltens in das Konstrukt Kunden-loyalität soll verhindert werden, dass der unbewusste, möglicherweise zufällige Wiederkauf als Kundenloyalität interpretiert wird.311 Basierend auf diesen Erkenntnissen wird auch im Rahmen dieser Arbeit die Weiterempfehlungsabsicht als Indikator von Kundenloyalität herangezogen.
Die Intensivierung der Geschäftsbeziehung mit dem entsprechenden Anbieter durch Zusatzkäufe stellt ein weiteres Indiz für die Loyalität eines Kunden im Handel dar.312 Zusatzkaufintentionen charakterisieren in diesem Zusammenhang die Absicht eines Kunden, in Zukunft nicht nur Produkte aus einer einzelnen Produktkategorie (z.B. Bekleidung), sondern zusätzlich Produkte aus weiteren Produktkategorien (z.B. Schuhe) eines Anbieters kaufen zu wollen.313
Die hohe ökonomische Bedeutung des Zusatzkaufverhaltens (im englischen als „Cross-Buying-Behavior“ bezeichnet) für einen Anbieter resultiert aus der Annahme, dass die Ausschöpfung eines vorhandenen Kundenpotenzials profitabler ist als die Erschließung neuer Kundenpotenziale.314 Dies kann darauf zurück geführt werden, dass einerseits Kosten für Akquisition und Administration nur einmal anfallen,
309 Vgl. Kirchgeorg, M., Springer, C., Brühe, C. (2009), Live Communication Management. Ein
strategischer Leitfaden zur Konzeption, Umsetzung und Erfolgskontrolle, Wiesbaden, S. 243ff.; Kirchgeorg, M. (2004), Austauschbarkeit der Produkte führt zum Schnäppchenkauf, in: Automobilwirtschaft, 2, Juni, S. 18-19, S. 19; Hartmann, D., Kirchgeorg, M. (2004), Erlebnis als Mehrwert, in: marketing journal, Themenheft: Effizienz, S. 30-33, S. 31; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 508ff.
310 Vgl. Kaas, K.P. (1973), Diffusion und Marketing, Stuttgart, S. 54ff. 311 Vgl. Duhan, D., Johnson, S.D., Wilcox, J.B., Harrel, G.D. (1997), Influences on Consumer Use
of Word-of-Mouth Recommendation Sources, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 25, 4, S. 283-295, S. 283ff.; Dick, A., Basu, K. (1994), Customer Loyalty, Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 22, 2, S. 99-113, S. 99ff.
312 Vgl. Too, L.H.Y., Souchon, A.L., Thirkell, P.C. (2001), Relationship Marketing and Customer Loyalty in a Retail Setting: A Dyadic Exploration, in: Journal of Marketing Management, 17, 3/4, S. 287-319, S. 318.
313 Vgl. Foscht, T. (2002), Kundenloyalität. Integrative Konzeption und Analyse der Verhaltens- und Profitabilitätswirkungen, Wiesbaden, S. 102.
314 Vgl. Homburg, C., Schäfer, H. (2000), Cross-Selling: Aus der Kundenbeziehung mehr heraus-holen, in: Harvard Business Manager, 22, 6, S. 35-44, S. 37.
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andererseits Synergien bei der Kommunikation genutzt werden können. Dement-sprechend groß ist somit auch das Interesse von Unternehmen, das Zusatzkauf-verhalten ihrer Kunden zu analysieren und zu fördern. Für die Analyse des Zusatz-kaufverhaltens werden i.d.R. Daten herangezogen, die das Verhalten der Kunden in der Vergangenheit beschreiben.315 Als Ergebnis können daraus Wahrscheinlich-keiten für den kombinierten Kauf von zwei Produkten berechnet und in einer Verbundmatrix dargestellt werden.316
Abbildung 9: Messung von Kundenloyalität
In empirischen Untersuchungen spielt die Erhebung der Zusatzkaufabsicht als Indikator des Konstrukts Kundenloyalität im Vergleich zur Wiederkauf- und Weiter-empfehlungsabsicht bislang nur eine untergeordnete Rolle.317 Von den in Tab. 1 dargestellten Studien im Handel wird lediglich in einer von 21 Arbeiten die Zusatzkaufabsicht als Loyalitätsindikator herangezogen. Aus diesem Grund wird in
315 Neben dem Rückgriff auf Datawarehouses und Data-Mining-Analysetools erfolgt die Analyse des
Zusatzkaufverhaltens in seltenen Fällen auch durch Befragung von Mitarbeitern oder Kunden. 316 Vgl. für eine detaillierte Darstellung Cross-Selling Homburg, C., Schäfer, H. (2000), Cross-
Selling: Aus der Kundenbeziehung mehr herausholen, in: Harvard Business Manager, 22, 6, S. 35-44, S. 39.
317 Vgl. Homburg, C., Schäfer, H. (2002), Die Erschließung von Kundenpotentialen durch Cross-Selling: Konzeptionelle Grundlagen und empirische Ergebnisse, in: Marketing - ZFP, 24, 1, S. 7-26, S. 7.
„Share-of-Wallet“
Verhalten
Kundenloyalität
Einstellung/Absicht
Weiterempfehlungsabsicht / Wiederkaufabsicht
85
der vorliegenden Arbeit von einer Erfassung dieses Indikators abgesehen.318 Abb. 9 zeigt zusammenfassend die für Messung und Operationalisierung des Konstrukts Kundenloyalität herangezogenen Indikatoren.
Die Messung von Einstellungen und Verhaltensabsichten erfolgt grundsätzlich über verbale Messgrößen durch Befragung. Auf die Erfassung psychobiologischer Indikatoren, wie z.B. die Pulsfrequenz, wird in dieser Arbeit verzichtet, da sie eine Experimentanlage und beobachtbares Verhalten voraussetzen und aus diesem Grund nur eingeschränkt geeignet sind, zuverlässige Rückschlüsse auf Einstellungen oder Absichten abzuleiten.319
3.4 Dimensionen der Kundenloyalität
In der vorliegenden Arbeit wird Kundenloyalität als zweidimensionales Konstrukt modelliert. Als Dimensionen werden dabei auf der einen Seite das Verhalten und auf der anderen Seite die Einstellung herangezogen. Als Indikator zur Beurteilung des loyalen Verhaltens von Konsumenten wird in dieser Untersuchung auf den Share-of-Wallet zurückgegriffen. Die Erhebung der loyalen Einstellung erfolgt anhand der Indikatoren Wiederkaufabsicht und Weiterempfehlungsabsicht.
Lange Zeit erfolgte die Messung von Kundenloyalität ausschließlich unter Berück-sichtigung des Verhaltens. In jüngerer Zeit kann jedoch beobachtet werden, dass die Dimension Einstellung in Forschungsarbeiten zunehmend an Bedeutung gewinnt.320 In der vorliegenden Arbeit wird daher der Versuch unternommen, die Kundenloyalität mit einer Methode zu ermitteln, bei der angenommen wird, dass die Dimensionen Verhalten und Einstellung des Kunden ein konsistentes Bild ergeben.321
Wie bereits an anderer Stelle angeführt, erfolgt die Messung der Einstellung in dieser Arbeit ausschließlich über die konative Komponente. Von einer Erfassung der affektiven und kognitiven Komponente wird in dieser Arbeit abgesehen, da hierdurch Abgrenzungsprobleme in Bezug auf das Zufriedenheitskonstrukt entstehen würden.
318 Da es sich bei dem im Rahmen der empirischen Untersuchung kooperierenden Unternehmen
ferner um ein Bekleidungsfachgeschäft handelt, welches aufgrund des begrenzten Raumangebots keine sortimentsverwandten Produkte (wie z.B. Schuhe oder Accessoires) anbieten kann, ist auf eine Erhebung der Zusatzkaufabsicht an dieser Stelle verzichtet worden.
319 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 133ff.
320 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. B.3.1 und die dort zitierten Quellen. 321 Vgl. Oliver, R.L. (1997), Satisfaction: A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a.,
S. 394.
86
Um loyales Verhalten zu manifestieren, muss nach Oliver die Verhaltensabsicht, d.h. ein Produkt bzw. eine Leistung wiederholt zu kaufen und ein positive Einstellung aufrecht zu erhalten, in eine tatsächliche Handlung münden.322 Auch Trommsdorff vertritt im Rahmen seiner Konzeptualisierung von Einstellungen diese Auffassung und unterstellt explizit einen kausalen Zusammenhang zwischen Verhaltens-
absichten und tatsächlichem Verhalten.323
Zahlreiche Autoren, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität beschäftigen, greifen aus Kausalitätsüberlegungen lediglich auf die Intention des Kunden als zukunftsgerichtetes, aber noch nicht manifestes, Loyalitätsverhalten zurück.324 Dies wird häufig damit begründet, dass die heutige Zufriedenheit eines Kunden keine Auswirkungen auf dessen vergangene Loyalität haben kann. Diller weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei relativ stabilen Kundenbeziehungen der Rückgriff auf das bisherige Verhalten als Ersatzindikator für Folgekäufe in der Zukunft vertretbar ist.325 Insbesondere bei Gütern des kurzfristigen periodischen Bedarfs beinhaltet dieses Vorgehen nach Diller geringe Fehlerquellen. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch rechtfertigen, die von Oliver und Trommsdorf postulierte Richtung des Kausalzusammenhangs zwischen 322 Vgl. Oliver, R.L. (1997), Satisfaction: A behavioral perspective on the consumer, Boston u.a.,
S. 393f. und Oliver, R.L. (1999), Whence Consumer Loyalty?, in: Journal of Marketing, 63, 4, S. 33-44, S. 35f.
Nach dem „Four-stage Loyalty Model“ von Oliver entwickelt sich Kundenloyalität über vier ver-schiedene Phasen, wobei der Autor unterstellt, dass mit jeder Phase ein höheres Loyalitätsniveau erreicht wird. Oliver charakterisiert Phase 1 als „cognitive loyalty“. Auf dieser Stufe resultiert Loyalität ausschließlich aus funktionalen Merkmalen der Geschäftsbeziehung, wie z.B. niedrigere Preise oder besserer Service eines Anbieters im Vergleich zum Wettbewerb. Das Commitment eines Kunden gegenüber einem Anbieter ist in dieser Phase noch sehr schwach ausgeprägt. Als Indikator der „cognitive loyalty“ wird von Oliver die Bewertung der Servicequalität aus Kundensicht herangezogen. Phase 2 bezeichnet Oliver als „affective loyalty“. Oliver postuliert in diesem Zu-sammenhang, dass eine Reihe kognitiver Prozesse einer affektiven Entscheidung vorausgehen. Loyalität in diesem Stadium resultiert aus Einstellungen, die in Zufriedenheit gegenüber einem Anbieter münden. Die dritte Phase nennt Oliver „conative loyalty“. Zu diesem Zeitpunkt empfindet der Kunde ein starkes „commitment to buy“, das sich in Wiederkauf- und Weiterempfehlungs-absichten äußert. Die letzte und sich daran anschließende Phase bezeichnet Oliver als „action loyalty“. Als Indikatoren können z.B. die relative Kaufintensität oder Zuneigung, die Kontaktdichte bzw. der Share-of-Wallet herangezogen werden.
323 Vgl. Trommsdorff, V. (2002), Konsumentenverhalten, 4., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart, S. 154f. Siehe hierzu auch die kausalgraphische Darstellung in Abb. 8 dieser Arbeit. 324 Vgl. unter anderem Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und
Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 17; Narayandas, N. (1998), Measuring and Managing the Consequences of Customer Loyalty: An Empirical Investigation, Arbeitspapier Nr. 3 (July), Harvard Business School, Boston; Taylor, S., Baker, T. (1994), An Assessment of the Relationship between Service Quality and Customer Satisfaction in the Formation of Consumers' Purchase Intentions, in: Journal of Retailing, 70, 2, S. 163-178.
325 Vgl. Diller, H. (1996), Kundenbindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 85. Diller weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auf entsprechend kurze Be-zugszeiträume zurückgegriffen werden sollte.
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Absicht und Verhalten in der dargestellten Weise beizubehalten, da der heran-gezogene Indikator zur Messung des Verhaltens (Share-of-Wallet) durchaus als Ersatzindikator für Folgekäufe fungieren kann.326
Abb. 10 zeigt kausalgraphisch dargestellt die Zusammenhänge zwischen den in dieser Arbeit berücksichtigten Verhaltensabsichten und dem Share-of-Wallet.
Abbildung 10: Integrierte Konzeptualisierung von Kundenloyalität
4. Das Konstrukt Kundenwert
Auf Basis des in Kap. B.1 postulierten Zusammenhangs zwischen Kundenzufrieden-heit, Kundenloyalität und wirtschaftlichem Erfolg versuchen Unternehmen durch verschiedene Maßnahmen die Zufriedenheit ihrer Kunden zu steigern. Die ökono-mischen Auswirkungen der Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität sind jedoch nicht bei jedem Kunden gleich. So verfügt ein Unternehmen i.d.R. auch über verlustbringende bzw. wenig profitable Kunden. Zum effizienten Einsatz von Ressourcen wird daher im Rahmen des Kundenbindungsmanagements die
326 Der Zusammenhang zwischen Verhaltensabsichten und tatsächlichem Verhalten konnte im Han-
del unter anderem in den Studien von Sivadas/Baker-Prewitt und Macintosh/Lockshin empirisch bestätigt werden. Vgl. Sivadas, E., Baker-Prewitt, J.L. (2000), An examination of the relationships between service quality, customer satisfaction, and store loyalty, in: International Journal of Retail & Distribution Management, 28, 2/3, S. 73-83, S. 79; Macintosh, G., Lockshin, L.S. (1997), Retail relationships and store loyalty: A multi-level perspective, in: International Journal of Research in Marketing, 14, 5, S. 487-497, S. 492.
Einstellungsloyalität Verhaltensloyalität
Weiterempfehlungsabs.
Wiederkaufabsicht
Share-of-Wallet
Kundenloyalität
88
Konzentration der Unternehmensaktivitäten auf die Zufriedenstellung und
Bindung der profitablen Kundengruppen gefordert.327
Um die knappen Mittel effizient und effektiv zu verteilen, müssen folglich Kunden mit einem hohen Wert identifiziert und deren Zufriedenheit und Loyalität gezielt gefördert werden. Der Kundenwert stellt für den Anbieter damit eine zentrale Steuerungsgröße im Rahmen des Kundenbindungsmanagements dar.
Voraussetzung für ein am Kundenwert orientiertes Kundenbindungsmanagement ist die systematische Bewertung der Kundenbeziehung. Aufgrund der in der Literatur vielfältig vertretenen Begriffsauffassungen erscheint zunächst eine Definition und inhaltliche Konkretisierung des Begriffs Kundenwert notwendig (Kap. 4.1). Nach der Klärung des Begriffsinhalts erfolgt durch die Darstellung und Charakterisierung verschiedener Messverfahren für die Ermittlung des Kundenwerts eine Operatio-nalisierung des Konstrukts Kundenwert im Rahmen dieser Arbeit (Kap. 4.2).
4.1 Definition des Kundenwerts
Der Begriff Wert erfährt sowohl in der Umgangssprache als auch in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Auslegungen.328 Im Folgenden soll in Anlehnung an das teleologische Wertverständnis nach Engels unter Wert zunächst ein allgemeiner Maßstab für die Vorziehungswürdigkeit eines Subjektes, Objektes oder einer Aktion verstanden werden.329
Zur Überprüfung ökonomischer Tatbestände auf ihre Vorziehenswürdigkeit ist es erforderlich, sich bewusst zu machen, wie die Bewertung und die daraus resul-tierende Entscheidungsfindung in der Wirtschaft erfolgen. Nach Meyer beurteilen Unternehmen Subjekte und Objekte nicht nach ihrem abstrakten objektiven Wert,
327 Vgl. Eggert, A. (2006), Die zwei Perspektiven des Kundenwerts: Darstellung und Versuch einer
Integration, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 41-59, S. 45; Müller, W., Riesenbeck, H.-J. (1991), Wie aus zufriedenen auch anhängliche Kunden werden, in: Harvard Business Manager, 13, 3, S. 67-79, S. 68.
328 Vgl. zum betriebswirtschaftlichen Wertbegriff Engels, W. (1962), Betriebswirtschaftliche Wertungs-lehre im Licht der Entscheidungstheorie, Köln und Opladen, S. 34ff.; Wittmann, W. (1956), Der Wertbegriff in der Betriebswirtschaftslehre, Frankfurt a.M., S. 7ff.; Ruf, W. (1955), Die Grundlagen eines betriebswirtschaftlichen Wertbegriffs, Bern, S. 72ff. und zum allgemeinen Wertbegriff Kraft, V. (1951), Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, 2. Aufl., Wien; Heyde, J.E. (1926), Wert, Eine philosophische Grundlegung, Erfurt.
329 Vgl. Engels, W. (1962), Betriebswirtschaftliche Wertungslehre im Licht der Entscheidungstheorie, Köln und Opladen, S. 1 und S. 12.
89
sondern vielmehr nach dem realisierbaren Nutzen.330 Das bedeutet, dass Nutzen-vorstellungen, die mit einem bestimmten Sachverhalt verbunden werden, in diesem Zusammenhang die Treiber wirtschaftlichen Handelns darstellen.
Wesentlich für das teleologische Wertverständnis ist außerdem, dass der zugrunde liegende Bewertungsmaßstab für den Nutzen einen Beitrag zur Zielerreichung liefert.331 Dieses kann, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, nicht nur monetäre, sondern auch nicht-monetäre Ziele beinhalten.332 Auf Basis dieser Er-kenntnisse kann unter Wert die Quantifizierung des Nutzens eines Objekts, eines Subjekts oder einer Aktion verstanden werden.
Übertragen auf den Kundenwert stellt dieser den quantifizierten Nutzen dar, den ein Unternehmen durch einen Kunden erfährt, wobei sowohl die monetäre als auch die nicht-monetäre Nutzenstiftung berücksichtigt werden kann.333 Allgemein formuliert kann er somit auch als Wert definiert werden, der von den Kundenbeziehungen eines Unternehmens generiert wird.334
Basierend auf diesem Begriffsverständnis unterscheiden Bruhn/Hadwich/Georgi als Dimensionen des Kundenwerts eine Wert- und eine Zeitdimension (vgl. Abb. 11).335 Die Wertdimension beinhaltet dabei die für den Anbieter nutzen-stiftenden Beiträge der Kundenbeziehung, während mit der Zeitdimension der Dauer der Kundenbeziehung Rechnung getragen werden soll. 330 Vgl. Meyer, P.W. (1990), Der integrative Marketingansatz und seine Konsequenzen für das
Marketing, in: Meyer, P.W. (Hrsg.): Integrierte Marketingfunktionen, 2., überarb. Aufl., Stuttgart u.a., S. 18.
331 Vgl. Bamberg, G., Coenenberg, A.G. (1989), Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 5., überarb. Aufl., München, S. 25ff.
332 Vgl. Heinen, E. (1966), Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden, S. 18. 333 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass als Kundenwert hier der vom Anbieter wahrge-
nommene, bewertete Beitrag eines Kunden zur Erreichung der Ziele verstanden wird. Die Bedeu-tung des Begriffs aus Kundensicht soll hier vernachlässigt werden. Aus Kundensicht beschreibt der Kundenwert die Differenz zwischen Preis und vom Kunden empfundenen Nutzen des Versorgungsobjekts. Vgl. Sebastian, H., Lauszus, D. (1994), Höherer Kundenwert und höhere Gewinne, in: Gablers Magazin, 1994, 2, S. 27-30, S. 27; Müller, W., Riesenbeck, H.-J. (1991), Wie aus zufriedenen auch anhängliche Kunden werden, in: Harvard Business Manager, 13, 3, S. 67-79, S. 72.
334 Vgl. unter anderem Hoekstra, J.C., Huizingh, E.K.R.E. (1999), The Lifetime Value Concept in Customer Based Marketing, in: Journal of Market Focused Management, 3, 3/4, S. 257-274, S. 256; Dwyer, F.R. (1997), Customer Lifetime Valuation to Support Marketing Decision Making, in: Journal of Direct Marketing, 11, 4, S. 6-13, S. 6ff; Blattberg, R.C., Deighton, J. (1996), Manage Marketing by the Customer Equity Test, in: Harvard Business Review, 74, 4, S. 136-144, S. 139.
335 Vgl. Bruhn, M., Hadwich, K., Georgi, D. (2005), Kundenwert als Steuerungsgröße des Kunden-bindungsmanagement, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanage-ment: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 655-675, S. 659.
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Als Bestandteile der Wertdimension sind die Akquisitionskosten und die bisherige Profitabilität als Parameter der vergangenheitsorientierten Komponente und das direkte und indirekte Kundenpotenzial als Parameter der zukunftsorientierten Kom-ponente zu unterscheiden. Akquisitionskosten stellen dabei einmalige Kosten dar, die beim Anbieter am Beginn der Kundenbeziehung entstehen. Die bisherige Profitabilität resultiert hingegen aus einer Gegenüberstellung von vergangenen Erlösen und Kosten im Verlauf einer Anbieter-Kunde-Beziehung. Hierbei beziehen sich die Erlöse sowohl auf indirekte Erlöse, wie sie z.B. aus der Gewinnung von Neukunden durch positive Weiterempfehlungen resultieren, als auch auf direkte Erlöse aufgrund der vom Kunden in Anspruch genommenen Leistung. Die abzugs-fähigen Kosten beziehen sich in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig auf Leistungs-, Marketing- und Vertriebskosten.336
Abbildung 11: Dimensionen des Kundenwerts
(Quelle: i.A. Bruhn, M., Hadwich, K., Georgi, D. (2005), Kundenwert als Steuerungs-größe des Kundenbindungsmanagement, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Hand-buch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 655-675, S. 659.)
Das Kundenpotenzial als zukunftsorientierte Komponente der Wertdimension beinhaltet – wie bereits erwähnt – das direkte und indirekte Kundenpotenzial. Unter
336 Unter Leistungskosten werden hierbei die jeweiligen Stückkosten der vom Kunden erworbenen
Leistung verstanden. Marketingkosten resultieren aus den Marketingaktivitäten, wie z.B. Kunden-mailing, Kundenkataloge oder Call-Center-Kontakte, und Vertriebskosten aus dem für den Kauf der Leistung genutzten Vertriebsweg, wie z.B. Filialen, Internet, Telefon.
Kundenwert
zukunfts- orientiert
vergangenheits-orientiert
vergangenheits-orientiert
zukunfts- orientiert
Wertdimension Zeitdimension
Bisherige Profitabilität
Direktes Kunden-potenzial
Indirektes Kunden-potenzial
Bisherige Beziehungs-
dauer
Zukünftige Beziehungs-
dauer
Akquisitions-kosten
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Ersterem ist zum einen das Wiederkaufpotenzial zu verstehen, das sich aus der unveränderten Fortsetzung der Beziehung durch den Kunden ergibt, und zum anderen das Beziehungsausbaupotenzial, welches sich aus einer Erhöhung der Kauffrequenz (Up Selling) und/oder dem Absatz zusätzlicher Leistungen (Cross Selling) ergibt. Das indirekte Kundenpotenzial resultiert hingegen aus dem Einfluss des jeweils betrachteten Kunden auf das Kaufverhalten anderer potentieller Kunden (Referenzpotenzial).
Bei der Zeitdimension, welche die Dauer der Kundenbeziehung berücksichtigt, wird zwischen der bisherigen Dauer, der Restlebensdauer und der Gesamtlebensdauer differenziert. Der Zeitraum zwischen Beziehungsbeginn und dem aktuellen Zeitpunkt wird dabei als bisherige Lebensdauer bezeichnet. Unter der Restlebensdauer wird der Zeitraum vom aktuellen Zeitpunkt bis zum potenziellen Beziehungsende verstanden. Unter der Gesamtlebensdauer als Summe aus bisheriger Lebensdauer und Restlebensdauer ist damit auch die gesamte Dauer einer Kundenbeziehung zu verstehen.
Da die Dimensionen und Komponenten des Kundenwerts bereits dargestellt wurden, wird an dieser Stelle auf eine explizite Definition des Konstrukts Kundenwert verzichtet. Auf Basis der beschriebenen Dimensionen und Komponenten des Kundenwerts erfolgt die Messung des Kundenwerts. Diese ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels.
4.2 Messung des Kundenwerts
In der Literatur existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Messung des Kundenwerts.337 Eine Systematisierung der Ansätze nach Art des Lösungsalgo-rithmus (heuristisch, quasi-analytisch), Art der Kundenwertkomponenten (monetär, nicht-monetär) und Art des betrachteten Zeithorizonts (statisch, dynamisch) ist in Abb. 12 dargestellt.
In Bezug auf den Lösungsalgorithmus kann zwischen heuristischen und quasi-analytischen Verfahren unterschieden werden. Während heuristische Verfahren lediglich Hinweise auf richtige Lösungswege und ein erfolgversprechendes Suchverhalten geben, ermöglichen die quasi-analytischen Verfahren einen quantitativen Vergleich von Kunden auf der Basis von numerischen Werten oder
337 Vgl. zu einem Überblick Helm, S., Günter, B. (2006), Kundenwert - eine Einführung in die
theoretischen und praktischen Herausforderungen der Bewertung von Kundenbeziehungen, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umset-zungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S. 15ff.
92
Punktwerten. Aufgrund der Verfügbarkeit exakter Werte bei Letzteren können dort zumindest theoretisch optimale Entscheidungen realisiert werden, was im Fall der heuristischen Verfahren nicht möglich ist.
Abbildung 12: Ansätze zur Messung des Kundenwerts
(Quelle: i.A. an Bruhn, M., Georgi, D., Treyer, M., Leumann, S. (2000), Wertorien-tiertes Relationship Marketing: Vom Kundenwert zum Customer Lifetime Value, in: Die Unternehmung, 54, 3, S. 167-188, S. 170.)
Innerhalb der quasi-analytischen Verfahren lassen sich auf einer zweiten Ebene monetäre und nicht-monetäre Messverfahren unterscheiden. Für den Fall, dass in einem Unternehmen sämtliche Umsatz- und Kostenzahlen aus dem Rechnungs-wesen vorliegen und Budgetüberlegungen ausschließlich monetär kalkuliert werden, stellen monetäre Verfahren einen geeigneten Ansatz zur Kundenbewertung dar. Im Gegensatz hierzu wird bei den nicht-monetären Verfahren versucht, den Kunden primär qualitativ zu bewerten. Die monetäre Bewertung der Interaktion wird dabei ausgeklammert.
Hinsichtlich des betrachteten Zeithorizonts kann auf einer dritten Ebene zwischen statischen und dynamischen Verfahren (Zeitpunkt- vs. Zeitraumbetrachtung) differenziert werden. Hierbei wird z.B. der Umsatz mit einem bestimmten Kunden in der vergangenen Periode wie auch sein Umsatzpotenzial in den nächsten Perioden
Ansätze zur Kundenwertermittlung
Heuristisch Quasi-Analytisch
Nicht-monetär Monetär
DynamischStatisch DynamischStatisch Dynamisch Statisch Dynamisch
• Loyalitäts- leiter
• Kunden- lebens- zyklus- analyse
• Scoring- Tabelle • Scoring- Tabelle mit mikrogeo- graphischen Daten
• Scoring- Tabelle mit Potenzial- werten (RFMR) • Pareto- NBD-Modell
• Kunden- deckungs- beitrags- rechnung • Rentabilitäts- rechnung • Customer Costing
• Kunden- deckungs- beitrags- potenzial • Customer Equity Test • Customer Lifetime Value
Nicht-monetär Monetär
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zur Analyse herangezogen, wobei das Unternehmen hierbei auf Schätzungen der zukünftigen Umsätze angewiesen ist.338
Aufgrund ihrer höheren Validität haben in der Literatur insbesondere die quasi-analytischen Messmethoden starke Beachtung erfahren.339 Zu den am häufigsten angewandten Verfahren zählen dabei Scoring-Modelle, das Pareto-NBD-Modell, der Customer Lifetime Value, das Customer-Equity-Modell und die Kundendeckungs-beitragsrechnung.
� Scoring-Modelle
Im Rahmen der nicht-monetären Verfahren spielen Scoring-Modelle eine heraus-ragende Rolle.340 Diese stellen mathematisch einfach strukturierte, jedoch differen-zierbare und anpassungsfähige Bewertungsverfahren dar, welche die Wertschätzung des Kunden anhand eines Scoring-Wertes wiedergeben.341 Zunächst werden hierzu alle aus Anbietersicht relevanten Kundenmerkmale aufgelistet, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien herangezogen werden können. In einem weiteren Schritt erfolgt die Einführung von Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Merkmale, welche in der Summe 1 bzw. 100% ergeben. Abschließend wird auf Basis jedes einzelnen Kriteriums ein Punktwert zugeordnet. Je höher der aufaddierte Wert („Score“) ist, umso höher ist die Bedeutung des Kunden für das Unternehmen.
338 Vgl. Krüger, S.M. (1997), Profitabilitätsorientierte Kundenbindung durch Zufriedenheitsmanage-
ment: Kundenzufriedenheit und Kundenwert als Steuerungsgröße für die Kundenbindung in marktorientierten Dienstleistungsunternehmen, München, S. 134ff.
339 Vgl. Helm, S., Günter, B. (2006), Kundenwert - eine Einführung in die theoretischen und praktischen Herausforderungen der Bewertung von Kundenbeziehungen, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 3-40, S. 15ff.; Freiling, J. (2006), Kundenwert - eine vergleichende Analyse ressourcenorientierter Ansätze, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, Wiesbaden, S. 83-102, S. 85ff.; Krafft, M., Rutsatz, U. (2006), Konzepte zur Messung des ökonomischen Kundenwerts, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, Wiesbaden, S. 269-292, S. 281ff.; Bruhn, M., Hadwich, K., Georgi, D. (2005), Kundenwert als Steuerungs-größe des Kundenbindungsmanagement, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 655-675, S. 660ff.; Homburg, C., Schnurr, P. (1998), Kundenwert als Instrument der wertorientierten Unternehmensführung, in: Bruhn, M., Lusti, M., Müller, W.R., Schierenbeck, H., Studer, T. (Hrsg.): Wertorientierte Unternehmensführung. Perspektiven und Handlungsfelder für die Wertsteigerung von Unternehmen., Wiesbaden, S. 169-189, S. 169ff.; Link, J., Hildebrandt, V.G. (1997), Ausgewählte Konzepte der Kundenbewertung im Rahmen des Database Marketing, in: Link, J., Brändli, D., Schleunig, C., Kehl, R.E. (Hrsg.): Handbuch Database Marketing, Ettlingen, S. 158-172, S. 158ff.; Link, J. (1995), Welche Kunden rechnen sich?, in: absatzwirtschaft, 38, 10, S. 108-110, S. 108ff.
340 Vgl. Rudolf-Sipötz, E. (2001), Kundenwert: Konzeption - Determinanten - Management, Bam-berg, S. 36.
341 Vgl. Cornelsen, J. (2000), Kundenwertanalysen im Beziehungsmarketing, Nürnberg, S. 149.
94
Analog der ABC-Analyse können im Anschluss die Kunden entsprechend ihrer Bedeutung in Gruppen zusammengefasst werden.342
Das in diesem Zusammenhang wohl bekannteste Scoring-Modell ist das Recency-Frequency-Monetary-Ratio-Modell (RFMR-Modell).343 Bei diesem Konzept handelt es sich um ein Modell, welches sich auf die Aktualität des Kaufverhaltens (recency of purchase), die Kaufhäufigkeit (frequency of purchase) und den Wert des Kaufs (monetary value of purchase) bezieht.344 Die Grundidee dieses Modells besteht darin, dass jeder Kunde basierend auf einem bestimmten Ausgangspunktwert aufgrund seines Kaufverhaltens Punktezu- oder -abschläge erhält. Kunden, deren letzter Einkauf kürzere Zeit zurückliegt, erhalten einen höheren Punktwert gut-geschrieben als Kunden, deren letzter Einkauf längere Zeit zurückliegt. Kunden, die in einem definierten Zeitraum häufig kaufen, erhalten einen höheren Punktwert als Kunden, die seltener kaufen. Analog dazu erhalten Kunden mit einem höheren Umsatz pro Einkauf einen höheren Punktwert als Kunden mit geringem Umsatz. Insbesondere im Versandhandelsbereich konnte empirisch nachgewiesen werden, dass ein Zusammenhang zwischen diesen drei Größen und dem Bestell- und Kaufverhalten von Kunden besteht.345 Je mehr Umsatz und je häufiger ein Kunde in einem definierten Zeitraum bestellt hat und je näher der letzte Bestellvorgang liegt, umso häufiger und in umso höheren Bestellwerten ordert ein Kunde in der Zukunft. Diese Erkenntnis ist nun Grundlage der Verteilung von Punkten für die drei Größen, wobei mehrere Kriterien für die R-, F- und M-Größe herangezogen werden können.346 Ein Beispiel für den Einsatz des RFMR-Verfahrens im Versandhandel ist in Tab. 5 dargestellt.
Als kritisch an diesen Verfahren wird häufig die Subjektivität der Kriterienauswahl, die Zuordnung der Punktwerte zu individuellen Kunden sowie die Gewichtung der ein-
342 Vgl. Plinke, W. (1997), Bedeutende Kunden, in: Kleinaltenkamp, M., Plinke, W. (Hrsg.): Ge-
schäftsbeziehungsmanagement, Berlin, S. 113-158, S. 140; zur ABC-Analyse siehe auch Kirchgeorg, M. (2005), Marktforschung, Kunden- und Konkurrenanalyse - Gewinnung der marktorientierten Basisinformationen für den Innovationsprozess, in: Schäppi, B., Andreasen, M.M., Kirchgeorg, M., Radermacher, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung: Strategien, Prozesse, Methoden, Ressourcen, Wien/München, S. 141-168, S. 151.
343 Vgl. Stone, B. (1997), Successful Direct Marketing Methods, 6. Aufl., Lincolnwood, S. 30f.; Link,J., Hildebrandt, V.G. (1993), Database Marketing and Computer Aided Selling: Strategische Wettbewerbsvorteile durch neue informationstechnologische Systemkonzeptionen, München, S. 166.
344 Vgl. Stone, B. (1997), Successful Direct Marketing Methods, 6. Aufl., Lincolnwood, S. 30ff. 345 Vgl. Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 61. 346 So existieren in der Unternehmenspraxis Modelle, die bis zu 1.000 verschiedene Merkmale je
Kunde im Modell erfassen. Vgl. Holland, H. (1992), Direktmarketing, München, S. 75.
95
zelnen Kriterien angeführt. Zusätzlich ist auch der kompensatorische Charakter des Modells kritisch einzustufen.347
Startwert 25 Punkte
Letztes Kaufdatum
bis 6 Monate + 40 Punkte
über 6 bis 9 Monate
+ 25 Punkte
über 9 bis 12 Monate
+ 15 Punkte
über 12 bis 18 Monate + 5 Punkte
über 18 bis 24 Monate - 5 Punkte
über 24 Monate
- 15 Punkte
Häufigkeit des Einkaufs in 1½ Jahren
Zahl der Aufträge multipliziert mit dem Faktor 6
Ø Umsatz bei den letzten 3 Einkäufen
Bis 50 € + 5 Punkte
50 bis 100 € + 15 Punkte
100 bis 200 € + 25 Punkte
200 bis 300 € + 35 Punkte
300 bis 400 € + 40 Punkte
Über 400 € + 45 Punkte
# Retouren (kumuliert)
0-1 0 Punkte
2-3 - 5 Punkte
4-6 - 10 Punkte
7-10 - 20 Punkte
11-15 - 30 Punkte
Über 15 - 40 Punkte
# Anstöße seit letztem Einkauf
Je Hauptkatalog 12 Punkte
Je Sonderkatalog 6 Punkte
Je Mailing 2 Punkte
Tabelle 5: Beispiel zur RFMR-Methode (Quelle: i.A. an Krafft, M., Rutsatz, U. (2006), Konzepte zur Messung des ökono-mischen Kundenwerts, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Um-setzungen, Wiesbaden, S. 269-292, S. 275ff.)
� NBD/Pareto-Modell
Auf die beiden im Rahmen des RFMR-Ansatzes vorgestellten Indikatoren „Recency“ (Zeit seit der jüngsten Transaktion) und „Frequency“ (Häufigkeit von Transaktionen in einem bestimmten Zeitraum) greifen auch Schmittlein/Morrison/Colombo im sog. NBD/Pareto-Modell zurück.348 Ihr „State of the Art“-Modell zur Bestimmung des (In-) Aktivitätsgrades des bestehenden Kundenportfolios basiert auf einer negativen binominalen Verteilung, die auch dem Basis-NBD-Modell des Wiederkaufverhaltens nach Ehrenberg zugrunde liegt.349
Zur Kalibrierung des NBD/Pareto-Modells werden Daten zu Transaktionszeitpunkten und –häufigkeiten der Kunden aus der Vergangenheit herangezogen. Prämissen des Modells sind, dass die Kunden zu beliebigen Zeitpunkten ordern können und dass
347 Vgl. Weber, J. (2004), Einführung in das Controlling, 10. Aufl., Stuttgart, S. 346ff.; Günter, B.,
Kuhl, M. (1995), Wirtschaftlichkeitsrechnung als Grundlage industrieller Beschaffungs-entscheidungen, in: Kleinaltenkamp, M., Plinke, W. (Hrsg.): Technischer Vertrieb, Berlin u.a., S. 465-508, S. 504f.
348 Vgl. Schmittlein, D.C., Morrison, D.G., Colombo, R. (1987), Counting Your Customers: Who Are They and What Will They Do Next?, in: Management Science, 33, 1, S. 1-24, S. 1ff.
349 Vgl. Krafft, M., Reinartz, W.J. (2000), Kundenbindungs-Messung mit dem NBD/Pareto-Modell, Valendar, S. 6f. und zum Basis-NBD-Modell Ehrenberg, A.S.C. (1988), Repeat-Buying: Facts, Theory, And Applications, New York.
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der Zeitpunkt der Inaktivität sich der direkten Beobachtbarkeit entzieht.350 Als Bei-spiele für derartige häufig wiederkehrende und nur indirekt beobachtbare Trans-aktionen sind das Bestellverhalten im Versandhandel sowie Börsentransaktionen und Arztbesuche anzuführen.
Im Modell werden die individuellen, kumulierten Kaufhäufigkeiten x und der letzte Bestellmonat des Kunden t berücksichtigt. Zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde aktiv ist P(alive), sind nachfolgende Prämissen zu beachten:351
1. Die Kaufhäufigkeit x eines aktiven Kunden folgt exponentialverteilten Kauf-intervallen (Poissonverteilung). Die individuelle langfristige Transaktions-häufigkeit � ist nicht direkt beobachtbar.
2. Die Lebenszeit von aktiven Kunden bis zu ihrem Ausscheiden wird mittels der exponentialverteilten Zufallsvariablen � (= Abbruchwahrscheinlichkeit) modelliert. Kunden, die bis t aktiv waren, weisen latente Wahrscheinlichkeiten � auf, ab der Folgeperiode dauerhaft inaktiv zu werden.
3. Die Heterogenität der kundenindividuellen Transaktionshäufigkeit � wird in Form einer Gamma-Verteilung abgebildet. Die unbekannte Transaktions-häufigkeit � wird dabei als Erwartungswert des Kunden durch die Parameter � und r modelliert.352
4. Die kundenindividuellen Abbruchwahrscheinlichkeiten werden wiederum in Form einer Gamma-Verteilung dargestellt. Dabei werden die Parameter � und s so festgelegt, dass sie den erwarteten Abbruchwahrscheinlichkeiten ent-sprechen.353 Auf diese Weise werden Kundenunterschiede hinsichtlich ihrer Abbruchwahrscheinlichkeiten und der Zeitpunkte der Abwanderung berück-sichtigt.
5. Die Abbruchwahrscheinlichkeit � und die Transaktionshäufigkeit � sind voneinander unabhängig.
350 Vgl. Schmittlein, D.C., Morrison, D.G., Colombo, R. (1987), Counting Your Customers: Who Are
They and What Will They Do Next?, in: Management Science, 33, 1, S. 1-24, S. 16. 351 Vgl. Schmittlein, D.C., Morrison, D.G., Colombo, R. (1987), Counting Your Customers: Who Are
They and What Will They Do Next?, in: Management Science, 33, 1, S. 1-24, S. 3ff. 352 Es gilt E(�) = r/�, wobei höhere Werte des Parameters r ein Indiz für eine größere Homogenität
der Transaktionshäufigkeit darstellen. 353 Es gilt E(�) = s/�.
97
Da die Transaktionen eines aktiven Kunden dem NBD-Modell folgen und die Abbruchwahrscheinlichkeit einer Pareto-Verteilung entspricht, integrieren Schmittlein/ Morrison/Colombo Letztere und leiten daraus das NBD/Pareto-Modell zur Ermittlung des kundenindividuellen Aktivitätsniveaus ab.354
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde aktiv ist, hängt nun davon ab, ob � > �, � < � oder � = � gilt. Für den Fall, dass � > � gilt, kann P(alive) formal wie folgt berechnet werden:355
� �
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�
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��
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���
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����
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���
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ii
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��
��
��
Auf der Basis dieser individuellen Wahrscheinlichkeiten der Aktivität von Kunden (P(alive)) können auf der Grundlage des Modells z.B. Entscheidungen darüber unter-stützt werden, welche Kunden aus dem Bestand der (aktiven) Kunden zu eliminieren sind.
Das NBD/Pareto-Modell ist von hoher Komplexität gekennzeichnet. Aus diesem Grund erscheint seine Anwendung für das Kundenwertmanagement in der Praxis fragwürdig. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in Anbetracht der sich stetig weiterentwickelnden Kundeninformationssysteme im Einzelhandel und der damit verbundenen höheren Verfügbarkeit von belastbaren Daten das Modell in
354 Vgl. Schmittlein, D.C., Morrison, D.G., Colombo, R. (1987), Counting Your Customers: Who Are
They and What Will They Do Next?, in: Management Science, 33, 1, S. 1-24, S. 18ff. 355 Hierbei gilt: a1=r+x1+s; b1=s+1; c1=r+xi+s+1; z1(y)=(�-�)/(�+�) mit F(a,b,c,Z) = Gauss’sche hypergeometrische Funktion � = Modellparameter zur Quantifizierung der Transaktionshäufigkeit r = Indikator der Homogenität der Transaktionshäufigkeit � = Modellparameter zur Quantifizierung der Migrationsgrade s = Indikator der Homogenität der Migrationsraten xi = Anzahl der Käufe des Kunden i im Beobachtungszeitraum ti = Zeitpunkt der letzten Transaktion des Kunden i T = gegenwärtiger Zeitpunkt Zur formalen Berechnung von P(alive) für den Fall, dass � < � oder � = �, vgl. Schmittlein, D.C.,
Morrison, D.G., Colombo, R. (1987), Counting Your Customers: Who Are They and What Will They Do Next?, in: Management Science, 33, 1, S. 1-24, S. 6.
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Zukunft weiter an Bedeutung gewinnt, da es insbesondere zur Modellierung der Kundenstrukur wertvolle Informationen liefern kann.
� Customer Lifetime Value
In jüngerer Zeit hat v.a. der Customer Lifetime Value (CLV) als quasi-analytisches, monetäres und dynamisches Instrument der Kundenbewertung in der betriebswirt-schaftlichen Literatur an Bedeutung gewonnen.356 Die Grundidee der Berechnung eines Customer Lifetime Value („Kundenlebenszeitwert“) besteht in der Übertragung von Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung auf die Kundenbeziehung. Hierbei stellt der Customer Lifetime Value den Vermögenswert eines Kunden aus Anbietersicht dar. Der Berechnung dieses Vermögenswertes liegt die Kapitalwertmethode zugrunde, die auf dem Prinzip basiert, dass Zahlungen in der Zukunft weniger wert sind als gleich hohe gegenwärtige Zahlungen und Erstere deshalb mit einem Kalkulationszinsfuß über die Anzahl der betrachteten Perioden abzuzinsen sind.357 Übertragen auf den Wert eines Kunden resultiert dieser demzufolge aus den diskontierten, dem Kunden direkt zurechenbaren Ein- und Auszahlungsströmen während der gesamten Geschäftsbeziehung.358 Formal kann der Customer Lifetime Value somit wie folgt errechnet werden:359
356 Vgl. Venkatesan, R., Kumar, V. (2004), A Customer Lifetime Value Framework for Customer
Selection and Resource Allocation Strategy., in: Journal of Marketing, 68, 4, S. 106-125, S. 106ff.; Andon, P., Baxter, J., Bradley, G. (2003), Calculating Customer Lifetime Value (CLV): Theory and Practice, in: Günter, B., Helm, S. (Hrsg.): Kundenwert. Grundlagen, Innovative Konzepte, Praktische Umsetzungen, 2., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 299-316, S. 299; Reinartz, W.J., Kumar, V. (2003), The impact of Customer Relationship Characteristics on Profitable Lifetime Duration, in: Journal of Marketing, 67, 1, S. 77-99, S. 77ff.; Rudolf-Sipötz, E. (2001), Kundenwert: Konzeption - Determinanten - Management, Bamberg, S. 45.
357 Vgl. Wöhe, G. (1986), Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 16., überarb. Aufl., München, S. 689ff.
358 Vgl. Dwyer, F.R. (1997), Customer Lifetime Valuation to Support Marketing Decision Making, in: Journal of Direct Marketing, 11, 4, S. 6-13, S. 7ff.
359 Wobei gilt: Vkt = monetärer Wert von Kunde k zu Beginn der Periode t T = voraussichtliche Beziehungsdauer xt = Abnahmeprognose für Periode t p = (kundenindividueller) Produktpreis k = Stückkosten Mt = kundenspezifische Marketingkosten für Periode t r = kalkulatorischer Zinssatz Vgl. Link, J., Hildebrandt, V.G. (1997), Ausgewählte Konzepte der Kundenbewertung im Rahmen
des Database Marketing, in: Link, J., Brändli, D., Schleunig, C., Kehl, R.E. (Hrsg.): Handbuch Database Marketing, Ettlingen, S. 158-172, S. 165.
99
� �� ��
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ttkt r
MkpxV0 1
Neben dem monetären Rentabilitätswert können bei der Berechnung des Customer Lifetime Value weitere Größen berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei jener Wert, der aus dem Weiterempfehlungsverhalten des Kunden resultiert und dadurch die Neukundenakquisition für den Anbieter unterstützen kann.360 Ferner ist jener Wert von Interesse, der aus dem Beschwerdeverhalten von Kunden resultiert, da dem Unternehmen hierdurch Informationen zufließen, die die künftige Abwanderung von Kunden verhindern helfen können.361 Formal lässt sich die Berechnung des Kundenwerts, erweitert um die genannten Teilaspekte, wie folgt darstellen:362
� �� �� �
� �� ����
��� ��
��
��
��
�T
tt
wtwtwtkwtT
tt
etetetketT
tt
ktktktkt r
MdxnrMdxn
rMdxV
000 111
360 Dieser Teilwert wird in der Literatur auch als akquisitorischer oder kommunikativer Kundenwert be-
zeichnet. Vgl. Gierl, H., Kurbel, T.M. (1997), Möglichkeiten zur Ermittlung des Kundenwerts, in: Link, J., Brändli, D., Schleunig, C., Kehl, R.E. (Hrsg.): Handbuch Database Marketing, 2. Aufl., Ettlingen, S. 174-189, S. 176.
361 Dieser Teilwert wird in der Literatur auch als informatorischer Kundenwert bezeichnet. Vgl. Gierl,H., Kurbel, T.M. (1997), Möglichkeiten zur Ermittlung des Kundenwerts, in: Link, J., Brändli, D., Schleunig, C., Kehl, R.E. (Hrsg.): Handbuch Database Marketing, 2. Aufl., Ettlingen, S. 174-189, S. 176.
362 Hierbei gilt: Vkt = monetärer Wert von Kunde k zu Beginn der Periode t T = voraussichtliche Beziehungsdauer xkt = Abnahmeprognose für Kunde k in Periode t xet = Abnahmeprognose für einen Erstkäufer in Periode t xwt = Abnahmeprognose für Wiederkäufer in Periode t dkt = Stückdeckungsbeitrag des Kunden k in Periode t det = Stückdeckungsbeitrag eines Erstkäufers in Periode t dwt = Stückdeckungsbeitrag eines Wiederkäufers in Periode t nket = Anzahl der potentiellen Kunden, die aufgrund der Interaktion mit Kunde k in Periode t zu
Erstkäufern werden nkwt = Anzahl der bisherigen Kunden, die aufgrund der Hinweise durch Kunde k vom Abwandern in
Periode t abgehalten werden können Mkt = nicht mengenproportionale Kosten aufgrund der Bearbeitung von Kunde k in Periode t Met = nicht mengenproportionale Kosten eines aufgrund der positiven Weiterempfehlung von
Kunde k gewonnenen Erstkäufers in Periode t Mwt = nicht mengenproportionale Kosten eines aufgrund der Hinweise von Kunde k gehaltenen
Kunden in Periode t r = kalkulatorischer Zinssatz Vgl. Gierl, H., Kurbel, T.M. (1997), Möglichkeiten zur Ermittlung des Kundenwerts, in: Link, J.,
Brändli, D., Schleunig, C., Kehl, R.E. (Hrsg.): Handbuch Database Marketing, 2. Aufl., Ettlingen, S. 174-189, S. 177.
100
Problematisch bei dieser Art der Kundenwertbestimmung ist insbesondere die Prognose der künftigen Erlösströme aus historischen Daten und die Prognose der für die Kundenpflege erforderlichen Kosten.363 Ferner ist es schwierig, die Werbe-wirkung bestimmter Marketingmaßnahmen vorherzusagen und zu quantifizieren. So kann z.B. davon ausgegangen werden, dass das Anzeigen- bzw. Mailingvolumen das Wiederkaufverhalten positiv beeinflussen, eine konkrete Ursache-Wirkung-Analyse jedoch nicht möglich ist.364 Demzufolge müssten zur realistischen Schätzung Kundenreaktions-Funktionen in das Modell integriert werden.
Eine weitere Schwierigkeit der Kundenwertberechnung auf Basis der Kapitalwert-rechnung resultiert aus dem zugrunde gelegten Diskontierungsfaktor.365 Die Höhe des Diskontierungsfaktors wird unter anderem von der Höhe der Kapitalmarkt-verzinsung, der Inflationsrate, dem Konjunkturverlauf und nicht zuletzt von der Risikoeinschätzung des Entscheiders beeinflusst. Somit wird auch das individuelle Risiko der zufälligen und damit nicht voraussehbaren Beendigung der Kunde-Anbieter-Beziehung über einen Risikozu- oder -abschlag berücksichtigt.
� Customer-Equity-Modell
Rust/Zeithaml/Lemon definieren Customer Equity als „die Summe der Erträge aller Kunden über die gesamte Dauer ihrer Beziehung zum Unternehmen“366. Nach Auf-fassung der Autoren ermöglicht das Customer-Equity-Modell sogar den Erfolg von Marketinginvestitionen zu berechnen.367 Vorteilhaft am Modell erweist sich nach Angaben der Autoren ferner die Messung des Brand Equity, Value Equity und Retention Equity, da diese mögliche Schlüsseltreiber des Kundenwertes darstellen und somit identifiziert werden können.368 Um auf dieser Basis die
363 Vgl. Dwyer, F.R. (1997), Customer Lifetime Valuation to Support Marketing Decision Making, in:
Journal of Direct Marketing, 11, 4, S. 6-13, S. 9f. 364 Vgl. Blattberg, R.C. (1987), Research Opportunities in Direct Marketing, in: Journal of Direct
Marketing, 1, 1, S. 7-14, S. 13. 365 Vgl. Hughes, A.M. (1996), The complete database marketer: second-generation strategies and
techniques for tapping the power of our customer database, 2. Aufl., New York u.a., S. 233f. 366 Vgl. Rust, R.T., Zeithaml, V.A., Lemon, K.N. (2005), Die Marke ist tot, es lebe der Kunde, in:
Harvard Business Manager, 27, 3, S. 38-51, S. 38. 367 Vgl. Rust, R.T., Lemon, K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving Customer Equity: Linking Customer
Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 4.
368 Value Equity wird dabei definiert als „the customer’s objective assessment of the utility of a brand, based on perception of what is given up for what is received“. Unter Brand Equity verstehen die Autoren “the customer’s subjective and intangible assessment of the brand, above and beyond its objectively-perceived value”. Die im Vergleich zur vorherrschenden Literatur zum Markenwert enge Definition wird somit von den Faktoren Markenbekanntheit, Markenimage und Einstellung gegenüber einer Marke beeinflusst. Retention Equity definieren die Autoren als „tendency of the
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
101
Einflussstärke der verschiedenen Treiber des Kundennutzens identifizieren zu können, ist die Durchführung einer branchen- bzw. unternehmensspezifischen Regressionsanalyse erforderlich. Formal kann diese wie folgt dargestellt werden:369
ikijkkkijk VELASTU ���� ����� 210
Die abgeleitete Kundenwechselmatrix, die auf dem Luce-Axiom basiert, kann im Anschluss wie folgt berechnet werden:370
� � � �exp / expijk ijk ijkk
p U U� �
Die Auswirkungen von Marketingmaßnahmen können folgendermaßen dargestellt werden: Eine Veränderung eines Subtreibers (z.B. der Qualität) geht mit einer Veränderung des Value Equity Treibers einher. Dies schlägt sich wiederum in der Nutzenfunktion und der individuellen Kaufwahrscheinlichkeit nieder. Die korrigierte Wechselmatrix hat Einfluss auf die Ermittlung des Customer Lifetime Value; summiert über alle Kunden ergibt sich daraus der Customer Equity.371
Kritikpunkte am Customer Equity Modell resultieren zum einen aus dem noch nicht hinreichend untersuchten Zusammenhang zwischen Customer Equity und Unterneh-menswert. Zum anderen beschränkt sich das Modell auch auf traditionelle Unternehmen. Hier wäre eine Anwendung für schnell wachsende Unternehmen und
customer to stick with the brand, above and beyond the customer’s objective and subjective assessment of the brand”. Rust, R.T., Lemon, K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving Customer Equity: Linking Customer Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 8ff. Zu den Determinanten des Retention Equity zählen die Autoren Kundenbindungsprogramme und ähnliche Modelle der Anerkennung, Community Building und Aufbau von Wissen.
369 Vgl. Rust, R.T., Lemon, K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving Customer Equity: Linking Customer Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 11.
Hierbei gilt: Uijk = Nutzen der Marke k für das Individuum i, das zuletzt Marke j gekauft hat �0k = Brand Equity Koeffizient LAST = Dummy-Variable, die für den Fall j = k gleich 1 ist. 370 Vgl. Luce, R.D. (1959), Individual Choice Behavior, New York, zitiert nach Rust, R.T., Lemon,
K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving Customer Equity: Linking Customer Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 11.
Hierbei gilt: pijk = Kundenwechselmatrix 371 Vgl. Konkrete Beispiele finden sich bei Rust, R.T., Lemon, K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving
Customer Equity: Linking Customer Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 19ff.
102
die damit verbundene Erweiterung in Bezug auf die Kundenakquisition erforderlich. Darüber hinaus werden im Modell keine externen Effekte, wie sie sich z.B. aus dem Weiterempfehlungsverhalten ergeben, berücksichtigt.372 Zur Umsetzung des Modells in der Unternehmenspraxis muss das Management die Auswirkungen der Marketing-aktionen auf die drei genannten Treiber prognostizieren.
� Kundendeckungsbeitragsrechnung
Zu den quasi-analytischen, monetären Verfahren zählt neben dem Customer Lifetime Value und dem Customer Equity Modell auch die Kundendeckungsbeitrags-
rechnung (KDBR). Voraussetzung für eine aussagekräftige KDBR ist zunächst eine Auflistung von Erlösen und Kosten nach beliebigen Absatzsegmenten (z.B. Aufträge, Distributionskanäle, Kunden, Produkte, Regionen) im Sinne einer zweckneutralen Grundrechnung.373 Liegen diese Zahlen im Internen Rechnungswesen vor, kann auf dieser Grundlage der Beitrag jedes einzelnen Kunden zum Periodengewinn ermittelt werden. Dabei wird versucht, sämtliche Erlöse und Kosten den einzelnen Kunden als Kostenträger zuzuordnen.374 Durch diese (verursachungsgerechte) Zuordnung entsteht ein aussagekräftiger monetärer Wert. Abb. 13 zeigt den Grundaufbau einer KDBR.
In der Unternehmenspraxis gestaltet sich die verursachungsgerechte Zurechnung von Kosten jedoch problematisch.375 So erweist es sich als schwierig, kunden-bezogene Aufwendungen, wie z.B. Serviceaufwendungen, differenziert einzube-ziehen und einzelnen Kunden direkt zuzuordnen. Um die Gefahr der fehlerhaften Kostenzuordnung zu umgehen, wird mittels der Prozesskostenrechnung versucht, Aufwendungen in bestimmte Aktivitäten und Prozesse aufzuspalten.376 Damit erfolgt eine Abkehr von der reinen Betrachtung der Herstellungskosten hin zu beispiels-
372 Vgl. zu den Kritikpunkten Rust, R.T., Lemon, K.N., Zeithaml, V.A. (2000), Driving Customer
Equity: Linking Customer Lifetime Value to Strategic Marketing Decisions, Arbeitspapier der Vanderbilt University, Report No. 1-108, Nashville, S. 25.
373 Vgl. Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 57. 374 Vgl. Fischer, T.M., Decken, T.vander (2001), Kundenprofitabilitätsrechnung in Dienstleistungs-
geschäften - Konzeption und Umsetzung am Beispiel des Car Rental Business, in: Schmalen-bachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 53, 5, S. 294-323, S. 295; Haag, J. (1992), Kundendeckungsbeitragsrechnungen - Ein Prüfstein des Key-Account-Managements, in: DBW, 52, 1, S. 25-39, S. 28 sowie zur Deckungsbeitragsrechnung allgemein Riebel, P. (1994), Einzel- und Deckungsbeitragsrechnung: Grundfragen einer markt- und entscheidungsorientierten Unter-nehmensrechnung, 7. Aufl., Wiesbaden.
375 Vgl. Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 58. 376 Vgl. Horváth, P., Kieninger, M., Mayer, R., Schimank, C. (1993), Prozesskostenrechnung - oder
wie die Praxis die Theorie überholt, in: Die Betriebswirtschaft, 53, 5, S. 609-628, S. 609ff.; Coenenberg, A.G., Fischer, T.M. (1991), Prozesskostenrechnung - Strategische Neuorientierung in der Kostenrechnung, in: Die Betriebswirtschaft, 51, 1, S. 21-38, S. 21ff.
103
weise Betreuungs- oder Vertriebsgemeinkosten. Dabei lassen sich die Hauptpro-zesse in Teilprozesse unterteilen und diese wiederum in Aktivitäten.377 Zwar können mit Hilfe der Prozesskostenrechnung die Auswirkungen von Kundensonderwünschen exakter beurteilt werden als im Falle der Zuschlagskalkulation, letztlich liefern jedoch sowohl die Prozesskostenrechnung als auch die KDBR nur ein unvollständiges Bild über den Kundenwert, wenn z.B. die mit einem Kunden erzielten Erträge auf Empfehlung Dritter zurückzuführen sind.378
Abbildung 13: Kundendeckungsbeitragsrechnung
(Quelle: i.A. an Köhler, R. (2001), Kundenerfolgsrechnung, in: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes Marketinglexikon, München, S. 859-860, S. 859)
Die Ausführungen haben gezeigt, dass der Kundenwert grundsätzlich auf sehr unterschiedliche Arten ermittelt werden kann. Häufig bestimmt dabei das gewählte Verfahren auch die „Art“ des ermittelten Kundenwerts. Eine wirklich solide und umfassende Messung dieses Konstrukts anhand einer einzelnen der vorgestellten Methoden ist bislang nicht möglich.
377 Vgl. Horváth, P., Mayer, R. (1993), Prozesskostenrechnung - Konzeption und Entwicklungen, in:
Kostenrechnungspraxis, Sonderheft Prozesskostenrechnung - Methodik, Anwendung und Software, 2, S. 15-28, S. 16.
378 Vgl. Kirchgeorg, M., Springer, C., Brühe, C. (2009), Live Communication Management. Ein strategischer Leitfaden zur Konzeption, Umsetzung und Erfolgskontrolle, Wiesbaden, S. 102; Köhler, R. (2005), Kundenorientiertes Rechnungswesen als Voraussetzung des Kunden-bindungsmanagements, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanage-ment: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 401-433, S. 410.
Kunden-Bruttoerlöse pro Periode – Erlösschmälerungen = Kunden-Nettoerlöse pro Periode – Kosten der vom Kunden bezogenen Produkte (variable Stückkosten lt. Produktkalkulation, multipliziert mit den Kaufmengen) = Kundendeckungsbeitrag I – Eindeutig kundenbedingte Auftragskosten (z.B. Vorrichtungen, Versandkosten) = Kundendeckungsbeitrag II – Eindeutig kundenbedingte Besuchskosten (z.B. Kosten der Anreise zum Kunden) – Sonstige relative Einzelkosten des Kunden pro Periode (z.B. Gehalt eines speziell zuständigen Key-Account-Managers; Engineering-Hilfen; Mailing-Kosten, Zinsen auf Forderungsaußenstände; bei Kunden auf der Handelsstufe: Werbekostenzuschüsse, Listungsgebühren und ähnliche Vergütungen) = Kundendeckungsbeitrag III
104
Verfügt etwa der Customer Lifetime Value über den großen Vorteil, mit nur einer Kennzahl eine Aussage über die Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung machen zu können, unterliegt diese doch teilweise realitätsfernen Annahmen, wie z.B. einheitliche Einzahlungs- und Auszahlungsströme.379 Demgegenüber ist es für eine Gesamtwürdigung zweckmäßig, ein Scoring-Modell einzusetzen, was jedoch aufgrund von Gewichtungsfaktoren und Punktzuordnungen auch durch das subjektive Urteil des Bewertenden beeinflusst werden kann.
Voraussetzung für den Einsatz einer Methode im Rahmen dieser Arbeit ist neben ihrer Praxistauglichkeit (durch Komplexitätsreduktion) auch die Verfügbarkeit
valider Kundeninformationen. Da es ein erklärtes Ziel dieser Arbeit ist, den Zusam-menhang zwischen subjektiven und objektiven Daten zu untersuchen, erfolgt die Gewinnung Letzerer mittels internem Rechnungswesen bzw. Warenwirtschafts-system des kooperierenden Unternehmens. Im konkreten Fall bietet sich hierfür die Kundendeckungsbeitragsrechnung an, da die hierfür benötigten Erlöse und Auf-wendungen anhand einer eindeutigen Kundennummer dem Befragten zugeordnet werden können. Da in die Berechnung des DB I im Rahmen der KDBR nur Kosten-positionen einfließen, die sich als Einzelkosten erfassen lassen, zeigt dieser Deckungsbeitrag dem Prinzip der Veränderungsrechnung entsprechend unmittelbar an, welcher Teil des Erfolgs im Betrachtungszeitraum ohne die Existenz der Kunden-beziehung nicht zustande gekommen wäre.380 Aufgrund der Nicht-Berücksichtigung von Gemeinkosten spiegelt der DB I somit unverfälscht die Kundenprofitabilität wider und findet deshalb als Profitabilitätsindikator in der vorliegenden Untersuchung Ver-wendung.381 Dieser Profitabilitätsindikator basiert zwar auf Vergangenheitsdaten, die als Ersatzindikatoren für die künftige Profitabilität herangezogen werden, was jedoch in Anbetracht von relativ stabilen Bindungsverhältnissen im Fachhandel zulässig erscheint.382
379 Vgl. zu einer sehr ausführlichen Kritik am Konzept des Customer Lifetime Value Diller, H. (2002),
Probleme des Kundenwerts als Steuerungsgröße im Kundenmanagement, in: Böhler, H., Köhler, R. (Hrsg.): Marketing-Management und Unternehmensführung: Festschrift für Professor Dr. R. Köhler zum 65. Geburtstag, Stuttgart, S. 297-326, S. 315ff.
380 Vgl. Köhler, R. (2005), Kundenorientiertes Rechnungswesen als Voraussetzung des Kunden-bindungsmanagements, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungs-management: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 401-433, S. 409.
381 Vgl. Fischer, T.M., Decken, T.vander (2001), Kundenprofitabilitätsrechnung in Dienstleistungs-geschäften - Konzeption und Umsetzung am Beispiel des Car Rental Business, in: Schmalen-bachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 53, 5, S. 294-323, S. 300.
382 Vgl. zur Verwendung von bisherigem Verhalten als Ersatzindikator Diller, H. (1996), Kunden-bindung als Marketingziel, in: Marketing - ZFP, 18, 2, S. 81-94, S. 85; Müller-Hagedorn, L. (2005), Handelsmarketing, 4., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 72.
105
5. Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und
Kundenprofitabilität
Aufbauend auf den Ausführungen zu den Konstrukten Kundenzufriedenheit, Kunden-loyalität und Kundenwert erfolgt nun eine Betrachtung der Zusammenhänge zwischen den drei Konstrukten. Hierbei soll zum einen der Stand der empirischen Forschung über die Zusammenhänge dargestellt werden, zum anderen die theoretische Erklärung derselben gegeben werden.
Kap. 5.1 widmet sich zunächst der Zusammenstellung und Diskussion von bisher durchgeführten Studien und deren zentraler Ergebnisse. In Kap. 5.2 erfolgt im Anschluss daran die theoretische Fundierung der Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert.
5.1 Empirische Befunde zu den Zusammenhängen
5.1.1 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität
Im Hinblick auf die empirische Untersuchung der Auswirkungen von Kundenzufrie-denheit konstatieren Szymanski/Henard im Rahmen ihrer Metaanalyse über Kunden- zufriedenheit Folgendes: „Few studies have investigated the outcomes of satisfaction and only a few outcomes of satisfaction have been investigated in these studies“383. Einen Überblick über Publikationen aus dem englisch- und deutschsprachigen Raum, welche die empirische Befundlage zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität oder damit verwandter Konstrukte widerspiegeln, bietet Tab. 6.
Die meisten empirischen Untersuchungen zum Zusammenhang von Kundenzufrie-denheit und Kundenloyalität beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Kunden-
zufriedenheit auf das Wiederkaufverhalten/ die Wiederkaufabsicht. Szymanski/ Henard finden in ihrer Metaanalyse eine mittlere Korrelation von r = 0,52 für den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Wiederkaufabsicht.384 Für einen
383 Vgl. Szymanski, D.M., Henard, D.H. (2001), Customer Satisfaction: A Meta-Analysis of the
Empirical Evidence, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 29, 1, S. 16-36, S. 19. 384 Vgl. Szymanski, D.M., Henard, D.H. (2001), Customer Satisfaction: A Meta-Analysis of the
Empirical Evidence, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 29, 1, S. 16-36, S. 25.
106
Loyalitätsdimension Ausgewählte Arbeiten Anzahl Arbeiten Ergebnis
Wiederkaufabsicht
Chang/Tu (2005)392, Elorz/ Villanueva (2004)393, Giering (2000)394, Homburg/Giering (2001)395, Patterson/ Johnson/ Spreng (1997)396, Seiders/ Voss et al. (2005)397
sehr hoch +
Weiterempfehlungs-absicht
Fornell et al. (1996)385, Fullerton (2005)386, Mooradian/Olver (1997)387, Olsen (2002)388, Peter (1999)389, Selnes/ Gonhaug (1997)390, Zins (1998)391 Anderson (1998)398,
Arrondo/Berné et al. (2002)399
mittel +
Cross-Buying Krüger (1997)400, Ngobo (2004)401 niedrig +
Tabelle 6: Studien zu Auswirkungen von Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität
385 Vgl. Fornell, C., Johnson, M., Anderson, E., Cha, J., Bryant, B (1996), The American Customer
Satisfaction Index: Nature, Purpose and Findings, in: Journal of Marketing, 60, 4, S. 7-18. 386 Vgl. Fullerton, G. (2005), The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands,
in: Canadian Journal of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, 22, 2, S. 97-110. 387 Vgl. Mooradian, T., Olver, J. (1997), "I Can't Get No Satisfaction": The Impact of Personality and
Emotion on Postpurchase Processes, in: Psychology & Marketing, 14, 4, S. 379-393. 388 Vgl. Olsen, S. (2002), Comparative evaluation and the relationship between quality, satisfaction,
and repurchase loyalty, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 30, 3, S. 240-249. 389 Vgl. Peter, S.I. (1999), Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler
Determinanten, 2., überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden. 390 Vgl. Selnes, F., Gonhaug, K. (1997), When Does it Pay-off to Exceed Customers' Expectations:
The Importance of Differentiating Should- and Could Expectations, Arbeitspapier, School of Marketing, Norwegian School of Management, Oslo.
391 Vgl. Zins, A. (1998), Antecedents of Satisfaction and Customer Loyalty in the Commercial Industry, Wien.
392 Vgl. Chang, C.-H., Tu, C.-Y. (2005), Exploring Store Image, Customer Satisfaction and Customer Loyalty Relationship: Evidence from Taiwanese Hypermarket Industry, in: Journal of American Academy of Business, 7, 2, S. 197-202.
393 Vgl. Elorz, M.C.M., Villanueva, M.L. (2004), Retail Store Loyalty Management via an Analysis of Heterogeneity of the Service Elements, in: International Review of Retail, Distribution & Consumer Research, 14, 4, S. 407-437.
394 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden.
395 Vgl. Homburg, C., Giering, A. (2001), Personal Characteristics as Moderators of the Relationship Between Customer Satisfaction and Loyalty - An Empirical Analysis, in: Psychology & Marketing, 18, 1, S. 43-66.
396 Vgl. Patterson, P., Johnson, L., Spreng, R. (1997), Modeling the Determinants of Customer Satisfaction for Business-to-Business Professional Services, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 25, 1, S. 4-17.
397 Vgl. Seiders, K., Voss, G.B., Grewal, D., Godfrey, A.L. (2005), Do Satisfied Customers Buy More? Examining Moderating Influences in a Retailing Context, in: Journal of Marketing, 69, 4, S. 26-43.
398 Vgl. Anderson, E.W. (1998), Customer Satisfaction and Word of Mouth, in: Journal of Service Research, 1, 1, S. 5-17.
399 Vgl. Arrondo, E., Berné, C., Múgica, J.M., Rivera, P. (2002), Modelling of customer retention in multi-format retailing, in: International Review of Retail, Distribution & Consumer Research, 12, 3, S. 281-296.
400 Vgl. Krüger, S.M. (1997), Profitabilitätsorientierte Kundenbindung durch Zufriedenheitsmanage-ment: Kundenzufriedenheit und Kundenwert als Steuerungsgröße für die Kundenbindung in marktorientierten Dienstleistungsunternehmen, München, S. 188ff.
401 Vgl. Ngobo, P.V. (2004), Drivers of customers' cross-buying intentions, in: European Journal of Marketing, 38, 9/10, S. 1129-1157.
107
Überblick zu einzelnen Studien sei auf Giering, Fischer/Herrmann/Huber und Homburg/Becker/Hentschel verwiesen.402 Der Schwerpunkt empirischer Studien bezieht sich dabei auf Wiederkaufabsichten.403 Ausnahmen hierzu stellen die Studien von Bolton und Mittal/Kamakura dar, die sich explizit mit dem Wiederkaufverhalten beschäftigen.404
Nachdem der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Wiederkauf-verhalten/Wiederkaufabsicht als gesichert gelten dürfte, widmen sich insbesondere jüngere Arbeiten der Untersuchung moderierender Einflussgrößen dieses Zusam-menhangs.405
Homburg/Giering untersuchen z.B. das Alter, Einkommen und „Variety Seeking“ des Käufers als moderierende Einflussgrößen des Zusammenhangs von Kunden-zufriedenheit und Kundenloyalität.406 Die beiden Autoren belegen, dass ältere Kunden tendenziell treuere Kunden sind und dass sich der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität mit steigendem Einkommen eher 402 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität:
eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 20ff; Fischer, M., Herrmann, A., Huber, F. (2001), Return on Customer Satisfaction - Wie rentabel sind Maßnahmen zur Stei-gerung der Zufriedenheit?, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 71, 10, S. 1161-1190, S. 1163ff.; Homburg, C., Becker, A., Hentschel, F. (2005), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufrie-denheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungs-management: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 93-124, S. 91ff.
403 Vgl. Mittal, V., Kumar, P., Tsiros, M. (1999), Attribute-Level Performance, Satisfaction, and Behavioral Intentions over Time: A Consumption-System Approach, in: Journal of Marketing, 63, 2, S. 88-101, S. 90ff.
404 Vgl. Bolton, R.N. (1998), A Dynamic Model of the Duration of the Customer's Relationship With a Continuous Service Provider: The Role of Satisfaction, in: Marketing Science, 17, 1, S. 45-66, S. 45ff.; Mittal, V., Kamakura, W.A. (2001), Satisfaction, Repurchase Intent, and Repurchase Behavior: Investigating the Moderating Effect of Customer Characteristics, in: Journal of Marketing Research, 38, 1, S. 131-142, S. 131ff.
405 Vgl. unter anderem Homburg, C., Giering, A., Menon, A. (2003), Relationship Characteristics as Moderators of the Satisfaction-Loyalty Link: Findings in a Business-to-Business Context, in: Journal of Business-to-Business Marketing, 10, 3, S. 35-62, S. 35ff.; Mittal, V., Kamakura, W.A. (2001), Satisfaction, Repurchase Intent, and Repurchase Behavior: Investigating the Moderating Effect of Customer Characteristics, in: Journal of Marketing Research, 38, 1, S. 131-142, S. 131ff.; Homburg, C., Giering, A. (2001), Personal Characteristics as Moderators of the Relationship Between Customer Satisfaction and Loyalty - An Empirical Analysis, in: Psychology & Marketing, 18, 1, S. 43-66, S. 43ff.
Als moderierende Variablen werden im Allgemeinen Einflussfaktoren bezeichnet, die auf einen be-stimmten Zusammenhang einwirken, indem sie seine Stärke determinieren. Vgl. hierzu ausführlich Sharma, S., Durand, R., Gur-Arie, O. (1981), Identification and Analysis of Moderator Variables, in: Journal of Marketing Research, 18, 3, S. 291-300; Darrow, A., Kahl, D. (1982), A Comparison of Moderated Regression Techniques Considering Strength of Effect, in: Journal of Management, 8, 2, S. 35-47.
406 Vgl. Homburg, C., Giering, A. (2001), Personal Characteristics as Moderators of the Relationship Between Customer Satisfaction and Loyalty - An Empirical Analysis, in: Psychology & Marketing, 18, 1, S. 43-66, S. 43ff.
108
abschwächt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Autoren für das Variety Seeking.
Neben der Frage nach der Existenz eines positiven Effektes moderierender Variablen interessiert auch die funktionale Form des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Mögliche funktionale Verläufe auf der Basis empirischer Analysen sind in Abb. 14 dargestellt.
Abbildung 14: Mögliche funktionale Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kun-
denbindung (Quelle: i.A. an Homburg, C., Bucerius, M. (2006), Kundenzufriedenheit als Manage-mentherausforderung, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit, Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6., überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden, S. 53-89, S. 60)
Auf der Basis einer empirischen Untersuchung ermittelt beispielsweise Burmann einen konkaven Funktionsverlauf für den Zusammenhang zwischen Kundenzu-friedenheit und Markentreue, wohingegen der Zusammenhang zwischen Kundenzu-friedenheit und Anbietertreue einen konvexen Verlauf aufweist.407 Eine weitere Untersuchung zum Verlauf des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Treue liegt von Auh/Johnson vor.408 Die Autoren weisen anhand eines Vergleichs unterschiedlicher Regressionsmodelle eine konvexe Funktionsform für den Zusam-
407 Vgl. Burmann, C. (1991), Konsumentenzufriedenheit als Determinante der Marken- und
Händlerloyalität. Das Beispiel Automobilindustrie, in: Marketing - ZFP, 4, S. 249-258, S. 252ff. Einen konkaven Funktionsverlauf weisen Mittal/Kamakura und Ngobo nach. Vgl. Mittal, V., Kamakura, W.A. (2001), Satisfaction, Repurchase Intent, and Repurchase Behavior: Investigating the Moderating Effect of Customer Characteristics, in: Journal of Marketing Research, 38, 1, S. 131-142, S. 131ff.; Ngobo, P.V. (1999), Decreasing Returns in Customer Loyalty: Does it Really Matter to Delight the Customers?, in: Advances in Consumer Research, 26, 1, S. 469-476, S. 469ff.
408 Vgl. Auh, S., Johnson, M. (1997), The Complex Relationship between Customer Satisfaction and Loyalty for Automobiles, Ann Arbor, S. 3ff.
Einen konvexen Funktionsverlauf weisen ferner Mittal/Kamakura nach. Vgl. Mittal, V., Kamakura, W.A. (2001), Satisfaction, Repurchase Intent, and Repurchase Behavior: Investigating the Moderating Effect of Customer Characteristics, in: Journal of Marketing Research, 38, 1, S. 131-142, S. 131ff.
Kunden-
loyalität
Kunden-
loyalität Kunden-
loyalität
Kunden-
loyalität
Kunden-
zufriedenheit Kunden-
zufriedenheit
Kunden-
zufriedenheitKunden-
zufriedenheit
Progressiver Zusammenhang
Sattelförmiger Zusammenhang
Degressiver Zusammenhang
S-förmiger Zusammenhang
109
menhang nach. Einen sattelförmigen Verlauf hingegen zeigen Müller/Riesenbeck auf der Grundlage ihrer empirischen Untersuchung.409 Herrmann/Johnson weisen auf der Basis von Daten des US-amerikanischen Kundenzufriedenheitsbarometers einen S-förmigen Verlauf des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kun-denloyalität nach.410
Die bislang dargestellten Arbeiten richten sich auf den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Wiederkaufverhalten/Wiederkaufabsicht. Für die Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und dem Weiterempfehlungsverhalten bzw. der Weiterempfehlungsabsicht ermittelt Anderson einen U-förmigen Zusammenhang.411 Dieses Resultat lässt sich wiederum unterstützend für einen umgekehrt S-förmigen Zusammenhang interpretieren. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass neben der Anzahl der (Mund)-Äußerungen auch deren Qualität (positiv oder negativ) mit-einbezogen wird. Für diesen Fall verläuft der linke Ast des U’s von unten nach oben, was einen umgekehrt S-förmigen Verlauf zur Folge hat.
Zusammenfassend lässt sich zeigen, dass die Existenz eines positiven Zusammen-hangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität in der Literatur bereits mehrfach empirisch nachgewiesen werden konnte. In Bezug auf die Form des Zusammenhangs zeigt sich, dass nichtlineare Beziehungen häufig postuliert, bisher jedoch lediglich ansatzweise empirisch bestätigt werden konnten.
5.1.2 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenzufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg
Betrachtet man die existierenden Forschungsarbeiten zum Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg (als wichtigstem Para-meter des Kundenwerts), dann können grundsätzlich zwei Kategorien von Arbeiten unterschieden werden. Die erste Gruppe von Autoren setzt die Kundenzufriedenheit 409 Vgl. Müller, W., Riesenbeck, H.-J. (1991), Wie aus zufriedenen auch anhängliche Kunden
werden, in: Harvard Business Manager, 13, 3, S. 67-79, S. 70ff. Einen sattelförmigen Funktions-verlauf weisen ferner Hennig-Thurau/Klee/Langer nach. Vgl. Hennig-Thurau, T., Klee, A., Langer, M.F. (1999), Das Relationship Quality-Modell zur Erklärung von Kundenbindung: Ein-ordnung und empirische Überprüfung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 2, Ergänzungsheft, S. 111-132, S. 111ff.
410 Vgl. Herrmann, A., Johnson, M.D. (1999), Die Kundenzufriedenheit als Bestimmungsfaktor der Kundenbindung, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 51, 6, S. 579-598, S. 579ff.
Einen S-förmigen Verlauf weisen ferner Ngobo und Oliva/Oliver/MacMillan nach. Vgl. Ngobo, P.V. (1999), Decreasing Returns in Customer Loyalty: Does it Really Matter to Delight the Customers?, in: Advances in Consumer Research, 26, 1, S. 469-476, S. 469ff.; Oliva, T.A., Oliver, R.L., MacMillan, I.C. (1992), A catastrophe model for developing service satisfaction strategies, in: Journal of Marketing, 56, 3, S. 83-96, S. 83ff.
411 Vgl. Anderson, E.W. (1998), Customer Satisfaction and Word of Mouth, in: Journal of Service Research, 1, 1, S. 5-17, S. 5ff.
110
in unmittelbare Beziehung zum wirtschaftlichen Erfolg, während die zweite Gruppe von Autoren zusätzlich moderierende Einflussgrößen bei der Untersuchung dieser Beziehung berücksichtigt.
Der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Unternehmensprofitabilität konnte in zahlreichen Studien empirisch nachgewiesen werden.412 Eine besonders um-fassende Untersuchung stellt die Studie von Anderson/Fornell/Lehmann dar, die auf Daten des schwedischen Kundenzufriedenheitsbarometers basiert.413 Die Autoren zeigen einen deutlich positiven Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg (Return on Assets). Zur Untersuchung des funktionalen Zusam-menhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg analysieren darüber hinaus Fischer/Herrmann/Huber kosten- und nutzenbezogene Aspekte für einzelne Unternehmen.414 Die Autoren weisen anhand empirischer Daten nach, dass zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg kein einfacher linearer Zusammenhang besteht, sondern dass der Unternehmensgewinn zunächst bis zu einem optimalen Niveau ansteigt, bevor jede weitere Erhöhung der Anstrengungen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit zu einem Rückgang des Gewinns führt. Im Fall, dass die aus zufriedenheitssteigernden Maßnahmen zu erwartenden Gewinnrückflüsse die damit verbundenen Investitionen unterschreiten, kann es nach Ansicht der Autoren im Extremfall sogar zu einem Verlust für das Unternehmen kommen.
Von besonderer Bedeutung bei der Untersuchung der Beziehung zwischen Kunden-zufriedenheit und wirtschaftlichem Erfolg sind die Kundenloyalität und der Markterfolg des Unternehmens als moderierende Einflussgrößen. Bowman/Narayandas, Garland, Hallowell, Kamakura/Mittal/De Rosa/Mazzon, Loveman und Silvestro/Cross und konnten die gesamte Wirkungskette von der Kundenzufriedenheit über die
412 Vgl. Anderson, E.W., Mittal, V. (2000), Strengthening the Satisfaction-Profit Chain, in: Journal of
Service Research, 3, 2, S. 107-121, S. 107ff.; Bernhardt, K.L., Donthu, N., Kennett, P.A. (2000), A Longitudinal Analysis of Satisfaction and Profitability, in: Journal of Business Research, 47, 2, S. 161-171, S. 161ff.; Matzler, K., Stahl, H. (2000), Kundenzufriedenheit und Unternehmenswert-steigerung, in: Die Betriebswirtschaft, 60, 5, S. 626-641, S. 626ff.; Rucci, A.J., Kirn, S.P., Quinn, R.T. (1998), The Employee-Customer-Profit Chain at Sears, in: Harvard Business Review, 76, 1, S. 82-97, S. 82ff.; Anderson, E.W., Fornell, C., Rust, R.T. (1997), Customer Satisfaction, productivity, and profitability: Differences between goods and services, in: Marketing Science, 16, 2, S. 129-147, S. 129ff.; Anderson, E.W., Fornell, C., Lehmann, D.R. (1994), Customer Satisfaction, Market Share, and Profitability: Findings from Sweden, in: Journal of Marketing, 58, 3, S. 53-66, S. 53ff.
413 Vgl. Anderson, E.W., Fornell, C., Lehmann, D.R. (1994), Customer Satisfaction, Market Share, and Profitability: Findings from Sweden, in: Journal of Marketing, 58, 3, S. 53-66.
414 Vgl. Fischer, M., Herrmann, A., Huber, F. (2001), Return on Customer Satisfaction - Wie rentabel sind Maßnahmen zur Steigerung der Zufriedenheit?, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 71, 10, S. 1161-1190, S. 1161ff.
111
Kundenloyalität bis zum Kundenwert (wirtschaftlichen Erfolg) belegen.415 Kamakura et al. belegen in ihren Untersuchungen z.B., dass die Filialen einer Bank mit hoher Kundenzufriedenheit und hoher Kundenloyalität profitabler sind als die Filialen mit hoher Kundenzufriedenheit und geringer Kundenloyalität.416
5.1.3 Befunde zu den Zusammenhängen zwischen Kundenloyalität und wirtschaftlichem Erfolg
Die Frage, ob loyale Kunden auch profitabel sind, erscheint auf den ersten Blick nicht ganz berechtigt, wird doch beinahe schon allgemein angenommen, dass es einen positiven Zusammenhang gibt. Empirische Belege für diesen Zusammenhang existieren jedoch kaum.417
Einen Beleg dafür, dass zwischen der Dauer einer Kundenbeziehung und dem
Gewinn pro Kunde ein positiver Zusammenhang besteht, liefern Reichheld/Teal.418 Die Autoren weisen nach, dass eine Verringerung der Kundenabwanderungsrate um 5% mit einem Erlössteigerungspotenzial von 35-95% einhergeht. Dies wird darauf zurück geführt, dass der Erfolgsbeitrag zu Beginn einer Geschäftsbeziehung aufgrund von Akquisitionskosten häufig negativ ist und erst mit zunehmender Dauer der Geschäftsbeziehung ein positiver Erfolgsbeitrag erzielt werden kann. Ferner konnte in verschiedenen Untersuchungen belegt werden, dass die Kosten zur Gewinnung eines neuen Kunden fünf- bis achtmal so hoch sind wie die Kosten, die zum Halten eines Kunden erforderlich sind, was wiederum als Beleg dafür
415 Vgl. Bowman, D., Narayandas, D. (2004), Linking Customer Management Effort to Customer
Profitability in Business Markets, in: Journal of Marketing Research, 41, 4, S. 433-447, S. 433ff; Garland, R. (2002), Non-financial drivers of customer profitability in personal retail banking, in: Journal of Targeting, Measurement and Analysis for Marketing, 10, 3, S. 233-248, S. 233ff.; Hallowell, R. (1996), The relationship of customer satisfaction, customer loyalty, and profitability: An empirical study, in: Journal of Service Industry Management, 7, 4, S. 27-42, S. 27ff.; Kamakura, W.A., Mittal, V., De Rosa, F., Mazzon, J.A. (2002), Assessing the Service-Profit Chain, in: Marketing Science, 21, 3, S. 294-317, S. 294ff.; Loveman, G.W. (1998), Employee Satisfaction, Customer Loyalty, and Financial Performance: An Empirical Examination of the Service Profit Chain in Retail Banking, in: Journal of Service Research, 2, 2, S. 138-144, S. 138ff.; Silvestro, R., Cross, S. (2000), Applying the Service Profit Chain in a Retail Environment, in: International Journal of Service Industry Management, 11, 3, S. 244-268, S. 244ff.
416 Vgl. Kamakura, W.A., Mittal, V., De Rosa, F., Mazzon, J.A. (2002), Assessing the Service-Profit Chain, in: Marketing Science, 21, 3, S. 294-317, S. 294ff.
417 Vgl. Gerpott, T.J. (2000), Kundenbindung: Konzepteinordnung und Bestandsaufnahme der neueren empirischen Forschung, in: Die Unternehmung, 54, 1, S. 23-42, S. 39; Krafft, M. (1999), Der Kunde im Fokus: Kundennähe, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung - und Kundenwert?, in: Die Betriebswirtschaft, 59, 4, S. 511-530, S. 523-527; Dowling, G.R., Uncles, M.D. (1997), Do Customer Loyalty Programs Really Work, in: Sloan Management Review, 38, 4, S. 71-82, S. 78.
418 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Reichheld, F.F., Teal, T. (1996), The loyalty effect. The hidden force behind growth, profits and lasting value, Boston.
112
herangezogen wird, dass die Dauer von Kundenbeziehungen in einem positiven Zusammenhang mit der Profitabilität steht.419
Hingegen stellen Reinartz/Kumar, die sich in ihren empirischen Untersuchungen ebenfalls mit dem Einfluss der Dauer der Geschäftsbeziehung auf die Kunden-profitabilität auseinander setzen, nur moderate bis schwache Zusammenhänge in vier untersuchten Branchen fest.420 Der ermittelte Korrelationskoeffizient liegt dabei z.B. im Fall des Lebensmittelhandels bei 0,45 und im Fall des Versandhandels bei 0,20. Die Autoren weisen anhand einer Vier-Felder-Matrix empirisch nach, dass ein großer Teil der profitablen Kunden sich nur für kurze Zeit dem Anbieter gegenüber treu verhält. Diese als „Butterflies“ bezeichneten Kunden sorgen demzufolge dafür, dass der Zusammenhang zwischen Kundenloyalität und Kundenprofitabilität schwächer ausfällt als angenommen.
Garland ergänzt die Untersuchung der Kundenprofitabilität von Reinartz/Kumar in der Form, dass er neben der Dauer der Geschäftsbeziehung den Share-of-Wallet als eine weitere Loyalitätsvariable berücksichtigt.421 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung am Beispiel von Bankkunden unterstreichen die von Reinartz/Kumar nachgewiesenen schwachen Zusammenhänge zwischen Kundenloyalität und Kundenprofitabilität. So beträgt der Korrelationskoeffizient zwischen der Kunden-lebensdauer und der Kundenprofitabilität lediglich 0,01, zwischen der Kundenlebensdauer und dem Share-of-Wallet lediglich 0,05 und zwischen dem Share-of-Wallet und der Kundenprofitabiliät lediglich 0,10.
Der Zusammenhang zwischen der loyalen Einstellung eines Kunden, basierend auf seinen Antworten in Befragungen, und der Kundenprofitabilität, basierend auf seinem tatsächlichen Verhalten, wurde wissenschaftlich bislang kaum untersucht.422 Eine der wenigen Ausnahmen stellt die Studie von Reichheld dar, der basierend auf den Informationen von 4.000 Kunden in sechs Branchen die Wechselbeziehungen
419 Vgl. Rust, R.T., Zahorik, A.J. (1993), Customer satisfaction, customer retention and market
share, in: Journal of Retailing, 69, 2, S. 145-156, S. 148. 420 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Reinartz, W.J., Kumar, V. (2002), The mismanagement of
customer loyalty, in: Harvard Business Review, 80, 7, S. 86-94, S. 88ff. 421 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Garland, R. (2005), Segmenting retail banking customers, in:
Journal of Financial Services Marketing, 10, 2, S. 179-191, S. 179ff.; Garland, R. (2004), Share of wallet's role in customer profitability, in: Journal of Financial Services Marketing, 8, 3, S. 259-268, S. 259ff.
422 Vgl. Reichheld, F.F. (2004), Mundpropaganda als Maßstab für den Erfolg, in: Harvard Business Manager, 26, 3, S. 22-35, S. 22ff.; Reichheld, F.F. (2003), The one number you need to grow., in: Harvard Business Review, 81, 12, S. 46-54, S. 46ff.; Gerpott, T.J. (2000), Kundenbindung: Konzepteinordnung und Bestandsaufnahme der neueren empirischen Forschung, in: Die Unter-nehmung, 54, 1, S. 23-42, S. 29.
113
zwischen Umfrageergebnissen und tatsächlichem Folgekaufverhalten untersucht.423 Der Autor kommt über alle Branchen hinweg zu dem Ergebnis, dass die Weiterempfehlungsabsicht eines Kunden als der zuverlässigste Prädikator von tatsächlichem Folgekaufverhalten aufgefasst werden kann. In manchen Branchen erlaubte auch die Zusatzkaufabsicht eine zuverlässige Vorhersage des künftigen Kaufverhaltens der Konsumenten.
5.1.4 Kritische Würdigung der empirischen Studien
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in den bislang durchgeführten Studien vielfältige Hinweise auf Zusammenhänge zwischen den drei zentralen Konstrukten Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert gewonnen werden konnten. Widerspruchsfreie empirische Belege existieren hierbei jedoch nur bezüglich der Existenz des Zusammenhangs zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Es finden sich zwar eine Reihe von Hinweisen zum Einfluss der Kundenloyalität auf den Kundenwert, jedoch wird deutlich, dass die Forschungsbefunde hierzu durchaus nicht einheitlich sind.
Neben der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Kundenloyalität und Kunden-wert als dem wirtschaftlichen Erfolg sind im Hinblick auf das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit einige weitere wesentliche Forschungsdefizite zu konstatieren:
� Die Aussagekraft des überwiegenden Teils der Studien zum Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert ist dadurch eingeschränkt, dass i.d.R. lediglich auf Befragungsäußerungen basierende Einstellungen und Absichten ermittelt werden und nicht das tatsächliche Ver-halten zur Validierung herangezogen wird. Objektiv ermittelbare Kaufverhaltensindikatoren – wie etwa der Deckungsbeitrag, den ein Kunde im Betrachtungszeitraum realisiert – erfordern eine aufwändigere Datener-hebung, die über eine bloße Kundenbefragung hinausgeht. In der Folge finden sich sowohl im universitären Forschungs- als auch im außeruniversitären Marktforschungsbetrieb nur selten Untersuchungen, in denen objektive Kriterien berücksichtigt werden.
� Der Erkenntnisbeitrag zahlreicher Arbeiten im Bereich der Forschung zum Konsumentenverhalten wird dadurch geschmälert, dass häufig noch die singuläre Transaktion das Bezugsobjekt der Zufriedenheit darstellt und nicht
423 Vgl. hierzu sowie im Folgenden Reichheld, F.F. (2003), The one number you need to grow., in:
Harvard Business Review, 81, 12, S. 46-54.
114
ein kumulatives Zufriedenheitsverständnis zugrunde gelegt wird. Diese enge Sichtweise schränkt den Erkenntnisgewinn insbesondere im Hinblick auf den langfristigen Fortbestand von Kundenbeziehungen stark ein.
� Im Forschungsbereich des Handelsmarketing im Allgemeinen und des Textil-facheinzelhandels im Speziellen stellen die Zusammenhänge zwischen Kun-denzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert ein noch relativ unerforschtes Themengebiet dar. Zwar ermöglichen z.B. nationale Zufriedenheitsstudien grundsätzlich die Ableitung branchenübergreifender Ergebnisse, das Untersuchungsdesign erlaubt jedoch i.d.R. keine differenzierten Rückschlüsse auf bestimmte Kundengruppen bzw. spezifische Umfeldbedingungen.
� Als Methode wird zur Analyse der Zusammenhänge zwischen den Konstrukten bei der Mehrzahl der Untersuchungen die Regressions- bzw.
Korrelationsanalyse angewandt. Kausalanalytische Analyseverfahren hingegen, die sich bei der vorliegenden Fragestellung als überlegen erweisen, da sie nicht die Nachteile der beiden erstgenannten Verfahren aufweisen, finden nur selten Anwendung.424
� Ein weiteres Problem, das über die soeben angesprochenen methodischen Aspekte hinausgeht, ist in der mangelhaften theoretischen Fundierung vieler Studien zu sehen. So werden in zahlreichen Untersuchungen nur an-satzweise oder gar keine theoretischen Fundamente zugrunde gelegt. Die kausale Interpretation gefundener Zusammenhänge ist jedoch nur bei Vorliegen einer ausreichenden theoretischen Grundlage gerechtfertigt.
Trotz der Existenz einiger Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Kunden-zufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert ergibt sich somit ein Bedarf an Forschungsarbeiten, die theoretisch fundiert mehr Klarheit in die komplexen Zusammenhänge zwischen den drei Konstrukten bringen, indem neben subjektiven Einstellungen und Absichten auch objektive Kriterien berücksichtigt werden und die Besonderheiten im Textilfacheinzelhandel als dem Gegenstand dieser Untersuchung beachtet wird.
Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Kapitel eine theoretische Fundierung der möglichen Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert erfolgen, bevor in dem sich daran anschließenden Kapitel auf Basis der 424 Vgl. zu den Vorteilen der Kausalanalyse die Ausführungen in Kap. C.1.2
115
gewonnenen Erkenntnisse das im Rahmen der empirischen Untersuchung zu überprüfende Modell abgeleitet wird.
5.2 Theoretische Fundierung der Zusammenhänge zwischen den drei
Konstrukten
Um die möglichen Zusammenhänge theoretisch umfassend zu fundieren, sollen im Folgenden die dem zu analysierenden Themenkomplex zugrunde liegenden Theorien näher erläutert werden. Das Ziel ist hierbei, unter Einbeziehung der originären Perspektive der entsprechenden Theorien spezielle Erkenntnisse im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zu erlangen.
Neben den Erklärungsansätzen der Neuen Institutionenlehre greift die Marketing-wissenschaft in diesem Zusammenhang auch auf verhaltenswissenschaftliche
Theorien zurück.425 Im Folgenden werden im Rahmen der Neuen Institutionenlehre die Informationsökonomie, die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskosten-theorie sowie im Rahmen der verhaltenswissenschaftlichen Theorien die Equity-Theorie, die Lerntheorie und die Risikotheorie erläutert.426
5.2.1 Neue Institutionenlehre
Generell liegt der Analysefokus der Neuen Institutionenlehre auf Institutionen, in deren Rahmen ökonomische Austauschprozesse stattfinden.427 Das Erkenntnis-
425 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität:
eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 37. 426 Im Kontext von Kundenbeziehungen lassen sich nach Bruhn anhand der Informationsökonomie,
des Principal-Agent-Ansatz sowie des Transaktionskostenansatz wichtige Sachverhalte erklären. Vgl. Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 22.
Im Rahmen der verhaltenswissenschaftlichen Theorien sind nach Homburg/Becker/Hentschel insbesondere die Equity-Theorie, ausgewählte Lerntheorien und die Risikotheorie von Bedeutung. Vgl. Homburg, C., Becker, A., Hentschel, F. (2005), Der Zusammenhang zwischen Kunden-zufriedenheit und Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbin-dungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 93-124, S. 102.
427 Da in der neoklassischen Mikroökonomie lediglich die Institution Markt betrachtet wird und alle anderen Koordinationsformen als störend angesehen werden, kann in dieser Betrachtungs-perspektive der fundamentale Unterschied der beiden Theorien gesehen werden. Vgl. Jung, S. (1999), Das Management von Geschäftsbeziehungen: Ein Ansatz auf transaktionskosten-theoretischer, sozialpsychologischer und spieltheoretischer Basis, Wiesbaden, S. 8.
Unter dem Begriff der Institution verstehen die Vertreter der Neuen Institutionenlehre „ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantie-instrumente“. Richter, R. (1990), Sichtweise und Fragestellung der Neuen Institutionenökonomik, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (ZWS), 110, 4, S. 571-591, S. 572.
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interesse richtet sich dabei auf zwei grundlegende Fragestellungen.428 Zum einen interessiert, welche (alternativen) Institutionen bei welchen Arten von Koordinations-problemen des ökonomischen Austauschs die relativ geringsten Kosten und die größte Effizienz zur Folge haben. Zum anderen stellt sich die Frage, wie sich die Koordinationsprobleme auf die Kosten und die Effizienz von Austauschbeziehungen und auf die Gestaltung und den Wandel von Institutionen auswirken. Zentrale Annahmen hierbei sind, dass die Marktteilnehmer in ihrer Informationsaufnahme-fähigkeit und –verarbeitungskapazität begrenzt sind und opportunistisch handeln. Ferner wird in dieser Theorie von Verträgen ausgegangen, die auf Dauer angelegt sind.429 Im Folgenden sollen die wichtigsten Ansätze der Neuen Institutionenlehre kurz dargestellt werden.430
� Informationsökonomie
Die auf Marschak zurückgehende Informationsökonomie beschäftigt sich mit dem Problem unvollständiger Information und der daraus resultierenden Unsicherheit.431 Die Unsicherheit wird in der Informationsökonomik mit einer asymmetrischen Infor-mationsverteilung begründet, die auf einen transaktionsrelevanten Informations-vorsprung eines der Austauschpartner zurück geführt werden kann.432 Sie kann auf Märkten und unter den Marktteilnehmern sowohl auf Seiten der Anbieter als auch auf Seiten der Nachfrager existieren.433 Die Zielsetzung informationsökonomischer Über-legungen besteht in der Untersuchung der auf Informationsasymmetrie basierenden Unsicherheit und ihres Einflusses auf Marktstruktur, Marktprozess und Marktergebnis sowie der Ableitung präskriptiver Vorschläge zu ihrer Überwindung. Den Ausgangs-
428 Vgl. Wieland, J. (1997), Die Neue Organisationsökonomik: Entwicklung und Probleme der
Theoriebildung, in: Ortmann, G., Sydow, J., Türk, K. (Hrsg.): Theorien der Organisation: Die Rück-kehr der Gesellschaft, Opladen, S. 35-66, S. 40f.
429 Vgl. zu den Prämissen der Neuen Institutionslehre Hax, H. (1991), Theorie der Unternehmung - Information, Anreize und Vertragsgestaltung, in: Ordelheide, D., Rudolph, B., Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Stuttgart, S. 52-72, S. 52ff.
430 Ebenfalls zur Neuen Institutionenlehre ist der Ansatz der Property-Rights-Theorie zu zählen. Vgl. Kaas, K.P. (1992), Marketing und Neue Institutionenlehre, Frankfurt a.M., S. 3; Hax, H. (1991), Theorie der Unternehmung - Information, Anreize und Vertragsgestaltung, in: Ordelheide, D., Rudolph, B., Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Stutt-gart, S. 52-72, S. 55. Letzteren klammert Bruhn aus der Betrachtung von Kundenbeziehungen jedoch aus. Vgl. Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kunden-beziehungen, München, S. 22.
431 Vgl. Marschak, J. (1954), Towards an Economic Theory of Organization and Information, in: Thrall, R., Coombs, C., Davis, R. (Hrsg.): Decision Processes, New York, S. 187-220, S. 187ff.
432 Vgl. Jung, S. (1999), Das Management von Geschäftsbeziehungen: Ein Ansatz auf transaktions-kostentheoretischer, sozialpsychologischer und spieltheoretischer Basis, Wiesbaden, S. 9f.
433 Vgl. Kaas, K.P. (1995), Informationsökonomik, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.): Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Band 4, Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, S. 971-981, S. 974.
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punkt der Analyse von Unsicherheit auf Seiten der Nachfrager schaffen Nelson und Darby/Karni mit der Aufteilung des am Markt gehandelten Leistungsangebots in Güter mit Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften.434 Die drei Gütertypen können dabei wie folgt charakterisiert werden:435
� Sucheigenschaften können bereits vor Vertragsabschluss durch den die Leistung erwerbenden Beziehungspartner beurteilt werden.
� Die Evaluation von Erfahrungseigenschaften ist erst bei bzw. nach Inanspruchnahme der Leistung möglich.
� Vertrauenseigenschaften entziehen sich auch nach Inanspruchnahme einer Beurteilung.
Häufig liegt die Herstellung von Informationssymmetrie durch Informationsüber-tragung nicht im Interesse des jeweils im Vorteil befindlichen Marktteilnehmers, da sich aus einem Informationsvorsprung stets die Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten ergibt.436 Unabhängig davon, ob die Ursache des Informationstransfers in eigennützigen Motiven zur Schaffung von Informationsasymmetrie oder in der Reduktion von Informationsunsicherheit der weniger gut informierten Marktseite liegt, nennt die Informationsökonomie zwei prinzipielle Formen der Informationsüber-tragung. Das Signaling beschreibt die aktive Informationsübertragung der besser informierten Marktseite, das Screening hingegen beschreibt die aktive Informations-beschaffung der schlechter informierten Marktseite. So kann im ersten Fall der i.d.R. besser informierte Anbieter dem schlechter informierten Kunden gezielt den Nutzen des eigenen Angebotes kommunizieren, um ihn von den Vorteilen des Angebots zu überzeugen und eine Kaufreaktion auszulösen.437 Im zweiten Fall ist der Kunde aufgrund der Existenz von Informationsdefiziten motiviert, die Informationsasym-
434 Vgl. Nelson, P. (1970), Information and Consumer Behavior, in: Journal of Political Economy, 78,
2, S. 311-329, S. 311ff.; Nelson, P. (1974), Advertising as Information, in: Journal of Political Economy, 82, 4, S. 729-754, S. 729ff.; Darby, M., Karni, E. (1973), Free Competition and the Optimal Amount of Fraud, in: Journal of Law and Economics, 16, 1, S. 67-88, S. 67ff.
435 Vgl. hierzu unter anderem Weiber, R., Adler, J. (1995), Informationsökonomisch begründete Typologisierung von Kaufprozessen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 47, 1, S. 43-65, S. 54; Backhaus, K. (1992), Investitionsgüter-Marketing - Theorieloses Konzept mit Allgemeinheitsanspruch?, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 44, 3, S. 771-791, S. 784ff.; Kleinaltenkamp, M. (1992), Investitionsgüter-Marketing aus informationsökonomischer Sicht, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 44, 3, S. 809-829, S. 811ff.
436 Vgl. Spremann, K. (1990), Asymmetrische Information, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60, 5, S. 561-586, S. 565ff.
437 Vgl. Kaas, K.P. (1992), Marketing und Neue Institutionenlehre, Frankfurt a.M., S. 36f.
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metrien zu verringern, um z.B. die Wahrscheinlichkeit eines Fehlkaufs zu mini-mieren.438
Die Bedeutung der Informationsökonomie für die vorliegende Arbeit ergibt sich in dreifacher Hinsicht:
1. Das Kaufverhalten von Kunden und deren Loyalität wird durch das Ausmaß an Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften determiniert, das einer bestimmten Produktgruppe inhärent ist.
2. Dem Anbieter eröffnet sich durch Signaling die Chance, den Kunden durch gezielte Marktinformationssignale von den Vorteilen des eigenen Leistungs-angebots zu überzeugen, um das Unsicherheitsempfinden der Kunden abzubauen und damit ihre Loyalität zu beeinflussen.
3. Der Kunde hat durch Screening die Möglichkeit, Informationsdefizite und Unsicherheit abzubauen und dadurch seine Zufriedenheit mit Konsumprozessen zu erhöhen, was sich wiederum in Loyalität gegenüber dem Anbieter niederschlägt.
� Principal-Agent-Theorie
Ähnlich wie auch die Informationsökonomie befasst sich die Principal-Agent-
Theorie mit der Unsicherheit und den Informationsasymmetrien im Rahmen von sozio-ökonomischen Beziehungen.439 Innerhalb dieser Beziehung wird der Beziehungspartner, der stärker von der anderen Partei abhängig ist, als Principal (Auftraggeber) bezeichnet, während der andere Beziehungspartner den Agenten (Auftragnehmer) darstellt.440 Eine Unterscheidung zwischen Principal und Agent ist in der Praxis jedoch häufig nicht möglich, da jeder Austauschpartner hinsichtlich be-stimmter Leistungsdimensionen gegenüber dem jeweils anderen mit Informations-asymmetrien zu seinen Nachteilen konfrontiert ist. Im Kontext von Kundenbe-
438 Vgl. Adler, J. (1994), Informationsökonomische Fundierung von Austauschprozessen im Marke-
ting, in: Weiber, R. (Hrsg.): Arbeitspapier zur Marketingtheorie, Nr. 3, Trier, S. 63f. 439 Vgl. Kaas, K.P. (1992), Kontraktgütermarketing als Kooperation zwischen Prinzipalen und Agen-
ten, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 44, 10, S. 884-901, S. 884ff.; Picot, A. (1989), Zur Bedeutung allgemeiner Theorieansätze für die betriebswirtschaftliche Information und Kommunikation. Der Beitrag der Transaktionskosten- und Principal-Agent-Theorie, in: Kirsch, W., Picot, A. (Hrsg.): Die Betriebswirtschaftslehre im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Spezialisierung, Wiesbaden, S. 361-379, S. 361ff.; Spremann, K. (1988), Reputation, Garantie, Information, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 58, 5/6, S. 561-586, S. 561ff..
440 Vgl. Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 95.
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ziehungen sind die Kunden meist keine Experten in Bezug auf die in Anspruch genommenen Leistungen der Anbieter und die Anbieter meist keine Experten in Bezug auf sämtliche Kundenmerkmale. Angesichts eines unterschiedlichen Nutzens der bei den Austauschpartnern vorhandenen Information kann es vorkommen, dass der Agent selbst besser informiert ist als der Prinzipal und sich opportunistisch gegenüber diesem verhält.441 Die Strukturierung und Kennzeichnung verschiedener Arten von Unsicherheit stellen einen Analyseschwerpunkt der Principal-Agent-Theorie dar. Aufbauend auf einer grundsätzlichen Unterscheidung, ob Informations-asymmetrien vor oder nach Abschluss des Kaufvertrags vorliegen, werden drei Ausprägungen von Unsicherheit herausgestellt:442
1. „Hidden Characteristics“, d.h. der Agent kann bestimmte Leistungsmerkmale vor dem Principal verheimlichen.
2. „Hidden Action“, d.h. der Agent kann bewusst Aktivitäten ausüben, die der Principal nicht beobachten kann.
3. „Hidden Intentions“, d.h. der Agent kann den Principal über seine wahren Beweggründe vor Vertragsabschluss im Unklaren lassen und diese erst nach Abschluss offenbaren.
Bei langfristigen Kundenbeziehungen, wie sie in dieser Arbeit thematisiert werden, sollten jedoch Hidden Characteristics, Hidden Action und Hidden Intentions nicht auftreten, da opportunistische Verhaltensweisen des Agenten nicht zielführend sind.443 Somit liegt es im Interesse beider Austauschpartner, Informations-asymmetrien abzubauen.444
Aus diesen Ausführungen über die Principal-Agent-Theorie ergeben sich zwei wichtige Erkenntnisse für die vorliegende Arbeit:
441 Vgl. Kaas, K.P. (1992), Kontraktgütermarketing als Kooperation zwischen Prinzipalen und Agen-
ten, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 44, 10, S. 884-901, S. 888. 442 Vgl. Spremann, K. (1990), Asymmetrische Information, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60, 5,
S. 561-586, S. 567. 443 Grund begründet dies damit, dass eine wegen negativer Verhaltensweisen verursachte Be-
ziehungsbeendigung mit einem Nutzenverlust für beide Austauschpartner einhergeht. Vgl. Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 98.
444 Die damit einhergehenden Kosten setzen sich aus Überwachungs- und Kontrollkosten auf Seiten des Principals, Vertragskosten auf Seiten des Agenten sowie einem Residualverlust zusammen. Vgl. Jensen, M.C., Meckling, W.H. (1976), Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, 3, 4, S. 305-360, S. 308.
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1. Bei der Betrachtung der Kundenbindung wird sowohl die Anbieter- als auch die Kundenperspektive berücksichtigt, da beide Seiten von Informationsasym-metrien betroffen sein können.
2. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung und Stabilisierung von Kundenbeziehungen ist die Vermeidung von Informationsasymmetrien.
� Transaktionskostentheorie
Die Transaktionskostentheorie als abschließend betrachteter Erklärungsansatz der Neuen Institutionenlehre findet ihren Ursprung in den Arbeiten von Commons und Coase und den entsprechenden Weiterentwicklungen insbesondere von Williamson.445 Der Ansatz ergründet die mit der Koordination einer Geschäfts-beziehung verbundenen Kosten, d.h. die sog. Transaktionskosten, die sich aus den Kosten für Anbahnung, Abwicklung, Kontrolle, Anpassung und Auflösung von Verträgen zusammensetzen.446 Diese resultieren daraus, dass sich die Transaktions-partner vor befürchtetem opportunistischen Verhalten des jeweils anderen Transaktionspartners schützen wollen.447 Nach dem Transaktionskostenansatz ist somit diejenige Koordinationsform zu wählen, in der die anfallenden Transaktions-kosten minimiert werden.448 Nach Williamson werden die Transaktionskosten durch die zwei Kontingenzfaktoren determiniert. Zum einen ist dies die Spezifität der Transaktion (asset specifity), zum anderen die mit einer Transaktion verbundene Unsicherheit (uncertainty).449 Eine Zunahme der Spezifität führt demzufolge zu einer Senkung der Produktionskosten bei gleichzeitiger Erhöhung der Abhängigkeit der Vertragspartner.450 Eine Erhöhung der Unsicherheit hingegen vergrößert generell die Transaktionskosten. Bei der Abwicklung von Transaktionen wird zwischen Markt
445 Vgl. Commons, J.R. (1931), Institutional Economics, in: American Economic Review, 21, 4, S.
648-657; Coase, R.H. (1937), The Nature of the Firm, in: Economica, 4, 4, S. 386-405; Williamson, O.E. (1975), Markets and Hierarchies. Analysis and Antitrust Implications, New York/London.
446 Vgl. Picot, A., Dietl, H. (1990), Transaktionskostentheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19, 4, S. 178-184, S. 178; Picot, A. (1982), Transaktionskostenansatz in der Organisa-tionstheorie: Stand der Diskussion und Aussagewert, in: Die Betriebswirtschaft, 42, 2, S. 267-284, S. 270.
447 Vgl. Vogt, J. (1997), Vertrauen und Kontrolle in Transaktionen: Eine Institutionenökonomische Analyse, Wiesbaden, S. 20.
448 Vgl. Jung, S. (1999), Das Management von Geschäftsbeziehungen: Ein Ansatz auf transaktions-kostentheoretischer, sozialpsychologischer und spieltheoretischer Basis, Wiesbaden, S. 14; Williamson, O.E. (1981), The Economics of Organization: The Transaction Cost Approach, in: American Journal of of Sociology, 87, 3, S. 548-577, S. 548f.
449 Vgl. Williamson, O.E. (1985), The Economic Institutions of Capitalism: Firms, Markets, Relational Contracting, New York, S. 52ff.
450 Vgl. Kaas, K.P. (1992), Marketing und Neue Institutionenlehre, Frankfurt a.M., S. 22.
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(Konfrontation), Hierarchie (vertikale Integration) sowie Geschäftsbeziehung (Kooperation) als mögliche Koordinationsformen unterschieden, wobei lediglich die Kooperation im Kontext von Anbieter-Kunde-Beziehungen besondere Relevanz er-fährt.451
Bezogen auf das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit liefert die Trans-aktionskostentheorie insbesondere zwei Aussagen:
1. Ihren Ausdruck kann die Kooperation z.B. in der Kundenloyalität finden. Kunden mit hoher Zufriedenheit können i.d.R. auf eine entsprechende Wissens- und Erfahrungsbasis bzgl. Marktsituationen zurückgreifen. Dadurch können sowohl die Unsicherheit als auch die Transaktionskosten gesenkt werden. Die hohe Effizienz der Entscheidungen von zufriedenen Kunden bestärkt diese darin, sich einem Anbieter gegenüber loyal zu verhalten.
2. Eine starke Anbieter-Kunde-Beziehung kann zur Reduktion von Transaktions-kosten führen. Je stärker die wechselseitigen Beziehungen sind, desto größer ist die Spezifität der Transaktion. Dies resultiert in einer Senkung der Trans-aktionskosten und letztlich in Loyalität des Kunden.
5.2.2 Verhaltenswissenschaftliche Theorien
Im Folgenden werden die Equity-, die Lern- und die Risikotheorie als ausgewählte verhaltenstheoretische Erklärungsansätze diskutiert, da diese Theorien in der Marke-tingwissenschaft zur Erklärung loyalen Kaufverhaltens bereits Anwendung gefunden haben. Gemein ist diesen Theorien, dass der Zusammenhang zwischen Kundenzu-friedenheit und Kundenloyalität mit der psychologischen Motivation und den kognitiven Entscheidungsprozessen der Kunden erklärt wird.452 Die Zufriedenheit wird dabei als wesentliche Determinante des loyalen Verhaltens herausgestellt.
� Equity-Theorie
Die theoretische Fundierung der Auswirkung von Kundenzufriedenheit auf das Verhalten kann mit Hilfe der Equity-Theorie von Adams erfolgen, welche sich mit der Gerechtigkeit von Austauschbeziehungen beschäftigt.453 Basisannahme der
451 Vgl. Bruhn, M. (2001), Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen,
München, S. 27; Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusam-menhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 93.
452 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 54.
453 Vgl. Adams, J.S. (1965), Inequity in social exchange, in: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in experimental social psychology, New York, S. 267-299, S. 267ff.; Adams, J.S. (1963), Toward an
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
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Equity-Theorie ist, dass Individuen dazu neigen, erhaltene Erträge („Outcomes“) und erbrachte Aufwendungen („Inputs“) mit dem Input-Outcome-Verhältnis anderer Individuen zu vergleichen. Während Inputs Dinge wie den persönlichen Einsatz und die Informationssuche in Bezug auf ein Objekt oder eine Person beinhalten, mani-festieren sich Outcomes im Wesentlichen in Zufriedenheit, persönlicher Unter-stützung und Vergütung der Leistungen.454
Ein gleichgewichtiger Ertrag („Equity“) innerhalb einer sozialen Austauschbeziehung liegt dann vor, wenn das Input-Outcome-Verhältnis einer Person nicht von dem Input-Outcome-Verhältnis der Vergleichsperson abweicht.455 Ungerechtigkeit oder Ungleichheit („Inequity“) wird hingegen empfunden, wenn die wahrgenommenen Input-Outcome-Verhältnisse zweier Austauschpartner voneinander abweichen.456 Da somit im Rahmen der Equity-Theorie nicht nur bei eigener Benachteiligung, sondern auch bei Begünstigung Ungerechtigkeit empfunden werden kann, widerspricht diese dem in der klassischen Mikroökonomie unterstellten Prinzip der individuellen Nutzen-maximierung.457
Empfindet ein Individuum innere Spannungen aufgrund von Ungerechtigkeit, entsteht bei der Person eine Tendenz zur Verringerung oder Beseitigung dieser Span-nungen.458 Dies kann nach Adams auf vier unterschiedliche Weisen erfolgen:459
1. durch eine kognitive Umbewertung, d.h. eine Einstellungsänderung in Bezug auf den eigenen Input vs. Outcome bzw. den Input vs. Outcome des Vergleichspartners
2. durch Beeinflussung des Austauschpartners, d.h. Einfordern eines höheren Outcome oder Androhung der Beendigung der Austauschbeziehung gegen-über dem Austauschpartner
understanding of inequity, in: Journal of Abnormal and Social Psychology, 67, S. 422-436, S. 422ff.
454 Vgl. Adams, J.S. (1965), Inequity in social exchange, in: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in experimental social psychology, New York, S. 267-299, S. 278ff.
455 Vgl. Homans, G.C. (1968), Elementarformen sozialen Verhaltens, Köln, S. 30. 456 Vgl. Adams, J.S. (1965), Inequity in social exchange, in: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in
experimental social psychology, New York, S. 267-299, S. 280; Adams, J.S. (1963), Toward an understanding of inequity, in: Journal of Abnormal and Social Psychology, 67, S. 422-436, S. 424.
457 Vgl. Homburg, C., Krohmer, H. (2006), Marketingmanagement: Strategie - Instrumente - Umset-zung - Unternehmensführung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 123f.
458 Vgl. Austin, W., Walster, E. (1975), Equity with the World: The Transrelational Effects of Equity and Inequity, in: Sociometry, 38, 4, S. 474-496, S. 475.
459 Vgl. Adams, J.S. (1965), Inequity in social exchange, in: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in experimental social psychology, New York, S. 267-299, S. 270.
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3. Veränderung des Input oder Outcome, d.h. Reduzierung oder Steigerung des eigenen Einsatzes bzw. Forderung einer Erhöhung oder Senkung der Gegen-leistung
4. durch Kündigung der Austauschbeziehung oder zeitweisen Boykott
Zur Beurteilung der Gerechtigkeit kann ein Kunde grundsätzlich auf zwei Arten von Vergleichsstandards zurückgreifen:460 Auf der einen Seite kann er die Input-Outcome-Relation im Rahmen der Austauschbeziehung mit dem Anbieter heran-ziehen. Auf der anderen Seite kann er die Input-Outcome-Relation anderer Kunden desselben Anbieters als Vergleichsstandard verwenden.461 Wird die Equity-Theorie auf das Austauschverhältnis eines Kunden mit einem Anbieter angewendet, so ist eine Auswirkung der Kundenzufriedenheit auf das Verhalten zu erwarten. Da bei der Zufriedenheitsbildung die einzelnen Zufriedenheitsdeterminanten entsprechend ihrer Bedeutung für das Individuum in das Gesamturteil einfließen, stellt die Gesamtzufrie-denheit den Outcome des Kunden dar und damit gleichzeitig den Input, den der Anbieter aus Kundensicht leistet. Das Verhalten des Kunden gegenüber dem Unter-nehmen stellt hingegen den Input des Kunden und Outcome des Unternehmens aus dem Austauschverhältnis dar.
Ungerechtigkeit würde somit dann vorliegen, wenn die Zufriedenheit des Kunden relativ gering ist, dieser jedoch einen hohen Preis zum Erhalt der Leistung erbracht hat. Ferner kann auch eine Begünstigung des Kunden in Ungerechtigkeit resultieren. Dies ist der Fall, wenn der Kunde sehr zufrieden mit einer Leistung ist, für diese jedoch einen äußerst geringen Preis entrichtet hat.
Der enge Bezug der Equity-Theorie zu dem Untersuchungsgegenstand der vorlie-genden Arbeit ist offensichtlich. Liegt Equity vor, besteht zwischen der Zufriedenheit eines Kunden und dessen Verhaltensweisen gegenüber dem Unternehmen ein Gleichgewicht. Im Falle hoher Kundenzufriedenheit ist somit nach der Equity-Theorie ein positives Kundenverhalten gegenüber dem Anbieter zu erwarten, im Falle geringer Kundenzufriedenheit eher ein negatives Verhalten. Die Equity-Theorie liefert
460 Vgl. Adams, J.S. (1963), Toward an understanding of inequity, in: Journal of Abnormal and Social
Psychology, 67, S. 422-436, S. 437. 461 Unter dem Input des Kunden werden dabei nach Fisk/Young neben dem Kaufpreis Aufwendungen
wie Kosten der Informationssuche, Wartezeiten und Anfahrtskosten subsummiert. Vgl. Fisk, R.P., Young, C.E. (1985), Disconfirmation of equity expectations: Effects on consumer satisfaction with services, in: Advances in Consumer Research, 12, 1, S. 340-345, S. 342.
Der Outcome des Kunden ist im Wesentlichen seine Zufriedenheit. Vgl. Oliver, R.L., Swan, J.E. (1989), Equity and Disconfirmation Perceptions as Influences on Merchant and Product Satisfaction, in: Journal of Consumer Research, 16, 3, S. 372-383, S. 376.
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insbesondere eine Erklärung dafür, warum zufriedenere Kunden eine höhere Zahlungsbereitschaft und damit verbunden einen höheren Kundenwert aufweisen.
� Lerntheorie
Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit der menschlichen Lernprozesse liegt in der Literatur mittlerweile ein ganzes Spektrum an Lerntheorien vor. Dabei wird Lernen in einer sehr breiten Definition als Prozess des Erlangens von Erfahrungen verstanden, der mit einer langfristigen Veränderung des Wissens, der Einstellung bzw. der Verhaltensweisen verbunden ist.462
Nach Sheth/Mittal/Newman kann grundsätzlich zwischen vier Arten des Lernens unterschieden werden:463
1. klassisches Konditionieren
2. instrumentelles Konditionieren
3. kognitives Lernen
4. Modelllernen
Klassisches Konditionieren basiert auf der Erkenntnis, dass unkonditionierte Reize, die zu einer bestimmten Reaktion führen, durch neue, konditionierte Reize ersetzt werden können, welche die gleiche oder eine sehr ähnliche Reaktion auslösen.464 Dies bedeutet beispielsweise, dass Individuen mit bestimmten Ereignissen (z.B. einer Melodie) automatisch andere Bezugsobjekte (z.B. ein Produkt) assoziieren, obwohl diese zu dem jeweiligen Zeitpunkt nicht präsent sind. Da die klassische Konditionierung nicht nach dem Einfluss von Umweltreaktionen auf die ursprünglichen Auslöser menschlichen Verhaltens und die dadurch bewirkten Umweltreaktionen fragt (Rückkopplungseffekt), ist sie im Rahmen der vorliegenden
462 Vgl. Hanna, N., Wozniak, R. (2001), Consumer Behavior, An Applied Approach, New York,
S. 137; Blackwell, R.D., Miniard, P.W., Engel, J.F. (2001), Consumer Behavior, 9. Aufl., Fort Worth, S. 426.
463 Vgl. Sheth, J., Mittal, B., Newman, B. (1999), Customer Behavior: Consumer Behavior and Beyond, Orlando, S. 310.
Dabei repräsentieren die vier Arten des Lernens jeweils unterschiedliche Auffassungen bei der Er-klärung dessen, wie Individuen bestimmte Verhaltensweisen erlernen.
464 Vgl. Krech, D., Benesch, H. (1992), Grundlagen der Psychologie, Weinheim, S. 15; Sheth, J., Mittal, B., Newman, B. (1999), Customer Behavior: Consumer Behavior and Beyond, Orlando, S. 311.
125
Arbeit von untergeordneter Bedeutung. An dem Ansatz wird ferner vielfach kritisiert, dass individuelle Unterschiede von Person zu Person unberücksichtigt bleiben.465
Dagegen ist eine andere Form der Konditionierung für den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität von größerer Bedeutung: das instrumen-
telle bzw. operante Konditionieren, welches in der englischsprachigen Literatur als „Instrumental Learning“ oder „Operant Conditioning“ bezeichnet wird.466
Im Vergleich zum klassischen Konditionieren beschäftigt sich das instrumentelle Konditionieren mit Auslösern bzw. Reizen, die durch Umweltreaktionen auf das eigene Verhalten (bereits konditioniert) erzeugt werden.467 Die Theorie des instrumentellen Konditionierens unterscheidet dabei zwischen positiver und negativer Verhaltensverstärkung.468 Sie basiert auf der Annahme, dass die Konsequenzen von vergangenem Verhalten eine verstärkende Wirkung für das künftige Verhalten einer Person haben.469 Positive Verhaltensverstärker wirken im Sinne von individuell wahrgenommener Belohnung und führen dazu, dass ein bestimmtes Verhalten wiederholt wird. Negative Verhaltensverstärker wirken hingegen im Sinne von individuell wahrgenommener Bestrafung und führen dazu, dass ein bestimmtes Verhalten nicht wiederholt wird.
Der enge Zusammenhang zwischen der Theorie des instrumentellen Konditionierens und dem Forschungsgegenstand dieser Arbeit ist offensichtlich: Ist ein Kunde mit den Konsequenzen seiner Entscheidung zufrieden, wird er darin bestärkt, sich in zu-künftigen Situationen ähnlich zu verhalten (positive Verhaltensverstärkung). Erfährt ein Kunde diese positive Verhaltensverstärkung in einem Austauschverhältnis mit einem Anbieter regelmäßig, wird er an den entsprechenden Anbieter gebunden.470
465 Vgl. Sheth, J., Mittal, B., Newman, B. (1999), Customer Behavior: Consumer Behavior and
Beyond, Orlando, S. 311. 466 Vgl. Foxall, G.R. (1986), The Role of Radical Bahaviorism in the Explanation of Consumer
Choice, in: Advances in Consumer Research, 13, 1, S. 187-191; Peter, J.P., Nord, W.R. (1982), A Clarification and Extension of Operant Conditioning Principles in Marketing, in: Journal of Marketing, 46, 3, S. 102-107; Rothschild, M.L., Gaidis, W.C. (1981), Behavioral Learning Theory: Its Relevance to Marketing and Promotions, in: Journal of Marketing, 45, 2, S. 70-78; Nord, W.R., Peter, J.P. (1980), A Behavior Modification Perspective on Marketing, in: Journal of Marketing, 44, 2, S. 36-47.
467 Vgl. Peter, P.J., Olson, J. (1994), Consumer Behavior and Marketing Strategy, New York, S. 302ff.
468 Vgl. Wilkie, W.L. (1994), Consumer Behavior, 3. Aufl., New York, S. 270. 469 Vgl. Hanna, N., Wozniak, R. (2001), Consumer Behavior, An Applied Approach, New York,
S. 142. 470 Vgl. Assael, H. (1992), Consumer Behavior and Marketing Action, Boston, S. 72.
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Sowohl bei der Theorie des klassischen Konditionierens als auch bei der Theorie des instrumentellen Konditionierens wird unterstellt, dass gewissen äußeren Reizen ein bestimmtes Verhalten folgt. Kognitive Prozesse, wie sie im Rahmen des S-O-R-Schemas abgebildet werden, bleiben somit weitgehend unberücksichtigt.471 Hanna/ Wozniak merken in diesem Zusammenhang an, dass „in conditioning models, learners do not think; they simply behave“472.
Eine Berücksichtigung der individuell stattfindenden kognitiven Prozesse, wie Wahr-nehmungen, Denkprozesse und Ursachenzuschreibungen erfolgt im Rahmen der Theorie des kognitiven Lernens und der Theorie des Modelllernens, die im Folgen-den vorgestellt werden.
Bei der Theorie des kognitiven Lernens stehen Erklärungsansätze im Vorder-grund, die den Fokus auf die Funktionen des Gedächtnisses (Kurz- und Langzeitge-dächtnis) richten.473 Lernen als ein Aufbau von Wissensstrukturen umfasst dabei neben der Aufnahme von Reizen, deren Kodierung und Speicherung den Abruf der gespeicherten Einheiten aus dem Gedächtnis.474 Ansätze des kognitiven Lernens konzentrieren sich somit nahezu ausschließlich auf Kognitionen, wie z.B. Gedanken, Erfahrungen und Kenntnisse eines Individuums. Da Verhaltensweisen und deren Einflussgrößen dabei weitgehend unberücksichtigt bleiben, ist das kognitive Lernen als Erklärungsansatz für die vorliegende Arbeit von untergeordneter Bedeutung.475
Eine simultane Berücksichtigung der kognitiven und der behavioristischen Aspekte erfolgt im Rahmen der Sozialen Lerntheorie, die auch als Theorie des Modell-
lernens bezeichnet wird.476 Die Grundannahme hierbei lautet, dass Einstellungen
471 Vgl. zum S-O-R-Schema im Handelskontext Donovan, R.J., Rossiter, J.R. (1982), Store
Atmosphere: An Evironmental Psychology Approach, in: Journal of Retailing, 58, 1, S. 31-57, S. 31ff. und Gröppel, A. (1991), Erlebnisstrategien im Einzelhandel, Heidelberg, S. 125ff.
472 Vgl. Hanna, N., Wozniak, R. (2001), Consumer Behavior, An Applied Approach, New York, S. 142.
473 Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S.333ff.; Sheth, J., Mittal, B., Newman, B. (1999), Customer Behavior: Consumer Behavior and Beyond, Orlando, S. 312.
474 Vgl. Lindsay, P.H., Norman, D.A. (1981), Einführung in die Psychologie: Informationsaufnahme und -verarbeitung beim Menschen, Berlin u.a., S. 379.
475 Übertragen auf das S-O-R-Schema liegt der Fokus der Betrachtungen auf Prozessen, die im Or-ganismus einer Person ablaufen. Verhaltensweisen und somit die R-Komponente bleiben weit-gehend unberücksichtigt.
476 Vgl. unter anderem Peteraf, M., Shanley, M. (1997), Getting to Know You: A Theory of Strategic Group Identity, in: Strategic Management Journal, 18, Special Issue, S. 165-186; Fulk, J. (1993), Social Construction of Communications Technology, in: Academy of Management Journal, 36, 5, S. 921-950; Bandura, A. (1986), Social Foundations of Thought and Action, Englewood Cliffs; Bandura, A. (1977), Social Learning Theory, Englewood Cliffs; Bandura, A., Ross, D., Ross, S. (1976), Statusneid, soziale Macht und sekundäre Verstärkung: Eine vergleichende Untersuchung
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
127
und Verhaltensweisen durch Beobachtung anderer Personen (d.h. von einem Mo-dell) erlernt werden können.477 Als Modelle kommen insbesondere die folgenden vier Personentypen in Frage:478
1. aufgrund des Alters überlegene Personen (z.B. ältere Geschwister, Freunde)
2. aufgrund des Status höher stehende Personen (z.B. Vorgesetzte, Angehörige bestimmter Berufsgruppen)
3. als außerordentlich intelligent wahrgenommene Personen (z.B. Preisträger, renommierte Wissenschaftler)
4. berühmte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (z.B. Sportler, Künstler).
Nach Luthans/Kreitner können Personen dabei Einstellungen und Verhaltensweisen von anderen Personen auf zwei unterschiedliche Weisen erlernen.479 Entweder erlernt die Person neue Einstellungen bzw. Verhaltensweisen durch Nachahmung, d.h. Lernen durch Imitation, oder sie erlernt neue Einstellungen bzw. Verhaltensweisen durch das Beobachten von positiven Konsequenzen bzw. negativen Konsequenzen, die aus dem Handeln einer Referenzperson resultieren, d.h. Lernen aus den Konsequenzen des Verhaltens anderer.
Die Theorie des Modelllernens liefert einen wichtigen Beitrag für die Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Zum einen kann Loyalität zu einem Anbieter als Konsequenz der Kundenzufriedenheit durch Imitation einer Referenzperson erlernt werden, zum anderen kann Loyalität durch positive Konsequenzen, die aus dem Handeln einer Referenzperson resultieren, erlernt werden. Je kontinuierlicher dabei die lernende Person das positive Ergebnis erfährt, desto mehr wird sie sich als Kunde dem Anbieter gegenüber loyal verhalten.
von Theorien des Identifikationslernens, in: Bandura, A. (Hrsg.): Lernen am Modell: Ansätze zu einer sozial-kognitiven Lerntheorie, Stuttgart.
477 Vgl. Bandura, A., Ross, D., Ross, S. (1976), Statusneid, soziale Macht und sekundäre Ver-stärkung: Eine vergleichende Untersuchung von Theorien des Identifikationslernens, in: Bandura, A. (Hrsg.): Lernen am Modell: Ansätze zu einer sozial-kognitiven Lerntheorie, Stuttgart, S. 75.
478 Vgl. Sheth, J., Mittal, B., Newman, B. (1999), Customer Behavior: Consumer Behavior and Beyond, Orlando, S. 315.
479 Vgl. Luthans, F., Kreitner, R. (1985), Organizational Behavior Modification and Beyond: An Operant and Social Learning Approach, 2. Aufl., London, S. 113.
128
� Risikotheorie
Die Risikotheorie besagt, dass das Kaufverhalten von Kunden wesentlich durch Versuche zur Reduzierung des subjektiv wahrgenommenen Risikos bestimmt wird.480 Das wahrgenommene Risiko ergibt sich hierbei aus der Bedeutsamkeit negativer Konsequenzen einer möglichen Fehlentscheidung und der Wahrscheinlich-keit des Auftretens dieser Negativfolgen.481 In der Literatur werden fünf Arten von
Risiken unterschieden, die ein Kunde in einer konkreten Kaufsituation wahrnehmen kann:482
1. funktionelles Risiko hinsichtlich der Eigenschaften oder der Funktionsfähigkeit einer Leistung
2. finanzielles Risiko hinsichtlich einer Fehlinvestition
3. physisches Risiko im Sinne einer Gefährdung der eigenen körperlichen Sicherheit
4. soziales Risiko im Hinblick einer Schädigung der eigenen sozialen Stellung
5. psychologisches Risiko im Sinne einer unbefriedigenden Identifikation mit der Leistung
Übersteigt das subjektiv wahrgenommene Risiko die individuelle Toleranzschwelle einer Person, so ist diese bemüht, risikoreduzierende Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Suche nach zusätzlichen Informationen, um das Risiko auf ein für sie akzeptables Niveau zu reduzieren.483
Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Risikotheorie als Erklärungsansatz der Kundenloyalität Folgendes festhalten: Da ein Kunde stets bemüht sein wird, das von ihm wahrgenommene Risiko einer potenziellen Unzufriedenheit so gering wie mög- 480 Vgl. Bauer, R. (1960), Consumer Behavior as Risk-Taking, in: Hancock, R. (Hrsg.): Proceedings
of the 43th Conference of the American Marketing Association, Chicago, S. 389-398, S. 389ff.; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003), Konsumentenverhalten, 8., akt. u. ergänzte Aufl., München, S. 251ff.
Das subjektiv wahrgenommene Risiko wird hierbei definiert als „… the extent to which the consumer is uncertain about the consequences of an action (buying a product or service)“. Hoyer, W.D., MacInnis, D.J. (2000), Consumer Behaviour, 2. Aufl., Boston, S. 45.
481 Vgl. Peter, P.J., Olson, J. (1994), Consumer Behavior and Marketing Strategy, New York, S. 87. 482 Vgl. Stone, R.N., Mason, J.B. (1995), Attitude and Risk: Exploring the Relationship, in:
Psychology & Marketing, 12, 2, S. 135-153, S. 144f.; Kusterer, A., Diller, H. (1992), Kaufrisiko, in: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes Marketinglexikon, München, S. 523-524, S. 524.
483 Vgl. Blackwell, R.D., Miniard, P.W., Engel, J.F. (2001), Consumer Behavior, 9. Aufl., Fort Worth, S. 254.
129
lich zu halten, kann davon ausgegangen werden, dass mit erhöhter Zufriedenheit des Kunden auch eine erhöhte Loyalität einhergeht.484
5.2.3 Fazit zur theoretischen Fundierung der Zusammenhänge der Konstrukte
Die vorangegangenen Abschnitte dienten der Diskussion verschiedener theoretischer Sichtweisen, die auf unterschiedliche Weise einen Beitrag zur theoretischen Durchdringung des Untersuchungsgegenstands dieser Arbeit leisten. Zu unterscheiden sind die Argumentationsweisen in den beiden ausgewählten Theorien. Im Rahmen der Theorie der Neuen Institutionenlehre wurden die Informationsökonomie, der Principal-Agent-Ansatz und die Transaktions-kostentheorie untersucht. Bei den verhaltenswissenschaftlichen Theorien wurden die Equity-Theorie, die Lerntheorie und die Risikotheorie untersucht.
Als Ergebnis wurde gezeigt, dass grundsätzlich ein positiver Zusammenhang
zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert angenommen werden kann. Neben der Existenz positiver Zusammenhänge erlauben die darge-stellten Theorien zudem Rückschlüsse auf weitere die Konstrukte definierende Determinanten und die Zusammenhänge moderierenden Einflussgrößen, deren Untersuchung jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist.
6. Entwicklung eines Untersuchungsmodells zur Kundenbindung im
Einzelhandel
Aufbauend auf der theoretisch-konzeptionellen Analyse lassen sich die folgenden zu prüfenden Hypothesen ableiten.
Mittels einer systematischen und umfassenden Ableitung von Determinanten der Kundenzufriedenheit wird zunächst postuliert, dass diese zu einem großen Teil die Zufriedenheitsbildung im Textilfacheinzelhandel erklären.485 Die erste Unter-suchungshypothese lässt sich somit wie folgt formulieren:
H1Die identifizierten Zufriedenheitsdeterminanten tragen zu mindestens 40% zur Erklärung der Gesamtzufriedenheit bei.
Basierend auf dieser Untersuchungshypothese soll der Einfluss der einzelnen
Zufriedenheitsdeterminanten auf die Gesamtzufriedenheit anhand der folgenden Hypothesen untersucht werden.
484 Vgl. Hentschel, B. (1991), Beziehungsmarketing, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 20,
1, S. 25-28, S. 25. 485 Vgl. zur Höhe der Erklärung der Gesamtzufriedenheit die Ausführungen in Kap. C.1.2
130
H2Die Gesamtzufriedenheit wird durch die Zufriedenheitsdeterminante „Preise“ signifikant positiv beeinflusst.
H3Die Gesamtzufriedenheit wird durch die Zufriedenheitsdeterminante „Ansprechpartner“ signifikant positiv beeinflusst.
H4Die Gesamtzufriedenheit wird durch die Zufriedenheitsdeterminante „Kundenkarte“ signifikant positiv beeinflusst.
H5Die Gesamtzufriedenheit wird durch die Zufriedenheitsdeterminante „Sortiment“ signifikant positiv beeinflusst.
H6Die Gesamtzufriedenheit wird durch die Zufriedenheitsdeterminante „Verkaufsraum“ signifikant positiv beeinflusst.
In Bezug auf die Wirkung der Gesamtzufriedenheit wird die loyale Einstellung des Kunden in den Fokus der Betrachtung gestellt. In diesem Zusammenhang wurden zwei Komponenten der Einstellungsloyalität herausgearbeitet, anhand derer die Wirkung der Gesamtzufriedenheit in der vorliegenden Arbeit erfasst werden soll. Hierzu lässt sich Untersuchungshypothese H7 und H8 wie folgt formulieren:
H7Die Weiterempfehlungsabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter wird durch die Gesamtzufriedenheit signifikant positiv beeinflusst.
H8Die Wiederkaufabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter wird durch die Gesamtzufriedenheit signifikant positiv beeinflusst.
Der vermutete positive Zusammenhang zwischen der loyalen Einstellung und dem loyalen Verhalten wird anhand der Hypothesen H9 und H10 überprüft.
H9Der Share-of-Wallet wird durch die Weiterempfehlungsabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter signifikant positiv beeinflusst.
H10Der Share-of-Wallet wird durch die Wiederkaufabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter signifikant positiv beeinflusst.
Abschließend wird mit den Untersuchungshypothesen H11 bis H13 formuliert, in wie weit die loyale Einstellung bzw. das loyale Verhalten des Kunden auch zu einer erhöhten Profitabilität führt. Die in der empirischen Analyse diesbezüglich zu über-prüfenden Untersuchungshypothesen lassen sich wie folgt formulieren:
H11Die Profitabilität wird durch die Weiterempfehlungsabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter signifikant positiv beeinflusst.
H12Die Profitabilität wird durch die Wiederkaufabsicht des Kunden gegenüber dem Anbieter signifikant positiv beeinflusst.
H13 Die Profitabilität wird durch den Share-of-Wallet signifikant positiv beeinflusst.
131
Der in Abb. 15 dargestellte, empirisch zu überprüfende Bezugsrahmen zur Kunden-bindung im Einzelhandel dient als Übersicht und stellt zusammenfassend die Be-ziehungen zwischen den Konstrukten dar. Innerhalb dieses Bezugsrahmens sind die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen über die Zusammenhänge der Konstrukte der Kundenbindung zu belegen.
132
Abbildung 15: Bezugsrahmen der Arbeit
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3
133
C. Empirische Analyse zur Kundenbindung im Einzelhandel
1. Design und Methodik der Untersuchung
Im nachfolgend beschriebenen Untersuchungsschritt sollen die theoretisch hergelei-teten zentralen Untersuchungshypothesen der Arbeit auf ihre empirische Haltbarkeit hin überprüft werden. Dazu werden zunächst die Datengrundlage und ihre Erhebungsform sowie die zur Datenanalyse herangezogenen statistischen Methoden näher vorgestellt. Anschließend wird das Vorgehen der empirischen Analyse dargestellt.
1.1 Datenerhebung und Datenbasis
Zur empirischen Überprüfung des Bezugsrahmens der Untersuchung wurde im August 2005 eine schriftliche Befragung von Kunden eines Bekleidungsfachge-schäftes durchgeführt. Zielgruppe und somit Grundgesamtheit der Erhebung waren alle Kunden, die über eine Kundenkarte des Anbieters verfügen.486 Die Untersuchung erfolgte auf Basis eines auf den theoretischen Grundlagen entwickelten Fragebogens. Insgesamt füllten 305 Kunden den Fragebogen vollständig aus, was bezogen auf die 1.400 per Zufallsgenerator ausgewählten und kontaktierten Kunden einer Rücklaufquote von 22% entspricht.487 Da keine gesicherten Erkenntnisse über die Merkmale der Grundgesamtheit der Kunden des Unternehmens vorliegen und somit ein Vergleich der Stichprobe mit der Grundgesamtheit nicht möglich ist, kann im Rahmen dieser Untersuchung kein endgültiger Anspruch auf Repräsentativität im Hinblick auf die Kunden des kooperierenden Unternehmens erhoben werden.488 Die Überprüfung der
486 Die Fokussierung auf Kundenkarteninhaber erfolgte aufgrund der im Kundeninformationssystem
(KIS) zur Verfügung stehenden Adressen und objektiven Verhaltensdaten für diese Personen. Die auf den Antwortumschlag aufgedruckte Kundenkartennummer der befragten Person ermöglichte im Nachhinein die Verknüpfung von per Fragebogen gewonnenen und im KIS abrufbaren Daten.
487 Zur Erhöhung der Rücklaufquote wurden Incentives in Form von Einkaufsgutscheinen eingesetzt. Die Identifikation der Gewinner erfolgte wiederum über die auf dem Antwortumschlag aufge-druckte Kundenkartennummer.
488 Eine Stichprobe gilt als repräsentativ, „wenn sie in der Verteilung aller untersuchungsrelevanter Merkmale der Gesamtmasse entspricht, d.h. ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsge-treues Abbild der Gesamtheit darstellt“. Berekoven, L., Eckert, W., Ellenrieder, P. (2006), Markt-forschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 11., überarb. Aufl., Wiesbaden, S. 51.
Ein Längsschnittvergleich mit den Daten aus dem Kundeninformationssystem zeigt, dass die Verteilung der Befragten nach Alter und Geschlecht der Grundgesamtheit entspricht. Somit re-präsentiert die vorliegende Stichprobe die Grundgesamtheit hinsichtlich dieser beiden Merkmale. Ein Anspruch an die Repräsentativität der Ergebnisse insgesamt kann jedoch – wie bereits er-wähnt – nicht gestellt werden.
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
134
Eindeutigkeit und Verständlichkeit der im Fragebogen verwendeten Indikatoren erfolgte im Rahmen eines bereits im Juli 2005 durchgeführten Pretests bei 45 Kunden. Entsprechend der daraus gewonnenen Erkenntnisse wurde die Formulierung und Selektion der abzufragenden Indikatoren für die Hauptuntersuchung angepasst.
Die Untersuchung wurde in Form der schriftlichen Befragung durchgeführt. Dementsprechend erhielten alle Personen der ausgewählten Stichprobe den Fragebogen und einen vorfrankierten Antwortumschlag nach Hause geschickt. Die schriftliche Befragung weist gegenüber der Face-to-face-Befragung489 und der telefonischen Befragung grundsätzlich einige Vorteile auf, die in der vorliegenden Untersuchung zur Auswahl dieser Erhebungsmethode geführt haben und im Folgenden erläutert werden:490
� Eine Beeinflussung der Umfrageergebnisse durch Interviewereffekte entfällt bei der schriftlichen Befragung.491 Empirische Untersuchungen belegen, dass mittels Face-to-face-Interviews oder telefonischer Interviews ermittelte Kundenzufriedenheitswerte durchschnittlich 10-12% besser ausfallen als Kundenzufriedenheitswerte, die im Rahmen von schriftlichen Befragungen gemessen werden.492 Folglich kann im Rahmen von schriftlichen Befragungen i.d.R. von einer höheren Objektivität der Ergebnisse ausgegangen werden.
Auf eine Darstellung der Zusammensetzung der Stichprobe in Bezug auf die genannten sozio-
demographischen Merkmale soll aufgrund der strengen Vertraulichkeit der Daten an dieser Stelle verzichtet werden.
489 Berekoven et al. führen diesen Begriff ein, um eine klare Unterscheidung zur telefonischen Befra-gung zu ermöglichen, da diese ebenfalls mündlich und ‚persönlich’ erfolgt. Sie definieren Face-to-face-Befragung als „klassische Befragung im persönlichen Gegenüber von Interviewer und Befrag-tem unter Verwendung eines (standardisierten) Fragebogens, der von Ersterem schriftlich ausgefüllt wird…“. Berekoven, L., Eckert, W., Ellenrieder, P. (2006), Marktforschung. Metho-dische Grundlagen und praktische Anwendung, 11., überarb. Aufl., Wiesbaden, S. 104.
490 Vgl. Homburg, C., Rudolph, B. (1995), Wie zufrieden sind ihre Kunden tatsächlich?, in: Harvard Business Manager, 17, 1, S. 43-50, S. 43ff.
491 Vgl. Beutin, N. (2006), Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit im Überblick, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte - Methoden - Erfahrungen, 6. Aufl., Wies-baden, S. 121-170, S. 136ff.
492 Vgl. Peterson, R., Wilson, W. (1992), Measuring Customer Satisfaction: Fact and Artefact, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 20, 1, S. 61-71, S. 61ff.; LeVois, M., Nguyen, T.D., Attkisson, C. (1981), Artifact in Client Satisfaction Assessment: Experience in Community Mental Health Settings, in: Evaluation and Program Planning, 4, April, S. 139-150, S. 139ff.
135
� Die Kosten pro Erhebungsfall sind bei der schriftlichen Befragung relativ gering.493 Im Gegensatz zur Face-to-face-Befragung und telefonischen Befra-gung entfallen hohe Interviewer- und Systemkosten. Die anfallenden Kosten bei schriftlichen Befragungen beschränken sich weitgehend auf Portokosten für den Versand von Fragebogen und Antwort. Da die Kosten pro Stück mit steigendem Versandvolumen abnehmen, können somit auch umfangreiche Erhebungen relativ kostengünstig durchgeführt werden.
� Die hohe zeitliche und örtliche Unabhängigkeit und Flexibilität erleichtert den Zugang zu den Befragten und erhöht den Befragungskomfort.494 So ermöglicht die schriftliche Befragung eine Ansprache von Kundentypen, die im Fall der Face-to-face-Befragung oder telefonischen Befragung möglicherweise nicht erreicht werden können.
Hauptkritikpunkt an der schriftlichen Befragung ist die zumeist geringe Rücklaufquote und die damit verbundene mangelnde Repräsentativität der Ergebnisse aufgrund der Selbstselektion der Befragungsteilnehmer. Allerdings ist auch bei anderen Erhebungsformen stets eine Selbstselektion zu beobachten. Ferner kann aufgrund der bereits erwähnten, stark eingeschränkten Informationsverfügbarkeit in Bezug auf die Zusammensetzung der Grundgesamtheit ohnehin kein endgültiger Anspruch auf Repräsentativität erhoben werden.
Der Fragebogenaufbau orientiert sich an den im Rahmen der theoretischen Konzeption hergeleiteten Einflussfaktoren der Wirkungskette Kundenbindung. Dabei wurden in 3 Fragekomplexen insgesamt 22 Variablen erhoben.495 Zu jedem Themen-gebiet wurden geschlossene Aussagen formuliert und mit einer fünfstufigen monopolaren Ratingskala verknüpft.496 Die Extrempole der Ratingskala wurden mit „voll und ganz zufrieden“ und „gar nicht zufrieden“ bzw. „stimme ich voll und ganz zu“ und „stimme ich gar nicht zu“ bezeichnet. Zur Vermeidung von Reihenfolgeeffekten wurde bei der Anordnung der Fragen innerhalb der einzelnen Fragekomplexe darauf geachtet, dass die Fragen bzw. Aussagen nicht nacheinander sondern durchmischt aneinander gereiht wurden. 493 Vgl. Scheffler, H. (2000), Stichprobenbildung und Datenerhebung, in: Herrmann, A., Homburg, C.
(Hrsg.): Marktforschung. Methoden - Anwendungen - Praxisbeispiele, 2., akt. Aufl., Wiesbaden, S. 59-78, S. 69.
494 Vgl. Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M. (2008), Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 159.
495 Der Fragebogen ist in Anhang 1 dieser Arbeit in anonymisierter Form abgedruckt. 496 Vgl. zur Anwendung von Ratingskalen in der Marktforschung Berekoven, L., Eckert, W.,
Ellenrieder, P. (2006), Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 11., überarb. Aufl., Wiesbaden, S. 73ff.
136
1.2 Methoden der statistischen Auswertung
Ziel der empirischen Untersuchung ist es, den in Kap. B.6 aufgestellten Bezugs-rahmen und die dort aufgestellten Untersuchungshypothesen zu überprüfen. Auf der einen Seite wurde im Bezugsrahmen der Einfluss einzelner Zufriedenheitsfaktoren auf die Gesamtzufriedenheit aufgezeigt (Teilmodell 1), auf der anderen Seite wurde postuliert, dass die Kundenzufriedenheit wiederum eine positive Wirkung auf die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität ausübt (Teilmodell 2). Dabei wird Kunden-zufriedenheit im ersten Fall als abhängige, im zweiten Fall als unabhängige Variable aufgefasst. Unabhängig vom jeweils betrachteten Teilmodell wird somit zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen ein kausaler Zusammenhang konstruiert.
Grundsätzlich lassen sich derartige Kausalzusammenhänge mit Hilfe der Verfahren
der Dependenzanalyse überprüfen und bewerten. Seit Anfang der 80er Jahre gewinnen in der Marketingforschung in diesem Zusammenhang besonders die Datenanalyseverfahren zur simultanen Schätzung der Beziehungen eines Kausalmodells, wie die allgemeinen Verfahren der Strukturgleichungsanalyse, der Kovarianzstrukturanalyse oder der Pfadanalyse mit latenten Größen, an Popularität.497 Diese Verfahren, die in der Literatur gelegentlich auch als multivariate Verfahren der zweiten Generation bezeichnet werden, haben gegenüber den herkömmlichen Analyseverfahren der Dependenzanalyse wie z.B. der Regressions-analyse zwei zentrale Vorteile:
� Mit den Verfahren der zweiten Generation ist es möglich, sowohl manifeste als auch latente Größen zu berücksichtigen, d.h. ein auf konzeptionell theore-tischem Wege hergeleitetes Modell kann anhand beobachteter Daten geprüft
497 Zur Popularität dieser Verfahren in der Marketingforschung vgl. unter anderem Backhaus, K.,
Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungs-orientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 337ff.; Homburg, C., Werner, H. (2000), Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, in: Herrmann, A., Homburg, C. (Hrsg.): Markt-forschung. Methoden - Anwendungen - Praxisbeispiele, 2., akt. Aufl., Wiesbaden, S. 911-932, S. 917; Homburg, C. (1989), Exploratorische Ansätze der Kausalanalyse als Instrument der Marketingplanung, Frankfurt a.M. u.a.; Balderjahn, I. (1986a), Das umweltbewusste Konsumen-tenverhalten. Eine empirische Studie, Berlin; Balderjahn, I. (1986b), The Robustness of LISREL Unweighted Least Squares Estimation against Smal Sample Size in Confirmatory Factor Analysis Models, in: Gaul, W., Schader, M. (Hrsg.): Classification as a Tool of Research, Amsterdam, S. 3-10, S. 3ff. Förster, F., Fritz, W., Silberer, G., Raffée, H. (1983), Moderne Verfahren der Kausalanalyse und ihre Bedeutung für Marketingwissenschaft und -Praxis, Mannheim; Hildebrandt, L. (1983), Konfirmatorische Faktoranalysen von Modellen des Konsumenten-verhaltens, Berlin; Neibecker, B. (1983), Computerkontrollierte Magnitudeskalierung: Eine kausalanalytische Validierung, in: Marketing - ZFP, 5, 3, S. 185-189, S. 185ff. und Bagozzi, R.P. (1980), Causal Models in Marketing, New York.
137
werden. Dabei lassen sich Verzerrungen in den manifesten Variablen durch die Zuordnung mehrerer Indikatoren zu einer latenten Variable auffangen.498
� Außerdem setzen diese Verfahren keine Unabhängigkeit der Einflussgrößen voraus, wodurch sich komplexe Zusammenhänge wirklichkeitsgetreuer abbil-den lassen als mit herkömmlichen multivariaten Analyseverfahren, da ein gewisses Maß an Multikollinearität zwischen den unabhängigen Variablen nicht ausgeschlossen werden kann.499
Allerdings ist es im Rahmen dieser Analyseverfahren von besonderer Bedeutung, dass das verwendete Datenmaterial Ergebnis intensiver sachlogischer Überlegungen über die Beziehungen zwischen den Variablen darstellt, da andernfalls eine Überprüfung der theoretisch aufgestellten Beziehungen mit dem empirisch gewonnenen Datenmaterial zu kaum verwertbaren Erkenntnissen führen kann. Da zur Analyse der theoretisch hergeleiteten Zusammenhänge eine Kausalanalyse500 durchgeführt werden soll, erscheint ein kompakter Überblick über die wesentlichen Merkmale des Verfahrens vorab zweckmäßig.501
Ein vollständiges Kausalmodell setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen, einem Messmodell und einem Strukturmodell. Das Messmodell beschreibt dabei die Be-ziehungen zwischen unbeobachtbaren, so genannten latenten, Variablen (�i; �i) und ihren jeweiligen Indikatorvariablen (xi; yi). Dieser Zusammenhang wird mit Hilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse bestimmt. Da davon ausgegangen werden muss, dass die Indikatoren zwar in hohem Maße, jedoch nicht perfekt mit den latenten Variablen korrelieren, wird bei Anwendung des Verfahrens für jede Indikatorvariable eine Messfehlervariable (�i; �i) im Modell mit berücksichtigt. Ergebnis der Unter-suchung des Messmodels ist die Information darüber, wie stark die Indikatorvariablen mit der korrespondierenden latenten Variable zusammenhängen. Dieser Zusammen- 498 Vgl. Jöreskog, K.G., Sörbom, D. (1988), Lisrel VII: A Guide to the Program and Applications,
Chicago, S. 3ff. 499 Vgl. Homburg, C. (1992), Die Kausalanalyse: Eine Einführung, in: Wirtschaftswissenschaftliches
Studium, 21, 10, S. 499-508, S. 499. 500 Die Begriffe Kausalanalyse, Allgemeine Strukturgleichungsanalyse, Kovarianzstrukturanalyse und
Pfadanalyse mit latenten Variablen werden in der Literatur stellenweise synonym verwendet. Am häufigsten wird der Begriff Kausalanalyse gebraucht, so dass auch im Rahmen der weiteren Ausführungen auf diese Bezeichnung zurückgegriffen wird. Vgl. Fritz, W. (1992), Marktorientierte Unternehmensführung und Unternehmenserfolg, Stuttgart, S. 115.
501 Ausführliche Beschreibungen der Kausalanalyse finden sich z.B. bei Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Ein-führung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 337ff. und Hildebrandt, L., Homburg, C. (1998), Die Kausalanalyse. Ein Instrument der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung, Stuttgart. Auf eine ausführliche Darstellung des Verfahrens soll daher an dieser Stelle zugunsten eines kompakten Überblicks verzichtet werden.
138
hang lässt sich schließlich am Parameter (�i) ablesen. Darüber hinaus gibt das Messmodell Hinweise zu Validität und Reliabilität der Indikatorvariablen. Das Strukturmodell beschreibt die Beziehungen der latenten Variablen untereinander. Dabei werden latente endogene Variablen (�i) durch latente exogene Variablen (�i) erklärt. Der Zusammenhang dieser latenten Variablen wird mit Hilfe einer Regres-sionsanalyse bestimmt. Äquivalent zum Vorgehen im Rahmen der Untersuchung des Messmodells werden dabei Messfehlervariablen (�i) berücksichtigt, da die abhän-
Abbildung 16: Allgemeine Darstellung eines Kausalmodells
gigen (endogenen) Variablen nicht vollständig durch die unabhängigen (exogenen) erklärt werden können. Ergebnis des zweiten Untersuchungsschritts ist somit eine Information über die Stärke des Zusammenhangs (Parameter �i, i) zwischen latenten exogenen und endogenen Variablen. Des Weiteren gibt das Strukturmodell Hinweise zum Anteil an nicht erklärter Varianz der latenten endogenen Variablen. Abb. 16 zeigt eine allgemeine Darstellung eines Kausalmodells, dargestellt als Pfaddiagramm.502
502 Beobachtete Variablen werden dabei stets als Quadrate, latente Variablen hingegen als Kreise
dargestellt. Erstere werden durch lateinische Buchstaben (x, y), letztere mit griechischen Buch-staben (Ksi, Eta) bezeichnet. Die Richtung des Kausalzusammenhangs wird durch die Richtung der Pfeile dargestellt. Pfeile mit Doppelspitzen werden dabei verwendet, um den nicht-analysierten Zusammenhang zwischen zwei Variablen zu beschreiben. Vgl. Bollen, K.A. (1989), Structural Equation Models with Latent Variables, New York, S. 33.
x1
x2
y1
y2
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�5
�6
2
1
Strukturmodell Messmodell der latenten
exogenen Variablen Messmodell der latenten
endogenen Variablen
139
Die Kausalanalyse besitzt konfirmatorischen Charakter, da sie auf der Grundlage eines theoretisch fundierten Hypothesensystems überprüft, ob die aufgestellten Beziehungen mit dem empirisch gewonnenen Datenmaterial übereinstimmen.503 Die Prüfung des Modells erfolgt dabei anhand eines Vergleichs der auf Basis des Hypo-thesensystems errechneten Kovarianzmatrix ((�)) mit der auf Basis der gewon-nenen Daten errechneten Kovarianzmatrix (). Im Idealfall müssten sich zur Annahme eines Modells beide Kovarianzmatrizen decken, was allerdings in praktischen Anwendungen meist nicht gewährleistet werden kann, da nicht alle Kovarianzen der Indikatorvariablen exakt reproduzierbar sind. Um dennoch einen Satz von Parametern identifizieren zu können, der zumindest eine Annäherung der beiden Matrizen ermöglicht, erfolgt eine Minimierung der Diskrepanz zwischen der empirisch ermittelten und der vom Modell produzierten Kovarianzmatrix. Im mathematischen Sinne gilt dementsprechend:
f(�) = F(, (�)) � min
Da die Minimierung einer Diskrepanzfunktion im Allgemeinen ein komplexes, nicht lineares und auch nicht konvexes Optimierungsproblem darstellt, wird bei der Anwendung der Kausalanalyse auf Computerprogramme zurückgegriffen, die dieses Problem mit leistungsstarken, numerischen Verfahren lösen.504 Aufgrund der Kompa-tibilität zu den Softwarepaketen SPSS und Microsoft Office und seiner hohen Benutzerfreundlichkeit wird AMOS zunehmend als leistungsstärkstes Programm zur Kausalanalyse angesehen.505 Die Spezifikation des Kausalmodells erfolgt durch
503 Vgl. Kirchgeorg, M. (1990), Ökologieorientiertes Unternehmensverhalten: Typologien und Erklä-
rungsansätze auf empirischer Grundlage, Wiesbaden, S. 131. 504 In der Marketingforschung finden dabei vor allen Dingen die Computerprogramme LISREL (LInear
Structural RELations), EQS (EQuation based Structural Program) und LVPLS (Latent Variables path analysis with Partial Least Squares estimation) sowie in jüngerer Zeit AMOS (Analysis of MOment Structures) Anwendung. LISREL wurde von Jöreskog/Sörbom, EQS von Bentler, LVPLS von Wold und AMOS von Arbuckle entwickelt. Vgl. Jöreskog, K.G., Sörbom, D. (1982), Recent Developments in Structural Equation Modeling, in: Journal of Marketing Research, 19, 4, S. 404-416, S. 404ff.; Bentler, P.M. (1985), Theory and Implementation of EQS: A Structural Equations Program, Los Angeles; Wold, H. (1982), Soft Modeling: The basic Design and some Extension, in: Jöreskog, K.G., Wold, H. (Hrsg.): Systems under indirect Observation, Part 2, New York; Arbuckle, J.L. (1989), AMOS: Analysis of Moment Structures, in: The American Statistican, No. 43, S. 66-67 S. 66ff.
505 Zu einem detaillierten Vergleich der Programmpakete und der konstatierten Stärke von AMOS vgl. Bühl, A., Zöfel, P. (2000), SPSS - Methoden für die Markt- und Meinungsforschung, München, S. 333 und S. 362ff.; Grund, M. (1998), Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 217f.; Maruyama, G.M. (1998), Basics of Structural Equation Modeling, Thousand Oaks, S. 283f.; Kline, R.B. (1998), Software Programs for Structural Equation Modeling: Amos, EQS and LISREL, in: Journal of Psychoeducational Assessment, 16, S. 343-364, S. 343ff.; Ullmann, J. (1996), Structural Equation Modeling, in: Tabachnik, B., Fidell, L. (Hrsg.): Using Multivariate Statistics, New York, S. 709-811, S. 709ff.; Hox, J.J. (1995), Covariance Structure Modeling in
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140
Zeichnung des entsprechenden Pfaddiagramms im Modul AMOS Graphics mit Hilfe spezieller Zeichenwerkzeuge und Routinen (Makros) und ist ähnlich bequem wie in gängigen Grafikprogrammen. Eine grafische Eingabe von Modellen ist grundsätzlich auch bei den Programmen LISREL, EQS und LVPLS möglich, aber insbesondere bei LISREL weniger komfortabel. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit sind die Programme AMOS, LISREL, EQS und LVPLS ähnlich einzuschätzen. Durch programmspe-zifische Zusatzoptionen kann der Berechnungsalgorithmus in AMOS vom Anwender so spezifiziert werden, dass er dem von LISREL bzw. EQS entspricht und die er-mittelten Parameterwerte in allen Programmen übereinstimmen.506 Die im Jahr 2003 neu veröffentlichte und in Bezug auf das Anwendungsspektrum deutlich verbesserte Version 5.0 führte in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung von AMOS.
Voraussetzung für eine Parameterschätzung mit AMOS ist zunächst die Identifizierbarkeit des Kausalmodells, d.h. es muss die Frage beantwortet werden, ob das aus der Modellstruktur abgeleitete Mehrgleichungssystem eindeutig lösbar ist.507 Allgemeingültige Kriterien zur Bestimmung des Identifikationsgrades von Kausalmodellen liegen bislang nicht vor, da eine Kombination aus Regressions- und Faktorenanalyse und die sich daraus ergebende komplexe Modellstruktur in ihrer Gesamtheit nicht eindeutig auf Identifizierbarkeit überprüft werden kann. Eine not-wendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für die Modellidentifikation bildet die Ungleichung:508
� �� �1t p q p q 12
� �� � � � � �
Somit ist es für die Lösbarkeit eines Kausalmodells erforderlich, dass die Zahl der Freiheitsgrade größer oder gleich Null ist. Neben dieser als t-Regel bekannten Bedingung existieren zwar noch einige weitere Kriterien unterschiedlicher
Windows: A Multitrait-Multimethod Analysis Using AMOS, EQS and LISREL, in: Bulletin de Méthodologie Sociologique, 46, S. 71-87, S. 71ff.
506 Vgl. Arbuckle, J.L., Wothke, W. (1999), AMOS 4.0 User's Guide, Chicago, S. 303. 507 Vgl. Kirchgeorg, M. (1990), Ökologieorientiertes Unternehmensverhalten: Typologien und Erklä-
rungsansätze auf empirischer Grundlage, Wiesbaden, S. 133. 508 Hierbei gilt: t = Anzahl der zu schätzenden Parameter p = Anzahl der y-Variablen q = Anzahl der x-Variablen
141
Aussagekraft, eine Möglichkeit, den Identifikationsgrad mit vollständiger Sicherheit zu beurteilen, existiert jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt nicht.509
Zur Schätzung der Modellparameter stehen iterative und nicht iterative Verfahren zur Verfügung. Von den sieben Methoden, die grundsätzlich zur Parameterschätzung herangezogen werden können, sollen im Folgenden nur die iterativen Schätz-verfahren kurz erläutert werden, da diese als die leistungsfähigeren einzustufen sind.510 Im Programmpaket AMOS 5 sind das die Maximum-Likelihood-Methode (ML), die Methode der verallgemeinerten kleinsten Quadrate (GLS), die Methode der ungewichteten kleinsten Quadrate (ULS), die Methode der skalenunabhängigen kleinsten Quadrate (SLS) und die Methode des asymptotisch verteilungsfreien Schätzers (ADF).
Das bei AMOS voreingestellte und in der Praxis am häufigsten angewandte Schätz-verfahren ist die ML-Methode.511 Unter der Voraussetzung, dass die Messvariablen einer normalverteilten Grundgesamtheit entstammen, liefert diese konsistent effiziente Schätzergebnisse. Auf moderate Abweichungen von einer Normalverteilung reagiert das Verfahren relativ robust.512 Die GLS-Methode kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie die ML-Methode bei normalverteilten Variablen und verhält sich ebenso relativ robust gegenüber einer Verletzung der Normal-verteilungsprämisse.513 Die Methode der ungewichteten kleinsten Quadrate ist gegenüber dem ML- und GLS-Verfahren ein skalenabhängiges Schätzverfahren, was bedeutet, dass Änderungen in der Skala einer oder mehrerer Indikatorvariablen
509 Vgl. Lorbeer, A. (2003), Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen, 1. Aufl., Wiesbaden, S. 148. Zu weiteren Kriterien im Rahmen der Identifikation eines Kausalmodells vgl. Homburg, C. (1989),
Exploratorische Ansätze der Kausalanalyse als Instrument der Marketingplanung, Frankfurt a.M. u.a., S. 164ff.; Bollen, K.A. (1989), Structural Equation Models with Latent Variables, New York, S. 94ff.; Jöreskog, K.G. (1981), Analysis of Covariance Structures, in: Scandinavian Journal of Statistics, 8, S. 65-92, S. 65ff.; Jöreskog, K.G. (1978), Structural Analysis of Covariance and Correlation Matrices, in: Psychometrika, 43, S. 443-477, S. 443ff.
510 Nicht-iterative Verfahren wie IV (Instrumental Variables) und TSLS (Two-Stage Least Squares) schätzen jede Parametergleichung separat, ohne dabei andere Gleichungen zu berücksichtigen. Folglich verhalten sich diese Verfahren robuster gegenüber Fehlspezifikationen im Modell, sind je-doch den iterativen dahingehend unterlegen, dass diese eine simultane Schätzung des gesamten Gleichungssystems erlauben und somit bei der Schätzung jedes einzelnen Parameters die Informationen des gesamten Systems berücksichtigen. Vgl. Diamantopoulos, A., Siguaw, J. (2000), Introducing Lisrel. A Guide for the Uninitiated, London u.a., S. 55.
511 Vgl. Baumgartner, H., Homburg, C. (1996), Applications of structural equation modeling in marketing and consumer research: A review., in: International Journal of Research in Marketing, 13, 2, S. 139-161, S. 149.
512 Vgl. Diamantopoulos, A., Siguaw, J. (2000), Introducing Lisrel. A Guide for the Uninitiated, London u.a., S. 56.
513 Vgl. Diamantopoulos, A., Siguaw, J. (2000), Introducing Lisrel. A Guide for the Uninitiated, London u.a., S. 57.
142
mit Veränderungen der Schätzergebnisse einhergehen, die nicht nur auf den Skalenunterschied zurückzuführen sind.514 Dies liegt darin begründet, dass eine Änderung der Skalierung zu verschiedenen Minima der Diskrepanzfunktion führt. Somit ist es bei der Anwendung des ULS-Verfahrens notwendig, dass alle Indikatorvariablen unter Berücksichtigung der gleichen Skala erhoben bzw. die Skalen der Messvariablen vorab standardisiert werden. Die SLS-Methode stellt eine Erweiterung des ULS-Verfahrens insofern dar, als dass Skalenunterschiede keinen Einfluss auf die Schätzergebnisse mehr ausüben.515 Ein Vorteil von beiden Verfahren ist, dass diese unabhängig von der Verteilungsstruktur eingesetzt werden können. Das ADF-Verfahren, das in die Kategorie asymptotisch verteilungsfreier Schätzer fällt, hat ebenfalls den Vorteil, dass es keinerlei Voraussetzungen an die Verteilung der beobachteten Variablen stellt. Allerdings erfordert dieser Schätzalgorithmus i.d.R. einen Stichprobenumfang von n 1000, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen.516
In der vorliegenden Untersuchung wird auf das ML-Verfahren als Schätzmethode zurückgegriffen. Die Entscheidung dafür resultiert aus den folgenden Gründen:
� Von allen zur Verfügung stehenden Verfahren liefert die ML-Methode die präzisesten Schätzergebnisse.517
� Auf moderate Abweichungen von der Normalverteilung reagiert das Schätz-verfahren relativ robust.518
� Die Anwendung des ML-Schätzers ermöglicht eine inferenzstatistische Beurteilung der Ergebnisse.519
514 Vgl. Long, J.S. (1983), Confirmatory Factor Analysis: A Preface to Lisrel, Beverly Hills, S. 77ff. 515 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden.
Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 368ff. 516 Vgl. Diamantopoulos, A., Siguaw, J. (2000), Introducing Lisrel. A Guide for the Uninitiated,
London u.a., S. 57. 517 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden.
Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 371. 518 Die erhobenen Indikatorvariablen wurden hinsichtlich der Schiefe und Wölbung (Kurtosis) ihrer
Verteilungen auf Normalverteilung hin geprüft. Curran/West/Finch fordern in diesem Zusammen-hang, dass ein Wert von 2 für die Schiefe und ein Wert von 7 für die Kurtosis nicht überschritten werden. Vgl. Curran, P.J., West, S.G., Finch, G.F. (1996), The robustness of test statistics to nonnormality and specification error in confirmatory factor analysis, in: Psychological Methods, 1, 1, S. 16-29, S. 16ff.
Sowohl die Werte für die Schiefe (0,264 bis 1,652) als auch für die Wölbung (-0,745 bis 3,171) geben in der vorliegenden Untersuchung keinen Hinweis auf eine zu starke Verletzung der Nor-malverteilungsprämisse. Vgl. weiterführend zur Schiefe und Wölbung als Kriterien zur Beurteilung von Abweichungen von der Normalverteilung eines Parameters Sachs, L. (1974), Angewandte Statistik. Planung und Auswertung - Methoden und Modelle, Heidelberg, S. 81ff.
143
Während bei der Schätzung der Modellparameter das Ziel darin besteht, die beiden Matrizen möglichst gut aneinander anzupassen, stellt sich im Rahmen der Beurteilung der Schätzergebnisse die Frage, inwieweit diese Anpassung durch die Parameterschätzung gelungen ist. Grundsätzlich wird dabei zwischen Global- und Detailkriterien der Beurteilung unterschieden.520 Während Globalkriterien zur Prüfung der Anpassungsgüte eines Gesamtmodells herangezogen werden, erlauben Detail-kriterien ein Urteil über die Qualität der einzelnen Komponenten des Kausalmodells.
Bevor auf die Beurteilung der Anpassungsgüte des Gesamtmodells und der Qualität der einzelnen Komponenten eingegangen wird, soll in der vorliegenden Unter-suchung vorab eine Plausibilitätsbetrachtung der Schätzungen erfolgen. In diesem Zusammenhang ist – wie bereits erläutert – die Identifizierbarkeit des Modells zu untersuchen. Des Weiteren ist zu prüfen, ob die im Modell geschätzten Parameter unsinnige Ergebnisse wie Korrelationskoeffizienten > 1 oder negative Varianzen aufweisen und somit Indizien für eine Fehlspezifikation des Modells vorliegen. Neben diesen beiden Basisanforderungen an das Modell soll im Rahmen der allge-meinen Plausibilitätsbetrachtung auch das Verhältnis Stichprobenumfang zur Anzahl schätzender Parameter geprüft und bewertet werden.521 Als Kriterium für die Angemessenheit des Stichprobenumfangs wird oftmals das Verhältnis der Stichprobengröße zur Anzahl der zu schätzenden Parameter herangezogen. Dabei wird in der Literatur zunehmend darauf verwiesen, dass dieses mindestens fünf zu eins betragen und im Idealfall noch übersteigen sollte.522 Im Rahmen dieser Arbeit
519 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden.
Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 370. 520 Vgl. Bagozzi, R.P., Yi, Y. (1988), On the Evaluation of Structural Equation Models, in: Journal of
the Academy of Marketing Science, 16, 1, S. 74-94, S. 76ff.; Bollen, K.A. (1989), Structural Equation Models with Latent Variables, New York, S. 256ff.; Browne, M.W., Cudeck, R. (1993), Alternative Ways of Assessing Model Fit, in: Bollen, K.A., Long, J.S. (Hrsg.): Testing Structural Equation Models, Newbury Park u.a., S. 445-455, S. 445ff.; Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestandsaufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 167ff.; Hu, L., Bentler, P.M. (1995), Evaluating Model Fit, in: Hoyle, R.H. (Hrsg.): Structural Equation Modeling, Thousand Oaks u.a., S. 76-99; Jöreskog, K.G. (1993), Testing Structural Equation Models, in: Bollen, K.A., Long, J.S. (Hrsg.): Testing Structural Equation Models, Newbury Park u.a., S. 294-316, S. 307ff.
521 Generell hat die Stichprobengröße einen entscheidenden Einfluss auf die Zuverlässigkeit der geschätzten Parameterwerte. So konnte in zahlreichen Simulationsstudien nachgewiesen werden, dass die Ergebnisse in Abhängigkeit des Stichprobenumfangs schwanken. Ein kleiner Stich-probenumfang ging dabei oftmals mit verfälschten Ergebnissen einher. Vgl. Balderjahn, I. (1988), Die Kreuzvalidierung von Kausalmodellen, in: Marketing - ZFP, 10, 1, S. 61-73, S. 62ff.
522 Vgl. zum Stichprobenumfang bei der Anwendung von Kausalanalysen unter anderem Homburg, C., Baumgartner, H. (1995a), Die Kausalanalyse als Instrument der Marketingforschung: Eine Bestandsaufnahme, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 65, 10, S. 1091-1108, S. 1103; Bagozzi,
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
144
soll daher ein Stichprobenumfang von n > 5t gefordert werden.523
Die zunehmende Verbreitung von Strukturgleichungsmodellen in den letzten Jahren führte dazu, dass die wissenschaftliche Forschung heute auf ein breites Spektrum an Anpassungsmaßen zur Analyse des Zusammenhangs zwischen empirisch ermittelten und durch das Modell reproduzierten Kovarianzen zurückgreifen kann. Je nach Untersuchungskontext erweist sich dabei das eine oder andere Kriterium als vorteilhaft. Ein in jeder Hinsicht allen anderen überlegenes Kriterium hat sich bislang nicht durchgesetzt. Byrne weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „particular indices have been shown to operate somewhat differently given the sample size, estimation procedure, model complexity, violation of the underlying assumptions of multivariate normality and variable independence, or any combination thereof“524 und empfiehlt deshalb die Berücksichtigung mehrerer, in Bezug auf den Untersuchungskontext passender Globalkriterien zur Prüfung der Anpassungsgüte des Gesamtmodells. Die im Rahmen von praktischen Anwendungen am weitesten verbreiteten Kriterien sind der Chi-Quadrat-Wert (2), der Goodness-of-Fit-Index (GFI), der Adjusted-Goodness-of-Fit-Index (AGFI), der Normed-Fit-Index (NFI), der Comparative-Fit-Index (CFI) und der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA). Sie sollen im Folgenden kurz erläutert werden:
� Der Chi-Quadrat-Wert (�2) stellt das am häufigsten erwähnte Anpassungs-maß dar. Er trifft eine Aussage hinsichtlich der Signifikanz der Anpassungs-güte eines Modells und erlaubt somit eine inferenzstatistische Beurteilung desselben. Mit Hilfe eines Likelihood-Ratio-Tests wird dabei die Hypothese H0 (die reproduzierte Kovarianzmatrix entspricht der empirischen Kovarianz-matrix) gegen die Hypothese H1 (die empirische Kovarianzmatrix entspricht einer beliebig positiv definiten Matrix) geprüft.525 Da die Chi-Quadrat-Teststatistik nicht in der Lage ist, eine Abschätzung des Fehlers 2. Art vorzunehmen, kann das mit der Annahme eines Modells verbundene Risiko grundsätzlich nicht abgeschätzt werden. Es kann somit keine Wahr-scheinlichkeit dafür angegeben werden, dass eine falsche Modellstruktur als
R.P., Yi, Y. (1988), On the Evaluation of Structural Equation Models, in: Journal of the Academy of Marketing Science, 16, 1, S. 74-94, S. 82.
523 Wobei gilt: n = Stichprobengröße t = Anzahl der zu schätzenden Parameter 524 Byrne, B.M. (1998), Structural equation modeling with LISREL, PRELIS and SIMPLIS: Basic
Concepts, Applications and Programming, Mahwah, S. 118. 525 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden.
Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 379.
145
richtig angenommen wird. Folglich ist der Chi-Quadrat-Wert mit Vorsicht zu interpretieren. Des Weiteren können die Voraussetzungen zur Berechnung des 2-Maßes (normalverteilte Variablen, hinreichend großer Stichproben-umfang und Schätzung auf der Basis einer Stichproben-Kovarianz-Matrix) häufig nicht erfüllt werden, was die praktische Anwendungsfähigkeit dieses Tests entschieden einschränkt.
Jöreskog und Sörbom empfehlen in diesen Fällen, dass „instead of regarding �2 as a test statistic, one should regard it as a goodness (or badness)-of-fit measure in the sense that large �2-values are correspondent to bad fit and small �2-values to good fit“526. In der Literatur wird aus diesem Grund vor-geschlagen, den Quotienten aus dem 2-Wert und der Zahl der Freiheitsgrade als deskriptives Gütekriterium zu verwenden, der eine Beurteilung darüber zulässt, in welchem Maß ein Modell eine gute Approximation an die Realität darstellt. Gute Modelle sollten einen im Verhältnis zur Anzahl der Freiheits-grade möglichst kleinen 2-Wert aufweisen.527 Eine feste Grenze für ein noch zu akzeptierendes Verhältnis von 2/df existiert in der Forschungspraxis allerdings nicht. Homburg und Baumgartner fordern ein Verhältnis von 3:1, während andere Autoren noch Verhältnisse bis zu 10:1 akzeptieren.528 Im Rahmen dieser Arbeit wird in Anlehnung an Homburg/Baumgartner ein Höchstwert von 3 für dieses Anpassungsmaß gefordert.529
� Der GFI misst die relative Menge an empirischer Varianz und Kovarianz in den Input-Daten, die durch das Modell erklärt wird. Er entspricht somit dem Bestimmtheitsmaß im Rahmen der Regressionsanalyse. Im AGFI wird zusätzlich noch die Anzahl an Freiheitsgraden berücksichtigt, was den Vorteil aufweist, dass Modelle mit vielen Parametern nicht zwangsläufig eine bessere Anpassung zeigen.530 Beide Indizes sind auf einen Wert zwischen null und
526 Jöreskog, K.G., Sörbom, D. (1988), Lisrel VII: A Guide to the Program and Applications,
Chicago, S. 42. 527 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden.
Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 379. 528 Vgl. Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestandsauf-
nahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 166; Fritz, W. (1995), Marketing-Management und Unternehmenserfolg, 2., überarb. u. erg. Aufl., Stuttgart, S. 126.
529 Vgl. Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestandsauf-nahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 166.
530 Vgl. Jöreskog, K.G., Sörbom, D. (1993b), Lisrel 8. User's Reference Guide, Chicago, S. 26ff.
146
eins normiert, wobei Ergebnisse über 0,90 einen guten „Fit“ andeuten.531 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird für den GFI und AGFI ein Wert von 0,90 als Mindestmaß angesetzt, um auf eine gute Modellanpassung schließen zu können. Die beiden Werte berechnen sich wie folgt:532
� 0
FGFI 1F
� � � �k k 1AGFI 1 1 GFI
2 df�
� ��
� Der NFI und der CFI beurteilen die Anpassungsgüte eines Modells im Ver-gleich zu einem Basismodell, wobei der CFI eine Korrektur hinsichtlich der Anzahl an Freiheitsgraden in beiden Modellvarianten vornimmt.533 Für eine akzeptable Modellpassung sollte auch bei diesen beiden Gütekriterien ein Wert von mindestens 0,90 erreicht werden.534 Formal lassen sich diese wie folgt darstellen:535
2
r2
b
NFI 1�
��
� �� �
2
r r
2 2
b b r r
max df ;0CFI 1
max df ; df ;0
� � �
� � � �
531 Vgl. Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestandsauf-
nahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 167ff. 532 Wobei gilt: F = Minimalwert der Diskrepanzfunktion des betrachteten Modells F=0 = Wert der Diskrepanzfunktion für den Fall, dass die theoretische Kovarianzmatrix = 0 ist k = Anzahl der y- und x-Variablen df = Zahl der Freiheitsgrade 533 Als Basismodell wird dabei meist das besonders schlecht fittende ‚Independence model’ zugrunde
gelegt, in dem alle manifesten Variablen als unkorreliert angenommen werden. Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwen-dungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 381.
534 Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 381.
535 Wobei gilt: r
2 = 2 -Wert des untersuchten Modells b
2 = 2 -Wert des Basismodells dfr = Freiheitsgrade des untersuchten Modells dfb = Freiheitsgrade des Basismodells
147
� Der Root-Mean-Square-Error of Approximation (RMSEA) prüft, in welchem Maße ein Modell die Realität hinreichend gut approximiert, d.h. er zeigt, „how well would the model, with unknown but optimally chosen parameter values, fit the population covariance matrix if it were available“536. Werte unter 0,05 las-sen auf einen guten Fit, Werte zwischen 0,05 bis unter 0,08 auf einen akzep-tablen Fit und Werte zwischen 0,08 bis unter 0,10 auf einen mittelmäßigen Fit des Modells schließen.537 Der gemeinhin als einer der informativsten Indizes betrachtete RMSEA soll im Rahmen dieser Untersuchung den Wert 0,08 nicht überschreiten, um auf eine akzeptable Modellanpassung schließen zu kön-nen. Der RMSEA berechnet sich wie folgt538:
2 dfRMSEAdf(n 1)� �
�
An die Beurteilung der Anpassungsgüte eines Gesamtmodells sollte sich stets eine Beurteilung einzelner Komponenten eines Kausalmodells anschließen. Bagozzi und Yi weisen darauf hin, dass „it is possible that global measures of fit will indicate a satisfactory model but certain parameters corresponding to hypothesized relations may be nonsignificant and/or measures low in reliability may exist“539. Ferner gibt eine unzureichende Anpassung des Gesamtmodells noch keine Auskunft darüber, welche Teilstrukturen im Modell für die schlechte Anpassung verantwortlich sind. Aus diesen Gründen werden daher im Folgenden zusätzlich zu den bereits diskutierten, auf das Gesamtmodell bezogenen Maßgrößen, Gütekriterien für die Beurteilung von Teilstrukturen eines Modells diskutiert.
Diese Gütekriterien, auch Detailkriterien genannt, beurteilen im Wesentlichen die Reliabilität und Validität der einzelnen Parameterschätzungen des Mess- und des Strukturmodells. Bagozzi, Fritz und Homburg/Giering fordern im Kontext der Kausal-analyse neben der Berücksichtigung von Reliabilitätsaspekten insbesondere die
536 Browne, M.W., Cudeck, R. (1993), Alternative Ways of Assessing Model Fit, in: Bollen, K.A.,
Long, J.S. (Hrsg.): Testing Structural Equation Models, Newbury Park u.a., S. 445-455, S. 447. 537 Diese Grenzwerte basieren auf Empfehlungen von Browne/Cudeck. Vgl. Browne, M.W., Cudeck,
R. (1993), Alternative Ways of Assessing Model Fit, in: Bollen, K.A., Long, J.S. (Hrsg.): Testing Structural Equation Models, Newbury Park u.a., S. 445-455, S. 445ff.; vgl. ähnlich MacCallum, R.C., Browne, M.W., Sugawara, H.M. (1996), Power Analysis and determination of sample size for covariance structure modeling, in: Psychological Methods, 1, 2, S. 130-149, S. 130ff.
538 Wobei gilt: n = Stichprobenumfang df = Anzahl an Freiheitsgraden 539 Bagozzi, R.P., Yi, Y. (1988), On the Evaluation of Structural Equation Models, in: Journal of the
Academy of Marketing Science, 16, 1, S. 74-94, S. 80.
148
Erfüllung von Konvergenzvalidität, Diskriminanzvalidität sowie nomologischer Validität.540
Ein Messmodell wird als reliabel bezeichnet, wenn es bei wiederholter Messung derselben Eigenschaften an denselben Merkmalsträgern reproduzierbare Ergebnisse liefert.541 Somit ist die Reliabilität in erster Linie ein Maßstab für die Zuverlässigkeit eines Messinstrumentariums.
� Auf der Ebene der einzelnen Indikatoren wird dabei in der Marketingforschung häufig die Indikatorreliabilität als Maß dafür herangezogen, inwieweit die Varianz des betrachteten Indikators durch die Assoziation mit dem ihm zuge-ordneten Konstrukt erklärt wird.542 Die Indikatorreliabilität liegt für jeden Indikator in Form eines Bestimmtheitsmaßes R2 vor. Grundsätzlich sollten im Rahmen einer empirischen Untersuchung Indikatoren zum Zuge kommen, die ein nicht allzu geringes R2 aufweisen.543 Allerdings sind jedoch die kritischen Werte für ein noch tolerierbares R2 in hohem Maße vom Stichprobenumfang abhängig. Um auf Indikatorreliabilität schließen zu können, ist im Rahmen dieser Untersuchung bei einer zugrunde liegenden Stichprobengröße von n = 305 ein Wert von R2 von mindestens 0,40 zu erzielen.544 Die Indikatorre-liabilität wird wie folgt berechnet:545
� �2
ij jj2iij jj ii
IR x� �
� � � �
540 Vgl. Bagozzi, R.P. (1980), Causal Models in Marketing, New York, S. 114; Fritz, W. (1992),
Marktorientierte Unternehmensführung und Unternehmenserfolg, Stuttgart, S. 129; Homburg, C., Giering, A. (1996), Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte: Ein Leit-faden für die Marketingforschung, in: Marketing - ZFP, 18, 1, S. 5-24, S. 6ff.
541 Vgl. Norusis, M. (1992), SPSS/PC+, Professional Statistics, 5. Aufl., Chicago, S. 137ff. 542 Vgl. Homburg, C., Hildebrandt, L. (1998), Die Kausalanalyse: Bestandsaufnahme, Entwicklungs-
richtungen, Problemfelder, in: Hildebrandt, L., Homburg, C. (Hrsg.): Die Kausalanalyse: Instrument der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung, Stuttgart, S. 25.
543 Vgl. Bollen, K.A. (1989), Structural Equation Models with Latent Variables, New York, S. 288. 544 Simulationsstudien zeigen, dass bei einem Stichprobenumfang von 100 � n � 400, R2-Werte von
0,40 bis 0,60 erforderlich sind, um instabile Strukturgleichungsmodelle zu vermeiden. Vgl. Balderjahn, I. (1986a), Das umweltbewusste Konsumentenverhalten. Eine empirische Studie, Berlin, S. 117 und Balderjahn, I. (1986b), The Robustness of LISREL Unweighted Least Squares Estimation against Smal Sample Size in Confirmatory Factor Analysis Models, in: Gaul, W., Schader, M. (Hrsg.): Classification as a Tool of Research, Amsterdam, S. 3-10, S. 5f.
545 Wobei gilt: �ij = geschätzte Faktorladung �jj = geschätzte Varianz �ii = geschätzte Varianz des Messfehlers �i
149
� Ferner kann auf der Ebene des einzelnen Indikators anhand des t-Werts überprüft werden, ob sich die Faktorladung eines Indikators signifikant von Null unterscheidet. Der t-Wert entspricht dem Quotienten aus geschätzter Faktorladung und Standardfehler der Schätzung.546 Liegt dieser Quotient bei mindestens 1,645, ist eine von Null signifikante Unterscheidung gegeben (ein-seitiger Test auf dem 5%-Signifikanzniveau).547 Dieser Wert wird auch in der vorliegenden Arbeit als Schwellenwert angestrebt.
Neben der Feststellung, wie gut einzelne Indikatoren ein theoretisches Konstrukt messen, interessiert, wie gut das Konstrukt durch die Gesamtheit seiner Indikatoren erfasst wird. Informationen hierzu liefern die Faktorreliabilität, die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) und das Cronbach’s Alpha.548
� Die Faktorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) geben die Menge der Informationen an, die von einer Mehrzahl der Indika-toren gemeinsam für die Erfassung eines theoretischen Konstrukts in Relation zu den Messfehlern zur Verfügung stehen. Da die DEV auch die zur Verfügung stehenden Kovarianzen zwischen den Indikatorvariablen berück-sichtigt, kann dieses Gütekriterium zur Beurteilung der Menge an Gesamtinformationen, die zur Erfassung der latenten Variable eingesetzt wird, herangezogen werden.549 Grundsätzlich können die Maßgrößen Werte zwischen null und eins annehmen, wobei hohe Werte auf eine gute Anpassung des Modells an die Daten hindeuten. Die Faktorreliabilität berechnet sich wie folgt:550
546 Vgl. unter anderem Jöreskog, K.G. (1993), Testing Structural Equation Models, in: Bollen, K.A.,
Long, J.S. (Hrsg.): Testing Structural Equation Models, Newbury Park u.a., S. 294-316, S. 295ff. 547 Vgl. Homburg, C., Giering, A. (1996), Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer
Konstrukte: Ein Leitfaden für die Marketingforschung, in: Marketing - ZFP, 18, 1, S. 5-24, S. 12. 548 Vgl. Bagozzi, R.P., Baumgartner, H. (1994), The Evaluation of Structural Equation Models and
Hypothesis Testing, in: Bagozzi, R.P. (Hrsg.): Principles of Marketing Research, Cambridge, S. 386-422, S. 402; Fritz, W. (1995), Marketing-Management und Unternehmenserfolg, 2., überarb. Aufl., Stuttgart, S. 132ff.; Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausal-modellen. Bestandsaufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 170.
549 Vgl. Balderjahn, I. (1986a), Das umweltbewusste Konsumentenverhalten. Eine empirische Studie, Berlin, S. 118.
550 Hierbei gilt: k = Zahl der Indikatoren des Faktors
150
2k
ij jji 1
2j k k
ij jj iii 1 i 1
FR( )
� �� �
� �� � �
� � � � � �
�
� �
Damit von einer guten Modellgüte ausgegangen werden kann, wird in der Literatur ein Mindestwert bei der Faktorreliabilität von 0,6 gefordert.551 Für die DEV wird in der Literatur ein Schwellenwert von 0,5 vorgeschlagen, der auch im Rahmen dieser Arbeit angestrebt wird.552 Das Gütekriterium lässt sich formal wie folgt darstellen:
� �k
2
ij jji 1
k kj 2 2
ij jj iii 1 i 1
DEV
� ��
� � � �
�
� �
� Ein weiteres Instrument zur Evaluierung der Reliabilität stellt das Cronbach’s
Alpha dar. Es entspricht dem Mittelwert aller Korrelationen, die sich ergeben, wenn alle der latenten Variable zugerechneten Indikatoren auf alle möglichen Arten in zwei Hälften geteilt und anschließend die Summen der jeweils resul-tierenden Variablenhälften miteinander korreliert werden.553 Das Gütekriterium stellt somit ein Maß für die interne Konsistenz der Indikatoren eines Faktors dar und ist „certainly one of the most important and pervasive statistics in research involving test construction and use“554. Das Cronbach’s Alpha nimmt ebenfalls Werte zwischen null und eins an. Je näher der Wert bei eins liegt, desto höher ist die Reliabilität. In der Literatur orientiert man sich häufig an dem relativ strengen Mindestwert von 0,7, der auch im Rahmen dieser Arbeit
551 Bagozzi, R.P., Yi, Y. (1988), On the Evaluation of Structural Equation Models, in: Journal of the
Academy of Marketing Science, 16, 1, S. 74-94, S. 82; Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestandsaufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 170.
552 Vgl. Fornell, C., Larcker, D.F. (1981), Evaluating Structural Equation Models with Unobservable Variables and Measurement Errors, in: Journal of Marketing Research, 18, 1, S. 39-50, S. 46.
553 Vgl. Carmines, E., Zeller, R. (1979), Reliability and Validity Assessment, Newsbury Park, S. 45. 554 Cortina, J. (1993), What is Coefficient Alpha? An Examination of Theory and Applications, in:
Journal of Applied Psychology, 78, S. 98-104, S. 98. Vgl. ähnlich Carmines, E., Zeller, R. (1979), Reliability and Validity Assessment, Newsbury Park, S. 44; Peterson, R. (1994), A Meta-Analysis of Cronbach's Coefficient Alpha, in: Journal of Consumer Research, 21, 2, S. 381-391, S. 384.
151
als Schwellenwert gefordert wird.555 Das Cronbach’s Alpha errechnet sich wie folgt:556
k2
ii 1
2
t
k 1k 1
� �� � � � � � � � �
� �
�
Da Faktorreliabilität und DEV – im Gegensatz zu Cronbach’s Alpha – jedoch Mess-fehlereinflüsse berücksichtigen, sind diese grundsätzlich als die strengeren Kriterien anzusehen.557
Neben den soeben dargestellten Maßgrößen zur Beurteilung der Reliabilität einzelner Komponenten eines Kausalmodells stehen auch verschiedene Maße zur Evaluierung der Validität zur Verfügung. Letztere beschreiben die konzeptionelle Richtigkeit einer Messung, wohingegen Erstere Auskunft über die Fehlerfreiheit einer Messung ermöglichen. Im Rahmen der Untersuchung eines Kausalmodells unter Validitätsaspekten sind – wie bereits erwähnt – die Konvergenzvalidität, die Diskriminanzvalidität und die nomologische Validität von zentralem Interesse. Diese sollen im Folgenden näher erläutert werden.
� Bei der Konvergenzvalidität besteht das Interesse darin, inwieweit zwei oder mehr unterschiedliche Messungen desselben Konstrukts in Übereinstimmung sind558, d.h. konvergente Validität liegt dann vor, wenn alle dem Konstrukt zugeordneten Indikatoren so starke Beziehungen untereinander aufweisen, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie auch tatsächlich dasselbe Konstrukt messen559. Der Grad der Übereinstimmung der Indikatoren lässt
555 Vgl. Cortina, J. (1993), What is Coefficient Alpha? An Examination of Theory and Applications, in:
Journal of Applied Psychology, 78, S. 98-104, S. 101; Nunnally, J. (1978), Psychometric Theory, 2. Aufl., New York, S. 245.
556 Wobei gilt: �i
2 = Varianz des Indikators i (nicht identisch mit der Messfehlervarianz im Kausalmodell) �t
2 = Varianz der Summe aller Indikatoren des Faktors Vgl. zur Berechnung des Cronbach’s Alpha weiterführend Carmines, E., Zeller, R. (1979),
Reliability and Validity Assessment, Newsbury Park, S. 45; Cronbach, L. (1951), Coefficient Alpha and the Internal Structure of Tests, in: Psychometrika, 16, 3, S. 297-334, S. 299.
557 Vgl. Bagozzi, R.P. (1980), Causal Models in Marketing, New York, S. 128. 558 Vgl. Fornell, C., Tellis, G.J., Zinkhan, G.M. (1982), Validity Assessment: A Structural Equations
Approach Using Partial Least Squares, in: Walker, B. (Hrsg.): An Assessment of Marketing Thought and Practice, Chicago, S. 405-409, S. 405.
559 Vgl. Homburg, C., Giering, A. (1996), Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte: Ein Leitfaden für die Marketingforschung, in: Marketing - ZFP, 18, 1, S. 5-24, S. 7.
152
sich auch hier mittels der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) erfassen. Ist dabei die gemeinsame Varianz der Messindikatoren und des Konstrukts größer als der auf Messfehlereinflüssen zurückzuführende Varianzanteil, so kann von Konvergenzvalidität gesprochen werden. Neben der durchschnittlich erfassten Varianz wird ferner die Faktorreliabilität als ein Maß für Konver-genzvalidität angesehen. Somit erweisen sich beide Kennzahlen sowohl unter Reliabilitätsaspekten als auch Validitätsaspekten als wichtige Kriterien. In Be-zug auf die geforderten Mindestwerte dieser Maßzahlen sei auf die bereits festgelegten Werte verwiesen.
� Während die Konvergenzvalidität eine Aussage darüber zulässt, zu welchem Grad mehrere Messungen mit verschiedenen unabhängigen Messmethoden übereinstimmen, kann anhand der Diskriminanzvalidität festgestellt werden, inwieweit sich Messungen verschiedener Konstrukte – mit gleichen Messmodellen – unterscheiden. Diskriminanzvalidität liegt demnach vor, wenn sich für ein Konstrukt zeigen lässt, dass es andere Sachverhalte erfasst als andere Konstrukte. Die Beurteilung der Diskriminanzvalidität erfolgt in der Literatur häufig anhand des 2-Differenztests.560 In der vorliegenden Untersuchung soll jedoch das strengere Fornell-Larcker-Kriterium herangezogen werden.561 Dieses fordert, dass die DEV eines Faktors größer ist als die quadrierte Korrelation desselben Faktors mit einem anderen Faktor. Demnach kann Diskriminanzvalidität unterstellt werden, wenn jeder Faktor einen höheren Varianzanteil seiner Indikatoren als den Varianzanteil eines anderen Faktors erklären kann.
� Von nomologischer Validität wird gesprochen, wenn sich die theoretisch hergeleiteten Hypothesen in hohem Maße empirisch bestätigen lassen.562 Somit setzt eine Untersuchung der nomologischen Validität das Vorhanden-sein von Beziehungen zwischen einem übergeordneten theoretischen
560 Der 2-Differenztest basiert auf einem Vergleich zwischen dem ursprünglich aufgestellten und dem
spezielleren Messmodell, welches durch eine Fixierung der Korrelation zweier Faktoren auf den Wert 1 entsteht. Auf dem 5%-Niveau ist die Verschlechterung dann signifikant, wenn die Differenz zwischen den 2-Werten beider Modelle größer als 3,841 ausfällt. In diesem Fall kann auf Diskriminanzvalidität zwischen den beiden Faktoren geschlossen werden, da das speziellere Modell abgelehnt werden muss. Vgl. Homburg, C. (1995), Kundennähe von Industriegüter-unternehmen, Wiesbaden, S. 85.
561 Vgl. Fornell, C., Larcker, D.F. (1981), Evaluating Structural Equation Models with Unobservable Variables and Measurement Errors, in: Journal of Marketing Research, 18, 1, S. 39-50, S. 46.
562 Vgl. Bagozzi, R.P. (1979), The Role of Measurement in Theory Construction and Hypothesis Testing: Toward a Holistic Model, in: Ferrell, O., Brown, S., Lamb, C. (Hrsg.): Conceptual and Theoretical Developments in Marketing, Chicago, S. 15-33, S. 15ff.
153
Konstrukt und empirisch untersuchten Konstrukten voraus.563 Im Kontext der Kausalanalyse geht es bei der Evaluierung dieses Kriteriums in erster Linie um die Frage, in welchem Maße eine Veränderung der latenten endogenen Variablen durch eine Variation der latenten exogenen Variablen erklärt werden kann. Zur Beurteilung dieser im Strukturmodell abgebildeten Beziehung wird in praktischen Anwendungen meist der quadrierte multiple Korrelations-koeffizient (Squared Multiple Correlation – SMC) berechnet. Er beziffert den Anteil an Varianz der latenten endogenen Variable(n), der durch alle mit dieser in Beziehung stehenden latenten exogenen Variablen erklärt wird. Der SMC wird wie folgt berechnet:564
� � � �jj
j
j
SMC 1var
�� �
�
Die Maßzahl kann Werte zwischen null und eins annehmen, wobei die nomo-logische Validität umso höher ist, je stärker sie sich dem Wert eins annähert. Ein allgemein gültiger Richtwert für eine Mindestausprägung des Koeffizienten existiert bislang nicht. Die Evaluierung soll in dieser Arbeit in Abhängigkeit vom Untersuchungsziel (Teilmodell 1 und 2) nach einem abgestuften Anspruchsniveau erfolgen. Da es im Rahmen der Erklärung von Kundenzu-friedenheit im Einzelhandel darum geht, die Gesamtzufriedenheit möglichst vollständig zu erklären, wird im Rahmen dieses Teilmodells ein Mindestwert von 0,40 gefordert.565 Bei der Analyse der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und die Kundenprofitabilität soll ein Wert von 0,40 lediglich als wünschenswert betrachtet werden, da hier die grundsätzliche Prüfung von Kausalbeziehungen zwischen latenten Größen im Vordergrund steht und unterstellt werden kann, dass die betrachteten abhängigen Konstrukte noch von weiteren Faktoren beeinflusst werden.566
563 Vgl. Rueckert, R., Churchill, G. (1984), Reliability and Validity of Alternative Measures of
Channel Member Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, 21, 2, S. 226-233, S. 226. 564 Hierbei gilt: var (�j) = geschätzte Varianz des Konstrukts �j jj = geschätzte Varianz der zugehörigen Fehlervariablen j 565 Vgl. Homburg, C., Pflesser, C. (2000), Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen: Kausal-
analyse, in: Herrmann, A., Homburg, C. (Hrsg.): Marktforschung: Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, 2., akt. Aufl., Wiesbaden, S. 633-659, S. 652.
566 Die Auffassung, dass bei der Überprüfung bestimmter Kausalbeziehungen zwischen latenten Größen die Höhe des Koeffizienten nur eine untergeordnete Rolle spielt, vertreten auch Homburg/ Baumgartner. Vgl. Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen.
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
154
Tab. 7 zeigt eine zusammenfassende Darstellung der in den vorangegangenen Abschnitten erläuterten Beurteilungskriterien, die im Rahmen dieser Arbeit zur Bewertung der Kausalmodelle herangezogen werden. Aufgrund der hohen Komplexität der Beurteilung der Anpassungsgüte von Kausalmodellen bietet es sich an, zur Evaluation der Ergebnisse ein derartiges Prüfschema zu entwickeln. Es macht den Beurteilungsprozess transparent und nachvollziehbar, da es Aufschluss über die berücksichtigten Gütekriterien und die der Untersuchung zugrunde liegenden Mindestwerte für die Ausprägung der einzelnen Kriterien gewährt. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das im Rahmen der vorliegenden Arbeit angewandte Prüfschema weitestgehend mit dem von Homburg/Baumgartner entwickelten Kriterienraster zur Beurteilung von Kausalmodellen übereinstimmt; sowohl in Bezug auf die ausgewählten Gütekriterien, als auch in Bezug auf deren Anforderungsniveaus.567
Die Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung eines Modells soll sich in dieser Untersuchung an folgenden Kriterien orientieren:
1. Erfüllt das Modell die zentralen Basisanforderungen, wird es nur dann abgelehnt, wenn eines der ausgewählten Globalkriterien die geforderte Mindestausprägung unterschreitet und somit das Modell als Ganzes keine zufrieden stellende Anpassung an die empirischen Daten aufweist.
2. Liegt eine gute Gesamtanpassung des Modells vor, sollen in einem nächsten Schritt die einzelnen Detailkriterien einer Prüfung unterzogen werden. Da in der Forschungspraxis selbst in gut angepassten Gesamtmodellen oftmals nicht alle Detailkriterien erfüllt werden, soll auch in der vorliegenden Unter-suchung ein Modell erst dann abgelehnt werden, wenn über 50% der betrach-teten Detailkriterien nicht erfüllt sind.568
Bestandsaufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 171.
567 Vgl. Homburg, C., Baumgartner, H. (1995b), Beurteilung von Kausalmodellen. Bestands-aufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Marketing - ZFP, 17, 3, S. 162-176, S. 172.
568 Dieses Vorgehen deckt sich weitgehend mit dem in anderen Untersuchungen. Vgl. exemplarisch Vollmer, I. (2002), Die Loyalität unzufriedener Kunden: Determinanten und Implikationen, Wies-baden, S. 168; Ohlwein, M. (1999), Märkte für gebrauchte Güter, Wiesbaden, S. 232f.; Peter, S.I. (1999), Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, 2., überarb. u. akt. Aufl., Wiesbaden, S. 150; Fritz, W. (1992), Marktorientierte Unternehmensführung und Unternehmenserfolg, Stuttgart, S. 142.
Homburg weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht erforderlich ist, dass ein Kausalmodell alle Güteanforderungen erfüllt. Insbesondere das Unterschreiten einzelner lokaler Anpassungsmaße sollte nicht zu einem Verwerfen des Modells insgesamt führen. Vgl. Homburg, C., Pflesser, C. (2000), Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen: Kausalanalyse, in:
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
155
Beurteilungskriterien Anforderung
Verhältnis empirisch verfügbarer Informationen zur Anzahl zu schätzender Parameter 1
Verhältnis Stichprobenumfang zur Anzahl zu schätzender Parameter 5
Basis-anforderungen
Unsinnige Parameterschätzungen (Fehlspezifikation) Keine
2 / df � 3
GFI 0,9
AGFI 0,9
NFI 0,9
CFI 0,9
Globalkriterien
RMSEA � 0,8
Indikatorreliabilität 0,4
Signifikanztest der Faktorladungen t 1,645
Durchschnittlich erfasste Varianz 0,5
Faktorreliabilität 0,6
Mess-modell
Cronbach’s Alpha 0,7
Fornell-Larcker-Kriterium DEV (�j) > quadr. Korrelation (�j, �j) für alle i �j
Detailkriterien
Struktur-modell
Quadrierte multiple Korrelation 0,4569
Tabelle 7: Prüfschema zur Beurteilung von Kausalmodellen
Die Beschreibung der Kausalanalyse gilt damit als abgeschlossen. Als weiteres multivariates Verfahren wird in der vorliegenden Arbeit auch auf die exploratorische Faktorenanalyse zurückgegriffen. Ferner kommen univariate (Häufigkeitsvertei-lungen, Mittelwertvergleiche) und bivariate Verfahren (Korrelationsanalysen, Kreuztabellierungen) zum Einsatz, deren methodische Aspekte und Aussagekraft mit Bezug auf die jeweilige Fragestellung innerhalb der folgenden Ausführungen erläutert werden sollen.570
Herrmann, A., Homburg, C. (Hrsg.): Marktforschung: Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, 2., akt. Aufl., Wiesbaden, S. 633-659, S. 650ff.; Homburg, C., Baumgartner, H. (1998), Beur-teilung von Kausalmodellen - Bestandsaufnahme und Anwendungsempfehlungen, in: Hildebrandt, L., Homburg, C. (Hrsg.): Die Kausalanalyse - ein Instrument der empirischen betriebswirt-schaftlichen Forschung, Stuttgart, S. 343-369, S. 363; Homburg, C., Giering, A. (1998), Konzep-tualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte - Ein Leitfaden für die Marketing-forschung, in: Hildebrandt, L., Homburg, C. (Hrsg.): Die Kausalanalyse - Ein Instrument der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung, Stuttgart, S. 111-146, S. 124.
569 Bei der Analyse der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und Kunden-profitabilität wird dieser Wert lediglich als wünschenswert betrachtet.
570 Für die statistische Auswertung unter Anwendung oben genannter Verfahren wurde in dieser Arbeit das Softwarepaket SPSS (Statistical Product and Service Solution) in der Programmversion 13.0 eingesetzt.
156
1.3 Vorgehensweise der Analyse
Im Rahmen der empirischen Untersuchung werden in der vorliegenden Arbeit zwei getrennte Kausalmodelle evaluiert. Im ersten Modell wird die Bildung der Kundenzufriedenheit modelliert, im zweiten Modell die Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität. Da sich die beiden Kausalmodelle durch ein hohes Maß an Komplexität auszeichnen, wird bei der Analyse der jeweiligen Zusammenhänge schrittweise vorgegangen.
Im ersten Evaluierungsschritt wird das Messmodell untersucht. Dabei erfolgt eine separate Analyse der unabhängigen und abhängigen Variablen sowie des jeweils korrespondierenden Messinstrumentariums. Basierend auf den vorangegangenen Überlegungen wird an dieser Stelle auf die Operationalisierung der Konstrukte ein-gegangen. Dabei werden die herangezogenen Messskalen dargestellt, auf die bei der Indikatorenauswahl und –formulierung zurückgegriffen wird. Im Anschluss erfolgt eine explorative Faktorenanalyse, um die erhobenen Indikatoren im Hinblick auf die
Abbildung 17: Vorgehensweise zur Evaluierung von Kausalmodellen
Betrachtung des Messmodells
Beurteilung der Globalkriterien
Beurteilung der Detailkriterien
Betrachtung des Strukturmodells
Beurteilung der Globalkriterien
Beurteilung der Detailkriterien
Prüfung der Untersuchungshypothesen
1. Evaluierungsschritt
2. Evaluierungsschritt
3. Evaluierungsschritt
Explorative Faktorenanalyse
157
zugrunde liegende Faktorenstruktur zu untersuchen.571 Nach der Überprüfung der einzelnen Indikatoren mittels dieses multivariaten Verfahrens auf eine einfaktorielle bzw. mehrfaktorielle Faktorenstruktur, wird die konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt. In einem ersten Analyseschritt erfolgt eine Überprüfung der Basis-anforderungen, bevor im Anschluss die in Kap. C.1.2 erläuterten Global- und Detail-kriterien zur Anwendung kommen. Auf eine Prüfung der nomologischen Validität wird im Rahmen der Evaluation des Messmodells verzichtet, da diese Kennzahl bei der Betrachtung von einzelnen theoretischen Konstrukten im Messmodell nicht von Relevanz ist. Hauptziel dieses Untersuchungsschritts ist es somit, das Messmodell unter Berücksichtigung von Reliabilitäts- und Konvergenzvaliditätsaspekten zu überprüfen.572
Im zweiten Evaluierungsschritt wird das Strukturmodell untersucht. Dabei interes-sieren vor allen Dingen die Stärke des Zusammenhangs zwischen latenten exogenen und latenten endogenen Variablen sowie der Erklärungsbeitrag Ersterer am Anteil der Varianz Letzterer. Methodisch entspricht dieser Schritt somit einer Regressionsanalyse. Neben der Ermittlung der relativen Bedeutungsgewichte latenter exogener Variablen und dem quadrierten multiplen Korrelationskoeffizienten soll an dieser Stelle eine Bewertung des Modells dahingehend erfolgen, inwieweit sich die einzelnen Konstrukte auch tatsächlich voneinander unterscheiden. Dies erfolgt durch Bestimmung der Diskriminanzvalidität.
Im dritten und letzten Evaluierungsschritt der Kausalmodelle werden abschließend die in Kap. B.6 formulierten Hypothesen auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Mit dieser Prüfung der Untersuchungshypothesen ist die Evaluation der Kausal-modelle abgeschlossen. Abb. 17 veranschaulicht zusammenfassend die zur Unter-suchung der beiden Kausalmodelle notwendigen Evaluierungsschritte.
571 Entsprechend der in Kap. B.2 respektive Kap. B.3 dargelegten konzeptionellen Überlegungen sind
in diesem Zusammenhang die Kundenzufriedenheit (bei Betrachtung der zugrunde liegenden Dimensionen) und die Einstellungsloyalität als mehrfaktorielle Konstrukte einzustufen. Den anderen, im Rahmen dieser Untersuchung betrachteten Konstrukte, wird stattdessen eine ein-faktorielle Struktur unterstellt. Vgl. weiterführend zur Betrachtung ein- vs. mehrfaktorieller Kon-strukte Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kunden-loyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 120ff.
572 Bei der Untersuchung mehrfaktorieller Konstrukte erfolgt an dieser Stelle ferner eine Überprüfung der Diskriminanzvalidität auf Basis des in Kap. C.1.2 erläuterten Fornell-Larcker-Kriteriums.
158
2. Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit
Im folgenden Abschnitt werden die Kausalbeziehungen zwischen den Determinanten der Kundenzufriedenheit und der Gesamtzufriedenheit dargestellt. Dabei interessiert neben dem Gesamterklärungsbeitrag der zu Grunde gelegten Determinanten vor allen Dingen deren relative Bedeutung. Wie bereits dargestellt, erfolgt die Analyse schrittweise. Zunächst wird das Messmodell evaluiert und im Anschluss daran das Strukturmodell.
2.1 Untersuchung des Messmodells
Wie konzeptionell in Kap. C.1.2 dargestellt, müssen im Messmodell grundsätzlich sowohl die latenten exogenen als auch die latenten endogenen Variablen hinsichtlich Reliabilität und Validität evaluiert werden. Die bereits an verschiedenen Stellen diskutierten Dimensionen von Kundenzufriedenheit, „Preise“, „Ansprechpartner“, „Kundenkarte“, „Sortiment“ und „Verkaufsraum“, stellen im vorliegenden Fall die unabhängigen Variablen dar. Als abhängige Variable wird das Konstrukt „Gesamt-
zufriedenheit“ betrachtet.573 Die faktoranalytische Bewertung dieser sechs Variablen anhand der definierten Global- und Detailkriterien ist Gegenstand der sich anschlie-ßenden Ausführungen. Dabei werden zunächst die unabhängigen Variablen analysiert und im Anschluss daran die abhängige Variable Gesamtzufriedenheit.
Die multiattributive Operationalisierung der Kundenzufriedenheit basiert auf den in Kap. B.2.4 ausführlich dargestellten Kundenzufriedenheitsdimensionen. Als ein wesentlicher Bestimmungsfaktor wurde die Zufriedenheit mit dem Preis ausgewählt. Die Auswahl und Formulierung der entsprechenden Indikatoren erfolgte im Rahmen der empirischen Untersuchung in Anlehnung an einzelne Indikatorvariablen der Messskala von Gómez/McLaughlin/Wittnik.574 Als weitere Dimension wurde die Zufriedenheit mit dem Ansprechpartner identifiziert. Für die empirische Erfassung dieses Faktors im Kontext der vorliegenden Untersuchung wurde auf Indikatoren der Messskalen von Bänsch, Westbrook und Schuckel zurückgegriffen.575 Neben der Zufriedenheit mit dem Preis und dem Ansprechpartner wurde als eine weitere Deter-minante der Gesamtzufriedenheit die Zufriedenheit mit der Kundenkarte berück-sichtigt. Wie bereits dargelegt, bezieht sich diese in der vorliegenden Untersuchung 573 Kundenzufriedenheit entspricht somit einem Globalurteil, während die genannten Dimensionen der
Kundenzufriedenheit einzelnen Teilzufriedenheiten entsprechen. 574 Vgl. Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales
performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 270. 575 Vgl. Bänsch, A. (1995), Der ideale Verkäufer: Anspruch und Wirklichkeit. Ergebnisse und
Folgerungen einer empirischen Untersuchung, Arbeitspapier 8/95, Hamburg, S. 5; Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of Retailing, 57, 3, S. 68-85; S. 77; Schuckel, M. (1999), Bedienungsqualität im Einzelhandel, Stuttgart, S. 161.
159
auf die aus einer Mitgliedschaft im Kundenclub des Unternehmens resultierenden Vorteile (vgl. Kap. B.2.4). Die zur Messung herangezogene Indikatorvariable spiegelt dabei das in jüngerer Zeit im Einzelhandel verstärkt zu beobachtende „Couponing“ wider und lehnt sich an die Messskala von Gómez/McLaughlin/Wittnik an.576 Die Zufriedenheit mit dem Sortiment bezieht sich entsprechend dem in Kap. B.2.4 dargelegten Begriffsverständnis auf die Warenauswahl und die Warenaktualität. Die Gestaltung der Indikatorvariablen entspricht dieser Begriffsauffassung. Als Grund-lage für deren Auswahl wurden die Messskalen von Schwetje und Westbrook herangezogen.577 Ferner wurde in diesem Zusammenhang die zunehmende Bedeutung von Herstellermarken im Textilfacheinzelhandel berücksichtigt.578 Die letzte Zufriedenheitsdimension, die als weiterer wichtiger Bestimmungsfaktor der Kundenzufriedenheit im Einzelhandel anzusehen ist, stellt die Zufriedenheit mit dem Verkaufsraum dar. Entsprechend dem hier zu Grunde gelegten Verständnis bezieht sich diese auf die Orientierung im Verkaufsraum. Die Operationalisierung dieses Faktors erfolgte unter Berücksichtigung der Konzeptualisierung von Baker/
Parasuraman/Grewal/Voss.579 In Tab. 8 ist die der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegende multiattributive Operationalisierung der Kundenzufriedenheit auf Basis der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen dargestellt.
Im ersten Schritt der Betrachtung des Messmodells wird die Faktorenstruktur der Dimensionen der Kundenzufriedenheit identifiziert. Anhand der exploratorischen Faktorenanalyse soll hierbei die Übereinstimmung der theoretisch unterstellten mit
576 Vgl. Gómez, M.I., McLaughlin, E.W., Wittink, D.R. (2004), Customer satisfaction and retail sales
performance: an empirical investigation, in: Journal of Retailing, 80, 4, S. 265-278, S. 270. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine Bewertung der Reliabilität und Konvergenz-
validität der Zufriedenheitsdimension Kundenkarte entfällt, da diese in der vorliegenden Unter-suchung nur anhand eines Indikators gemessen wurde. Damit das Modell dennoch identifiziert werden konnte, war eine Fixierung der Messfehlervarianz der entsprechenden Variable erfor-derlich. Folglich wird das Konstrukt vollständig durch den betrachteten Indikator erfasst, was grundsätzlich als wenig wünschenswert anzusehen ist, jedoch aufgrund der gegebenen Datenlage unvermeidlich war. Vor diesem Hintergrund soll jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse diesem Umstand explizit Rechnung getragen werden. Vgl. zur Fixierung der Messfehlervarianz Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 359ff.; Böing, C. (2001), Erfolgsfaktoren im Business-to-Consumer E-Commerce, Wiesbaden, S. 105f. und S. 128.
577 Vgl. Schwetje, T. (1999), Kundenzufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei Dienstleistungen. Operationalisierung und Erklärung der Beziehungen am Beispiel des Handels, Wiesbaden, S. 161; Westbrook, R.A. (1981), Sources of Consumer Satisfaction with Retail Outlets, in: Journal of Retailing, 57, 3, S. 68-85, S. 79.
578 Vgl. zum Stellenwert von Herstellermarken im Textilfacheinzelhandel die Ausführungen in Kap. A.4 und Kap. B.3.4 dieser Arbeit.
579 Vgl. Baker, J., Parasuraman, A., Grewal, D., Voss, G.B. (2002), The Influence of Multiple Store Environment Cues on Perceived Merchandise Value and Patronage Intentions, in: Journal of Marketing, 66, 2, S. 120-141, S. 131.
160
der empirisch tatsächlich zu beobachtenden Faktorenstruktur überprüft werden. Die fünf Dimensionen werden somit zunächst derart betrachtet, als läge a priori keine hypothetische Faktorenstruktur vor.580
Latente Variablen (Faktoren) mit
Indikatoren Operationalisierung
Wie zufrieden sind Sie mit …
Preise (�1) x1
dem Preis-/Leistungsverhältnis bei X im Vergleich zu anderen Geschäf-ten, in denen Sie Bekleidung kaufen
x2
dem Preisniveau im Modehaus X im Vergleich zu anderen Geschäften, in denen Sie Bekleidung kaufen
Ansprechpartner (�2) x3 der Freundlichkeit der Ansprechpartner
x4 der Hilfsbereitschaft der Ansprechpartner
x5 der Höflichkeit der Ansprechpartner
Kundenkarte (�3) x6
den Rabatt-Gutscheinen, die Sie als Inhaber der Kundenkarte regelmäßig von X zugestellt bekommen
Sortiment (�4) x7 der Warenauswahl
x8 der (modischen) Aktualität der Bekleidung
x9 dem Markenangebot
Verkaufsraum (�5) x10 der Übersichtlichkeit in den Verkaufsräumen
x11 der Anordnung der Kleidung in den Verkaufsräumen
Tabelle 8: Operationalisierung der Dimensionen der Kundenzufriedenheit
Das Ergebnis der durchgeführten Varimax-Rotation ist in Tab. 9 dargestellt.581 Die exploratorische Faktorenanalyse belegt, dass fünf inhaltlich aussagekräftige,
580 Dies ist i.d.R. – und auch im Rahmen dieser Untersuchung – nicht der Fall, da konkrete An-
nahmen hinsichtlich des Forschungsobjekts bestehen. Vgl. Homburg, C., Giering, A. (1996), Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte: Ein Leitfaden für die Marketingforschung, in: Marketing - ZFP, 18, 1, S. 5-24, S. 10ff. Jedoch handelt es sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung meist um Mischformen und selten um rein exploratorische oder rein konfirmatorische Fragestellungen. Vgl. Braunstein, C. (2001), Einstellungsforschung und Kundenbindung: zur Erklärung des Treueverhaltens von Konsumenten, Wiesbaden, S. 120ff. Deshalb erscheint eine Kombination aus exploratorischem und konfirmatorischem Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als zielführend.
581 Zur Extraktion der Faktoren wurde in der vorliegenden Untersuchung die konservative Hauptkom-ponenten-Methode angewandt, die in der Startlösung eine perfekte Reproduktion der Korrelations-matrix der Variablen durch die Faktoren unterstellt und somit keine Manipulationsmöglichkeiten lässt, die in der alternativ gebräuchlichen Hauptachsenanalyse gegeben sind.
Die Ermittlung der Anzahl der zu extrahierenden Faktoren erfolgt in der Literatur meist nach dem so genannten Eigenwert- oder Kaiser-Kriterium, d.h. es werden nur so lange zusätzliche Faktoren
(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)
161
voneinander unabhängige Faktoren identifiziert werden können. Diese erklären 80,1% der Varianz der Einzelitems. Die Kundenzufriedenheitsdimensionen Preise, Ansprechpartner, Kundenkarte, Sortiment und Verkaufsraum können somit wie ange-nommen faktorenanalytisch bestätigt werden.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der exploratorischen Faktorenanalyse kann nun in einem weiteren Untersuchungsschritt die konfirmatorische Faktorenanalyse durch-geführt werden. Dabei zeigt sich zunächst, dass alle drei Basisanforderungen des Prüfschemas erfüllt werden. 31 zu schätzenden Parametern stehen 66 empirische Varianzen und Kovarianzen gegenüber. Das Modell ist somit identifizierbar. Des Weiteren beträgt das Verhältnis Stichprobenumfang zur Anzahl zu schätzender Parameter im vorliegenden Fall 9,8, d.h. der geforderte Mindestwert von fünf wird deutlich überschritten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass keine unsinnigen Parameterschätzungen auftreten. Die Basis für eine zuverlässige Schätzung der Modellparameter liegt somit vor.
extrahiert, wie der Eigenwert des neu gewonnenen Faktors größer als Eins ist. Mit diesem Ver-fahren wird versucht, eine Reduzierung der Anzahl der gewonnenen Faktoren auf möglichst wenige zugrunde liegende Faktoren zu erreichen und parallel dazu möglichst viel Varianz der Einzelitems zu erklären. Da die Zahl der extrahierten Faktoren jedoch von der Anzahl der Indi-katorvariablen abhängig ist, ist dieses Verfahren nicht in jedem Fall sinnvoll. So ist auch eine Re-duktion auf möglichst wenige Faktoren wegen der Komplexität des Konstrukts nicht hilfreich, wenn wie in der vorliegenden Untersuchung, auf eine komprimierte Skala mit 11 Indikatorvariablen zurückgegriffen wird. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber schlagen in diesem Zusammenhang vor, die Anzahl der Faktoren nach inhaltlichen Kriterien zu bestimmen und jene Lösung zu wählen, bei der die am besten interpretierbare und theoretisch begründbare Faktorlösung zustande kommt. Vgl. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 295ff. In der vorlie-genden Untersuchung wurde eine Lösung gewählt, bei der Faktor 4 mit 0,956 und Faktor 5 mit 0,762 das Eigenwert-Kriterium zwar nicht ganz erfüllt, die aber in Bezug auf den Untersuchungs-kontext inhaltlich gut interpretierbar ist.
Zur grundsätzlichen Eignung der Korrelationsmatrix für eine Anwendung der exploratorischen Faktorenanalyse wird der Bartlett-Test durchgeführt und das Kaiser-Mayer-Olkin-Kriterium be-stimmt. Während der Bartlett-Test prüft, ob die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit stammt, in der die Variablen unkorreliert sind, erlaubt das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium eine Einschätzung dahingehend, inwieweit die Zusammensetzung der Variablen sinnvoll in Bezug auf den zu über-prüfenden Sachverhalt ist. Beide Kriterien unterstreichen im vorliegenden Fall die gute Eignung des Datenmaterials für die Zwecke einer exploratorischen Faktorenanalyse.
Vgl. weiterführend zu den methodischen Aspekten der exploratorischen Faktorenanalyse Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 259ff.; Janssen, J., Laatz, W. (2005), Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows. Eine anwendungsorientierte Einführung in das Basissystem und das Modul Exakte Tests, 5., neu bearb. und erw. Aufl., Berlin, S. 497ff. und Hüttner, M., Schwarting, U. (2000), Exploratorische Faktorenanalyse, in: Herrmann, A., Homburg, C. (Hrsg.): Marktforschung: Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, 2., akt. Aufl., Wiebaden, S. 381-412, S. 381ff.
162
FaktorVariablen
1 2 3 4 5 Kommunalität
x1 0,784 0,758
x2 0,864 0,832
x3 0,903 0,866
x4 0,854 0,818
x5 0,876 0,825
x6 0,952 0,985
x7 0,807 0,754
x8 0,805 0,701
x9 0,795 0,709
x10 0,872 0,812
x11 0,797 0,753
Eigenwert 4,418 1,654 1,025 0,956 0,762
erklärter Varianzanteil 40,2% 15,0% 9,3% 8,7% 6,9%
Kumulierter Varianzanteil 40,2% 55,2% 64,5% 73,2% 80,1%
Bartlett’s Test of Sphericity = 1400,900 (Signifikanz nach Bartlett = 0,000)
Kaiser-Mayer-Olkin Measure of Sampling Adequacy = 0,817
Tabelle 9: Rotierte Faktorladungsmatrix der Dimensionen der Kundenzufriedenheit
Im Rahmen der detaillierten Bewertung des Modells sind im Folgenden zunächst die auf das Gesamtmodell bezogenen Globalkriterien heranzuziehen. Wie Tab. 10 zeigt, weisen die entsprechenden Anpassungsmaße auf einen guten „Fit“ des Modells hin. GFI, AGFI, NFI, RFI und CFI liegen mit Werten größer als 0,92 deutlich über dem erforderlichen Schwellenwert von 0,9 und auch der RMSEA liegt mit einer Ausprägung von 0,55 im Rahmen des geforderten Niveaus. Das Verhältnis von 2 / df beträgt 1,92 und ist damit unter dem zulässigen Höchstwert von drei.
Globalkriterien
Kriterium Ausprägung Mindestanforderung erfüllt
2 / df 1,920 �
RMSEA 0,055 �
GFI 0,962 �
AGFI 0,932 �
NFI 0,950 �
RFI 0,926 �
CFI 0,975 �
Tabelle 10: Globalkriterien des Messmodells der Dimensionen der Kundenzufriedenheit
163
Bei der Betrachtung der Detailkriterien kann zunächst konstatiert werden, dass die Indikatoren sämtlicher Faktoren Reliabilitätsausprägungen größer als 0,4 aufweisen und somit den gewünschten Schwellenwert übersteigen. Außerdem übersteigen Fak-torreliabilität, DEV und Cronbach’s Alpha in allen Fällen deutlich die zugrunde geleg-ten Anforderungskriterien. Die Evaluation der Detailkriterien des Messmodells zu den Dimensionen der Kundenzufriedenheit ist zusammenfassend in Tab. 11 dargestellt.
Latente Variablen mit Indikatoren
Faktor-ladung
Signifi-kanz
Indikator-reliabilität
Faktor-reliabilität
DEVCronbach
Alpha
Anspruch: 1,645
Anspruch: 0,4
Anspruch: 0,6
Anspruch: 0,5
Anspruch: 0,7
Preise (�1) 0,734 0,580 0,728 X1 �x11 = 0,790 1) 0,624
X2 �x21 = 0,732 9,614 0,536
Ansprechpartner (�2) 0,895 0,740 0,894 X3 �x32 = 0,885 1) 0,783
X4 �x42 = 0,848 18,400 0,719
X5 �x52 = 0,848 18,386 0,719
Kundenkarte (�3) (1,000) (1,000) (1,000) X6 �x63 = 1,000 1) 1,000
Sortiment (�4) 0,802 0,576 0,801 X7 �x74 = 0,814 1) 0,663
X8 �x84 = 0,717 11,725 0,514
X9 �x94 = 0,742 12,056 0,551
Verkaufsraum (�5) 0,724 0,569 0,717
x10 �x105 = 0,688 1) 0,473
x11 �x115 = 0,815 8,385 0,664
1) Da beim ersten Indikator jedes Faktors eine Fixierung des Pfadkoeffizienten erfolgt, wird kein Signifikanztest durchgeführt.
Tabelle 11: Detailkriterien zu den Dimensionen der Kundenzufriedenheit
Nachdem die mehrfaktorielle Struktur der Dimensionen der Kundenzufriedenheit hinsichtlich Reliabilität und Konvergenzvalidität bestätigt werden konnte, besteht bei mehrfaktoriellen Konstrukten darüber hinaus die Notwendigkeit, die Faktoren in Bezug auf Diskriminanzvalidität zu bewerten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass es sich bei den betrachteten Faktoren tatsächlich um verschiedene Facetten eines übergeordneten Konstrukts handelt. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird hierzu das Fornell-Larcker-Kriterium angewandt.582 Da jeder Faktor einen höheren Varianzanteil seiner Indikatoren als den Varianzanteil eines 582 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. C.1.2
164
anderen Faktors erklären kann, kann im vorliegenden Fall Diskriminanzvalidität unterstellt werden. Die Gegenüberstellung von DEV und quadrierten Korrelationen der Faktoren ist in Tab. 12 zusammenfassend dargestellt. Mit der Überprüfung der Diskriminanzvalidität ist die Bewertung des Messinstrumentariums der Dimensionen der Kundenzufriedenheit abgeschlossen.
Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die unabhängigen Variablen des Kausalmodells hinsichtlich Reliabilität, Konvergenzvalidität und Diskriminanzvalidität überprüft wurden, gilt es nun in einem nächsten Untersuchungsschritt das Messmodell der abhängigen Variable Gesamtzufriedenheit zu überprüfen und zu bewerten.
�1 �2 �3 �4 �5
DEV 0,580 0,740 (1,000) 0,576 0,569
Preise (�1) 0,580
Ansprechpartner (�2) 0,740 0,286
Kundenkarte (�3) (1,000) 0,160 0,069
Sortiment (�4) 0,576 0,319 0,154 0,089
Verkaufsraum (�5) 0,569 0,242 0,123 0,123 0,371
Tabelle 12: Diskriminanzvalidität zu den Dimensionen der Kundenzufriedenheit
Entsprechend der in Kap. B.2.1 dargelegten Definition wird die wahrgenommene Gesamtzufriedenheit im Rahmen der empirischen Erhebung unter Bezugnahme auf ein entsprechendes Globalurteil der Befragungsteilnehmer erfasst. Dabei erfolgte eine enge Anlehnung an die Messung von Globalzufriedenheit bei Herrmann et.al. und Giering.583 In Tab. 13 ist zusammenfassend die dieser Arbeit zugrunde liegende Operationalisierung der Gesamtzufriedenheit dargestellt.
Latente Variable mit Indikatoren
Operationalisierung
Gesamtzufriedenheit (�1) y1 Mit den Leistungen des Modehaus X bin ich sehr zufrieden. y2 Das Modehaus X entspricht voll und ganz meinen Erwartungen. y3 Das Modehaus X bietet mir genau das, was ich brauche. y4 Ich bin voll und ganz vom Modehaus X überzeugt.
Tabelle 13: Operationalisierung der Gesamtzufriedenheit
583 Vgl. hierzu Herrmann, A., Huber, F., Braunstein, C. (2000), Ein Erklärungsansatz der Kunden-
bindung unter Berücksichtigung der wahrgenommenen Handlungskontrolle, in: Die Betriebs-wirtschaft, 60, 3, S. 293-313, S. 302; Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kunden-zufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 160.
165
Auf Basis der exploratorischen Faktorenanalyse der vier Indikatorvariablen ist ein Faktor identifizierbar, welcher 74,8% der Varianz der Einzelitems aufklärt.584 Bei den zugrunde gelegten Indikatoren ist der Bartlett-Test mit einem 2 von 674,2 hoch-signifikant und das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium erzielt einen Wert von 0,832. Beide Kriterien unterstreichen die gute Eignung der Stichprobe für die Durchführung einer exploratorischen Faktorenanalyse. Es ist festzuhalten, dass die vier Indikator-variablen eindeutig dem entsprechenden Faktor zugeordnet werden können und somit die theoretisch postulierte Faktorenstruktur des Konstrukts Gesamt-zufriedenheit bestätigt werden kann.
Die Durchführung der konfirmatorischen Faktorenanalyse zeigt zunächst, dass alle drei Basisanforderungen erfüllt werden. Acht zu schätzenden Parametern stehen zehn empirische Varianzen und Kovarianzen gegenüber, so dass die an das Messmodell gestellte notwendige Bedingung der Modellidentifikation erfüllt ist. Das Verhältnis Stichprobengröße zur Anzahl zu schätzender Parameter beträgt 23,1 und übertrifft damit den erforderlichen Schwellenwert. Da ferner keine unsinnigen Parameterschätzungen auftreten, können die an das Messmodell gestellten Basisanforderungen als erfüllt angesehen werden.
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend kann im Folgenden die Bewertung der Global-maße erfolgen. Dabei zeigt sich, dass die Anpassungsmaße GFI, AGFI, NFI, RFI und CFI mit Werten jeweils größer als 0,95 deutlich über dem geforderten Schwellenwert von 0,9 liegen. Der RMSEA unterschreitet mit einem Wert von 0,079 den zulässigen Höchstwert. Auch das Verhältnis 2 / df liegt mit 2,881 unter dem zugrunde gelegten Höchstwert von drei. Die betrachteten Globalkriterien weisen folglich auf eine gute Anpassung des Modells an die empirischen Informationen hin. Diese sind zusammenfassend in Tab. 14 dargestellt.
584 Die Extraktion des Faktors erfolgte wiederum unter Anwendung der Hauptkomponenten-Methode
auf Grundlage der Varimax-Rotation.
166
Globalkriterien
Kriterium Ausprägung Mindestanforderung erfüllt
2 / df 2,881 �
RMSEA 0,079 �
GFI 0,990 �
AGFI 0,951 �
NFI 0,992 �
RFI 0,975 �
CFI 0,994 �
Tabelle 14: Globalkriterien des Messmodells der Globalzufriedenheit
Die Betrachtung der Detailkriterien offenbart, dass auch diese sehr zufrieden stellende Werte aufweisen. Die geforderte Reliabilitätsausprägung von 0,4 wird mit Werten von jeweils über 0,5 in allen vier Fällen deutlich überschritten. Darüber hinaus sind alle betrachteten Faktorladungen signifikant. Auch die faktorbezogenen Kriterien Faktorreliabilität (0,888), DEV (0,666) und Cronbach’s Alpha (0,887) über-treffen eindeutig ihren jeweiligen Schwellenwert. Insgesamt kann dem Konstrukt Gesamtzufriedenheit somit ein hohes Maß an Reliabilität und Konvergenzvalidität bescheinigt werden. Tab. 15 stellt die Ergebnisse zusammenfassend dar.
Latente Variable mit Indikatoren
Faktor-ladung
Signifi-kanz
Indikator-reliabilität
Faktor-reliabilität
DEVCronbach
Alpha
Anspruch: 1,645
Anspruch: 0,4
Anspruch: 0,6
Anspruch: 0,5
Anspruch: 0,7
Gesamtzufrie- denheit (�1) 0,888 0,666 0,887
Y1 �y11 = 0,781 1) 0,610
Y2 �y21 = 0,864 15,784 0,746
Y3 �y31 = 0,770 13,912 0,593
Y4 �y41 = 0,845 15,445 0,714
Tabelle 15: Detailkriterien der Gesamtzufriedenheit
Mit der Evaluation der abhängigen Variable Gesamtzufriedenheit ist die Betrachtung des Messmodells zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit abge-schlossen. Im Folgenden sollen die Erkenntnisse des ersten Untersuchungsschritts zusammenfassend beurteilt werden.
Wie in Kap. C.1.3 erläutert, setzt die Annahme eines Messmodells neben der Erfüllung der Basisanforderungen die hundertprozentige Erfüllung der Global- und
167
die mindestens fünfzigprozentige Erfüllung der Detailkriterien voraus. Tab. 16 zeigt, dass diese Forderung in allen Modellen erfüllt und daher keines der Modelle abzulehnen ist.585 Das Messmodell zur Analyse der Determinanten der Kunden-zufriedenheit kann vor diesem Hintergrund insgesamt als zuverlässig betrachtet werden. Die Voraussetzungen für vernünftige Parameterschätzungen im Rahmen der sich anschließenden Analyse des Strukturmodells sind damit gegeben.
FaktorAnzahl
Indikatoren Basisanforder-ungen erfüllt
Globalkriterien erfüllt
Detailkriterien erfüllt
Preise 2 100%
Ansprechpartner 3 100%
Kundenkarte 1 n. a.
Sortiment 3 100%
Verkaufsraum 2
100% 100%
100%
Gesamtzufriedenheit 4 100% 100% 100%
Tabelle 16: Zusammenfassende Bewertung des Messmodells
2.2 Untersuchung des Strukturmodells
Aufbauend auf der Untersuchung des Messmodells soll in einem weiteren Untersuchungsschritt das gesamte Kausalmodell evaluiert werden. Dabei gilt es in erster Linie den postulierten Zusammenhang zwischen den exogenen Variablen (Zufriedenheitsdimensionen) und der endogenen Variable (Gesamtzufriedenheit) sowie den Erklärungsbeitrag Ersterer am Anteil der Varianz Letzterer zu bewerten. Diese Kausalzusammenhänge sind im Strukturmodell dargestellt. Entsprechend der in Kap. C.1.3 erläuterten Vorgehensweise werden zur Evaluation des Struktur-modells wiederum zunächst die an das Modell gestellten Basisanforderungen überprüft, bevor im Anschluss daran eine Bewertung der entsprechenden Global- und Detailkriterien erfolgen kann.
Bei der Betrachtung des Gesamtmodells zeigt sich, dass die formulierte Voraus-setzung zur Modellidentifikation gegeben ist. 44 zu schätzenden Parametern stehen insgesamt 120 verfügbare Varianzen und Kovarianzen gegenüber. Das Verhältnis Stichprobenumfang zur Anzahl zu schätzender Parameter beträgt 6,93 und liegt damit über der erforderlichen Mindestausprägung von 5. Unsinnige Schätz-ergebnisse können nicht identifiziert werden. Es bleibt festzuhalten, dass alle relevanten Basisanforderungen im vorliegenden Kausalmodell erfüllt werden. 585 Da in der vorliegenden Untersuchung die Erfassung der Zufriedenheit mit der Kundenkarte nur
anhand einer Indikatorvariable erfolgte, war eine Beurteilung der Detailkriterien für diesen Faktor nicht möglich.
168
Neben der Überprüfung der Basisanforderungen gilt es in einem nächsten Schritt die auf das Gesamtmodell bezogenen Globalkriterien zu bewerten. Diese sind in Tab. 17 zusammenfassend dargestellt. Es zeigt sich, dass alle Globalkriterien in hohem Maße erfüllt werden. Das Verhältnis von 2 / df beträgt im vorliegenden Fall 1,958 und liegt damit deutlich unter dem Schwellenwert von drei. Der RMSEA unterschreitet mit einem Wert von 0,056 den zulässigen Höchstwert von 0,8. Die Kriterien GFI, AGFI, NFI, RFI und CFI liegen mit Ausprägungen jeweils größer als 0,9 über dem jeweiligen Anforderungsniveau. Insgesamt weisen somit alle globalen Anpassungsmaße auf einen guten „Fit“ des Strukturmodells hin.
Globalkriterien
Kriterium Ausprägung Mindestanforderung erfüllt
2 / df 1,958 �
RMSEA 0,056 �
GFI 0,938 �
AGFI 0,903 �
NFI 0,939 �
RFI 0,916 �
CFI 0,969 �
Tabelle 17: Globalkriterien des Kausalmodells zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit
Die Bewertung der Detailkriterien hinsichtlich Reliabilität, Konvergenzvalidität und Diskriminanzvalidität erfolgte bereits in Kap. C.2.1. Aus diesem Grund soll daher an dieser Stelle lediglich das im Rahmen der Evaluation des Strukturmodells relevante lokale Anpassungsmaß der nomologischen Validität beurteilt werden. Zur Evaluation der nomologischen Validität des Modells wird in dieser Arbeit der SMC der abhängigen Variable Gesamtzufriedenheit betrachtet. Dieser liegt im untersuchten Modell mit einem Wert von 0,703 deutlich über der geforderten Mindestausprägung von 0,4. Somit kann in der vorliegenden Untersuchung nomologische Validität unter-stellt werden.
Es bleibt festzuhalten, dass das betrachtete Modell sämtliche Prüfkriterien erfüllt und damit eine gute Anpassung des Modells an die empirischen Daten vorliegt. Das aus einem theoretischen Kontext abgeleitete Messinstrumentarium für die Erfassung der Kundenzufriedenheit im Facheinzelhandel kann somit als sehr solide angesehen werden. Das zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit spezifizierte Modell und die sich daraus ergebenden standardisierten Strukturkoeffizienten sind in
169
Abb. 18 dargestellt.586 Die Ausprägung des jeweiligen Strukturkoeffizienten weist darauf hin, wie stark der relative Einfluss des jeweiligen Faktors auf die Gesamt-zufriedenheit ist. Die aus der Untersuchung des Strukturmodells gewonnenen Erkenntnisse sollen im folgenden Abschnitt interpretiert werden.
Abbildung 18: Kausalmodell zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit
2.3 Ergebnis der Hypothesenprüfung
Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse können die in Kap. B.6 formulierten Untersuchungshypothesen H1 bis H7 abschließend bewertet werden. Ein wesentliches Ziel des ersten Untersuchungsabschnitts bestand darin, anhand der identifizierten Einflussfaktoren Kundenzufriedenheit im Facheinzelhandel möglichst vollständig zu erklären. Vor diesem Hintergrund wurde gefordert, dass der quadrierte multiple Korrelationskoeffizient (SMC) eine Ausprägung größer als 0,4 aufweist. Im betrachteten Modell nimmt dieser einen Wert von 0,703 an, womit Hypothese H1 bestätigt werden kann.
586 Auf die Darstellung der Korrelationsbeziehungen zwischen den sechs latenten exogenen Vari-
ablen wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit in Abb. 18 verzichtet. Im Rahmen der Spezifikation und Auswertung des Kausalmodells wurden diese jedoch explizit berücksichtigt. Ferner wurde auf die Darstellung der Beziehungen zwischen den latenten Variablen und den jeweiligen Indikatoren verzichtet. Die standardisierten Schätzwerte lauten wie folgt: �x1 = 0,789, �x2 = 0,734, �x3 = 0,888, �x4 = 0,849, �x5 = 0,842, �x6 = 1,000, �x7 = 0,840, �x8 = 0,704, �x9 = 0,724, �x10 = 0,688, �x11 = 0,814, �y1 = 0,786, �y2 = 0,847, �y3 = 0,779, �y4 = 0,854.
y1
Preise
Ansprechpartner
Kundenkarte
Verkaufsraum
1
SMC = 0,703
�1 = 0,241
�2 = 0,293
�3 = 0,150
�4 = 0,266
�5 = 0,174
Ansprechpartner
Sortiment
Kundenkarte Globalzufriedenheit
y2
y3
y4
x1
x2
x3
x4
x5
x6
x7
x8
x9
x10
x11
�5
�4
�2
�1
�9
�11
�10
�8
�7
�6
�5
�4
�3
�2
�1
170
Ferner wurde postuliert, dass die einzelnen Dimensionen der Kundenzufriedenheit einen signifikant positiven Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit ausüben. Die Hypo-thesen H2 bis H6 beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die im Modell geschätzten Strukturkoeffizienten. Diese belegen mit Ausprägungen von 0,150 bis 0,293, dass grundsätzlich allen Determinanten eine positive Wirkung auf die Gesamt-zufriedenheit unterstellt werden kann. Somit können auch die Hypothesen H2, H3, H4, H5 und H6 als bestätigt angesehen werden. Das Ergebnis der Hypothesenprüfung ist in Tab. 18 zusammenfassend dargestellt.587
Hypothese Postulierte Ausprägung
des Strukturkoeffizienten Tatsächliche Ausprägung des Strukturkoeffizienten
Hypothese durch Ergebnis bestätigt
H1 SMCGlobalzufriedenheit > 0,4 SMCGlobalzufriedenheit = 0,703 �
H2 �1 > 0; t 1,645 �1 = 0,241; t = 3,156 �
H3 �2 > 0; t 1,645 �2 = 0,293; t = 5,278 �
H4 �3 > 0; t 1,645 �3 = 0,150; t = 3,275 �
H5 �4 > 0; t 1,645 �4 = 0,266; t = 3,756 �
H6 �5 > 0; t 1,645 �5 = 0,174; t = 2,519 �
Tabelle 18: Ergebnis der Hypothesenprüfung zur Kundenzufriedenheit
Eine detaillierte Betrachtung der Strukturkoeffizienten offenbart weitere zentrale Erkenntnisse. Zwar übt – wie bereits erwähnt – jede der fünf Determinanten einen signifikant positiven Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit aus, dieser variiert jedoch deutlich zwischen den einzelnen Faktoren. Im Folgenden werden daher die einzelnen Dimensionen der Kundenzufriedenheit in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für die Gesamtzufriedenheit dargestellt und erläutert.
� Hervorzuheben ist zunächst der hohe Strukturkoeffizient der Dimension Ansprechpartner (�2 = 0,293). Diese Zufriedenheitsdimension wird bestimmt durch die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit des Personals und stellt im vorliegenden Untersuchungskontext die bedeutendste Einflussgröße auf die Gesamtzufriedenheit dar.
� Die hohe Bedeutung des Sortiments für die Zufriedenheit im Textilfach-einzelhandel bestätigt der Strukturkoeffizient �4 (0,266). Die Sortimentszu-friedenheit zeichnet sich in erster Linie durch die Warenauswahl aus. Ferner
587 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das hier erzielte Ergebnis sowohl in Bezug auf
den Erklärungsumfang der betrachteten Variablen als auch auf die Ausprägung der jeweiligen Strukturkoeffizienten nur situationsspezifisch Gültigkeit besitzt. Allgemeine Gültigkeit der berech-neten Parameter, z.B. für den Einzelhandel insgesamt, kann aufgrund der Fokussierung auf den Betriebstyp Fachgeschäft in der vorliegenden Untersuchung nicht gefordert werden.
171
wird sie durch das Markenangebot und die modische Aktualität des Angebots bestimmt.
� Die Dimension Preise (�1 = 0,241) charakterisiert sich durch das wahrge-nommene Preis-Leistungs-Verhältnis und die generelle Wahrnehmung des Preisniveaus im Vergleich zu anderen Geschäften. Interessant erscheint der in Bezug auf die Zufriedenheit mit dem Ansprechpartner sowie die Zufriedenheit mit dem Sortiment vergleichsweise hohe Strukturkoeffizient. Dieser unterstreicht eine zunehmende Bedeutung von Preisaspekten im Textil-facheinzelhandel.
� An vierter Stelle steht die Zufriedenheit mit dem Verkaufsraum (�5 = 0,174), die sich in der vorliegenden Untersuchung auf die Übersichtlichkeit und die Anordnung der Kleidung bezieht.
� An letzter Stelle steht – jedoch immer noch mit hochsignifikantem Bedeu-tungsgewicht – die Zufriedenheit mit der Kundenkarte (�3 = 0,150), in welcher die Wahrnehmung der regelmäßig versandten Rabattgutscheine zum Ausdruck kommt.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass bei der hier dargestellten Bedeutungs-gewichtung der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen der situationsspezifische
Kontext zu berücksichtigen ist. So ist nicht zu erwarten, dass die absoluten und relativen Ausprägungen der Strukturkoeffizienten bei anderen Betriebsformen ebenso aufzufinden sind. Da die fünf Dimensionen jedoch aus einem übergeordneten theoretischen Kontext des Einzelhandels generell abgeleitet wurden, ist davon auszugehen, dass diese auch bei der Betrachtung weiterer Betriebstypen einen entscheidenden Anteil der Kundenzufriedenheit erklären. Damit ist die Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit abgeschlossen.
3. Analyse der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität
und Kundenprofitabilität
In diesem Kapitel werden die Kausalbeziehungen zwischen der Kundenzufriedenheit, der Kundenloyalität und der Kundenprofitabilität im Rahmen der Wirkungskette Kundenbindung analysiert. Primäres Ziel dabei ist es, den postulierten positiven Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und deren Einfluss auf die Kundenprofitabilität empirisch zu belegen. Der Erklärungsbeitrag der unabhängigen an den jeweiligen abhängigen Konstrukten ist in diesem Zusammenhang von sekundärem Interesse. Ähnlich dem Vorgehen bei der Betrachtung des Kausal-modells zur Analyse der Determinanten der Kundenzufriedenheit sollen wiederum
172
zunächst das Messmodell und im Anschluss daran das Strukturmodell betrachtet werden.
3.1 Untersuchung des Messmodells
Entsprechend der in Kap. C.1.3 erläuterten Vorgehensweise erfordert die Evaluation eines Messmodells die Untersuchung aller berücksichtigten latenten exogenen und endogenen Variablen in Bezug auf Reliabilität und Validität. Im vorliegenden Fall handelt es sich hierbei um die unabhängige Variable Gesamtzufriedenheit und die drei abhängigen Variablen Einstellungsloyalität, Verhaltensloyalität und Kunden-
profitabilität. Da das Messinstrumentarium des Konstrukts Gesamtzufriedenheit bereits in Kap. C.2.1 bewertet wurde, soll es an dieser Stelle nicht erneut einer Evaluation unterzogen werden. Im Folgenden sind somit die beiden Dimensionen des Konstrukts Kundenloyalität sowie das Konstrukt Kundenprofitabilität hinsichtlich der definierten Gütekriterien faktoranalytisch zu bewerten.588
Wie in Kap. B.3 konzeptionell begründet, wurden bei der Erfassung des Konstrukts Einstellungsloyalität zwei Aspekte berücksichtigt. Einerseits wurde im Rahmen der empirischen Erhebung die Weiterempfehlungsabsicht des Kunden, andererseits die Wiederkaufabsicht des Kunden ermittelt. Die Operationalisierung der beiden latenten Variablen ist in Tab. 19 dargestellt. Die Formulierung der entsprechenden Indikatoren erfolgte in Anlehnung an die Messskala von Giering und unter Anpassung an den hier betrachteten Untersuchungskontext.589
Auf dieser Operationalisierung aufbauend kann nun die faktoranalytische Bewertung der Einstellungsloyalität erfolgen. Da diese in der vorliegenden Untersuchung als zweifaktorielles Konstrukt konzeptualisiert wurde, sind in einem ersten Analyseschritt alle Indikatorvariablen einer exploratorischen Faktorenanalyse zu unterziehen. Damit wird das Ziel verfolgt, die empirisch beobachtbare Faktorenstruktur auf Deckungsgleichheit mit der theoretisch unterstellten zu überprüfen. Tab. 20 zeigt das Ergebnis der exploratorischen Faktorenanalyse.590 Es ist festzuhalten, dass die fünf 588 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Bewertung der Reliabilität und Konvergenz-
validität der Konstrukte Verhaltensloyalität und Kundenprofitabilität entfällt, da im Rahmen dieser Untersuchung unterstellt wird, dass die beiden Konstrukte eindeutig durch die entsprechenden Variablen operationalisiert werden können. Folglich wurde bei der Spezifikation des Modells an der entsprechenden Stelle eine Fixierung der Messfehlervarianz durchgeführt. Vgl. in diesem Zu-sammenhang die Anmerkungen im Rahmen der Untersuchung des Messmodells des Konstrukts Kundenkarte in Kap. C.2.1 und die dort angegebenen Quellen.
589 Vgl. Giering, A. (2000), Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 161.
590 Die exploratorische Faktorenanalyse erfolgte hierbei wiederum auf Basis der Varimax-Rotation. Dabei wurde eine Lösung gewählt, bei der Faktor 2 mit 0,951 das Eigenwert-Kriterium zwar nicht ganz erfüllt, die aber in Bezug auf den Untersuchungskontext inhaltlich gut interpretierbar ist.
173
Indikatorvariablen eindeutig dem entsprechenden Faktor zugeordnet werden können und somit die theoretisch postulierte Faktorenstruktur des Konstrukts Einstellungs-loyalität bestätigt werden kann.
Latente Variablen mit Indikatoren
Operationalisierung
Weiterempfehlungs-absicht (�1)
y1
Ich werde meinen Freunden und Bekannten von den Vorzügen des Modehaus X erzählen.
y2
Von meinen guten Erfahrungen mit dem Modehaus X sollen auch andere erfahren.
y3
Ich habe die Absicht, das Modehaus X anderen Personen weiterzuemp-fehlen.
Wiederkaufabsicht (�2) y4 Ich beabsichtige nicht, meine Kleidung künftig woanders zu kaufen.
y5
Ich denke nicht, dass ich bei meinem nächsten Einkauf ein anderes Ge-schäft ausprobiere.
Tabelle 19: Operationalisierung der Einstellungsloyalität
Basierend auf diesen Erkenntnissen kann nun in einem nächsten Untersuchungs-schritt die konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt werden. Dabei gilt es zunächst, die an die Modellbestimmung gestellten Basisanforderungen zu über-prüfen. 11 zu schätzenden Parametern stehen 15 verfügbare empirische Infor-mationen gegenüber. Somit ist das Modell identifizierbar. Die Stichprobe ist um das
FaktorVariable
1 2 Kommunalität
y1 0,904 0,863
y2 0,857 0,812
y3 0,863 0,822
y4 0,917 0,897
y5 0,896 0,888
Eigenwert 3,331 0,951
Erklärter Varianzanteil 66,6% 19,0%
kumulierter Varianzanteil 66,6% 85,6%
Bartlett’s Test of Sphericity = 953,701 (Signifikanz nach Bartlett = 0,000)
Kaiser-Mayer-Olkin Measure of Sampling Adequacy = 0,777
Tabelle 20: Rotierte Faktorladungsmatrix zu Variablen der Einstellungsloyalität
174
27,7-fache größer als die Anzahl unbekannter Parameter. Folglich wird auch bei diesem Kriterium der gewünschte Schwellenwert deutlich übertroffen. Da darüber hinaus keine unsinnigen Schätzergebnisse zu beobachten sind, ist die Basis für eine zuverlässige Schätzung der Parameterwerte gegeben.
Die aus der konfirmatorischen Faktorenanalyse resultierenden Globalkriterien sind zusammenfassend in Tab. 21 dargestellt. Es zeigt sich, dass alle globalen Gütekriterien in hohem Maße erfüllt werden. Das Verhältnis von 2 zur Anzahl an Freiheitsgraden liegt mit einem Wert von 1,474 deutlich unter dem zulässigen Höchstwert von drei. Der RMSEA weist mit einer Ausprägung von 0,040 auf eine gute Approximation des Modells an die Realität hin. GFI, AGFI, NFI, RFI und CFI übertreffen mit Werten jeweils größer als 0,97 deutlich den geforderten Mindestwert von 0,9. Die globalen Anpassungsmaße weisen somit auf einen sehr guten „Fit“ des spezifizierten Modells hin.
Globalkriterien
Kriterium Ausprägung Mindestanforderung erfüllt
2 / df 1,474 �
RMSEA 0,040 �
GFI 0,993 �
AGFI 0,972 �
NFI 0,994 �
RFI 0,985 �
CFI 0,998 �
Tabelle 21: Globalkriterien des Messmodells der Einstellungsloyalität
Auch die Bewertung der Detailkriterien fällt – wie Tab. 22 zeigt – sehr zufrieden stellend aus. So liegt die Indikatorreliabilität bei allen fünf Indikatorvariablen deutlich über der gewünschten Mindestausprägung von 0,4 und auch die faktorbezogenen Kriterien Faktorreliabilität übertreffen in allen Fällen die geforderten Mindestniveaus. Ferner kann konstatiert werden, dass sich die betrachteten Faktorladungen im vor-liegenden Modell signifikant von Null unterscheiden. Insgesamt kann somit von einer hohen Anpassungsgüte des Messmodells Einstellungsloyalität ausgegangen werden.
175
Latente Variablen mit Indikatoren
Faktor-ladung
Signifi-kanz
Indikator-reliabilität
Faktor-reliabilität
DEVCronbach
Alpha
Anspruch: 1,645
Anspruch: 0,4
Anspruch: 0,6
Anspruch: 0,5
Anspruch: 0,7
Weiterempfehlungs-absicht (�1) 0,899 0,748 0,898
y1 �y11 = 0,889 1) 0,790
y2 �y21 = 0,845 18,779 0,714
y3 �y31 = 0,860 19,223 0,740 Wiederkauf- absicht (�2) 0,880 0,786 0,878
y4 �y42 = 0,851 1) 0,724
y5 �y52 = 0,921 13,284 0,848
1) Da beim ersten Indikator jedes Faktors eine Fixierung des Pfadkoeffizienten erfolgt, wird kein Signifikanztest durchgeführt.
Tabelle 22: Detailkriterien zu den Faktoren der Einstellungsloyalität
Die Evaluation des mehrfaktoriellen Konstrukts Einstellungsloyalität erfordert neben der Überprüfung von Reliabilität und Konvergenzvalidität auch die Bewertung der Diskriminanzvalidität. Damit soll sichergestellt werden, dass es sich bei den betrachteten Faktoren Weiterempfehlungsabsicht und Wiederkaufabsicht auch tatsäch-lich um zwei verschiedene Facetten des übergeordneten Konstrukts Einstellungsloyalität handelt. Tab. 23 zeigt, dass jeder Faktor einen höheren Varianzanteil seiner Indikatoren als den Varianzanteil eines anderen Faktors erklärt und folglich Diskriminanzvalidität im vorliegenden Modell unterstellt werden kann. Mit diesem Untersuchungsschritt ist die Bewertung des Messmodells der Einstellungs-loyalität abgeschlossen.
�1 �2
DEV 0,748 0,786
Weiterempfehlungsabsicht (�1) 0,748
Wiederkaufabsicht (�2) 0,786 0,361
Tabelle 23: Diskriminanzvalidität der Dimensionen der Einstellungsloyalität
Wie bereits eingangs erläutert, entfällt die Bewertung der Reliabilität und Konver-genzvalidität der Konstrukte Verhaltensloyalität und Kundenprofitabilität, da diese jeweils nur anhand einer Variablen operationalisiert wurden. Entsprechend der in Kap. B.3.1 dargelegten Definition und unter Berücksichtigung des Untersuchungs-kontexts wurde die Verhaltensloyalität im Rahmen der empirischen Untersuchung unter Bezugnahme auf den Share-of-Wallet des Kunden erfasst. Die Auswahl und Formulierung der Indikatorvariablen erfolgte in Anlehnung an die Messskala von Baumann/Burton/Elliott sowie unter Berücksichtigung spezifischer, einzelhandels-
176
bezogener Aspekte.591 Tab. 24 zeigt die in der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Operationalisierung der Verhaltensloyalität.
Latente Variablen (Faktoren) mit
Indikatoren Operationalisierung
Share-of-Wallet (�3)
(y6a) Wie viel Geld haben Sie in den letzten 12 Monaten ungefähr für Beklei-dung ausgegeben (alle Geschäfte zusammengerechnet)?
(y6b) Wie viel Geld haben Sie davon ungefähr im Modehaus X ausgegeben?
y6 6b
6a
yy
Tabelle 24: Operationalisierung des Share-of-Wallet
Zur Operationalisierung der Kundenprofitabilität wurde der Deckungsbeitrag I (DB I) herangezogen.592 Dieser wurde anhand der im Warenwirtschaftssystem des Unter-nehmens vorhandenen Daten berechnet. Hierbei wurde der erzielte Umsatz eines Kunden in den 12 Monaten vor der Befragung mit der im gleichen Zeitraum erzielten Handelsspanne multipliziert. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurde diese objektive Kennzahl als Profitabilitätsindikator zugrunde gelegt. Tab. 25 zeigt die Operationalisierung der Kundenprofitabilität im Rahmen dieser Arbeit.
Latente Variablen (Faktoren) mit
Indikatoren Operationalisierung
Kundenprofitabilität (�4)
y7 = DB I = Jahresumsatz * Handelsspanne
Tabelle 25: Operationalisierung der Kundenprofitabilität
In Tab. 26 ist zusammenfassend das Messmodell zur Untersuchung der Wirkung der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität dargestellt. Insgesamt kann diesem ein hohes Maß an Reliabilität und Konvergenzvalidität bescheinigt werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen kann in einem weiteren Untersuchungsschritt die Analyse des Strukturmodells erfolgen.
591 Vgl. Baumann, C., Burton, S., Elliott, G. (2005), Determinants of customer loyalty and share of
wallet in retail banking, in: Journal of Financial Services Marketing, 9, 3, S. 231-248, S. 246f. 592 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. B.4.2 dieser Arbeit.
177
Faktor Anzahl Indikatoren
Basisanforde-rungen erfüllt
Globalkriterien erfüllt
Detailkriterien erfüllt
Weiterempfehlungsabs. 3 100%
Wiederkaufabsicht 2 100% 100%
100%
Share-of-Wallet 1 n.a. n.a. n.a.
Kundenprofitabilität 1 n.a. n.a. n.a.
Tabelle 26: Zusammenfassende Bewertung des Messmodells
3.2 Untersuchung des Strukturmodells
Basierend auf den Erkenntnissen aus der Untersuchung des Messmodells kann in einem weiteren Untersuchungsschritt die Evaluation des vollständigen kausalana-lytischen Modells erfolgen. Dabei interessieren vor allen Dingen die im Struktur-modell dargestellten kausalen Zusammenhänge zwischen der latenten exogenen Variable Gesamtzufriedenheit und den latenten endogenen Variablen Weiterempfeh-lungsabsicht, Wiederkaufabsicht, Share-of-Wallet und Kundenprofitabilität. Das für den vorliegenden Kontext auf der Grundlage der konzeptionellen Überlegungen spezifizierte Kausalmodell ist in Abb. 19 dargestellt.
Abbildung 19: Kausalmodell zur Analyse der Wirkungskette Kundenbindung Bei einer Evaluierung dieses Modells kann zunächst festgehalten werden, dass alle drei Basisanforderungen erfüllt werden. 66 empirisch verfügbaren Informationen stehen 27 zu schätzende Parameter gegenüber. Somit ist das Modell identifizierbar. Das Verhältnis Stichprobenumfang zur Anzahl zu schätzender Parameter beträgt
Kundenzufriedenheit Kundenloyalität Kundenprofi tabilität
Gesamtzufriedenheit Einstellungsloyalität Verhaltensloyalität
Globalzufriedenheit
Wiederkaufabsicht
Weiterempfehlungsabs.
Share-of-Wallet Profi tabilität
X1
X4
X2
X3
0,873
0,664
0,231
0,269
-0,0420,411
-0,108
y6
y1
y3
y2
y4
y5
y7
�1 �3�2
�6
�4 �5
�7
�1
�4
�2
�3 �2
�1
�3
�4
SMC = 0,703 SMC = 0,198 SMC = 0,139
SMC = 0,762
SMC = 0,441
178
11,3 und liegt damit über dem geforderten Schwellenwert von fünf. Darüber hinaus lassen sich keine unsinnigen Parameterschätzungen im Modell identifizieren.
Aufbauend auf diesen grundlegenden Ergebnissen der konfirmatorischen Faktoren-analyse kann die detaillierte Betrachtung des Modells erfolgen. Die in Tab. 27 dargestellten Globalkriterien belegen zunächst die sehr gute Globalanpassung des Modells. Sowohl das Verhältnis 2 zur Anzahl an Freiheitsgraden als auch der RMSEA unterschreiten den jeweils zulässigen Höchstwert. GFI, AGFI, NFI, RFI und CFI liegen mit ihren Werten über der geforderten Mindestausprägung von 0,9 bzw. im Rahmen der Erwartungen.
Globalkriterien
Kriterium Ausprägung Mindestanforderung erfüllt
2 / df 2,793 �
RMSEA 0,077 �
GFI 0,941 �
AGFI 0,900 �
NFI 0,949 �
RFI 0,928 �
CFI 0,967 �
Tabelle 27: Globalkriterien des Kausalmodells zur Wirkung der Kundenzufriedenheit
Hinsichtlich der Detailkriterien ist an dieser Stelle lediglich noch die nomologische Validität anhand der quadrierten multiplen Korrelation (SMC) zu überprüfen, da die Bestimmung der Reliabilität und der weiteren Validitätskriterien bereits bei der Betrachtung des Messmodells in Kap. C.2.1 und Kap. C.3.1 erfolgte. Der SMC der abhängigen Variable Weiterempfehlungsabsicht nimmt einen Wert von 0,762, der der abhängigen Variable Wiederkaufabsicht einen Wert von 0,441 an. Dies bedeutet, dass im ersten Fall 76,2% und im zweiten Fall 44,1% der Varianz durch das Konstrukt Gesamtzufriedenheit erklärt werden. Der SMC der abhängigen Variablen Share-of-Wallet und Kundenprofitabilität liegt bei 0,198 respektive 0,139. Dies bedeutet entsprechend, dass im ersten Fall 19,8% und im zweiten Fall 13,9% der Varianz dieser Variablen erklärt werden. Entsprechend dem in Kap. C.1.2 dargelegten Prüfschema wird in diesem Modell kein bestimmter Schwellenwert für die Ausprägung des SMC zur Annahme des Modells als notwendig erachtet. Dies wird damit begründet, dass das Ziel dieser Teiluntersuchung nicht darin besteht, die abhängigen Variablen möglichst vollständig zu erklären, sondern lediglich den
179
Wirkungszusammenhang der einzelnen Konstrukte innerhalb der Wirkungskette Kundenbindung zu belegen.593 Als wünschenswerte Mindestausprägung wird ein Wert größer als 0,4 deklariert, da dies impliziert, dass die jeweils betrachtete endogene Variable mehrheitlich durch die exogene(n) Variable(n) erklärt wird.
3.3 Ergebnis der Hypothesenprüfung
Abschließend werden die in Kap. B.6 zur Analyse des Einflusses der Kundenzufrie-denheit auf die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität formulierten Untersuchungs-hypothesen beurteilt.
Dort wurde zunächst postuliert, dass Kundenzufriedenheit einen positiven Einfluss auf die Weiterempfehlungsabsicht und die Wiederkaufabsicht ausübt. Auf Basis der Erkenntnisse der empirischen Untersuchung können die beiden in diesem Zusammenhang formulierten Untersuchungshypothesen H7 und H8 bestätigt werden. So weist der Strukturkoeffizient jeweils eine Ausprägung größer Null auf. Darüber hinaus sind beide Werte signifikant von Null verschieden. Bei der Erklärung der Gesamtvarianz des jeweiligen Konstrukts zeigt sich, dass sowohl für die Weiter-empfehlungsabsicht als auch für die Wiederkaufabsicht der SMC über der wünschenswerten Ausprägung von 0,4 liegt. Dies bedeutet, dass die beiden betrachteten Dimensionen der Einstellungsloyalität mehrheitlich durch die Kundenzufriedenheit erklärt werden. Folglich stellt Kundenzufriedenheit im betrachteten Modell die entscheidende Voraussetzung dafür dar, dass eine loyale Einstellung beim Kunden entsteht.
Ferner wurde in dem in Kap. B.6 dargestellten Bezugsrahmen ein direkter positiver Einfluss der Weiterempfehlungs- und Wiederkaufabsicht auf den Share-of-Wallet und die Kundenprofitabilität unterstellt. Bei der Untersuchung des Einflusses der beiden Einstellungskonstrukte auf den Share-of-Wallet zeigt sich, dass in beiden Fällen signifikant positive Zusammenhänge vorliegen, womit Hypothese H9 und H10 be-stätigt sind. Der Varianzerklärungsbeitrag der Weiterempfehlungs- und Wiederkauf-absicht am Share-of-Wallet beträgt 19,8%. Die Hypothesen H11 und H12, die sich auf den Zusammenhang zwischen der Einstellungsloyalität und der Kundenprofitabilität beziehen, können hingegen nicht bestätigt werden. Die relevanten Struktur-koeffizienten �5 und �6 weisen in beiden Fällen einen nicht signifikanten Zusammen-hang auf. Folglich kann in der vorliegenden Untersuchung kein direkter Zusammen-
593 So wurde zwar davon ausgegangen, dass die herangezogenen unabhängigen Variablen einen
positiven Einfluss auf die abhängigen Variablen ausüben, Letztere jedoch noch von einer Reihe weiterer wichtiger Faktoren beeinflusst werden.
180
hang zwischen der loyalen Einstellung eines Kunden und seiner Profitabilität nachgewiesen werden.
Der unterstellte positive Zusammenhang zwischen Share-of-Wallet und Kundenpro-fitabilität konnte dagegen im Rahmen der empirischen Untersuchung bestätigt werden (Hypothese H13). Der Gesamterklärungsbeitrag der Konstrukte Weiterem-pfehlungsabsicht, Wiederkaufabsicht und Share-of-Wallet an der Kundenprofitabilität beträgt 13,9%. In Tab. 28 ist zusammenfassend das Ergebnis der Hypothesen-prüfung zur Wirkung der Kundenzufriedenheit dargestellt.
Hypothese Postulierte Ausprägung
des Strukturkoeffizienten Tatsächliche Ausprägung des Strukturkoeffizienten
Hypothese durch Ergebnis bestätigt
H7 �1 > 0; t � 1,645 �1 = 0,873; t = 14,511 �
H8 �2 > 0; t � 1,645 �2 = 0,664; t = 10,298 �
H9 �3 > 0; t � 1,645 �3 = 0,231; t = 3,267 �
H10 �4 > 0; t � 1,645 �4 = 0,269; t = 3,744 �
H11 �5 > 0; t � 1,645 �5 = -0,042; t = -0,565 Hypothese nicht bestätigt
H12 �6 > 0; t � 1,645 �6 = -0,108; t = -1,428 Hypothese nicht bestätigt
H13 �7 > 0; t � 1,645 �7 = 0,411; t = 6,853 �
Tabelle 28: Ergebnis der Hypothesenprüfung zur Wirkung der Kundenzufriedenheit
Neben der Untersuchung direkter Effekte kann eine Analyse der indirekten Effekte weitere interessante Erkenntnisse liefern.594 So haben beispielsweise im vorliegenden Fall die Weiterempfehlungsabsicht und die Wiederkaufabsicht auch einen über den Share-of-Wallet verlaufenden indirekten Effekt. Der Gesamteffekt ergibt sich schließlich aus der Summe des direkten und aller indirekten Effekte. Die standardisierten Gesamteffekte für das vorliegende Modell sind in Tab. 29 dargestellt.
Gesamtzufriedenheit(�1)
Wiederkaufabsicht(�2)
Weiterempfehlungsabs (�1)
Share-of-Wallet (�3) 0,381 0,269 0,231
Kundenprofitabilität (�4) 0,049 0,003 0,054
Tabelle 29: Standardisierte Gesamteffekte
594 Indirekte Effekte lassen sich dabei durch Multiplikation der einzelnen Effekte des indirekten Weges
berechnen.
181
Es bleibt festzuhalten, dass im vorliegenden Modell die stärkste Wirkung auf die Kundenprofitabilität von der Weiterempfehlungsabsicht ausgeht. Danach folgt die Kundenzufriedenheit. Die Wiederkaufabsicht spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass in der Wirkungskette Kunden-bindung die Kundenzufriedenheit einen wichtigen Beitrag zur Erklärung von Kunden-loyalität und Kundenprofitabilität im Einzelhandel leistet. Es muss jedoch ein-schränkend auf den situationsspezifischen Untersuchungskontext und auf den postulierten linearen Zusammenhang hingewiesen werden. Zwar wurde der Bezugsrahmen aus einem übergeordneten theoretischen Kontext abgeleitet, eine Verallgemeinerung der Ergebnisse auf andere Branchen und Betriebstypen erscheint jedoch nicht ohne weiteres zulässig. Ferner konnte der Zusammenhang zwischen den Variablen Weiterempfehlungsabsicht und Profitabilität einerseits und Wiederkaufabsicht und Profitabilität andererseits nur in Form eines indirekten Kausaleffekts belegt werden. Mit der Überprüfung der Untersuchungshypothesen ist die Analyse der Wirkungskette Kundenbindung abgeschlossen.
182
D. Zusammenfassung und Ausblick
1. Zusammenfassung und Würdigung der Ergebnisse
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die vor dem Hintergrund anhaltend rückläufiger Konsumausgaben und zunehmend verschärften Wettbewerbs im Einzelhandel gestiegene Bedeutung der Kundenorientierung. Diese kommt darin zum Ausdruck, dass in jüngerer Zeit der Bindung bestehender Kunden im Vergleich zur Gewinnung neuer Kunden im Einzelhandel Vorrang gewährt wird. In diesem Zusammenhang wird in Wissenschaft und Praxis weitgehend einhellig der Kundenbindung ein zentraler Stellenwert eingeräumt. So wird vermutet, dass zufriedene Kunden ihrem Anbieter treu bleiben und somit diesem zu einer Reihe von wirtschaftlichen Vorteilen (z.B. durch Wiederkauf oder positive Mundpropaganda) verhelfen. Angesichts der zu beobachtenden Diskrepanz zwischen einer proklamierten Kundenorientierung des Handels auf der einen Seite sowie einer mangelnden Auseinandersetzung mit den Entstehungs- und Wirkungsmechanismen der Kundenbindung im Einzelhandel andererseits bestand das Hauptziel dieser Arbeit darin, einen wesentlichen Beitrag zur Erfassung und Erklärung von Kundenbindung im Einzelhandel zu leisten. Die Validierung der in diesem Zusammenhang formulierten Untersuchungshypothesen erfolgte am Beispiel des Textilfacheinzelhandels.
Im Rahmen der definitorischen Konkretisierung des Untersuchungsobjekts Kundenbindung wurden zunächst entsprechend der Vielzahl mehr oder weniger voneinander abweichenden Definitionen des Begriffs Kundenbindung die zu untersuchenden konstitutiven Merkmale des Begriffs aufgezeigt und erläutert. Zur Gewichtung und Einordnung der konstitutiven Komponenten des Konstrukts Kundenbindung als Zusammenfassung der beiden Teilkonstrukte Kunden-zufriedenheit und Kundenloyalität wurden diese sowohl aus Anbieter- als auch aus Kundensicht beleuchtet und entsprechend ihrer Qualität in un-/freiwillige Gebundenheit bzw. freiwillige Verbundenheit des Kunden mit entsprechenden Konsequenzen für die Anbieteraktivitäten klassifiziert. In einem weiteren Schritt wurden die Betrachtungshorizonte (ex-ante bzw. ex-post) bei der Messung der Determinanten der Teilkonstrukte bzgl. ihrer Relevanz für die Validität der Untersuchungsergebnisse vorgestellt. Unter Berücksichtigung der so gewonnenen Erkenntnisse und in Abgrenzung von oft synonym verwendeten Begriffen wie Kundentreue und Kundennähe ergab sich eine anbieterorientierte Definition der Kundenbindung für das Kundenbindungsmanagement in der dieser Arbeit zugrunde gelegten Zielgruppe Textilfacheinzelhandel. Daraus ergab sich für diese Arbeit zwangsläufig die Notwendigkeit einer griffigen, zwar eingeschränkten, aber den
183
Untersuchungsgegenstand noch hinreichend abdeckenden Definition des Begriffs Kundenbindung als Wirkungskette der Einzelkomponenten Anbieteraktivitäten (Auslöser), Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenprofitabilität (Ergebnis). Vor diesem Hintergrund wurde Kundenbindung in dieser Arbeit folgendermaßen definiert: Kundenbindung im Einzelhandel umfasst Aktivitäten eines Anbieters, die darauf abzielen, die Kundenzufriedenheit auf ein optimales Niveau zu bringen bzw. ein bereits erreichtes optimales Niveau zu halten, um damit die Kundenloyalität, welche Einstellung sowie tatsächliches Verhalten und zukünftig beabsichtigtes Verhalten des Kunden umfasst, positiv zu beeinflussen. Die Aufspaltung des Konstrukts Kundenbindung hatte zudem den Zweck, die empirischen Auswertungen nach dem Kovarianzstrukturanalyseverfahren in einem zweistufigen Modell zu ermöglichen.
Zur theoretischen Fundierung der Erklärung und Wirkung von Kundenbindung wurden verschiedene Ansätze von Profit Chains gegenübergestellt. Als besonders zielführend erwies sich dabei eine aufgrund von weiterführenden Untersuchungen von Bruhn, Krafft, Homburg/Fassnacht modifizierte Form der von Heskett et al. eingeführten Service Profit-Chain. Mit einer ausführlichen Einzelbetrachtung der Teilkonstrukte Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenwert, welche Definition, theoretische Erklärungsmodelle, Messverfahren und die jeweiligen Dimensionen beinhaltete, und einer sich daran anschließenden Untersuchung der Zusammenhänge der Teilkonstrukte der Wirkungskette Kundenbindung wurde der theoretische Teil abgeschlossen. Der auf Basis dieser Erkenntnisse abgeleitete Bezugsrahmen wurde im Weiteren als Überprüfungsgrundlage der empirischen Untersuchung herangezogen.
Die empirische Erhebung erfolgte schriftlich bei den Kundenkarteninhabern eines Textilfacheinzelhandelsunternehmens. Im Anschluss an die Darstellung der Vorteile der schriftlichen Befragungsform für den vorliegenden Untersuchungskontext und einer Charakterisierung der gezogenen Stichprobe wurde in einem ersten Schritt die Analysemethodik gewürdigt. Um die im Bezugsrahmen dargestellten Abhängigkeiten und Wirkzusammenhänge zwischen der Kundenzufriedenheit, der Kundenloyalität und der Kundenprofitabilität zu analysieren, wurde die Kausalanalyse als methodisches Verfahren herangezogen. Neben der Darstellung der zentralen Merkmale dieses Analyseverfahrens wurde der Entwicklung eines umfassenden und strengen Prüfschemas zur Beurteilung von Kausalmodellen besondere Beachtung geschenkt. Dies geschah insbesondere vor dem Hintergrund der in jüngerer Zeit verstärkt auftretenden Kritik an einer Vielzahl kausalanalytischer Untersuchungen, wo methodische Fehler bei der Spezifikation und Interpretation beobachtet werden konnten. Zur Ableitung zuverlässiger Untersuchungsergebnisse wurden deshalb bei
184
der Erstellung des Prüfschemas neben Kriterien zur generellen Richtigkeit der Modelle auch Reliabilitäts- und Validitätskriterien berücksichtigt. Aufgrund der hohen Komplexität des Verfahrens wurde im Anschluss das schrittweise Vorgehen der Analyse erläutert.
Bei der Würdigung der Untersuchungsergebnisse ist zunächst anzuführen, dass in der vorliegenden Arbeit zwei getrennte Kausalmodelle analysiert wurden. Während im ersten Modell der Einfluss einzelner Zufriedenheitsfaktoren – Determinanten – auf die Gesamtzufriedenheit untersucht wurde, erfolgte im zweiten Modell eine Betrachtung der Wirkweise der Gesamtzufriedenheit auf Kundenloyalität und Kundenprofitabilität. In einem ersten Schritt der empirischen Untersuchung wurde das Messmodell, im zweiten Schritt das Strukturmodell evaluiert. Da eine hohe Güte des Messinstrumentariums eine notwendige Voraussetzung für zuverlässige Schätzergebnisse bei der Evaluation des Strukturmodells darstellt, wurde der erste Analyseschritt in der vorliegenden Untersuchung entsprechend umfassend behandelt.
Bei der Analyse des ersten Kausalmodells zur Bildung der Kundenzufriedenheit wurden entsprechend der theoretischen Überlegungen fünf Determinanten der Kundenzufriedenheit unterschieden. Dabei handelte es sich um die Faktoren „Preise“, „Ansprechpartner“, „Kundenkarte“, „Sortiment“ und „Verkaufsraum“. Die Evaluierung dieser fünf Faktoren zeigte, dass die an das Messinstrumentarium gestellten Voraussetzungen erfüllt werden. Des Weiteren wurde in diesem Zusam-menhang das Messinstrumentarium der in diesem Modell abhängigen Variable Gesamtzufriedenheit einer Analyse unterzogen, welches ebenfalls durch die positive Evaluierung bestätigt wurde. Abschließend konnte festgehalten werden, dass die untersuchten Messmodelle sämtliche Anforderungskriterien in hohem Maße erfüllen und somit die Voraussetzungen für die Ermittlung zuverlässiger Schätzergebnisse im Strukturmodell gegeben waren. Die sich daran anschließende Untersuchung des Strukturmodells ergab dann auch, dass im Gesamtmodell die relevanten Kriterien der Modellidentifikation und –spezifikation erfüllt werden. Da mehr als 70% der Varianz der abhängigen Variable Gesamtzufriedenheit erklärt werden konnten, kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Kundenzufriedenheit identifiziert wurden und in der vorliegenden Arbeit ein sinnvolles und umfassendes Instrumentarium zur Messung der Kundenzufriedenheit im Einzel-handel entwickelt wurde. In Bezug auf die relativen Bedeutungsgewichte der einzel-nen Bestimmungsfaktoren ist vor allen Dingen der starke Einfluss des Ansprech-partners und des Sortiments auf die Kundenzufriedenheit im Einzelhandel hervorzu-heben. Die weiteren in diesem Zusammenhang berücksichtigten Determinanten zeigten ebenfalls signifikant positive Auswirkungen auf das globale Zufriedenheits-
185
urteil. Bei der sich anschließenden Hypothesenprüfung konnten vor diesem Hinter-grund sämtliche im Rahmen der Zufriedenheitsbildung formulierten Untersuchungs-hypothesen bestätigt werden.
Bei der Analyse des zweiten Kausalmodells zur Wirkung der Kundenzufriedenheit
auf die Kundenloyalität und die Kundenprofitabilität wurden die unabhängige Variable Gesamtzufriedenheit und die vier abhängigen Variablen Weiterempfeh-lungsabsicht, Wiederkaufabsicht, Share-of-Wallet und Profitabilität berücksichtigt. Während die ersten beiden Konstrukte Dimensionen des übergeordneten Konstrukts Einstellungsloyalität darstellen, wurde mit der Berücksichtigung des Share-of-Wallet als Ausdruck des loyalen Verhaltens von Konsumenten einer weiteren wesentlichen Facette der Kundenloyalität Rechnung getragen. Profitabilität stellte in der vorlie-genden Untersuchung eine objektiv messbare Größe dar. Sie entspricht dem Rohertrag im Einzelhandel und errechnet sich aus der Differenz zwischen Umsatz und Wareneinsatzkosten. Anhand der hier modellierten Kausalstrukturen konnte somit der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität und die Kunden-profitabilität bestimmt werden. Im Rahmen der Untersuchung des Messmodells erfolgte lediglich eine Evaluierung der vier abhängigen Konstrukte, da das Mess-instrumentarium des Zufriedenheitskonstrukts bereits bei der Zufriedenheitsbildung bewertet wurde. Die berücksichtigten Kriterien konnten auch hier in allen Fällen erfüllt werden, so dass die Voraussetzungen für zuverlässige Schätzergebnisse wiederum gegeben waren. Bei der Betrachtung des Strukturmodells zeigte sich, dass Kundenzufriedenheit einen starken direkten Einfluss auf die Weiterempfehlungs-absicht und die Wiederkaufabsicht ausübt und einen wesentlichen Varianzanteil der beiden Einstellungskonstrukte erklärt. Ferner konnte ein positiver Einfluss der beiden Einstellungskonstrukte auf den Share-of-Wallet nachgewiesen werden. Der erklärte Varianzanteil Ersterer an Letzterem lag bei 20%, so dass davon ausgegangen werden kann, dass Einstellungsloyalität einen wesentlichen, jedoch nicht den gesamten Anteil der Varianz des Share-of-Wallet erklärt. Die Untersuchung der Strukturkoeffizienten zwischen den beiden Loyalitätsvariablen und der Kundenprofitabilität offenbarte darüber hinaus, dass die Einstellungsloyalität im Gegensatz zur Verhaltensloyalität in keinem signifikanten Zusammenhang mit der Profitabilität steht. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse konnten mit Ausnahme der in den Hypothesen H11 und H12 postulierten Zusammenhänge zwischen den Variablen der Einstellungsloyalität und Kundenprofitabilität alle formulierten Hypothesen zur Zufriedenheitswirkung bestätigt werden.
186
Abb. 20 zeigt die zusammengefassten Erkenntnisse der beiden untersuchten Mo-delle unter Berücksichtigung des in Kap. B.6 entwickelten Bezugsrahmens.595 Neben den Strukturkoeffizienten, die eine Beurteilung hinsichtlich der Stärke der jeweiligen Zusammenhänge erlauben, sind ferner die quadrierten multiplen Korrelations-koeffizienten der abhängigen Variablen dargestellt, die Aufschluss über die jeweils erklärten Varianzanteile geben.
Als besondere Erkenntnis der Arbeit, die aus der systematischen Aufbereitung der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik abgeleitet und anschließend empirisch bestätigt werden konnte, bestätigt sich einerseits die zentrale Bedeutung der Kundenzufriedenheit für die Kundenloyalität und Kundenprofitabilität im Einzel-handel. Folglich müssen Handelsunternehmen, die gezielt Kunden binden und deren Profitabilität erhöhen wollen, aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse der Entwicklung und der Sicherung von Kundenzufriedenheit einen hohen Stellenwert einräumen. Auf der anderen Seite wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein zuverlässiges Messinstrumentarium zur Erfassung der Kundenzufriedenheit im Ein-zelhandel entwickelt und empirisch überprüft, anhand dessen Handelsunternehmen die relative Bedeutung einzelner Zufriedenheitsfaktoren unter Berücksichtigung der entsprechenden Branche und des entsprechenden Betriebstyps bestimmen können. Basierend auf diesen Erkenntnissen können Unternehmen durch gezielte Verbesserung der als besonders wichtig eingestuften Zufriedenheitsfaktoren die Zufriedenheit und damit die Kundenbindung erhöhen.
Bei der Würdigung der Untersuchungsergebnisse sind jedoch auch Einschrän-
kungen zu berücksichtigen. So ist zunächst auf den situationsspezifischen Kontext der Arbeit zu verweisen. Während aufgrund des übergeordneten Bezugsrahmens zwar angenommen werden kann, dass auch in anderen Einzelhandelsbranchen zum einen die identifizierten Zufriedenheitsfaktoren den wesentlichen Teil der Gesamtzu-friedenheitsvarianz und zum anderen die Gesamtzufriedenheit einen wesentlichen Anteil an der Varianz der Loyalitätskonstrukte erklären, so sind die relativen Bedeu-tungsgewichte der in den Modellen betrachteten unabhängigen Variablen nicht als identisch zu erwarten. Darüber hinaus ist einschränkend darauf zu verweisen, dass
595 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Abb. 20 um eine schematische Dar-
stellung und nicht um ein neu spezifiziertes Modell handelt.
187
Abbildung 20: Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse
Ku
nd
en
zu
frie
den
heit
Ku
nd
en
loyalitä
tK
un
den
pro
fi ta
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Sha
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f-W
alle
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abili
tät
0,2
41
0,1
74
0,2
93
0,1
50
0,2
66
0,8
73
0,6
64
0,2
31
0,2
69
-0,0
42
-0,1
08
0,4
11
SM
C =
0,7
03
SM
C =
0,1
98
SM
C =
0,1
39
SM
C =
0,7
62
SM
C =
0,4
41
188
kein gesicherter Anspruch auf Repräsentativität im Rahmen dieser Untersuchung erhoben werden kann. Vorbehalte können auch hinsichtlich der Messung der Profitabilität angemeldet werden. So kann eingewandt werden, dass ein Betrachtungshorizont von einem Jahr möglicherweise zu kurz ist und somit langfristige, unter Umständen erst mit Verzögerung wirksame Variablen, nicht erfasst wurden. In Anbetracht der in Kap. A.1 beschriebenen, wesentlich geringeren strategischen Orientierung des Einzelhandels und seiner im Vergleich zur Industrie größeren Dynamik dürfte jedoch der abgedeckte Zeitraum von einem Jahr ausreichend sein. Trotz der dargestellten Einschränkungen dürfte es mit der vorliegenden Arbeit gelungen sein, für die Praxis relevante Erkenntnisse zur Kundenbindung im Einzelhandel zu liefern.
Bevor jedoch die zentralen Implikationen für das Marketing im Einzelhandel aufge-zeigt werden, wird eine deskriptive Charakterisierung der Befragungsstichprobe im Hinblick auf Kundenzufriedenheit im Einzelhandel vorgenommen. Dies dient dazu, die für die Praxis relevanten Erkenntnisse zur Fundierung marketingspezifischer Entscheidungen im Einzelhandel nochmals zusammenfassend zu verdeutlichen und weitere Hinweise für abzuleitende Implikationen zu gewinnen. Zur Bildung zufrieden-heitsbasierter Nutzersegmente wurde hierzu zunächst auf Basis der vier Indikator-variablen der latenten Variablen Gesamtzufriedenheit eine Clusterzentrenanalyse durchgeführt.596 Die Clusterzentrenanalyse erfolgte mit der Zielsetzung, zwischen Kunden mit einem hohen, mittleren und niedrigen Zufriedenheitsniveau gegenüber dem betrachteten Textilfacheinzelhandelsunternehmen zu unterscheiden. Die drei diesbezüglich herausgebildeten Cluster wurden entsprechend als „High Satisfied
Customers“, „Medium Satisfied Customers“ und „Low Satisfied Customers“ bezeichnet. Ein Überblick über die Clusterzusammensetzung und die Mittelwert-unterschiede zwischen den drei Clustern in Bezug auf die clusterbildenden Variablen ist in Tab. 30 dargestellt. Wie Tab. 30 verdeutlicht, verteilen sich die meisten Befragten annähernd gleichmäßig auf die Cluster „High Satisfied Customers“ (43,3%) und „Medium Satisfied Customers“ (44,9%). Dem Cluster der „Low Satisfied Customers“ (11,8%) wurde ein vergleichsweise geringer Anteil an Befragten
596 Die Clusterzentrenanalyse ist den partionierenden Cluster-Algorithmen zuzuordnen. Vgl. hierzu
sowie methodisch weiterführend z.B. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., Weiber, R. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 11., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin, S. 489ff.
189
zugeordnet. Die in Tab. 30 dargestellten Mittelwertunterschiede belegen, dass ein signifikanter Unterschied in der Zufriedenheitsausprägung der drei Cluster vorliegt.597
Clusterbildende Variablen High
SatisfiedCustomers
MediumSatisfied
Customers
Low Satisfied
Customers Signifikanz
Mit den Leistungen des Modehaus X bin ich sehr zufrieden. 1,20 2,01 3,11 ,000
Das Modehaus X entspricht voll und ganz meinen Erwartungen. 1,42 2,28 3,39 ,000
Das Modehaus X bietet mir genau das, was ich brauche. 1,53 2,48 3,36 ,000
Ich bin voll und ganz vom Modehaus X überzeugt. 1,27 2,20 3,25 ,000
Clusterverteilung 43,3% 44,9% 11,8%
Tabelle 30: Bildung von zufriedenheitsbasierten Nutzersegmenten
Die Beschreibung der drei Cluster erfolgt anhand der Zufriedenheitsdeterminanten, der Zufriedenheitswirkungen und der beiden erhobenen soziodemographischen Variablen „Geschlecht“ und „Alter“. Zur einfacheren Darstellung wurde für alle betrachteten latenten Variablen ein Durchschnittswert über die zugeordneten Indikatorvariablen gebildet.598 Die entsprechende Zuordnung der Indikatorvariablen zu den latenten Variablen wurde in Kap. C.2.1 und Kap. C.3.1 dargestellt. Im Folgenden sollen zunächst die auf dieser Basis errechneten Mittelwerte der Zufriedenheitsdeterminanten und der Zufriedenheitswirkungen dargestellt und erläutert werden. Im Anschluss daran erfolgt die Abbildung und Interpretation der soziodemographischen Merkmale.
Bei der Betrachtung der Zufriedenheitsdeterminanten zeigt sich, dass die „High Satisfied Customers“ den betrachteten Anbieter entlang den erfassten Dimensionen 597 Zur Analyse der Mittelwertunterschiede zwischen den drei Clustern wurde in der vorliegenden
Untersuchung auf die einfaktorielle Varianzanalyse zurückgegriffen, die den parametrischen Test-verfahren zugeordnet wird. Da diese Verfahren auf eine Verletzung der Normalverteilungs-prämisse relativ robust reagieren, ist eine sinnvolle Interpretation der Ergebnisse dennoch möglich. Vgl. zur Stichprobenverteilung in der vorliegenden Untersuchung die Ausführungen in Kap. C.1.2. Neben der Betrachtung der Gesamtsignifikanz wurde ferner anhand des Scheffé-Tests eine gruppenweise Analyse durchgeführt. Da in den meisten Analysen jedoch ein signifikantes Gesamtniveau mit jeweils signifikanten Unterschieden zwischen den einzelnen Clustern einher-geht, wird in Tab. 30 ebenso wie in den nachfolgenden Tabellen lediglich auf die Gesamtsigni-fikanz verwiesen. Ausnahmen finden explizit Erwähnung. Vgl. zu den methodischen Aspekten der Varianzanalyse z.B. Janssen, J., Laatz, W. (2005), Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows. Eine anwendungsorientierte Einführung in das Basissystem und das Modul Exakte Tests, 5., neu bearb. und erw. Aufl., Berlin, S. 347ff.
598 Die latenten Variablen Kundenkarte, Share-of-Wallet und Profitabilität wurden in dieser Untersu-chung nur anhand eines Indikators gemessen. Somit war eine Durchschnittsbildung für diese drei Konstrukte nicht erforderlich.
190
durchweg signifikant besser beurteilen, als die beiden anderen Cluster dies tun. Am besten bewerten sie das Einzelhandelsunternehmen hinsichtlich dessen Ansprech-partner (MW 1,24) und Kundenkarte (MW 1,29). Während die „Medium Satisfied Customers“ das Unternehmen weitgehend noch gut beurteilen, fällt das Urteil der „Low Satisfied Customers“ deutlich kritischer aus. Ihre Kritik äußert sich vor allen Dingen in der Unzufriedenheit mit den Preisen (MW 2,89) und dem Sortiment (MW 2,41). Die entsprechenden Mittelwerte für die drei Cluster sind zusammenfassend in Tab. 31 abgebildet.
VariableHigh
SatisfiedCustomers
MediumSatisfied
Customers
Low Satisfied
Customers Signifikanz
Preise 1,88 2,22 2,89 ,000
Ansprechpartner 1,24 1,71 2,32 ,000
Kundenkarte 1,29 1,69 2,25 ,000
Sortiment 1,49 1,99 2,41 ,000
Verkaufsraum 1,50 2,00 2,22 ,000
Tabelle 31: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und Zufriedenheitsdeterminanten
Bei der Betrachtung der Zufriedenheitswirkungen ist hervorzuheben, dass die „High Satisfied Customers“ die höchste Loyalität gegenüber dem Unternehmen aufweisen(vgl. Tab. 32). Dies ist daraus abzuleiten, dass sie bei der Beurteilung der Weiterempfehlungsabsicht (MW 1,29) und der Wiederkaufabsicht (MW 2,06) den höchsten Zustimmungsgrad aufweisen. Ferner zeigt sich, dass die „High Satisfied Customers“ einen größeren Teil ihrer Bekleidungseinkäufe (55,7%) beim untersuchten Anbieter tätigen als die „Medium Satisfied Customers“ (MW 48,4%) bzw. die „Low Satisfied Customers“ (MW 32,1%).
VariableHigh
SatisfiedCustomers
MediumSatisfied
Customers
Low Satisfied
Customers Signifikanz
Weiterempfehlungsabsicht 1,29 1,99 2,94 ,000
Wiederkaufabsicht 2,06 2,95 3,69 ,000
Share-of-Wallet 55,7% 48,4% 32,1% ,000
Gewinn599 104 100 71 ,214
Tabelle 32: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und Zufriedenheitswirkungen
599 Aus Gründen der Vertraulichkeit gegenüber dem kooperierenden Unternehmen wurde an dieser
Stelle auf eine absolute Gewinnangabe verzichtet. Die angegebenen Werte verstehen sich vor diesem Hintergrund als Indexwerte. In diesem Zusammenhang wurde der Gewinn der Medium Satisfied Customers gleich 100 gesetzt.
191
Bei allen drei genannten Loyalitätsindikatoren weisen die „High Satisfied Customers“ einen signifikant höheren Zustimmungsgrad auf. Hinsicht-lich der Profitabilität weisen ebenfalls die „High Satisfied Customers“ (MW 104) den höchsten Wert auf. Die Differenz zu den „Medium Satisfied Customers“ (MW 100) ist allerdings nicht signifikant, so dass das Ergebnis beim Vergleich dieser beiden Cluster nicht verallgemeinert werden kann. Die Mittelwertunterschiede gegenüber den „Low Satisfied Customers“ (MW 71) sind jedoch in beiden Fällen signifikant.
Die Beschreibung der drei Cluster anhand der beiden erfassten soziodemografischen Merkmale ist in Tab. 33 zusammenfassend dargestellt. Diese offenbart ebenfalls deutliche Unterschiede. Im Vergleich zeichnen sich die „High Satisfied Customers“ durch den höchsten Männeranteil und den höchsten Altersdurchschnitt aus. Die Verteilung nach Alter bezogen auf die drei Cluster offenbart ferner, dass die Kunden-zufriedenheit beim betrachteten Anbieter positiv mit dem Alter korreliert.
Variable Ausprägung High
SatisfiedCustomers
MediumSatisfied
Customers
Low Satisfied
Customers Signifikanz
Männlich 18,9% 8,8% 8,3% Geschlecht
Weiblich 81,1% 91,2% 91,7% ,031
Unter 14 0,0% 0,0% 0,0%
14 – 29 6,8% 11,7% 8,3%
30 – 39 15,9% 30,7% 25,0%
40 – 49 22,7% 28,5% 41,7%
50 – 59 22,0% 16,1% 16,7%
60 – 69 20,5% 9,5% 8,3%
Alter
70+ 12,1% 3,6% 0,0%
,000
Tabelle 33: Zufriedenheitsbasierte Nutzersegmente und soziodemographische Merkmale
Insgesamt kann konstatiert werden, dass sich die Erkenntnisse der kausalanaly-tischen Untersuchung weitgehend mit der deskriptiven Betrachtung decken. So zeigen die Personen, die die höchste Gesamtzufriedenheit aufweisen, auch die höchsten Ausprägungen bei den einzelnen Zufriedenheitsdimensionen sowie die höchste Loyalität gegenüber dem betrachteten Anbieter. Die Ergebnisse veran-schaulichen somit zusätzlich den positiven Zusammenhang zwischen Kundenzufrie-denheit und Kundenloyalität und unterstreichen die hohe Relevanz eines geeigneten Messinstrumentariums.
192
2. Implikationen für das Handelsmarketing
Wie bereits in Kap. A.1 dargelegt, sehen sich Einzelhandelsunternehmen heute aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs sowie der Veränderungen im Konsumen-tenverhalten verstärkt vor die Herausforderung gestellt, den aktuellen Kundenstamm an ihr Unternehmen zu binden. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass eine zufriedenheitsorientierte Kundenbindungsstrategie Einzelhandels-unternehmen durch die zufriedenheitsbasierte Präferenzbildung entscheidende Wett-bewerbsvorteile verschafft. Damit dies gelingen kann, sind jedoch insbesondere an das strategische Kundenbindungsmanagement einige Anforderungen zu stellen.
Abbildung 21: Dimensionen einer Kundenbindungsstrategie
(Quelle: i.A. an Bruhn, M. (2003), Kundenorientierung, Bausteine für ein exzellentes Customer Relationship Management (CRM), 2. Aufl., München, S. 111)
Die Dimensionen einer Kundenbindungsstrategie sind in Abb. 21 dargestellt. Zunächst ist es notwendig, das Bezugsobjekt der Kundenbindung zu konkretisieren, d.h. es muss festgelegt werden, an welches Objekt (z.B. Produkt, Hersteller, Einzelhandelsunternehmen) der Kunde gebunden werden soll. Beispielhaft bezogen auf die vorliegende Arbeit handelt es sich dabei um die Bindung des Kunden an ein Einzelhandelsunternehmen.
In einem zweiten Schritt sind die Kundenbindungszielgruppen zu definieren, um eine gezielte, individualisierte und priorisierte Ansprache erreichen zu können. Verdeutlicht wird dies an den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit. Wie in Kap. D.1 angeführt, können drei Kundensegmente hinsichtlich ihrer Zufriedenheitsaus-
prägung für das betrachtete Unternehmen identifiziert werden. Diese sind in ihrer
Kooperationsstrategien der Kundenbindung
MIT WEM?
WAS? WER?
WIE?
WIE OFT, WANN?
WOMIT?
Bezugsobjekt der Kundenbindung
Kundenbindungs-zielgruppe
Arten der Kundenbindung
Kundenbindungs-instrumente
Intensität und Timing der Kundenbindung
Kunden- bindungs-
strategie
193
Ausprägung unterschiedlich weit vom Idealbild entfernt und bieten somit einen ge-eigneten Ansatzpunkt zur Segmentierung des bestehenden Kundenstamms.
Ein weiterer, in der Handelspraxis häufig zu beobachtender Ansatz der Zielgruppen-definition ist die Einteilung der bestehenden Kunden anhand des Kundenwerts in A-, B-, oder C-Kunden.600 In Ergänzung zu diesem Ansatz legen die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit noch einen weiteren, differenzierteren Segmentierungsansatz
für den Einzelhandel nahe, der neben dem Kundenwert, gemessen an der Profi-tabilität, auch die Verhaltensloyalität, gemessen am Share-of-Wallet des Kunden, berücksichtigt.601 Abb. 22 zeigt beispielhaft für den im Rahmen dieser Arbeit unter-suchten Anbieter die sich daraus ergebenden Kundensegmente. Die weißen Kreise beziffern dabei den Kundenanteil des jeweiligen Segments bezogen auf die Gesamt-kundenzahl, die schwarzen Kreise den Gewinnanteil des Segments bezogen auf den Gesamtgewinn.
Folglich kann z.B. Segment III so interpretiert werden, dass ihm 4,6% aller Kunden des betrachteten Anbieters angehören und diese 18,1% des Unternehmensgewinns beisteuern. Die Segmentierung von Kunden nach Profitabilität und Share-of-Wallet liefert zwei grundsätzlich neue Aspekte, die bei der Festlegung der Kundenbindungs-zielgruppen im Handel beachtet werden sollten.
1. 27,9 Prozent der Kunden verhalten sich dem betrachteten Anbieter gegenüber bereits loyal (Segmente III, VI, IX), d.h. eine Erhöhung der Zufriedenheit in diesen Segmenten hat keine weiteren Auswirkungen auf den Erfolg des Unter-nehmens.
2. 72,1 Prozent der Kunden (Segmente I, II, IV, V, VII, VIII) unterscheiden sich deutlich voneinander in Bezug auf das Erfolgspotenzial für das Unternehmen.
600 Dabei wird der Kundenwert in der Einzelhandelspraxis häufig anhand des getätigten Jahresum-
satzes bzw. des erzielten Rohertrags bestimmt. Vgl. unter anderem Göggerle, C. (2005), Kundenpotentiale erkennen und nutzen, BTE-Fachdokumentation, Köln, S. 6ff.
In der jüngeren Marketingforschung wird in diesem Zusammenhang mit Hilfe komplexer mathe-matischer Modelle, die neben dem getätigten Umsatz die Besuchshäufigkeit, die Zeit, die seit dem letzten Einkauf vergangen ist, und zahlreiche weitere Kriterien berücksichtigen, versucht, einen das Verhalten in der Zukunft abbildenden Wert zu berechnen. Vgl. hierzu weiterführend Krafft, M. (2002), Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg, S. 56ff.; Reinartz, W.J., Kumar, V. (2000), On the profitability of long-life customers in a noncontractual setting: An empirical investigation and implications for marketing, in: Journal of Marketing, 64, 4, S. 17-35, S. 17ff.
601 Der Kundenwert entspricht dabei dem im Rahmen der empirischen Untersuchung ermittelten Roh-ertrag (Profitabilität) des Kunden.
Zur Ermittlung der Profitabilitäts- und Share-of-Wallet-Cluster wurde wiederum als statistisches Verfahren die Clusterzentrenanalyse angewandt.
194
Abbildung 22: Segmentierung der Kunden nach Profitabilität und Share-of-Wallet
Zur Identifikation der Segmente mit dem höchsten Erfolgspotenzial und somit der größten Relevanz bzgl. der Anbieteraktivitäten wurden anhand der Kunden- und Gewinnanteile Potenzialfaktoren gebildet.602 Hierzu wurden zunächst die Kunden- und Gewinnanteile der Segmente I und II, IV und V sowie VII und VIII zusammen-gefasst. In einem weiteren Schritt wurde der Gewinnbeitrag der jeweils zusammen-gefassten Segmentpaare durch den korrespondierenden Kundenanteil dividiert. Die so ermittelte Kennzahl soll im vorliegenden Fall zur deskriptiven Beschreibung des Erfolgspotenzials der drei gebildeten Gruppen herangezogen werden. Die Segmente wurden entsprechend der Höhe des errechneten Potenzialfaktors mit „High Potential Customers“, „Medium Potential Customers“ und „Low Potential Customers“ bezeichnet. Die einzelnen Potenzialsegmente sind mit dem entsprechenden Potenzialfaktor in Abb. 23 dargestellt.
602 Kirchgeorg konstatiert in diesem Zusammenhang, dass hinsichtlich der in einem Segment zu er-
wartenden Absatz- und Umsatzpotenziale Prognosen über einzusetzende Marketinginstrumente und dem daraus resultierenden Kaufverhalten notwendig sind. Vgl. Kirchgeorg, M. (2005), Marktforschung, Kunden- und Konkurrenanalyse - Gewinnung der marktorientierten Basisinfor-mationen für den Innovationsprozess, in: Schäppi, B., Andreasen, M.M., Kirchgeorg, M., Radermacher, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung: Strategien, Prozesse, Methoden, Ressourcen, Wien/München, S. 141-168, S. 150.
Profitabilität
Share-of-Wallet
hoch
niedrig
niedrig hoch
0,7%
2,8%
1,3%
4,8%
4,6%
18,1%
3,3%
4,9%
23,0%
7,4%
11,5%
19,4%
10,2%
18,3%
32,5%
16,6%
13,1%
7,6%
I II III
IV V VI
VII VIII IX
Anteil Gewinn
Anteil Kunden
195
Abbildung 23: Potenzialsegmente und Potenzialfaktoren
An die Definition der Kundenbindungszielgruppe schließt sich im Rahmen des strategischen Kundenbindungsmanagements die Bestimmung der Kundenbin-
dungsart. Hierzu stehen grundsätzlich vier klassische Strategien zur Verfügung.603 Die vertragliche, die technisch-funktionale und die ökonomische Kundenbindung zielen dabei auf die Gebundenheit, die emotionale Kundenbindung hingegen auf die Verbundenheit des Kunden ab.604 Letztere wird als die stärkste, da freiwillige Form der Bindung anzusehen. Die Zufriedenheitsorientiertheit – wie in der vorliegenden Untersuchung dargestellt – ist dabei als das Element einer emotionalen Kunden-bindungsstrategie einzuordnen.
Als weitere Strategiedimension folgt die Festlegung der Kundenbindungs-
instrumente unter besonderer Berücksichtigung der bereits erläuterten strate-gischen Dimensionen Bezugsobjekt, Zielgruppe und Art der Kundenbindung. Diesbezüglich ist es zunächst notwendig, die relative Bedeutung der einzelnen Zufriedenheitsdeterminanten für den jeweiligen Unternehmenskontext zu ermitteln. Im Anschluß daran kann eine Positionierung unter der Prämisse der Zufriedenheits-orientiertheit erfolgen. Ein geeignetes Verfahren zur Identifikation der Bedeutungs-
603 Vgl. Meffert, H. (2005), Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Bruhn,
M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 145-166, S. 157.
604 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. A.2 dieser Arbeit.
Profitabilität
Share-of-Wallet
hoch
niedrig hoch
I II
IV V
VII VIII
PF = 0,4
PF = 1,6
PF = 3,8
PF = Potenzialfaktor
niedrig
High Potential
Customers
Medium Potential
Customers
Low Potential
Customers
196
gewichte der einzelnen Kundenbindungsinstrumente stellt die im Rahmen der em-pirischen Untersuchungen ausführlich dargestellte Kausalanalyse dar. Übertragen auf die Erkenntnisse dieser Arbeit bedeutet dies, dass die Leistungserfüllung genau auf die Leistungserwartung abgestimmt wird und somit die Kommunikationspolitik – insbesondere der Aspekt des Ansprechpartners – und die Produktpolitik – insbe-sondere der Aspekt des Sortiments – in den Mittelpunkt der Marketinganstrengungen des Unternehmens gestellt werden. Dabei ist auf ggf. existente Unterschiede zwischen einzelnen Kundensegmenten einzugehen. Im vorliegenden Fall müssten z.B. die Marketinginstrumente speziell auf die Segmente der „Medium Satisfied Customers“ und der „Low Satisfied Customers“ bzw. die drei identifizierten Potenzial-segmente ausgerichtet werden, um ein optimales Ergebnis bei der Verbesserung der Kundenbindung zu erreichen.
Abbildung 24: Strategien für die einzelnen Potenzialsegmente
Die möglichen strategischen Alternativen für die drei Potenzialsegmente, die bei der Festlegung der Kundenbindungsinstrumente berücksichtigt werden sollten, sind in Abb. 24 dargestellt. Hierzu könnten in einem nächsten Schritt die durch primär-statistische Erhebungen gewonnenen Zufriedenheitswerte der einzelnen Potenzial-gruppen mit den Zufriedenheitswerten der jeweiligen Zielsegmente verglichen und bei signifikanten Unterschieden eine entsprechende Steuerung des Marketing-Mix eingeleitet werden.
In einem nächsten Schritt gilt es, Intensität und Timing (Einsatzpunkt) der Maß-nahmen zur Kundenbindung zu bestimmen. Dabei soll v.a. die Frage beantwortet werden, wie oft und wann die vorab festgelegten Kundenbindungsinstrumente zum Einsatz kommen. Im vorliegenden Kontext wären dies z.B. Überlegungen in Bezug auf die Personaleinsatzplanung oder die Häufigkeit von Mailings für Kundenkarten-inhaber.
Low Potential
Customers
Med. Potential
Customers
High Potential
Customers
Strategie 1 Strategie 2 Strategie 3
Ziel
Ziel Ziel
197
Als letzte Dimension der Kundenbindung bleibt zu erörtern, mit welchen strategischen Partnern eine Koordination der eigenen Kundenbindungsaktivitäten sinnvoll erscheint, um den Gesamterfolg zu erhöhen. Hierbei wäre insbesondere an Kooperationen zwischen Handel und Herstellern zu denken, um durch die Abstimmung von Maßnahmen Synergien optimal auszunutzen und somit die Wirkungen der Kundenbindungsmaßnahmen zu erhöhen. Bezogen auf den hier betrachteten Betriebstyp bieten sich z.B. Flächenpartnerschaften zwischen Fach-einzelhandel und Hersteller (Shop-in-Shop-Konzepte) an, um Synergieeffekte zu erzielen.605
3. Ansatzpunkte für die weitere Forschung
Entsprechend der theoretischen und empirischen Konzeption der vorliegenden Arbeit kann diese nur als ein erster Schritt verstanden werden, der den grundlegenden Rahmen und die vielfältigen Möglichkeiten einer fundierten Forschung zur Kunden-bindung im Einzelhandel aufzeigen sollte. Damit ergeben sich aus der kritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Arbeit für weiterführende theoretische und empirische Forschungsarbeiten eine Reihe von inhaltlichen und methodischen Ansatzpunkten:
� Ausgehend von dem vorliegenden Untersuchungsgegenstand Textilfach-einzelhandel erscheint es wünschenswert, eine Vergleichbarkeit der für diesen Betriebstyp und diese Branche erzielten Ergebnisse mit weiteren Betriebstypen sowie Branchen herzustellen. Dabei ist zum einen zu unter-suchen, inwieweit die identifizierten Zufriedenheitsdeterminanten und deren relative Bedeutungsgewichte auf die unterschiedlichen Handelsbranchen und –betriebstypen übertragen werden können. Zum anderen ist die Frage zu beantworten, ob sich der dargestellte Wirkungszusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenprofitabilität in weiteren Modellen bestätigen lässt.
� Neben der Übertragung des Untersuchungsgegenstands auf andere Branchen und Betriebstypen stellt die Vertiefung einzelner in der Arbeit angesprochener Bereiche, die keinen direkten Bezug zur Kundenbindung aufweisen, einen weiteren Ansatzpunkt künftiger Analysen dar. Hierbei wäre z.B. die zusätz-liche Erhebung umfangreicher soziodemographischer Merkmale wünschens-wert, um die identifizierten Zielgruppen anhand weiterer, typischer Eigen-schaften charakterisieren zu können. Diesem Aspekt kommt insbesondere bei
605 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. A.4 dieser Arbeit.
198
der aufgezeigten Segmentierung nach Erfolgspotenzial eine entscheidende Rolle für Maßnahmen zur Kundenbindung im Einzelhandel zu, da eine Trans-formation der Segmente auf die gesamte Kundenbasis nur begrenzt möglich ist.
� Die Operationalisierung der Kundenprofitabilität erfolgte in der vorliegen-den Untersuchung unter Bezugnahme auf eine objektive Größe, die das tatsächliche Verhalten der befragten Kunden gegenüber dem Anbieter in der Vergangenheit abbildete. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die Verwendung einer zukunftsgerichteten Kennzahl, wie sie z.B. der Customer-Lifetime-Value darstellt, die Wirkungskette beeinflusst. Ferner wäre diesbezüglich auch die Untersuchung des in dieser Arbeit entwickelten Modells über einen längeren Zeitraum von hohem Interesse für die Forschung, um einen Vergleich der Ergebnisse bei Betrachtung der künftigen Profitabilität zu ermöglichen. Hierzu bietet es sich an, die erzielten Ergebnisse den Ergebnissen nach Ablauf von weiteren 12 Monaten gegenüber zu stellen.
� Hinsichtlich der dieser Arbeit zugrunde liegenden empirischen Basis bleibt zum einen die Notwendigkeit bestehen, dass zu einer Absicherung der getroffenen Aussagen eine Replizierung der Untersuchung in anderen Fachgeschäften erforderlich ist. Zum anderen empfiehlt sich für zukünftige Untersuchungen einzelner Teilbereiche eine höhere Stichprobengröße, um besser abgesicherte Erkenntnisse ableiten zu können.
� In Bezug auf das empirische Analyseinstrumentarium zur Untersuchung der Kundenbindung hat sich die Kausalanalyse unter Anwendung von AMOS 5 als zuverlässiges und sinnvolles Instrument erwiesen. Allerdings erfordern kovarianzbasierende Verfahren wie AMOS in Abhängigkeit von der Anzahl der im Modell betrachteten Indikatoren einen hohen Stichprobenumfang zur Identifikation des Modells. Aus diesem Grund erfolgte in dieser Arbeit die Analyse von zwei getrennten Teilmodellen. In künftigen Untersuchungen wäre es wünschenswert, die unter Verwendung eines Kovarianzstrukturanalyse-verfahrens wie z.B. AMOS erzielten Ergebnisse mit den unter Verwendung eines weniger restriktiven Varianzstrukuranalyseverfahren wie z.B. PLS zu vergleichen.
� Schließlich führen die vorliegenden Erkenntnisse nur dann zu positiven Effekten, wenn sie auch bei den Maßnahmen zur Kundenbindung von Seiten der Handelsunternehmen berücksichtigt werden. Die in dieser Arbeit eher allgemein thematisierten Implikationen müssen inhaltlich weiter vertieft
199
und empirisch validiert werden. Nur dadurch kann es gelingen, Marketing-entscheider im Einzelhandel für die Notwendigkeit einer kundenbindungs-orientierten Profilierung zur Begegnung der aktuellen und künftigen Heraus-forderungen im Handel zu sensibilisieren und konkrete Hinweise zu deren Umsetzung zu geben.
201
Anhang
Fragebogen
KUNDENUMFRAGE 2005
Guten Tag, wir möchten uns noch besser an Ihre Bedürfnisse und Wünsche rund um das Thema Bekleidung anpassen und von Ihnen erfahren, was Sie an uns schätzen, und in welchen Bereichen wir uns noch verbessern können. Aus diesem Grund führen wir in Zusammenarbeit mit der Handelshochschule Leipzig und unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. M. Kirchgeorg eine Kundenumfrage durch. Wir würden uns freuen, wenn Sie den beigefügten Fragebogen für uns ausfüllen. Sollten Sie sich bei einigen Fragen unsicher sein, so antworten Sie spontan, ohne lange zu überlegen. Den ausgefüllten Fragebogen danach bitte in den vorfrankierten Antwort-Umschlag stecken und versenden. Gewinnspiel für alle Teilnehmer Unter allen Teilnehmern verlosen wir drei Einkaufsgutscheine im Wert von jeweils 250,- Euro. Die ersten 10 Einsendungen erhalten darüber hinaus einen Einkaufsgutschein im Wert von jeweils 50,- Euro. Um Ihre Teilnahme am Gewinnspiel so einfach wie möglich zu machen, haben wir Ihre Kunden-kartennummer bereits auf den Antwortbriefumschlag aufgedruckt. Bei Ankunft des ausgefüllten Fragebogens in Leipzig wird der Umschlag vom Fragebogen getrennt. Der Fragebogen verbleibt zur Auswertung am Lehrstuhl Marketingmanagement von Herrn Prof. Dr. M. Kirchgeorg, die Umschläge (mit Ihrer Kundenkartennummer) werden zur Gewinnspielteilnahme an das Modehaus X zurück geschickt. Somit ist garantiert, dass kein Rückschluss der Antworten auf den einzelnen Teilnehmer möglich ist. Vielen Dank, Ihr Modehaus X.
202
Geschlecht:
� männlich � weiblich
Geburtsjahr:
Voll und ganz
zufrieden Gar nicht
zufrieden Wie zufrieden sind Sie mit … 1 2 3 4 5
der Warenauswahl im Modehaus X � � � � �
dem Preisniveau im Modehaus X im Vergleich zu anderen Geschäften, in denen Sie Kleidung kaufen
� � � � �
der Höflichkeit des Personals � � � � �
der (modischen) Aktualität der Kleidung � � � � �
der Hilfsbereitschaft des Personals � � � � �
dem Markenangebot � � � � �
der Übersichtlichkeit in den Verkaufsräumen � � � � �
den Rabatt-Gutscheinen, die die Inhaber der Kundenkarte regelmäßig von uns zugeschickt bekommen
� � � � �
der Anordnung der Kleidung in den Verkaufsräumen � � � � �
dem Preis-/Leistungsverhältnis Modehaus X im Vergleich zu anderen Geschäften, in denen sie Kleidung kaufen
� � � � �
der Freundlichkeit des Personals � � � � �
Bitte geben Sie im nächsten Teil der Befragung an, inwieweit Sie den formulierten Aussagen zu Ihrer Einstellung zum Modehaus X zustimmen. Sie können Ihre Antwort von „Stimme ich voll und ganz zu“ bis „Stimme ich gar nicht zu“ abstufen.
Stimme ich
voll und ganz zu
Stimme ich
gar nicht zu
1 2 3 4 5
Ich werde meinen Freunden und Bekannten von den Vorzügen des Modehaus X erzählen
� � � � �
Mit den Leistungen des Modehaus X bin ich sehr zufrieden
� � � � �
Von meinen guten Erfahrungen mit dem Modehaus X sollen auch andere erfahren
� � � � �
Ich bin voll und ganz vom Modehaus X überzeugt � � � � �
Das Modehaus X entspricht voll und ganz meinen Erwartungen � � � � �
Ich beabsichtige nicht, meine Kleidung künftig woanders zu kaufen � � � � �
Ich denke nicht, dass ich bei meinem nächsten Einkauf ein anderes Geschäft ausprobiere
� � � � �
Ich habe die Absicht, das Modehaus X anderen Personen weiterzuempfehlen
� � � � �
Das Modehaus X bietet mir genau das, was ich brauche � � � � �
Abschließend zwei Fragen zu Ihren Einkaufsgewohnheiten:
Wie viel Geld haben Sie in den letzten 12 Monaten ungefähr für Bekleidung ausgegeben - alle Geschäfte zusammengerechnet? ca. _______________ EURO
Wie viel Geld haben Sie davon ungefähr im Modehaus X ausgegeben?
ca. _______________ EURO
203
Literaturverzeichnis
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus den Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer Prüfungsbehörde vorgelegt und ist auch nicht veröffentlicht worden.
Freiburg, September 2009 _________________________
(Andreas Fuchs)