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Kulturland Deutschland

Date post: 04-Nov-2021
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Nr. 03/05 Mai - Juni 2005 www.kulturrat.de 3,00 ISSN 1619-4217 B 58 662 Zeitung des Deutschen Kulturrates Kultur und Ökonomie Hermann Glaser und Max Fuchs, gehen der Frage nach, welchen Ein- fluss die Ökonomie auf die Gesell- schafts- und Kulturpolitik hat. Oli- ver Scheytt und Michael Zimmer- mann stehen für kulturelle Grund- versorgung angesichts wachsender Ökonomisierung ein. Seiten 2 bis 4 Presse-Grosso Das Presse-Grosso sichert Informati- ons- und Meinungsfreiheit. Welche Anforderungen an das Presse-Grosso zu stellen sind, wird aus Sicht der Kul- turstaatsministerin Christina Weiss, den Zeitungs- und Zeitschriftenver- leger und des Presse-Grosso selbst debattiert. Seiten 5 bis 8 EU-Dienstleistungsrichtlinie Welche Gefahren von der EU-Dienst- leistungsrichtlinie für den Kultur- und Medienbereich ausgehen, disku- tieren Fritz Pleitgen, Verena Wie- demann, Sigrid Skarpelis-Sperk, Max Fuchs und Thomas Silberhorn. Ein- hellig appellieren sie für Ausnahme- regelungen bei Kultur und Funk. Seiten 18 bis 21 Jahresbericht 2004 Die Arbeit des Deutschen Kulturrates, die Themenschwerpunkte der Sektio- nen und die Vertretung des Deutschen Kulturrates in externen Gremien wer- den im Jahresbericht vorgestellt. Im Mittelpunkt standen internationale und europäische Kulturpolitik, kultu- relle Bildung soziale Sicherung. Seiten 11 bis 14 Soziale Sicherung Welche Chancen die Riester-Rente für Künstlerinnen und Künstler bietet, wird anhand diverser Mo- dellrechnungen vorgestellt. Die ak- tuelle Debatte zur KSK im Deut- schen Bundestag kommentieren Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz. Seiten 15 bis 16 + Beilage Europa Kultur Stadt IV deutsch/englisch Kultur-Mensch Andreas Joh. Wiesand oto: privat Wenn aktuell wieder über die Künstlersozialversicherung de- battiert wird, lohnt es sich, die Pionierarbeiten von Andreas Wiesand und Karla ohrbeck zur sozialen Lage der Künstler, den Autorenreport aus dem Jahr 1965 und den Künstlerre- port aus dem Jahr 1975 wieder einmal zur Hand zu nehmen. Material für beide Untersuchungen waren Interviews mit Künst- lern und Publizisten und Auswertungen vorhandener Statisti- ken. Die Einführung der Künstlersozialversicherung geht nicht zuletzt auf beide Untersuchungen zurück. Als Leiter des Zentrums für Kulturforschung (ZfKf) das in die- sem Jahr sein 35jähriges Jubiläum feiert und als Generalsek- retär des Europäischen Kulturforschungsinstituts (EriCarts) steht Andreas Joh. Wiesand für unabhängige Kulturforschung. Seine Arbeiten zur Kulturwirtschaft, zu Kultur- und Medienbe- rufen, zur kulturellen Bildung und zur Kulturstatistik sind Mei- lensteine in der Kulturforschung. Wesentlich für die Arbeiten ist stets der europäische Blick, der mehr ist als was können wir von den Nachbarn lernen. Weiter auf Seite 2 Editorial Kakaopulver D ie Sahne auf dem Kaffee ist ein beliebtes Bild, um das Verhält- nis von privater zu öffentlicher Kul- turförderung zu beschreiben. Die öffentliche Hand finanziert den Kaf- fee, der private Förderer die Sahne auf dem Kaffee. Damit stellen beson- ders die Vertreter von Stiftungen und Unternehmen klar, dass sie sich nicht in der Verantwortung für eine dauerhafte Kulturförderung sehen, sondern zusätzlich das kulturelle Sahnehäubchen spendieren wol- len. Doch was passiert eigentlich, wenn auch die öffentlichen Hände keine dauerhafte Kulturförderung mehr unternehmen wollen. Der haushaltstechnische Begriff für eine dauerhafte Unterstützung lautet „In- stitutionelle Förderung“ und ist in den letzten Jahren gerade bei den für Kulturförderung verantwortlichen Politikern zum Unwort geworden. Eine „Institutionelle Förderung“ würde die Haushaltsmittel dauerhaft binden und sollte nur noch in extre- men Ausnahmefällen gewährt wer- den. „Projektförderung“ ist das Zau- berwort. Kurzfristig, zeitlich be- grenzt und natürlich immer innova- tiv muss das zu fördernde kulturelle Projekt sein. Zeitlich unbefristet fest- angestellte Mitarbeiter, funktionie- rende Infrastrukturen, alles nur noch Begriffe aus dem vergangenen Jahr- hundert. Für die Politiker und die Kulturverwaltungen hat das Vortei- le: Es gibt immer etwas Neues zu entscheiden. Hier ein paar Euro, dort einen kleinen Zuschuss und wer Geld verteilen darf, wird immer auch gemocht. Einen Rechtsanspruch auf eine Förderung gibt es aber selbst- verständlich nicht. Die Spitze dieser Entwicklung sind die Kulturstiftungen von Bund und Ländern. Besonders die nach eigenen Angaben größte Kulturstif- tung Europas, die Kulturstiftung des Bundes zeigt, wie in der Zukunft Kul- turförderung funktionieren soll. In- stitutionelle Förderung ist gänzlich verboten. Der Niedergang der Berliner Sym- phoniker hat es gerade erst deutlich gemacht: Wenn die öffentliche Hand eine dauerhafte Finanzierung verweigert, werden die Privaten die Lücke nicht füllen. Das liegt nicht nur daran, dass es eindeutig nicht ihre Aufgabe ist, sondern dass das private Engagement, ob über Stif- tungen, Spenden oder Sponsoring, im Kulturbereich ständig großer geredet wird, als es in Wirklichkeit ist. Die öffentlichen Hände finanzie- ren nur noch die kulturellen Sahne- häubchen, die Privaten liefern das Kakaopulver zur Verzierung der Sah- ne und der Kaffee darunter wird schal, das ist das zeitgemäße Bild bundes- deutscher Kulturförderung. Mit nach- haltiger Kulturpolitik hat das nichts zu tun. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Kulturland Deutschland Von Angela Merkel Gäbe es einen PISA-Test für Kultur, dann gehörte die Bundesrepublik Deutschland zweifellos zur Spitzen- gruppe. Kaum ein Land auf der Welt hat in solch hohem Maß Opernhäu- ser, Theater, Orchester, Chöre und Plattformen für die literarischen und bildenden Künste auf engstem Raum versammelt wie unser Land. Trotz aller Sparmaßnahmen der letzten Jahre konnte dieser hohe Standard insgesamt gehalten wer- den. Und die Nachfrage nach Kunst und Kultur wächst, wie die Besu- cherzahlen ausweisen. In einigen Bereichen man denke nur an die Events, estspiele oder Kultur- sommer haben Marketing und Marktorientierung verstärkt Einzug gehalten. Unsere kulturellen Stan- dards unter den veränderten Bedin- gungen der Zukunft aufrecht zu erhalten, erfordert allerdings gro- ße Anstrengungen von Kommunen, Ländern und Bund und zuneh- mend auch von der Bürgergesell- schaft. K ultur prägt einen eigenständigen Freiheitsraum aus. Dieser Raum ist essentiell für eine Freiheitsgesell- schaft, die gleichermaßen auf Tradi- tion und Fortschritt, auf staatlicher Förderung und Selbstentwicklung beruht. Auch für die Zukunft gilt: Die föderal organisierte Kunst und Kul- tur ist ein Erbe, das auf keinen Fall verspielt werden darf. Denn Kunst und Kultur sind untrennbar mit der Identität der Deutschen als Nation verbunden. Die deutsche Nation hat sich noch vor der ersten demokrati- schen Verfassung und der territori- al-staatlichen Einigung als Bildungs- und Kulturnation verstanden. Fragt man heute, worauf die Deut- schen stolz sind, dann werden neben den Leistungen deutscher Forscher und Ingenieure oder dem Wirtschafts- wunder der Nachkriegsjahre vor allem die Errungenschaften von Kunst und Kultur genannt. Dies hat nach 1945 auch geholfen, die vierzigjährige deut- sche Teilung durch Mauer und Sta- cheldraht nicht zu einer Teilung des Volkes werden zu lassen. Der Artikel 35 des Einigungsvertrages spricht die gemeinsame Identität als Kulturnati- on und als Kulturstaat ausdrücklich an. Kultur versteht und entfaltet sich nicht von selbst. Sie bedarf der Pflege und Fortentwicklung. Gerade weil bei uns die Kulturnation in hohem Maß Zugehörigkeit dokumentiert und so- zialen Zusammenhalt fördert, bedarf sie der besonderen Aufmerksamkeit von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat. Nun wäre es weltfremd, Kunst und Kultur losgelöst von den aktuel- len gesellschaftlichen Entwicklungen zu betrachten. Die Globalisierung, die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union, die wissen- schaftlich-technologischen Innovati- onen und der Wandel in der Arbeits- welt erfordern mehr denn je ein Um- denken in den gewohnten Struktu- ren. Die Aufgaben der Haushaltssa- nierung, des Umbaus des Sozialstaa- tes und die Notwendigkeit höherer Mittelbereitstellung für Wissenschaft und Forschung erfordern Um- und Neuverteilungen in den Etats. Aber trotz wachsender finanzieller Zwän- ge und Engpässe, die im Einzelnen zu durchaus schmerzlichen Einschnit- ten im Kunst- und Kulturbereich füh- ren, droht kein allgemeiner Kultur- notstand. Wie in anderen gesell- schaftlichen Bereichen – Arbeitswelt, Rente, Gesundheit und Bildung – geht es auch im Kultursektor insgesamt nicht um Abbau, sondern um Umbau und zeitgemäße Weiterentwicklung. Es gibt keine Tendenz, dass Kunst und Kultur ihren Stellenwert in der entste- henden Wissensgesellschaft verlieren werden – und es gibt auch wahrlich keinen vernünftigen Grund, eine sol- che Entwicklung einzuleiten. Die biblische Einsicht bleibt gül- tig: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Aber das heißt: Er lebt eben auch vom Brot. Notwendig ist des- halb, dass Deutschland in einer na- tionalen Kraftanstrengung wieder eine größere wirtschaftliche Dyna- mik entfaltet. Mehr Wachstum, mehr Menschen in Arbeit und mehr Inno- vation sichern die gesellschaftliche Wohlfahrt der Zukunft – und damit wichtige Grundlagen von Kunst und Kultur. Es gilt, vor dem Hintergrund gewandelter Verhältnisse die mate- riellen Voraussetzungen auch für die Kulturnation und den Kulturstaat wieder neu zu sichern. Auf dieser Basis stehen wir dann vor der Aufgabe, eine zukunftsorien- tierte Kunst- und Kulturpolitik zu entwickeln. Ich möchte fünf wichti- ge Punkte dafür nennen: Erstens: Der föderale Bundes- staat bleibt als Kulturstaat Hüter und Pfleger deutscher Kultur. Sein Auf- trag bleibt die kulturelle Grundver- sorgung als Daseinsvorsorge. Dazu gehört weiterhin die entsprechende Grundfinanzierung. Allerdings wird es dabei stärker auch um Evaluation von Zielen und Mitteln gehen, um attraktive Angebote, neue Konzepte der regionalen Förderung – Beispiel Sachsen – und Netzwerkbildungen mit Unternehmen und Bürgern. Zweitens: Regionen und Kommu- nen müssen gestärkt werden, damit sie weiterhin in der Lage sind, Kul- tur in der Breite zu fördern. Denn in den „kleinen Einheiten“ wird der Sinn von Kunst und Kultur für die Menschen am ehesten erfahrbar. Drittens: Es geht um eine Revita- lisierung der aktiven Bürgergesell- schaft. Hier liegen viele Unterstüt- zungsmöglichkeiten in finanzieller wie ehrenamtlicher Hinsicht brach. Die Potentiale einer aktiven Bürger- gesellschaft werden noch immer dra- matisch unterschätzt. Der Staat muss nicht alles selber machen. Es geht deshalb um ein neues Verhältnis von Die Vorsitzende der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion, Angela Merkel Foto: Deutscher Bundestag 4<BUFJTM=gadaai>:V;Y
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Page 1: Kulturland Deutschland

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Kultur und ÖkonomieHermann Glaser und Max Fuchs,gehen der Frage nach, welchen Ein-fluss die Ökonomie auf die Gesell-schafts- und Kulturpolitik hat. Oli-ver Scheytt und Michael Zimmer-mann stehen für kulturelle Grund-versorgung angesichts wachsenderÖkonomisierung ein.

Seiten 2 bis 4

Presse-GrossoDas Presse-Grosso sichert Informati-ons- und Meinungsfreiheit. WelcheAnforderungen an das Presse-Grossozu stellen sind, wird aus Sicht der Kul-turstaatsministerin Christina Weiss,den Zeitungs- und Zeitschriftenver-leger und des Presse-Grosso selbstdebattiert.

Seiten 5 bis 8

EU-DienstleistungsrichtlinieWelche Gefahren von der EU-Dienst-leistungsrichtlinie für den Kultur-und Medienbereich ausgehen, disku-tieren Fritz Pleitgen, Verena Wie-demann, Sigrid Skarpelis-Sperk, MaxFuchs und Thomas Silberhorn. Ein-hellig appellieren sie für Ausnahme-regelungen bei Kultur und Funk.

Seiten 18 bis 21

Jahresbericht 2004Die Arbeit des Deutschen Kulturrates,die Themenschwerpunkte der Sektio-nen und die Vertretung des DeutschenKulturrates in externen Gremien wer-den im Jahresbericht vorgestellt. ImMittelpunkt standen internationaleund europäische Kulturpolitik, kultu-relle Bildung soziale Sicherung.

Seiten 11 bis 14

Soziale SicherungWelche Chancen die Riester-Rentefür Künstlerinnen und Künstlerbietet, wird anhand diverser Mo-dellrechnungen vorgestellt. Die ak-tuelle Debatte zur KSK im Deut-schen Bundestag kommentierenOlaf Zimmermann und GabrieleSchulz.

Seiten 15 bis 16

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Die Sahne auf dem Kaffee ist einbeliebtes Bild, um das Verhält-

nis von privater zu öffentlicher Kul-turförderung zu beschreiben. Dieöffentliche Hand finanziert den Kaf-fee, der private Förderer die Sahneauf dem Kaffee. Damit stellen beson-ders die Vertreter von Stiftungen undUnternehmen klar, dass sie sichnicht in der Verantwortung für einedauerhafte Kulturförderung sehen,sondern zusätzlich das kulturelleSahnehäubchen spendieren wol-len.

Doch was passiert eigentlich,wenn auch die öffentlichen Händekeine dauerhafte Kulturförderungmehr unternehmen wollen. Derhaushaltstechnische Begriff für einedauerhafte Unterstützung lautet „In-stitutionelle Förderung“ und ist inden letzten Jahren gerade bei den fürKulturförderung verantwortlichenPolitikern zum Unwort geworden.Eine „Institutionelle Förderung“würde die Haushaltsmittel dauerhaftbinden und sollte nur noch in extre-men Ausnahmefällen gewährt wer-den. „Projektförderung“ ist das Zau-berwort. Kurzfristig, zeitlich be-grenzt und natürlich immer innova-tiv muss das zu fördernde kulturelleProjekt sein. Zeitlich unbefristet fest-angestellte Mitarbeiter, funktionie-rende Infrastrukturen, alles nur nochBegriffe aus dem vergangenen Jahr-hundert. Für die Politiker und dieKulturverwaltungen hat das Vortei-le: Es gibt immer etwas Neues zuentscheiden. Hier ein paar Euro, dort

einen kleinen Zuschuss und werGeld verteilen darf, wird immer auchgemocht. Einen Rechtsanspruch aufeine Förderung gibt es aber selbst-verständlich nicht.

Die Spitze dieser Entwicklungsind die Kulturstiftungen von Bundund Ländern. Besonders die nacheigenen Angaben größte Kulturstif-tung Europas, die Kulturstiftung desBundes zeigt, wie in der Zukunft Kul-turförderung funktionieren soll. In-stitutionelle Förderung ist gänzlichverboten.

Der Niedergang der Berliner Sym-phoniker hat es gerade erst deutlichgemacht: Wenn die öffentlicheHand eine dauerhafte Finanzierungverweigert, werden die Privaten dieLücke nicht füllen. Das liegt nichtnur daran, dass es eindeutig nichtihre Aufgabe ist, sondern dass dasprivate Engagement, ob über Stif-tungen, Spenden oder Sponsoring,im Kulturbereich ständig großergeredet wird, als es in Wirklichkeitist.

Die öffentlichen Hände finanzie-ren nur noch die kulturellen Sahne-häubchen, die Privaten liefern dasKakaopulver zur Verzierung der Sah-ne und der Kaffee darunter wird schal,das ist das zeitgemäße Bild bundes-deutscher Kulturförderung. Mit nach-haltiger Kulturpolitik hat das nichtszu tun.

Olaf Zimmermann,Geschäftsführer des Deutschen

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K ultur prägt einen eigenständigenFreiheitsraum aus. Dieser Raum

ist essentiell für eine Freiheitsgesell-schaft, die gleichermaßen auf Tradi-tion und Fortschritt, auf staatlicherFörderung und Selbstentwicklungberuht. Auch für die Zukunft gilt: Dieföderal organisierte Kunst und Kul-tur ist ein Erbe, das auf keinen Fallverspielt werden darf. Denn Kunstund Kultur sind untrennbar mit derIdentität der Deutschen als Nation

verbunden. Die deutsche Nation hatsich noch vor der ersten demokrati-schen Verfassung und der territori-al-staatlichen Einigung als Bildungs-und Kulturnation verstanden.

Fragt man heute, worauf die Deut-schen stolz sind, dann werden nebenden Leistungen deutscher Forscherund Ingenieure oder dem Wirtschafts-wunder der Nachkriegsjahre vor allemdie Errungenschaften von Kunst undKultur genannt. Dies hat nach 1945auch geholfen, die vierzigjährige deut-sche Teilung durch Mauer und Sta-cheldraht nicht zu einer Teilung desVolkes werden zu lassen. Der Artikel35 des Einigungsvertrages spricht diegemeinsame Identität als Kulturnati-on und als Kulturstaat ausdrücklichan.

Kultur versteht und entfaltet sichnicht von selbst. Sie bedarf der Pflegeund Fortentwicklung. Gerade weil beiuns die Kulturnation in hohem MaßZugehörigkeit dokumentiert und so-zialen Zusammenhalt fördert, bedarfsie der besonderen Aufmerksamkeitvon Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.

Nun wäre es weltfremd, Kunstund Kultur losgelöst von den aktuel-len gesellschaftlichen Entwicklungenzu betrachten. Die Globalisierung,die Vertiefung und Erweiterung derEuropäischen Union, die wissen-schaftlich-technologischen Innovati-onen und der Wandel in der Arbeits-welt erfordern mehr denn je ein Um-denken in den gewohnten Struktu-ren. Die Aufgaben der Haushaltssa-nierung, des Umbaus des Sozialstaa-tes und die Notwendigkeit höhererMittelbereitstellung für Wissenschaftund Forschung erfordern Um- undNeuverteilungen in den Etats. Abertrotz wachsender finanzieller Zwän-ge und Engpässe, die im Einzelnen zudurchaus schmerzlichen Einschnit-ten im Kunst- und Kulturbereich füh-ren, droht kein allgemeiner Kultur-notstand. Wie in anderen gesell-schaftlichen Bereichen – Arbeitswelt,Rente, Gesundheit und Bildung – gehtes auch im Kultursektor insgesamtnicht um Abbau, sondern um Umbauund zeitgemäße Weiterentwicklung.Es gibt keine Tendenz, dass Kunst undKultur ihren Stellenwert in der entste-henden Wissensgesellschaft verlierenwerden – und es gibt auch wahrlichkeinen vernünftigen Grund, eine sol-che Entwicklung einzuleiten.

Die biblische Einsicht bleibt gül-tig: Der Mensch lebt nicht vom Brotallein. Aber das heißt: Er lebt ebenauch vom Brot. Notwendig ist des-halb, dass Deutschland in einer na-tionalen Kraftanstrengung wiedereine größere wirtschaftliche Dyna-mik entfaltet. Mehr Wachstum, mehrMenschen in Arbeit und mehr Inno-vation sichern die gesellschaftlicheWohlfahrt der Zukunft – und damit

wichtige Grundlagen von Kunst undKultur. Es gilt, vor dem Hintergrundgewandelter Verhältnisse die mate-riellen Voraussetzungen auch für dieKulturnation und den Kulturstaatwieder neu zu sichern.

Auf dieser Basis stehen wir dannvor der Aufgabe, eine zukunftsorien-tierte Kunst- und Kulturpolitik zuentwickeln. Ich möchte fünf wichti-ge Punkte dafür nennen:

Erstens: Der föderale Bundes-staat bleibt als Kulturstaat Hüter undPfleger deutscher Kultur. Sein Auf-trag bleibt die kulturelle Grundver-sorgung als Daseinsvorsorge. Dazugehört weiterhin die entsprechendeGrundfinanzierung. Allerdings wirdes dabei stärker auch um Evaluationvon Zielen und Mitteln gehen, umattraktive Angebote, neue Konzepteder regionalen Förderung – BeispielSachsen – und Netzwerkbildungenmit Unternehmen und Bürgern.

Zweitens: Regionen und Kommu-nen müssen gestärkt werden, damitsie weiterhin in der Lage sind, Kul-tur in der Breite zu fördern. Denn inden „kleinen Einheiten“ wird derSinn von Kunst und Kultur für dieMenschen am ehesten erfahrbar.

Drittens: Es geht um eine Revita-lisierung der aktiven Bürgergesell-schaft. Hier liegen viele Unterstüt-zungsmöglichkeiten in finanziellerwie ehrenamtlicher Hinsicht brach.Die Potentiale einer aktiven Bürger-gesellschaft werden noch immer dra-matisch unterschätzt. Der Staat mussnicht alles selber machen. Es gehtdeshalb um ein neues Verhältnis von

Die Vorsitzende der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion, Angela Merkel

Foto: Deutscher Bundestag

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Page 2: Kulturland Deutschland

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I n den Briefen „Über die ästheti-sche Erziehung des Menschen“

findet sich, sozusagen als negativerAusgangspunkt für die dann aufge-zeigte Hoffnung, dem Menschen überdas Erlebnis des Schönen zur sittli-chen Reife zu verhelfen („weil nur ausdem ästhetischen, nicht aber aus demphysischen Zustand der moralischesich entwickeln kann“), das Diktum:„Jetzt aber herrscht das Bedürfnis undbeugt die gesunkene Menschheit un-ter sein tyrannisches Joch. Der Nutzenist das große Idol der Zeit, dem alleKräfte fronen und alle Talente huldi-gen sollen. Auf dieser groben Waagehat das geistige Verdienst der Kunstkein Gewicht, und, aller Aufmunte-rung beraubt, verschwindet sie vondem lärmenden Markt des Jahrhun-derts.“ Ein paar Zeilen später meintSchiller – er war 1792 (also drei Jahrevor dem Erscheinen der Schrift) vomfranzösischen Nationalkonvent zum„Bürger Frankreichs“ ernannt wor-den –: „Erwartungsvoll sind die Blickedes Philosophen wie des Weltmannesauf den politischen Schauplatz ge-richtet, wo jetzt, wie man glaubt, dasgroße Schicksal der Menschheit ver-handelt wird.“

In unsere Zeit transponiert: Immermehr schwinden die staatsbürgerli-chen Erwartungen, dass in unsererDemokratie das „Gemeinwohl“ genü-gend beachtet wird. Das Denken derpolitischen Kaste ist weitgehend vomSubsystem des Ökonomismus usur-piert; die W-Sinnfragen – was tun wirwie warum mit welchen Mitteln wo-her kommen wir wohin gehen wir –werden zugunsten der Kosten- und Er-tragsberechnungen (mit Controlling)suspendiert, volkswirtschaftlicheÜberlegungen auf betriebswirtschaft-liche reduziert; diese wiederum sindweiter verengt, d.h. vom Popanz desShareholder value bestimmt. Mit demArgument, dass alles „sich“ rechnenmuss, wird antizipatorische Vernunftausgeschaltet, zumal mit dem Killer-Argument der Globalisierung jederDenk-Widerstand gegenüber scham-loser, verantwortungsloser Profitmaxi-

mierung nur den Hohn der „Wirt-schaftseliten“ findet.Man kann natürlich einwenden, dassein Denken im Geiste der „alten“ Be-grifflichkeit „sozialer Marktwirtschaft“den heutigen Möglichkeiten nichtmehr entspräche. Aber darüber müss-te zumindest ein ernsthafter Diskursstattfinden, der zum einen die Kon-zepte einer „okkasionellen“ (nur ausdem Augenblick heraus handelndenPolitik) kritisch hinterfragt – wie es z.B.Albrecht Müller mit seinem Buch „DieReformlüge. 40 Denkfehler, Mythenund Legenden, mit denen Politik undWirtschaft Deutschland ruinieren“ tut;zum anderen wäre die heuristischeWirkung von Visionen und Utopienvorurteilsfrei zu würdigen. Zumindestdie Generationen, die 1945 und dieAufbaujahre bewusst erlebt haben,wissen, dass gerade „voraus geworfe-ne“ Ideen das Konkret-Richtige zu be-wirken vermögen. Aus dem No-whe-re können dem Now-here starke Im-pulse zufließen. Kulturelle Leiden-schaft – „Edel sei der Mensch, hilfreichund gut“ – ist etwas ganz anderes, alsdie vorherrschende semantische Er-bärmlichkeit (Hartz IV, Agenda 2010),mit der man heutzutage Verfassungs-patriotismus brach liegen lässt.

Nach Max Weber sollte politischesHandeln sich als ein „starkes langsa-mes Bohren von harten Brettern mitLeidenschaft und Augenmaß“ erwei-sen. Heute fehlt den von der Politikmeist noch dazu mit handwerklicherSchludrigkeit vorgelegten sogenann-ten Innovationen bzw. Reformen dasverbindende Band; sie sind fraktali-siert und nicht Teil einer weiter wei-senden Gesamtkonzeption. Für diePolitik, meint der Nestor der Politolo-gie, Wilhelm Hennis, gelte der katego-rische Imperativ – handle so, dass dieMaxime deines Handelns Grundlageeiner allgemeinen Gesetzgebung seinkönnte – nicht mehr. Nimm, was dukriegst, laute Paragraph eins des Gier-Gesetzes; Paragraph zwei: Lache dei-nen Kritikern ins Gesicht. Sie sind Nei-der. „Der Kampf um die Macht – dasist das Einzige, was diese Generationinteressiert. Die ganze Generation isteine Fehlbesetzung.“ Einer der letztenstandhaften und standfesten Sozial-Demokraten, nämlich Heiner Geißler,stellte kürzlich fest, das die Geldgierdie Gehirne zerfresse. Die Wähler sä-hen sich mit einer großen Koalitionkonfrontiert, die offensichtlich dieRepublik mit einem Metzgerladen ver-wechsle. In ihm werde „so tief ins so-ziale Fleisch geschnitten, dass das Blutnur so spritzt“. (Auch ins kulturelle!)Mit diesem Wirtschaftssystem könnees so nicht mehr weitergehen, denn essei im Kern verdorben. Die Stärkerenmüssten zur Solidarität mehr beitra-gen als die Schwächeren. Das Kapitalhabe „den Menschen zu dienen“,nicht umgekehrt. Ein Wandel, wie esdie Bergpredigt verlange, sei in derdeutschen Politik nötig. Man müsse

laut werden, Krach machen, denn:„der Markt ist kein Naturgesetz“.

Ein derart zorniges, aber auch mitHoffnung auf Wandel durchdrungenesPathos reibt sich freilich wund an densubtilen Methoden, mit denen kultu-relle Urbanität zur Erosion gebrachtwerden soll. Da ist vor allem „Deregu-lierung“: Eine die Kommerzialisierungauf alle Bereiche ausdehnende neoli-berale Ideologie, die das wirklich libe-rale, d. h. sozialmarktwirtschaftlicheCredo von der Notwendigkeit desgrößtmöglichen Glücks der größtmög-lichen Zahl auf den Kopf stellt. Dere-gulierung erfasst immer mehr auchKultur. Das 1994 zeitgleich mit derGründung der WTO (World Trade Or-ganisation) beschlossene „AllgemeineAbkommen mit Dienstleistungen“(GATS: General Agreement on Tradeand Services) etwa birgt große Gefah-ren für ein autonomes Kultur- und Bil-dungswesen. GATS – von den USAbesonders befördert – erfasst grund-sätzlich alle Dienstleistungen. Der öf-fentlich-rechtliche Rundfunk zumBeispiel, in der Bundesrepublik Ga-rant des dualen Systems, da nur seinedurch Gebühren gesicherte Existenzden quotenabhängigen kommerziel-len Rundfunk in seiner Einseitigkeitauszugleichen ermöglicht (die kultu-relle Grundversorgung der Bevölke-rung, abgestützt auch durch Grund-satzurteile des Bundesverfassungsge-richts, sichernd), ist durch GATSgenauso bedroht wie die öffentlicheFinanzierung von Kultur generell.GATS könnte zum Stoßkeil für die fort-schreitende Unterwerfung menschli-

cher Aktivitäten und Äußerungen un-ter die Verwertungsmechanismen derWarenwirtschaft werden, also bewir-ken, dass die wahre Ästhetik zuguns-ten der Warenästhetik suspendiertwird. Statt Anmut und Würde ein de-odorantes Frischwärts!

Die an Einfluss insgesamt zuneh-mende Auffassung vom Warencharak-ter der kulturellen Tätigkeiten undProdukte – eng mit der Existenz derKulturindustrien verbunden –, ist zwarvon der deutschen Politik noch nichtverinnerlicht; doch wird ihr nicht en-ergisch genug entgegengetreten, wasallein schon durch die Reduzierungder für die öffentliche Finanzierungder Kultur zur Verfügung stehendenMittel (im Besonderen die schlechteFinanzausstattung der Kommunen)verdeutlicht wird.

Kultur(politik) kann zwar die rea-len Verhältnisse nicht ändern, wohlaber das Bewusstsein, das für diesejeweils verantwortlich ist. Zurzeit ha-ben wir zwar manches Richtige (vorallem dank der kulturellen Basisar-beit), aber einen falschen Überbau.Deshalb sollte man sich im Schillerge-denkjahr 2005 an Thomas Manns1955, zum 150. Todesjahr, in beidenDeutschland gehaltenen Rede erin-nern, deren Aktualität noch gestiegenist: „Ohne Gehör für seinen Aufrufzum stillen Bau besserer Begriffe, rei-nerer Grundsätze, edlerer Sitten, ‘vondem zuletzt alle Verbesserung des ge-sellschaftlichen Zustandes abhängt’,taumelt eine von Verdummung trun-kene, verwahrloste Menschheit un-term Ausschreien technischer und

sportlicher Sensationsrekorde ihremschon gar nicht mehr ungewolltenUntergange entgegen. … Von seinemsanft-gewaltigen Willen gehe durchdas Fest seiner Grablegung und Auf-erstehung etwas in uns ein: von sei-nem Willen zum Schönen, Wahrenund Guten, zur Gesittung, zur innerenFreiheit, zur Kunst, zur Liebe, zumFrieden, zu rettender Ehrfurcht desMenschen vor sich selbst.“

Der Verfasser war Kulturdezernent inNürnberg und ist heute Publizist.

Fortsetzung von Seite 1

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Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.Im Kulturbereich brauchen wir ei-nen Staat, der ermuntert und akti-viert, Unternehmen, die gesellschaft-liche Verantwortung ernst nehmen,und eine aktive Bürgerschaft, die vonsich aus Aufgaben übernimmt. Esgeht um die stärkere Entwicklungvon ehrenamtlichem Engagement,von Mäzenatentum, von privatenStiftungen und jüngst den Bürger-stiftungen. Neben dem ökonomi-schen Effizienzdenken brauchenwir gerade auch die nichtökonomi-schen Motivationsquellen von Soli-darität, Selbstorganisation und Ei-geninitiative. Patriotismus und ak-

tive Bürgerschaft sind zwei Seiteneiner Medaille. Die Entfaltung derbürgerschaftlichen Potentialeschafft für Kunst und Kultur einebreitere Finanzbasis, erbringt mehrKreativität für die Lösung anstehen-der Probleme und sorgt für größe-ren sozialen Zusammenhalt.

Viertens: Kunst und Kultur lebenvon der Bildung und bedürfen derBildung. So wichtig beruflich nütz-liche Fertigkeiten sind, so muss esdoch immer auch um die Bildungder gesamten Persönlichkeit ge-hen. Dazu gehört die Vermittlungvon Geschichte, Wissenschaft undSprachen und ebenso von Litera-tur, Musik und Kunst. Es gibt keine„Randfächer“. Allgemeinbildungist und bleibt auch Kulturaneig-nung – erst recht in der Wissensge-sellschaft.

Fünftens: Kunst und Kultur istnicht nur nationale Aufgabe, son-dern Teil der europäischen Identität.Wir dürfen die Europäische Unionnicht nur als eine supranationale Ad-ministration ansehen. Die Europäi-sche Union ist zu einem gemeinsa-men Raum der Freiheit, des Rechts,der Demokratie und der Kultur ge-worden. Das historische FundamentEuropas liegt in einer die Bürger ver-bindenden, historisch über Jahrhun-derte gewachsenen Kunst und Kul-tur. Hier liegt die Seele Europas, vonder Jacques Delors gesprochen hat.Europaweite Ausstellungen, musi-kalische Vorführungen oder Muse-umsverbünde sind Ausdruck kultu-reller Gemeinsamkeiten – einer Ein-heit in Vielfalt. Auch die Kür zur je-weiligen „Kulturhauptstadt Euro-pas“ hat neue Energien freigesetzt.

Für die produktive Ausgestaltung ei-ner solchen Politik von Kunst undKultur sollte man insbesondere aufdie Bestandsaufnahme und konkre-ten Vorschläge der Enquete-Kom-mission des Deutschen Bundestages„Kultur in Deutschland“ schauen.Unabhängig davon geht es aber auchum einen Beitrag zum allgemeinenReformprozess in Deutschland.Denn Kunst und Kultur können hel-fen, die mentalen Voraussetzungenfür die Erneuerung Deutschlands zuschaffen: Selbst- und Mitverantwor-tung, eigenständige Urteilskraft, Mutzu Neuem, Wertebewusstsein undkulturelle Offenheit.

Es gehört zu den fatalen Fehlernder rot-grünen Bundesregierung,dass sie nicht nur ein klares Kon-zept, sondern auch den Blick fürden notwendigen Einstellungswan-

del als Voraussetzung für Reformenvermissen lässt. Weil Kunst und Kul-tur geistige Fähigkeiten und Einstel-lungen für gesellschaftliche Teilha-be und Reformbereitschaft unter-stützt, muss Kulturpolitik breit an-gelegt sein. Als Querschnittsaufga-be muss sie nicht nur die Förderungder Künste und Kultureinrichtun-gen umfassen, sondern sich auchauf Bildung, Wissenschaften, Fami-lie, Kommunen und die vielfältigenFormen der aktiven Bürgergesell-schaft beziehen. Umbrüche bietengroße Chancen. Wie in der Wirt-schaft können wir auch in der Kul-tur zu einer zweiten Gründerzeitkommen.

Die Verfasserin ist Vorsitzende derCDU-Deutschland und der CDU/

CSU-Bundestagsfraktion

Trogalien zur Verdauung der Xenien – Schiller mit Flasche und Peitsche, 1787

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Page 3: Kulturland Deutschland

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Herausforderungen

A uf der europäischen Ebene und inden GATS-Verhandlungen der

Welthandelsorganisation steht eineDeregulierung von Dienstleistungenauf der Tagesordnung. Die sukzessi-ve Ausdehnung von Marktöffnungs-verpflichtungen, wie im GeneralAgreement on Trade in Services(GATS) avisiert, stellt trotz möglicherAusnahmeklauseln die Instrumentenationaler Kultur- und Bildungspo-litik grundlegend in Frage. Die viel-leicht noch folgenreichere Wettbe-werbs- und Vergabepolitik der EUzielt darauf, „geschützte Märkte“ inden Mitgliedstaaten und faktischeoder rechtliche Monopole in der Pro-duktion und Gewährung öffentlicherund privater Dienstleistungen aufzu-brechen. Mit Blick auf die Gemeindengerät hier vor allem das Politikfeldder kommunalen Daseinsvorsorge -und mit ihm die nach wie vor als‚freiwillige Leistung‘ deklarierte Kul-turpolitik – als ein Herzstück des tra-ditionellen deutschen Kommunal-modells ins Visier. Für den Kultur-und Medienbereich sind deshalb im

Sinne einer wohlverstandenen kul-turellen Grundversorgung nachhal-tige Ausnahmeregelungen zu for-dern, die den Kulturstandort Bun-desrepublik im vereinigten Europasichern.

Mit Blick auf die nationalstaatli-che Ebene sieht man sich mit der For-derung konfrontiert, den Wohl-fahrtsstaat auf die Kernbereiche ei-nes „Schlanken Staates“ zurückzu-stutzen, den verbleibenden Korridorstaatlicher Leistungen auf eine Ge-währleistungsfunktion zu reduzie-ren und diese Leistungen über Aus-schreibung und Wettbewerb nicht-staatlichen Trägern zu überantwor-ten. Die Vorstellung von kulturellerGrundversorgung korrespondierthingegen mit dem Konzept des „Ak-tivierenden Staates“, der auch selbstqualifizierte, rechtlich und finanziellgesicherte Angebote unter Einbezie-hung von Akteuren aus der Zivilge-sellschaft macht und dessen Ge-meinwohlverständnis sich auf dieInklusion aller Gesellschaftsmitglie-der richtet.

In demographischer Hinsicht ge-hen alle vorliegenden Modellrech-nungen von einer erheblich sinken-den Bevölkerungszahl in Deutsch-land aus, was vor allem Großstädtein altindustriellen Ballungsräumen,in erheblichem Maße aber auch Kern-städte in wirtschaftlich prosperie-renden Regionen betrifft. Außerdemwerden ein steigendes Durch-schnittsalter und ein zunehmenderProzentanteil von Einwohnern mitMigrationshintergrund prognosti-ziert. Relevant für die Kulturpolitiksind allerdings nicht die schierendemographischen Daten, sondernvielmehr die Entwicklung des Nut-zungsbedarfs für kulturelle Einrich-tungen. Hier lässt sich angesichts der

neuen Anforderungen an das Bil-dungs- und Qualifikationsprofil undeines erheblich wachsenden gesell-schaftlichen Integrationsbedarfs abervielfach eine stärkere Inanspruch-nahme kultureller Bildungsangebo-te voraussagen. Auch das verlangteine nachhaltige Sicherung der kul-turellen Infrastruktur.

Auf der kommunalen Ebene, aufdie wir unsere Argumentation im fol-genden konzentrieren möchten, hatsich die Schere zwischen Einnah-men und Ausgaben in den letztenJahren zusehends geöffnet. Die Ur-sachen sind komplex: Auf der EU-Ebene wie im zweistufigen, verfas-sungsrechtlich auf Bund und Länderfixierten deutschen Politiksystemsind die institutionell verbrieftenMitwirkungsmöglichkeiten der Ge-meinden gering. Des weiteren bür-den Bund und Länder den Kommu-nen Aufgaben und Ausgaben auf,ohne für zureichenden finanziellenAusgleich zu sorgen. Hinzu kommenEinnahmeausfälle, die teils durchstrukturelle und konjunkturelle öko-nomische Defizite, teils durch eineSteuerpolitik bedingt sind, die eineEntschuldung der Gemeinden fak-tisch ausschließt. In der Folge voll-ziehen die Kommunen tiefe Ein-schnitte in ihren Personalbestand.Solche Stellenstreichungen gefähr-den gerade jene Sektoren, in denensich die Gemeinden ohne Verpflich-tung durch ein Bundes- oder Lan-desgesetz engagieren. Das gilt zumeinen für lokalspezifische Sozialleis-tungen, zum anderen für kulturelleAktivitäten.

Soll man sich angesichts diesesvielfältigen Drucks resignierend invermeintlich Unabwendbare schi-cken? Ein solcher Verzicht auf poli-tisches Handeln scheint uns nicht

verantwortbar. Um der existenzbe-drohenden Finanzkrise der Kommu-nen als zentrale Träger kulturpoliti-scher Leistungen abzuhelfen, istzunächst eine einschneidende Ge-meindefinanzreform notwendig.Hier sollten sich die Kulturpolitikeraktiver als bisher einmischen. Dennes geht um die Voraussetzungen fürkulturelle Teilhabe in einer ohnehinschwierigen gesellschaftlichen Situ-ation, die Ralf Dahrendorf in seinem2004 erschienenen Buch „Der Wie-derbeginn der Geschichte“ besorgtals „Wiederkehr des Sozialdarwinis-mus unter dem Druck der Globali-sierung“ charakterisiert. Sowohl imglobalen Maßstab als auch innerhalbder modernen westlichen Gesell-schaften bilde sich eine zunehmendallein gelassene Unterklasse, die alleerdenklichen Nachteile auf sich ver-einige. Das extreme „Auseinander-klaffen der Lebenschancen großersozialer Gruppen“ sei aber „unver-einbar mit einer Bürgergesellschaft.“Es gibt leider wenig Anlass, dieseDiagnose in Zweifel zu ziehen. Indieser Situation steht Kulturpolitikvor der Aufgabe, auch jenen die Par-tizipation an ihren Angeboten zu er-möglichen, die an Einkommen, so-zialer Anerkennung und Selbstwert-gefühl verlieren. Deshalb plädierenwir für eine kulturelle Grundversor-gung, deren regulative Idee die Teil-habe aller ist.

Ziele und Auftragsgrößen

Kulturpolitik bedarf einer integrati-ven Begründung, deren Kern Kunstund kulturelle Bildung bilden. DieKünste leben vom Wagnis, entfaltenVisionen, geben dem ExperimentRaum und stärken den Eigen-Sinnder Individuen. Kulturelle Bildung

entfaltet künstlerische und schöpfe-rische Impulse, sie fördert gesell-schaftliche Handlungskompetenzund politische Mündigkeit. Kulturel-le Grundversorgung stellt sich vordiesem Hintergrund als Angebot deröffentlichen Hände an die Einzel-nen, als Cultural Empowerment dar.Die Garantiefunktionen, die an eineso verstandene kulturelle Grundver-sorgung gekoppelt sind, besagenkeineswegs, dass ausschließlich dieöffentlichen Hände kulturelle Ver-antwortung wahrnehmen; Staat undKommunen sollten aber dafür ein-stehen, dass ihre kulturellen Leistun-gen und Einrichtungen auch inschwierigen Zeiten gesichert wer-den.

In einer Konzeption mittlererReichweite, die sich auf die Perspek-tive der kulturpolitisch Handelndenkonzentriert, lassen sich unsere Über-legungen zur kulturellen Grundver-sorgung so zusammenfassen: Zu-nächst geht es darum, sich den öf-fentlichen Auftrag der Kultureinrich-tungen zu vergegenwärtigen. Darausfolgen die Erörterung von Zielen undQualitätsstandards und, in einemnächsten Schritt, von adäquatenkommunalen und staatlichen Hand-lungsprogrammen. Diese Schrittfol-ge ist an Entscheidungen in Stadträ-ten und Parlamenten gebunden, dieimmerhin den Vorzug der demokra-tischen Legitimation für sich in An-spruch nehmen können. In einemvierten Schritt geht es um die Frage,mit welchen Partnern Staat undKommunen gemeinsam kulturpoli-tische Verantwortung tragen wollen,und damit um Vereinbarungen mitwechselseitiger Bindungswirkung

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Page 4: Kulturland Deutschland

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Fortsetzung von Seite 3

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für die öffentlichen Kulturverant-wortlichen und ihre Partner. Wenngemeinsame Projekte im Sinne einespublic-private-partnership anste-hen, sollte man allerdings ihre Kom-patibilität mit dem öffentlichen Auf-trag der Kulturpolitik erörtern. Dasheißt, dass man gegebenenfalls auch„Nein“ sagt.

Wenn man die Schrittfolge „Öf-fentlicher Auftrag - Qualitätssiche-rung - konkrete Perspektiven kom-

munalen Handelns - Verantwor-tungspartnerschaften“ ernst nimmt,ist das mehr als die Moderation vonKulturpolitik und die Formulierungvon Strukturvorschlägen. Es ist auchdas Bemühen um Planung und Über-prüfung kultureller Einrichtungenund Standards. Damit wäre die kul-turpolitische Diskussion auf eine ih-rer Kernfragen zurückgeführt: Wofürstehen Staat und Kommunen imHandlungsfeld Kultur? Wir jedenfallssehen sie nicht als Faktoren, die sichauf residuale Aufgaben zurückzuzie-hen hätten, sondern als Handelnde,die einen demokratisch legitimiertenöffentlichen Auftrag wahrnehmen.

Entscheidend für eine wohlverstan-dene kulturelle Grundversorgung istdas Nachdenken über die Auftrags-größen, von denen ausgehend kul-turpolitisches Handeln zu begrün-den ist. Als zentrale Gesichtspunktemöchten wir hervorheben: die Ge-währleistung künstlerischer Entfal-tungsmöglichkeiten und eines nach-haltig zu sichernden Bestandes kul-tureller Leistungen, Angebote undEinrichtungen, was diese Institutio-nen als Gesamtheit umfasst undnicht nur Teile ihrer Arbeit; die Ent-faltung ästhetischer Wahrnehmungund die Förderung der kreativenSelbsttätigkeit möglichst vieler Indi-

viduen; die Wahrung des offenen,möglichst chancengleichen Zu-gangs vor allem zu den Einrichtun-gen der kulturellen Bildung; die Ge-währleistung von Offenheit und Viel-falt in Kunst und kultureller Produk-tion, und das heißt auch: die Förde-rung von Innovativem, Irritieren-dem und Kreativem, das es schwerhat, sich durchzusetzen. Letztlichgeht es bei diesen Kriterien um dieGewährleistung struktureller undfinanzieller Freiräume für Kunstund Kultur. Die Forderung nach kul-tureller Grundversorgung ist inso-fern Ausdruck einer Kulturpolitik,deren Leitideen „Kultur für alle“ und

„Bürgerrecht Kultur“ lauten und diesich trotz aller Widrigkeiten als ge-staltende Gesellschaftspolitik ver-steht.

Oliver Scheytt ist Präsident derKulturpolitischen Gesellschaft undDezernent für Bildung, Jugend und

Kultur der Stadt Essen.

Michael Zimmermann ist Mitar-beiter für kulturfachliche Grund-

satzfragen im Essener Dezernat fürBildung, Jugend und Kultur und

Privatdozent für Neuere undNeueste Geschichte an der Ruhr-

Universität Bochum.

Kulturverbände wieder beteiligen!�"���/0��()��������������������6�������/0���+������8�L���#���������+�+��8�����

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Der Deutsche Kulturrat hatte invielen Resolutionen und Akti-

vitäten drängend die Gründung derKulturstiftung über die 10 Jahre ge-fordert und musste sich schließlichdarüber freuen, dass der angestreb-te Berg doch noch eine Maus gebar.Vergessen ist, dass damals insbeson-dere im Kunstrat auch ein so klein-kariertes wie zänkisches Gerangelum geforderte Sitze für die diversenVerbände der Künstler, des Kunst-handels etc. im Kuratorium der KSLentbrannte. Diese Streitereien nah-men oft einen so persönlichen Cha-rakter an, dass sie kaum zu schlich-ten waren und der Kunstrat daranfast zerbrach. Aber der erzeugteDruck reichte immerhin aus, dass1988 für die Kulturverbände 10 Ku-ratoriums-Sitze vorgesehen wurden,davon aber 1995 nur 6 Sitze besetztwaren: Die Glücklichen waren derDeutsche Musikrat, der Deutsche

Kulturrat, die Literatur, der DeutscheStädtetag, Fernseh/Hörfunk, wie einSitz, den sich die Künstlerverbändeund der Kunsthandel alternierendteilen mussten.

Eine Hiobsbotschaft für die Kul-turverbände ist nun, dass sie durcheine klammheimliche Satzungsän-derung im Juni 2000 ihren Anspruch,einen Vertreter ins Kuratorium zuentsenden, verloren haben. MeinesWissens nach sind erstaunlicherwei-se weder die betroffenen Verbände,noch die normalen Kuratoriumsmit-glieder davon unterrichtet worden.Ende 2004 waren nur noch drei Ver-bände vertreten: Literatur ( noch bisApril 2005), Bildende Kunst und derDeutsche Kulturrat, beide ausge-schieden Ende 2004.

In der nun gültigen Satzung stehtnun: „Das Kuratorium besteht aus 15Förderern (– früher 10 -) und bis zu15 Sachverständigen (– früher 10).Die Verbandsvertreter sind entfallen.Einen Aufschrei hat es nicht gege-ben. Die Kulturverbände wurdenklammheimlich nicht wieder aufge-fordert turnusmäßig ausscheidendeKuratoriumsmitglieder zu ersetzenund bei Nachfrage z.B. des Kulturratsoder der Kunsthandelsverbände mitso freundlichen, wie nichtssagendenBriefen hingehalten.

Der allmächtige Stiftungsrat derKSL, bestehend aus je einem Beam-ten der 16 Länder, hat nun das allei-nige Sagen, wen er beruft. Schon inder Anlaufphase der KSL hatte dererste Generalsekretär Dr. Klaus Mau-rice nicht die Möglichkeit einen Kan-didaten seiner Wahl für das Kurato-rium durchzusetzen. Mit der Sat-zungsänderung 2000 kann nun prak-tisch jedes Land einen Sachverstän-digen benennen.

Die Kriterien der möglichst staats-fernen Künste haben zurückzuste-hen. Primär achten die Länderbü-rokratien vor allem auf die Anwen-dung des „Königsteiner Schlüssels(vgl. Protokollnotiz des FreistaatesBayern vom 25.10.91), d.h. daraufeinen möglichst großen Beitrag fürihr Land einzufahren. Möglicher-weise unbequeme, aufmüpfige,aber unabhängige Verbandsvertre-ter – wie ich einer war - werdenferngehalten!

Es bleibt die Frage, ob die Kultur-verbände um die verloren gegange-nen Sitze kämpfen sollen. Lohnt essich noch?

Nach der Gründung der Kultur-stiftung des Bundes im März 2002mit einem Jahresetat von fast € 40Millionen steht die Kulturstiftungder Länder mit einem läppischen €8 Millionen Förderanteil der Länderim Abseits. Norbert Lammert,damals kulturpolitischer Sprecherder CDU, machte in der 2003 einset-zenden Fusionseuphorie eine ironi-sche Bemerkung: „Die Bundesstif-tung sitzt in Halle, die Länderstiftungjedoch in der Hauptstadt. Aus denLändergeldern werden Museumsan-käufe von wirklich nationaler Bedeu-tung bestritten, während aus Bun-desmitteln schöne regionale Sachenwie die Ausstellung Stadtkultur inDresden oder eine „künstlerische Er-forschung“ des Hamburger Stadt-raums etc. bezahlt werden“.

Mitte Dezember 2003 läßt Bayernendgültig zum zweiten Mal die Ver-handlungen über die Fusion der Stif-tungen scheitern. Die Kulturförde-rung von Bund und Ländern laufen,wie bisher, nun wieder ungeordnetnebeneinander her. Leider ist dieserKonflikt nun auf Dauer gestellt.

Es folgt die Hiobsbotschaft: DerBund zieht sich aus der KSL zurück,kündigt den Vertrag zum Ende desJahres 2005. Damit fehlen € 5,61 Mil-lionen der KSL, die ab 2006 ihre Aus-stellungsförderung einstellen muss.Es ist nicht auszumachen, ob dieLänder die Chance ergreifen, derKSL auch ohne den Bund eine Zu-kunft zu geben. Mit Föderalismusper se hat das alles wenig zu tun,wohl aber mit viel Kleingeistigkeit.

Die bisherige GeneralsekretärinDr. von Welck jedenfalls verließ depri-miert das von den Länderbürokratenübernommene Schiff. Ihr Stellvertre-ter Frank Däberitz ging in den Ruhe-stand. Der dritte Mann in der Füh-rungsriege Prof. Dr. Fischer ging nachMünchen und übernahm die Sie-mens Stiftung. Seitdem ist es beängs-tigend still geworden um die KSL.

Dabei half die KSL in den 10 Jah-ren ihres Bestehens nicht nur mitZuschüssen einzigartige Werke, wieden Quedlinburger Domschatz, denBarlach-Nachlass, zentrale Werkeder Malerei, Bildhauerei etc., oderArchive anzukaufen, sondern wirktemit ihrem Sachverstand und uner-schöpflichen Wissen beispielhaftauch hinter den Kulissen mit, fürweitere Projekte, die sie nicht selberfinanziell unterstützen konnte, er-folgreich Stiftungen und Förderer zufinden.

Das Kuratorium, aus 30 hochka-rätigen ehrenamtlichen Fachleutenund Förderern besetzt, ist nur bera-tend tätig. Der Vorstand der KSL legtzweimal jährlich eine Liste von An-trägen auf Förderung vor, die – un-ausgesprochen – gemäß Satzung ei-nen „angemessenen Ausgleich zwi-schen den Ländern durch den Ein-satz von Erwerbungsmitteln anzu-

streben“ hat. Andere noch so förde-rungswürdige Anträge, zwischen de-nen das Kuratorium eine Auswahltreffen könnte, werden nicht vorge-legt.

Sollte das Kuratorium hier und dawohl dosierte Bedenken äußern,braucht sich der Stiftungsrat derLänderbeamten daran nicht zu hal-ten - und das tut er auch hin undwieder.

Die Förderer im Kuratorium,hochmotivierte Männer und Frau-en aus der Wirtschaft, halten sichgegenüber dem überbordendenEinfluss der Kulturbürokraten schonaus zeitlichen Gründen vornehm zu-rück. Sie schaffen für die Sitzungenan diversen Orten ein nachfürstli-ches Ambiente und helfen diskret daaus, wo die Mittel fehlen.

Die Sachverständigen, die Gro-ßen aus der Museumswelt, legensich aus verständlichen Gründen mitihren Länderbürokratien nicht an,sondern befördern jedweden Antragvon Kollegen, sei er auch noch so dis-kussionswürdig, mit so viel Ge-schick, dass auch die Förderer ihnenmeist folgen. Wenn aus der KSL keinSelbstbedienungsladen für die Hob-bys – wie Schloss Moyland NRW -von Länderbürokraten werden soll,halte ich es darum für die höchsteZeit, die vornehm wohltemperierteDiskretion zu durchbrechen undsich mit Macht dafür einzusetzen,die Kulturverbände wieder an derArbeit der KSL zu beteiligen. Nur soist zugunsten der Kultur eine gewis-se Behördenferne gewährleistet.

Der Verfasser vertrat von 1999bis 2004 den Deutschen Kulturratim Kuratorium der Kulturstiftung

der Länder

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A rmut berührt jedoch noch in ei-ner weiteren Hinsicht das kul-

turelle Leben. Denn die Situation derGesellschaft, in der es stattfindet,bleibt nicht ohne Einfluss auf die In-halte der künstlerischen Prozesse.„Lebenslagen in Deutschland“ heißtder inzwischen zweite Armutsbe-

richt der Bundesregierung. Und er istdurchaus unerfreulich für viele,allerdings nicht für alle Menschen indiesem Lande. „Deutschland ist einreiches Land“, so heißt es zutreffendgleich am Anfang. Aber: „SozialeUngleichheit ist eine Tatsache“, unddiese ist in den letzten Jahren ge-wachsen. Konkret heißt dies, dassdie Kluft zwischen Arm und Reichgrößer geworden ist. So verfügt – umnur eine Zahl zu nennen – das rei-che Fünftel der Gesellschaft überzwei Drittel des Gesamtvermögens,während das ärmste Fünftel nurSchulden aufweist. Armut ist für ei-nige ein Dauerzustand, für viele istsie zumindest eine vorübergehendePhase. Für immer mehr Menschenist jedoch das Armutsrisiko gestie-gen. So verschwindet offenbar dieMittelschicht, für die das Risiko dessozialen Abstiegs – gerade im Fallevon Arbeitslosigkeit und den danngeltenden Hartz-Gesetzen – greifbargeworden ist. Und es sind die Kin-der, die verstärkt unter der Armut

leiden. Es hat sich nämlich die frü-here Altersarmut in eine Kinderar-mut gewandelt. Dass Deutschlandkein kinder- und familienfreundli-ches Land ist, kann man daher auchdaran erkennen, dass Kinder inzwi-schen ein Armutsrisiko sind. Wer esnicht glaubt, lese die offiziellen Kin-der- und Jugendberichte der Bun-desregierung und der Landesre-gierungen. Eine Lösung dieses Pro-blems wurde immer wieder ver-sucht: Eine schönere Welt herzustel-len durch eine geschmeidigere De-finition. Dies tat etwa seinerzeit dieJugendministerin rund um den 10.Kinder- und Jugendbericht des Bun-des. PISA hat zudem gezeigt, wie engdie soziale Lage und der Schulerfolgzusammenhängen: Bildungs- unddamit Lebenschancen werden weit-gehend entsprechend dem Geldbeu-tel der Eltern verteilt. Wieder ver-sucht man sich in philologischerProblembearbeitung: Die klassischeForderung nach Chancengleichheitwird ersetzt durch „Chancengerech-

tigkeit“, und über den Gerechtig-keitsbegriff kann man gut philoso-phieren und ihn so oder so auslegen.Dabei ist es nicht neu, dass die Rei-chen immer reicher werden. Das istanscheinend ein Naturgesetz. Neuist allerdings, dass die Schere zwi-schen Arm und Reich auch deshalbauseinanderdriftet, weil die Armenimmer ärmer werden. So haben wirinzwischen eine Zweiklassengesell-schaft auch im Umgang mit „Refor-men“: Reform des Sozialsystems be-deutet zwangsläufig, dass die Betrof-fenen am Ende weniger bekommen.Eine Reform der Unternehmensbe-steuerung läuft jedoch darauf hin-aus, dass hier die Betroffenen mehrbekommen sollen. Beides ist nichtsonderlich rational: Weder investie-ren die Unternehmen mehr, wennsie noch mehr Geld haben. Auch in-dustrielle Großunternehmen verdie-nen heute schon oft mehr mit Fi-

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Page 5: Kulturland Deutschland

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nanzspekulationen als mit der Her-stellung und dem Vertrieb ihrer Pro-dukte. Kein seriöser Wirtschaftsex-perte hält es zudem für sinnvoll, dieohnehin schon problematische Bin-nennachfrage durch die Masse derVerbraucher weiter zu schwächen.Denn dass der ExportweltmeisterDeutschland seit Jahren ein erhebli-ches Problem mit der Binnennach-frage hat, weiß eigentlich jeder. Undtrotzdem betreibt man weiterhineine eigentlich widerlegte so ge-nannte angebotsorientierte Wirt-schaftspolitik.

Was hat dies alles mit Kulturpo-litik zu tun? Zum einen geht es na-türlich um Geld, das aufgrund derschlechten ökonomischen Lagefehlt, das aber auch im Kulturbereichbenötigt wird. Doch ist hier etwasanderes gemeint. Das gesellschaftli-che Subsystem Kultur hat die Aufga-be, auch die unangenehmen Seitender Gesellschaft und insbesonderedas Fehlverhalten von Wirtschaftund Politik aufzugreifen und mit sei-nen Mitteln darzustellen und zu be-werten. Damit wird gerade bei derzentralen Frage der Legitimität un-serer gesellschaftlichen Ordnung,die sich an den bürgerlichen Grund-

werten der Freiheit, Gleichheit undGerechtigkeit messen lassen muss,eine entscheidende Aufgabe erfüllt.„Kultur“ ist Teil der Öffentlichkeit,die die Demokratie zu ihrer Funkti-onsfähigkeit braucht. Kulturelle Teil-habe wird so eng verknüpft mit öko-nomischer, politischer und sozialerTeilhabe – im ureigensten Interessedes Kultursystems übrigens, denneine blühende Kulturlandschaftbraucht eine Bevölkerung in ange-messenen Lebensumständen. DieKünste haben soziale Probleme da-her immer schon aufgegriffen.Nachdem das Bürgertum mit seinenProblemen den Adel als Motiv, Sujetoder Handlungsvorlage in der Lite-ratur, der Bildenden Kunst und imTheater verdrängt hatte, wurden im19. Jahrhundert sehr schnell das Pro-letariat und das Kleinbürgertum undihre Lebenslagen Thema der Küns-te. Die „soziale Frage“ und ihrekünstlerische Bearbeitung faszinier-te schließlich selbst erzkonservativeSchriftsteller wie Balzac, so dass ihreWerke – in völligem Gegensatz zuihrer eigenen politischen Überzeu-gung – zu einer Anklage gegen dieGesellschaftsordnung wurden. Undauch dort, wo Romane und Dramenim gut situierten Bürgertum spiel-ten, ging es um Armut: um geistige,seelische und soziale Armut. „Kul-

hang von Kultur, Freiheit, Demokra-tie und (ökonomischer) Entwicklungerforscht.

Hierbei ist ein weiterer Aspektwichtig. Neben der Erfahrung objek-tiver Lebenslagen gibt es eine For-schungsrichtung, die sich mit demsubjektiven Empfinden und mit derindividuellen Verarbeitung diesesobjektiven Rahmens befasst. So hatman vor einigen Jahren mit einerBefragung herausgefunden, dasssich die Menschen in Bangladescham glücklichsten fühlen, und dieswohlgemerkt in einem der ärmstenLänder der Welt. Eine ähnliche Un-tersuchung katapultierte kürzlichdie Dänen an die Spitze der Zufrie-denheit. Beide Befunde haben offen-sichtlich kulturelle Ursachen: Im ers-ten Fall ist es eine fatalistische Reli-gion, die einen zwar an den Gefah-ren des Alltags nicht verzweifeln lässt,die jedoch auch verhindert, dass En-ergien zur Veränderung schlechterVerhältnis mobilisiert werden. Imdänischen Fall hat man darauf hinge-wiesen, dass es sich dort einfachnicht gehört, zu viel Unzufriedenheitöffentlich zu äußern. „Kultur“ kannalso Kräfte mobilisieren, sie kann sieaber durchaus auch lähmen.

Kunst und Kultur – so kann mangerade im reichen Deutschland ler-nen – sind jedenfalls keine nachge-

tur“ hat also viel mit Armut zu tun.Dies zeigt auch ein Blick in die inter-nationale Armutsdiskussion. DieWeltkulturberichte der Unesco dür-fen nicht blind sein gegenüber derTatsache, dass etwa 1 Mrd. Menschenunter der berühmt-berüchtigten 1-Dollar-(pro-Tag)-Grenze leben – undsie sind es auch nicht. Die regelmä-ßig erscheinenden Weltentwick-lungsberichte des Entwicklungspro-gramms der Vereinten Nationen(UNDP) beschreiben ebenfalls ein-drucksvoll diese desolate Lage. Inte-ressant ist vor diesem Hintergrundder letzte Bericht aus dem Jahr 2004:„Kulturelle Freiheit in einer Welt derVielfalt“. In diesem Bericht wird inden Begriff von „menschlicher Ent-wicklung“ neben der ökonomischenDimension auch die Frage der Ge-sundheit und – mit der Rolle des Le-sens und Schreibens – auch Kultureinbezogen und damit eine Veren-gung von „Lebensqualität“ auf einenbloß ökonomisch definierten Le-bensstandard vermieden. Es wirdzudem eindrucksvoll nachgewiesen,dass kulturelle Freiheit und Teilha-be geradezu ein Motor für Entwick-lung und Armutsbekämpfung sind.Man spürt hierbei die Handschriftdes indischen Nobelpreisträgers undArmutsforschers Amartya Sen, derseit Jahrzehnten den Zusammen-

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Garant der Pressevielfalt an der Ladentheke&��������"��7�����'%��������#��C"�������8����

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Die öffentliche Debatte drehtsich meist um die Situation der

Verleger und die Arbeitsbedingun-gen der Redakteure. Der Vertriebwird dabei selten tangiert, obwohlauch er schwere Stürme zu bestehenhat und ein Garant für die journalis-tische Vielfalt in Deutschland ist. Ge-meinsam mit meinem KollegenWolfgang Clement analysiere ich seitlangem die Probleme des Vertriebsund setze mich vehement für einegute Zukunft des deutschen Presse-Grosso ein. Es ist eine vortrefflicheIdee, dass sich nunmehr auch derDeutsche Kulturrat dieses Themasengagiert annehmen will. In dieserInitiative kommt zum Ausdruck,dass die kulturelle Farbenlehre ohnePressevielfalt nicht denkbar ist. Wasden Pressevertrieb hindert, geht alsonicht nur die Wirtschafts- und Me-dienpolitik an, sondern ruft auch dieKulturpolitik auf den Plan. Worumgeht es dabei im Einzelnen?

Wesen und Funktion desPresse-Grosso

Etwa achtzig Grossisten versorgenDeutschland täglich mit Zeitungenund Zeitschriften. Das sind beileibekeine Einzelhändler, sondern mittel-ständische Unternehmen mitdurchschnittlich 140 Beschäftigten.Sie beliefern etwa 117.000 Einzelhan-delsgeschäfte mit rund 4.000 Titeln.Dabei zeichnet das Grosso-Systemeine Reihe von Besonderheiten aus,die für eine flächendeckende Versor-gung vonnöten sind. Der einzelneGrossist agiert in einem definierten

Gebietsmonopol, dessen Grenzen ernicht überschreiten darf. Im Gegen-zug muss er aber nicht nur alle Verla-ge, sondern auch alle Einzelhändlergrundsätzlich gleich behandeln. DerGrossist bestimmt das für den jewei-ligen Einzelhändler maßgeblichePressesortiment, muss dafür aber dievom Einzelhändler nicht verkaufteWare gegen Rückerstattung des Kauf-preises zurücknehmen (Remissions-recht). Durch dieses System erlangenkleine Verlage und Publikationen mitgeringer Auflage einen kostengüns-tigen Zutritt zum Vertrieb. Ihnen er-öffnen sich Marktchancen, die sichnicht böten, müssten sie ihren Ver-trieb selbst organisieren.

Mit einem Marktanteil von etwa54 Prozent ist das Grosso-Systemneben dem verlagseigenen Abonne-ment, dem Bahnhofsbuchhandel,dem werbenden Buch- und Zeit-schriftenhandel sowie den Lesezir-keln das bedeutendste Vertriebs-netzwerk. Das deutsche Presse-Grosso wird international vorbildlich

beleumundet und gilt innerhalb derEuropäischen Union als das effizien-teste Vertriebswesen. Ganz überwie-gend verlagsunabhängig ausgestal-tet, garantiert das Grosso die Presse-und Meinungsvielfalt „an der Laden-theke“. Wenn man so will, ist diesesModell die handfeste Seite der ver-fassungsrechtlich garantierten Pres-se- und Meinungsfreiheit. Denn einsolch freiheitlicher Wert wäre hohleFloskel, würde nicht wirklich in je-dem Winkel unseres Landes gelesenwerden können, was die besten Fe-dern der Nation zu bieten haben.Die Grossisten sind wichtige Anwäl-te unserer Demokratie.

Beeinträchtigungen desGrosso-Systems gefährden

die Pressevielfalt

Die Zeitungskrise bedrängt die Gros-sisten in immer stärkeren Maße.Umsatzeinbußen und schwierigeVerhandlungsrunden mit den Verla-gen, die ihnen geringere Handels-

spannen eintrugen, müssen verkraf-tet werden. Hinzu kommt, dass eini-ge große Verlagshäuser ein klassi-sches System auszuhebeln versu-chen, indem sie Exklusiv-Lieferver-träge mit Lebensmittel-Discounternund anderen Einzelhandelskettenabschließen. Man versucht, das Pres-se-Grosso zur Seite zu räumen, umfür besonders auflagenstarke Publi-kationen direkte Wege zum Leser auf-zubauen. Darin aber liegt die Gefahreiner wirtschaftlichen Aushöhlungdes traditionellen Modells, beruht esdoch auf einer sorgfältig austarierten„Mischfinanzierung“ von auflage-starken und -schwachen Titeln.

Und nicht nur das: Unter den ge-schilderten Umständen würde dieMeinungsvielfalt schwinden, weil sienur noch von den stärksten Verlagendominiert wird. Wirtschaftlich Schwä-chere erreichten ihre Leserinnen undLeser nur noch mit Mühe. Umgekehrtkönnte die Befriedigung einer Nach-frage nach bestimmten, meist abseitsdes Mainstream liegender Publikati-

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ordneten Aktivitäten, die man sicherst dann leisten kann, nachdem dieÖkonomie und die Politik ihre Arbeiterfolgreich verrichtet haben, son-dern sie sind die Grundlage für de-ren Erfolg. Dies gilt in armen Län-dern. Das Überraschende ist, dassman es in reichen Ländern vergisstoder glaubt ignorieren zu können.„Kultur“ ist nicht nur Analyse undBewertung, so wie oben beschrie-ben, „Kultur“ meint auch Anerken-nung und Ermutigung zum Handeln,ist auch Bedingung der Möglichkeitfür das individuelle und soziale Pro-jekt des guten Lebens.

Der Verfasser ist Vorsitzender desDeutschen Kulturrates

LiteraturhinweiseDer zweite Armutsbericht der Bundesregie-rung liegt im Entwurf vom 14.12.2004 vor.

Die Kinder- und Jugendberichte erschei-nen in der Verantwortung des Bundesmi-nisteriums für Frauen, Senioren, Familieund Jugend. Zur Zeit ist der 12. Berichtin Arbeit.

Für die (Kinder- und Jugend-)Kulturar-beit siehe Bundesvereinigung KulturelleJugendbildung (Hg.): Kulturarbeit undArmut. Remscheid/Bonn 2000.

Zitiert wurde auch UNDP (Hg.): Berichtüber die menschliche Entwicklung 2004– kulturelle Freiheit in unserer Welt derVielfalt. Berlin 2004.

Trotz sinkender Auflagen werben immer mehr neue Titel um Leser. Foto: Deutscher Kulturrat

onen nicht mehr oder nur noch un-ter erheblichen Schwierigkeiten be-friedigt werden. Die Monopolistenfrohlockten, die Regale der Zeitungs-läden füllten sich mit gedruckter Ein-förmigkeit – eine Vorstellung, die derKulturpolitik nicht geheuer sein kann.Diese Sorge teilte offenbar auch dasBundesverfassungsgericht, als es dasPresse-Grosso in einer Entscheidungaus dem Jahre 1988 als elementarenBestandteil der Pressefreiheit und Ga-ranten für publizistische Vielfalt aner-kannte.

Beiträge der Politik zurBestandssicherung des

Presse-Grosso

Um das Presse-Grosso überleben zulassen, waren zunächst auch gesetz-liche Regelungen erwogen worden.Gemeinsam mit den Verlegern hatsich die Bundesregierung jedoch

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Eine bewährte Zusammenarbeit����������������������������������������� ����!���

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S inkende Auflagen der Zeitungen,eine rückläufige Lesekultur bei

jungen Leuten, starke Konkurrenzdurch die elektronischen Medienund veränderte Käuferströme be-einflussen das Vertriebsgeschäft.Die Verlage versuchen dagegen zusteuern, viele neue Produkte im Ta-bloid-Format sind auf den Markt ge-kommen, die Innovationsbereit-schaft der Verlage ist hoch. Ob WeltKompakt, News oder Kölner Stadt-anzeiger Direkt, alle diese Titel ver-suchen junge Leute zu erreichen,die immer weniger zur Zeitung grei-

fen. Handlich, günstig und schnellkonsumierbar sollen diese Titel seinund werden über den Einzelverkaufvertrieben; Aufgabe und zusätzlicheErlösquelle auch für das Presse-Grosso. 20 Cent heißt die Zeitung fürjunge Leute in Cottbus, BoulevardWürzburg in der dortigen Region,auch getragen von der Hoffnung,dass später zum Hauptprodukt ge-griffen wird.

Zeitungen sind ein Kulturgutund untrennbar mit der Lesekulturverbunden, jedoch lässt die PISA-Studie wenig Grund zur Freude undwer die Elternabende seiner schul-pflichtigen Kinder besucht, verlässtdiese oft verzweifelt. Lesen und Li-teratur hat leider einen zweitrangi-gen Stellenwert. In den Familienwird den Kindern das Lesen nichtmehr vorgelebt, das Bücherbordweicht dem Flachbildfernseher unddem heimischen PC. Betrachtetman dazu die rückläufige Bevölke-rungsentwicklung in den nächsten10 bis 15 Jahren, sind Verlage undPresse-Grosso gefordert. Sie müs-sen sich der Entwicklung anpassenund sollten dies wie in der Vergan-genheit partnerschaftlich angehen.Die Verlage entwickeln neue Pro-dukte und stellen sie dem potenti-ellen Lesermarkt zur Verfügung, dasPresse-Grosso muss den Einzelver-kauf der Zeitungen weiter verbes-sern. Hierzu muss auch das ständi-ge Bemühen zählen, neue Verkaufs-stellen zu erschließen und den Käu-

ferströmen zu folgen. Ändern sichKaufgewohnheiten und die Strukturdes Handels, muss flexibel reagiertwerden.

Hierzu zählen beispielsweise dieDiscounter, wobei es entgegen denSpekulationen nicht den Versucheinzelner Verlage gegeben hat, die-se direkt zu beliefern. Vielmehr ist esein gemeinsames Anliegen, die Dis-counter als Presseverkaufsstellen zuerschließen. Über dieses Ziel sindsich alle einig, über die Wege dahinkann man unterschiedlicher Mei-nung sein. Darum haben sich Zei-tungs- und Zeitschriftenverlage mitdem Presse-Grosso im August 2004in einer gemeinsamen Erklärungüber das Vorgehen geeinigt. Diesschließt ausdrücklich ein, dass ein-zelne Titel als „Türöffner“ eingesetztwerden sollen und in einem festge-legten Testzeitraum die Belieferungmit nur einem Titel erfolgen darf. Einsolcher Test mit unterschiedlichenBelieferungen läuft derzeit bei denDiscountern Lidl, Penny und Norma.Es bleibt abzuwarten, welcher Zeit-raum erforderlich sein wird, die Dis-counter dauerhaft für Presseproduk-te zu erschließen.

Die Erschließung neuer Ver-kaufsstellen ist Aufgabe des Presse-Grosso, aber die Vertriebsfreiheitvon Verlagen ist ein Teil der Presse-freiheit und somit können die Ver-lage über alle denkbaren Vertriebs-möglichkeiten entscheiden und sel-ber initiativ werden. Dies hat sichbewährt, waren es doch in der Ver-gangenheit stets die Verlage selbst,die neue Verkaufstellen erschlossenhaben. Es waren die Verlage, die inden 50er Jahren bei der Erschlie-ßung des Lebensmitteleinzelhan-dels, in den 60er Jahren bei der Er-schließung von Tankstellen und inden 70er Jahren bei den Bäckereiendafür gesorgt haben, dass dort Pres-

In eigener Sache: politik und kultur ist präsent am Bahnhofskiosk dank Presse-Grosso. Foto: Deutscher Kulturrat

entschieden, einer privatwirtschaft-lichen, vertraglichen Lösung den Vor-zug zu geben. Nach vielen Gesprä-chen, die ich mit den Verlegerverbän-den und dem Bundesverband Presse-Grosso geführt habe, hat sich dieBranche im August 2004 in einer „Ge-meinsamen Erklärung“ darauf ver-ständigt, das Grosso-Vertriebssystem

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zu erhalten und exklusive Lieferver-träge der Verlage mit Einzelhändlernnur dann zuzulassen, wenn sie imRahmen definierter Marktöffnungs-tests erfolgen und auf einen Über-gang zur Sortimentsbelieferungdurch das Presse-Grosso angelegtsind. Auf der Grundlage dieser Ge-spräche erwarte ich, dass die Verein-barung von der Branche ohne Abstri-che umgesetzt wird.

Die vom Deutschen Bundestagverabschiedete Reform des Presse-kartellrechts soll künftig auch ver-

lagswirtschaftliche Kooperationenim Anzeigenbereich, bei Druck undVertrieb ermöglichen, um die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungender Zeitungsverlage zu verbessern.Damit dies nicht auf Kosten desGrosso-Systems geschieht, hat derGesetzgeber Kooperationen im Ver-trieb auf den Abonnementbereichbeschränkt. Die gelegentlich geäu-ßerte Sorge, die Reform des Presse-kartellrechts könne die Kräftever-hältnisse zwischen Verlegern undGrossisten zu deren Lasten verschie-

ben, ist deshalb unbegründet. Ichhoffe, dass der Bundesrat diesenGesichtspunkt bei seiner Entschei-dung über die Reform des Pressekar-tellrechts angemessen berücksichti-gen und im zu erwartenden Vermitt-lungsverfahren eine Lösung gefun-den wird, die den wirtschaftlichenBedrängnissen der Zeitungenebenso hilft wird wie der verfas-sungsrechtlich gebotenen Presse-und Meinungsvielfalt.

Ein letzter Punkt: Derzeit wird in-tensiv über den von der EU-Kom-

mission vorgelegten Entwurf einerDienstleistungsrichtlinie diskutiert.Hier wäre noch zu prüfen, inwieweitsie Presseproduktion und -vertriebtangiert. Die Bundesregierung wirdmögliche Beeinträchtigungen kei-nesfalls hinnehmen, wenn sie diePresse- und Meinungsvielfalt gefähr-den.

Die Verfasserin ist Staatsministerinbeim Bundeskanzler und Beauftrag-

te der Bundesregierung für Kulturund Medien

seerzeugnisse angeboten werden.Gesetzliche Maßnahmen sind in demZusammenspiel von Verlagen undPresse-Grosso schädlich. Die Verlagehaben, neben den Auswirkungendurch eine negative Wirtschaftsent-wicklung, in den letzten Jahren keineguten Erfahrungen mit dem Gesetz-geber gemacht. Die Erinnerung andas 630-Mark-Gesetz lässt schau-dern, die Zustellung der Abonne-ments wurde über Nacht an den Randdes Kollaps gebracht, ZehntausendeZusteller kündigten. Mittlerweile istdurch das Gesetz zu den Mini-Jobseine Kompensation geglückt.

Auch ein gesetzlicher Schutz desPresse-Grosso liegt nicht im Inter-esse der Leser und damit auch nichtim Interesse des Erhalts der Presse-vielfalt. Das Presse-Grosso hat beiden national vertriebenen Zei-tungs- und Zeitschriftentiteln dieAusgangssituation, die nationaleAuslieferung der Objekte kosten-günstiger gestalten zu können, alsdies ein einzelner Verlag realisierenkönnte. Es gilt sicher zu stellen, dassdie durch Art. 5 Abs. 1 GG geschütz-te Pressefreiheit und die Berufsfrei-heit der Verlage (Art. 12 GG) nichtangetastet werden. Das Recht derUnternehmen, über die Vertriebs-wege für eigene Produkte zu ent-scheiden, ist bereits durch dasGrundrecht der Berufsfreiheit inArt. 12 GG geschützt.

Würde eine Pflicht der Verlagebestehen bei der Belieferung desEinzelhandels einen Grossisten ein-zuschalten, würde dies nicht nur diewirtschaftliche Situation vieler Ver-lage verschlechtern, sondern offen-kundig dem Sinn und Zweck desWettbewerbsrechts widersprechen,die Märkte offen zu halten unddurch eine Vielzahl von Marktteil-nehmern wirtschaftliche Macht-bündelung zu vermeiden. Es be-

steht auch keinerlei medienwirt-schaftliche Notwendigkeit für eineBeschränkung der Vertriebsfreiheit.Es sind gerade kleinere und mittle-re Verlage, die eine Direktbeliefe-rung des Einzelhandels, beispiels-weise den örtlichen Bäckereien,schon heute dem Vertriebsweg überden Pressegroßhandel vorziehen.Dies ist oft auch der Aktualität ge-schuldet, denn bei einem spätenAndruck ist eine Auslieferung überdas Presse-Grosso zeitlich nicht mög-lich.

Das Dispositionsrecht, d.h. dasRecht, insbesondere über die anden Einzelhandel zu lieferndenMengen zu entscheiden, ist ein ur-eigenes Recht der Verlage. Aufgrundder zwischen Grossisten und Verla-gen bestehenden Verträge nehmendie Grossisten lediglich das Dispo-sitionsrecht der Verlage wahr (abge-leitetes Dispositionsrecht). Dies er-gibt sich aus der Tatsache, dass dieVerlage das volle wirtschaftliche Ri-siko tragen, weil sie aufgrund desRemissionsrechts der Grossistendiesen zur Gutschrift unverkaufterExemplare verpflichtet sind. Auchdie Presse-Grossisten ihrerseits tra-gen wirtschaftlichen Notwendigkei-ten Rechnung, indem sie – nichtanders als die Verlage – absatzori-entiert disponieren. Sollten ihreLeistungen die Kunden und Verlagenicht befriedigen, müssen sie sichauch zukünftig, wie im Wettbewerbüblich, bemühen, ihre Leistungenzu verbessern. Diese Leistungsver-besserung kann in der Preisgestal-tung liegen, dem Service oder deraktiven Erschließung neuer Ver-kaufsstellen für Presseerzeugnisse.

Der Verfasser ist Geschäftsführer desBereiches Verlagswirtschaft

beim Bundesverband DeutscherZeitungsverleger

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Neue Herausforderungen für den Pressevertrieb���������������������������������������������������������� ��!�"�#������#�"

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Täglich werden bundesweit meh-rere Millionen Exemplare ver-

schiedenster Zeitschriftengattungenvon den Verlagen und ihren Druck-standorten über ein hochkomplexeslogistisches System durch 78 Gebiets-grossisten in den Presseregalen vonNachbarschaftsgeschäften, Super-märkten, Kiosken, Presse-Fachhänd-lern oder Tankstellen für den Leserplatziert, um nur die bedeutendstenGeschäftsarten für den Presseverkaufzu nennen. Davon losgelöst ist der fürdie Zeitschriftenverlage zweifelsohnebedeutsame Bahnhofsbuchhandel zusehen, der nicht durch das Presse-Grosso, sondern durch die Verlagedirekt beliefert wird.

Preisbindung, das vom Verlagabgeleitete Dispositionsrecht desGrossisten, das Alleinauslieferungs-recht des Grossisten in seinem Ge-biet und das Remissionsrecht, alsodas Recht des Einzelhändlers gegen-über dem Grossisten und somit auchdes Grossisten gegenüber dem Ver-lag, unverkaufte Exemplare zurück-zugeben, sorgen für eine Sonderstel-lung des Pressevertriebs. Diese Son-derstellung gewährleistet eine welt-weit einzigartige Versorgung der Be-völkerung mit Presse – in Ballungs-zentren ebenso wie in ländlichenRäumen. Wenn in Deutschland die-ser Tage gerne in vielen Bereichendas „Schlusslicht“ heraufbeschwo-ren wird, so wäre diese Metapher fürden Anspruch nach Pressevielfaltund Presseversorgung völlig fehl amPlatze.

Allerdings darf daraus nicht – wiein jüngster Vergangenheit geschehen– der Rückschluss gezogen werden,das bestehende Grosso-System genie-ße aus sich heraus Grundrechtsschutzund müsse daher besonders gesetz-lich abgesichert werden. Vielmehr istdie Sonderstellung des Presse-Grossoals Ableitung des originär den Presser-zeugnissen und deren Herstellungund Verbreitung eingeräumtenGrundrechtsschutzes zu sehen.

Die Zeitschriftenverlage sehensomit im Presse-Grosso einen be-deutenden Marktpartner und sindstolz auf dieses Vertriebssystem, dassie in erheblichem Maße mit aufge-baut haben. Dies bezeugt unter an-derem die gemeinsame Erklärungder Verlegerverbände BDZV undVDZ sowie des Grosso-Verbandesaus dem vergangenen Jahr, in der einBekenntnis zum Grosso-System unddessen Essentialia abgelegt wird.

Das Neutralitätsgebot, d.h. die Pflichtdes Presse-Grossisten, allen Verlags-erzeugnissen Zugang zum Markt zuverschaffen, führt zu einem interes-santen und durchaus wünschens-werten Effekt: hinsichtlich der Dis-tribution ihrer Erzeugnisse zum Ein-zelhandel hin stehen die Verlage inkeinem nennenswerten Wettbewerbuntereinander. Der Wettbewerb ent-faltet sich somit maßgeblich erst amentscheidenden Ort der Wertschöp-fungskette über die Qualität der Zei-tung oder Zeitschrift, nämlich imEinzelhandelsgeschäft am Regaloder an der Theke im Augenblick derKaufentscheidung. Diese schlichtanmutende Erkenntnis führt unwei-gerlich zu zwei weiteren Überlegun-gen:

Erstens: Das verlegerische Dru-ckerzeugnis selbst, seine durch Re-dakteure, freie Journalisten, Fotogra-fen, Reporter oder Künstler mit jederAusgabe immer wieder im wahrstenSinne des Wortes einmalig geschaf-fene Qualität, sorgt dafür, dass inte-ressierte Leser informiert, geschultoder unterhalten werden. Derdahinter stehende Verlag mit seinenkaufmännischen Kapazitäten undnicht zuletzt mit seinem wirtschaft-lichen Risiko ist es darüber hinaus,der das erst ermöglicht, was wir tag-täglich an Vielfalt in unserer unmit-telbaren Umgebung selbstverständ-lich gewohnt sind. Dies sollte jedemklar sein, der im Presse-Grosso gernedas konstitutive Element von Pres-sevielfalt und -erhältlichkeit sieht.Deshalb hat sich der VDZ im vergan-genen Jahr auch gegen eine gesetz-

liche Verankerung des Grosso-Sys-tems im Rahmen der Pressefusions-rechtsnovelle gewandt. Eine derarti-ge Absicherung und somit Zemen-tierung eines von mehreren Presse-Vertriebskanälen wäre ein ordnungs-politisch falscher, im übrigen aberauch für das Gesamtgefüge zwi-schen Verlagen und Presse-Grossoschädlicher Eingriff gewesen. Wür-den Verlage gesetzlich zur Distribu-tion ihrer Erzeugnisse über das Pres-se-Grosso verpflichtet werden, wäredies nicht nur ein klarer Verstoß ge-gen die in unserem Wirtschaftssys-tem selbstverständlich verankerteVertriebsfreiheit des Produzenten,hier der Verlage, es würde auch dieauf Vertrauen und kaufmännischerEigenverantwortung beruhende Ba-lance zwischen Verlagen und demPresse-Grosso empfindlich stören.Medien- und gesellschaftspolitischunerwünschte Konzentrationenwerden ohnehin bereits durch dasbestehende Kartellrecht in ausrei-chendem Maße verhindert.

Nur am Rande sei mit Blick aufgesetzgeberische Aktivitäten nocherwähnt, dass das Presse-Grossonicht einmal die Hälfte der im Marktbefindlichen Zeitungen und Zeit-schriften zum Leser bringt. AndereVertriebswege wie das Abonnementoder der Lesezirkel wären mit einergesetzlichen Verankerung des Pres-se-Grosso in nicht zu rechtfertigen-der Weise benachteiligt.

Zweitens: Die Zeitschrift mussauch dort liegen, wo sich der poten-tielle Käufer aufhält, und dieser istin den letzten Jahren in deutlich

spürbarer Weise gewandert – wegvon den klassischen kleineren Le-bensmittelgeschäften in der Nach-barschaft, hin zu den Großformendes Einzelhandels, den Verbraucher-märkten und Discountern. DiesenStrukturveränderungen müssensich nicht nur die Verlage, sondernin besonderer Weise auch das Pres-se-Grosso stellen. Das erfordert ge-rade in Zeiten von Konsumflauteund damit einhergehendem Ab-satz- und Umsatzrückgang ein ho-hes Maß an Einsatz, Phantasie undFlexibilität, denn noch keiner kanndie Frage eindeutig beantworten, inwelchem Maße sich diese Käuferbe-wegungen auf das Pressesortimentauswirken werden. Was heißt daskonkret? Wenn Großfilialisten, zumBeispiel Discounter, immer stärkerdie Funktion des Nahversorgers an-nehmen, der Käufer dort somit zu-nehmend seinen Lebensbedarf ab-decken kann, sollte er dort natürlichauch das ihm gewohnte breite An-gebot an Zeitungen und Zeitschrif-ten vorfinden können. Discounter,die derzeit als zu erschließendeneue potentielle Verkaufsstellen fürPresse im Blickfeld der Verlage unddes Presse-Grosso stehen, sind ge-mäß ihrer Politik der schmalen Sor-timente allerdings noch nicht andem Punkt, eben solch ein Presser-egal mit hundert und mehr Presse-titeln aufzustellen wie wir es z.B.von Edeka, Minimal, Rewe oder Kai-sers kennen.

In diesem Spannungsfeld liegendie Herausforderungen für den Pres-severtrieb und es sind eben insbeso-

ndere Herausforderungen für dasPresse-Grosso. Hier können die Ver-lage auch noch mehr Initiative er-warten. Dazu gehört beispielsweise,den Einzelhandel noch intensiverzu hegen und pflegen. Die bereitserwähnte Konsumzurückhaltung,Tabaksteuererhöhung und eine all-gemein zu hohe Kosten- und Steu-erbelastung haben den Einzelhan-del in den letzten vier Jahrenbekanntermaßen in eine äußerstschwierige Situation geführt. Verla-ge und Presse-Grosso stehen hierin gemeinsamer Verantwortungzum Erhalt und Pflege bewährterPartner am entscheidenden Endeder Wertschöpfungskette wie auchzur Erschließung neuer Absatzpo-tentiale. Ganz so schlecht dürfte dieMeinung des Einzelhandels in Be-zug auf Presse nämlich nicht sein,denn eines konnten das Presse-Grosso und der VDZ gerade jüngstdurch eine Studie beweisen: Im Ver-gleich zu anderen Warengruppenweist Presse eine hohe Profitabili-tät aus.

Wenn sich Verlage, das Presse-Grosso und nicht zuletzt auch derpresseführende Einzelhandel, in derseit mittlerweile Jahrzehnten einge-spielten Weise partnerschaftlich undmit Engagement um ihren gemein-samen besten Freund, den Presse-käufer, kümmern, haben alle gewon-nen.

Der Verfasser ist Leiter des Fachbe-reichs Vertrieb Publikumszeitschrif-

ten im Verband Deutscher Zeit-schriftenverleger

Zeitungskiosk in der Sennestadt (Bielefeld) aus dem Jahr 1959 Foto: Deutsche Bauzeitung

Zeitschriften bei ConBrio

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ConBrio Verlagsgesellschaft, Brunnstraße 23, 93053 Regensburg, Tel. 0941/945 93-0, Fax 0941/945 93-50, E-Mail: [email protected], www.conbrio.de

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Die Inhalte der „Gemeinsamen Erklärung“ beachten����������%���������� ����#��-������������������� ������4���

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Z u Abgabepreisen setzte das Pres-se-Grosso knapp 3 Mrd. € in

2004 um. Dies entspricht einemUmsatz des Einzelhandels mit Pres-serzeugnissen zu Copypreisen vonca. 4 Mrd. €. Hieran haben die Zei-tungen einen Umsatzanteil vonbundesweit durchschnittlich ca. 25%. Das Presse-Grosso setzt ca. 750Mio. € mit Zeitungen um. Das Zei-tungssortiment umfasst mehr als300 Titel. Hierzu zählen Boulevard-Zeitungen, überregionale Zeitun-gen, regionale und lokale Zeitun-gen, Wochenzeitungen und Sonn-tagszeitungen, außerdem ausländi-sche Zeitungen.

Eine besondere Bedeutung beimZeitungsvertrieb kommt BILD ausdem Axel Springer Verlag zu. Mit dererstmals 1952 erschienenen BILD-

Zeitung wurde im Presse-Grossobereits sehr früh sukzessive die flä-chendeckende Erschließung auchländlicher Gebiete für den Pressever-kauf eingeleitet und vollzogen. DieBundesrepublik verfügt über ein iminternationalen Vergleich sehr dich-tes Verkaufsstellennetz, das ganzmaßgeblich durch den BILD-Vertriebzum Nutzen für das Pressesortimentinsgesamt geprägt wurde. Es sind nurwenige lokale Tageszeitungen, dieden Vertrieb an den Einzelhandelheute noch selbst vornehmen. DieGründe hierfür liegen meistens in derdruckbedingt nicht rechtzeitigen An-lieferungsmöglichkeit beim Presse-Grosso. Neben der Belieferung desEinzelhandels betreuen die Grossis-ten in großen Teilen den ambulantenHandel am Sonntag und teils auch dieZeitungsverkaufskästen.

Der Zeitungsvertrieb bestimmtden Rhythmus in den Grosso-Be-trieben. Um die pünktliche Anliefe-rung der hochaktuellen und somitzeitkritischen Ware Tageszeitung imfrühöffnenden Einzelhandel bei al-len Witterungslagen zu gewährleis-ten, müssen die Grosso-Unterneh-men Nacht für Nacht den Wettlaufgegen die Uhr gewinnen. Die tägli-che Belieferung der Einzelhändlerermöglicht auch einen schnellen,kundenfreundlichen Nachliefe-rungsservice. Am Sonntag sindderzeit ca. 45.000 Presseverkaufs-stellen geöffnet mit steigender Ten-denz.

Bei den regionalen und lokalenTageszeitungen werden nur ca. 3 bis10 % der Auflage über das Presse-Grosso abgesetzt. Der überwiegen-de Anteil befindet sich im Abonne-mentvertrieb. Dennoch ist der Ein-zelverkauf bedeutend: Zu sehr güns-tigen Kosten liefert das Presse-Gros-so kleine und kleinste Auflagen anden Einzelhandel. Dort haben dieLeser die Möglichkeit, Zeitungen auseinem vielfältigen Angebot auszu-wählen. Mit Hilfe des Einzelverkaufskann der Markenartikel “Zeitung”gepflegt werden. Die Titel bleibenbekannt und finden dort immerwieder neue Leser.

Die Tageszeitung erweist sich beivielen Verkaufsstellen als „Türöffner“für den Erwerb auch anderer Pro-

dukte. Insofern haben die Zeitungeneinen hohen Stellenwert beim Ein-zelhandel.

Während der Urlaubsperiodenliefern die Grossisten nicht nur über-regionale, sondern auch lokale undregionale Zeitungen in die Saison-gebiete. Ausländern, die in der Bun-desrepublik ihren Urlaub verbrin-gen, wird der Kauf der gewohntenHeimat-Zeitungen ebenfalls ermög-licht.Im Zuge der Wiedervereinigung wur-de das System des Gebiets-Grossoauch auf die neuen Bundesländerübertragen. Dort hat sich sehrschnell ein dichtes Verkaufsstellen-netz entwickelt, das dem der altenBundesländer vergleichbar ist. Das

Presse-Grosso erfüllt als Lieferantvon bedarfsgerechten Sortimentenseinen Auftrag als neutraler Mittlerund garantiert die Überallerhältlich-keit von Presseerzeugnissen.

Die EU-Kommission hat im Jah-re 1999 in ihrem 29. Bericht überdie Wettbewerbspolitik die Preis-bindung für Zeitungen und Zeit-schriften, die gegen Artikel 81 Abs.1 EGV verstößt, nach Art. 81 Abs. 3vom Preisbindungsverbot freige-stellt, weil die Voraussetzungen füreine Freistellung erfüllt sind. DieEU-Kommission begründet diesenVorgang damit, dass für den Pres-severtrieb das Remissionsrechtnotwendig und typisch ist. Das Re-missionsrecht wäre dem Verlag

wirtschaftlich nur dann zumutbar,wenn er den Verkaufspreis derPresseerzeugnisse festlegen kann.Das Grosso-Vertriebssystem mitseinen Besonderheiten wird vonder EU-Kommission nicht in Fragegestellt.

Die Presse-Großhändler habenstets das Infrastrukturnetz denMarktentwicklungen angepasst. Beider Erschließung neuer Einzelhan-delskunden oder Kunden-Gruppenmuß das Grosso dem Grundsatz derNeutralität folgen und darf keinemmarktbeherrschenden Verlag sach-lich ungerechtfertigte Vorteile imWettbewerb verschaffen. Direktbe-lieferungen von Einzelhändlerndurch marktbeherrschende Verlagekönnen dem Presse-Grosso-System,das den Verlagen den freien Markt-zutritt für alle Presseerzeugnisse,Überallerhältlichkeit und Neutralitätgarantiert, erheblichen wirtschaftli-chen Schaden zufügen, mit der Fol-ge, dass das System in der Erfüllungseines medienpolitischen Auftragesbehindert wird. Marktbeherrschen-de Verlage dürfen sich nicht durchfaktische oder tatsächliche Aus-schließlichkeiten Vorteile im Einzel-verkauf zu Lasten anderer Verlageverschaffen.

Die am 19.08.04 vom VerbandDeutscher Zeitschriftenverleger,Bundesverband Deutscher Zei-tungsverleger und BundesverbandDeutscher Buch-, Zeitungs- undZeitschriften-Grossisten unterzeich-nete “Gemeinsame Erklärung” ent-hält ein klares Bekenntnis der Verla-ge zum Presse-Grosso und zu denSystemessentials. In diesem Doku-ment sind auch die Regeln für dieErschließung von Discountern fest-gelegt, ein Vorgang, der diskriminie-rungsfrei erfolgen muß. Wenn sichdie Verlage an die Inhalte der “Ge-meinsamen Erklärung” halten, be-darf es keiner gesetzlichen Absiche-rung des Vertriebssystems. Das Pres-se-Grosso wird dann auch künftigseine die Pressevielfalt förderndeund garantierende Funktion ver-trieblich erfüllen können.

Der Verfasser ist Hauptgeschäfts-führer des Presse-Grosso

Bundesverband Transatlantisch: der Zeitungskiosk von heute Foto: Deutscher Kulturrat

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Die Stiftung Presse-Grosso, einewissenschaftlich ausgerichtete

gemeinnützige Stiftung bürgerlichenRechts, hat nach ihrer Satzung die

Aufgabe, Wissenschaft und For-schung sowie Ausbildung auf demGebiet des Pressevertriebs, derdurch einen unabhängigen Presse-Großhandel die nach Artikel 5 desGrundgesetzes geschützte Presse-freiheit garantiert, zu fördern. DieStiftung verfolgt dabei das Ziel,durch das Ergebnis ihrer Arbeit ei-nen Beitrag zum Erhalt von Presse-freiheit und Pressevielfalt als wich-tigen Garanten unseres freiheitli-chen, demokratischen Staatswesenszu leisten.

Das Presse-Grosso stellt dahernach Beurteilung des StaatsrechtlersProf. Dr. Michael Kloepfer von derHumboldt-Universität Berlin einenwesentlichen und spezifischen Be-standteil der Kommunikationsord-nung der Bundesrepublik Deutsch-land dar. Kloepfer hat in einer Stu-die zur Stellung des Pressevertriebsim deutschen und europäischen Ver-fassungsrecht untersucht, ob und inwelchem Umfang sich wegen dieserbesonderen Funktion der grund-rechtliche Schutz der Presse– undKommunikationsfreiheit im deut-schen Verfassungsrecht und im eu-ropäischen Primärrecht auch aufden Pressevertrieb durch das Presse-Grosso erstreckt. Besonderes Augen-

merk wurde dabei auf die Funktiondes Presse-Grosso als Vertriebs- undquasi Kommunikationsnetz gelegt,welches nicht nur den Händlern undVerlagen nützt, sondern durch diestrikte Neutralität des Pressever-triebs auch allen anderen Beteilig-ten, insbesondere den Lesern derPrintmedien.

In einer weiteren gutachtlichenUntersuchung hat Prof. Dr. Thomasvon Danwitz, Universität Köln, dieAuffassung entwickelt, der Gratisver-trieb ausschließlich werbefinanzier-ter Tageszeitungen sei mit demWahrnehmungsauftrag des Institutsder freien Presse und ihrer öffentli-chen Aufgabe einer unbeeinflusstenInformations- und Meinungsbildunginsgesamt unvereinbar. Dabei stell-te von Danwitz heraus, dass der ent-geltliche Vertrieb von Tageszeitun-gen gewährleiste, dass die Leser kei-ner Gefahr einseitiger Berichterstat-tung ausgesetzt seien, wie sie für dieausschließliche Werbefinanzierungdes Rundfunkwesens schon vomBundesverfassungsgericht ange-nommen worden ist. In einem Gut-achten zur Funktionsleistung derPressevertriebssysteme in ausge-wählten Staaten der europäischenUnion unter dem Titel „Informati-

onsfreiheit und Pressevertrieb inEuropa“ kommt der Medienwissen-schaftler Prof. Dr. Michael Haller,Universität Leipzig, zu dem Ergeb-nis, dass die Versorgung der Bevöl-kerung mit Tagespresse in den west-europäischen Staaten durch diePressekonzentrationsentwicklungender letzten Jahre, aber auch durchfestzustellende Entwicklungs-ten-denzen in der Handelslandschaft,erheblich gefährdet sei. Auch inDeutschland, so Haller, leide derPressevertrieb unter Beeinträchti-gungen, die zu Lasten kleiner Titelgehen und die grundrechtlich gefor-derte Meinungsvielfalt bedrohenkönnten. Am Pressevertrieb lässtsich, so Haller, ablesen, inwieweitdas Prinzip der InformationsfreiheitErnst genommen wird und die Pres-sevielfalt in Europa noch gesichertist. Dabei stellt er fest, dass insbe-sondere in Italien die Reichweite dervom Straßenverkauf abhängigen Ta-gespresse auf einen bedenklich tie-fen Stand abgesunken sei; auch inFrankreich und Großbritannien gehedie Reichweite der Zeitungen drama-tisch zurück. Die Gefährdungen desSystems beruhten im Wesentlichenauf dem Umstand, dass einige weni-ge Pressekonzerne das Vertriebssys-

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tem benutzen, um ihre Massentitelim Markt durchzusetzen und kleine-re Titel aus dem Markt zu drängen.Haller resümiert: „Wenn an der La-dentheke der Grundsatz der Gleich-behandlung aller Titel aufgegebenwird, steht auch die Pressevielfalt inFrage“.Im Spannungsfeld zwischen freiemWettbewerb der Presseunternehmen,auch auf dem Sektor des Vertriebs,und den auf das Gemeinwohl bezo-genen Schutzpflichten des Staates,um informatorische Individualfrei-heiten des Bürgers vor störenden Ein-griffen zu bewahren, arbeitet Hallerheraus, dass sich bei Infrastruktur-netzen der Wettbewerb nicht imWettbewerb, sondern um den Marktnach Maßgabe eines Anforderungs-profils bilden könne, dem zufolge diegeforderten Pressevertriebsleistun-gen im konkreten Fall möglichst effi-zient zu erbringen sind.In Frankreich und Italien wurdeschon in den späten 40er Jahren ver-sucht, über Gesetzgebungen einGemeinwohl orientiertes Funktions-system einzurichten, um den meri-torischen Charakter der Presse-

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Damit nicht genug, der Ballettdi-rektor ruft an und meldet kühl

einen bedenklich hohen Kranken-stand im Ballett; er lässt durchbli-cken, dass er diesen Umstand füreine Reaktion der Tänzer auf diejüngste Entscheidung des Intendan-ten hält, der zufolge sie aus Sparsam-keitsgründen nicht nur in künstle-risch wertvollen Choreographien desBallettdirektors vor überschaubaremPublikum aufzutreten haben, son-dern das Tanzbein auch in Operet-ten und Musicals vor „bumsvollerHütte“ (O-Ton des KünstlerischenBallettdirektors) schwingen müssen.In das betretene Schweigen der Run-de platzt nun der Regisseur der neu-en „La Bohème“-Produktion (Pre-miere in vier Tagen), er kommt direktvon einer Bühnen-Orchester-Probeund droht mit sofortiger Abreise,wenn er weiter mit diesen „steppen-den Hausfrauen und unvorstellbar di-lettantischen Artisten“ zusammenar-beiten müsse, die weder Feuerschlu-cken, Einradfahren noch Jonglage be-herrschten, aber genau solche Spezi-alisten braucht er als „Farbe“ vor dem„Café Momus“ im 2. Akt der Oper.

Wie gesagt: Ein beliebiges Drei-Sparten-Theater irgendwo in

Deutschland. Was macht nun ein In-tendant in derart verzweifelter Lage,zumal dann, wenn er seine Karteienfür Künstler, die er immer schon malengagieren wollte (was ihm aber ge-rade jetzt nicht weiter hilft) sowie diezahllosen Stapel mit ungelesenenBewerbungen für nahezu jede Posi-tion in seinem Theater vergeblichhat durchsehen lassen? Wenn auchdie fabelhaften Kontakte zu Kollegenvielleicht das eine oder andere sei-ner Probleme lösen, er auf dem nichtunbedeutenden Rest aber sitzenbleibt? Was soll er schon machen: Erruft einen oder mehrere der ihm auszahlreichen Besuchen seines Hauseswohl bekannten und geschätztenAgenten der ZBF an. Er hat oft mitihnen gearbeitet, meist in wenigerdramatischen Situationen als derje-nigen, in der er augenblicklichsteckt. Da die Agenturen der ZBFund der KD in Köln, Berlin, Ham-burg, Leipzig und München sowiedarüber hinaus auch noch in Ro-stock, Hannover, Halle, Frankfurtund Stuttgart angesiedelt sind, ha-ben die Agenten es in der Regel nichtallzu weit ihn zu besuchen. Er hat dieAgentur als zuverlässig, schnell undkompetent kennen gelernt, vieleKünstler seines Theaters haben ihrEngagement über die ZBF bekom-men – und zahlen müssen er oderseine Künstler für die Vermittlungauch nichts, denn im Gegensatz zuPrivatagenturen werden die Kostender ZBF und der KD durch die Bei-träge zur Arbeitslosenversicherunggedeckt, die von ihm und den Künst-lern ja bereits bezahlt worden sind.

distribution zu sichern, wobei Ge-meinwohl gebundene Vertriebsprin-zipien, wie gleicher Marktzutritt,Kontrahierungszwang und Diskrimi-nierungsverbot auf allen Stufen for-mell durchgesetzt wurden. Die tat-sächlichen Befunde zeigen aber,dass die Rechtssetzungen auf derVertriebsebene zu keinen nachhalti-gen Funktionssicherungen des Pres-severtriebssystems geführt haben.Dies lieget daran, dass sich die Pres-sedistribution im Verlauf der vergan-genen zwei Jahrzehnte in den west-europäischen Gesellschaften zu ei-nem komplexen, von zahlreichenFaktoren beeinflussten Netzwerkausdifferenziert hat, dessen Funkti-

onalität mehr und mehr an eineselbstregulative Systemstruktur ge-bunden ist und nicht allein durchrechtliche Gebots- oder Verbotsnor-men gesichert werden kann. Die sobeschriebene Komplexität der Funk-tionssysteme im Pressevertrieb führtnach Haller zur Einsicht, dass wederdie Eigendynamik des Marktes alleinnoch die gesetzgeberische Regulie-rung durch die Politik längerfristig dieFunktionalität der Systeme zu sicherngewährleisten vermag – das eine be-dingt vielmehr das andere. Geradeaus der Sicht dieses im Jahr 2004 er-schienenen europaübergreifendenVergleichsgutachtens ist es beson-ders erfreulich festzustellen, dass esin der jüngsten politischen Entwick-lung in Deutschland gelungen ist, ei-nen Konsens der im Pressevertrieb

Fortsetzung von Seite 8Beteiligten zum grundsätzlichen Sys-temerhalt zu erreichen.

In der „gemeinsame Erklärung“vom 19. August 2004 haben sich diebeteiligten Zeitungs- und Zeitschrif-tenverlegerverbände sowie der Bun-desverband Deutscher Buch-, Zei-tungs- und Zeitschriften-Grossistene.V. in der Präambel dieser Erklärungeinmütig zum Erhalt des im öffent-lichen Interesse liegenden Presse-vertriebssystems bekannt. Zugleichhaben sie Rahmenbedingungen de-finiert, unter denen der Pressever-trieb auch aktuellen Entwicklungender Handelslandschaft entsprechenkann. Diese „gemeinsame Erklärung“ist von der Beauftragten der Bundes-regierung für Kultur und Medien,Frau Dr. Christina Weiss, nachdrück-lich als tragfähige Grundlage für die

Sicherung des Presse-Grosso als Ga-rant einer Pressevielfalt „an der La-dentheke“, die von der Bundesregie-rung als unverzichtbar angesehenwird, betrachtet worden. Mittelbar istdie „gemeinsame Erklärung“ in dieBegründung des Gesetzes zur Presse-fusionskontrolle eingeflossen, die ak-tuell wegen der Tatsache dieses Kon-senses aller am Vertrieb Beteiligteneine spezialgesetzliche Absicherungdes Pressevertriebs für nicht erforder-lich erachtet wird. In diesem Sinneschreibt die „gemeinsame Erklärung“vom 19. August 2004 die im Gutach-ten von Prof. Haller aufgestellten me-ritorisch legitimierten Rahmenbe-dingungen der Pressedistributioneinvernehmlich fest und vermeidetso auch im Sinne dieses Gutachtenseine gesetzliche Regelung, was

wiederum im Haller’schen Sinne derallgemeinen Tendenz der Abkehrvom Versorgerstaat hin zum sichselbst steuernden deregulierten Wett-bewerb um den Markt entspricht.

Getragen vom Konsens aller Be-teiligten und der steten Bereitschaft,für das Vertriebssystem notwendigeWeiterentwicklungen unter Beach-tung und Wahrung seiner grundsätz-lichen Bedeutung anzupassen, gehtdie Stiftung Presse-Grosso davonaus, dass die Grundlagen dieses be-währten Pressevertriebssystems alsein beispielhaftes Modell den Sys-tembestand auch in der Zukunft ge-währleisten kann.

Der Verfasser ist Vorsitzenderdes Vorstands der Stiftung

Presse-Grosso

Szenenfoto aus dem Musical Ludwig hoch 2: Kronprinz Ludwig und Sybille Foto: Ludwig Musical

Überdies sind die Agenten allesamtvom Fach, haben selbst langjährigeErfahrung in den Berufen, die sievermitteln – was sie für unsere Inten-danten auch als Gesprächspartnerzu verschiedenen Fragen und Pro-blemen seines Hauses interessantmacht.

Im vorliegenden Fall telefonierenalso er und seine Mitarbeiterzunächst mit der Schauspielabtei-lung der ZBF, um sich eine ,Milford‘und einen ,Präsidenten‘ vorschlagenzu lassen. Parallel wird in aller Eileein Agent der Musiktheaterabteilungmit der raschen Suche nach einemAbendgast für die erkrankte ,Chry-sothemis‘ beauftragt, der Chordirek-tor lässt die einschlägig erfahrenenVermittler nach 1. Sopranen und 2.Tenören suchen und der Ballettdi-rektor bittet die Tanzexperten derZBF schweren Herzens ihm fürsnächste Vortanzen operetten- undmusicalerfahrene Tänzer vorbei zuschicken. Inzwischen hat der Be-triebsdirektor längst beim nächstge-legenen Künstlerdienst angerufen,wo ihm sein Artistenproblem für die„Bohème“-Produktion gelöst wird.Anschließend telefoniert er mit ei-nem Agenten der Film/Fernseh-Ab-teilung, um prophylaktisch möglicheDrehtermine für die Mitglieder desSchauspielensembles abzuspre-chen.

So weit unsere fiktive Situation,zu der nur noch einmal angemerktwerden soll, dass – Gottlob – diemeisten Vakanzen einen erheblichlängeren Vorlauf haben und die Zu-sammenarbeit der ZBF mit den The-

atern in aller Regel erheblich ent-spannter verläuft, aber deswegenauch Extremsituationen nach Art derGeschilderten recht gut gemeistertwerden können.

Was der Intendant nicht weiß(und auch nicht wissen muss) sinddie Hintergründe von ZBF und KD.Beide Agenturen sind Teile der Bun-desanstalt für Arbeit (BA) und darinder Zentralstelle für Arbeitsvermitt-lung (ZAV) in Bonn organisatorischverbunden. Sie verfolgen keine wirt-schaftlichen Interessen und bewil-ligen keine Lohnersatzleistungen(z.B. Arbeitslosengeld). Der Grundfür die Einrichtung dieser bundes-weit operierenden Fachvermitt-lungseinrichtung für darstellendeKünstler, künstlerisch-technischesPersonal sowie für Künstler aus denBereichen Show, Artistik, Unterhal-tung und Werbung liegt in der Be-sonderheit ihres Marktes. Charakte-ristisch ist vor allem das weitgehen-de Fehlen „normaler“, unbefristeterArbeitsverhältnisse. Arbeitsverträgesind für die Klienten der ZBF undder KD immer befristet – auf einoder zwei Jahre, auf ein paar Mona-te oder sogar nur auf einzelne Tage.Das bedeutet für die Künstler hoheMobilität, den ständigen Wechselzwischen Engagement und Arbeits-losigkeit als Normalzustand – unddies alles bei vergleichsweise gerin-gen Einkommen für den allergröß-ten Teil dieser Berufsgruppen. Auchdeshalb treffen die neuen „Hartz“-Gesetze die Künstler empfindlich.So wird es z.B. in Zukunft für vielesehr schwierig sein, binnen zwei

Jahre die geforderten 360 Tage sozi-alversicherungspflichtiger Beschäf-tigung zu erreichen wodurch siewieder Anspruch auf Arbeitslosen-geld I erwürben. Angesichts derartdüsterer Berufsrealitäten (die bereitslange vor „Hartz“ seit vielen Jahrenimmer düsterer geworden sind)wundert es, dass immer noch so vie-le junge Leute in diese Berufe stre-ben. Staatliche und private Schau-spielschulen bzw. Musikhochschu-len können sich vor Ausbildungswil-ligen kaum retten – und nur einBruchteil von ihnen bekommt einender wenigen Plätze (zwischen 400und 1000 Bewerber konkurrierenum zwischen 5 bis 12 Plätze an denStaatlichen Schulen!) um die späte-ren Berufsanfänger möglichst ge-nau kennen zu lernen, finden einmalpro Jahr die so genannten ZBF- oderIntendantenvorsprechen statt. ImBereich des Musiktheaters gibt esentsprechend ein Begabtenvorsin-gen und eine große Audition fürMusicaldarsteller. Die Integrations-quote der ZBF für Anfänger liegt beiüber 90%. Insgesamt haben ZBFund KD im vergangenen Jahr über80.000 Engagements vermittelt, wasauch bei selbstkritischer Betrach-tung keine schlechte Bilanz ist undbei allen internen Verbesserungs-notwendigkeiten für die Unver-zichtbarkeit einer unabhängigen,bundesweiten Fachvermittlung fürKünstler spricht.

Der Verfasser ist Leiter der zentralenBühnen-, Fernseh- und Film-

vermittlung

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Page 11: Kulturland Deutschland

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Bericht aus den Sektionen des Deutschen Kulturrates"#� $��%��� ��������� ��� &�'���(���� ����� ��)����%�*�������������������������������'����������������� �������+����������������#���������!,��������*������������������������������

Deutscher Musikrat

Der Deutsche Musikrat hat seineSatzungs- und Strukturreformenabgeschlossen und sich verstärktmit musikpolitischen Themen be-fasst. Im Bereich der auswärtigenMusikpolitik stehen der zunehmen-de Kompetenzzuwachs auf europä-ischer Ebene und die Bedeutung in-ternationaler Abkommen bzw. Pla-nungen (GATS) im Vordergrund. Aufdieser Ebene sind die zentralen The-men die UNESCO-Konvention zurKulturellen Vielfalt, GATS und diegeplante EU-Dienstleistungsrichtli-nie. Wesentliche Aufgabe war es undwird es weiterhin bleiben, gemein-sam mit den anderen Sektionen imDeutschen Kulturrat die Auswirkun-gen dieser Entwicklungen auf dieBundes-, Landes- und Kommunal-ebene deutlich zu machen und inabgestimmter Weise den Einfluss imSinne einer Verbesserung der kultu-rellen Rahmenbedingungen auf diePolitik zu verstärken.

Präsident Krüger nahm als Mitglieddes Vorstandes (Executive Board) des Internationalen Musikrats (In-ternational Music Council; IMC). andessen Tagung in Naga/ Philippinenteil, in deren Mittelpunkt die strate-gische Ausrichtung und organisato-rische Reform des IMC, sowie dasAktionsprogramm „Many Musics“zur Wahrung der Vielfalt musikali-scher Kulturen standen. Dieses reihtsich ein in die Ziele der bevorstehen-den UNESCO-Konvention Wahrungder kulturelle Vielfalt.

Im Rahmen des „WarschauerHerbstes“ hat Generalsekretär Höpp-ner im September 2004 die 1. Tagungmit hochrangigen Vertretern der pol-nischen Woiwodschaften (ähnlichdeutschen Bundesländern), Mar-schallämter (vergleichbar Landes-ministerien) und des polnischenKomponistenverbandes sowie derLandesmusikräte aus Deutschlandfür den Deutschen Musikrat eröff-net. Im Laufe dieser Tagung wurdenviele konkrete Projekte auf Länder-ebene unter maßgeblicher Mitwir-kung des Vorsitzenden der Konferenzder Landesmusikräte, Prof. ErnstFolz, verabredet.

Mit einer Podiumsdiskussionzum Thema „Auslaufmodell Rund-funkklangkörper? – Perspektiven für

das Musikland Deutschland“ im ARD-Hauptstadtstudio, das durch den WDRaufgezeichnet wurde und an dem –moderiert durch Dr. Albrecht Dümling- Monika Griefahn, Martin Maria Krü-ger, Fritz Pleitgen, Dr. ThomasSchmidt-Ott und Dr. Claus Strulickteilnahmen, meldete sich der Deut-sche Musikrat zum ThemenkomplexKulturauftrag des öffentlich-rechtli-chen Rundfunks zu Wort. Weiterhinengagierte sich der Deutsche Musik-rat in vielfältiger Weise für den Erhaltdes Münchner Rundfunkorchestersund der Berliner Symphoniker.

Die Entflechtungsdebatte wurdeu.a. durch eine gemeinsame Presse-konferenz von Deutschem Kulturratund Deutschen Musikrat sowie der„Sondershäuser Erklärung“ der Lan-desmusikräte und des Präsidiumsbegleitet.

Vizepräsident Prof. Udo Dah-men hat den Deutschen Musikratbei einer Anhörung des Bundes-tagsausschusses Kultur und Medienund der Enquete-Kommission Kul-tur in Deutschland im Bundestagvertreten. Die mehrfach über dieMedien verbreitete Position desDeutschen Musikrates zu einer frei-willigen Selbstverpflichtung derSendeanstalten hat er erneut be-kräftigt.

Zum ersten Mal fand am 1. April 2004in Kooperation mit der Messe Frank-furt ein Musikalischer Bildungstagauf der Musikmesse statt, der durcheine fulminante Grundsatzrede Jo-hannes Raus zur Notwendigkeit mu-sikalischer Bildung eröffnet wurde.

Das Aktionsthema des Deut-schen Musikrates „MusikalischeBildung ist auch Sozialarbeit“ hatdie Escola da musica aus Vina delMar in Chile in einem Elendsvier-tel mit einem beispielhaften Kon-zept umgesetzt. Im Sinne einerEntwicklungshilfe für Deutschlandauf diesem Gebiet haben acht Ju-gendliche dieser Musikschule imSeptember 2004 diese Idee ge-meinsam mit den Coolen Streichernaus Hamburg bei mehreren Veran-staltungen (Hannover Bundes-schulmusikwoche, Hamburg, Ber-liner Philharmonie gemeinsam mitden Berliner Symphonikern) prä-sentiert. Dieses Projekt (Ltg.: Prof.Dr. Hans Bäßler, Christian Höpp-ner) wurde gemeinsam mit derKindernothilfe durchgeführt.

Präsident Krüger wurde einstim-mig zum Vorsitzenden des Aufsichts-rates der gGmbH Deutscher Musik-rat gewählt.Christian Höppner, Generalsekretär

des Deutschen Musikrates

Rat für darstellende Künste

Der Rat für darstellende Künste tag-te am 11. März in Köln, am 18. Maiin Bonn, am 10. September und am4. November 2004 in Köln.

Themen des Rates für darstellen-de Künste waren eine Stellungnah-me zur sozialen Sicherung freiberuf-licher Künstlerinnen und Künstlerbzw. zum Künstlersozialversiche-rungsgesetz, eine Stellungnahmezum EU-Richtlinienvorschlag„Dienstleistungen im Binnenmarkt“sowie insbesondere ein Beschlussdes Deutschen Kulturrats zum The-ma „Kultur als Daseinsvorsorge“.

Bezogen auf die soziale Lageder Künstlerinnen und Künstlerbzw. zum Künstlersozialversiche-rungsgesetz äußerte sich der Rat fürdarstellende Künste dahingehend,dass Veränderungen des Künstlerso-zialversicherungsgesetzes zuguns-ten der Versicherten nur möglichseien, wenn die entsprechende Fi-nanzierung durch eine Erhöhungdes Beitrags des Bundes zur Künst-lersozialkasse sichergestellt werde.

Über das Thema „Kultur als Da-seinsvorsorge“ beriet der Rat für

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Die Stellungnahme „Kultur alsDaseinsvorsorge“ (siehe hier-

zu politik und kultur 5/2004) wur-de unter Beteiligung aller Sektio-nen des Deutschen Kulturrates ineiner eigens eingerichteten adhoc-Arbeitsgruppe erarbeitet. Aus-gangspunkt war der Diskussions-prozess zum „Grünbuch überDienstleistungen von allgemeinemInteresse“ der Europäischen Kom-mission. In Rahmen dieses Prozesswurde eine Klassifikation vonDienstleistungen in: Dienstleistun-gen im wirtschaftlichen Interesse, inDienstleistungen im allgemeinenInteresse und in Dienstleistungenim allgemeinen wirtschaftlichen In-teresse vorgenommen. Je nachdemwie ein Sektor klassifiziert wird, sindstaatliche Zuwendungen oder Bei-hilfen erlaubt oder nicht. Der Kul-turbereich wird ohne wenn undaber von der EU-Kommission alsDienstleistung klassifiziert. Die EUlegt damit an den Kultursektor dengleichen Maßstab wie die Welthan-delsorganisation (WTO) an.

Innerhalb des Deutschen Kul-turrates fand in der ersten Hälfte desJahres 2004 eine rege Auseinander-setzung darüber statt, ob sich derKulturbereich der Sichtweise derEU-Kommission, Kultur als Dienst-leistung zu klassifizieren, beugenmüsse oder ob es nicht sinnvollersei, auf den Kunstfreiheitsartikel desGrundgesetzes abzuheben unddaraus abgeleitet, jegliche Diskussi-on über Kultur als Dienstleistungoder auch Kultur als Daseinsvorsor-ge abzulehnen sei. Die Befürworterder letztgenannten Position vertre-ten die Meinung, dass, in dem sichauf die Sprache der Ökonomie ein-gelassen würde, der Ökonomisie-

rung des Kulturbereiches Vorschubgeleistet würde. Demgegenüber wirdvon anderen entgegengehalten, dasses darum gehen muss, sich offensivgegen die Ökonomisierung zu wen-den. Dazu kann eine Definition vonKultur als Daseinsvorsorge hilfreichsein, um Sonderregelungen für denKulturbereich zu erhalten. Der letzt-genannte Weg wird auch im Rahmender UNESCO bei der Erarbeitung derKonvention zum Schutz der kulturel-len Vielfalt beschritten.

Nach sehr intensiven Diskussio-nen zunächst in der adhoc-AG Sozia-le Sicherung, dann in den Sektionenund schließlich in zwei Sitzungen desSprecherrates setzte sich im Deut-schen Kulturrat die Meinung durch,dass es mit Blick auf die GATS-Ver-handlungen und die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie erforderlichist, eindeutig Position zu „Kultur alsDaseinsvorsorge“ zu beziehen. In derStellungnahme wird Daseinsvorsorgewie folgt beschrieben: „Daseinsvor-sorge im Bereich der Kultur meint einflächendeckendes Kulturangebot inden verschiedenen künstlerischenSparten, das zu erschwinglichen Prei-sen, mit niedrigen Zugangsschwellenbreiten Teilen der Bevölkerung konti-nuierlich und verlässlich zur Verfü-gung steht.“

Die Breite des kulturellen Lebensin Deutschland wird aufgezeigt undverdeutlicht, dass für ein lebendigeskulturelles Leben beides erforderlichist: die Bewahrung und Pflege desBestehenden sowie die Förderungneuer künstlerischer Ausdrucksfor-men. Konkrete Forderungen zur bes-seren Absicherung von Kunst undKultur sowie kultureller Bildung run-den die Stellungnahme ab.

Der innerverbandliche Diskussi-onsprozess war aus Sicht von Vor-stand und Geschäftsführung sehrwichtig. Es waren teilweise schwieri-ge Diskussionen, doch haben dieseschließlich zu einer Klärung geführt.Klärungsprozesse innerhalb großerOrganisationen, in denen unter-schiedliche Interessen zusammen-treffen, bedürfen der Zeit und der in-

tensiven Debatte, damit daraus einePosition erwächst, die von einembreiten Konsens getragen wird. Posi-tionen des Deutschen Kulturratessind eben keine Einzelmeinungenvon Experten, sondern bilden denKonsens von mehr als 200 Bundeskul-turverbänden aller künstlerischenSparten und der verschiedenen Be-reiche des kulturellen Lebens ab.

In der Stellungnahme „Kultur alsDaseinsvorsorge“ wird auch auf dieBedeutung der kulturellen Bildung alsMöglichkeit zur Teilhabe an Kunstund Kultur eingegangen. Breiter wur-de das Thema Kulturelle Bildung imSeptember 2004 bei der Abschluss-konferenz zum Projekt „Kulturelle Bil-dung in der Bildungsreformdiskussi-on - Konzeption Kulturelle Bildung“diskutiert. Etwa 150 Teilnehmerinnenund Teilnehmer aus den verschiede-nen Bereichen des kulturellen Lebensund den unterschiedlichen künstle-rischen Sparten nahmen an der zwei-tägigen Tagung teil. Eröffnet wurdedie Konferenz nach einem Eingangs-statement des Vorsitzenden desDeutschen Kulturrates Prof. Dr. Fuchsvon Bundesministerin Edelgard Bul-mahn und der Präsidentin der Kultus-ministerkonferenz Doris Ahnen. Da-ran schlossen Vorträge zu Fragen derkulturellen Bildung in der Kinder- undJugendarbeit, in der Erwachsenenbil-dung und in der Schule an. Am zwei-ten Tag wurde aus den verschiedenenkünstlerischen Sparten berichtet.Breiten Raum nahm die Debatte umdie Entwicklung der Ganztagsschuleund hier ganz besonders die Einbezie-hung der kulturellen Bildung in dieGanztagsschule ein. Einige Sektionendes Deutschen Kulturrates wie derDeutsche Musikrat, der Rat für darstel-lende Künste, die Deutsche Literatur-konferenz und der Rat für Baukulturhaben Stellungnahmen zur kulturel-len Bildung in ihrem jeweiligen Feldvorgelegt. Diese Stellungnahmen flie-ßen ebenso wie die Positionspapieredes Deutschen Kulturrates in die drit-te Konzeption Kulturelle Bildung ein,die im Frühsommer 2005 erscheinenwird.

Begleitet wurde vom Deutschen Kul-turrates das Bewerbungsverfahren zurKulturhauptstadt Europas 2010. Zu-nächst siebzehn, dann nach den ers-ten Entscheidungen auf Landesebenezehn deutsche Städte haben sich umden Titel Kulturhauptstadt Europas2010 beworben. Im Auftrag der Bewer-berstädte hat der Deutsche Kulturratderen Treffen organisiert. Eine der For-derungen der Bewerberstädte war,dass die Auswahl der Städte, die dereuropäischen Ebene vorgeschlagenwerden, durch eine fachliche Jury undnicht durch die Verwaltung erfolgt.Der Bundesrat als zuständiges Organfür die Auswahl der vorzuschlagendenStädte und die Kultusministerkonfe-renz als zuständige Fachministerkon-ferenz haben diesen Vorschlag positivaufgegriffen und eine entsprechendeJury eingesetzt. Die Kulturstiftung derLänder wurde damit betraut, das Aus-wahlverfahren zu organisieren. Zu-sammen mit der Kulturstiftung desBundes gibt der Deutsche Kulturratdie deutsch-englische Beilage „Euro-pa Kultur Stadt“ zur Zeitung politikund kultur heraus.

Wie in den Vorjahren hat derDeutsche Kulturrat die Bundesge-setzgebung begleitet und in Stellung-nahmen und Positionspapieren dieverschiedenen Positionen aus demKulturbereich gebündelt. In der Aus-gabe 2/2005 von politik und kulturfindet sich im Vorstandsbericht eineAuflistung der Stellungnahmen ausdem Jahr 2004.

Als Novum wurde der puk-Preisder Zeitung des Deutschen Kulturra-tes politik und kultur vergeben. DieBerliner Journalistin Birgit Walter(Berliner Zeitung) wurde mit dempuk-Preis für allgemeinverständlicheBeiträge im Feuilleton ausgezeichnet.Die Verleihung fand in Kooperationmit DeutschlandRadio im Rahmeneines Konzertes „Debut im Deutsch-landRadio“ im Kammermusiksaal derPhilharmonie Berlin statt.

Die Arbeit des Deutschen Kultur-rates wäre nicht möglich ohne dasehrenamtliche Engagements in denFachausschüssen, den adhoc-Ar-

beitsgruppen und dem Sprecherratdes Deutschen Kulturrates. In denFachausschüssen und adhoc-Ar-beitsgruppen werden die Stellung-nahmen und Positionspapiere vor-bereitet, hier werden teilweise kon-troverse Debatten geführt undschließlich die verschiedenen Posi-tionen zusammengeführt. Im Spre-cherrat findet die abschließendeDiskussion und Verabschiedung vonStellungnahmen statt. Unser herzli-cher Dank gilt allen Mitgliedern derFachausschüsse, der adhoc-AGs unddes Sprecherrates für die konstruk-tiven Beiträge und Diskussionen.

Herzlich danken möchte wirebenfalls den Autorinnen und Auto-ren von politik und kultur. Die Zei-tung politik und kultur hat sich inden drei Jahren ihres Bestehens zueinem wichtigen kulturpolitischenDiskussionsforum entwickelt. Indiesen Dank möchten wir den Con-Brio-Verlag einschließen, dessenEngagement weit über eine sonstübliche Dienstleistung hinausgeht.

Dank gebührt ebenfalls unserenZuwendungsgebern. Im Jahr 2004waren dies die Beauftragte der Bun-desregierung für Kultur und Medien,das Bundesministerium für Bildungund Forschung, das Auswärtige Amtund die Kulturstiftung des Bundes.Mit allen wurde über das unmittel-bare Vorhaben hinaus ein intensiverkollegialer Austausch gepflegt.

Unser Dank gilt ebenfalls denMitarbeiterinnen und Mitarbeiterndes Deutschen Kulturrates, den Stu-dentischen Aushilfen und den Prak-tikantinnen und Praktikanten. Mitihrem Engagements haben sie dazubeigetragen, dass trotz enger perso-neller Ressourcen ein beträchtli-ches Arbeitspensum bewältigt wer-den konnte.

Prof. Dr. Max Fuchs, VorsitzenderHeinrich Bleicher-Nagelsmann,

Stellvertretender VorsitzenderChristian Höppner,

Stellvertretender VorsitzenderOlaf Zimmermann,

Geschäftsführer

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Page 12: Kulturland Deutschland

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darstellende Künste ebenfalls aus-führlich. Einbezogen in diese Dis-kussion war auch die Stellungnah-me des Deutschen Kulturrates zumEU-Richtlinienvorschlag „Dienst-leistungen im Binnenmarkt“. Eswurde die Gefahr gesehen, dass dieöffentliche Finanzierung solcherkulturellen Dienstleistungen imRahmen des EU-Rechtes nur nochals zulässig angesehen wird, soweitsie der Grundversorgung im kultu-rellen Bereich dient. In diesem Zu-sammenhang hat der Rat für dar-stellende Künste auch die Verhand-lungen der Welthandelsorganisati-onen über ein Abkommen zur Li-beralisierung des Dienstleistungs-bereichs (GATS) diskutiert. Dabeiwurde zur Vorsicht geraten, wennes um die Frage geht, inwieweitkünstlerische Arbeit überhaupt alswirtschaftliche Dienstleistung an-gesehen werden kann. Dies ist ausSicht des Rates insbesondere des-halb erforderlich, weil - so das Er-gebnis der Beratungen - keines-wegs abzusehen ist, inwieweit esin internationalen Verhandlungengelingt, Sonderregelungen für dieKultur durchzusetzen.

Der Rat für darstellende Küns-te hat dementsprechend die Initi-ative der UNESCO begrüßt, durcheine Konvention über „KulturelleVielfalt“ der Tendenz, Kultur stär-ker in einen wirtschaftlichenDienstleistungsbegriff einzubezie-hen, entgegenzutreten. Dabei ver-tritt der Rat für darstellende Küns-te in der Diskussion die Auffassung,die Besonderheiten des künstleri-schen Schaffens müssten im Vor-dergrund der Betrachtungen ste-hen. Der Rat für darstellende Küns-te hat deswegen zahlreiche Ände-rungsvorschläge insbesondere zurStellungnahme des Kulturrates„Kultur als Daseinsvorsorge“ einge-bracht. Die Änderungsvorschlägewurden vom Kulturrat weitgehendberücksichtigt. Auch im Zusam-menhang mit der Stellungnahmedes Kulturrates zum EU-Richtlini-envorschlag „Dienstleistung imBinnenmarkt“ mahnte der Rat fürdarstellende Künste zur Zurückhal-tung. Dieses Thema war auch Ge-genstand eines in der Sitzung desRates am 18. Mai 2004 stattfinden-den Gespräches mit dem Vorsitzen-den und dem Geschäftsführer desDeutschen Kulturrates.

Die aktuelle Situation der The-ater und Orchester war Gegenstandeines ausgiebigen Meinungsaus-tausches des Rates für darstellendeKünste. Dabei galt die Aufmerksam-keit vor allem den zahlreichen Kri-senherden sowie dem Abschlussvieler Haustarifverträge, mit denendie Mitarbeiter von Theatern undOrchestern auf Teile ihrer Vergütungverzichten. Besondere Aufmerk-samkeit galt dabei der Sparte Tanz,die in erheblicher Weise von denHaushaltskürzungen betroffen ist.Gerade mit Rücksicht auf den Tanz-plan der Bundeskulturstiftung unddie nach wie vor erhebliche Förde-rung des Tanzes durch Kommunenund Länder (97 Mio Euro) hat sichder Rat vorgenommen, das Thema„Tanz“ in Zukunft besonders zu be-handeln. Begrüßt wurde die zumin-dest teilweise Fortsetzung des Stu-diengangs „Darstellendes Spiel“ ander Universität Hildesheim, für diesich der Rat eingesetzt hatte. Au-ßerdem wurde die Bedeutung derdarstellenden Kunst in der aktuel-len Debatte über ästhetische Bil-dung hervorgehoben und dieMöglichkeiten zu Beiträgen derTheater, Orchester und Künstlerdiskutiert.Die Arbeit der Enquete-Kommissi-on „Kultur in Deutschland“ wurdeebenso beraten wie die möglicheWiederaufnahme des „Bündnis für

Schreib- und Leseförderung, der Ver-mittlung von Reflexionswissen oderder Begegnung mit Literatur beglei-ten und ergänzen zwar den eigentli-chen (Aus-)Bildungsweg, sie liefernauch Anregungen für eine Verbesse-rung beispielsweise des Schulunter-richts. Aber sie können nicht derVerpflichtung entheben, daß dieVermittlung von Sprachkompetenzeine Aufgabe vorrangig des Eltern-hauses, der Kindergärten und derschulischen Bildung ist. Nur aufdem Gelingen dieses Bildungspro-zesses kann ein vielfältiges kulturel-les Leben aufbauen.4. Damit die Ausbildungseinrich-tungen ihre Aufgabe erfüllen kön-nen, sind sie nicht nur auf eine an-gemessene Ausstattung angewie-sen, sie müssen auch in die Lageversetzt werden, Qualitätsansprü-che zu entwickeln und ihre Einhal-tung zu sichern. An den deutschenSchulen und Hochschulen müssendaher umgehend wieder klar defi-nierte Leistungsmaßstäbe bei derVermittlung von Sprachkompetenzeingeführt werden.5. Die Qualität und die Qualitätssi-cherung von Angeboten außerschu-lischer Bildungseinrichtungen müs-sen ebenfalls gewährleistet sein.Dazu gilt es, verbindliche, eindeu-tige und überprüfbare Qualitätskri-terien zu formulieren. Dies betrifftdie Schulung von sogenannten Vor-lesepaten für das ehrenamtliche En-gagement in Kindergärten ebensowie die Vermittlung von Technikenliterarischen Erzählens in einerSchreibwerkstatt.6. Die Arbeit der bestehenden Bil-dungs- und Weiterbildungseinrich-tungen – von den Schulen undHochschulen über die Bibliothekenbis hin zu den Literaturhäusern –muß unverzüglich und nachhaltiggestärkt werden, statt sie immermehr, bis hin zur billigenden Ge-fährdung ihrer Existenz, finanzielleinzuschränken (siehe www.bibliothekssterben.de).7. Die Kompetenzstreitigkeiten zwi-schen dem Bund und den Ländern inder Frage der Kulturhoheit dürfennicht weiter auf dem Rücken der Be-troffenen – seien es Lernende undLehrende oder Bibliotheken, Archiveund Museen – ausgetragen werden.

Die Untersetzung der Thesen istauf der 2004 neu eingerichteten Ho-mepage der Deutschen Literatur-konferenz (www.literaturkonferenz.de) nachzulesen.

Mit der im Gedenken an denGründer der ersten deutschen Bür-gerbibliothek von der Deutschen Li-teraturkonferenz gestifteten Karl-Preusker-Medaille wurde 2004 dasbürgerschaftliche Engagement derGründerinnen des Kölner Aktions-bündnisses „Leselust statt Pisa-frust“ Angelika Casper, ChristelMannhardt und Ina Philippsen-Schmidt geehrt. Die drei Mütterschulpflichtiger Kinder hatten die-ses Aktionsbündnis ins Leben geru-fen, um gemeinsam mit anderenEltern, Schülern, Bibliothekaren,Lehrern und Autoren für den Erhaltder Schulbibliotheken an 21 KölnerSchulen, die die Politik bereits aufdie Streichliste gesetzt hatte, zustreiten – mit Erfolg!

Im Berichtszeitraum fanden zweiMitgliederversammlungen statt, am26. März 2004 in Leipzig und am 8.Oktober in Frankfurt/Main. DieDeutsche Literaturkonferenz e.V.vereint 22 Mitgliedsverbände und -institutionen. Sprecher des Vereinsist der Übersetzer Dr. Burkhart Kro-eber, Stellvertreter des Sprechers istDr. Georg Ruppelt.

Iris Mai, Geschäftsführerinder Deutschen Literaturkonferenz

Kunstrat

Der Kunstrat setzt sich aus zwei Dut-zend Vereinigungen zusammen, de-ren Dreh- und Angelpunkt die bil-

dende Kunst ist - sowohl die „freie“als auch die so genannte „angewand-te“ bildende Kunst. Vertreten sindhier nicht nur die diversen Verbän-de der Urheber und Künstler (inclu-sive Restauratoren), sondern auchder kommerziellen Vermarkter(Kunsthandel, Galerien, Editionen)sowie der institutionellen Vermittler(Museen und Kunstvereine) und,nicht zu vergessen: die Kunstkritiker.

Im Jahr 2004 gab es im Kunstratkeine im eigentlichen Sinne gemein-samen Aktivitäten, über die an die-ser Stelle zu berichten wäre. Diesmag auch einer gewissen Über-gangszeit zwischen dem Ausschei-den des vormaligen und der Wahleines neuen Sprechers geschuldetsein. Auch stellt der Kunstrat keinenfesten institutionellen Rahmen - wieetwa der Deutsche Musikrat - son-dern eher eine informelle Plattformdar.

Zwar gibt es eine Vielzahl an The-men, die für die Verbände von gro-ßem Interesse sind und über die imRahmen der etwa halbjährlich statt-findenden Sitzungen des Kunstratesstets ein anregender Austausch statt-findet. Jedoch gibt es zu diesen Pro-blemfeldern aktuell keine gemeinsa-me, alle Interessen harmonisierendeStellungnahme. So wurden Mitteletzten Jahres der Deutsche Muse-umsbund und der Arbeitskreis Deut-scher Kunsthandelsverbände vonder Beauftragten für Kultur und Me-dien um eine Stellungnahme zu ei-nem Ausführungsgesetz derUNESCO-Konvention zum Kultur-gutschutz gebeten. Selbstverständ-lich fordern die Kunsthändlerebenso wie die Museen einen inter-national geltenden, verbindlichenSchutz kultureller Güter - aber hin-sichtlich der Frage, wie die geeigne-ten Maßnahmen hierfür beschaffensein müssen, gibt es doch sehr un-terschiedliche, an manchen Stellengar inkompatible Auffassungen.

Über die schiere Vielfalt der Ak-tivitäten der dem Kunstrat angehö-renden einzelnen Mitgliedsverbändekann hier nicht im einzelnen referiertwerden. Diese reichen von Messever-anstaltungen und Ausstellungen,Rechtsberatung, Fortbildungsmaß-nahmen und Serviceleistungen fürMitglieder über öffentliche Symposi-en und Workshops sowie die Vergabevon Kunstpreisen bis hin zur Heraus-gabe von Mitgliederverzeichnissen,Katalogen und Publikationen allerArt. Hinzu kommen kulturpolitischeAktivitäten, zu denen die Mitglieds-verbände der Sektion Kunst im Rah-men der Urheberrechtsnovelle undder Diskussion um die Künstlersozi-alversicherung in jüngster Zeit mehrdenn je herausgefordert sind und diesie elementar bewegen.

Doch auch hier gibt es Unverein-barkeiten. Die von den Künstlerver-bänden nach wie vor geforderte Aus-stellungsvergütung - die im Gesetz-entwurf versagt wurde - ist für Mu-seen und Kunstvereine aus vielerleiGründen inakzeptabel. Im Gesetz-entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Folgerecht - welchesdie Teilhabe bildender Künstler amWiederverkauf ihrer Werke regelt -wurden die Wünsche bildenderKünstler weitgehend erfüllt. Die Ga-lerien hingegen sehen sich der Ze-mentierung einer Wettbewerbsver-zerrung ausgesetzt, die sie - mittel-und langfristig zu Ungunsten derKünstler - hinter kunsthandels-freundliche Länder wie England zu-rückwirft.

Auch hinsichtlich der Künstler-sozialkasse stehen sich zwei Positi-onen gegenüber. Die drastische An-hebung der Künstlersozialabgabe indiesem Jahr hat auf einen Schlagdeutlich gemacht, dass sinnvolleMaßnahmen ergriffen müssen, umdiesem wichtigen Institut eine stabi-le Zukunft zu ermöglichen und zwardergestalt, dass weder die Versicher-ten noch die Verwerter dauerhaft

überstrapaziert werden. Naturge-mäß gibt es auch in Sachen Künst-lersozialversicherung - vermutlichwie in den anderen Sektionen auch- innerhalb des Kunstrats keinevollkommene Übereinstimmungzu der Frage, an welchen Stellenhier Reformen angesetzt bzw. ge-meinschaftlich gefordert werdensollen.

Trotz der unterschiedlichenMeinungsbilder ist der Kunstrat einoptimales Forum, um andere Blick-winkel kennen- und verstehen zulernen. Auch sind einzelne Vertre-ter von Mitgliedsverbänden desKunstrats in den Arbeitsgruppendes Deutschen Kulturrates sehr ak-tiv, etwa im Steuerausschuss, in derArbeitsgruppe Soziale Sicherungsowie in der neuen AG zum Arbeits-markt im Kulturbetrieb (Ein-Euro-Jobs). All diese - und andere - The-men werden auf der Versammlungdes Kunstrats im Mai behandeltwerden.

Birgit Maria Sturm, Sprecherindes Kunstrates

Rat für Baukultur

Der Rat für Baukultur konzentrier-te sich im Jahr 2004 auf zweiSchwerpunkte. Zum einen beteilig-te er sich an übergreifenden Initia-tiven im Kontext des DeutschenKulturrates. Zum anderen baute erseine Öffentlichkeitsarbeit aus.

Anknüpfend an Aktivitäten imJahr 2003 setzte der Rat für Baukul-tur erneut einen Akzent auf dasThema „Baukultur macht Schule“.Er erarbeitete eine Stellungnahmezur baukulturellen Bildung und warbei der Konferenz des DeutschenKulturrates zur Bildungsreformdis-kussion im September 2004 mit ei-nem Vortrag vertreten.

Die Disziplinen der Baukultur,ob Hochbauarchitektur, Innenar-chitektur, Landschaftsarchitektur,Stadtplanung, Ingenieurbaukunstoder Denkmalschutz, sind erst mitder Erweiterung des Kulturbegriffsins Zentrum des kulturellen Be-wusstseins zurückgekehrt. Dem-entsprechend spielte Baukulturauch in der Diskussion um die kul-turelle Bildung lange Zeit eine un-tergeordnete Rolle. Um das zu än-dern, haben die Architektenkam-mern und die Ingenieurkammernder Länder und die Deutsche Stif-tung Denkmalschutz zahlreicheProjekte für mehr Baukultur in denSchulen gestartet, die Pilotcharak-ter haben und zur Nachahmunganregen sollen. Für ein flächende-ckendes Angebot in ganz Deutsch-land sind aber bessere Rahmenbe-dingungen und staatliches Engage-ment unabdingbar. Der Rat fürBaukultur fordert deshalb:· die gleichberechtigte Berücksich-

tigung von Baukultur in Kinder-garten, Schule und Erwachsenen-bildung, bis es soweit ist, eine be-sondere Förderung von Baukultur

· eine nationale Anlaufstelle nachdem Vorbild des „Pavillon of Edu-cation“ in Rotterdam, die mit An-geboten baukultureller BildungImpulse setzt und Schaltstelle desWissenstransfers für Erzieher,Lehrer, Architekten, Ingenieureund Denkmalpfleger ist, und

· schöne Schulgebäude.Die im Herbst 2000 von der

Bundesregierung gestartete Initia-tive Architektur und Baukultur hatan der Renaissance der Baukultureinen wesentlichen Anteil. Der Ratfür Baukultur unterstützt deshalbden vom Bundeskabinett im De-zember 2004 verabschiedeten Ge-setzentwurf zur Errichtung einerBundesstiftung Baukultur. Die Stif-tung soll den einmal in Gang ge-setzten Dialog fortsetzen, genauer„das Bewusstsein für Baukultur

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Fortsetzung von Seite 11Theater“. Dabei erhoffte sich der Ratfür darstellende Künste von beidenInitiativen eine breite Unterstützungzum Erhalt unserer Theater und Or-chester.

Rolf Bolwin, Sprecher des Ratesfür darstellende Künste

DeutscheLiteraturkonferenz

Das Jahr 2004 zeichnete sich durcheine Reihe von Initiativen und Veran-staltungen der Deutschen Literatur-konferenz und ihrer Mitglieder aus.Auf dem mittlerweile traditionell imFrühjahr auf der Leipziger Buchmes-se von der Deutschen Literaturkon-ferenz durchgeführten Symposionstand in diesem Jahr die Literaturkri-tik im Mittelpunkt. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernseh-anstalten kürzen die Sendezeiten fürliterarische Programme, die diesenNamen verdienen. Gleichzeitig wirdder Raum für Literaturkritik in denetablierten Feuilletons immer klei-ner. Hat sich die Literaturkritik alsInstitution überlebt? Oder wechseltsie nur ihren Ort, wird in Literatur-zeitschriften und im Internet fortbe-stehen? Wie lange wird es professio-nelle Literaturkritik noch geben?Und was bedeutet es für das Kultur-leben, sollte dieses Metier nichtmehr von Spezialisten ausgeübt wer-den? Diese und weitere Fragen dis-kutierten die Kritiker und AutorenThierry Chervel, Frauke Meyer-Go-sau, Ina Hartwig, Tilman Krause,Gunther Nickel, Wilfried F. Schoellerund Burkhard Spinnen. Die Veran-staltung wurde aufgezeichnet undim Wallstein Verlag unter dem Titel„Kaufen! statt Lesen! – Literaturkri-tik in der Krise?“ veröffentlicht.

Breiten Raum in der Tätigkeitder Deutschen Literaturkonferenznahm die Erarbeitung eines Positi-onspapiers zur Rolle der KulturellenBildung in der Gesellschaft ein. DasErgebnis der Diskussion der Mit-glieder ist in den „Sieben GöttingerThesen der Deutschen Literatur-konferenz zu Literatur und Kulturel-ler Bildung in der Bildungsreform-diskussion“ niedergelegt:1. Sprachkompetenz, Lese- undSchreibfähigkeit sind Schlüssel-qualifikationen. Sie ermöglichen dasVerständnis der Welt und das Mit-einander der Menschen. Selbst diescheinbar ganz auf technischer Lo-gik und Mathematik aufbauendenNaturwissenschaften sind ohne Spra-che nicht möglich. Die Begegnungmit Literatur als Kunst eröffnet denReichtum sprachlicher Ausdrucks-möglichkeiten und vermittelt eindifferenziertes Bild menschlichenVerhaltens und humaner wie ästhe-tischer Anschauungsweisen, daskritische Kompetenz und sozialeFähigkeiten erweitert.2. Das Erlernen der Sprache und dermit ihrer Beherrschung verbunde-nen Kulturtechniken ist –zumindest in den sogenannten In-dustrieländern – immer mehr dieAufgabe meist staatlich verwalteterBildungsinstitute – von den Kinder-gärten und Schulen bis hin zu denHochschulen. Umso schwieriger dieRahmenbedingungen des Heran-wachsens werden, desto deutlicherwerden diese Einrichtungen in ihrenbegrenzten Möglichkeiten gefordertund auch überfordert. Eine ernsthaf-te Bildungsreform hätte aus diesemGrund zunächst einmal die Voraus-setzungen dafür zu schaffen, dassder Bildungsauftrag überhaupt ver-antwortlich wahrgenommen werdenkann. Dazu zählt, dass die Regeln fürdie deutsche Rechtschreibungwieder einheitlich und verbindlichgefasst werden.3. Außerschulische kulturelle Ein-richtungen haben im Bereich derSprachpflege zunehmend Aufgabenübernommen, die von den zustän-digen Stellen allein nicht mehr be-wältigt werden. Angebote der

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stärken und die Qualität, Nachhaltig-keit und wirtschaftliche Leistungsfä-higkeit des Architektur- und Ingeni-eurwesens in Deutschland nationalwie international herausstellen“.

Der Deutsche Kulturrat hat dieInitiative zur Stiftungsgründung miteiner Stellungnahme begrüßt, dieder Rat für Baukultur vorbereitethat. Der Deutsche Kulturrat sprichtsich für eine Erhöhung des Stif-tungskapitals, eine größere Unab-hängigkeit der Stiftung von Bundes-ministerien und -tag und die An-siedlung der Stiftung in Berlin aus.(s. puk 2/2005, S. 14)

Nachdem der Bundestag im Ok-tober 2003 dem Antrag „Die Quali-tätsoffensive für gutes Planen undBauen voranbringen“ zunächst mitden Stimmen aller Fraktionen zuge-stimmt hatte, scheint das Stiftungs-projekt jedoch nunmehr in den Sogdes Föderalismusstreits zu geraten:Erst gab der Bundesrat im Februar2005 eine ablehnende Stellungnah-me zum Entwurf des Stiftungsgeset-zes ab. Im März 2005 löste der Ge-setzesentwurf dann bei der erstenBeratung im Bundestag eine Kon-troverse aus. (s. auch S. 25)

Außer an der Bildungsreform-diskussion und der Initiative Archi-tektur und Baukultur beteiligte undbeteiligt sich der Rat für Baukulturan der Koalition zum Schutz kultu-reller Vielfalt der deutschenUNESCO-Kommission. Seit Herbst2004 ist der Rat für Baukultur darü-ber hinaus Mitglied der InitiativeHören. Mitglieder des Rates für Bau-kultur arbeiten schließlich kontinu-ierlich im Sprecherrat und denFachausschüssen des DeutschenKulturrates mit.

Als neue Mitglieder konnte derRat für Baukultur die Vereinigungfür Stadt-, Regional- und Landespla-nung und die Deutsche Gesellschaftfür Gartenkunst und Landschafts-kultur gewinnen. Der SozialverbandVdK Deutschland trat jedoch mitWirkung zum 31. Dezember 2005aus dem Rat für Baukultur aus.

Im September 2004 veröffent-lichte der Rat für Baukultur erstmalseinen Imageflyer. Seit Anfang April2005 ist der Rat für Baukultur onli-ne: www.baukulturrat.de.

Claudia Schwalfenberg,Sprecherin des Rates für

Baukultur

Sektion Design

Wie auch in den vergangenen Jah-ren, konzentrierte sich die Arbeitder Sektion Design im DeutschenKulturrat, die vom Deutschen Desi-gnertag gebildet wird, auf die Wahr-nehmung der Interessen der Desig-ner im Zusammenhang mit denvom Kulturrat behandelten The-

men. Dabei ging es um Gesetzesvor-haben des Bundes sowie die interna-tionalen und europäischen Einflüsseauf die Kulturpolitik in Deutschland.Themen wie „Kulturelle Bildung“,„Kultur als Daseinsvorsorge“, Urhe-berrecht in der Informationsgesell-schaft“ und die „EU-Dienstleistungs-richtlinie“ standen dabei unter ande-rem zur Debatte. Ein wichtiges The-ma, das den Kulturrat und die Sekti-on Design schon lange beschäftigtund wohl auch noch in den nächstenJahren beschäftigen wird, ist das The-ma der sozialen Sicherung. Konkret:Die Künstlersozialkasse (KSK). DieSektion Design hat in diesem Zusam-menhang die Forderung des Kultur-rates, die KSK in die Selbständigkeitzu überführen, nachdrücklich unter-stützt. Die Angliederung der KSK seit2001 an die „Unfallkasse des Bundes“halten wir nicht für optimal. DieKünstlersozialkasse hat eine kom-plett andere Klientel als die Unfallkas-se des Bundes. Im Umgang mit die-ser Klientel entstehen auch immerwieder Irritationen, weil die KSK ausverwaltungstechnischen GründenBezüge zur UKB herstellen muss. DenKünstlern, den Verwertern, anderenBehörden und der Öffentlichkeit istnicht zu vermitteln, dass eine Behör-de wie die KSK mit zur Zeit über140.000 Versicherten und mehr als40.000 abgabepflichtigen Verwertern,einem Haushalt von über 500 Millio-nen Euro an einen Unfallversiche-rungsträger angegliedert ist, der mitden Aufgaben der KSK absolut nichtszu tun hat. Hier ist die Politik gefor-dert, Abhilfe zu schaffen.

Im Zusammenhang mit dem Be-reich „Soziale Sicherung“ hat sich dieSektion Design auch mit dem Thema„Riester-Rente“ beschäftigt. Aus-gangspunkt dafür war eine gemein-same Veranstaltung mit dem Titel„Riester-Rente für selbständigeKünstler und Publizisten“ des Bun-desministeriums für Gesundheit undSoziale Sicherung und des Kulturratsim Dezember 2004 in Berlin.

Im Mittelpunkt standen dabei dieMöglichkeiten, die sich aus dem Mo-dell der Riester-Rente als zusätzlicheAltersvorsorge für selbständigeKünstler, Designer und Publizistenergeben, die Mitglied in der Künstler-sozialkasse sind. Ausgangspunkt fürdie Beschäftigung mit diesem Themawar die Tatsache, dass viele Künstlerund Publizisten - als Folge unter-durchschnittlicher Einkommen- nurüber unzureichende Rentenanwart-schaften aus der gesetzlichenKünstlersozialversicherung verfü-gen.

Die Erkenntnis, dass als Folgeder demografischen Entwicklungdie gesetzliche Rente allein nichtausreicht, hat sich gerade bei die-sem Personenkreis noch nicht her-umgesprochen. Die im Zusammen-hang mit der Riester-Rente deutlichverbesserten Möglichkeiten einer

zusätzlichen kapitalgedeckten Al-tersvorsorge werden bislang vondieser Gruppe denn auch kaum ge-nutzt.

Dieses Thema hat der Designer-tag auch in seinem Newsletter „DTInformationen“ im Rahmen seinerHomepage www.designertag.de be-handelt, um es der Profession derDesigner und einer größeren Öffent-lichkeit näher zu bringen. DieserNewsletter hat sich auch im vergan-genen Jahr an der Schnittstelle zwi-schen der Design- und anderen kul-turellen Szenen bewährt. Mit diesemInformationsmedium, von dem imabgelaufenen Berichtszeitraum 11Ausgaben erschienen sind, wird dieDesignszene über Themen und Ereig-nisse aus dem übergreifenden The-menspektrum des Deutschen Kultur-rates informiert und umgekehrt dieSzenen der anderen Sektionen desDeutschen Kulturrates über Themenund Ereignisse aus dem Designbe-reich.

Kai Ehlert, Sprecherder Sektion Design

Sektion Film und Medien

Umfassende gemeinsame Aktivitätenaller Sektionsmitglieder hat es imBerichtszeitraum nicht gegeben.Mehrfach anvisierte Sektionstreffensind aus terminlichen Gründen nichtzustande gekommen. An der Arbeitder Fachausschüsse des DeutschenKulturrates sowie an ad hoc-AGs ha-ben sich die Sektionsmitglieder mitunterschiedlicher Intensität beteiligt.

Auf der Sitzung der Sektion imMärz 2005 wurden Schwerpunkte fürdie künftige gemeinsame Arbeit dis-kutiert. Zum einen will sich die Sek-tion stärker an den Diskussionen imFachausschuss Medien beteiligen, daes dort um originäre Belange der Sek-tion geht. Zum anderen wurden fürdie weitere Arbeit noch in diesemJahr folgenden Themenfelder bzw.Themenfelder vereinbart: Filmfinan-zierung, Filmkompetenzagentur, Ur-heberrechtsfragen im Filmsektor so-wie filmpolitische Entwicklungen imEU-Bereich.

Sektionssprecher sind HeinrichBleicher-Nagelsmann (ver.di) undChristiane von Wahlert (SPIO). Stell-vertretende Sprecher/Sprecherinsind Rolf Zitzelsperger (BMF) undAnna Fantl (BuFi). Auf der nächstenSitzung des Sektion im Juni sollenNeuwahlen für die Mitglieder derSektion im Sprecherrat stattfinden.

Heinrich Bleicher-Nagelsmann,Sprecher der Sektion Film und

Medien

Rat für Soziokultur undkulturelle Bildung

Der Rat für Soziokultur und kulturelleBildung hat im März 2004 zu seiner 61.Mitgliederversammlung und im De-zember 2004 zu seiner 62. Mitglieder-

versammlung eingeladen. Zu den fürdie Mitglieder dieser Sektion wichti-ge Diskussionsthemen zählten dabei:· die Föderalismusdebatte· die Arbeit der Enquete-Kommissi-

on „Kultur in Deutschland“· das Thema kulturelle Grundversor-

gung· die Konvention zur kulturellen Viel-

falt· die Folgen von GATS und von Hartz

IV· die Sicherung von Zivilgesellschaft

durch kulturelles Engagement· und vor allem die Stärkung kulturel-

ler Bildung in der Ganztagsschule.Intensiv mitgewirkt und in ihren

Ergebnissen geprägt haben Mitgliederdieser Sektion die Arbeit des Deut-schen Kulturrates in den AGs zur „Kul-turellen Daseinsvorsorge“ und zur„Sozialen Sicherung von Künstlern“.

Der Schwerpunkt der Beratungendes Rates für Soziokultur und kultu-relle Bildung lag 2004 auf dem bil-dungspolitischen Reformprozess unddem Ausbau der Ganztagsschule. Wiees der Sektionsname schon andeutet,liegt es für die Mitglieder nahe, sichaktiv in die Gestaltung anstehenderbildungspolitischer Veränderungeneinzubringen. Zu dieser Sektion ge-hören u. a. der Bundesverband der Ju-gendkunstschule und kulturpädago-gischen Einrichtungen, die Bundes-vereinigung Kulturelle Jugendbil-dung, die Gesellschaft für Medienpä-dagogik und Kommunikationskultur,das Institut für Bildung und Kultur,die Kulturpolitische Gesellschaft, derBund Deutscher Kunsterzieher, dieMuseumspädagogen, die Akademienin Remscheid und Wolfenbüttel, derBundesverband der soziokulturellenZentren sowie Organisationen wie dieGEW, der DGB und die UNESCO. Or-ganisationen also mit eindeutigen Or-ganisationsprofilen in der kulturellenBildung: sowohl im Bereich der schu-lischen kulturellen Bildungsförderungals auch im Bereich der außerschuli-schen kulturellen Bildung, teils stärkerengagiert im Kinder- und Jugendbe-reich oder im Bereich der kulturellenBildung durch Medien und Kunst, maldeutlich gebunden an Orte der kultu-rellen Bildung wie Museen, Jugend-kunstschulen und soziokulturelle Zen-tren oder an Aufgaben der bundeszen-tralen kulturellen Fort- und Weiterbil-dung bzw. neuen Kulturpolitik und in-ternationalen Kultur- und Bildungs-förderung. Die Arbeit dieser Organisa-tionen ist kulturelle Bildungsarbeit.Ihre pädagogischen und strategischenKonzepte zielen darauf, Bildung undKultur für alle Menschen - im Netz-werk schulischer und außerschuli-scher, kommunaler, landes- und bun-desweiter Kooperationen und Struk-turen - zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund war esnahe liegend, dass sich FachkollegIn-nen aus dem Rat besonders in die Ge-staltung des vom Deutschen Kultur-rat im September 2004 veranstalteten

Kongresses „Kulturelle Bildung inder Bildungsreformdiskussion –Konzeption Kulturelle Bildung“ ein-gebracht haben. Die Geschäftsfüh-rerin der Sektion verwies in diesemZusammenhang auf zentrale pro-grammatische Orientierungen derSoziokultur für eine zukunftsorien-tierte Bildungspolitik und stelltekonkrete Entwicklungsimpulse derRatsmitglieder für die anstehendeBildungsreform vor.

Für die Mitglieder des Rates fürSoziokultur und kulturelle Bildunggilt: Sie sind mit ihrem Engagement„ganz nah dran“ an der Bildungs-reformdiskussion. Ihre kulturelleBildungsarbeit führt sie ganz nahheran an Künstlerinnen und Künst-ler, an Kunst- und Bauwerke, an diefaszinierende Welt der Töne, Far-ben und der Gestalt, und damitzugleich auch an die Auseinander-setzung um die Gestaltung des ge-sellschaftlichen Wandels durchKunst und Kultur. Eine ernstzuneh-mende Bildungsreform sollte denOrganisationen der kulturellen Bil-dung und der Soziokultur ein grö-ßeres Gewicht bei den anstehendenVeränderungen beimessen. Sozio-kultur hat in der Vergangenheit sehrprononciert ernst gemacht mit derForderung, Kulturpolitik und kultu-relle Bildung als Querschnittsaufga-be und Gesellschaftspolitik zu ver-stehen. Diese Position muss sichauch in der Bildungsreform wiederfinden lassen. Die Mitglieder derSektion „Soziokultur und kulturelleBildung“ erwarten, dass sich Bil-dungspolitik nicht in Schulpolitikerschöpft. Sie erwarten, dass diekulturellen Bildungsmöglichkeitenin der Breite und Vielfalt durch dieBildungsreformpolitik gestärkt wer-den und sich auch die Rahmenbe-dingungen ihrer Bildungs-Arbeit imHandlungsfeld Soziokultur verbes-sern – und zwar nicht nur in Wor-ten, sondern auch in politischenTaten und durch bereitgestellte Res-sourcen. Die Überzeugung der Sek-tionsmitglieder ist: Bildungspolitikmuss zukünftig gesellschaftspoliti-scher gestalten, ressortübergreifen-der handeln und im Verbund mit So-zial-, Jugend- und Kulturpolitik dieZukunft kultureller Bildung sichern!

Sprecher des Rates für Soziokul-tur und kulturelle Bildung sind: Prof.Dr. Max Fuchs (BundesvereinigungKulturelle Jugendbildung), AndreasKämpf (Bundesvereinigung sozio-kultureller Zentren). StellvertretendeSprecher sind: Dr. Karl Ermert (Bun-desakademie für kulturelle BildungWolfenbüttel), Dr. Cordula Fink-Schürmann (Gesellschaft für Medi-enpädagogik und Kommunikations-kultur). Die Geschäftsstelle wird vonder Bundesvereinigung kulturelle Ju-gendbildung wahrgenommen.Hildegard Bockhorst, Geschäftsfüh-rerin des Rates für Soziokultur und

kulturelle Bildung

Vertretung des Deutschen Kulturrates in externen Gremien������������������������������'����2����������2�����������6'�����&��#������+���%���� ��%����2���(����������������������������#�����������'������7������������������8������.(��%���������&��#���*����%��#(9�%� �#� ������������ ����������� ������������ ���������������������: �����%����������������������������'���������%�*(�����������"#�$��%�'��*������+�����������������������������������������������'%�*(�����&��#���2��%��������

Stiftungsbeirat derKulturstiftung des Bundes

Bei der ersten Sitzung des Beiratesgingen die Mitglieder davon aus,dass es zugleich die letzte Sitzung

hätte gewesen sein können. Denn dieFusion mit der Kulturstiftung der Län-der schien so gut wie sicher gewesenzu sein. Diese hat jedoch bekanntlichnicht stattgefunden, so dass es im Ok-tober 2004 zu einer zweiten Sitzunggekommen ist. Inzwischen hat sich dieKulturstiftung des Bundes etabliert,selbst härteste Kritiker auf Länderebe-ne haben ihren Frieden mit ihr ge-macht, so dass die Förderarbeit be-gonnen werden konnte. Neben inno-vativen, primär künstlerisch orientier-ten Projekten ist es verdienstvoll, dassdie Stiftung gezielt gesellschaftspoli-tische Themen sucht, in denen sie mitkünstlerischen Interventionen Proble-me und Dimensionen aufzeigt undVeränderungs- und Gestaltungsmög-lichkeiten auslotet. Ein solches Groß-projekt kümmert sich etwa umschrumpfende Städte, zunächst ein

Thema primär für Ost-Deutschland,inzwischen auch ein Problem vielerwestlicher Städte. Ein nächsterSchwerpunkt will das Thema Wandelder Arbeitsgesellschaft und die Rolleder Kultur aufgreifen. All dies ist be-grüßenswert und wird vom Beirat be-ratend begleitet und im Grundsatz un-terstützt. Ein Problem, das mir amHerzen liegt, ist die Frage der kultur-politischen Auswertung, was nichtdasselbe ist wie die Sicherung deskünstlerisch-innovativen Ertrages.Das Interesse der Stiftungsleitung aneiner solchen Fragestellung ist ge-weckt und es könnte sein, dass auchin dieser Hinsicht die Stiftung und ihreProjekte zu einem Labor für eine in-novative Kulturpolitik werden könn-ten.

Max Fuchs, Vorsitzender desDeutschen Kulturrates

Arbeitskreis gesellschaft-licher Gruppen im Hausder GeschichteIm Jahre 2004 habe ich Olaf Schwen-ke als Vertreter des Deutschen Kul-turrats in dem in der Überschrift ge-nannten Arbeitskreis abgelöst. DieserArbeitskreis ist repräsentativ querdurch unterschiedliche gesellschaft-liche Felder besetzt und hat eine be-ratende Aufgabe. Neben Informatio-nen über die Kerntätigkeit dieserwichtigen Institution werden alleWechselausstellungen vorgestellt(und dies von den verantwortlichenWissenschaftlerInnen), qualifiziertdiskutiert und – was für beratende Ar-beitskreisvertreter wichtig ist – ernstgenommen und in die Tätigkeit ein-bezogen. Geschichte, so wird auch indiesem Arbeitskreis deutlich, ist nicht

nur ein buchhalterisches Archivie-ren von Geschehnissen, sondern einInstrument zur Schaffung von Iden-tität, aber auch ein Machtinstru-ment. Denn wer „Lufthoheit“ überdie Geschichte hat, hat durchausauch Einfluss auf die Herzen undKöpfe der Menschen bei der Gestal-tung von Gegenwart und Zukunft.George Orwell hat daher in seinemRoman 1984 zu Recht ein gesamtes„Ministerium der Wahrheit“ damitbeschäftigt, die Geschichte jeweilsnach aktuellen politischen Erforder-nissen umschreiben zu lassen. Esgibt quasi kein Thema, bei dem die-ser Machtaspekt nicht auch eineRolle spielt. So zeigt sich dies etwabei der Elvis-Ausstellung und der

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Frage, ob Rock’n Roll auch insofernzur Demokratisierung der Gesell-schaft beigetragen hat, weil erstmalseine kulturelle Ausdrucksform vonProletarierjugendlichen die Hege-monie gewann – und ob dies The-ma der Ausstellung wird oder ehernicht. Besonders einsichtig ist diepolitische Dimension am ThemaVertreibung, wo man durchaus dasGefühl haben kann, dass die betei-ligten Vetriebenenverbände einStück weit die Geschichte neu statt-finden lassen möchten.

All diese durchaus kontroversenDebatten werden jedoch offen, dis-zipliniert und „kultiviert“ geführt,wobei bei besonders hartem Konf-likt die Museumsleitung sichdurchaus zu ihrer letztlichen Verant-wortung bekennt.

Max Fuchs, Vorsitzender desDeutschen Kulturrates

Fachausschuss Kulturder Deutschen Unesco-KommissionDer Deutsche Kulturrat ist (noch)kein Mitglied der DeutschenUnesco-Kommission (DUK) (wassicherlich bald geändert werden soll-te). Allerdings ist eine enge Verbin-dung insofern institutionalisiert, alsdie DUK Mitglied im Rat für Sozio-kultur und Kulturelle Bildung ist. Ichbin als persönlich berufenes Mitgliedsowohl tätig im Fachausschuss Kul-tur als auch in der DUK selbst, wo-bei man bei der Wahl in die DUKsicherlich den Verbandshintergrundberücksichtigt hat zusammen mitder Tatsache, dass ich seit Jahren engmit der DUK zusammenarbeite. DerFachausschuss Kultur berät alle re-levanten Themen der Unesco. In denletzten Jahren hatte die Sicherungdes Kulturerbes (materiell und im-materiell) eine gewisse Priorität, wassich auch mit einem großen Gewichtvon Museumsfachleuten im Kultur-ausschuss korrelierte. In jüngsterZeit hat sich diese Akzentsetzung et-was verändert, natürlich ohne dieBedeutung des Weltkulturerbes zuschmälern: Die Diskussion der Kon-vention zur Kulturellen Vielfalt rück-te in den Mittelpunkt des Interesses.Auf Vorschlag des Deutschen Kultur-rates hat sich unter der engagiertenund kompetenten Federführung derDUK eine „Bundesweite Koalition“gegründet, die die Genese der Kon-vention begleitet, die Regierung be-rät und die dafür sorgen will, dass dieKonvention in der kulturpolitischenSzene bekannt wird. Letzteres istnicht ganz einfach, da die Konventi-on nur vor dem Hintergrund derWelthandelsorganisation (WTO)und dem DienstleistungsabkommenGATS zu verstehen ist, es also nichtbloß um einen humanistischen Dis-kurs um das Gute, Wahre und Schö-ne geht, sondern um internationalesHandelsrecht und die Dominanz desÖkonomischen. Für die Unesco istdiese Annäherung an den „hardco-re“-Bereich von (Kultur-)Politikdurchaus eine Trendwende. Diebundesweite Koalition hat mit gro-ßem Erfolg bislang drei Treffendurchgeführt – zuletzt auf Einladungder BKM, Frau Staatsministerin Dr.Weiss, im Kanzleramt. Ein großerVorteil ist es, mit Prof. von Schorle-mer eine Expertin zur Verfügung zuhaben, die zu dem kleinen Kreis de-rer gehört, die der Unesco-General-direktor mit der Ausarbeitung einesersten Entwurfs einer Konventionbeauftragt hat. Zur Zeit gehen die Be-ratungen in die heiße Phase. Dennnach dem überaus optimistischenZeitplan soll ein abstimmungsreifer(also ein im voraus bereits inhaltlichabgestimmter) Entwurf vor der Som-merpause vorliegen.

Der Deutsche Kulturrat unter-stützt nachdrücklich eine starke

Konvention, da die Ökonomisierungder Kunst und Kultur durch GATS,aber auch durch die EU die größteGefahr für jede ernsthafte Kulturpo-litik darstellt.

Max Fuchs, Vorsitzender des Deut-schen Kulturrates

Kuratorium der Kultur-stiftung der Länder 2004

Ende des Jahres 2003 waren dieVerhandlungen zur Zusammenfüh-rung der Kulturstiftung der Länder(KSL) und der Kulturstiftung des Bun-des (KSB) gescheitert.

Der Bund kündigte noch im De-zember zum Jahresende 2005 das Mit-wirkungsabkommen mit der KSL undkonzentriert sich von nun an auf sei-ne Stiftung. Damit kommt es zu einemgroßen Ungleichgewicht. Währendder Bund nun fast alles für „Gegen-wart“ tun kann, bleiben nach demWegfall der Bundesmittel für die Län-der immer weniger für die „Tradition“.

Über zwei Jahre hatten Bund undLänder, unterstützt von den Stiftun-gen, über die Systematisierung derZuständigkeiten im Kulturbereichund über eine gemeinsame Kultur-stiftung verhandelt. Im Sommer 2003bestand bereits eine Einigung auf derGrundlage eines BKM Papiers unmit-telbar bevor, scheiterte aber auf derMinisterpräsidentenkonferenz imJuli 2003 an der Stimme Bayerns, d.h.Edmund Stoibers. Eine Kompromiss-vorlage der Chefs der Staatskanzlei-en, der sich auf die Länder zu beweg-te, sah vor, dass Bundesförderungenzu unterbleiben hätten, wenn sechsLänder widersprächen. Bayern lehn-te im Dezember wieder ab und be-stand auf einer Lösung, in der derBund bei der Vergabe seiner Mittelnicht hätte mitreden können.

Die Konsequenz des Rückzugsdes Bundes aus der KSL war, dass die„Arbeitsgruppe Ausstellungen“ desKuratoriums sich letztmalig im Mai2004 zusammenfand, da die MittelAusstellungsförderung nur noch bisEnde 2005 vom Bund kamen. Die ge-währten Zuschüsse bewegten sich imRahmen von € 10.000 bis maximal €400.000. Dies war oft nur ein Bruch-teil der Gesamtkosten. Aber mit die-sem Engagement der KSL konntenweitere Förderer mit gemeinsamenKräften gefunden werden. Ein Eigen-tor der Länder? Nun ist vorgesehen,dass die Ausstellungsförderung durchdie KSB erfolgt; dazu war aber nocheine Satzungsänderung nötig.

Die damals geförderten Ausstel-lungen laufen z.Zt. bereits wie u.a.„Die Gebrüder Grimm in Berlin“,„Cranach – Aus der GemäldegalerieAlte Meister Staatliche Kunstsamm-lung Dresden“ Chemnitz, „CarstenNicolai“ Schirn Frankfurt, „Ägypten –Griechenland – Rom“ Städel Frank-furt, „Monet und Camille – Frauen-portraits im Impressionismus“ Bre-men, „Krone und Schleier – Kunst ausmittelalterlichen Frauenklöstern“Bonn – Essen, „Canossa – Erschütte-rung der Welt. Kunst und Kultur derSalierzeit“ Paderborn.

Auf der 29. Sitzung des gesamtenKuratoriums am 7. Mai 04 , der letz-ten, die Frau von Welck leitete, drück-te das Kuratorium seine Hoffnungaus, dass die Zusammenführung derbeiden Stiftungen von den Ländernermöglicht würde. Ort der Handlungwar auf Einladung der Bertelsmann-stiftung die fabelhaft renovierte Kom-mandantur Unter den Linden in Ber-lin. Herr Dr. Breuer wird zum Kurato-riumsvorsitzenden wiedergewählt.Über die vorgeschlagene Empfeh-lungsliste der Förderungen gab eskeine Meinungsverschiedenheiten:1. Rebecca Horn, Nachtschatten 2003,

Lindenbrauerei Unna (NW)2. Yves Klein, Monochrome bleu, Slg.

Cremer, Landesmuseum Münster(NW)

3. Caspar Neher, Entwürfe des Büh-nenbildners, TheatermuseumMünchen (BY)

4. Gemälde und Zeichnungen vonHeinrich Vogeler (NI)

5. Theolog. Literaturslg. Ysenburg-Büdingen, Landesmuseum Olden-burg (NI)

6. Skulptur M. Abakanowicz „ Hand-like Tree, für Schloss Gottorf (SH)

7. Max Liebermann, Selbstbildnis1929, Staatliche KunstsammlungenDresden (SN)

8. Photos Nachlaß Eduard Gaertner,für Stadtmuseum Berlin, (BE)

Alles in allem nur knapp € 900.000.Wieder Unter den Linden gab sich

im Oktober die Deutsche Bank dieEhre. Frau von Welck, nun Kulturse-natorin in Hamburg, war als Stif-tungsratsmitglied Gast im Kuratori-um anwesend. Mitgeteilt wird, dassHerr Prof. Fischer – ein „Urgestein“der KSL – zum Oktober auch die KSLverläßt und die Siemens Stiftung inMünchen übernimmt. Herr Däberitz– stellvertretender Generalsekretär -jedenfalls will trotz anstehender Pen-sionierung bis Ende 2004 bleiben. Fürdie KSL ist es ein schwerer Schlag,dass die Spitze mit ihrem Fachwissenund Beziehungen mehr oder wenigergleichzeitig das Boot verläßt.

Als erster Punkt geht es um Feu-erschäden der Herzogin Anna Ama-lia Bibliothek und deren Bitte um ei-nen Matching Fund bei der Wieder-beschaffung von Büchern und einenZuschuss zusätzlich zu Spenden Drit-ter (TH). Ferner befürwortete mandie Bezuschußung einen Teilnachlassvon Hugo von Hofmannsthal, Frank-furt (HE), den Ankauf der Glasgemäl-desammlung des Freiherrn von Stein,Westfälisches Landesmuseum Müns-ter (NW ), des Archivs von WalterKempowski für die Akademie derKünste (BE), den Zuschuss für eineWerkgruppe Carl Lohse für das Stadt-museum in Bautzen einstimmig. Aufden einhelligen Widerstand stieß dieUnterstützungsbitte für ein „kulturel-les Filmprojekt GG 19 – Episodenfilmzum Grundgesetz“, das sich zur Auf-gabe machen wollte, die demokrati-schen Grundwerte der BRD in Episo-den filmisch umzusetzen. Eine derheftigsten Debatten meiner Zeit alsKuratoriumsmitglied brach ich losüber ein von Henry Nannen u.a. ge-stiftetes Gemälde der niederländi-schen Flotte, das eine Institution ei-ner ostfriesischen Stadt an eine an-dere Institution der selben Stadt für €1.4 Millionen verkaufen wollte, um ei-nen gleichhohen Fehlbetrag beimBau eines Museums zu finanzieren.Das Wertgutachten eines großen Auk-tionshauses hatte die gleiche Quali-tät, wie das Zeugnis, dass man für ei-nen gekündigten Mitarbeiter ausstel-len muss. Diese Umwegfinanzierunghielten die Förderer und Verbands-vertreter für satzungswidrig, die Mu-seumsleute in wortgewaltiger Solida-rität für zulässig. Ob der Stiftungsratder Ablehnung durch das Kuratoriumfolgte, weiß ich nicht.

Aus dem Kuratorium schieden imApril 04 Prof. Dr. Meyer, Verbandsver-treter Deutscher Städtetag, Dezember04 Andreas Schmid, Bildende Kunstund Bogislav von Wentzel, DeutscherKulturrat aus. Früher ausgeschiedenwaren der Deutsche Musikrat undFernseh / Hörfunk. Im April 2005 folgtder letzte Verbandsvertreter, YaakKarsunke. Auf Grund einer klamm-heimlichen Satzungsänderung desStiftungsrats im Jahre 2000 fällt dieGruppe der Verbandsvertreter ausdem Kuratorium nun heraus. Die Sit-ze der Förderer und Sachverständigenwurden, um wieder auf die Zahl 30 zukommen, auf je 15 erhöht.

Bogislav von Wentzel, bis Dezember2004 Vertreter des Deutschen

Kulturrates im Kuratorium derKulturstiftung der Länder

Rundfunkrat derDeutschen Welle

Der Berichtszeitraum des Jahres2004/5 stellt einen besonderen Ent-wicklungszeitraum für die Deutsche

Welle dar. Im Berichtszeitraum biszum März 2005 fanden insgesamtvier Sitzungen des Rundfunkratesstatt, auf denen neben dem quasiroutinemäßigen Aufgaben die sichauf die Programmbeobachtung, -ent-wicklung und -diskussion für denOnline-Bereich, den Hörfunk und dasFernsehen beziehen die Diskussio-nen um die Novellierung des Deut-schen Welle Gesetzes auf der Tages-ordnung.

Im Hause der Staatsministerin fürKultur war ein Gesetzentwurf erarbei-tet und am 24. März vom Kabinettbeschlossen worden. WesentlicheNeuerungen waren:1. Die Ergänzung der Aufgabenpla-

nung neben Hörfunk und Fernse-hen um Telemedien (Telediensteund Mediendienste). Damit ist derOnline-Auftritt DW-World quasidie dritte Säule.

2. die Neuformulierung des Pro-grammauftrages, der nicht nur„deutsche Auffassungen“ sondernauch „andere Sichtweisen“ aus an-deren Kontinenten beinhalten soll

3. die Aufgabenplanung und ein öf-fentliches Beteiligungsverfahreneinschließlich Bewertung

4. die Finanzierung in ausreichen-dem Umfang mit Garantie für ei-nen mittelfristigen Zahlungszeit-raum

Insbesondere zu diesen Fragenhatte der Deutsche Kulturrat auch inseiner Stellungnahme zum Deut-schen Welle-Gesetz vom 24. Juni 2004Stellung bezogen. Der Bundestag hatnach Beratung in den Ausschüssenam 28. Oktober das neue Gesetz ver-abschiedet und es ist am 1. Januar2005 in Kraft getreten.

Den Forderungen bzw. Neuerun-gen wurde im Wesentlichen entspro-chen. Als nicht abschließend zufrie-denstellend muss die Finanzierungs-frage gesehen werden. Sie ist verbun-den mit einer nicht ausreichend ab-gesicherten mittelfristigen Finanz-planung und auch der unzureichen-den Höhe der Mittel. Inwieweit dau-erhaft Programme z. B. für den ara-bischen Raum in ausreichendemUmfang finanziert werden könnenbleibt fraglich. Zur Zeit läuft die Fi-nanzierung über Sondermittel desAuswärtigen Amtes. Der Start in An-wesenheit von Bundeskanzler Schrö-der im Februar in Kuwait warjedenfalls ein gelungener Auftakt.Über den ägyptischen Satelliten Ni-lesat erreicht die DW mehr als 9 Mil-lionen Haushalte in 25 Ländern.Entsprechend dem neuen Gesetz hatder Rundfunkrat in seiner Sitzung am10./11. März die Aufgabenplanungder Deutschen Welle für die Jahre2006 bis 2009 diskutiert und für dieÖffentliche Diskussion verabschie-det. Der Deutsche Kulturrat wird sichin der nächsten Sitzung seines Fach-ausschusses Medien mit dieser Auf-gabenplanung befassen und eineStellungnahme dazu abgeben.

Weitere wesentliche Diskussions-punkte im Berichtszeitraum warenGerman-TV, die Berichterstattungüber die Tsunami-Katastrophe sowiedie außerordentlich positive Entwick-lung der dritten Säule der DeutschenWelle DW-World.

German TV hat im Berichtszeit-raum die Schwelle von 15.000 Kun-den überschritten und durch Veran-kerung in amerikanischen und kana-dischen Kabelnetzen seine Abon-nentenzahl verdoppelt. Trotz vielfäl-tiger Anstrengungen ist aber nochimmer nicht gelungen den Brake-Even-Point zu erreichen. Ein weite-res Handycap ist dadurch eingetre-ten, dass der Direktor von German-TV, Herr Krüger, aus den Dienstender Deutschen Welle ausgeschiedenist, weil er eine Position im Branden-burger Ministerium übernommenhat. Ob es gelingt, sozusagen vor Er-reichen der Ziellinie noch einmalausreichende finanzielle Mittel fürGerman-TV bereitzustellen, um sichendgültig auf dem amerikanischen

Markt zu etablieren, kann zum au-genblicklichen Zeitpunkt nicht ab-geschätzt werden.

Bei der Berichterstattung überdie Tsunami-Katastrophe hat dieDeutsche Welle dank ihrer Präsenzvor Ort eine herausragende Positi-on in der Berichterstattung inne ge-habt. Parallel dazu sind mit Unter-stützung der Deutschen Welle Wie-deraufbaumaßnahmen angelaufen.Insbesondere wird der Wiederauf-bau von Radiosendern in der Pro-vinz Aceh auf der indonesischen In-sel Sumatra unterstützt.

Äußerst positiv stellt sich dage-gen die Entwicklung der drittenSäule der Deutschen Welle DW-World dar. Mit Verabschiedung desneuen Gesetzes ist im Vergleich zuden Öffentlichen Rechtlichen Rund-funkanstalten der Bundesrepublikbei der Deutschen Welle das Onli-nemedium rechtlich anerkannt.Dies kann entsprechen der Aufga-benstellung und dem Verbreitungs-gebiet der Deutschen Welle auf-grund der medientechnischen Ent-wicklung auch gar nicht anders sein.Ein erfreulicher Durchbruch ist aufdem chinesischen Markt über dasAktionsfeld Sport, konkret Fußball.erzielt worden. Verstärkt laufenauch in Abstimmung mit DW-TVAktivitäten für den arabisch spre-chenden Raum.

Nicht unerwähnt bleiben soll,dass es gelungen ist, im Zusammen-hang mit der Berlinale die DeutscheWelle sowohl in der bundesrepub-likanischen Öffentlichkeit, als auchim Sektor Film für das internationa-le Ansehen deutlich zu steigern. Ne-ben der Berichterstattung über dieBerlinale wurde die Zusammenar-beit dort mit den Partnern „Ger-man Films“ und dem „Talentcam-pus“ vertieft. Auch dies hat sich wiedie Übertragung des „BerlinTodayAward“ im der Berichterstattungder Deutschen Welle niederge-schlagen.

Über seine Arbeit im Rundfunk-rat der Deutschen Welle sowie überden Fernseh- und Online-Aus-schuss in denen er vertreten ist,wurde regelmäßig im Vorstand undSprecherrat des Deutschen Kultur-rates berichtet.

Heinrich Bleicher-Nagelsmann,Mitglied für den Deutschen

Kulturrat im Rundfunkrat derDeutschen Welle

Programmausschussvon RTL

Der Programmausschuss von RTLbefasste sich u.a. mit der Frage, wieder Anteil kultureller Sendeinhaltegesteigert und im Programm plat-ziert werden könne. Die Geschäfts-führung hat nach einem ausführli-chen und spannenden Diskussi-onsprozess die Ausweitung kultu-reller Programmanteile befürwor-tet. Die Gestaltung solcher kulturel-ler Programmanteile – u.a. mehrKultur in den Nachrichten – wirdsicherlich im Spannungsfeld vonQuote und inhaltlichem Tiefgangstehen, wobei die Verbindung vonBeidem nicht aus dem Blick verlorenwerden darf. Die mehrfachen Perso-nalwechsel innerhalb der Führungs-ebene von RTL innerhalb relativ kur-zer Zeit und die damit verbundenenStrukturanpassungen haben diesenwichtigen Themenpunkt noch nichtabschließen lassen können.

Aus Sicht der Ausschussmitglie-der wäre dieses verstärkte Engage-ment von RTL gerade im Bereichkultureller Jugendarbeit eine wich-tige Botschaft von RTL an die Öf-fentlichkeit, sich für die Zukunftsfä-higkeit unserer Gesellschaft zu en-gagieren. Ein schöner Nebeneffektwäre zudem ein weiterer Imagege-winn für diesen Privatsender.

Christian Höppner ist für denDeutschen Kulturrat Mitglied im

Programmausschuss von RTL

Fortsetzung von Seite 13

Page 15: Kulturland Deutschland

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Warum die Riester-Rente an Attraktivität gewinnt������������������������������������������ ��!�����"����

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W er aber etwas für sein Alter tunwill, der braucht neben der

gesetzlichen Rente eine zusätzlicheprivate Altersvorsorge. Für die überdie Künstlersozialkasse in der ge-setzlichen Rentenversicherung ver-sicherten Künstler ist die „Riester-Rente“ die erste Wahl. Sie sind Ries-ter-Berechtigte. Und für freiberufli-che Künstlerinnen und Künstler mitihren schwankenden und häufigniedrigen Einkommen lohnt sich die„Riester-Rente“ ganz besonders. Diestaatliche Zulage ist hier oft höher alsder Eigenbeitrag – das Geld liegtgewissermaßen auf der Straße.

Zum 1.1.2002 wurde die staatlichgeförderte zusätzliche kapitalge-deckten Altersvorsorge eingeführt –dies ist die so genannte „Riester-Rente“. Die Förderung besteht auseiner Kombination von Zulagenför-derung und Steuerfreistellung in derAnsparphase, verbunden mit dervollen Besteuerung des Altersein-kommens in der Auszahlungsphase.Der nachfolgende Beitrag stellt dieGrundzüge kurz dar und zeigt, dassdie Riester-Rente gerade auch fürKünstler ein interessantes unddurchaus lukratives Altersvorsorge-instrument ist.

Der Abschluss eines Riester-Ren-ten-Vertrages ist auch nicht schwierig.Erfahrungsgemäß haben aber geradeauch die Künstlerinnen und Künstlerdamit gewisse Schwierigkeiten.

Um ihnen diese Scheu zu neh-men, haben im Dezember 2004 Bun-desministerin Ulla Schmidt und derVorsitzende des Deutschen Kulturra-tes, Prof. Dr. Max Fuchs, zu einemWorkshop zur Alterssicherung vonKünstlern und Publizisten eingela-den, an dem alle wichtigen Künstler-verbände, aber auch die Anbietervon Riester-Produkten teilgenom-men haben. Gemeinsam haben sie

an die Verbände appelliert, ihre Mit-glieder über die Vorteile der Riester-Rente zu informieren und mit denAnbietern der Produkte Rahmenver-träge für ihre Mitglieder zu schließenund Informationskampagnen mitHilfe der Anbieter und des Bundes-ministeriums für Gesundheit undSoziale Sicherung durchzuführen.

Die Verbände werden in diesenTagen das Bundesministerium fürGesundheit und soziale Sicherungüber ihre dabei bisher gemachtenErfahrungen unterrichten und Anre-gungen für die künftige Arbeit ma-chen. Im Sommer werden die Ver-bände noch einmal in das Bundes-ministeriums eingeladen, um überneue Aktionen zu sprechen. Wir dür-fen die Künstlerinnen und Künstlerin der wichtigen Frage der Zukunfts-sicherung nicht alleine lassen!

Nachfolgend werden nocheinmal die Vorzüge der Riester-Ren-te knapp dargestellt:

Förderberechtigung

Die Förderung können grundsätz-lich alle Personen beanspruchen, die· in einer gesetzlichen Rentenversi-

cherung pflichtversichert sind und· in der Bundesrepublik Deutsch-

land unbeschränkt einkommen-steuerpflichtig sind.

Unbeschränkt einkommensteu-erpflichtig sind insbesondere allediejenigen, die ihren Wohnsitz inDeutschland haben und pflichtver-sichert in der gesetzlichen Renten-versicherung sind. Hierunter fallenauch selbständig tätige Künstler undPublizisten, die nach dem Künstler-sozialversicherungsgesetz versiche-rungspflichtig sind. Besonderheitengelten für Ehegatten.

Wichtig insbesondere bei Aus-landsaufenthalten: Diese beiden Vor-aussetzungen müssen nicht das ge-samte Kalenderjahr vorliegen; viel-mehr reicht ein Teil des Jahres aus.

Produkte

Voraussetzung für den Erhalt derFörderung ist weiter, dass Sie einenvon der Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungsaufsicht (BaFin) zerti-fizierten Altersvorsorgevertrag (Ries-ter-Vertrag) abschließen. Wesentli-ches Kriterium eines Riester-Vertragsist die lebenslange Auszahlung einerRente. Allerdings ist eine Einmalaus-zahlung in Höhe von bis zu 30 % zuRentenbeginn möglich. Das geför-derte Riester-Vermögen ist vor Pfän-dung und Anrechnung geschützt(z.B. beim Arbeitslosengeld II). Au-ßerdem garantieren die Anbieter vonRiester-Verträgen, dass zu Renten-

beginn mindestens das eingezahlteKapital (einschließlich der Zulagen)zur Verfügung steht. Nominale Ver-luste sind somit ausgeschlossen.Man kann Riester-Verträge grund-sätzlich in drei Produktkategorienaufteilen.

Banksparplan:Bei einem Banksparplan wird einGuthaben mit festgelegter Verzin-sung angespart. Dabei kann derZinssatz von der Laufzeit oder demSparbetrag abhängig sein oder sichnach einem Referenzwert wie z.B.der Umlaufrendite festverzinslicherAnleihen richten. Es besteht nur einsehr geringes Risiko. Allerdingswachsen die Erträge auch nur lang-sam. Zusätzliche Kosten entstehenin der Regel nicht. Banksparpläneeignen sich besonders für ältere An-leger, deren Ansparzeitraum kürzerist, und für Menschen mit hohemSicherheitsbedürfnis.

Private Rentenversicherung:Die private Rentenversicherung ver-bindet Kapitalanlage und Versiche-rung. Die Beiträge werden dabei inder Regel mit einer garantiertenMindestverzinsung (2,75 % für Ver-trags-Abschlüsse ab dem 01.01. 2004)angelegt. Hinzu können Überschuss-beteiligungen kommen, die jedochnicht garantiert sind. Private Renten-versicherungen haben im allgemei-nen ein eher geringes Risiko undmittlere Ertragschancen. Die Ab-schlusskosten werden auf die ers-ten zehn Jahre der Laufzeit verteilt.Private Rentenversicherungen eig-nen sich besonders für jüngere si-cherheitsbewusste Anleger.

Fondssparplan:Bei einem Fondssparplan erfolgt dieAnlage des Kapitals in Investment-fonds, z. B. Aktien-, Renten- oder ge-mischten Fonds. Sie unterscheidensich in den Ertragschancen – und imRisiko für den Anleger. Bei Aktien-fonds steht der Chance auf eine hoheAnlagerendite bei günstiger Entwick-lung der Kapitalmärkte das Verlustri-siko durch fallende Kurse gegenüber.Eine Mindestrendite ist nicht garan-tiert, lediglich der Kapitalerhalt mussbei geförderten Produkten zugesagtwerden. Die Chance auf eine hoheRendite hängt genau wie das Verlust-risiko von der Mischung des Fondsab, ist jedoch höher als bei Bankspar-plänen und privaten Rentenversiche-rungen. Kosten entstehen durch Aus-gabeaufschläge beim Kauf und durchVerwaltungs-/Depotgebühren. Fondsmit hohem Aktienanteil sind eher fürjüngere risikofreudige Anleger geeig-net, weil hier ausreichend Zeit ist,vorübergehende Kursverluste wiederauszugleichen.Es gibt allerdings auch Mischproduk-te:Bei Banksparplänen können dieZinsen in Fonds angelegt werden,um die Erträge zu steigern. Beifondsgebundenen Rentenversiche-rungen wird das Kapital zum Teil inInvestmentfonds angelegt. Bis zumBeginn der Rentenzahlung ist diefondsgebundene Rentenversiche-rung unmittelbar an der Wertent-wicklung dieser Fonds beteiligt.Weil die Wertentwicklung der Fondsnicht vorhersehbar ist, kann wiebeim Fondssparplan nur der Kapi-talerhalt zugesichert werden. Beipositiver Wertentwicklung kann je-doch eine wesentlich höhere mo-natliche Rente als bei der herkömm-lichen privaten Rentenversicherungerzielt werden.

Förderung

Die Altersvorsorgezulage (Riester-Zulage) setzt sich zusammen ausder Grundzulage und der Kinderzu-

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lage, die für jedes kindergeldbe-rechtigte Kind gezahlt wird. DieHöhe der Zulagen steigt bis zumJahr 2008 alle zwei Jahre an. Die je-weiligen Beträge sind aus der un-tenstehenden Tabelle ersichtlich.

Darüber hinaus kann es sinnvollsein, den gesamten Altersvorsorge-aufwand im Rahmen der Einkom-mensteuerveranlagung als Sonder-ausgabenabzug geltend zu machen.Ist die Steuerersparnis durch denSonderausgabenabzug höher als dieZulage, wird die Differenz erstattet.Das Finanzamt führt diese Günsti-gerprüfung von Amts wegen durch.Die gezahlte Zulage verbleibt auf dem

Anlagekonto. Der Sonderausgaben-abzug ist auf einen Höchstbetrag vonzur Zeit 1.050 Euro begrenzt. Er steigtbis zum Jahr 2008 auf 2.100 Euro.

Verfahren

Die Riesterzulagen müssen überden Anbieter bei der Zentralen Zu-lagenstelle für Altersvermögen (ZfA)beantragt werden. Sie können aberhierzu Ihren Anbieter bevollmäch-tigen. Die schriftliche Bevollmäch-tigung kann bereits bei Vertragsab-

Weiter auf Seite 16

Page 16: Kulturland Deutschland

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Private Altersvorsorge ist unverzichtbarH+��%������2���!������)!������������������� �������������� ��E��+����E���%�

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Vorteile der Riester-Rente

Der Staat fördert die Eigenvorsor-ge bei der Riester-Rente mit

Zulagen und möglichen Steuerer-sparnissen. Erst in der Leistungspha-se unterliegt die Rente der vollenSteuer / also gibt es eine Steuerstun-dung. Die Förderung beträgt regel-mäßig zwischen 35 und 55 % desBeitrages, je nach Familienstand undEinkommen. In manchen Fällen sindsogar über 90 % möglich. Dabei pro-fitieren Personen mit einem gerin-gen Einkommen von der staatlichenFörderung in besonderem Maße.

Es wird ein Gesamtbeitrag in Ab-hängigkeit des Vorjahreseinkom-mens zu Grunde gelegt. Im Jahr 2005beträgt dieser 2 % des Vorjahresein-kommens (3 % ab 2006 und 4 % ab2008). Von diesem Gesamtbeitragsind die staatlich gewährten Zulagenin Abzug zu bringen und ergibt soden Eigenbeitrag. Jeder Förderbe-rechtigte erhält eine Grundzulagevon derzeit 76 Euro. Diese steigt imJahr 2006 auf 114 Euro und ab 2008wird sogar eine Grundzulage von 154Euro gewährt. Je kindergeldberech-tigtem Kind wird diese um weitere 92Euro erhöht. Auch die Kinderzulagesteigt in den Jahren 2006 auf 138Euro und ab dem Jahr 2008 auf 185Euro.

Bei der Riester-Rente kann zwi-schen zwei Produktarten gewähltwerden. Klassische Rentenversiche-rungen, welche aufgrund von klas-sischen Mischanlagen des Lebens-versicherers eine besonders siche-re Altersvorsorge darstellen, sowieRentenversicherungen auf der Basis

von Investmentfonds, mit denenman, je nach Wahl des Fonds, inunterschiedlicher Art an den Chan-cen der Kapitalmärkte profitierenkann, um ein Extra an Rendite zuerzielen. Dabei kann aus einer Viel-zahl von unterschiedlichen Fondsgewählt werden und somit dieChancen der Kapitalmärkte nachder persönlichen Situation undnach dem Vorsorgeziel ausgerichtetwerden. Bei beiden Produkten stehteinem Kunden zu Rentenbeginnmindestens die Summe seiner Bei-träge und die staatlichen Zulagen zurVerfügung.

Seit 2005 hat die Riester-Rentedeutlich an Attraktivität gewonnen,unter anderem durch ein vereinfach-tes Zulagenverfahren in Form einesDauerzulagenantrages. Somit isteinmalig ein Antrag beim Versiche-rungsanbieter zu stellen. Dieser gilt,solange sich die Lebensverhältnissenicht ändern. Die Möglichkeit, sichzum Rentenbeginn einen Teil des zurVerfügung stehenden Kapitals alseinmaligen Betrag auszahlen zu las-sen, wurde von 20 % auf 30 % ange-hoben. Ein weiterer Vorteil ist, dassdie Riester-Rente bei Bezug von Ar-beitslosen- und Sozialhilfe bzw. vonArbeitslosengeld II nicht angerech-net wird.

Aktuelle und umfassende Infor-mationen sind zum Beispiel im In-ternet auf den Homepages der Ver-sicherungsunternehmen (zum Bei-spiel www.allianz.de) oder beimBundesministerium für Gesundheitund Soziale Sicherung (unter www.bmgs. bund.de) zu finden.

Ergänzende Vorsorge-möglichkeiten

Die Riester-Rente dient ausschließ-lich der Vorsorge für das Alter. Darü-ber hinaus sind weitere Absicherun-gen für den Fall der Berufsunfähig-keit, der Pflegebedürftigkeit unddes Todes wichtige Bausteine zur

privaten Vorsorge. Ein Bausteinkon-zept, wie es die Allianz anbietet,lässt eine flexible Absicherung zuund ermöglicht eine auf die jeweili-ge Lebenssituation maßgeschnei-derte Vorsorge und lässt sich bei Än-derungen des Versorgungsbedarfeseinfach ergänzen. Auch bei der pri-vaten Altersvorsorge kann, je nachSituation und Risikoneigung, zwi-schen klassischen und fondsgebun-denen Produkten gewählt werden.

Sofern man bereits unmittelbarvor dem Bezug der gesetzlichen Al-tersrente steht, kann zudem über ei-nen einmaligen Beitrag eine sofort-beginnende Rentenversicherung ab-geschlossen werden. Damit erhältman Planungssicherheit durch einelebenslang garantierte Rente plus ei-ner Rente aus Überschüssen.

Die Änderungen des Altersein-künftegesetzes entlasten Rentenleis-tungen aus der privaten Vorsorge seitdem 01.01.2005, indem der zu versteu-ernde Anteil der Rentenleistung deut-lich gesenkt wurde. Der Anteil der Be-steuerung richtet sich nach dem Alterdes Rentenempfängers bei Rentenein-tritt. Somit sinkt für einen 65-jährigenRentenempfänger der zu versteuern-de Anteil seiner Rente von 27 % im Jahr2004 auf 18 % im Jahr 2005.

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Fortsetzung von Seite 15verhältnisse ändern (z.B. Geburt ei-nes Kindes, Heirat, Scheidung). Derzusätzliche Sonderausgabenabzugwird durch Abgabe der Anlage AV mitder Einkommensteuererklärung be-antragt.

Eigenbeitrag

Um die volle Förderung zu erhal-ten ist ein bestimmter Eigenbeitragerforderlich. Wie hoch dieser Eigen-

beitrag ist, ergibt sich aus Tabelle 1(siehe Seite 15).

Die Beispiele (Tab. 2 und 3 aufSeite 15) zeigen: Es lohnt sich! Nut-zen Sie also die Fördermöglichkei-ten, die Ihnen der Staat bietet. Al-tersvorsorge tut Not, wenn Sie IhrenLebensstandard im Alter haltenmöchten.

Wer mehr wissen möchte, derkann sich unter www.bmgs.bund.deunter „Themenschwerpunkte“ - Un-

terpunkt „Rente“ – Unterpunkt „Zu-sätzliche Altersvorsorge (Riester-Rente)“ informieren. Außerdem kön-nen Sie die Informationsbroschüre„Zusätzliche Altersvorsorge“ (Be-stell-Nr.: A 817) beim Bundesminis-terium für Gesundheit und SozialeSicherung unter der Telefon-Nr.0180/5151510 bestellen.

In der Zeitschrift „FINANZtest“(Hefte 11 und 12/2004) der StiftungWarentest werden zahlreiche Ries-

ter-Angebote miteinander vergli-chen und Empfehlungen abgege-ben. Empfehlenswert ist auch eineunabhängige Beratung durch dieVerbraucherzentralen.

Der Verfasser ist Leiter des Referats413 - Sozialversicherung, Künstlerso-

zialversicherung, Europäische undInternationale Angelegenheiten

beim Bundesministerium fürGesundheit und Soziale Sicherung

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schluss oder im Rahmen des Zula-genantrags erteilt werden und giltbis auf Widerruf (Dauerzulagenan-trag). Der Riester-Sparer muss künf-tig somit nur dann aktiv werden,wenn sich die persönlichen Lebens-

Rahmenvertrag undBranchenlösung

Zwischen den Verbänden der Künst-ler und Publizisten und den Versi-cherungsunternehmen können Rah-menverträge eingerichtet werden.Dadurch lassen sich weitere Vorteilebeim Abschluss einer Riester-Renteals auch bei den Produkten zur pri-vaten Vorsorge erreichen.

Sofern die Umsetzung über eineBranchenlösung erfolgt, also ver-bandsübergreifend durch eineDachorganisation, wird ein aufKünstler und Publizisten optimiertesVersorgungsmodell angeboten. DerBeitritt wäre denkbar einfach: Esmuss bei Abschluss eines Produkteszur Alters-, Hinterbliebenen- oderBerufsunfähigkeitsvorsorge lediglicheine Verbandszugehörigkeit nach-gewiesen werden, zum Beispiel inForm einer Mitgliedsbestätigung.Eine individuelle Beratung zum Ver-sorgungsmodell kann jeder Außen-dienstmitarbeiter vor Ort leisten.

Die Wahl des Vertragspartners fürein Rahmenabkommen bzw. eineBranchenlösung ist von besondererBedeutung. Der gewählte Lebens-versicherer muss eine persönlicheund umfassende Beratung sicher-

stellen können und eine überdurch-schnittliche Ertragskraft aufweisen.Außerdem muss dieses ein vielfälti-ges Produktangebot haben, um nachsorgfältiger Analyse des Bedarfs daspassende Versorgungsmodell aus-wählen zu können.Die Allianz Lebensversicherungs-AG beispielsweise wird diesen An-forderungen gerecht und zeichnetsich auch durch ihre große Erfah-rung im Bereich von Branchenlö-sungen aus – wie z. B. dem Versor-gungswerk MetallRente, dem Ver-sorgungswerk der Presse, der Bran-chenlösung KlinikRente und demKonsortialvertrag für die chemischeIndustrie. Zudem besitzt sie ein ex-zellentes Know-how bei der priva-ten und betrieblichen Vorsorge.Darüber hinaus bescheinigen ihrunabhängige Ratingagenturen lau-fend eine hohe Finanzkraft, welchefür die Erfüllung der langfristigenLeistungsversprechen eine maß-gebliche Rolle spielt.

Der Verfasser ist Leiter der AbteilungFirmenkunden-Vertrieb-Beratung

im Fachbereich Konzern-und Firmenkunden/Maklervertrieb

bei der Allianz Lebens-versicherungs-AG

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Künstlersozialversicherung stärken:������������,��������%�C��������� ��I��+�:�%%��%����$�������������2

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Der o.g. Antrag der Regierungsfraktionen unterstützt dieses

Ziel nachdrücklich. Doch zugleichscheinen die Regierungsfraktionennicht nur die Verwerter stärker an dieKandare nehmen zu wollen, es wer-den zusätzlich verschärfte Kontrol-len für die Versicherten gefordert.Am 17.04.2005 sollte die Bundestags-debatte zum Antrag stattfinden. Auf

Grund der späten Terminsetzung wur-den die Reden zu Protokoll gegeben.Es steht nun die Beratung in denAussschüssen an. Als Problem wur-de von allen Abgeordneten der An-stieg an Versicherten gesehen. DieAbgeordnete Angelika Krüger-Leiß-ner (SPD) rief die Zahlen der KSKnoch einmal in Erinnerung. Im ers-ten Jahr des Bestehens waren gera-de mal 12.000 Künstler und Publizis-ten versichert, heute sind es rd.140.000. Ein Ende des Zuwachses istderzeit noch nicht abzusehen.

Als Grund für den Zuwachs anVersicherten wurde in den Redebei-trägen der Abgeordneten Outsor-cing-Strategien der Unternehmenangeführt. Es ist sicherlich richtig,dass in einigen Branchen Outsor-cing-Strategien bestehen und diesezweifelsohne dazuführen, dassehemals festangestellte Mitarbeiternun teilweise als freie Mitarbeiterarbeiten und über die Künstlersozi-alversicherung versichert sind. Vorallem Verlage und die Medienbran-che werden in diesem Zusammen-hang angeführt. In anderen Berei-chen wie z.B. bei Bildenden Künst-ler trifft diese Beschreibung aberüberhaupt nicht zu. Bildende Künst-ler waren niemals bei Galeristen an-gestellt und werden es voraussicht-lich auch in der Zukunft nicht sein.Von einem arbeitnehmerähnlichenStatus für in der Künstlersozialversi-cherung versicherte freiberuflicheKünstler und Publizisten zu spre-chen, wie es die Abgeordnete SilviaSchmidt in ihrer Rede formuliert,geht daher fehl.

Auch sollte, wenn man den An-stieg der Versichertenzahl beklagt,ehrlicherweise dazu gesagt werden,

dass in den vergangenen Jahren dieSelbstständigkeit propagiert und ineinigen Bundesländern die Kultur-und Medienbranche als Hoffnungs-branche behandelt wurde. Bereitsseit mehr als einem Jahrzehnt wer-den für das Land Nordrhein-Westfa-len Kulturwirtschaftsberichte er-stellt, in denen das Wachstum dieserBranche hervorgehoben wird. Erstim vergangenen Herbst hat Kultur-staatsministerin Weiss bei der Vor-stellung der Studie „Kulturberufe inDeutschland“ herausgestrichen, dassder Arbeitsmarkt Kultur mit derMehrzahl an Selbstständigen denkünftigen Arbeitsmarkt antizipiert(siehe hierzu auch den Beitrag vonZimmermann in politik und kultur2/2005). Der Arbeitsmarkt Kulturund daraus folgend der Anstieg derin der KünstlersozialversicherungVersicherten ist also wesentlichkomplexer als dass er allein mit demOutsorcing erklärt werden könnte.

Trotz der Anklage des Outsor-cings erstaunt die Distanz und Kältemit der die Situation der Künstlerbeschrieben wird. Kaum ein Abge-ordneter lässt die Gelegenheit aus,die Frage zu stellen – und sei es in-direkt – ob denn alle Versichertentatsächlich zu Recht in der Künstler-sozialversicherung versichert sind.So lädt nach Auffassung der Abge-ordneten Birgitt Bender (Bündnis90/Die Grünen) die Vorausschätzungder Einkommen zum Missbrauchgeradezu ein. Auch ist sie der Mei-nung, dass im Vergleich zu anderenSelbstständigen die in der Künstler-sozialkasse Versicherten Privilegien

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Von wegen Waffenklirren! – Plädoyer für die europäische Verfassung���������������������������� �����!"�#�������!�������$�����%����&�������"���&�����#���%������"���&����������'���������

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E s passt gut, dass sich den Feiernzum Gedenken an die Befreiung

von der Hitler-Diktatur am 8. Mai dieFeiern anlässlich des Europatagesam 9. Mai nahtlos anschließen las-sen, denn mit dem Ende des Krieges

wurde der Grundstein für die Inte-gration Europas gelegt. Das „alt“ Eu-ropa auf dem Weg zu einem „neuen“Europa ist das „Europa der Vielfaltseiner Kulturen, Sprachen und Regi-onen“, wie es in Artikel 22 der Grund-rechtecharta der Europäischen Uni-on und auch im Entwurf der Europä-ischen Verfassung heißt. Europa hatsich mit der Europäischen Union zueiner umfassenden Werte- undRechtsgemeinschaft entwickelt, dieimmer mehr zu einer Gemeinschaftdes Friedens, der Demokratie, derRechtstaatlichkeit und Zusammen-arbeit herangewachsen ist. Mit derso genannten Osterweiterung sindtraditionsreiche Kulturnationen mitJahrtausende alten Schätzen in dieeuropäische Mitte zurückgekehrt.Damit sind noch immer nicht alleKriegsfolgen geheilt, aber der Frie-densprozess schreitet fort.

Der amerikanische Autor JeremyRifkin, Präsidet des „Foundation onEconomic Trends“ in WashingtonD.C., (1) sieht gar den amerikani-schen Traum ausgeträumt, denn inEuropa kämen „alle wichtigen Ele-mente für einen radikal neuenTraum zusammen, der für die ge-samte Welt viel attraktiver“ sei alsder „unzeitgemäße amerikanischeTraum von uneingeschränktem Wirt-schaftswachstum, materiellem Reich-tum und individuellem Fortschritt“.Der europäische Traum hingegensetze auf Lebensqualität, nachhal-tige Entwicklung und eine nähren-de Gemeinschaft sowie Menschen-rechte und Zusammenarbeit der Völ-ker, „um global den Frieden zu su-chen.“

Die meisten, die dem Phantomvon einer angeblichen Militarisie-rung Europas nachlaufen, dürftennoch keinen Blick in den Text desEuropäischen Verfassungsentwurfsgeworfen haben. Leider finden alleBewegungen ihre Mitläufer. Diejeni-gen, die die Wortklauberei des Kal-ten Krieges betreiben, sind offenbarvon einer bedauerlicherweise weitverbreiteten Europhobie befallen.Wie anders lässt es sich erklären, dasssie sich gegen eine Verfassung sträu-ben, die zum Beispiel eine Neuauf-lage des Kosovo-Krieges in Zukunftunmöglich machen wird? Denn mit

ihren außenpolitischen Zielsetzun-gen erhebt die Europäische Verfas-sung die Förderung des Friedens zuihre obersten Gebot. Sie legt dabeieinen erweiterten Sicherheitsbe-griff zugrunde und bindet sich ein-deutig an das Völkerrecht und dieUN-Charta. Damit unterwirft sichdie EU unmissverständlich dem ab-soluten Verbot eines Angriffskrie-ges.

Was bringt also Attac und ande-re dazu, die „Militarisierung Euro-pas“ zu wittern? Die derzeit disku-tierte Aufhebung des EU-Waffen-embargos für China (von den USAgewiss nicht nur aus moralischenZweifeln, sondern auch aus wirt-schaftlichen Interessen so heftigkritisiert) reicht als Indiz dafür al-lein nicht aus und greift zu kurz.Auch die mit der Verfassung ange-strebte Einrichtung einer Verteidi-gungsagentur und die Aufforderungan die Mitgliedstaaten, „die militä-rischen Fähigkeiten zu verbessern“,ist kein „Ukas“ zur Aufrüstung, son-dern das Ansinnen, Kräfte sinnvollzu bündeln, Synergieeffekte zu nut-zen und Konzepte aufeinander ab-zustimmen, was durchaus auch denAbbau von militärischen Überkapa-zitäten bedeuten kann und einewesentliche Aufgabe der Verteidi-gungsagentur sein wird. Worin sollder Vorteil von 25 nationalen Mili-

tärstrategien liegen gegenüber ei-ner Politik, die diesen Prozess zuharmonieren sucht und Alleingän-ge verhindern soll?

Natürlich ist es erlaubt, von ei-nem militärfreien Europa zu träu-men. Realistisch ist das leider nicht.Aber Europa kann viel tun zur Frie-denssicherung und Konfliktbewälti-gung. Der avisierte EuropäischeAußenminister wird der Europäi-schen Union eine außenpolitischeStimme verleihen, mit der sich auchder Anspruch untermauern lässt, imUN-Sicherheitsrat einen europäi-schen Sitz zu erhalten. Ein neuesKorps für humanitäre Hilfe soll es er-möglichen, intensiver zivile Konflikt-prävention zu betreiben. Die Europä-ische Sicherheitsstrategie (ESS) stelltMultilateralismus, Verhandlungen,Sanktionen und Handelspolitik inden Vordergrund der Mittel zur Frie-denssicherung statt Waffenklirren.Man muss die Augen schon fest ver-schließen, um das alles nicht wahr-zunehmen. Es ist zudem nicht legi-tim, den Regierenden innenpolitischmit europapolitischen Aversioneneins auswischen zu wollen.

Es gibt noch viele andere als frie-denspolitische Gründe, den Euro-päischen Verfassungsentwurf zu un-terstützen und für seine Akzeptanzzu werben. Wunder dauern bekannt-lich etwas länger, d.h. die Chance auf

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Demokratie, Wohlstand durch wirtschaftliche Freiheit, soziale Gerechtigkeit und gleiche Sicherheit für alle Länder der EU

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genießen. Selbstständige müssenansonsten alleine die Beiträge zurSozialversicherung aufbringen underhalten keinen fiktiven Arbeitge-beranteil. Ihres Erachtens wird esimmer schwieriger, selbstständigeTätigkeit und abhängige Beschäfti-gung voneinander sauber zu unter-

scheiden. Sie schlussfolgert daraus,dass alle Sondersysteme in der Sozi-alversicherung in Frage gestellt wer-den sollten. Die Abgeordnete VeraLengsfeld (CDU/CSU) geht noch ei-nen Schritt weiter, sie sagt klipp undklar: „... Im Prinzip ist heute jederEinzelne dazu aufgefordert, eine ei-genständige Vorsorge zu treffen. Dasgilt auch für Künstler. Dass derenEinkommen so gering ist und sie ihre

Vorsorge mit einem durchschnittli-chen Gehalt von 11.100 Euro im Jahrkaum bewältigen können, ist nichtSorge des Staates. Wir müssen einestärkere Eigeninitiative der Versi-cherten fordern.“

Demgegenüber erinnerte der Ab-geordnete Hans-Joachim Otto (FDP)daran, dass die Künstlersozialversi-cherung Grundlage der sozialen Absi-cherung selbstständiger Künstler ist

und der Bundeszuschuss ein Beitragdes Staates zur Künstler- und zurKunstförderung ist. Damit wirdnochmals klargestellt, dass dieKünstlersozialversicherung eine sozi-al- und kulturpolitisch wichtige Errun-genschaft ist. Auch der AbgeordneteMatthias Sehling (CDU/CSU) hebtauf den Bundeszuschuss ab und siehtals eine Maßnahme zur Absenkungder Verwerterabgabe die Wiederanhe-

bung des Bundeszuschusses auf 25%.Insgesamt versprechen die zur Proto-koll gegebenen Reden eine heiße De-batte zur Künstlersozialversicherung.Beide Oppositionsfraktionen, CDU/CSU und FDP, haben für die nun an-stehenden Ausschussberatungen ei-gene Anträge zur Stärkung der Künst-lersozialversicherung angekündigt.Es bleibt abzuwarten, welche Schwer-punkte dort gesetzt werden.

Veränderungen, meint Verbesserun-gen, in Zukunft besteht allemal. Einentschiedeneres Bekenntnis zur Eu-ropäischen Kulturgemeinschaft mitden unglaublichen Schätzen kultu-reller Vielfalt und zur Sicherung plu-raler Meinungsvielfalt hätte mansich durchaus schon wünschen dür-fen. Aber dennoch: Mit der Rechts-verbindlichkeit der Charta derGrund- und Menschenrechte hatsich die Europäische Union von derWirtschaftsgemeinschaft altenSchlages zu einer Wertegemein-schaft besonderer Art emanzipiert.Das ist auch eine beachtliche kultu-relle Leistung.Was aber, wenn das im ersten An-lauf nicht alle begreifen? Dann musseben ein neuer Anlauf genommenwerden. Der europäische Motor istschon häufiger ins Stottern geraten– zum Stilstand gekommen ist ernie. Ein interkultureller Dialog kannhelfen, ihn wieder in Gang zu brin-gen.

Die Verfasserin gehörte von 1989bis 1994 dem Europäischen Parla-

ment an und ist freiberuflicheJournalistin

1 Die Zitate sind dem Band „Kultur inEuropa – Einheit und Vielfalt“, Mittel-deutscher Verlag, ISBN 3-89812-267-0, entnommen.

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E xplizit nimmt sie Bezug auf dieNotwendigkeit, in einem sol-

chen Bemühen die kulturelle Diver-sität zu achten und somit denReichtum der verschiedenen Kultu-ren zu würdigen. Im Mittelpunktsteht daher auch der unmittelbareinterkulturelle Austausch. Mit demZiel, zur Bildung einer europäi-schen Identität beizutragen, sollen

auch konkret Forschungs- und zivil-gesellschaftliche Strukturen geför-dert werden, die sich Gedankenüber die europäische Politik ma-chen und diese anhand von ver-schiedensten Aktivitäten mit derÖffentlichkeit teilen. Auf die Kohä-renz mit anderen Instrumentenetwa aus dem Jugend-, Kultur- undBildungsbereich wird ebenso ge-achtet werden wie mit den Berei-chen der Nachbarschaftspolitik, derForschung und der Chancengleich-heit. Insgesamt ist das Programmmit 207 Millionen Euro ausgestattet,die konkrete Umsetzung, wie dieseUnterstützung dann operationellerfolgen kann, wird möglich sein,sobald die finanzielle Vorausschaufür die Jahre 2007 bis 2013 vorliegt.

Deutlich wird jedoch schon im Vor-schlag, dass die Kommission sichbemühen wird, den Zugang zu die-sen Mitteln so unbürokratisch wiemöglich zu gestalten.

Die kommenden Monate sindalso weiterhin gekennzeichnet vonden politischen Bemühungen umeinen Kompromiss um die Ausstat-tung des Haushalts der Europäi-schen Union für die kommendenJahre, von dem auch direkt die Fort-führung und Realisierung dieseridentitätsstiftenden Programme ab-hängt. Obwohl natürlich das Prin-zip der Subsidiarität hier besondersbeachtet werden muss, sind dochder auch in Deutschland allerortengeäußerte Wunsch nach Informati-on oder manchmal auch: die Vor-

würfe mangelnder europäischerKommunikation, nicht getrenntdavon zu sehen, ob und wie vielGeld man auch hier bereit ist, fürdieses, aber auch für KULTUR 2000und MEDIA Plus, zur Verfügung zustellen. Organisatorisch bereitetdieser Monate die neu eingerichte-te Exekutivagentur für die Verwal-tung dieser beiden, aber auch derBildungs- und Jugendprogramme,ihre Aufgaben vor. Die Kommissionsoll so wieder mehr Spielraum fürpolitische und institutionelle Ange-legenheiten bekommen, wobei ihrdie Kontrolle und das Monitoringdieser Agentur obliegt.

Der Kulturausschuss des Europä-ischen Parlaments hat inzwischenseine Stellungnahme über die Libe-

ralisierung von Dienstleistungenvorgelegt. Dabei macht die Bericht-erstatterin (Marie-Hélène Des-camps, PPE-DE/F) deutlich, dassdie kulturelle Vielfalt in Europa ge-mäß den Zielen der Verfassung ge-schützt werden muss. In einer An-hörung hat man sich zunächst indiesem Zusammenhang bemüht,einer Definition von „audiovisuel-len Dienstleistungen“ näher zukommen. Insbesondere für diese,aber auch für Pressedienstleistun-gen fordert die Berichterstatterinden Ausschluss aus dem Anwen-dungsbereich der Richtlinie. DerBericht schlägt dem entsprechend

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Fernsehen ohne Grenzen����6�������������#����"�����$��������������������������%���"�

Momentaufnahme beim Parlamentarischen Gespräch des Deutschen Kulturrates und des WDR zur EU-Dienstleistungs-richtlinie im März 2005, v.l.n.r.: Olaf Zimmermann (DKR), Heinrich Bleicher-Nagelsmann (DKR), Max Fuchs (DKR), FritzPleitgen (WDR), Verena Wiedemann (WDR), Eva-Maria Michel (WDR) Foto: Deutscher Kulturrat

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konkrete Änderungen am Kom-missionsentwurf vor, die auch zumZiel haben, die Instrumente zum

Schutz des Medienpluralismus si-cherzustellen. Im federführendenBinnenmarktausschuss hat Evely-ne Gebhardt (PSE/D) Mitte Aprilihren Berichtsentwurf eingebracht,der auf eine stärkere Harmonisie-rung und gegenseitige Anerken-nung setzt statt dem allgemeinen

Herkunftslandsprinzip. Gleichzei-tig wird dem eigentlichen Ziel desKommissionsvorschlags, nämlichbestehende Hindernisse für dengrenzüberschreitenden Dienstleis-tungsverkehr abzubauen und so-mit zur Schaffung und Sicherungvon Arbeitsplätzen beizutragen,

beigepflichtet. Eine positive Einbe-ziehung des Kulturbereichs in an-dere EU-Politiken fordert das Euro-päische Parlament auch für das Eu-ropäische Nachbarschafts- undPartnerschaftsinstrument, das eineenge Zusammenarbeit der EU mitihren Nachbarländern fördern soll.

Es sieht so aus, als würde die Forde-rung nach Verträglichkeit und Kohä-renz politischer Initiativen mit derkulturellen Vielfalt langsam, aberdoch stetig an Boden gewinnen.

Die Verfasserin ist Leiterin derEU-Vertretung in Bonn

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W as ist eigentlich so schlimm aneinem Papier, das immerhin

seit Februar 2004 öffentlich zugäng-lich ist? Dass Dienstleistungen inzwi-schen 70% am Bruttoinlandsproduktausmachen, zeigt ihre ökonomischeRelevanz. Der freie Austausch von Wa-ren und Dienstleistungen über Gren-zen hinweg ist auch nicht nur nichtunanständig, sondern hat in der Ge-schichte oft genug wichtige positivekulturelle Folgen gehabt: Meinungen,Informationen, Sichtweisen, Wertun-gen – all dies wird nämlich – als oft un-sichtbares Zusatzgepäck bei grenzü-berschreitendem Verkehr – mitgelie-fert. Und trotzdem nimmt die Kritikgerade an diesem letzten Erbe desseinerzeit zuständigen KommissarsBolkestein recht harte Formen an:Unzulässige Überschreitung der Kom-petenzen, Verstoß gegen den EU-Ver-trag, Überrumpelungsstrategie, Unbe-lehrbarkeit des Brüsseler Apparatesbei höchst sensiblen Fragestellungen.Offenbar geht es nicht bloß um ehertechnische Fragen der Steuerbarkeitund Regulierung, sondern es geht umtiefgehende Sorgen über Kompetenz-verteilungen und Zuständigkeiten.

Auch für die Kulturpolitik ist die-se Dienstleistungsrichtlinie vonhöchster Bedeutung. Denn sie scheintzum einen den mühsamen Konsulta-tionsprozess zu dem „Grünbuch zuDienstleistungen von allgemeinemInteresse“ insofern zu unterlaufen,als Fakten geschaffen werden sollen,bevor dieser Prozess einen sinnvol-len Abschluss gefunden hat. Und alssinnvoller Abschluss wird eine Rege-lung über „Dienstleistungen von all-gemeinem Interesse“ gesehen, alsosolchen Dienstleistungen, für die diestrengen Regeln des Binnenmarktesnicht gelten müssen und bei denendie öffentliche Hand weiter in derVerantwortung für eine kostengüns-tige und flächendeckende Bereitstel-lung steht. Kultur und Rundfunk, soder Deutsche Kulturrat, müssendazu gehören. Wäre dies eindeutiggeklärt, dann könnte man für denverbleibenden (kommerziellen) Restan Dienstleistungen durchaus sinnvolleine Richtlinie verabschieden. Dochauch dieses eigenartige Vorgehen, beidem scheinbar die rechte Hand (dieeine Richtlinie entwirft), nicht weiß,was die linke Hand tut (nämlich Mei-nungen zur Definition und Abgren-zung von „Dienstleistungen von allge-meinem Interesse“ einzuholen), er-klärt noch nicht die Vehemenz, mit derauch der Deutsche Kulturrat diesenProzess begleitet und kritisiert. Dieseerklärt sich vielmehr aus dem Kontext,in dem die Dienstleistungsrichtliniegesehen werden muss. Und dieserKontext – quasi die aktuelle kulturpo-litische Großbaustelle – betrifft denVersuch, Kunst und Kultur weitgehendunter das Diktat rein ökonomischenDenkens zu stellen. Neben den Bau-stellen „Dienstleistungsrichtlinie“ undGrünbuchprozess sind dabeizumindest zwei weitere Baustellen

anzuführen. Als erstes wäre derKampf im Kontext der WTO zu nen-nen, Kultur und Medien aus denGATS-Verhandlungen herauszuhal-ten. Seit dieses internationale Dienst-leistungsabkommen 1995 in Kraftgesetzt wurde, gibt es jene umfassen-de Typologie von 12 Kategorien, diekeine menschliche Wesensäußerungals mögliche Dienstleistung auslas-sen. GATS könnte (zusammen mitdem GATT-Abkommen) eine Art Uni-versalzuständigkeit von allen Dingendes menschlichen Lebens bekom-men – sofern es nicht ausgebremstwird. Dabei weiß jeder, dass geradeim Umgang mit Gesundheit, bei Fra-gen der Versorgung mit Wasser (undLuft), bei Fragen der Bildung und na-türlich auch im kulturellen Bereichder Markt ein untaugliches Vertei-lungsinstrument ist. Bestimmte As-pekte des Lebens dürfen eben nichtvom Geldbeutel abhängen, wenn dieRede von Menschenwürde auch nurden geringsten Sinn haben soll. WäreKultur in die Dienstleistungsrichtlinieeinbezogen, dann wäre auch derKampf um einen Ausschluss von Kul-tur bei der WTO verloren.

Dasselbe gilt für die zweite Bau-stelle: Die Unesco-Konvention zurkulturellen Vielfalt, deren erster Ent-wurf vom Juli 2004 zur Zeit in der Be-ratung ist. Kulturelle Güter undDienstleistungen sind Waren einerbesonderen Art, so heißt das Schlüs-selargument gegen eine völlige Un-terwerfung unter eine Marktrationa-lität. Und weil dies so ist, müssen Na-tionalstaaten auch weiterhin ihre ei-gene Kulturpolitik machen dürfen,müssen also in der Verantwortungfür kulturelle Vielfalt im eigenenLand bleiben. Auch hier gab es schonrecht früh eine Begehrlichkeit derEU, das Verhandlungsmandat fürihre Mitglieder zu bekommen. Diesist zwar nicht geschehen. Dochimmerhin gibt es eine Zuständigkeitfür solche Fragen, die die Gemein-schaft als Ganzes betreffen. Aus mei-ner Sicht liegt es auf der Hand: Mitder Inkraftsetzung der Dienstleis-tungsrichtlinie hat man die Zustän-digkeit der EU für alle darin geregel-ten Bereiche anerkannt. GehörenKultur und Medien dazu, dann gibtes kein nationales Verhandlungs-mandat bei der Konvention mehr.

Für die nationale Kulturpolitik istfür die Beschreibung dieser Situati-on das Wort „Herausforderung“ fastein Euphemismus. Denn natürlichbleiben einstweilen die nationalenkulturpolitischen Fragestellungen er-halten. Und diese sind angesichts derFinanzkrise der öffentlichen Händenicht klein. Zusätzlich müssen wiruns nun nicht nur mit kulturpoliti-schen Akteuren auf internationalerEbene (wie der Unesco) befassen: Wirmüssen uns auch um die Handels-und Wettbewerbspolitik der EU, derOECD (PISA!) und der WTO küm-mern. Mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist der sehrheterogene „Rest“ des Kulturbereichsfür diese Problematik eher nicht sogut aufgestellt. Es fehlen „Vorposten“in Brüssel (in Genf und Paris), es feh-lend Ressourcen, um die erheblichePapierproduktion rund um EU-Vor-gänge überhaupt zu überblicken. Sospricht die Berichterstatterin zurDienstleistungs-Richtlinie im Euro-päische Parlament davon, die Zahlder Änderungsanträge unter 800 zuhalten (vgl. den Artikel von Karin Jun-

ker in puk 2/05). Die wenigen natio-nalen Kultur(politik)forschungsinsti-tute sind hierbei leider keine Hilfe,denn sie befassen sich nicht mit sol-chen Fragen. Aber auch dies kenntdie Kulturpolitik seit langem. UnserMotto bleibt daher, dass die Hoff-nung zuletzt stirbt. Immerhin gibt esgerade bei der Dienstleistungsricht-

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linie mit dem Bundesrat und demBundeskanzler – durchaus eine inte-ressante Koalition – mächtige Part-ner. Daher haben wir die Hoffnung,dass die in unserer Stellungnahme(puk 2/05) formulierten Forderun-gen auch Gehör finden: u.a. sekto-rale statt horizontale Regelungen,falls es bei horizontalen Regelungen

bleibt, dann nur mit erheblichenAusnahmetatbeständen, in jedemFall jedoch die Ablehnung des Her-kunftslandsprinzips auch zur Sicher-stellung ereichter Sozial- und fach-licher Standards.

Der Verfasser ist Vorsitzender desDeutschen Kulturrates

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A usgangspunkt hierfür ist dieRichtlinie (89/552 EG) „Fernse-

hen ohne Grenzen“. Zentraler Bau-stein dieser Richtlinie ist das Her-kunftslandprinzip mit den Ziele ei-nen Binnenmarkt für Fernsehpro-gramme zu schaffen. Das Herkunfts-landprinzip birgt aber auch die Ge-fahr einer Abwärtsspirale der Regu-lierung in den Mitgliedstaaten, weilsie Unternehmen geradezu dazueinlädt, in diejenigen Mitgliedstaa-ten abzuwandern, in denen die nied-rigsten gesetzlichen Anforderungengestellt werden. Aus diesem Grundist die Wirkungsweise der Fernseh-richtlinie auch optimal. Durch sieentsteht mit Hilfe des Herkunfts-landprinzips ein gemeinsamerMarkt für Fernsehprogramme, undgleichzeitig legt die Richtlinie inSchlüsselbereichen des öffentlichenInteresses Mindeststandards fest,die verhindern, dass eine Abwärts-spirale der Medienregulierung inGang kommt.

Richtig ist ferner, dass die Fern-sehrichtlinie aufgrund der Konver-genz der Medien technologisch ver-altet ist. Daher begrüßen wir die An-kündigung von Frau KommissarinReding, zum Ende dieses Jahres eine

revidierte Fassung der Fernsehricht-linie mit einem erweiterten Anwen-dungsbereich vorzulegen, in dernicht mehr auf den technischenÜbertragungsweg abgestellt wird.

Wegen der Konvergenz der Me-dien reicht es auch nicht aus, dienach jetzigem Stand durch die Fern-sehrichtlinie geregelten Fernsehpro-gramme aus dem Anwendungsbe-reich der Dienstleistungsrichtlinieauszunehmen. Vielmehr muss deraudiovisuelle Sektor in seiner Ge-samtheit ausgenommen werden,will man der Bedeutung der Medien-konvergenz gerecht werden.

Wie aber soll diese audiovisuel-le Ausnahmeregelung definiert wer-den? Müssen wir die Diskussion überden Anwendungsbereich einer euro-päischen Inhalte-Richtlinie vorweg-nehmen, um die audiovisuellenDienste im Rahmen der Dienstleis-tungsrichtlinie zu bestimmen? Ichmeine, dass wir diese Schwierigkeitvermeiden können. Mein erstes Ar-gument ist rein praktischer Art: Au-diovisuelle Dienste sind in der eu-ropäischen Gesetzgebung nirgend-wo definiert. Wir können also füreine Definition nicht einfach auf be-stehende Gemeinschaftsregelun-gen zurückgreifen. Mein zweites Ar-gument ist ein politisches: Was voneiner künftigen europäischen Inhal-te-Richtlinie erfasst sein soll undwas nicht, sollte von der für den au-diovisuellen Bereich zuständigenKommissarin und der Generaldirek-tion Informationsgesellschaft undMedien vorbereitet werden. Auchder erforderlichen Diskussion imzuständigen Kulturausschuss desEuropäischen Parlaments und derRatsarbeitsgruppe Audiovisuellessollte nicht vorgegriffen werden.

Aber geht es ganz ohne Definition?Ich glaube nicht, jedenfalls nichtgänzlich. Ich schlage vor, unser Au-genmerk auf das Welthandelsab-kommen über Dienstleistungen(GATS) zu richten. Es war immerschon die Position des EuropäischenParlaments, dass die EU in ihren Ver-handlungen beim GATS die Beson-derheit des audiovisuellen Sektorsberücksichtigen muss. Es ist die er-klärte europäische Verhandlungspo-sition, keine Zugeständnisse im Be-reich des audiovisuellen Sektors zumachen, um die Europäische Ge-meinschaft und die Mitgliedstaatennicht in ihrem Anliegen, die kulturel-le und sprachliche Vielfalt zu fördernund zu schützen, einzuschränken.

An dieser Stelle erlangt die De-batte eine überraschende neue po-litische Dimension. Was wäre, wennwir den audiovisuellen Sektor nichtaus dem Anwendungsbereich derDienstleistungsrichtlinie ausneh-men würden? Dann würden wir al-len unseren WTO-Verhandlungs-partnern deutlich machen, dass wirdie Besonderheit des audiovisuel-len Sektors innerhalb der Gemein-schaft weder politisch noch gesetz-lich künftig weiterhin anerkennenwollen. Statt dessen würden wir au-diovisuelle Dienste nach europäi-schem Recht genauso behandeln,wie alle anderen Dienstleistungenauch, ohne die besonderen kultu-rellen Auswirkungen zu berücksich-tigen. Das wäre genau das, was dieVereinigten Staaten seit über zehnJahren von uns verlangen. Wenn wiralso unsere WTO-Verhandlungspo-sition bei audiovisuellen Dienstleis-

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Z iel der Richtlinie ist es, den 1986in der „Einheitlichen Europäi-

schen Akte“ vertraglich vorgesehe-nen, europäischen Binnenmarkt zuvollenden, indem dieser auf denDienstleistungssektor ausgeweitetwird. Dienstleistungen tragen heuteschon ca. 60-70% zum europäischenBruttosozialprodukt bei und neh-men aus diesem Grund eine zentra-le Rolle in der Diskussion um Wachs-tumspotentiale der EuropäischenUnion ein.

Die Tatsache, dass es in einer Rei-he von Branchen zu Einschränkun-gen ausländischer Dienstleisterkommt, die eine Geschäftstätigkeitin einem europäischen Nachbarlandaufnehmen wollen, ist im Grundeunumstritten. Die Dienstleistungs-richtlinie in der von der Kommissi-on vorgelegten Fassung ist jedochnicht das richtige Instrument, dieserProblematik zu begegnen.

Der Vorschlag will die in der Lis-sabon-Strategie formulierten Wachs-tumsziele erreichen helfen, stelltaber den weitestreichenden Eingriffin die nationale Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten dar. Bisher nationalregulierte Bereiche wie Kultur, Bil-dung und Gesundheit sollen nun eu-ropaweit geregelt und dem kommer-ziellen Wettbewerb unterworfenwerden. Mit diesem Vorhaben über-schreitet die Kommission jedoch dieihr in den EG-Verträgen zugestan-denen Kompetenz.

Bisher sind auf der Grundlage desSubsidiaritätsprinzips Entscheidun-gen in den oben genannten Bereichenallein den Mitgliedsstaaten überlas-sen, um zu den nationalen, sozialenund kulturellen Interessen und Ge-pflogenheiten entsprechenden Über-einkommen und Gesetzen zu kom-men. Dabei soll es im Bereich der au-diovisuellen Medien und der Kulturbleiben, um die Wahrung der kulturel-len Vielfalt in Europa zu garantieren.

Kern der Richtlinie ist das Her-kunftslandprinzip, wonach europä-ische Dienstleister bei der Ausübungeiner Tätigkeit im europäischen Aus-land nur den Bestimmungen ihresHeimatlandes unterworfen sind.

BabylonischeRechtsverwirrung

Die Umsetzung dieses Prinzips wür-de ein bisher nicht da gewesenesRechtschaos auslösen, da in der Fol-ge auf dem Boden eines EU-Staates25 verschiedene Rechtsordnungenin 21 verschiedenen Sprachen par-allel zur Geltung kämen. Transpa-renz, Rechtssicherheit und eine ge-ordnete Rechtsprechung, die als un-verzichtbare Vorraussetzungen fürjedes wirtschaftliche Handeln undjede soziale Ordnung angesehenwerden müssen, sind vor diesemHintergrund kaum zu gewährleisten.Wie soll ein deutscher Richter 25Rechtssysteme beherrschen und inihnen Recht sprechen?

Ein weiteres Problemfeld ist dieKontrolle der im Ausland tätigenDienstleistungserbringer. Diese ver-bleibt nämlich den Brüssler Überle-gungen zufolge bei den Behördenund Verwaltungen des Herkunfts-landes des Dienstleisters. Inwieweitist aber z.B. eine lettische Behördein der Lage, die Einhaltung der Auf-lagen bei einem in Spanien tätigenlettischen Architekten zu überprüfen– sofern sie überhaupt gewillt ist, dieszu tun? Eine unübersichtliche Gemen-

gelage verschiedener Regulierungen,deren Einhaltung dem Herkunftslanddes jeweiligen Dienstleisters oder denHerkunftsländern z.B. einer ARGEüberlassen bliebe, wäre die unaus-weichliche Folge.

Inakzeptabel ist und bleibt, dasseherne Grundsätze der deutschen Ver-fassung wie der EG-Verträge - dieGleichheit aller Menschen vor demGesetz - faktisch ausgehebelt würden,da die nationalen Rechtssysteme jenach Herkunftsland des Dienstleis-tungserbringers große Unterschiedeaufweisen. Daraus wird nach dem vor-liegenden Vorschlag der absurde Fallentstehen, dass die heute zu Rechtbeklagte gelegentliche Diskriminie-rung ausländischer Unternehmendurch eine regelmäßige Diskriminie-rung inländischer Unternehmen er-setzt wird, indem inländische Anbie-ter dem Wettbewerb mit, z.B. durchniedrigere ausländische Steuern, So-zialabgaben, Löhne und Qualitäts-standards begünstigten ausländi-schen Anbietern ausgesetzt werden.

Den heimischen Unternehmenbleibt nur der Ruin oder die Abwan-derung ins „günstigere“ Ausland, umformal von dort aus ihre Geschäfte zubetreiben. Hohe Arbeitsplatzverlustewären die Folge.

Im kulturellen Bereich würdendarüber hinaus auch Themen von derDienstleistungsrichtlinie erfasst, die -wie z.B. in der Fernsehrichtlinie - be-wusst nicht einheitlich geregelt wur-den. Ohne eine vorauslaufende Har-monisierung könnte durch die Verla-gerung von Firmensitzen der Jugend-schutz oder der Schutz der Menschen-rechte umgangen werden.

Harmonisierung stattLohn- und Sozialdumping

Ein aus ordnungs- und sozialpoliti-scher Sicht verheerendes gegensei-tiges Herunterkonkurrieren der Mit-gliedsländer der EU hinsichtlich ih-rer steuer-, sozial- und arbeitsrecht-

lichen Gesetzgebung wäre die abseh-bare Folge. Eine solche Entwicklungwürde die Europäische Union einerder wichtigsten Stützen ihres innerenZusammenhaltes - der sozialen Aus-gestaltung ihrer Marktwirtschaften -berauben. Ein solches Vorgehen kannsich die europäische Politik nicht er-lauben – will sie nicht das Vertrauender breiten Masse der Europäerinnenund Europäer verlieren.

Eine völlig neue Konzeption derRichtlinie oder wenn das nicht durch-setzbar ist, eine grundlegende Überar-beitung ist dringlich. Das Herkunfts-landprinzip darf nur in den BereichenAnwendung finden in denen bereitseine europäische Harmonisierung,wie z.B. beim „e-commerce“, stattge-funden hat. Bis zu dieser Harmoni-sierung muss nationales Recht gel-ten. Die öffentliche Kontrolle muss injedem Falle bei den nationalen Be-hörden des Landes verbleiben, indem die Dienstleistungen erbrachtwerden und es darf nicht zu einer Be-

nachteiligung inländischer Unter-nehmen gegenüber ausländischenAnbietern kommen.

Grundsätzlich ist es nicht akzep-tabel, Bereiche wie Kultur und Me-dien dem Kommerz zu unterwerfen.Kulturgüter wie eine facettenreiche,die regionalen Besonderheiten her-vorhebende Theater- und Musik-landschaft sind keine bloßen Markt-Güter. Sie sind vielmehr auch Grund-säulen eines gesellschaftlichen Be-wusstseins, das sich gerade im An-gesicht einer zunehmend intensive-ren und spürbaren Globalisierungals unverzichtbare Komponente derIdentität der jeweiligen Nationenund des sozialen Zusammenhalteserweist.

Die Verfasserin ist Mitglied desDeutschen Bundestages, Mitglied

des Ausschusses für Wirtschaft undArbeit und Stellvertretende Vorsit-

zende der AG Wirtschaft und Arbeitder SPD-Bundestagsfraktion

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A rtikel 151 Abs. 5 EGV verbietetdaher auch ausdrücklich Har-

monisierungen in diesem Bereich. Imeuropäischen Verfassungsvertrag istklargestellt, dass die Kultur weiterhinein Bereich bleibt, in dem die Euro-

päische Union lediglich unterstüt-zende, koordinierende oder ergän-zende Maßnahmen treffen darf (Ar-tikel I-17). In den Zielen der Europäi-schen Union nennt der Verfassungs-vertrag, dass die Union den Reichtumihrer kulturellen und sprachlichenVielfalt wahrt und für den Schutz unddie Entwicklung des kulturellen ErbesEuropas sorgt (Art. I-3). Trotz allemhat in der Praxis die Politik der Euro-päischen Union zunehmend auchdirekte oder indirekte Wirkungen aufden Kulturbereich und damit die na-tionalen Kulturpolitiken. Auch deraktuelle Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie überDienstleistungen im Binnenmarktgibt hier Anlass zur Sorge.

Der Anwendungsbereich derRichtlinie soll – von zahlreichen Aus-nahmen abgesehen – für alle Dienst-leistungstätigkeiten gelten und die

bestehenden Hindernisse für die Nie-derlassungsfreiheit von Dienstleis-tungserbringern und für den freienDienstleistungsverkehr zwischen denMitgliedstaaten beseitigen oder ver-ringern. Ausgehend von einem weitgefassten unscharfen Dienstleistungs-begriff umfasst der Richtlinienentwurfeinen sehr weiten Bereich wirtschaft-licher Tätigkeiten. Einzige Vorausset-zung ist, dass es sich um eine entgelt-liche Tätigkeiten handeln muss.

Die Richtlinie soll lediglich aufdie Tätigkeiten keine Anwendungfinden, die der Staat ohne wirtschaft-liche Gegenleistung in Erfüllung sei-ner sozialen, kulturellen, bildungs-politisch und rechtlichen Verpflich-tungen ausübt. Ebenfalls keine An-wendung soll die Richtlinie, mit demVerweis auf das „Grünbuch zuDienstleistungen von allgemeinemInteresse“, auch auf alle nicht wirt-

schaftlichen Tätigkeiten der Da-seinsvorsorge finden. Der Kulturbe-reich gehört zur Daseinsvorsorge, daKultur zur geistigen Grundversor-gung des Menschen gerechnet wer-den muss. Diese Zuordnung giltzumindest für den Teil, der ganz oderüberwiegend öffentlich verantwor-tet und finanziert wird. Aufgrund derfinanziellen Engpässe in allen Berei-chen der öffentlichen Haushalte sindauch Kulturangebote zunehmendprivat finanziert. Solche notwendi-gen Angebote, die nicht die öffentli-che Hand erbringt, sondern markt-wirtschaftlich ganz oder teilweiseauch der private Sektor, sind nachder Definition jedoch vom Anwen-dungsbereich der Richtlinie erfasst.

Darüber hinaus fallen alle Medien(audiovisuelle Dienste, Hörfunk undPressevertrieb) unter den Anwen-dungsbereich der geplanten Richtli-

Fortsetzung von Seite 18

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nie. Gerade diese Bereiche haben je-doch weit reichende Bedeutung fürDemokratie, kulturelle Vielfalt sowieMeinungsbildung und dürfen deshalbnicht auf die wirtschaftliche Dimen-sion reduziert und als gewöhnlicheHandelsgüter betrachtet werden. Diedeutschen Länder haben daher imRahmen ihrer Bundesratsstellungnah-me zur Dienstleistungsrichtlinie vomApril 2004 gefordert, dass die europä-ische Gemeinschaft dieser TatsacheRechnung tragen muss. Sie verlangendeshalb die Herausnahme der audio-visuellen Dienstleistungen, insbeson-dere der Bereiche Rundfunk und Film-förderung, aus dem Anwendungsbe-reich der Richtlinie. Dieser Forderunghaben sich zahlreiche Vertreter derdeutschen Medienwirtschaft und

Momentaufnahme beim Parlamentarischen Gespräch DKR und WDR, v.l.n.r.:Ottmar Schreiner, MdB; Sigrid Skarpelis-Sperk, MdB; Wolfgang Müller, SPD-Bundestagsfraktion Foto: Deutscher Kulturrat

tungen erfolgreich verteidigen wol-len, dann ist es ein „Muss“, diesenSektor aus dem Anwendungsbe-reich der Dienstleistungsrichtlinieauszunehmen.Damit muss unsere Definition fürdie Ausnahme der audiovisuelleDienstleistungen aus der Dienstleis-tungsrichtlinie die gleiche sein, diewir unseren GATS-Verhandlungenzugrunde legen. In diesen Verhand-lungen verwenden wir eine Art Ar-

beitsdefinition für audiovisuelleDienste. Als die Kommission ihrePosition für die GATS-Verhandlungs-runde im Jahr 1999 definierte, for-mulierte sie folgendermaßen:

„Die europäische Gemeinschaftund ihre Mitgliedstaaten haben sichfür einen weiten Begriff der audio-visuellen Dienste ausgesprochen. ImKontext der Uruguay-Runde wurdedeutlich, dass nach Ansicht der Eu-ropäischen Gemeinschaft hierzu alleAktivitäten zählen, die im weitestenSinne mit audiovisuellen Inhalten inZusammenhang stehen, unabhängig

davon, welche Technologien ver-wendet werden, d.h. also sowohl tra-ditionelle Übertragungsmittel, alsauch Dienste, die auf der Anwen-dung neuer Technologien beruhen.“In der Tat hat die Europäische Ge-meinschaft schon immer den Stand-punkt vertreten, dass neue Technolo-gien keinen Einfluss auf die Klassifi-zierung einer Dienstleistung nachdem GATS-Abkommen haben sollenund dass das GATS auch auf die Onli-ne-Übermittlung von digitalen Inhal-ten anzuwenden ist. Der Begriff „au-diovisuelle Dienste“ umfasst also die

Produktion, die Distribution und dieKommunikation audiovisueller Inhal-te an die Öffentlichkeit, das heißt be-wegte Bilder und/oder Ton, unabhän-gig von der verwendeten Technologie.

Das ist die beste Definition, umdie Ausnahme für audiovisuelleDienste aus dem Anwendungsbe-reich der Dienstleistungsrichtliniezu bestimmen. Wenn es uns nichtgelingt, den audiovisuellen Sektorauszunehmen, wäre das der Anfangvom Ende unseres europäischenGesellschaftsmodells, in dem audi-ovisuelle Dienste gerade nicht wie

alle anderen Dienstleistungen be-trachtet und behandelt werden,sondern eine ganz besondere Rollefür unsere Gemeinwesen spielen.

Die Verfasserin ist Mitarbeiterindes ARD-Vebindungsbüros Brüssel

Der Aufsatz fasst die Ergebnisse ei-ner öffentlichen Anhörung des Aus-schusses Kultur und Bildung des Eu-ropäischen Parlaments zur Dienst-leistungsrichtlinie und den audiovi-suellen Medien Brüssel, 15. März2005 zusammen.

Page 20: Kulturland Deutschland

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Die neue Kommission mit ihremPräsidenten Manuel Barroso

will die EU zum wettbewerbsfähigs-ten wissensbasierten Wirtschaftsraumder Welt machen. Sie strebt damitnicht zuletzt mehr Wachstum und Be-schäftigung in der EU an. Die Kom-mission läuft aber Gefahr, über dasZiel hinaus zu schießen und bedeut-same Errungenschaften des europäi-schen Wirtschafts- und Sozialmodellsallzu leicht zur Disposition zu stellen.Die Strategie der Kommission erfährtdeshalb zur Zeit deutliche Kritik ausdem Europäischen Parlament und ausden Mitgliedstaaten. Es geht bei die-ser Richtlinie aber nicht nur um Wirt-schafts- und Sozialpolitik. Das Richt-linienvorhaben droht in seiner gegen-wärtigen Form, auch Errungenschaf-ten der kulturellen und audiovisuellenPolitik in Europa zu unterminieren.Denn was für die Dienstleistungenvon Handwerksmeistern, Wirtschafts-prüfern, Fremdenführern oder Soft-ware-Spezialisten gilt, passt noch lan-ge nicht auf audiovisuelle Dienstleis-tungen. Die Rolle der - im weitestenSinne - Kulturdienstleister ist vorran-gig nicht durch die Bereitstellungmarktgängiger Produkte definiert,sondern besteht im Wesentlichen da-rin, Beiträge für die funktionsfähigeDemokratie, für eine pluralistischeGesellschaft und für ein kulturell viel-fältiges Leben zu erbringen. Hierbeigeht es auch um individuelle und ge-sellschaftliche Identitäten. Diese sogenannten meritorischen Güter las-sen sich nicht in Euro und Cent auf-rechnen und sind doch so wertvollund geradezu unbezahlbar für die Ge-sellschaften, aber auch für die Wirt-schaftsstandorte in Europa. An Kultur-dienstleistungen und ihre Erbringerkönnen somit nur in sehr einge-schränktem Maße die Maßstäbe desMarktes und des Wettbewerbs ange-legt werden.Es ist in diesem Zusammenhang pa-radox, dass sich die Kommission an

der Seite der EU-Mitgliedstaaten inder UNESCO für eine Konventionzum Schutz der kulturellen Vielfaltim Kontext der Handelsliberalisie-rung engagiert, in der Union aberdieses Ziel der Vollendung des Bin-nenmarkts unterordnen will.

ARD und ZDF setzen sich des-halb an der Seite der Kulturwirt-schaft dafür ein, dass audiovisuelleDienstleistungen gänzlich aus demAnwendungsbereich der Richtlinieausgenommen werden.

Die Dienstleistungs-Richtlinie fin-det nicht nur inzidenter auf den audi-ovisuellen Sektor Anwendung, weil sieals horizontal angelegte Richtliniesozusagen systemimmanent alleDienstleistungen ungeachtet ihrer tat-sächlichen Unterschiede erfasst. Nein,die Richtlinie ist sogar bewusst daraufangelegt, die Regelungskompetenzder Mitgliedstaaten im audiovisuellenSektor zu unterminieren.

Zentrale Instrumente

Der Richtlinienentwurf unterwirft ex-plizit einige zentrale Instrumentariender Mitgliedstaaten zur Verhinderungder Medienkonzentration und zurFörderung der kulturellen Vielfalt imRundfunksektor der Aufsicht und vor-herigen Genehmigung der Kommissi-on. Das gilt etwa für Must Carry Re-geln für die Kabelbelegung und dieVergabe von Rundfunkfrequenzen.Eigentlich müssten diese Instrumen-te vom Geltungsbereich der Dienst-leistungs-Richtlinie ausgenommensein. Denn im Richtlinienentwurfheißt es ausdrücklich, dass die Richt-linie nicht auf den Telekommunikati-onssektor anzuwenden ist, da dieserim sog. Telekom-Paket der Kommis-sion schon im Jahre 2001 detailliertgeregelt wurde. Zu diesem Paket zäh-len auch Regeln zu Must Carry und zurVergabe von Rundfunkfrequenzen.Das Recht der Mitgliedstaaten, dieEinspeisung bestimmter Fernsehpro-gramme in Kabelnetze festzulegen, istbeispielsweise detailliert in der Uni-versaldienst-Richtlinie geregelt.

Ausgerechnet aber für die Verga-be von Rundfunkfrequenzen und fürMust Carry Regeln soll nach demWillen der Kommission die Ausnah-me von der Ausnahme gelten: Dasheißt, genau diese beiden Regelun-gen sollen in den Geltungsbereichauch der Dienstleistungs-Richtlinie

fallen. Was wären die Konsequen-zen? Künftig müssten sich die Bun-desländer, so die Bedingungen desRichtlinienentwurfs, alle Änderun-gen ihrer Rundfunkgesetze bzw.Staatsverträge, soweit diese sich mitKabeleinspeisung oder Frequenzver-gabe beschäftigten, von der General-direktion Binnenmarkt vorher ge-nehmigen lassen. Dabei würde diePrüfung nach den strengen Maßstä-ben der Verhältnismäßigkeit derDienstleistungs-Richtlinie erfolgen.Deren einziges Ziel ist aber die Ver-wirklichung des Binnenmarkts. EineSicherungsklausel, nach der die Mit-gliedstaaten auch Erwägungen zumSchutz der kulturellen Vielfalt unddes Medienpluralismus anstellendürften, fehlt im Richtlinienentwurf.

Dieser Angriff auf die Rundfunk-kompetenz der Mitgliedstaaten gehtvon dem im Richtlinienentwurf vor-gesehenen sog. Verwaltungsverfah-ren aus. Er ist also keine Konsequenzdes so kontrovers diskutierten Her-kunftslandprinzips. Von diesemPrinzip gehen aber die potenziell fa-talsten Wirkungen für die Rundfunk-kompetenz der Länder aus.

Zur Fernsehrichtlinie

Fernsehen ist bislang auf europäi-scher Ebene in der Fernseh-Richtli-nie geregelt und müsste damit alssektorielle europäische Regelung ei-gentlich der Dienstleistungs-Richtli-nie vorgehen. Hier soll außer Achtgelassen werden, dass der gegenwär-tige Richtlinienentwurf an dieser Stel-le keineswegs eindeutig ist und nichtklar genug den Vorrang der Fernseh-Richtlinie bezeichnet. Dieses Mankoließe sich sicher leicht durch eineKlarstellung beheben. Damit scheintsogar die Generaldirektion Binnen-markt einverstanden zu sein.

Sehr viel gravierender ist allerdingsschon der Umstand, dass die Fernseh-Richtlinie ganz bewusst bestimmteBereiche von der europäischen Har-monisierung ausgenommen hat, umauf das Subsidiaritätsprinzip im Rund-funksektor Rücksicht zu nehmen. Bei-spiele sind etwa die Regelungen zurWahlberichterstattung oder zusprachlichen Anforderungen anRundfunkprogramme. Aber auch derHörfunk wurde bewusst nicht auf eu-ropäischer Ebene harmonisiert, weiles ihm an der ausreichenden grenzü-berschreitenden Dimension fehlt.

Jetzt soll in all diesen Bereichendas Herkunftslandprinzip der Dienst-leistungs-Richtlinie gelten, und dasohne eine vorherige Mindestharmo-nisierung. Bei der Weiterleitung voneuropäischen Radiosendern inner-halb Deutschlands würde dies alsobeispielsweise bedeuten, dass für sienur noch die Regeln zur Werbungund zum Jugendschutz aus ihremUrsprungsland gelten würden.

Dies alles stellt sehr gravierendeEingriffe in die Rundfunkkompetenzder Mitgliedstaaten dar. Aber die größ-te Gefahr liegt in einer bisher nochvöllig verkannten politischen Dimen-sion dieses Regelungsvorschlags.

Schon seit längerem wird eineRevision der Fernseh-Richtlinie imSinne der Weiterentwicklung dieserRichtlinie hin zu einer sog. Inhalte-

Momentaufnahme beim Parlamentarischen Gespräch DKR und WDR, v.l.n.r.:Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB; Wolfgang Bosbach, MdB; LaurenzMeyer, MdB Foto: Deutscher Kulturrat

-politik angeschlossen. Zum einendrohen durch die geplante RichtlinieWertungswidersprüche zwischen derexternen Handels- und Kulturpolitikder EU, die derzeit den besonderenCharakter der audiovisuellen Dienstebei den GATS-Verhandlungen striktverteidigt, während sie bei der Gestal-

Fortsetzung von Seite 19tung des Sekundärrechts zunehmenddie Tendenz zeigt, audiovisuelleDienste primär als Wirtschaftsgutzu regeln. Zum anderen ist unklar,wie sich das Verhältnis zu anderenRichtlinien, zum Beispiel der Richtli-nie „Fernsehen ohne Grenzen“ dar-stellt. Hier drohen divergierendeRechtsrahmen für audiovisuelle In-halte, je nachdem auf welchem Wegsie übertragen werden. Schließlichstellt die geplante Richtlinie dasdeutsche Rundfunkzulassungsver-

fahren in Frage. Die Sicherung desMedien- und Meinungspluralismus,die Frequenzknappheit, der Jugend-schutz und der Verbraucherschutzerfordern aber besondere nationa-le Zulassungssysteme. Aus Sicht derLänder liegen Definition und Aus-gestaltung der Zulassungssystemein der alleinigen Kompetenz derMitgliedstaaten und können des-halb nicht unter reinen Binnen-marktgesichtspunkten auf die Ge-meinschaft verlagert werden.

Die Besonderheit des kulturellenund audiovisuellen Bereichs imRahmen der Handelsgüter wirdauch im Verfassungsvertrag deut-lich. Dort wird für den Bereich desHandels mit kulturellen und audi-ovisuellen Leistungen weiterhindie Einstimmigkeit im Ministerratvorgesehen. Damit ist ein klaresZeichen gesetzt, dass die Mitglied-staaten ihren Einfluss in diesemBereich nicht an die EU abgebenwerden.

Auf ihrem Frühjahrsgipfel haben dieStaats- und Regierungschefs entschie-den, dass die Richtlinie grundlegendüberarbeitet werden muss. Die Länderwerden den weiteren Beratungen auf-merksam folgen und sich in den wei-teren Fortgang der Verhandlungenentsprechend einbringen.

Die Verfasserin ist stellvertretendeReferatsleiterin des Referates

Europapolitik im Staatsministeri-um Baden-Württemberg

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Momentaufnahme beim Parlamentarischen Gespräch DKR und WDR, v.l.n.r.:Thomas Silberhorn, MdB; Mitarbeiter Deutscher Bundestag; Rainer Funke, MdB

Foto: Deutscher Kulturrat

Richtlinie gefordert. Gemeint ist da-mit, dass die Konvergenz der elektro-nischen Medien dazu geführt hat,dass die Fernsehrichtlinie technolo-gisch veraltet ist. Sie regelt nur klas-sische Fernseh-Programme, die„point-to-multipoint“ übertragenwerden. Video-on-Demand und an-dere Mediendienste, die in Deutsch-land im Sinne des Mediendienste-Staatsvertrags geregelt sind, sind vonder geltenden Fernseh-Richtlinienicht erfasst. Deshalb fordernDeutschland und weitere Mitglied-staaten, dass der Anwendungsbe-reich der Fernseh-Richtlinie auf an-dere elektronische öffentliche Medi-enangebote erweitert werden sollte.Diese Erweiterung soll im Sinne ei-ner abgestuften Regelungsdichte ge-schehen, d.h. also mit unterschied-lichem Regulierungsniveau je nachMassenwirksamkeit des Angebots.Kommissarin Reding, die in der EUfür die audivisuellen Medien zustän-dig ist, hat bereits angedeutet, dasssie sich einen entsprechenden Revi-sionsvorschlag für die Fernseh-Richt-linie noch in diesem Jahr vorstellenkönne. Ob dies tatsächlich geschieht,ist aber noch keineswegs ausge-macht. Denn gegen diese Überlegun-gen formiert sich Widerstand, nichtnur von Seiten der Industrie, auch inder Kommission selbst. Dieser Wider-stand nährt sich aus grundsätzlichenideologischen Überzeugungen: Be-darf es im digitalen Zeitalterüberhaupt noch einer inhaltlichenRegulierung der elektronischen Me-dien, oder könnte man Werberegelnund Jugendschutz nicht einfach derfreiwilligen Selbstkontrolle der Indus-trie überlassen? Hat diese Multikanal-welt wirklich noch etwas mit Kulturzu tun, oder ist sie nicht vielmehr nurein großer Marktplatz, der sich alleinnach Angebot und Nachfrage regelt?

Diese Überlegungen sind auchfür die Zukunft des öffentlich-recht-lichen Rundfunks unmittelbar rele-vant. Sie spielen aber auch im Zu-sammenhang mit der Dienstleis-tungs-Richtlinie eine große Rolle.Denn würde die Richtlinie in der vor-geschlagenen Form in Kraft treten,würde das Prinzip anerkannt, dass inden elektronischen Medien, alsovom Radio über bestimmte Bereichedes Fernsehens bis hin zu den neu-en Mediendiensten, das reine Her-kunftslandprinzip ohne jegliche eu-ropäische Mindestharmonisierung

Anwendung finden sollte. Das aberwäre ein entscheidender politischerRückschritt für die Forderung übereine Revision der Fernseh-Richtliniedoch bestimmte Mediendienste ei-ner europäischen Mindestregulie-rung zu unterwerfen.

Statt dessen erlaubt doch die Gel-tung der Dienstleistungs-Richtlinieeine ganz andere Strategie: Künftigkönnen internationale Medienkon-zerne ihren Firmensitz in das Landder Europäischen Union verlegen,das vermeintlich hinderliche medi-enrechtliche Regulierungen abzu-schaffen bereit ist. Diesen tendenzi-ell unregulierten Zustand könnteman dann in alle anderen Mitglied-staaten der Union exportieren. Wielange wird es dann noch dauern, bissich auch die deutschen Bundeslän-der im Standortwettbewerb gezwun-gen sähen, auf ihre medienrechtli-che Regulierungskompetenz nachund nach zu verzichten?

Letztlich würde die Liberalisie-rung der audiovisuellen Dienste, wiesie durch die Dienstleistungsrichtli-nie in ihrer jetzigen Form zu erfolgendroht, auch die bisherige Position derEuropäischen Union bei den GATS-Verhandlungen im Rahmen der WTOgrundsätzlich in Frage gestellt. Ausgutem Grund sind die audiovisuellenDienste in der EU de facto von der in-ternationalen Handelsliberalisierungausgeschlossen. Denn nur so erhal-ten sich die Union und ihre Mitglied-staaten die Möglichkeit, audiovisuel-le Dienste angemessen zu regulierenund zu fördern. Dies dient dem Ziel,die kulturelle Vielfalt und den Medi-enpluralismus zu bewahren und zustärken. Aus diesem Grund engagiertsich die Union an der Seite der Mit-gliedstaaten in der UNESCO auch füreine internationale Konvention fürdie kulturelle Vielfalt. Es wäre also –wie bereits eingangs kurz skizziert -deshalb völlig unverständlich, wenndie EU diese Haltung im Rahmen derHandelsliberalisierung verteidigte,zugleich aber innerhalb der EU dar-an ginge, die Besonderheiten der au-diovisuellen Dienste den Gesetzmä-ßigkeiten des Binnenmarktes zu op-fern. Die Verhandlungsposition derEU im Rahmen des GATS würde da-mit Glaubwürdigkeit und Wirkungverlieren.

Der Verfasser ist Intendant desWestdeutschen Rundfunks

Page 21: Kulturland Deutschland

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Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare Foto: Archiv

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Trotz der weit reichenden Bedeu-tung der Dienstleistungsrichtli-

nie selbst für die Medien fand derbereits im Februar 2004 unterbreite-te Kommissionsvorschlag in derdeutschen Öffentlichkeit erst Auf-merksamkeit, als Journalisten einJahr später im Februar 2005 die mas-senhafte Beschäftigung osteuropäi-scher Arbeitnehmer zu Dumping-konditionen in niedersächsischenSchlachthöfen aufdeckten. Der lau-te Ruf, Lohn- und Sozialdumping zuunterbinden, trifft zwar die Stim-mungslage der aufgebrachten Bevöl-kerung. Doch die schnell geforder-ten Änderungen der Dienstleis-tungsrichtlinie werden das Problemschon deshalb nicht lösen können,weil die Richtlinie mangels Verab-schiedung nicht die Ursache derfestgestellten Missstände sein kann.

Reaktive Reflexe dieser Art stattproaktiver Politik kennzeichnen viel-fach die Behandlung von EU-Ange-legenheiten. Dabei haben alle Bun-desregierungen nicht selten selbstdie Anregung zu so mancher Initia-

tive der Kommission gegeben undzudem an den regelmäßig mehrereJahre dauernden vorbereitenden Ar-beiten teilgenommen, worüberallerdings der Bundestag jeweilsnicht unterrichtet wird. Auch derEntwurf der Dienstleistungsrichtli-nie ist in seinen Grundzügen selbst-verständlich mit den nationalen Re-gierungen abgestimmt. Schließlichist die Vollendung des Binnenmarktsfür Dienstleistungen ein Kernpunktder so genannten „Lissabon-Strate-gie“ der Staats- und Regierungs-chefs, die EU bis 2010 zum „wettbe-werbsfähigsten und dynamischstenwissensbasierten Wirtschaftsraumder Welt“ zu machen.

Dementsprechend hat der Euro-päische Rat am 22./23. März 2005 inBrüssel die zentralen Ziele bekräf-tigt, Wachstum und Beschäftigungzu fördern und die Wettbewerbsfä-higkeit zu stärken. Hierzu müsse„der Binnenmarkt für Dienstleistun-gen in vollem Umfang funktionieren,wobei zugleich das europäische So-zialmodell zu wahren ist“. Deshalb„fordert der Europäische Rat, dassim Rahmen des Rechtsetzungsver-fahrens alle Anstrengungen unter-nommen werden, damit ein breiterKonsens herbeigeführt werdenkann, der allen Zielen gerecht wird.“Die Staats- und Regierungschefs üb-ten sich damit erfolgreich in derQuadratur der Kreises – ein Klassi-ker der Gipfellyrik.

Ungeachtet dieses Konsenses imEuropäischen Rat forderte der deut-sche Bundeskanzler vor den Mikro-fonen eine grundlegende Überarbei-

tung der Dienstleistungsrichtlinie,während der französische Staatsprä-sident die „totale Ablehnung“ an-kündigte. Dies wird freilich nichtsdaran ändern, dass die Kommissionan ihrem Entwurf nichts ändernwird. Vielmehr liegt der Ball nunbeim Europäischen Parlament undanschließend beim Ministerrat. DieRegierungen werden also selbst ihreÄnderungswünsche präzisieren undMehrheiten dafür organisieren müs-sen.

Die kulturellen und audiovisuel-len Dienstleistungen verdienendabei besondere Aufmerksamkeit.Schließlich geht es hier nicht nur umWachstum und Wettbewerbsfähig-keit, sondern auch um den Erhaltvon kultureller Vielfalt und Medien-pluralismus. Aus diesem Grund be-darf die geplante Einführung desHerkunftslandprinzips, demzufolgeder Erbringer einer Dienstleistunglediglich den Bestimmungen seinesHerkunftslandes unterliegt, einerkritischen Überprüfung.

Im audiovisuellen Bereich istzwar das Herkunftslandprinzip inFernsehrichtlinie, Telekompaketund eCommerce-Richtlinie veran-kert. Insoweit bedarf es jedoch einerKlarstellung, dass diese bereichsspe-zifischen Regelungen nicht durchallgemeine Bestimmungen derDienstleistungsrichtlinie verdrängtwerden können. Im Übrigen wäre esein gangbarer Weg, in Form einerPositivliste den Anwendungsbereichdes Herkunftslandprinzips exakteinzugrenzen. Dann wäre es möglich,den Kulturbereich sowie audiovisuel-

le Medien zumindest teilweise nichteinzubeziehen. Schließlich sollte dieRevision der Fernsehrichtlinie mitdem Ziel der Einbeziehung des digi-talen Sektors und von online-Ange-boten gleich mit erledigt werden,wofür freilich ein gesonderter Vor-schlag der Kommission erforderlichwäre.

Auch wenn die Debatte bislangvon Sachlichkeit kaum getrübt war:Gerade deshalb ist es wohl gelungen,in Deutschland eine öffentliche Dis-kussion über die Dienstleistungs-richtlinie anzustoßen. Wie nur seltenzuvor besteht damit die Chance, imRahmen eines breiten Diskurses Ein-fluss auf die Beratungen in Europäi-schem Parlament und Ministerrat zunehmen.

Dabei werden manche Defizite inder Befassung mit EU-Vorlagen zuTage treten. So hat der DeutscheBundestag zwar eine Stellungnah-me zur Dienstleistungsrichtlinie ab-gegeben, die aber die Bundesregie-rung nicht beachten, sondern ledig-lich berücksichtigen muss. WelchePosition die Bundesregierung ein-nimmt, bleibt ihr überlassen undfür Dritte im Unklaren, insbeson-dere wenn divergierende Auffassun-gen zwischen verschiedenen Res-sorts bestehen.

Die Verhandlungen in den vor-bereitenden Arbeitsgruppen desRates und im Ausschuss der Ständi-gen Vertreter betrachtet die Bundes-regierung ohnehin als reines Regie-rungsgeschäft, über das der Bun-destag nicht unterrichtet wird. Eserfolgt noch nicht einmal eine Rück-

meldung, ob und inwieweit die Be-schlüsse des Bundestages in denMinisterrat eingebracht und durch-gesetzt werden konnten.

Solche Verfahrensweisen mögenerklären, weshalb öffentliche Auf-merksamkeit für EU-Vorhaben soschwer zu erzielen ist und oft aufSkandalberichterstattung beschränktbleibt. In der mangelnden Transpa-renz der Entscheidungsfindungdürfte auch eine der wesentlichenUrsachen für die schwindende Ak-zeptanz der europäischen Integrati-on liegen.

Was Not tut ist daher, wichtigeVorhaben der EU in den Mitglied-staaten vor der jeweiligen nationa-len Öffentlichkeit zur Diskussion zustellen. Die nationalen Parlamentesind dafür die geeigneten Foren. Siemüssen ihre Rolle bei der Mitwir-kung an der EU-Rechtsetzung neudefinieren. So soll etwa der DeutscheBundestag erweiterte Informations-und Beteiligungsrechte gegenüberder Bundesregierung erhalten. Dennje mehr die Bundesregierung inBrüssel und nicht in Berlin entschei-det, desto effizienter müssen die Par-lamentarier ihre Kontrollfunktion imHinblick auf das Verhalten der Bun-desregierung im Ministerrat wahr-nehmen.

Der Verfasser ist Mitglied desDeutschen Bundestags und Mitgliedim Ausschuss für die Angelegenhei-ten der Europäischen Union sowieim Rechtsausschuss des Deutschen

Bundestages, Mitglied im Parteivor-stand der CSU

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Leider gibt es aber auch eineSchattenseite im Zusammen-

hang mit der Kunst in Deutschland,nämlich den Bereich der Besteue-rung von (ausländischen) Bühnen-künstlern. Die Form der Besteue-rung ist altmodisch, schwerfällig undzum Teil für den ausländischen Be-trachter unverständlich. Auch nach-dem der Europäische Gerichtshof(EuGH) in Luxemburg für Kenner derBranche im Sinne einer gerechtenBesteuerung geurteilt hat aber auchnach Vorstößen der EuropäischenKommission in Brüssel im Wege desVertragsverletzungsverfahrensscheint Deutschland noch immersein archaisches Steuersystem bei-behalten zu wollen. Es gibt im Be-reich der Besteuerung zwei großeProblembereiche für Bühnenkünst-ler: (1) die Umsatzsteuerbefreiungfür die Leistungen der kulturellenEinrichtungen, und (2) die Ertrags-besteuerung.

So flexibel und herausragendDeutschland bei der Förderungkünstlerischer Äußerungen ist, umso konservativer und engstirniger istder deutsche Gesetzgeber und damit

auch die Steuerverwaltung gegenü-ber (ausländischen) Künstlern, so-weit es um eine gerechte Behand-lung im Bereich der Besteuerunggeht. Als Außenstehender ist nicht zuverstehen wovor eigentlich Deutsch-land Angst hat.

Umsatzsteuerprobleme(und –möglichkeiten)

Im Bereich der Umsatzsteuer liegtdas Problem bei der (Nicht-)Anwen-dung der Freistellungsmöglichkei-ten, die das nationale und europäi-sche Recht für kulturelle Einrichtun-gen und Individualkünstler bietet.Arbeiten diese Personen für eindeutsches Theater, Konzerthaus,Museum oder eine Kunsthalle, wer-den ihre Leistungen oft nicht alsgleichwertig im Vergleich mit öffent-lich-rechtlich organisierten Einrich-tungen angesehen. Darüber hinauswird in der Praxis oft eine 16 %igeUmsatzsteuer von der Gage in Abzuggebracht was – vorsichtig ausge-drückt - fremdartig erscheint, daallenfalls Umsatzsteuer i.H.v. 7% ge-schuldet wird. Jens Michow hathierzu bereits einen Artikel in pukMärz-April 2005, S. 22, veröffent-licht, der auf die wesentlichen Pro-blemstellungen eingeht.

Die Freistellung wird nicht füralle Gruppen von Steuerschuldnernaus dem Bühnenbereich gewährt.Ein Teil der Betroffenen wird m.E.willkürlich aus der Begünstigungausgeklammert, worauf später nocheinmal eingegangen wird. DieserUmstand befremdet, sind doch Leis-tungen von Individuen Teil der zen-tralen Aktivitäten einer kulturellenEinrichtung i.S.d. § 4 Nr. 20(a) desUmsatzsteuergesetzes. Diesesspricht nämlich über Umsätze“gleichartiger Einrichtungen andererUnternehmer, …… wenn sie die glei-chen kulturellen Aufgaben …… erfül-

len”. Vor dem Hintergrund dieserRegelung als auch vor derjenigen desArt. 13 A Abs. 1 n) der 6. EG-Richtli-nie ist der kundige Betrachter nichtüberrascht darüber, dass die frühernoch weiter eingeschränkte Mög-lichkeit der Freistellung von Einzel-künstlern im Wege der Vorabent-scheidung des BGH durch den Euro-päischen Gerichtshof (EuGH) alsnicht gemeinschaftsrechtskonformerachtet wurde. In der RechtssacheMatthias Hoffmann (Urteil 3.4.2003,C-144/00) nämlich entschied dasGericht, dass die früher vorgesehe-ne generelle Unterscheidung bei derBefreiung zwischen Einzelkünstlernund Gruppen gegen die 6. EG-Richt-linie verstößt, denn es ergab sich fürdie ausschließliche Freistellung vonGruppen kein Rechtfertigungs-grund. Das Bundesfinanzministeri-um (BMF) hat die Fehlinterpretati-on der europäischen Richtlinie ein-gestanden und regelte im Wege einesSchreibens am 31.7.2003, wie bis zurÄnderung des Gesetzes zu verfahrenist.

Leider hatte das BMF nicht denMut gehabt, die m.E. (klare) Ent-scheidung des EuGH in dem Sinneumzusetzen, dass nicht nur indivi-duell auf der Bühne auftretendeKünstler begünstigt werden, son-dern auch solche, die kein Instru-ment spielen, wie Dirigenten oderaber auch Regisseure und Bühnen-bilder. Diese einschränkende Inter-pretation wird von den zuständigenBehörden der Bundesländer unter-stützt, die in der Praxis für die Ertei-lung der für die Gewährung der Frei-stellung erforderlichen Bescheini-gung zuständig sind.

An diesem Verhaltensmusterverdeutlicht sich die Tragödie derdeutschen Steuergesetzgebung beider Erfassung und Abgrenzung vonBerufsbildern, welche für die Be-günstigung in Betracht kommen

und welche nicht. Inzwischen sindweitere Verfahren bei Gerichtenwegen der Befreiung der Dirigentenund Regisseure anhängig gemachtworden. Nicht auszuschließen ist,dass der Europäische Gerichtshoferneut deutliche Worte sprechenmuss. Der Nachteil besteht bei derin Deutschland gewählten Verfah-rensweise darin, dass erst Jahre spä-ter die bestehende Ungleichbe-handlung festgestellt wird,mittlerweile aber viele deutscheund ausländische Betroffene wegeneingetretener Verjährung nichtmehr im Wege der richtigen Besteu-erung kompensiert werden können.Warum agiert Deutschland nichtflexibeler, zumal die Folgen für dasStaatsbudget gering sind?

Auch muss mit berücksichtigtwerden, dass die Steuerbefreiungnicht immer vorteilhaft ist. Dabei istzu berücksichtigen, dass der Vorsteu-erabzug verloren geht, was zu Nach-teilen führen kann. Daher ist es be-fremdlich, dass Deutschland über-

haupt den Weg der Steuerbefreiungbeschritten hat. Die 6. EG-Richtliniebietet für die Umsatzsteuer in Anla-ge H alternativ auch die Möglichkeitdie Eintrittseinnahmen für Konzer-te, Theater und Museen allgemeingesehen unter einen ermäßigtenUmsatzsteuersatz zu bringen. VieleEU-Länder, wie z.B. die Niederlande,haben ausschließlich diese Möglich-keit genutzt. Der ermäßigte Umsatz-steuersatz ist wohl überwiegend vor-teilhafter als eine Umsatzsteuerbe-freiung ohne Berechtigung zum Ab-zug der Vorsteuer. In der BerlinerZeitung vom 28.01.2005 habe ich z.B.gelesen, dass das Berliner Ensembleneben seinen Subventionen unge-fähr 23 % selbst erwirtschaftete Ein-nahmen erzielt. Daraus könnte derRückschluss gezogen werden, dasssich die normale Umsatzbesteue-rung günstiger auswirkt als eine Um-satzsteuerbefreiung, es sei denn der

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Page 22: Kulturland Deutschland

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Staat möchte verhindern, dass seineSubventionen, wegen der Erfassungdes Zuschusses bei der Umsatzbe-steuerung als zusätzliches Entgelt,steigen müssen.

Deutschland sollte m.E. die inder 6. EG-Richtlinie verankertenMöglichkeiten ausgewogener nutz-bar machen.

Einkommensteuerpro-bleme und -möglichkeiten

Die steuerlichen Probleme sindleider im Bereich der Einkommen-steuer noch gravierender, soweit esum die korrekte steuerliche Erfas-sung von ausländischen Bühnen-künstlern geht. Dieses verdeutlichtsich daran, dass 21,1 % der Brutto-gage selbständiger Künstler (ein-schließlich SolZ) als Quellensteuerim Wege des Steuerabzugs erhobenwerden, ohne dass die Möglichkeiteingeräumt wird, vor der Erhebungder Steuer Kosten bereits an derQuelle in Abzug zu bringen. Die Wir-kungsweise der in § 50a Abs. 4 EStGverankerten Quellensteuererhebungvon den Einnahmen verdeutlichtsich an folgendem Beispiel:

eine ausländische Popgruppemit 4 Musikern erhält eine Gage von€ 8.000 für ein Konzert in Deutsch-land. Die Kosten für Transport, Ton,Licht, Agent, Manager, Techniker,Hotels, Essen, Trinken, usw. betragen€ 6.000, so dass ein Gewinn von €2.000 verbleibt. Betrachtet man nurden Gewinn könnte man sagen, die-ser sei nicht schlecht für ein einzi-ges Konzert. Bei Berücksichtigungder deutschen Einkommensteuer(incl. SolZ) von 21,1 % auf € 8.000,beträgt der Steuerabzug aber € 1.688.Das entspricht bei einem Gewinnvon € 2.000 einem durchschnittli-chen Steuersatz von 84,4 % bezogenauf das Nettoergebnis! Steuern indieser Größenordnung zahlen selbstGroßverdiener nicht! Zurück in ih-rem Wohnsitzstaat versuchen dieseKünstler eine Steueranrechnungdurchzusetzen. Unterstellt der per-sönliche Steuersatz beträgt durch-schnittlich 35 % auf den Gewinn von€ 2.000 sind das lediglich € 700. Da-mit „erwirtschaftet“ nur dieses ein-zelne Konzert eine Übermaßbesteu-erung von € 1688 – €700 = € 988! Die-ser Umstand trägt dazu bei, dass sichdavon betroffene Künstler dasnächste Mal gut überlegen werden inDeutschland aufzutreten. Eine steu-erliche Schlechterstellung in dieserGrößenordnung lässt den eigentlich

zu erwartenden Grad an Gastfreund-lichkeit vermissen.

In der Praxis wird gegen die zuvorbeschriebene Wirkungsweise derBesteuerung an der Quelle einge-wendet, dass das nachgelagerte sog.vereinfachte Erstattungsverfahrenals Problemlösung dienen kann (§ 50Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG). In diesemVerfahren kann der Künstler nachdem Auftritt einen Antrag auf Erstat-tung stellen und so die zuviel gezahlteSteuer zurückerhalten. Dieses Verfah-ren ist leider aber zu kompliziert, dennes müssen die Originalbelege beige-fügt werden; des Weiteren dürfen nurdie direkten Kosten abgezogen wer-den. Schließlich wird auch nur dieSteuer erstattet, die vom Veranstalteran das Finanzamt abgeführt wurde. Inder Praxis pflege ich zu sagen, dass essich eigentlich um ein „erschwertesErstattungsverfahren“ handelt, weilwegen der bestehenden Probleme nurwenige ausländische Künstler einenAntrag stellen. Pro Jahr sind es z. Zt.weniger als 100.

Zur Entlastung beigetragen hat dieeingeführte Staffelbesteuerung fürKleinkünstler. Für diese Vertreter desGeschäfts mit der Kunst gelten ab 2002geringere Bruttosteuersätze bei Gagenunter € 1.000 pro Person pro Auftritt.Auch die Senkung des Steuersatzesvon 25% der Einnahmen auf 20% ab1. Januar 2003 führte zu einer zu be-grüßenden Entlastung.

Trotz dieser Bestrebungen istDeutschland leider für viele ausländi-sche Künstler ein Land, das wegen derverbliebenen Belastungen eine Förde-rung des internationalen Kulturaus-tausches verhindert. Aber Europa übtDruck auf Deutschland aus, beziehtman die Regelungen des EG-Vertragesin Betrachtung mit ein. In der ArnoudGerritse Entscheidung des EuGH vom12.06.2003 (C-234/01) ist entschiedenworden, dass das deutsche Beteue-rungssystem für ausländische Künst-ler nicht gemeinschaftsrechtskonformist. Das Gericht hat festgestellt, dassKosten abgezogen werden dürfen. Ver-bliebene Zweifel dahingehend, ob undin welchem Umfang der Kostenabzugbereits an der Quelle zu gewähren istbzw. ob eine in Deutschland gewähr-te ertragsteuerliche Steuerbefreiungauch für ausländische Institutionengilt, werden in den laufenden Verfah-ren von FKP Scorpio Konzertproduk-tionen GmbH (C-290/04), CentroEquestre da Leziria Grande Lda (C-345/04) und Centro di MusicologiaWalter Stauffer (C-386/04) geklärt wer-den. Darüber hinaus hat die Europä-ische Kommission im Oktober 2004zusätzlich ein Vertragsverletzungs-verfahren gegen Deutschland einge-leitet, weil man in den AktivitätenDeutschlands seit der Entscheidungdes EuGH i.S. Gerritse keine ausrei-

chende Reaktion i.S.d. Gemein-schaftsrechts gesehen hat.

Insbesondere auf Grund des zu-vor genannten EuGH Verfahrens FKPScorpio Konzertproduktionen GmbHhat das BMF am 17.10.2004 amtlichgeregelt, dass die von den ausländi-schen Künstlern einbehaltene Ab-zugsteuer bei Einspruch und Bean-tragung der Aussetzung der Vollzie-hung nicht abzuführen ist. Es bleibtzu hoffen, dass Aussetzung der Voll-ziehung nicht bedeutet, dass späterwieder ein Grund gesucht wird, dieunberechtigt einbehaltene Steuerunter einem anderen Vorwand nichtauszuzahlen.

Es steht die Frage im Raume, wa-rum sich Deutschland nicht interna-tionalen Erkenntnissen bei der Quel-lenbesteuerung anpasst. Gute Bei-spiele zeigen das Vereinigte König-reich und das Königreich der Nieder-lande, die schon seit Jahren einenKostenabzug bei der Quellenbesteu-erung zulassen. Des Weiteren erlau-ben diese Länder zusätzlich, imWege der Einkommensteuerveranla-gung ggf. weiter bestehende Erstat-tungen durchzusetzen. In beidenLändern begutachtet ein speziali-siertes Finanzamt die Anträge aufKostenberücksichtigung. Die dortarbeitenden Beamten haben eineumfassende Sachkenntnis aufge-baut und können die Kostenstrukturwegen der eigenen Erfahrungenpostwendend beurteilen.

Das Problem in Deutschland be-steht darin, dass es keine Erkenntnis-se über die Kostenstruktur bei Kon-zerten gibt und dass dadurch bedingtdie favorisierte Einnahmenbesteue-rung zu einer Last wird. Der inDeutschland ansässige Unternehmerwürde sich der beschriebenen Ver-fahrensweise widersetzen; zudem lie-ße das deutsche Verfassungsrechteine solche Verfahrensweise nicht zu.Warum aber werden ausländischeKünstler anders, d.h. ungünstiger be-handelt? In den Niederlanden habenwir eine Untersuchung durchgeführt,wonach die Kostenbelastung bei 2500Auftritten in 3 Jahren (2001-2004)analysiert wurde. Das Ergebnis wardeutlich. Es wurde nämlich erkenn-bar, dass die durchschnittliche Belas-tung bei 75 % der Einnahmen liegt.

Der Ausfall von Steuereinnah-men darf für Deutschland nicht dasArgument sein, an der dargestelltenungerechten Form der Besteuerungvon ausländischen Künstlern festzu-halten. Eine Untersuchung des nie-derländischen Finanzministeriumsaus dem Jahr 2002 ergab, dass in die-sem Jahr eine Summe von €33,5 Mio.als Bruttovergütung an ausländischeKünstler und Sportler gezahlt wurde.Bei einer Bruttobesteuerung mit ei-nem Steuersatz von 20 % ergibt sich

daraus ein potentieller Ertrag von €6,7 Mio. Bei einer zu erkennendenKostenbelastung von durchschnitt-lich 75 % beträgt der steuerpflichti-ge Nettoertrag ca. €1,68 Mio. Die Be-völkerung in Deutschland ist 5-malgrößer als die in den Niederlanden,wobei beide Länder ökonomisch zuvergleichen sind. Bei einem Steuers-atz in Deutschland von 21,1 % (ein-schl. SolZ) dürfte die deutsche Ab-zugsteuer in 2002 deswegen maxi-mal € 33,5 Mio. eingebracht haben.Bei einer gerechten Form der Be-steuerung würden sich die Steuer-aufnahmen auf € 8,5 Mio. verringern.

Beide Summen sind nicht sohoch, dass man sie als tragend be-zogen auf den Staatshaushalt anse-hen müsste. Bezieht man noch dieKosten des Staates aus der Überprü-fung und Überwachung mit ein wirderkennbar, dass er eigentlich einen„Verlust“ aus dieser potentiellenSteuerquelle erzielt. Mehr Realismusbei der Steuererhebung würdeDeutschland bei ausländischenKünstlern ein mehr positives Gesichtverschaffen als das bisher bestehen-de System der Diskriminierung.

Bleibt Deutschland in derDefensive?

Als Außenstehender bin ich über diedefensive Haltung der deutschen Fi-nanzbehörden gegenüber (ausländi-schen) Künstlern erstaunt. Eine of-fensivere Haftung wäre durchaus an-gebracht.

Europa bietet viele Möglichkei-ten, die genutzt werden könnten. Aufder einen Seite steht die Umsatz-steuer. In diesem Bereich sollteDeutschland so bald wie möglich dieSteuerbefreiung für kulturelle Ein-

Dick Molenaar in seinem Büro in Rotterdam Foto: Tim Zonne

Fortsetzung von Seite 21

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richtungen auf Regisseure, Dirigen-ten und Bühnenbilder ausdehnen.Will man den Kultureinrichtungeneinen steuerlichen Vorteil verschaf-fen ist auch in Erwägung zu ziehen,diese Unternehmer dem ermäßigtenSteuersatz mit Vorsteuerabzug zuunterwerfen.

Auf der anderen Seite steht derBereich der Einkommensteuer, indem Deutschland erhebliche ge-meinschaftsrechtliche Probleme hat.Es sieht im Ergebnis für Deutschlandnicht gut aus, in der Ecke der Verlie-rer zu stehen. Die Rechtsentwicklungauf der Ebene des EuGH ist nach derArnoud Gerritse Entscheidung nochnicht beendet und wird sich mit Scor-pio, Centro Equestre und Stauffernoch weiter entwickeln. Das Ergeb-nis wird sein, dass Deutschland ge-zwungen sein wird in jeder Phase derBesteuerung, auch bei ausländischenKünstlern, Steuern vom Nettoergeb-nis zu erheben. Daher sei die Frageerlaubt, warum sich der deutscheGesetzgeber und das BMF nichtschon heute in die europäische Ent-wicklung einer ehrlichen Künstlerbe-steuerung einreiht? Der Steuerausfallist gering; die Verwaltungskosten ver-ringern sich; alle Seiten hätten ge-wonnen.

Deutschland hat die Möglichkei-ten aus der Defensive zu kommenund einer offensiveren und positive-ren Taktik zu folgen. Deutschlandwürde es gut zu Gesicht stehen, dieTüren für die Verständigung der Völ-ker weit zu öffnen. Nicht zuletztdient ein solcher Ansatz auch derwirtschaftlichen Entwicklung.

Der Verfasser ist Steuerberater

bei All Arts Belastingadviseurs inRotterdam, Niederlande.

Die Ausnahme ist die Regel;�1������������;�1�������<�����#��=�&�����������.

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A usgangspunkt des Gesprächeswar das Positionspapier des

BBE vom 14. Juli 2004 „Bürgerschaft-lich Engagierte unbürokratisch för-dern“. In diesem Papier werden vonSeiten des BBE Probleme der Zu-wendungsnehmer in der Anwen-dung des Zuwendungsrechts be-schrieben und Lösungsmöglichkei-ten aufgezeigt. Nachdem bereits einGespräch mit dem Bundesministe-rium des Innern geführt wurde,stand nun ein Austausch mit demBundesverwaltungsamt an.

Im Bundesnetzwerk Bürgerschaftli-ches Engagements arbeiten ca. 180Verbände und Organisationen ausden verschiedensten Bereichen derZivilgesellschaft von der Wohlfahrts-pflege, den Kirchen, den Gewerk-schaften, den Naturschutzverbän-den, der Selbsthilfe, den Jugendein-richtungen bis zum Kulturbereichzusammen. Das BundesnetzwerkBürgerschaftliches Engagementsgeht u.a. auf den Nationalen Beiratzur Begleitung des InternationalenJahres der Freiwilligen 2001 zurück.

Das Bundesverwaltungsamt isteine nachgeordnete Bundesbehör-de. Es ist Dienstleister für verschie-dene Bundesministerien. Die Abtei-lung II ist u.a. Zuwendungsdienstlei-ster für folgende Bundesministerien:· Bundesministerium des Innern

(BMI)· Bundesministerium für Familie,

Senioren, Frauen und Jugend(BMFSFJ)

· Beauftragte der Bundesregierungfür Kultur und Medien (BKM)

· Auswärtiges Amt (AA)· Bundesministerium für Bildung

und Forschung (BMBF)· Bundesministerium der Verteidi-

gung (BMV)Das Gesamtbewirtschaftsvolu-

men der Abteilung II umfasste imJahr 2004 1,2 Mrd. Euro. Die Refe-ratsgruppe II A hat sieben Referate,die Zuwendungen in Höhe von 600Mio. Euro im Jahr 2004 an ca. 2.400Zuwendungsempfänger in rd. 2.200Projekten ausgereicht haben.

Das BVA präsentierte sich in derDiskussion mit den anwesenden Ver-tretern aus den Reihen des BBE alseine moderne Dienstleistungsbe-hörde. Im Mittelpunkt der Betrach-tung standen Zuwendungen ausdem Bereich des BMFSFJ, die aufGrund der Vorgaben des Kinder- undJugendplans des Bundes und desBundesaltenplans eine relativ hohe

Regelungsdichte und Verbindlich-keit haben.

Der zuständige Referatsgruppen-leiter, der das Heft während der Ver-anstaltung fest in der Hand behielt,stellt gleich zu Beginn klar, wofür dasBVA nicht zuständig ist, nämlich:· Lockerung des Jährlichkeitsprin-

zips· Veränderung hinsichtlich der Ver-

wendungsfrist von 2 Monaten· Vorgabe der Finanzierungsarten

hinsichtlich institutioneller undProjektförderung

· Definition zuwendungsfähigerAusgaben.

Zuständig ist das BVA für:· zügige Sachbearbeitung unter Be-

rücksichtigung der jeweiligen Be-sonderheiten beim Zuwendungs-empfänger

· Gestaltung von Abrufmodalitätenim Rahmen der 2-Monats-Frist

· zeitnahe Prüfung des Verwen-dungsnachweises

· Beratung hinsichtlich der Beach-tung von Rechtsvorschriften

· Ermessensausübung im Rahmender jeweiligen Vorschriften

Der letztgenannte Punkt, die Er-messungsausübung im Rahmen derjeweiligen Vorschriften, war derDreh- und Angelpunkt der sehr an-regenden Diskussionen über dengesamten Tag hinweg. Bei fast allenProblemen, die von Zuwendungs-empfängern geschildert wurden,wurde entweder darauf verwiesen,dass sie nicht in die Zuständigkeitdes BVA fallen oder aber im Rahmendes Ermessens ohnehin alles zumBesten des Zuwendungsempfängersgeregelt würde. Dabei war unmiss-verständlich klar, wer die Regelungs-kompetenz besitzt, nämlich das BVAals Zuwendungsgeber und wer sichnach den Regeln zu richten hat,

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Page 23: Kulturland Deutschland

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Da man hierauf nicht wartenkann und weil ein vielstimmi-

ges Lamento niemanden weiter-bringt, sind intelligentere Lösungengefragt. Anstatt dass Kulturschaffen-de ihren Gartenzaun erhöhen undsich in autistischem Lobbying aufrei-ben, wäre die sinnvolle Öffnung zurPflege von Nachbarschaftshilfe einkonstruktiver Weg. Vorausgesetzt, esentsteht ein gemeinsamer Nutzen,ein neuer Mehrwert, eine innovativeEnergie. „Strategische Allianzen“heißt das Stichwort, unter dem dieJeunesses Musicales Deutschland(JMD) und die Deutsche Orchester-vereinigung (DOV ) eine breiteSchnittfläche gefunden haben unddiese aktiv bearbeiten. Freilich ist derbundesverbandliche Schulterschlusskein Selbstzweck, sondern hat zumZiel, weitere Impulse auf der Ebeneder jeweiligen Mitglieder zu bewirken– also im Nahbereich der zumeistkommunal verorteten Jugend- undKulturorchester – , um somit dasjeweils im eigenen Verband verkör-perte Netzwerk zur Bildung von Syn-apsen draußen in der freien Orches-terlandschaft zu stimulieren.

„tutti pro“ heißt die Initiative, mitder JMD und DOV seit Herbst letz-ten Jahres die Jugendorchester unddie Berufsorchester in Deutschlandmiteinander in Verbindung bringen.Orchesterpatenschaft nennt sich dasModell, das die beiden Verbändenach bestimmten Kriterien mit einerUrkunde offiziell anerkennen. „Be-denkt man, dass wir die Hürde nichtzu niedrig gehängt haben, ist derAnfangserfolg sehr beachtlich“,schätzt JMD-Generalsekretär Ulrich

Wüster die Aktion ein. „Als hätten dieOrchester nur darauf gewartet.“ Sowurde zum Beispiel zwischen demPuchheimer Jugendkammerorches-ter und dem Münchner Kammeror-chester, dem Collegium Musicumder Berliner Universitäten TU/FUund dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, der Jungen Süd-deutschen Philharmonie Esslingenund dem SWR-Radio-Sinfonieor-chester Stuttgart, sowie dem Jugend-sinfonieorchester Ludwigsburg unddem Staatsorchester Stuttgart auf-grund der Initiative erst kürzlich Pa-tenschaftsverträge unterzeichnet.

Entstanden ist die Initiative „tut-ti pro“ im Rahmen einer Kooperati-onsvereinbarung zwischen JMD undDOV. Diese wurde am 29. April 2004im Schloss Bellevue in Berlin unter-zeichnet und erfuhr durch die Ein-ladung und Anwesenheit des dama-ligen Bundespräsidenten JohannesRau sowie Staatsministerin Dr. Weissund der Kulturausschussvorsitzen-den des Bundestages Griefahn be-sondere Würdigung. Mit ihrer Zu-sammenarbeit wollen JMD und DOVdie Vielfalt und Lebendigkeit der ein-zigartigen Orchesterlandschaft inDeutschland erhalten. NachÜber-zeugung der DOV, die mit rund13.500 Mitgliedern die Musiker-innen und Musiker der deutschenKulturorchester vertritt, müssen Or-chester vor allem aktive Kontakte zujungen Menschen aufbauen, wasauch durch diese Initiative möglichwird. Die Mitgliedsorchester der Jeu-nesses Musicales Deutschland, dieder Fachverband für über 220 Ju-gendorchester mit rund 15.000 jun-gen Musikerinnen und Musikern ist,können ihr musikalisches Bildungs-angebot um eine wesentliche Facet-te erweitern und qualifizieren.Bei der Vermittlung von Patenschaf-ten arbeiten JMD und DOV eng zu-sammen. So werden Anfragen wei-tergeleitet und Ansprechpartner in-teressierter Orchester ausgetauscht,die durch Umfragen beider Verbän-de bei ihren Mitgliedern ermitteltwurden. Über 30 weitere Patenschaf-ten befinden sich derzeit in Vorberei-tung. Konkrete Hilfestellung erhaltendie Orchester durch eine Materialien-sammlung, die ihnen Informationenzur Gründung von Patenschaften lie-fert. So stellen DOV und JMD etwaeinen Muster-Patenschaftsvertragoder eine Good-Practice-Sammlungzur Verfügung. Die Initiative inner-halb der Orchester ergreifen die Mu-siker, der Dirigent oder der Vorstandjedoch jeweils selbst.

„Oftmals geht gerade in den Be-rufsorchestern die Initiative von denMusikern aus“, freut sich GeraldMertens, Geschäftsführer der DOV,über das Engagement seiner Mitglie-der, „und die haben auch manchmaleiniges an Überzeugungsarbeit zuleisten“. Doch immerhin profitierenauch die Profis von der nachbar-

schaftlichen Bewegung, mancherOrchestermusiker findet in der Ar-beit mit den Jugendlichen eine inter-essante zusätzlich motivierende Auf-gabe, das Orchester kann gerade überdie Mitglieder der Jugendorchesterund deren Familien- und Bekannten-kreise eine treue „Fankurve“ für deneigenen Konzertsaal entwickeln. Undinsgesamt ist das aktive Bekenntniszu musikalischer Bildungsarbeit einweiterer positiver Faktor für dasImage und die Wertschätzung derdeutschen Kulturorchester.

Andreas Schultze-Florey vertrittim JMD-Bundesvorstand die Initiati-ve. Er ist Fagottist beim Niedersächsi-schen Staatsorchester Hannover, dasbereits eine Kooperation mit dem Nie-dersächsischen Jugendsinfonieor-chester pflegt. Er hat fest gestellt, dassin fast allen Berufsorchestern die viel-fältigen außermusikalischen Bega-bungen der Musiker kaum genutztoder kreativ in den Berufsalltag einge-bunden werden. Durch die Paten-schaft zum Jugendorchester sehensich die Orchestermusiker mit derÜbernahme von Verantwortunganders gefordert. Durch den direktenDialog mit den Jugendlichen unddurch ihr pädagogisches Einfühlungs-vermögen können sie ihre Kompeten-zen vermitteln. „Diese Tätigkeitenkönnen“, so Andreas Schultze-Florey,„einen Ausgleich zur psychisch undphysisch besonderen Arbeitsweise imOrchester bieten und das Berufsbild inder Öffentlichkeit positiv beeinflus-

sen. Das Staatsorchester zeigt mit die-ser Patenschaft, dass es kulturelle Ver-antwortung übernimmt, dass seineMitglieder einschließlich aller Betei-ligten im Umfeld wesentlich mehr zuleisten im Stande sind, als schöne Kon-zerte für ein ausgesuchtes Publikumzu produzieren.“

Die Attraktivität der Jungen Süd-deutschen Philharmonie Esslingen(JSPE) wird durch ihre Patenschaftmit dem SWR-Radio-Sinfonieor-chester Stuttgart (RSO) für Musikstu-denten gesteigert, die „besondersheiß“ auf den Kontakt mit den Profi-musikern seien, so Ulrich Egerer,JSPE-Vorstand. Besetzungsschwie-rigkeiten, die es für manche Projek-te schon mal gegeben habe, dürftenzukünftig der Vergangenheit angehö-ren. Für das RSO ist die PatenschaftTeil ihres neu eingeführten Bildungs-programms mit dem sie demnächstzur musikpädagogischen Arbeit fürJugendliche beitragen. In Zukunftwerden die Musiker des RSO als Kon-zertsolisten beim JSPE auftreten unddie Funktionen von Beratern undDozenten während der Proben und inWorkshops übernehmen. Die Mit-glieder des Jugendorchesters dürfenalle Arbeitsproben des Berufsorches-ters besuchen. Ein gemeinsamesKonzert ist bereits in Planung.

Die Mitglieder des Jugendsinfo-nieorchesters Ludwigsburg werdendurch ein Angebot des Staatsorches-ters Stuttgart besonders motiviert:Gute Musiker des Jugendorchesters

dürfen in Proben und eventuell auchin Konzerten mitspielen. Zudemstellt das Staatsorchester dem Ju-gendorchester kostenlos Leihinstru-mente zur Verfügung.

Bernd Wyszynski, Geschäftsfüh-rer des Collegiums Musicums derBerliner Universitäten TU/FU, freutsich vor allem über die Fachkompe-tenz bei der Beratung und bei denStimmproben, die seine Musikstu-denten jetzt durch die Musiker desDeutschen Symphonie-OrchestersBerlin erhalten. Im Gegenzug erhältdas Patenorchester neues Publikumaus jungen Musikstudenten, diebereits großes Interesse an verbillig-ten Eintrittskarten zu dessen Kon-zerten zeigten. „Ohne die Initiativetutti pro“, sagt Bernd Wyszynski,„wäre diese Patenschaft wahrschein-lich nicht zustande gekommen“, under hofft, „dass noch viele Orchesterdavon profitieren können“.

Funktionierende Orchesterpa-tenschaften werden von DOV undJMD mit einer öffentlichen Urkun-denverleihung gewürdigt. Diese for-male Anerkennung wird Patenschaf-ten nur verliehen, wenn sie be-stimmte Mindestkriterien erfüllen,um die Qualität der musikpädagogi-schen Arbeit zu gewährleisten. Sosoll es vor allem zu einem aktivenKontakt und Austausch zwischen Ju-gendlichen und Profis kommen.

Die erste Urkunde nach dem „tutti pro“-Standard von Jeunesses Musicales und Deutscher Orchestervereinigung über-reichten DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens (2. V.l.) und JMD-Vorstandsmitglied Konstanze Schreiber (r.) an den Kon-zertmeister der Deutschen Streicherphilharmonie, Adam Markowski (l.) und an David Drop (2.v.r.), Vorstandsmitglieddes RundfunkSinfonieorchesters Berlin. Foto: Jeunesses Musicales

nämlich der Zuwendungsempfän-ger. Ebenso deutlich wurde, dass esfür fast jede Regel eine Ausnahmegibt, so dass der Eindruck entstanddie Ausnahme ist die Regel.

Zuwendungen werden recht grobin den §§ 23 und 44 der Bundeshaus-haltsordnung (BHO) beschrieben. Imeinschlägigen Kommentar zur Bun-deshaushaltsordnung, der u.a. vomehemaligen Leiter der Abteilung Kul-tur im Bundesministerium des Innerndem inzwischen verstorbenen Dr. vonKöckritz begründet wurde, ist nachzu-lesen, dass Zuwendungen in der Haus-haltspraxis eine große Bedeutung ha-ben, da die Bundesbehörden hierüberdie Möglichkeit haben, politische Ak-

Fortsetzung von Seite 22zente zu setzen. Ebenso klar wird indiesem Kommentar formuliert, dassauf Grund einer Vielzahl unbestimm-ter Rechtsbegriffe, die Verwaltung ei-nen weiten Auslegungsspielraum be-sitzt und eine Rechtssprechung weit-gehend fehlt. Die fehlende Rechts-sprechung rührt zum einen daher,dass Rechtsstreitigkeiten innerhalbder staatlichen Seite, also z.B. zwi-schen Ministerien und dem Rech-nungshof nicht ausgetragen werdenkönnen, da es sich um unzulässige„Insichprozesse“ handeln würde unddass Zuwendungsempfänger es tun-lich unterlassen zu klagen, da siezumeist auf staatliche Förderung an-gewiesen sind und daher alles ver-meiden, was das Verhältnis belastenkönnte. Diese eindeutigen Worte, dieim Kommentar zum Zuwendungs-

recht Köckritz et al. nachgelesen wer-den können, kennzeichnen das Ver-hältnis zwischen Zuwendungsgeberund Zuwendungsnehmer: der Zu-wendungsgeber hat das Sagen, derZuwendungsnehmer nimmt hin.Dieses wird u.a. darin deutlich, wennmit Stolz verkündet wird, dass Spen-den nicht vollständig auf Zuwendun-gen angerechnet werden, damit dasInteresse beim Zuwendungsempfän-ger nicht erlahmt, sich um Spendenzu bemühen. Wie viel Prozent einerSpende allerdings beim Zuwen-dungsempfänger verbleiben und wieviel auf die Förderung angerechnetwird, liegt wiederum im Ermessendes Zuwendungsgebers.

Dieses aus meiner Sicht unglei-che Verhältnis war auch bei demsehr offenen und freundlichen Ge-

spräch des BBE mit dem BVA bestim-mend. Ohne Zweifel ist das BVA be-strebt, ein moderner kundenorien-tierter Dienstleister zu sein, der In-formationen schnell weiterreichtund seine Vorgänge zügig bearbeitet.Selbstverständlich haben sich diezuständigen Mitarbeiterinnen undMitarbeiter eine große Kompetenz inihrer beruflichen Praxis angeeignet.Was aber fehlt, ist ein Verständnis fürdie grundsätzlich unterschiedlicheHerangehensweise an Zuwendungenzwischen Zuwendungsgeber und Zu-wendungsnehmer. Für den Zuwen-dungsnehmer steht der Inhalt im Vor-dergrund, um diesen zu verfolgen,nutzt er mangels eigener Mittel Zu-wendungen. Für den Zuwendungsge-ber steht das Recht im Vordergrund,innerhalb der Gestaltungsräume, die

das Recht lässt, werden die Zuwen-dungen ausgereicht.

Da der Zuwendungsgeber zahlrei-che Möglichkeiten besitzt im Rah-men des geltenden Rechts nach sei-nem Ermessen zu entscheiden, wirdauch nicht die Notwendigkeit gese-hen, grundsätzliche Veränderungenvorzunehmen. Wenn es in der An-wendung des Zuwendungsrechtshakt, liegt es allein am Zuwendungs-empfänger. Schulungen sollen dannAbhilfe schaffen. Auch wenn diesesicherlich wünschenswert sind, soll-te von Seiten der Zivilgesellschaftnicht nachgelassen werden, grund-sätzliche Veränderungen einzufor-dern. Eine wesentliche Veränderungwäre bereits, wenn Zuwendungsemp-fänger und Zuwendungsgeber auf Au-genhöhe verhandeln würden.

Weiter auf Seite 24

Page 24: Kulturland Deutschland

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Fortsetzung von Seite 23

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Begehbare Kunst-Kiste soll auf Weltreise'���� ��8�����A��8����/7;4/3�9���"��A��� $�����/�22

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Die Bühne spielt seit längeremeine zentrale Rolle im Marja-

novs künstlerischem Denken undArbeiten, doch hat er bisher nie fürdas Theater oder im Größenmaßstabeiner bespielbaren Bühne gestaltet.1989 entstand das Barbecue-Wand-

ertheater, das Erinnerungen an eineWanderbühne, an ein Theater ausdem Koffer weckt. Es folgte eine Rei-he höchst inspirierter skulpturaler Ar-beiten, die auf Bühne und Theatermetaphorisch Bezug nehmen. In dasJahr 2003 datiert Marjanovs bisherletzte Allusion an den Theatertopos:die Serie der 20 kleinen Theaterkisten,die in ihrer synästhetischen Wirkunggleichsam ein Theater im Kopf entste-hen lassen. Dabei handelt es sich umkleine, an der Wand befestigte Käst-chen, die ein reiches Innenleben ent-halten, das sich dem Betrachter beimÖffnen entbirgt, die durch fotografi-sche Bilder und akustische Signale er-gänzt werden und die Titel von neu-zeitlichen Theaterstücken mit Archi-

tekturbezug tragen. Was hier in derForm kleiner, höchst suggestiver plas-tisch-architektonischer Capriccios inErscheinung tritt, soll nun in Form ei-ner betretbaren und bespielbarenWanderbühne Wirklichkeit werden.

THEATRON ist begehbare Skulp-tur, Miniaturwanderbühne, Ort derMöglichkeiten für die unterschied-lichsten Formen der künstlerischenAneignung und Interpretation. Diepotentiellen Akteure können Tänzer,Darsteller, Poeten oder Musiker sein;sie können mit den offenen Vorga-ben von THEATRON auch gänzlichneue Kunst- und Präsentationsfor-men erproben. Gegeben sind ein ku-bischer Metallrahmen in der Art ei-nes Tisches, darunter ein nach oben

THEATRON von Wasa Marjanov Foto: Achim Kukulis

Jetzt muss die Politik ihre Schlüsse ziehen;<�����+�22������� ��2����������$%���� ��2��������2�����*������=�%�����������"����� �?�22��2�

hin offener roter Würfel mit einerKantenlänge von 3 Metern. Die Sei-tenwände des aus Aluminium gefer-tigten Kubus sind beweglich, dasheißt, hier kann nicht nur eine Seitegeöffnet werden, um den Blick desräumlich fixierten Betrachters ineine Guckkastenbühne zu lenken;hier können in einem vom Künstlernicht vorbestimmten Rhythmuseine, zwei, drei oder alle vier Wändenach unten geklappt werden. Aufdiese Weise verwandelt sich derSchauplatz von der klassischenGuckkastenbühne in eine an zweiSeiten offene Passage oder eineüber Eck bzw. an drei Seiten offeneBühne. Sind alle Wände geöffnet, soentfaltet sich eine fünfteilige Flächemit einem zentralen Bodenquadrat.Je nach Art der Öffnung werden dieAkteure und mit ihnen das Publi-kum den Standort wechseln. THE-ATRON gleicht einer mobilen,überaus flexiblen Versuchsanord-nung, die allerdings gewisse ästhe-tische Vorgaben seitens des Künst-lers enthält: Die Wand- und Boden-flächen sind mit geometrischenKörpern besetzt, die die Akteure inihr Spiel produktiv einbeziehenmüssen. Mehrere Zylinder unter-schiedlicher Größe, eine Kugel, eingeknickter Kegel, ein Kubus, eineflache Ellipse und diverse anderegeometrische Objekte sind als festmontierte Requisiten Teil der Büh-nenausstattung. Sie fügen sich inWasa Marjanovs formales Vokabu-lar, das auf den Findungen der abs-trakten geometrischen Moderne,insbesondere des Bauhauses, ba-siert. Dort, am Bauhaus, wurdeauch die Idee der Experimentier-bühne erprobt. Insbesondere OskarSchlemmer hat eine hochgradig ar-tifizielle, abstrakte Aufführungspra-

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Arbeit derEnquete-Kommission

Die Enquete-Kommission „Kulturin Deutschland“ wurde im Juli

2003 vom Deutschen Bundestag ein-gesetzt. Laut Einsetzungsbeschlusshat sie den Auftrag nach einer Be-standsaufnahme dem DeutschenBundestag Handlungsempfehlun-gen zur Verbesserung der Rahmen-bedingungen von Kunst und Kulturunterbreiten. Dabei soll auch dieEntwicklung der Informationsgesell-

schaft Berücksichtigung finden.Im Oktober 2003 hat die 22-köp-

fige Enquete-Kommission, die auself Abgeordneten und elf Sachver-ständigen zusammengesetzt ist, miteinem ehrgeizigen Programm ihreArbeit aufgenommen. Der komplet-te Kulturbereich mit all seinen unter-schiedlichen Strukturen und Akteu-ren soll zunächst in einer Bestands-aufnahme analysiert werden, damitauf dieser Grundlage Handlungs-empfehlungen entwickelt werdenkönnen. Adressat der Handlungs-empfehlungen ist der Deutsche Bun-destag. Er soll noch im Novemberdieses Jahres den Abschlussberichtdebattieren, damit noch in dieserLegislaturperiode erste gesetzgebe-rische Maßnahmen auf den Weg ge-bracht werden können.

ExpertenanhörungBibliotheken

In der Expertenanhörung zum öf-fentlichen Bibliothekswesen stan-den den Mitgliedern der Enquete-

Kommission neun Experten aus denunterschiedlichen Bereichen des Bi-bliothekswesens von der Bundesver-einigung Bibliotheks- und Informa-tionsverbände bis zur Regionalbibli-othek in Neubrandenburg zur Verfü-gung. Sowohl wissenschaftliche Bi-bliotheken, als auch kirchliche, Re-gional- wie Stadtbibliotheken warenrepräsentiert. Die Bertelsmann-Stif-tung, die lange Jahre hinweg Innova-tionen im Bibliothekswesen geför-dert hat, stand den Mitgliedern derEnquete-Kommission ebenfallsRede und Antwort.

Den Experten war vorab ein um-fänglicher Fragenkatalog zu denStrukturen des Bibliothekswesensund dem Beitrag der Bibliothekenzur kulturellen Bildung zugegangen.Dank der ausführlichen Antwortenaller Expertinnen und Expertenkonnte bei der Anhörung direkt inmedias res gegangen werden.

Beklagt wurde von den meistender angehörten Expertinnen und Ex-perten die mangelnde Wertschätzungbibliothekarischer Arbeit.

Mangelnde Wertschätzungder Arbeit

Obwohl öffentliche Bibliothekenmit ihrem nahezu flächendecken-den Angebot weitaus mehr Nutze-rinnen und Nutzer erreichen alsandere Kultureinrichtungen wiebeispielsweise ein Theater, führensie in der kulturpolitischen Debatteoftmals ein Schattendasein. Es istdaher ein wichtiges kulturpoliti-sches Signal, dass die Enquete-Kom-mission den Problemen der Biblio-theken in einer öffentlichen Anhö-rung nachgegangen ist. Fast uniso-no wurde von den Experten ein Bi-bliotheksgesetz eingefordert. Dabeierwarten die meisten davon v.a. Pla-nungssicherheit und mehr Verbind-lichkeit für die Finanzierung undUnterstützung der gesellschaftli-chen Aufgaben der Bibliotheken.

Ein Bibliotheksgesetz als ersterSchritt und darauf fußend ein zwi-schen Bund und Ländern abge-stimmter Bibliotheksentwicklungs-plan müsste Bibliotheken in ihrer

Schnittstellenfunktion zwischenden Bereichen Kultur, Bildung, Wis-senschaft und manchmal auch So-zialarbeit beschreiben.

EntwicklungshemmnisFöderalismus

Der Föderalismus und die in jüngs-ter Zeit immer stärkere Abgrenzungder Länder ist für Bibliotheken einEntwicklungshemmnis. Es fehlt dasübergeordnete klare Bekenntnis zuBibliotheken als wichtigen Orten derBereitstellung von Informationen,ganz gleich auf welchem Medium.Das Kompetenznetzwerk Bibliothe-ken, das nach langem Hickhack end-lich seine Arbeit aufnehmen konn-te, kann lediglich einen Teil der Auf-gaben wahrnehmen, die bis Anfangder 90er Jahre vom Deutschen Bibli-otheksinstitut als übergreifender In-stitution für das deutsche Biblio-thekswesen erfüllt wurden.

Weiter auf Seite 25

Die bundesweit erste Urkundenver-leihung dieser Art fand am 23.De-zember 2004 in Berlin statt. Dortwurde die über 30-jährige Koopera-tion der Deutschen Streicherphilhar-monie und des Rundfunk-Sinfonie-orchesters Berlin (RSB) gewürdigt.Schirmherrin dieser Verleihung warGitta Connemann, Vorsitzende der

Enqueté-Kommission „Kultur inDeutschland“ des Deutschen Bun-destages, ein gutes Zeichen, dass dieInitiative „tutti pro“ auch politischwahrgenommen wird. Bei dem Kon-zert der „Deutschen Streicherphil-harmonie“ wurde die Urkunde ver-liehen und bildete den Abschluss ei-ner von RSB-Chefdirigent Marek Ja-nowski und dem Dozententeam derDeutschen Streicherphilharmonieehrenamtlich geleiteten Arbeitspha-se. Schon seit Gründung des Orches-ters sind Mitglieder des RSB als Men-toren für die Deutsche Streicherphil-

harmonie tätig. Sie sprechen regel-mäßig Einladungen zu Proben undKonzerten des RSB aus und regengemeinsame Projekte an. So soll imSeptember 2005 erstmals ein ge-meinsames Konzert von RSB undDeutscher Streicherphilharmonierealisiert werden.

Die nächste Urkunde wird derbereits seit 2002 bestehenden Koo-peration zwischen dem Niedersäch-sischen Jugendsinfonieorchesterund dem Niedersächsischen Staats-orchester Hannover verliehen. Vorder Unterzeichnung des Paten-

schaftsvertrages gab es nur einemündliche Absprache. Durch die of-fizielle Patenschaft wird die Initiati-ve Einzelner nun vom gesamten Or-chester getragen und von der Or-chesterleitung aktiv unterstützt.

Und so ist der Name der Initiati-ve Programm: „tutti pro“ spielt mitdem Fachbegriff für „volles Orches-ter“ auf das Füreinander-Einstehenan und die darauf aufbauende Bin-dung und Verantwortung. „tutti pro“könnte damit auch als Leitgedankeeiner kooperativ denkenden undhandelnden Kulturpolitik dienen,

die für die Kulturtragenden nicht al-lein ein strategischer Weg zur gegen-seitigen Absicherung wäre, sondernauch neue Handlungsmöglichkeitenohne den zwangsläufigen Einsatzneuer Ressourcen ermöglichte.

Claudia Dünnebier ist Studierendedes Studiengangs Kultur- und

Tourismusmanagement an der Fach-hochschule Heilbronn-Künzelsau

Ulrich Wüster ist Generalsekretärder Jeunesses Musicales

Deutschland

xis entwickelt. Dies ist eine der(Kunst-)Geschichten, die THEA-TRON in sich trägt; es gibt viele an-dere, die dieses Phantasie anregen-de Projekt aktivieren wird.

Ein mögliches Szenario siehtvor, dass eine Aufführung an einemOrt in sieben Tagen erarbeitet unddass sie dann in sieben verschiede-nen Bühnenformationen in siebenmal sieben Minuten realisiert wird.Die Dokumentation einer jedenAufführung steht den jeweils nach-folgenden Spielorten zur Verfügung.Auf diese Weise entsteht im Ideal-fall ein Archiv des Welttheaters enminiature: individuell und globalzugleich. THEATRON besticht auf-grund seiner einfachen, praktikab-len Technik, die das Aufführungsge-schehen gänzlich unabhängig vonden komplizierten Prozessen einesgroßen und schwerfälligen Theater-apparates macht. Es überzeugt auf-grund seiner allgemein verständli-chen und deshalb in den unter-schiedlichsten kulturellen Zusam-menhängen vermittelbaren Kon-zeption. Es berührt aufgrund seineshumanen Maßstabes und seineskommunikativen Potentials.

Bisher ist THEATRON nur Mo-dell, ein handliches, in leuchtendbunten Farben angestrichenes Holz-kistchen. Man wünscht sich, dassdiese originelle Kiste mit dem not-wendigen Transportequipment ge-baut wird, dass sie auf Reisen geht,dass sie an unterschiedlichen Ortender Welt Station macht. Die Auf-merksamkeit der Betrachter dürftediesem ungewöhnlichen Projekt si-cher sein.

Die Verfasserin ist wissenschaftlicheLeiterin, K20 Kunstsammlung

Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Page 25: Kulturland Deutschland

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Ehrenamt ja oder nein

Hinsichtlich des Einsatzes ehrenamt-licher Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter tat sich der alte Graben zwi-schen den kirchlichen und den öf-fentlichen Bibliotheken wieder auf.

Der Vorstand vom BID (Bibliothek und Information Deutschland) mit Olaf Zim-mermann (DKR): v.l.: Dr. Klaus-Steffen Dittrich, Barbara Schleihagen, Dr. Win-fried Sühl-Strohmenger, Prof. Dr. E. Mittler, Christian Hasiewicz, Helmut Rös-ner, Dr. Claudia Lux, Dr. Jürgen Warmbrunn, Dr. Georg Ruppelt, Michael Reis-ser, Christel Mahnke, Olaf Zimmermann, Henner Grube.Foto: Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek

setzt werden dürfen. In diesem State-ment scheint die schwierige Lagevon Bibliotheken durch. Bibliothe-ken sind schon längst auf Mitarbei-ter angewiesen, die mit Hilfe arbeits-marktpolitischer Maßnahmen in Bi-bliotheken arbeiten, da die Mittelnicht ausreichen, um alle Tätigkeits-felder mit festangestelltem professi-onellen Personal zu erfüllen. Die Dis-

Fortsetzung von Seite 24

Föderalismus contra Baukultur?"��#���������-�� �%��*

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A ls der Bundesrat den inzwischenvom Bundeskabinett verab-

schiedeten Gesetzentwurf dann am18. Februar 2005 diskutierte, sahplötzlich alles ganz anders aus. AufAntrag Hessens und Baden-Wüttem-bergs lehnte die Länderkammer dasVorhaben ab. Unter Verweis auf dieKulturhoheit der Länder und die Fö-deralismuskommission sprach Jo-

chen Riebel, Hessicher Minister fürBundes- und Europaangelegenhei-ten, dem Bund die Gesetzgebungs-kompetenz für die Errichtung einerBundesstiftung Baukultur ab. Dassder Bund als Bauherr und im Bereichder Städtebauförderung so oder soTräger von Baukultur ist und dass einStiftungsziel die AußendarstellungDeutschlands sein soll, spielte fürdie Bundesratsmehrheit jedenfallskeine Rolle. Und auch bei der erstenBeratung des Gesetzentwurfes imBundestag am 10. März 2005 be-gründete Renate Blank die ableh-nende Haltung der CDU/CSU-Frak-tion damit, dass die Bundesländer„seit dem Scheitern der Föderalis-muskommission noch stärker aufdie Wahrung ihrer Verfassungsrech-te“ achten.

Selbst die Kritiker der Bundesstif-tung Baukultur bezweifeln nicht,dass in Deutschland mehr für Bau-kultur getan werden muss. Deshalbbleibt zu hoffen, dass die Stiftungnicht dem Föderalismusstreit zumOpfer fällt. Gemessen an den Etatsvon Institutionen mit ähnlichen

Aufgaben wie der Deutschen Bun-desstiftung Umwelt oder der Kultur-stiftung der Länder wäre die Bun-desstiftung Baukultur ohnehin einäußerst zartes Pflänzchen. Im Ge-setzentwurf sind gerade einmal250.000 Euro als Stiftungskapitalvorgesehen und in den Finanzplander Bundesregierung bis 2008 zu-sätzlich 1,5 Millionen Euro jährlicheingestellt.Wer es ernst meint mit der Baukul-tur, sollte sich deshalb nicht im Zu-ständigkeitshickhack verlieren, son-dern für eine bessere finanzielle Aus-stattung der Stiftung einsetzen. Au-ßerdem wäre es gut, wenn die Stif-tung unabhängiger von Bundesmi-nisterien und -tag würde als im Ge-setzentwurf vorgesehen und Berlinals Stiftungssitz festgeschriebenwürde.

Es wird sich bald zeigen, ob esden Gegnern des Gesetzentwurfesum Baukultur oder um bloße Obst-ruktion geht.

Die Verfasserin ist Sprecherin desRates für Baukultur

Öffentliche Bibliotheken in kirchli-cher Trägerschaft gründen auf ehren-amtlichem Engagement. Auch imländlichen Raum und bei der wohn-ortnahen Bibliotheksversorgung,sprich den Stadtteilbibliotheken,könnte ohne ehrenamtliches Engage-ment das vorhandene Angebot längstnicht mehr aufrecht erhalten werden.Dennoch wird von Seiten der öffent-lichen Bibliotheken das ehrenamtli-che Engagement in der Bibliothekeher kritisch gesehen und als geeig-nete Einsatzfelder ehrenamtlichenEngagement eher Freundes- und För-derkreise erachtet. Mit Bedacht wirddarauf verwiesen, dass professionel-le Bibliotheksdienste durch ehren-amtlich tätige Mitarbeiter nicht er-

kussion um Bürgerschaftliches En-gagements und seit jüngstem dieEin-Euro-Jobs hat die Debatte ver-schärft.

Bibliotheken undkulturelle Bildung

Im Zusammenhang mit der Entwick-lung von Ganztagsschulen kommenauf Bibliotheken neue Aufgaben zu.Sie können sich auch hier als Orteder kulturellen Bildung profilieren,zumal Ganztagsschule nicht auto-matisch heißt, dass die Kinder undJugendlichen den ganzen Tag in derSchule sind. Die Ganztagsschule bie-tet vielmehr die Chance, allen Kin-dern den Zugang zu Einrichtungen

der kulturellen Bildung, wiebeispielsweise Bibliotheken, durchgemeinsame Besuche zu eröffnen.Als zweischneidiges Schwert wirdteilweise der Ausbau von Schulbib-liotheken gesehen. Hier sollte nachMeinung der Experten stärker dieKooperation mit öffentlichen Bibli-otheken gesucht werden.

Umsetzung in Politik

Die Anhörung der Enquete-Kom-mission zum Öffentlichen Biblio-thekswesen in der Bestandsaufnah-me zur Kultur in Deutschland. AmBeispiel der Bibliotheken wurde

deutlich, welche Anforderungen anKultureinrichtungen gestellt werden,welche Probleme auf Grund knapperRessourcen, aber auch mangelnderAbstimmung in der Politik vorhabensind und welche Leistung eine Kul-tureinrichtung erbringt.

Dennoch wird es nicht einfachsein, für viele der angesprochenenProbleme durch eine Handlungs-empfehlung an den DeutschenBundestag zumindest eine Lösungs-perspektive zu entwickeln. Deutlichwurde vielmehr, dass es gilt, den ko-operativen Föderalismus weiterzu-entwickeln und die Zusammenar-beit von Bund, Ländern und Kom-

munen zu verstärken, statt die Ent-flechtung der Zuständigkeiten vor-anzutreiben, wie es von einigen Län-dern gefordert wird. Ein Bibliotheks-gesetz könnte ein Beispiel für eingemeinsames Vorgehen von Bund,Ländern und Kommunen werden.Vielleicht sind die Bibliotheken einsehr gutes Modell, um diesen koope-rativen Kulturföderalismus wiederlebendiger werden zu lassen.

Der Verfasser ist SachverständigesMitglied der Enquete-Kommissiondes Deutschen Bundestags „Kultur

in Deutschland“ und Geschäfts-führer des Deutschen Kulturrates

Page 26: Kulturland Deutschland

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Heinrich Bleicher-Nagelsmannscheidet aus dem Vorstand aus

Vier Fragen an den Vorstand ����������������������� Was haben Sie sich für Ihre ersteAmtszeit als stellvertretende Vorsit-zende des Vorstands des DeutschenKulturrates e.V. vorgenommen?������������� Zunächst einmalscheint es mir wichtig, eine Diskussi-on darüber in Gang zu setzen, was Kul-tur heute ist. Wir befinden uns ja in derparadoxen Situation, dass einerseitsimmer mehr gesellschaftliche Berei-che ihre Zwecke mit dem offenbarprestigeträchtigen Titel „Kultur“ adelnmöchten, andererseits die Bereit-schaft, Kultur in ihrer Substanz zu er-halten, immer weiter abnimmt. WoKultur zu einer Worthülse oder einemInstrument der Aufhübschung ver-kommt, wird es kaum möglich sein,für ihre besondere Bedürfnisse zu wer-ben. Die Schärfung des Kulturbegriffsist für mich eine Voraussetzung dafür,kulturpolitische Anliegen selbstbe-wusst nach außen zu tragen. Ange-sichts immer neuer Hiobsbotschaftendürfen wir uns nicht in die Defensivedrängen lassen, sondern müssen of-fensiv herausstellen, was die Kultur fürden einzelnen Menschen und die Ge-sellschaft insgesamt leistet.

����� In welchen kulturpolitischenFeldern sehen Sie besonderen Hand-lungsbedarf?������������� Besonderen Hand-lungsbedarf sehe ich in fünf kultur-politischen Handlungsfeldern.1. Angesichts internationaler Libera-lisierung (EU-Dienstleistungsrichtli-nie, GATS) brauchen wir wirksameSchutzmechanismen für Kulturgüter.Deshalb ist es gut, dass die UNESCOeine Koalition zum Schutz kulturellerVielfalt ins Leben gerufen hat.2. Kulturpolitik muss mit Blick auf dieFöderalismusdebatte national und in-ternational handlungsfähig bleiben.Jüngstes Beispiel ist die geplante Er-richtung einer Bundesstiftung Baukul-tur, die ursprünglich alle Bundestags-parteien befürwortet haben (s. S. 25).3. Als Voraussetzung für kulturelleTeilhabe muss kulturelle Bildungzeitgemäß ausgestaltet und gestärktwerden. Das gilt für Früherziehung,Schulunterricht und Erwachsenen-bildung gleichermaßen.4. Die gegenwärtige Bedrohung derMedienvielfalt gefährdet über dieKultur hinaus die Demokratie. Einvielfältiges Medienangebot kannsich nicht in einer Vielzahl von Sen-dern und Programmen erschöpfen,sondern braucht inhaltlich differen-zierte Angebote.5. Der Arbeitsmarkt Kultur darf sichnicht zum Vorreiter für prekäre Be-schäftigungsverhältnisse entwickeln.

��� ���!���� Was haben Sie sich für Ihre drit-te Amtszeit als Vorsitzender des Vor-standes des Deutschen Kulturratese.V. vorgenommen? ���!� Meine kulturpolitische Grund-überzeugung bleibt nicht nur, sie hatsich sogar während meiner bisherigenVorstandstätigkeit verdichtet und prä-zisiert: Wir brauchen eine enge Verbin-dung von operativem Alltagsgeschäftund konzeptionellen, vielleicht sogartheoretischen Reflexionen. Denn auchunsere kulturpolitischen Alltagssor-gen aufgrund einer ständigen Ver-schlechterung der Rahmenbedingun-gen können wir nur dann lösen, wennwir gute Gründe für die Erhaltung un-serer Kulturlandschaft anführen. Ichwerde genau an dieser Problemlageweiterarbeiten. Ein Beispiel dafür ist– zwar nicht als neues Problem, – dieEntwicklung auf dem ArbeitsmarktKultur. Ganz pragmatisch wird es etwadarum gehen, die Auswirkungen vonHartz I bis IV für den Kulturbereich zuevaluieren (im Sinne der Kulturver-träglichkeitsprüfung). Ich selbst habeauf der eher grundsätzlichen Ebenezur Zeit einen Schwerpunkt bei derFrage der Menschenwürde. Es liegt aufder Hand, dass es eine enge Verbin-dung zwischen täglich erlebter Armutund dieser eher abstrakt klingendenThematik gibt.

���� In welchen kulturpolitischen Be-reichen sehen Sie besonderen Hand-lungsbedarf? ���!� Neben dem, was ich zur ers-ten Frage bereits gesagt habe, wird esweiter gehen mit der Abwehr derÖkonomisierungstendenzen, so wiesie durch die Welthandelsorganisati-on (GATS-Abkommen) oder die Eu-ropäische Union (Dienstleistungs-richtlinie) vorangetrieben werden.Hierzu gehörte die Debatte über dieim Entstehen begriffene Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt.

Die neuen Probleme werden also zueinem überwiegenden Teil die altensein, weil die Welt sich wenig nach derAmtszeit des Kulturrat-Vorstandesrichtet. Immerhin bieten die Bundes-tagswahl 2006 und der 25. Geburts-tag des Kulturrates gute Gelegenhei-ten, zur Bilanz bzw. zur Formulierungvon Wünschen und Erwartungen.

���� Der Kulturrat arbeitet sparten-übergreifend, Sie stehen für die Sekti-on Soziokultur. Welche Chancen undProbleme liegen in dieser Verbindung? ���!� Meine Sektion heißt seit eini-ger Zeit Rat für Soziokultur und kul-turelle Bildung. Es liegt auf der Hand,dass gerade das Themenfeld “kultu-relle Bildung”, bei dem der Kulturratausgesprochen gut aufgestellt ist – icherinnere an unseren großen Kongressim September 2004, aber auch an dieÜberarbeitung der Konzeption kultu-relle Bildung, die wir in Kürze vorle-gen –, weiterhin aktuell bleibt.Insbesondere ist die Ganztagsschuleeine Herausforderung auch für Kul-tur- und Jugendeinrichtungen. Auchdie “Soziokultur” sollte eigentlich kei-ne Probleme mit sich bringen. Dennauch die Kunst ist für uns wesentlichdeshalb relevant, weil sie eine Kultur-macht ist. Und dies heißt auch: sie istvielfältig mit sozialen und politischenProblemen verquickt. Man mussallerdings feststellen, dass die Vertei-lungskämpfe generell härter werden,so dass auch die Moderationsfunkti-on, die der Vorstand neben seiner Im-puls-, Anregungs- und Konzeptfunk-tion in meinen Augen hat, schwieri-ger wird.

���� Worin liegt Ihrer Meinung nachdie Zukunft des Deutschen Kulturra-tes? ���!� Die Zukunft des Kulturrateshängt von der Entwicklung in zwei Be-reichen ab: Zum einen von der Rolle

von Kunst und Kultur in unserer Ge-sellschaft (siehe hierzu Frage 1), zumanderen von der Entwicklung der Artund Weise, wie Politik in Zukunft statt-finden wird. Als Spitzenverband ist derKulturrat Teil der organisierten Zivil-gesellschaft und hat damit in einemPolitikverständnis, das neben demStaat weitere Akteure kennt, einewichtige Rolle. Die Vertreter unseresStaates haben jedoch gelegentlich ei-nige Probleme damit, andere Politik-gestalter zu akzeptieren. In Deutsch-land ist ein etatistisches Politikver-ständnis in der Bevölkerung, aber vorallem auch im Staatsapparat sehr starkverankert. Der Staat kann sich daheroft nur schwer von der Vorstellung lö-sen, alles alleine machen zu können.Dort wo es zu einer gemeinsamenAushandlung kommt – bei vielenFragestellungen spielen die z. T. rechtaufwendig erarbeiteten Position desKulturrates eine wichtige Rolle – wirddie Qualität der Regelungen besser.Ein starker Kulturrat, starke Kultur-verbände insgesamt, sind daherwichtig. Daraus folgt aber auch, dasswir die personelle und finanzielle Aus-stattung unseres Verbandes verbes-sern müssen.

Claudia Schwalfenberg Foto: privat

Insbesondere für Junge muss es fai-re Zugangsmöglichkeiten geben(„Generation Praktikum“).

���� Der Kulturrat arbeitet sparten-übergreifend, Sie kommen aus derSektion Baukultur? Welche Chancenund Probleme sehen Sie in dieser zu-künftigen Doppelfunktion?������������� Baukultur ist sichereine besondere Sparte, weil sie sichanders als freie Kunst immer imSpannungsfeld von Schönheit undZweck bewegt. Baukultur ist aberzugleich eine Sparte mit langer Tra-dition. In der Antike galt Architekturzum Beispiel als „Mutter der Künste“.Die spartenübergreifende Zusam-menarbeit sehe ich als große Chancein beide Richtungen. Baukultur hat inden letzten Jahren deutlich an Bedeu-tung gewonnen und kann der kultu-

���� Was haben Sie sich für Ihre zwei-te Amtszeit als stellvertretender Vor-sitzender des Vorstandes des Deut-schen Kulturrates e.V. vorgenommen?"#������Verstärken möchte ich meinEngagement zu dem Themenkomplexder kulturellen Identität und des inter-kulturellen Dialoges. In unserer Ge-sellschaft, deren Altersdurchschnittsteigt, deren Bevölkerungsstrukturmehr und mehr durch Migration be-stimmt wird und deren Bedeutung alsNationalstaat durch die zunehmendeKompetenzverlagerung politischerund wirtschaftlicher Entscheidungenauf die europäische und internationa-le Ebene sinkt, sind Bildung und Kul-tur die letzten verbleibenden Stand-ortfaktoren, die sich unmittelbar mitden Bürgerinnen und Bürgern jeweilsvor Ort verbinden. Diesen politischenund wirtschaftlichen Veränderungs-prozessen steht ein gefährliches Vaku-um der kollektiven Verdrängung ge-genüber. In dieser spannenden Ge-mengelage ist es wichtiger denn jedanach zu fragen, wer wir sind undwer unsere Nachbarn sind – denn kul-turelle Vielfalt beginnt vor unserer ei-genen Haustür. Diese Vielfalt, zu derauch unser kulturelles Erbe gehört,unseren Kindern möglichst früh erleb-bar zu machen, gehört zu unserer Ver-antwortung.

Ein weiterer Schwerpunkt wirddie Verantwortung der Medien – nichtnur der öffentlich-rechtlichen – fürunsere Gesellschaft sein. Darüber hi-naus möchte ich gerne den fachpoli-tischen Diskurs im Sprecherrat inten-sivieren, weil sich in der Profilschär-

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Max Fuchs Foto: Bockhorst

fung der einzelnen Sektionen sicher-lich weitere Felder gemeinsamer The-men ergeben werden.

���� In welchen kulturpolitischen Be-reichen sehen Sie besonderen Hand-lungsbedarf?"#����� Die EU-Dienstleistungs-richtlinie und die dazu korrespon-dierenden Prozesse, wie z.B. dieUNESCO-Konvention zur kulturel-len Vielfalt und GATS, werdenweiterhin im Brennpunkt der Kultur-ratsarbeit stehen.

Das Thema „Nationale Kulturpo-litik in einer föderalen Bundesrepu-blik“ steht ebenso auf der Agendawie die soziale Situation von Künst-lerinnen und Künstlern und die Ver-änderungen der Arbeitswelten.

���� Der Kulturrat arbeitet sparten-übergreifend. Sie sind Generalsekre-tär des Deutschen Musikrates. WelcheChancen und Probleme liegen in die-ser Erweiterung ihrer Aufgaben?"#����� SpartenübergreifendesDenken und Handeln ist Kern mei-ner Arbeit als Generalsekretär desDeutschen Musikrates. Insofern istdie Mitwirkung im Deutschen Kul-turrat originärer Bestandteil dieserArbeit. Die Möglichkeit, ein Themavon unterschiedlichen Plattformenaus zu betrachten, schafft Nähe undDistanz zugleich. Damit erhöht sichdie Chance einer wirkungsvollenkulturpolitischen Arbeit, derenGrundlage immer wieder die Frageist, was es unserer Gesellschaft nutzt.Die Suche nach Gemeinsamkeiten

und das Erkennen von Unterschie-den bietet alle Chancen für eine wir-kungsvolle Bildungs- und Kulturpo-litik, wenn gegensätzliche Positio-nen nicht unter den Tisch gekehrtwerden, sondern in sensibler Abwä-gung den gemeinsamen Zielen zuge-ordnet werden. Als Sprecher der Sek-tion Musik sind Hartmut Karmeierund ich uns gemeinsam mit unserenbeiden Stellvertretern Prof. UdoDahmen und Prof. Dr. Eckart Langeeinig, dass wir als größte Sektion imDeutschen Kulturrat diesen perma-nenten Abwägungsprozess mit demZiel einer weiteren Profilschärfungdes DKR intensiv begleiten wollen.

���� Worin liegt Ihrer Meinung nach dieZukunft des Deutschen Kulturrates?In der Bewusstseinsbildung für denWert der Kreativität, denn Bewusst-sein schafft Ressourcen.

Christian Höppner Foto: Hufner

Heinrich Bleicher-Nagelsmann istnach sieben Jahren aus dem Vorstanddes Deutschen Kulturrates ausge-schieden. Er gehörte als Stellvertre-tender Vorsitzender dem Vorstandseit Sommer 1997 an. Maßgeblich hatHerr Bleicher-Nagelsmann an derProfilierung des Deutschen Kulturra-tes als Spitzenverband der Bundes-kulturverbände mitgewirkt. Schwer-punkte seiner Tätigkeit waren dieMedienpolitik sowie die europäischeund internationale Kulturpolitik.

Schwerpunkte seiner Arbeit inder Medienpolitik war die Vertretungdes Deutschen Kulturrates im Pro-grammausschuss von RTL bis 2003und seither die Vertretung des Deut-schen Kulturrates im Rundfunkratder Deutschen Welle. Als Vorsitzen-der des Fachausschusses Medien hater die Stellungnahmen zur Novellie-rung des Deutsche Welle Gesetzesund zur Novelle des Filmförderungs-gesetzes vorangetrieben. Sein be-sonderes Augenmerk galt im Vor-stand der europäischen und der in-ternationalen Kulturpolitik. UnsereZusammenarbeit intensivierte sich

mit der UNESCO-Konferenz zur Kul-turpolitik im Stockholm 1998, an derer für den Deutschen Kulturrat und ichfür die Bundesvereinigung KulturelleJugendbildung teilnahm. Nach mei-ner Wahl in den Vorstand im Jahr 2001haben wir uns gemeinsam für die na-tionale Auswertung der UNESCO-Konferenz eingesetzt. Im Jahr 2002fand die Konferenz des DeutschenKulturrates „Grenzenlos Kultur“ statt,an deren Vorbereitung Heinrich Blei-cher-Nagelsmann intensiv mitgewirkthat. Weiter hat Heinrich Bleicher-Na-gelsmann den Deutschen Kulturratbei Veranstaltungen in Brüssel vertre-ten und die adhoc-AG Dienstleis-tungsrichtlinie geleitet.

Ich möchte Heinrich Bleicher-Na-gelsmann sehr herzlich für die ausge-zeichnete Zusammenarbeit im Vor-stand danken. Die Zusammenarbeitwar stets kollegial und von gegensei-tigem Vertrauen geprägt. Ich freuemich auf unsere weitere Zusammen-arbeit im Sprecherrat und in den Aus-schüssen des Deutschen Kulturrates.

Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzenderdes Deutschen Kulturrates

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rellen Debatte neue Impulse geben.Umgekehrt profitiert Baukultur vomBündnis mit anderen Sparten.Angesichts der zunehmenden Kon-kurrenz um öffentliche Aufmerksam-keit und öffentliche Gelder halte ichdie spartenübergreifende Zusam-menarbeit für immer wichtiger. Ur-sprünglich von der Literatur herkom-mend, sehe ich hierin auch persön-lich eine sehr reizvolle Aufgabe.

����Worin liegt Ihrer Meinung nach dieZukunft des Deutschen Kulturrates?������������� Für die Zukunft desDeutschen Kulturrates gibt es vor al-lem zwei große Herausforderungen.Zum einen wird die Aufklärungsfunk-tion gegenüber seinen Mitgliedern –entsprechend der zunehmendenKomplexität kulturpolitischer Prozes-se – eine zunehmend größere Rollespielen. Zum anderen ist es notwen-diger denn je, bestehende Allianzenmit anderen kulturpolitischen Akteu-ren weiter auszubauen.

Page 27: Kulturland Deutschland

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BundestagsdrucksachenIm Folgenden wird auf Bundestags-drucksachen mit kulturpolitischerRelevanz hingewiesen. Berücksich-tigt werden Kleine und Große Anfra-gen, Anträge, Entschließungsanträ-ge, Beschlussvorlagen, SchriftlicheFragen, Mündliche Fragen sowieBundestagsprotokolle. Alle Drucksa-chen können unter folgender Adres-se aus dem Internet heruntergeladenwerden: http://dip/bundestag.de/parfors/parfors.htm.

Berücksichtigt werden Drucksachenzu folgenden Themen:

· Auswärtige Kulturpolitik,· Bildung,· Bürgerschaftliches Engagement,· Daseinsvorsorge,· Erinnern und Gedenken,· Europa,· Informationsgesellschaft,· Internationale Abkommen mit

kultureller Relevanz,· Kulturelle Bildung,· Kulturfinanzierung,· Kulturförderung nach § 96 Bun-

desvertriebenengesetz,· Kulturpolitik allgemein,· Kulturwirtschaft,· Künstlersozialversicherungs-

gesetz,· Medien,· Soziale Sicherung· Steuerrecht mit kultureller Rele-

vanz,· Stiftungsrecht,· Urheberrecht.

Kulturpolitik allgemein

Drucksache 15/4905 (15.02.2005)Kleine Anfrage der CDU/CSU-Frak-tionKoordinierungsstelle für Kulturgut-verluste von Bund und Ländern

Drucksache 15/5088 (14.03.2005)Antwort der Bundesregierung auf dieKleine Anfrage der CDU/CSU-Frak-tion (15/4905)Koordinierungsstelle für Kulturgut-verluste von Bund und Ländern

Drucksache 15/4891 (18.02.2005)Unterrichtung durch den BundesratGesetz zur Errichtung der Akademieder Künste (AdKG)- Drucksachen 15/3350, 15/4124, 15/4633 –Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3des Grundgesetzes

Drucksache 15/4893 (18.02.2005)Antrag der Fraktionen SPD undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZurückweisung des Einspruchs desBundesrates gegen das Gesetz zurErrichtung der Akademie der Küns-te (AdKG)- Drucksachen 15/3350, 15/4124, 15/4633, 15/4891 –

Drucksache 15/4998 (03.03.2005)Gesetzentwurf der BundesregierungEntwurf eines Gesetzes zur Errich-tung einer „Bundesstiftung Baukul-tur“

Bildung

Drucksache 15/4804 (03.02.2005)Antwort der Bundesregierung auf dieKleine Anfrage der FDP-Fraktion- Drucksache 15/4684 –Umsetzung des Tagesbetreuungs-ausbaugesetzes

Drucksache 15/4914 (16.02.2005)Große Anfrage der FDP-FraktionEntwicklung des lebenslangen Ler-nens in Deutschland

Drucksache 15/5024 (08.03.2005)Antrag der CDU/CSU-FraktionRahmenbedingungen für lebens-langes Lernen verbessern – Wachs-tumspotential der Bildung nutzen

Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag

Künstlersozialversicherung

Drucksache 15/5119 (16.03.2005)Antrag der SPD-Fraktion sowie Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENStärkung der Künstlersozialversi-cherung

Arbeitsmarkt Kultur

Drucksache 15/5063 (09.03.2005)Kleine Anfrage der FDP-FraktionErste Erfahrungen und Bestands-aufnahme bei „Ein-Euro-Jobs“

Europa

Drucksache 15/4939 (zu Drucksache15/4900) (2302.2005)Unterrichtung durch die Bundesre-gierungEntwurf eines Gesetzes zu dem Ver-trag vom 29. Oktober 2004 über eineVerfassung für Europa – Drucksa-che 15/4900 .-Stellungnahme des Bundesratesund Gegenäußerung der Bundesre-gierung

Drucksache 15/4900 (18.02.2005)Gesetzentwurf der BundesregierungEntwurf eines Gesetzes zu dem Ver-trag vom 29. Oktober 2004 über eineVerfassung für Europa

Drucksache 15/4936 (23.02.2005)Antrag der Fraktionen SPD undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENStärkung der Rolle des DeutschenBundestages bei der Begleitung,Mitgestaltung und Kontrolle euro-päischer Gesetzgebung

Bundestagsdebatten

Plenarprotokoll 15/160 (24.02.2005)14902 C-14930 C, 14955 C-14971 B,14991 D-15001 B, 15036 B-15042 BTagesordnungspunkt 3, Europaa) Erste Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes zu dem Vertragvom 29. Oktober 2004 über eine Ver-fassung für Europa(Drucksachen 15/4900, 15/4939)b) Erste Beratung des von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes zur Auswei-tung der Mitwirkungsrechte desDeutschen Bundestages in Angele-genheiten der Europäischen Union(Drucksache 15/4716)c) Erste Beratung des von der Frakti-on der SPD der Fraktion des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzesüber die Ausweitung und Stärkungder Rechte des Bundestages und desBundesrates in Angelegenheitender Europäischen Union(Drucksache 15/4925)d) Antrag der Fraktionen der SPD

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN: Stärkung der Rolle des Deut-schen Bundestages bei der Beglei-tung, Mitgestaltung und Kontrolleeuropäischer Gesetzgebung(Drucksache 15/4937)e) Antrag der Fraktion der FDP: Fürmehr Mitsprache des DeutschenBundestages bei der Rechtsetzungder Europäischen Union nach In-Kraft-Treten des Verfassungsvertra-ges(Drucksache 15/4937)f) Beschlussempfehlung und Berichtdes Ausschusses für die Angelegen-heiten der Europäischen Union zudem Antrag und der Fraktion derCDU/CSU: Den EU-Verfassungs-prozess zum Erfolg führen(Drucksachen 15/2970, 15/4206)Redner: Michael Roth (Heringen)(SPD), Erwin Teufel, Ministerpräsi-dent (Baden-Württemberg), JosephFischer, Bundesminister AA, Dr. Wer-ner Hoyer (FDP), Hans Martin Bury,Staatsminister für Europa, Dr. Wolf-gang Schäuble (CDU/CSU), Marian-ne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN), Sabine Leutheusser-Schnar-renberger (FDP), Axel Schäfer (Bo-chum) (SPD), Peter Altmaier (CDU/CSU), Michael Roth (Heringen)(SPD), Dr. Gesine Lötzsch (fraktions-los), Dr. Gerd Müller (CDU/CSU),Günter Gloser (SPD), Thomas Silber-horn (CDU/CSU)

Zusatztagesordnungspunkt 3, Bil-dungAktuelle Stunde auf Verlangen derFraktion der SPD: Klage des LandesHessen gegen Finanzzuweisungendes Bundes an das „Kompetenzzen-trum Bologna“ der Hochschulrek-torenkonferenz – Konsequenzen fürdie auf europäischer Ebene verein-barte Reform des Hochschulwesensin DeutschlandRedner: Dr. Erns Dieter Rossmann(SPD), Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU), Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN), Cornelia Pieper(FDP), Ute Berg (SPD), Marion Seib(CDU/CSU), Hans-Josef Fell (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN), Andrea Wick-lein (SPD), Helge Braun (CDU/CSU),Ulrich Kasparick, Parl. StaatssekretärBMBF, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU), Swen Schulz(Spandau) (SPD), Michael Kretsch-mer (CDU/CSU), Jörg Tauss (SPD)

Tagesordnungspunkt 7, AuswärtigeKulturpolitika) Unterrichtung durch die Bundes-regierung: Bericht der Bundesregie-rung zur auswärtigen Kulturpolitik2003(Drucksache 15/4591)b) Beschlussempfehlung und Be-richt des Ausschusses für Kultur undMedien

- zu dem Antrag der Fraktion der SPDsowie der Fraktion des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN: AuswärtigeKultur- und Bildungspolitik stärken(Drucksachen 15/2659, 15/2647, 15/3244)Redner: Monika Griefhahn (SPD), Dr.Klaus Rose (CDU/CSU), Kerstin Mül-ler, Staatsministerin AA, Hans-Joach-im Otto (Frankfurt) (FDP), Dr. Nor-bert Lammert (CDU/CSU), Jörg Tauss(SPD), Günter Nooke (CDU/CSU)

Tagesordnungspunkt 13Antrag der Fraktion der SPD sowieder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Geistes-, Sozial- undKulturwissenschaften stärken(Drucksache 15/4539)Redner: Swen Schulz (Spandau)(SPD), Bernward Müller (Gera)(CDU/CSU), Ursula Sowa (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN), Ulrike Flach(FDP), Heinz Schmitt (Landau)(SPD), Marion Seib (CDU/CSU)

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Page 28: Kulturland Deutschland

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Theo Geißler, Herausgeber der „neuenmusikzeitung“ und „Jazzzeitung“sowie Mitherausgeber der puk,Moderator der Radiomagazine„taktlos“ (BR/nmz) und „contra-punkt“ (BR) Foto: Barbara Haack

Zeichnung: Dieko Müller

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I m hohen Norden hingegen, imLandtag zu Kiel, plant eine große

Heidemörder-Koalition die Abschaf-fung des Kultur-Ministeriums – nochunklar nur, warum eigentlich. Willder ausgewiesene Arbeitsmarkt-Ex-perte Peter Harry Carstensen mithil-fe freiwerdender Beamter und Ange-stellter ein paar weitere Arbeits-Ver-mittlungs-Agenturen bestücken? ImRahmen einer weitsichtigen Präven-tivmaßnahme unkündbare Arbeits-lose mit der Verwaltung des Nichtsabsichern? Macht der ausgewieseneKultur- und Bildungsexperte Peter

für die Belange der Landes-Rund-funkanstalten bestritten. Die argu-mentative Minen-Sperre der öffent-lich-rechtlichen Fernseh- und Rund-funk-Verantwortlichen im Angesichtder Enquete-Kommission verliefdann etwas flacher: Während Tho-mas Bellut, Programmdirektor desZDF, in dem marktwirtschaftlich-neoliberal kategorisierten Imperativgipfelte: „Kultur kann man nicht be-fehlen, Kultur muss kommen“, dif-ferenzierte sein Kollege GerhardFuchs vom Bayerischen Fernsehen:„Kultur muss sich selber darstellen,man kann das nicht verordnen.“ So-viel zum Selbstverständnis des Kul-turauftrages bei den öffentlich-rechtlichen Medien.

Was aber, verehrte Verantwor-tungsträger bei ARD und ZDF, wenndie Kulturschaffenden Sie beim Wortnehmen? Abgesehen von einer radi-kal-kleinen, modisch gekleidetenMinderheit stürmt eine Horde hun-derttausender verelendeter Second-Hand-Jeans-Träger Ihre Studios. Beieinem durchschnittlichen Jahresein-kommen von elftausend Euro ist fürdie meisten Künstler kein chiqueresOutfit drin. Das wäre doch ein mise-rables Umfeld für Ihre Werbekun-den. Geschäftsschädigend. Dochvon der ordnenden Hand unsererPolitik ist an dieser Stelle noch kei-ne Hilfe zu erwarten. Bei der Debat-te des Deutschen Bundestages zurKünstlersozialversicherung analy-sierte die CDU-Abgeordnete Vera

Harry Carstensen Künste und Päda-gogik gar zur Chefsache? Steht so dieeinklassige Hallig-Hooge-Zwergschu-le als Modellinstitut vor der Tür?Oder bereitet der ausgewiesene Fi-nanz- und Wirtschaftsexperte PeterHarry Carstensen von langer Handden Anschluss Schleswig-Holsteinsan Dänemark vor, um mit einemSchlag der bundesrepublikanischenSchulden-, Föderalismus- und Bil-dungs-Falle zu entrinnen – bei gleich-zeitiger Ausweitung bester Weideflä-

chen für das schleswig-holsteinischeFleck-Vieh?

Landespolitische Monsterwel-len, deren Anrollen Bayerns Kini Ed-mund Stoiber, fünfhundert Meterüber dem Meeresspiegel beheima-tet, wollüstig thronend aussitzt.Auch weil in deren Gerausche dasspitze Klirren beim Aufschlag Moni-ka Hohlmeiers in der politischenRealität schlicht unterging. Alleschmückenden Prädikate, die Stoi-ber der strauchelnden Strauss-Toch-ter nachrief, erinnern in ihrer Halt-barkeit an das matte Echo eines To-desjodlers im Widerhall einer rund-lichen Endmuräne: gefühlvoll aberkurzatmig, und situationsbedingtunausgegoren – eben wie die „Bil-dungsreform“ der abgestürzten Kul-tusministerin.

Was Wunder, dass bei solchemföderalen Seegang selbst das bun-despolitische Diesel-U-Boot mit demschönen weiblichen Namen „Kultur-Enquete-Kommission“ hundert Me-ter unter jeder Oberfläche verstecktnoch ins Schlingern geriet. Die Rolleder öffentlich-rechtlichen Medienfür die Kultur wurde im Rahmen ei-ner öffentlichen Anhörung vorknapp zwei Dutzend öffentlich inte-ressierten Zuhörern in aller Öffent-lichkeit ausgelotet – offensichtlichbei halber Fahrt mit dem Senk-Blei.

Schon im Vorfeld hatte der ARD-Marketing-Panzerkreuzer Peter Voß,immer noch Intendant des SWR, jeg-liche Zuständigkeit des Bundestages

Lengsfeld messerscharf: „Im Prinzipist heute jeder einzelne dazu aufge-fordert, eigenständige Vorsorge zutreffen. Das gilt auch für Künstler.Dass deren Einkommen so niedrigist…ist nicht Sorge des Staates.“

Aber das hilft Ihnen (noch) nix,verehrte Kulturauftrags-Besitzer beiARD und ZDF. Wie wäre es denn miteiner Art Public-Private-Partners-hip? Ihr tut Euch gegen geringenGebühren-Abfluss mit RTL 2 zusam-men. An das Big-Brother-Dorf wirdnach dem Vorbild amerikanischerKriegsgefangenenlager eine Art Gu-antanamo für den vierten Stand an-gegliedert – und das sind die Künst-ler. Die wären weg von der Straßeund garantieren jede Menge gut kon-trollierbarer Action…

Ergänzend oder alternativ könn-te – nach dem Muster des Gesetzeszur Beförderung der Steuerehrlich-keit – auch eine allgemeine Künstler-Tauglichkeitsprüfung eingeführt wer-den. Die mentale Schirmherrschaftübernimmt Bundespräsident HorstKöhler. Die Berufsbezeichnung „Kul-turschaffender“ oder „Künstler“ darfnur noch tragen, wer mindesten dreiSchiller-Balladen auswendig hersa-gen kann, den „Franz“ oder die „Ma-rie“ darstellerisch glaubwürdig abgibtund alle Sponsoren europäischer Mu-sikfestspiele kennt. Ferner sollte er/sie nicht unter 40.000,– Euro verdie-nen, – jährlich…

Theo Geißler

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Page 29: Kulturland Deutschland

Mai – Juni 2005 Beilage des Deutschen Kulturrates und der Kulturstiftung des Bundes in politik und kultur Ausgabe IV

Inhalt

Europa Kultur Stadt

Sustainable development needs cultural rootsby Monika Griefahn

Content

Weiter auf Seite II

Kulturelle Wurzeln sind notwendigÜber „Nachhaltige Entwicklung“ • Von Monika GriefahnIn der Diskussion um die »Grenzen des Wachstums«(Meadows et al. 1972) Anfang der 70er Jahre kamder Problemzusammenhang von ökonomischer, öko-logischer und sozialer Entwicklung erstmals in allerDeutlichkeit zur Sprache. Auslöser dieser Diskussi-on war nicht zuletzt die „Ölkrise“, die uns allen dieEndlichkeit der natürlichen Ressourcen schmerzlichbewusst machte. Inzwischen wird allgemein aner-kannt, dass das weltweite Umweltproblem nur zulösen ist, wenn man dabei auch die sozialen undwirtschaftlichen Lebensverhältnisse der Menschenberücksichtigt. Der Begriff „Nachhaltige Entwick-lung“ wurde 1987 im Brundtland-Bericht der „Welt-kommission für Umwelt und Entwicklung“ geprägt.Dort finden wir erstmals den Leitgedanken von derEinheit und wechselseitigen Abhängigkeit ökono-mischer Entwicklung, ökologischer Bewahrung undsozialen Ausgleichs formuliert. Dem Produzierenohne Rücksicht auf die Interessen der nachfolgen-den Generationen wird das Konzept einer „dauer-haften“, „zukunftsfähigen“ oder „nachhaltigen“ Ent-wicklung entgegengesetzt. Eine wesentliche Emp-fehlung der Brundtland-Kommission war die Durch-führung einer internationalen Konferenz der Ver-einten Nationen zu Fragen von Umwelt und Ent-wicklung.

Mit dieser Konferenz der Vereinten Nationen für Um-welt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurde dieZielkategorie „Nachhaltige Entwicklung“ in einer inter-nationalen Vereinbarung völkerrechtlich festgelegt. Mitder Agenda 21 unterzeichneten in Rio mehr als 170Staaten ein weltweites Aktionsprogramm für das 21.Jahrhundert, welches die verschiedenen Handlungsebe-nen und politischen Handlungsfelder beschreibt, aufdenen das Prinzip der Nachhaltigkeit umgesetzt wer-den soll. Inzwischen ist die Agenda 21 zu einem inter-national anerkannten Maßstab der Politik geworden.Die Themen Ökologie, Wirtschaft und Soziales in ihrenwechselseitigen Abhängigkeiten betrachtend, werdendie möglichen Lösungsansätze in einen breiten gesell-schaftlichen Diskussionszusammenhang gestellt. Auchwenn kulturelle Aspekte wegen der bestehenden Un-terschiede zwischen den Kulturen nicht explizit in dieAgenda 21 aufgenommen wurden, hat Kultur bei denDiskussionen in Rio durchaus eine Rolle gespielt.

Nicht auf Kosten künftiger Generationen oder der Men-schen in anderen Teilen der Welt zu leben – das ist daswichtigste Prinzip einer Nachhaltigen Entwicklung. Aus-gewogene Balancen zwischen den heutigen Bedürfnis-sen und den Lebensperspektiven künftiger Generatio-nen sollen eine hohe Lebensqualität, die Bewahrungvon Natur und Umwelt, den sozialen und kulturellenZusammenhalt und die Wahrnehmung internationalerVerantwortung in einer globalisierten Welt gewährleis-ten. Seit der Unterzeichnung der Agenda 21 sind bereitsein Reihe von Fortschritten bei der Umsetzung der Rio-Vereinbarungen erzielt worden. Woran es jedoch ganzoffensichtlich noch mangelt, ist eine breite soziale undkulturelle Einbettung dieser Diskussionsprozesse. DieFolge: Nachhaltigkeit ist zwar zu einem international

gebräuchlichen Schlagwort geworden, das in allen Po-litikfeldern Anwendung findet, doch sagt der Begrifftrotz vieler politischer Deklarationen und umfangrei-cher Konferenzberichte den meisten Menschen inhalt-lich bislang noch recht wenig.

Kultur – eine vernachlässigteGröße im Nachhaltigkeitsdiskurs?

Wiewohl das Prinzip der Nachhaltigkeit heute auf vie-len Gebieten ein allgemein anerkanntes Kriterium fürpolitisches Handeln ist, bestimmt es noch nicht überalldie praktische Politik und das Verhalten der Menschen.Insbesondere von Kulturschaffenden, aber auch von So-

Continued on page II

In the early 1970s, discussion on the „The Limits toGrowth“ (Meadows et al. 1972) clearly identified, forthe first time, the complex of economic, ecologicaland social development as a distinct concern. At thetime, the „oil crisis“, and the painful awareness of thefinite nature of resources, played a large part in trig-gering this debate. Now, though, it is now generallyacknowledged that global environmental problems canonly be solved by taking social and economic livingconditions into account. The 1987 Brundtland Report,produced by the United Nations Commission on Envi-ronment and Development, first coined the term of„sustainable development“, explicating the core ideaof the unity of economic growth, environmental pro-tection and social equity, and their mutual dependen-cy. The notion of development as „lasting“, „futureviable“ or „sustainable“ stood opposed to the practiceof producing goods with no thought for the interestsof the generations to come. One of the key recom-mendations made by the Brundtland Commission calledfor a United Nations international conference on en-vironmental and development issues.

The 1992 United Nations Conference on Environment andDevelopment (UNCED) in Rio de Janeiro established„sustainable development“ as a specific goal agreed onunder international law. The Agenda 21 blueprint, appro-ved at the Rio Earth Summit by more than 170 countries,

detailed a global action programme for the 21st century,mapping out diverse levels of trade and policy fields whe-re the principle of sustainability was to be applied. In themeantime, Agenda 21 has become an internationally re-cognised policy benchmark where, starting from the mu-tual dependency of ecological, economic and social con-cerns, possible approaches to solutions are placed withinthe context of a broad social debate. Although, given theexisting differences between cultures, cultural aspectswere not explicitly included in the Agenda 21, culturedid, nonetheless, certainly play a role in the Rio rounds.The key principle in sustainable development is thatwe do not live at the cost of future generations or peo-ple in other parts of the world. Creating a healthy ba-lance between our needs today and the quality of lifeof future generations is intended to ensure a higherstandard of living, conserve nature and ecological sys-tems, enhance social and cultural cohesion, and en-courage the acceptance of international responsibilityin a globalised world. Since the Agenda 21 was signed,a whole series of advances have already been achievedin implementing the Rio agreements. However, what isobviously still missing is the embedding of this discus-sion in a broader social and cultural context. As a re-sult, although sustainability may now be an internati-onal catchword found across all policy fields, it stillconveys very little to the majority of people, in spite of

Nachhaltigkeit ist teilweise zum beliebigen Schlagwortvon Politik und Verwaltung verkommen. Was sich hinterder Nachhaltigkeitsdiskussion verbirgt, welche Wurzelnsie hat und wie Nachhaltigkeit im Kulturbereich umge-setzt werden kann, steht im Mittelpunkt der Beilage.Dabei wird zum einen die Geschichte der Nachhaltig-keitsdebatte hergeleitet und zum anderen Anforde-rungen an eine nachhaltige Kulturpolitik formuliert.Monika Griefahn, Raimund Bleischwitz und RainerLucus zeigen die internationale Dimension der Nach-haltigkeitspolitik auf. Sie erinnern an die UN-Gipfelzur Nachhaltigkeit und fordern eine konsequenteUmsetzung der vereinbarten Ziele ein. Dass die Viel-falt in den natürlichen Lebensgrundlagen nicht weitentfernt ist, von der Vielfalt in der Kultur diese Fragebildet den Hintergrund. Peter Vermeulen vergleicht dieKulturpolitik Österreichs und Deutschlands. Er gehthier der Frage nach, inwieweit Strukturen geschaffenwurden, die eine nachhaltige Kulturpolitik und Kul-turförderung erlauben.

Sustainability has degenerated into an arbitrarily usedbuzzword in politics and administration. What actuallylies beneath the sustainability discussion, where its rootslie and how sustainability can be put into practice in thecultural sector, will take centre stage in this issue.In doing so, on the one hand the history of the debateon sustainability will be derived and on the other theclaims to a sustainable cultural policy will be devised.Monika Griefahn, Raimund Bleischwitz and RainerLucus present the international dimension of sustai-nability policy. We look back on the UN-summit onsustainability and demand a consistent implementa-tion of the objectives agreed upon. The question, ifthe diversity of natural resources is not far from cul-tural diversity will set the backdrop. Peter Vermeulencompares the cultural policy of Austria and Germany.He follows up on the question of to what extent struc-tures were created, that allow for sustainable cultu-ral policy and promotion.

Zu unserem Titelbild:Die Fotokünstlerin Ursula Schulz-Dornburgthematisiert die Aneignung der Natur durch denMenschen. Seit den 8Oer Jahren erforscht sieWeizen und andere kultivierte Wildpflanzen. IhrInteresse gilt dabei der kulturellen Adaption dieserPflanzen, denn als Grundnahrungsmittel hat sichderen Geschichte über Jahrtausende mit derKulturgeschichte vieler Völker verbunden; sie spieleneine zentrale Rolle im sozialen, kulturellen undreligiösen Leben. So wird auch Weizen seit mehrals 9000 Jahren angebaut und hat während desfortlaufenden Kultivierungsprozesses unzähligeArten hervorgebracht. Durch die Entwicklung derBiogenetik hat sich dieser Entwicklungsprozessheute jedoch verkehrt. In Ursula Schulz-DornburgsFotoinstallation „Dort, wo herkömmliche Artenaussterben, verlieren die Menschen etwas von ihrerGeschichte und Kultur“ mahnen 63 Fotografien vonÄhren verschiedener Sorten in Schönheit undMannigfaltigkeit den Verlust der Arten- undKulturvielfalt in unserer Gesellschaft an: Jede Ährebirgt eine uns unbekannte Geschichte.Aus dem KAus dem KAus dem KAus dem KAus dem Katalog „Natural Reality“atalog „Natural Reality“atalog „Natural Reality“atalog „Natural Reality“atalog „Natural Reality“

Information on our cover picture:The photo artist Ursula Schulz-Dornburg broachesthe issue of the appropriation of nature throughhumans. Since the 80s she has researched wheatand other cultivated wild plants. Her interest lies inthe cultural adaptation of these plants. Being staplefoods, their history has been connected with thecultural history of many peoples. They play a centralrole in social, cultural and religious life. Wheat hasbeen cultivated for more than 9000 years and hasproduced innumerable different kinds in this ongoingprocess of cultivation. Through the development ofbio-genetics, however, this process has been reversednowadays. In Ursula Schulz-Dornburgs installation„There, where traditional species become extinct,people lose something of their history and culture“,63 photographs of different ears in their beauty anddiversity admonish us about the loss of diversity ofculture and species in our society: Each ear carries astory unknown to us.From the catalogue „Natural Reality“From the catalogue „Natural Reality“From the catalogue „Natural Reality“From the catalogue „Natural Reality“From the catalogue „Natural Reality“

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Europa Kultur Stadt politik und kultur • Mai – Juni 2005 • Seite II

zialwissenschaftlern wird beklagt, dass die Auseinan-dersetzungen noch zu sehr auf der Ebene der Expertenaus Wissenschaft und Politik stattfinden und die kul-turellen Grundlagen einer Nachhaltigen Entwicklungzu wenig mitgedacht werden. Fortschritte werden eherim konzeptionellen Bereich gesehen und weniger aufder praktischen Ebene der Politik oder in der Lebens-welt der Menschen. Betont wird in diesem Zusammen-hang, zu einer Konzeption Nachhaltiger Entwicklunggehöre eine Kultur der Nachhaltigkeit, und umgekehrtmüsse auch die Kulturpolitik stärker auf die Themender Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.Dies legt zunächst eine kulturpolitische Erweiterung desNachhaltigkeitsdiskurses im Hinblick auf eine breite De-finition von Kultur nahe. Ein solcher weit gefasster Be-griff von Kultur beinhaltet die Gesamtheit der geistigen,materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte, dieeine Gesellschaft kennzeichnen. Über das künstlerischeSchaffen hinaus gehören dazu auch Lebensformen, Wert-vorstellungen, Traditionen und Glaubensrichtungen. Kul-tur ist in dieser Sicht der Schlüsselbegriff für das Ge-samtgeflecht von Verhaltensmustern, Normen und Wer-ten, die innerhalb einer Gesellschaft die Vorstellungenvon Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft prägen.Während kulturelle Aspekte in der bisherigen Nach-haltigkeitsdebatte tatsächlich keine zentrale Rollespielen, blendet die Kulturpolitik ökologische Frage-stellungen weithin aus. Als Gründe für dieses beidsei-tige Defizit werden u. a. genannt:· Die ausgeprägte Dominanz technischer Aspekte und

Lösungsansätze verleitet dazu, die sozialen und kul-turellen Grundlagen einer Nachhaltigen Entwicklungzu vernachlässigen.

· Infolge der Verengung der Nachhaltigkeitspolitik aufumweltpolitische Maßnahmen wird das ThemaNachhaltigkeit in Bund und Ländern, aber auch in

den Kommunen vornehmlich von den Umwelt-Res-sorts bearbeitet.

· Während der das Bezugsfeld Nachhaltigkeit beherr-schende Expertendiskurs dazu geführt hat, dass sichdie Politik dem Thema nicht mehr verschließen kann,ist jenseits der Expertendebatte von NachhaltigerEntwicklung immer noch relativ wenig bekannt.

Es gilt das Konzept Nachhaltigkeit so zu entfalten,dass es gleichberechtigt mit Ökonomie, Ökologie undSozialem auch Kultur als zusätzliche Dimension er-fasst, und dass die Verschränkung von Ökonomie, Öko-logie und Sozialem als kulturell-ästhetische Ausfor-mung von Nachhaltigkeit verstanden wird.

Ansätze zur Verbindung von Kulturund Nachhaltigkeit

Eine der ersten Initiativen, Kulturpolitik und Nach-haltigkeitsdiskurs zu verbinden, waren die vom Öko-Institut Tirol veranstalteten Toblacher Gespräche, woman seit den 80er Jahren versuchte, die Umwelt undspäter Nachhaltigkeitsdebatte zu einem Diskurs überÄsthetik, Werte, Kultur und Lebensstile zu erweitern.Eine wichtige Etappe dieser Diskussion war auch dieUNESCO-Konferenz von 1998 zu Kultur und Entwick-lung, die Nachhaltige Entwicklung als Grundlage fürden Erhalt und die weltweite Förderung kulturellerVielfalt erkannt hat. Diese Diskussion ist im Verlaufder nationalen Vorbereitung auf den Weltgipfel fürNachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 intensiviertworden. Mittlerweile gibt es zahlreiche Initiativen mitdem Ziel, die Wechselbeziehung zwischen natur- undsozialwissenschaftlich fundierten Strategien einerseitsund kulturell-ästhetischer Gestaltungskompetenzandererseits zu untersuchen und sie für die Weiter-entwicklung der Agenda 21 nutzbar zu machen.Zu nennen wäre insbesondere das „Tutzinger Manifest«,in dem es u. a. heißt: „Das Konzept Nachhaltige Ent-wicklung kann und muss in der Weise vertieft und wei-terentwickelt werden, dass es gleichberechtigt mit Öko-

nomie, Ökologie und Sozialem auch Kultur als quer lie-gende Dimension umfasst. Es geht darum, die auf Viel-falt, Offenheit und wechselseitigem Austausch basierendeGestaltung der Dimensionen Ökonomie, Ökologie undSoziales als kulturell- ästhetische Ausformung von Nach-haltigkeit zu verstehen und zu verwirklichen. Eine Zu-kunftsperspektive kann in einer eng verflochtenen Weltnur gemeinsam gesichert werden. Globalisierung brauchtinterkulturelle Kompetenz im Dialog der Kulturen.“Der Rat für Nachhaltige Entwicklung, der im April 2001als Beratungsgremium der Bundesregierung einberu-fen wurde und dem seitdem 17 Persönlichkeiten desöffentlichen Lebens angehören, hat diese Überlegun-gen aufgenommen und die Kulturpolitik als einenwichtigen Eckpfeiler für eine Nachhaltige Entwicklungausgewiesen. In seinem Dialogpapier stellt er u. a. fest:„Kulturelle Grundwerte der Gesellschaft, Lebensstile,Religion und ethische Verhaltensnormen, Bildung undsoziales Engagement verhelfen dem Individuum (dazu),seine geistigen und sozialen Fähigkeiten auszubilden.

Kulturelle und ökologische Vielfalthaben gleiche Wurzeln

Sowohl Natur als auch Kultur gewinnen ihre Stabili-tät aus Vielfalt. Gegenwärtig aber werden, um einBeispiel von vielen zu nennen, weltweit nur nochungefähr vier Weizensorten gezüchtet. Wenn in einerdieser Sorten irgendein Fehler auftritt, dann bricht einriesiger Teil des Versorgungssystems zusammen. DieStabilität von Systemen ist nur durch Vielfältigkeit,durch Diversität gewährleistet. Eine Zeit lang hing inmeinem Büro eine Fotoserie der Düsseldorfer Künst-lerin Ursula Schulz-Dornburg mit 36 verschiedenen,jeweils einzeln porträtierten Weizensorten. Viele derLeute, die das bei mir sahen, wussten noch nichteinmal, dass es sich um Weizen handelte, weil dieÄhren vollkommen verschieden aussahen.Das Gleiche gilt für Kultur. Auch Kultur bezieht ihreLebensfähigkeit und Stabilität aus Vielfalt – und ich

Fortsetzung von Seite I

Kulturelle Wurzeln sind notwendig

Continued from page I

Sustainable developmentneeds cultural roots

the multitude of political declarations and extensiveconference reports.

Culture – a neglected dimension in the sustainabilitydiscourse?Today the principle of sustainability is commonly acknow-ledged in many areas as a criterion influencing policy.However, it does not yet, in all instances, determine practi-cal policy and people’s behaviour. Both social scientistsand cultural practitioners particularly have expressed theirconcern that critical debate takes place far too much onthe level of political and scholarly expertise, without gi-ving enough consideration to the cultural basis of sustai-nable development. Progress tends to be seen more in therealm of abstract concepts and less on practical policylevels or in people’s real lives yet, as is emphasised in thiscontext, a notion of sustainable development requires aculture of sustainability and, vice versa, cultural policytoo needs to be more involved with sustainability issues.First of all, this implies including cultural policy withinthe sustainability discourse to generate a broader defini-tion of culture. Culture understood in this way containsthe entire spiritual, material, intellectual, and emotionalaspects that define a society and also includes, beyondartistic creativity, ways of life, norms and values, traditi-ons, and beliefs. From this perspective, culture is the keyterm defining the entire complex of patterns of beha-viour, values and norms that shape a society’s ideas aboutthe past, present and future.While, as yet, cultural aspects in the sustainability debatehave not played a central role, cultural policy also conti-nues to ignore ecological issues. The reasons cited for thisjoint short-sightedness include:· The dominance of technical aspects and solution-fin-ding; as a result, not enough attention is paid to the so-cial and cultural basis of sustainable development.· The policy of sustainability has become increasingly as-sociated with ecology; consequently, sustainability issuesare primarily dealt with by the environmental departmentson the Federal, Land, and local levels.· The area is dominated by a specialist sustainability dis-course; this has led to sustainable development becomingan integral part of policy concerns but, outside the expertsphere, remaining relatively unknown.The aim must be to evolve the notion of sustainability soas to embrace culture as an additional aspect on an equalfooting with the economic, ecological and social dimen-sions and ensure the interconnections between the eco-nomic, ecological and social spheres are grasped as cul-tural and aesthetic forms of sustainability.

Approaches to linking culture and sustainabilityThe „Toblacher Talks“, convened by the Tirol Institute ofEcology, were one of the first initiatives trying to link cul-tural policy and the sustainability discourse. Since the1980s, these discussions have attempted to expand theenvironmental and, subsequent, sustainability debate intoa discourse on aesthetics, values, culture and lifestyles.The 1998 UNESCO Conference on Culture and Develop-ment provided a key stage in these discussions, since thisacknowledged sustainable development as a basis for theretention and globally promotion of cultural diversity. Inthe course of the national-level preparations for the 2002United Nations World Summit on Sustainable Develop-ment (WSSD) in Johannesburg, this discussion was inten-sified. Now, there are numerous initiatives aimed at in-

vestigating the reciprocal relationship between natural andsocial science-based strategies, on the one hand, and thescope of cultural and aesthetic capacities on the other, see-king to utilize them in further evolving the Agenda 21.One outstanding example in this context would be the „Tut-zinger Manifesto“, which states: „The concept of sustai-nable development can and must be strengthened and ad-vanced to a point where culture is afforded an importanceequivalent to economy, ecology and the social framework,as a cross-sectional dimension. It is all about understan-ding and realising the design of the economy, ecology andthe social framework dimensions, based on diversity, open-ness and mutual exchange, as a cultural-aesthetic form ofsustainability. Perspectives for the future can only be joint-ly secured in a closely interwoven world. Globalisation needsintercultural skills in the dialogue between cultures.“The German Council for Sustainable Development (RNE),convened in April 2001 as an advisory body to the FederalGovernment and comprising 17 leading figures from publiclife, has taken up these considerations, signalling the im-portance of cultural policy as a cornerstone in sustainabledevelopment. As stated in one of their dialogue papers: „Thebasic [cultural] values of society, lifestyles, religions andethical norms, education and social involvement help indi-viduals to develop their mental, spiritual and social poten-tial.“

Cultural and ecological diversity have the same rootsDiversity is at the heart of stability, both ecologically andculturally. At present, though – just to take one example ofmany – there are only around four different sorts of wheatcommercially grown worldwide. If one of these proves tobe faulty in some way, a massive part of our supply systemwould collapse. Only diversity guarantees a system’s stabi-lity. For a time, I had a series of photos by the Düsseldorfartist Ursula Schulz-Dornburg hanging in my office sho-wing 36 different types of wheat, each individually photo-graphed. The ears looked so totally different that many ofthe people who saw the photos did not even realise theywere looking at photos of wheat.And this applies equally to culture. Culture, too, derives itslife and stability from diversity – and I am not purely thin-king of different forms of artistic expression, but of diversi-ty per se. We need diversity to evolve in our entirety. Bothculture and sustainability live equally from the additional,the supplementary. After all, we do not simply want to re-store the Cologne Cathedral over and over again – althoughthis would undoubtedly be sustainability in the sense ofpreservation, it would create nothing new. We need to ad-vance because the conventional occidental approach tosustainability contains a finiteness that, if we were reallyto think through its implications, might be just that aspectleading to the end of this system. We need greater toleran-ce, knowledge and diversity as a basis for qualitative growth,not quantitative growth - but it is qualitative growth thatwe are calling for, at present, for example, in the UNESCOConvention on Safeguarding Cultural Diversity. The aim mustbe here, in conjunction with GATS, to safeguard just thisdiversity and make it clear that culture has a dual nature:on the one hand, as a commodity and, on the other hand,as a cultural good.In the early 1970s, Erhard Eppler described how, in conti-nuing to indulge in the myth of quantitative growth, wewere manoeuvring ourselves into a cul-de-sac. In this case,as Einstein’s E=mc2 formula shows, we are, in principle, pro-ducing energy and rubbish to shape growth. It is a problemwe can only overcome if we invest greater resources in pro-moting knowledge, education and culture as qualities thatdo not inevitably produce waste and destruction. This is thedecisive point – and where I would like to make a start,

especially as regards the PISA findings. Counties such asFinland with substantial investment in these areas – ineducation, knowledge, and culture -, record less consump-tion, less damaging consumption, because the culturalvalue of „doing things together“ plays a significant role.In those countries, people read a lot and energy consump-tion is lower – which is clearly related. After all, merelyconsuming does not increase the value of experience; itonly increases the amount of energy used and the wasteproduced.

Creativity – the basis for the futureIn my view, this is where we need to begin. It is not purelya question of cultural education but addresses the attitu-de we adopt, the attitude we want to disseminate, notonly to children, but also in companies, administrativeoffices and in all aspects of further training. How do wetackle things, how do we plan, how do we arrange spaces?We need to instigate a change in our culture so that wesay: It’s fun to do things together with others. For examp-le it’s fun to work on things together in school; or perhapsto play together in an orchestra. The time we spend inthis way allows us to experience without having to con-sume. This is an important step on the road to a culturethat is no longer efficient in the sense of the Protestantethic, but approaches things effectively and, simultane-ously, in a way that conserves resources.We can make a further comparison with the natural world.A cherry tree needs thousands of blossoms to produce akilo of cherries. Nature is not efficient, it is wasteful. Itneeds a lot to produce something. But it works in cyclesthat are not destructive. Nature produces without ourenergy consumption or mountains of waste. »There isenough for everybody’s need, but not for everybody’sgreed« - as Mahatma Ghandi used to say when trying tomake people aware of the difference between westernculture and a culture incorporating the idea of reincarna-tion.Today, institutions like the House of World Cultures inBerlin offer us a chance to experience the wealth of cul-tural diversity, without having to go out into the worldourselves and try to explain to others how to treat ourresources. At the same time, visits to other countries wherethere are cultural goods, for instance, natural wonders, ortheir own specific cultural legacy, intensify this exchange.Everywhere in the word people have their basic, inalie-nable values and the aim must be to bring them together.The goal continues to be improving everyone’s overall life-quality – just as it was in Rio in 1992.But culture and art are far from being mere instru-ments providing a means to an end. Instead, they formthe basis we need for contentment, fulfilment and ad-vancement. We need culture and art so that young peo-ple do not merely fill up their heads with incidentalknowledge, as so many pupils seem to now, at leastpartially. But rather than knowing about clothes brands,stars or video games, we need to share other valueswith one another, values that make us happier and morecontented.This is the aim of sustainability. And it seems to methat the political sphere, in principle, is only now star-ting to think about it. Although over the last years,foreign cultural policy has been concerned with cultu-ral dialogue, advancing human rights and democracy,it has not yet dedicated itself to integrating the aspectof an international sustainability policy - and that, to-day, continues to be the task facing us.

The author is the Chair of German Parliamentary Com-mittee on Culture and the Media

meine keineswegs nur den künstlerischen Ausdruck,sondern Vielfalt als solche. Wir brauchen die Vielfalt,um uns insgesamt weiterzuentwickeln. Kultur undNachhaltigkeit leben gleichermaßen durch das Zusätz-liche, die Ergänzung. Denn wir wollen ja nicht nurimmer wieder den Kölner Dom reparieren, was gewissnachhaltig im Sinne seiner Erhaltung ist, womit wiraber nichts Neues schaffen. Wir brauchen eine Wei-terentwicklung, weil das konventionelle abendländi-sche Herangehen an Nachhaltigkeit eine Begrenzt-heit enthält, die, wenn man wirklich einmal weiter-denken würde, genau dieses System zum Ende führenkann. Wir brauchen ein Mehr an Toleranz, an Wissenund an Vielfalt als Grundlagen für ein nicht mehr quan-titatives, sondern qualitatives Wachstum. Genau dafürsetzen wir uns im Moment beispielsweise in derUNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Viel-falt ein. Hier geht es darum, im Zusammenhang desGATS genau diese Vielfalt zu erhalten und klar zu ma-chen, dass Kultur eine Doppelnatur hat. Einerseits istsie Handelsware, andererseits ist sie auch Kulturgut.Erhard Eppler hat schon Anfang der 70er Jahre be-schrieben, dass wir uns in eine Sackgasse manövrie-ren, wenn wir weiterhin dem Mythos des quantitati-ven Wachstums frönen. Dann sind wir bei der ein-steinschen Formel E =mc², wo wir im Prinzip Müll undEnergie produzieren, um damit Wachstum gestaltenzu können. Diese Problematik lässt sich nur umgehen,wenn wir verstärkt Wissen, Bildung, Kultur fördern alsQualitäten, die nicht zwangsläufig Müll und Zerstö-rung produzieren. Das ist der entscheidende Punkt, andem ich auch im Blick auf die Pisa-Studie ansetzenwürde. In Ländern wie etwa Finnland, wo man sehr vielin diesen Bereich – in Bildung, in Wissen, in Kultur –investiert, gibt es weniger Konsum, weniger zerstöreri-schen Verbrauch, weil der kulturelle Wert des „Etwas-miteinander-Tuns“ eine ganz wesentliche Rolle spielt.Da wird viel gelesen, und der Energieverbrauch ist ge-ringer – was miteinander zusammenhängt. Denn beimbloßen Konsumieren wachsen anstelle des Erlebniswer-tes nur noch der Energieverbrauch und der Müll.

Kreativität – Voraussetzungfür die Zukunft

Hier müssen wir meiner Ansicht nach ansetzen. Das istkeine rein kulturpädagogische Frage, sondern eine Ein-stellungsfrage, die nicht nur Kindern vermittelt werdensollte, sondern auch in Firmen, in Verwaltungen undüberall in der Fortbildung. Wie gehen wir an die Dingeheran, wie planen wir, wie gestalten wir Räume? Wirmüssen unsere Kultur dahingehend ändern, dass wir sa-gen: Es macht Spaß, etwas gemeinsam mit anderen Leu-ten zu tun. Zum Beispiel macht es Spaß, in der Schulegemeinsam Dinge zu erarbeiten; vielleicht im Orchesterzu spielen. In der Zeit, die wir so verbringen, können wirerleben, ohne konsumieren zu müssen. Das ist ein wich-tiger Schritt hin zu einer Kultur, die nicht mehr protes-tantisch effizient, sondern effektiv und zugleich Ressour-cen sparend an die Dinge herangeht.Noch ein Vergleich mit der Natur: Ein Kirschbaumbraucht Tausende von Blüten, um ein Kilo Kirschen zuproduzieren. Die Natur ist verschwenderisch, sie ist nichteffizient. Sie braucht nicht wenig, um etwas herzustel-len, aber sie funktioniert in Kreisläufen, die nicht zer-störerisch sind. Sie produziert ohne unseren Energie-verbrauch und unser Müllaufkommen. „There is enoughfor everybody’s need, but not for everybody’s greed.“Dieser Spruch Mahatma Gandhis vergegenwärtigt, woder Unterschied zwischen der abendländischen Kulturund einer Kultur, die auch an Wiedergeburt denkt, liegt.Einrichtungen wie das Haus der Kulturen der Welt inBerlin bieten uns heute die Möglichkeit, den Reichtumkultureller Vielfalt zu erleben, ohne dass wir selbst indie Welt ziehen und anderen Leuten klar zu machenversuchen, wie man mit Ressourcen umgeht. Gleich-zeitig können Besuche in anderen Ländern, wo es kul-turelle Güter wie Naturdenkmäler oder das jeweils spe-zifische kulturelle Erbe gibt, den Austausch intensivie-ren. Überall auf der Welt haben die Menschen ihre un-verzichtbaren Werte, die es zusammenzubringen gilt.Das Ziel ist nach wie vor – wie 1992 in Rio –, die Le-bensqualität insgesamt und für alle zu verbessern.Doch sind Kultur und Kunst keineswegs bloß instru-mentell als Mittel zum Zweck zu sehen, sondern als dieGrundlage, die wir zur Zufriedenheit, zur Erfüllung undzur Weiterentwicklung brauchen. Wir brauchen Kulturund Kunst, damit unsere jungen Leute sich nicht, wiedas heute bei den Schülern teilweise der Fall ist, denKopf voll packen mit Nebenwissen, etwa mit Wissenüber Kleidermarken, Stars oder Videospiele, sonderndamit wir stattdessen andere Werte miteinander tei-len, die uns glücklicher und zufriedener machen.Das ist das Ziel der Nachhaltigkeit. Und mir scheint, diePolitik beginnt im Grunde erst jetzt, darüber nachzuden-ken. Zwar hat sich die auswärtige Kulturpolitik währendder letzten Jahre um den Dialog der Kulturen, um Ent-wicklung für Menschenrechte und Demokratie geküm-mert, aber sie hat dies bislang noch nicht konsequentmit der internationalen Nachhaltigkeitspolitik ver-schränkt. Das ist heute nach wie vor unsere Aufgabe.

Die Verfasserin ist Vorsitzende des Ausschusses fürKultur und Medien des Deutschen Bundestags

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Europa Kultur Stadt politik und kultur • Mai – Juni 2005 • Seite III

Nachhaltige Entwicklung als LeitkulturVon Raimund Bleischwitz und Rainer Lucas„Nachhaltige Entwicklung“ (sustainable develop-ment) strebt die Harmonisierung der unterschiedlichenInteressen von Umwelt, Ökonomie und Sozialem an.Nach den Vereinten Nationen versteht man darunterdie Befriedigung der Bedürfnisse heutiger Generatio-nen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationenzu ihrer Bedürfnisbefriedigung zu beeinträchtigen.Entscheidend ist die Einsicht, dass künftigen Genera-tionen nicht wahlweise ein intaktes ökonomisches,soziales oder ökologisches System hinterlassen wer-den soll, wenn dies auf Kosten der Funktionsfähigkeiteines der anderen Systeme geschieht. Vielmehr ist dieökonomische, soziale und ökologische Entwicklung alseine immer neu herzustellende notwendige Einheit zubetrachten. Die Bedeutung einer nachhaltigen Entwick-lung reicht damit weit über die Umweltpolitik oderüber die Rentenpolitik hinaus.

Nachhaltige Entwicklung enthält normative Implikatio-nen. Die Anerkennung der Rechte künftiger Generatio-nen ist konstitutiv. Darüber hinaus herrscht seit den Erd-gipfeln der Vereinten Nationen 1992 und 2002 Einig-keit, dass die Fairness zwischen Industrie- und Entwick-lungsländern erhöht werden soll. Die Industrieländerhaben anerkannt, dass ihre Produktions- und Konsum-muster nicht ohne gravierende ökologische Konsequen-zen von anderen Ländern nachgeahmt werden können.Sie haben sich deshalb zur Umsetzung in ihren jeweili-gen Territorien verpflichtet. International übernehmensie stärkere Verpflichtungen als die Entwicklungsländerund unterstützen diese finanziell und technologisch beiihren Bemühungen.Die Definition einer nachhaltigen Entwicklung muss not-wendigerweise offen bleiben. Niemand kann aus demLeitbild einen allgemein verpflichtenden Zielzustand odergar Ziele für die individuelle Lebensführung ableiten.Vorstellungen über eine erstrebenswerte Gestaltung derGesellschaft lassen sich anregen, aber nicht vorschrei-

ben. Als Ausweg aus den Definitionsschwierigkeiten bietetsich ein Verständnis als „regulative Idee“ (Karl Homann)an. Ähnlich den Begriffen Freiheit, Demokratie und Ge-rechtigkeit kann auch eine nachhaltige Entwicklungimmer nur über vorläufige Zwischenbestimmungen er-folgen. Sie ist Ziel und Mittel zugleich. Als regulative Ideekann sie gleichwohl in Entscheidungsprozessen zwischenunterschiedlichen Entwicklungspfaden zur Anwendungkommen. So können sowohl negative Kriterien der Nicht-Nachhaltigkeit als auch ökologische Leitplanken undHandlungsmaximen erarbeitet werden.Vor einigen Jahren haben Naturwissenschaften, Recht,Technik und Ökonomie die Debatte über eine nachhalti-ge Entwicklung dominiert. Mittlerweile wird zunehmenddeutlich, dass es um einen kulturellen Wandel der In-dustriegesellschaften und anderer Gesellschaften geht.Wie können Menschen leben, ohne die Natur für künfti-ge Generationen zu übernutzen? Wie wollen sie leben?Wie können sie zwischen Massentourismus und Stand-ortdebatte Fairness gegenüber anderen Kulturen prakti-zieren? Verkrustete Strukturen und problematische Le-bensstile stehen auf dem Prüfstand. Wie eine Kultur derNachhaltigkeit aussehen kann, von wem sie erarbeitetund gelebt wird, und wie mit hartnäckigen Bewahrerndes Status Quo umgegangen werden soll, wird zuneh-mend zu einem Vermittlungsproblem.Die Unternehmenskommunikation hat dieses Vermitt-lungsproblem grundsätzlich erkannt: Ökobilanzen, Stra-tegien zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und zurRealisierung von „Öko-Profit“ sind erste Diskursschritte.Dennoch ergibt sich oft eine zu strikte Aufgabenteilungzwischen Umweltmanagement und Public Relation in denUnternehmen. Als Folge bleibt der Adressatenkreis derNachhaltigkeitskommunikation auf Experten beschränkt.So wird zwar berichtet, aber die Werte der Nachhaltig-keit werden nur in Ausnahmefällen kommuniziert undselten emotional vermittelt. Nachhaltigkeit gilt als „Kopf-thema“.

Sustainable Development as a Defining CultureBy Raimund Bleischwitz and Rainer Lucas

Das Wuppertal Institut setzt sich u.a. im Projekt „Event-kultur und Nachhaltigkeit“ mit dem Wie der Kommuni-kation auseinander und befasst sich mit kulturellen Aus-prägungen von Inhalten der Nachhaltigkeit. Am Beispielder Unternehmenskommunikation wird das Zielsystemder Nachhaltigkeit um eine vierte, kulturelle Dimensionerweitert.Unternehmen können sich als Träger einer neuen Kultur,einer Leitkultur der Nachhaltigkeit verstehen. Durch einreflektiertes Wertemanagement erzeugen sie Kunden-bindungen, die über eine bloße Kaufentscheidung hin-ausgehen. Dabei ist die Internationalität vieler Unter-nehmen grundsätzlich von Vorteil. Durch eine Gestal-tung von Zuliefererbeziehungen und einen regen Aus-tausch lassen sich interkulturelle Vermittlungsformenpraktizieren. Transparenz der Unternehmenspolitik nachaußen fördert eine vorwärts gerichtete Kultur des Ver-trauens.Es geht aber nicht um eine ökonomisierte Leitkultur.Nachhaltigkeit wird dann zur Leitkultur, wenn die Men-schen als verantwortliche Individuen, als Manager, Kon-sumenten und Bürger, agieren. Im Einklang mit der Na-tur, im Respekt vor den Bedürfnissen anderer Kulturenund künftiger Generationen, in Anerkennung der älteren

Generation, als praktizierte Nachbarschaft: das wäre eineLeitkultur ohne den schalen Beigeschmack einer Restau-ration. Statt eines „Kampfs der Kulturen“, in dem sichverschiedene Identitäten polarisierend gegenüberstehen,geht es um eine Kultivierung der Nachhaltigkeit als of-fenes, gesellschaftliches Projekt. Lebensstilpioniere, KulturSchaffende, Schulen, Medien und Unternehmen sindwichtige Träger dieses Kulturwandels. Zeitgemäße For-men der Ästhetisierung und Symbolisierung der Nach-haltigkeitswerte sind hier ebenso gefragt wie neue For-men der Vermittlung. Nachhaltigkeit als Event, als Ins-zenierung und schrittweise erzeugte Bindung, als neueLeitkultur – warum nicht?

Raimund Bleischwitz ist Stellv. Leiter der Forschungs-gruppe „Stoffströme und Ressourcenmanagement“im Wuppertal Institute für Klima Energie Umweltund hat eine Stiftungsprofessur für Industrie undNachhaltigkeit („Toyota Chair for Industry and Sus-tainability“) am Europakolleg Brügge, Belgien inne.

Rainer Lucas ist Projektleiter Eventkultur und Nach-haltigkeit am Wuppertal Institut für Klima EnergieUmwelt

Sustainable development strives to harmonise the dif-ferent environmental, social and economic interests thatunderpin our global community. As defined by the Uni-ted Nations, the term refers to development that meetsthe needs of the present without compromising the abi-lity of future generations to meet their own needs. Thedecisive insight guiding this view of sustainable deve-lopment is the realisation that today’s societies, whengiven the choice, should not leave behind an economic,social or ecological system that compromises the viabi-lity of any other system. Indeed we must look at econo-mic, social and ecological development as a vital andunified whole that must be continually created anew.The consequences of sustainable development extendfar beyond policies related only to retirement benefitsor the environment.Sustainable development has normative implications, andrecognising the rights of future generations is a constituti-ve element. Furthermore, since the United Nations WorldSummits of 1992 and 2002, the predominant unifying fac-tor has been the belief that fairness between the industri-alised and developing countries must improve. The indus-trialised nations have recognised that their patterns of pro-duction and consumption cannot serve as a model for othercountries without grave ecological consequences. For thisreason, these nations have committed themselves to imp-lementing changes in their respective territories. Internati-onally, they impose stricter obligations on themselves thandeveloping countries, which they support financially andtechnologically in their efforts.The definition of sustainable development must remain fle-xible. From the current model, it is impossible to deduce anideal target condition, or for that matter even goals to whichwe may universally subscribe and that lay out for each in-dividual how to lead his or her life. Though we can proposedifferent models of society that are worth striving for, wecannot impose them on anyone else. A way out of thesedifficulties of definition can be found, however, in the con-

cept of a „regulative ideal“ (Karl Homann). Similar to thenotions of freedom, democracy and justice, sustainable de-velopment can only arise from the grey area between otherdefinitions. It is both ends and means. As a regulative ideal,it can nevertheless be applied in decision-making proces-ses at diverging paths of development. It is thus possible towork out negative criteria for unsustainability, as well asecological guardrails and maxims to guide our actions.A few years ago, science, law, technology and economicsdominated the discussion on sustainable development. Sincethen, it has become increasingly clear that it is above all acultural transformation with which we are now confron-ted—not only in industrial nations, but in other societies aswell. How can people live today so that the capacity of thenatural environment to meet future needs is not compro-mised? How do we want to live? And how can we practicefairness vis-à-vis other cultures as we navigate betweenmass tourism and the debate surrounding the creation ofbetter business conditions at home and companies thatexport jobs overseas? Ingrained structures and problematiclifestyles have now been called into question. The anatomyof a culture of sustainability, its progenitors and adherents,and dealing with dogged resistance to changes in the sta-tus quo—these are all issues that are becoming increasin-gly difficult, and yet essential, to communicate.The field of business communications has fundamentallyrecognised this problem: ecobalance, strategies for impro-ving resource efficiency, and the potential to make „eco-profits“ are the first steps in the discussion. Yet businessesstill exhibit an overly rigid division of responsibilities betweenenvironmental management and public relations. As a re-sult, when it comes to conveying the issues surround sus-tainability, the audience remains limited to experts. Therehave been countless reports on the topic, but only in ex-ceptional cases have the actual values of sustainability beencommunicated—and seldom with any emotional content.Sustainability is still seen essentially a topic for the ivorytower. The Wuppertal Institute is tackling the „how“ of

communications with their project „Event Culture and Sus-tainability“ (“Eventkultur und Nachhaltigkeit”) and focus-sing on the cultural hallmarks of sustainability. Using theexample of business communications, they include a fourthcategory—the cultural dimension—in a target system of sus-tainability.Businesses can take on their role as the bearer of a newculture—a leitkultur, or defining culture, characterized bysustainability. By thoughtfully managing values, they cancreate ties to customers that extend beyond mere purchasechoice. In this context, the international scope of manybusinesses is a fundamental advantage. Through a livelyexchange of values, relationships with suppliers can beshaped in a way that translates intercultural forms of com-munication into reality. And transparency in business poli-cies can promote a forward-looking culture of trust.The matter is not primarily about a leitkultur based on eco-nomics. Sustainability is counted as the defining cultureonly when people assume their responsibilities as individu-als, managers, consumers and citizens. In harmony withnature, in respect of the needs of other cultures and futuregenerations, in recognition of older generations, as livedcommunity: these constitute a leitkultur without the stale

aftertaste of restoration. Instead of a „war of cultures“, inwhich different identities confront each other in a pola-rised fashion, what we are concerned with here is a culti-vation of sustainability as an open project for society. Life-style pioneers, those involved in cultural production, schools,the media, and business are important catalysts of this cul-tural transformation. Effective symbols and aesthetic ren-derings of the values of sustainability are just as much indemand as new forms of communication. Sustainability asevent, as mise-en-scéne and the step-by-step formation ofties, as the new defining culture—why not?

Raimund Bleischwitz is the deputy director of the researchgroup „Substance streams and resource management“ atthe Wuppertal institute for Klima Energie Umwelt(climate, energy, environment) and has an endowmentprofessorship for industry and sustainability („Toyota Chairfor Industry and Sustainability“) at the Europakolleg inBrügge, Belgium.

Rainer Lucas is the project manager for Event Cultureand Sustainability at the Wuppertal Institute KlimaEnergie Umwelt.

Category of Sustainability Components

Ecological e.g. resource-efficient design of products and processes

Social e.g. long-term security for human resources, opportunities for employees tofurther develop skills and qualifications

Economic e.g. security of personal assets and fair distribution of wealth.

Cultural e.g. connection between identities of businesses and brands with the goalsof a secure future for society, the task of symbolizing sustainability andlending it an aesthetic representation.

Table. 1: Sustainability of Businesses and their Operationalisation

Source: author’s compilation (see also www.eventkultur.net)

Kulturpolitik: Ein Vergleich Deutschland – ÖsterreichVon Peter VermeulenEs gibt wohl kein anderes Land in Europa, das in derKulturpolitik vergleichbarere Strukturen zu Deutsch-land aufweist, als Österreich. Das Land ist, bezogenauf seine Bevölkerung zehnmal kleiner und funktio-niert doch ähnlich: In der Kulturpolitik gibt es eineBundes-, eine Länder- und eine kommunale Zustän-digkeit. Wie in Deutschland dominiert ein Sparten-denken, die Kultur teilt sich in Musik, Theater, bilden-de Kunst, Literatur etc. Und doch gibt es auffälligeBesonderheiten, die in Österreich anders sind.

Viele Innovationen im Kulturmanagement stammen ausÖsterreich und werden mit Verzögerung in Deutschlandentdeckt:

· Seit Jahren werden in Österreich auf LänderebeneKulturberichte veröffentlicht, die in einer einheitlichenForm Umfang und Strukturen der Kulturförderung wie-dergeben.· Als man 2003 in Berlin entschied, die Theaterwerk-stätten der Berliner Opernhäuser zu einer Theaterser-vicegesellschaft zusammenzufügen, war dieses Mo-dell seit 1997 schon in Wien erprobt.· Als der ehemalige McKinsey-Berater Henning Röperin seiner Dissertation 2000 dem am besten gelunge-nen Theatermanagement nachspürte, wurde er bei denVereinigten Bühnen in Graz fündig. Und neben dem The-ater in der Josefstadt dürften die Grazer ihren Vorsprungbis heute noch weiter ausgebaut haben.

· Wenn heute bei den Rundfunkanstalten über die Aus-gliederung der Radiosymphonieorchester nachgedachtwird, dann könnte ein Blick zum ORF helfen, dem diesbereits 2004 erfolgreich gelungen ist.· Eine Evaluation der Niederösterreichischen Kulturwirt-schaft GmbH (NÖKU) erbrachte 2003 den Nachweis,das es durch eine Holding-Struktur möglich ist, mit ei-ner Bündelung des Kulturmanagements die fachlicheSelbständigkeit an Kulturinstituten bestmöglich zu un-terstützen. Ein Modell, nach dem man in Deutschlandbis heute auf der Suche ist.· 2004 wurde in Graz ein System der Kulturförderungkreiert, bei dem klar festgelegte Kriterien die Entschei-dung einer unabhängigen Jury erleichtern, Gewinner

und Verlierer in der Kulturförderung zu bestimmen.Warum hat es in Deutschland von einigen wenigen Bei-spielen abgesehen keine vergleichbaren Innovationengegeben?Die Optimierung des Kulturmanagements in Deutsch-land stand in den letzten 10 Jahren zu stark unter demZeichen der Mitteleinsparung. Den Mut, mit neuen fi-nanziellen Strukturen auch neue Möglichkeiten und Ent-wicklungsperspektiven aufzuzeigen, hatten nur wenige.Es überwog die vielleicht nicht unberechtigte Angst, dasKind würde mit dem Bad ausgeschüttet.Als eine der wenigen löblichen Ausnahmen mag dasKulturdezernat der Stadt Essen herhalten. Es gibt einen

Weiter auf Seite IV

Nachhaltigkeitsdimension Inhalte

Ökologisch z.B. ressourcen-effiziente Gestaltung von Produkten und Prozessen

Sozial z.B. langfristige Sicherung des Humankapitals, Qualifikation undKompetenzentwicklung der MitarbeiterInnen

Ökonomisch z.B. Eigenkapital-Sicherung bzw. angemessenes Verhältnis zwischenEigen- und Fremdkapital

Kulturell z.B. Verbindung der Identitäten von Unternehmen und Marke mit demZiel der gesellschaftlichen ZukunftssicherungÄsthetisierung undSymbolisierung der Nachhaltigkeit

Tab. 1: Nachhaltigkeit in Unternehmen und deren Operationalisierung

Quelle: eigene Zusammenstellung (siehe auch www.eventkultur.net)

Page 32: Kulturland Deutschland

Europa Kultur Stadt politik und kultur • Mai – Juni 2005 • Seite IV

exzellenten jährlichen Kulturbericht. Die Kulturinstitutewerden mit einer Art Balanced Score Card gesteuert. Mitder Philharmonie Essen konnte der alte Saalbau erfolg-reich wieder belebt und ein Konzerthaus der Spitzen-klasse geschaffen werden. Gleichzeitig wurde das The-ma Industriekultur in der Zeche Zollverein beispielge-bend ausgebaut und über seine Vernetzung in lokale,regionale, nationale und internationale Kulturszenen istder Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt weit bekannt.Diese grundsolide kulturpolitische Arbeit wurde damitbelohnt, dass Essen als Kulturhauptstadt weiter im Ge-spräch ist.Kulturpolitik hat sich in Essen selbstbewusst gegen an-dere Politikfelder behauptet, hat sich nicht abgegrenzt,sondern das Thema Kultur mit anderen Politikfeldernverknüpft.Möglicherweise als Ergebnis der großen Verwaltungsre-formbemühungen ging es anders als in Essen in denmeisten Städten darum, der Frage nachzuspüren, wiegestalte ich Kulturpolitik und nicht um die Frage, waswollen wir mit Kulturpolitik erreichen?Man kann glauben, die Österreicher seien Kulturarbeitsystematischer angegangen oder es sei ihnen zumindestgelungen, mehr Konsens herzustellen.Nun gibt es inhaltliche Differenzen im öffentlichen Kul-turbetrieb nicht wirklich. Einmal abgesehen um Schein-kontroversen, um schlingensiefsche Kulturprovokationen,jelineksche Eigenheiten oder peymannschen Poltergeist.Die inhaltliche Frage nach dem Förderzweck wurde ver-drängt durch eine Optimierung des „Wie´s“. Kulturma-nagement und Verwaltungsreform waren zwei sich wech-selseitig beschleunigende Elemente bei der Erneuerungder Kulturlandschaft. Und auch hier waren die Österrei-

cher konsequenter. Die große Kulturkontroverse, was mandenn bitte zur öffentlichen Kulturpolitik zählen soll undwas den Privaten zu überlassen sei, wird nicht wirklichgeführt. Aus den Augen verschwunden, scheint inDeutschland und Österreich die Frage, welche EffekteKulturpolitik erzielt. Doch marginalisiert sich eine Kul-turpolitik, die sich diese Frage nicht stellt.Die vorherrschende Kulturpolitik in Deutschland undÖsterreich auf Ebene des Bundes, der Länder und Kom-munen verfolgt die Prolongation des Bestehenden. Kul-turpolitik musealisiert sich selbst. Ein Gestaltungswilleist mangels Masse vielerorts verloren gegangen. Verwal-tung, Verbände und Kulturschaffende diskutieren darüber,wie weiterer Flurschaden angesichts sinkender Steuer-aufkommen verhindert werden kann. Eine solche Kul-turpolitik ist rückwärtsgerichtet und verzichtbar.Vermutlich liegt das Problem tiefer. Der traditionelle, öf-fentlich geförderte Kulturbereich erleidet angesichts deraktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen einen nach-haltigen Bedeutungsverlust. Zu seiner Verteidigung sindzu viele hohle Phrasen im Spiel, zu viele uneingelösteVersprechungen, zu viele selbstreferentielle Behauptun-gen, die mit den Erwartungen der „Nicht-Kulturbetrieb-ler“ immer weniger zu tun haben.Der Deutsche Bühnenverein fordert: Theater muss sein!Und der Kulturfreund pappt sich einen entsprechendenAufkleber aufs Auto. Musikschulen brauchen Förderung,so der Musikschulverband und so lebt Selbstreferenzia-lität in der Kultur bis heute.Völlig aus den Augen verschwunden, scheint die Frage,warum wir diese Kultur denn brauchen? Ein In-Frage-stellen wird als Kulturbanausentum, als –feindseligkeitinterpretiert. Wer die bestehende Kulturpolitik kritisiert,wird mit dem Vorwurf des Totengräbers konfrontiert?Bei enem Expertenhearing am 15.3.2005 in Wien stellteder Kulturmanager Dr. Michael Wimmer die Frage: “EineVerbandsrethorik, „Kultur als Grundnahrungsmittel der

Menschen“ zu positionieren, ist schwierig. Selbst in derunmittelbaren Nachkriegszeit ging es nicht ums Brot,sondern - wer es sich nur irgendwie leisten konnte - umdie Butter. In diesem Sinn sind Kunst und Kultur Delika-tessen par excellence oder sie sind nichts wert. Was bringtes, den Menschen stereotyp einzureden, sie bräuchtenKultur, während diese ganz genau wissen, dass sie sienicht brauchen, außer sie haben Lust darauf?”Lauter als In Österreich wurde in Deutschland in den 80erJahren gefordert: Kultur für alle! Doch die armen Geis-ter, die Hilmar Hoffmann rief, wird man jetzt nicht los.Sie irrlichtern in Songcontests, sofern sie sich nicht aufangewärmten Woks als Bobs im Sauerland den Winter-berg hinunterstürzen. Sie rappen in den Jugendzentren,wetteifern in Karaoke-Studios, drehen eigene Homevi-deos und verteilen sie im Klassenraum. Eine Unterschicht-kultur ist gewachsen, ungefördert, und die Hochkulturläuft leer. Die deutsche Oper in Berlin vermeldet für 2004eine Auslastung von 64 %, die Komische Oper im glei-chen Zeitraum 52,7 %. Dagegen wächst die Zahl derKulturbanausen und je aberwitziger eine Fernsehsendung,desto höher die Einschaltquoten. Das war nie gewollt:Kulturpolitik in Deutschland und Österreich sollte denFeingeist befördern und was ist das Ergebnis? Fressen,ficken, fernsehen.Der Historiker Götz Aly, der gerade spektakulär mit sei-nem neuen Werk zur Sozialpolitik im Nationalsozialis-mus auf sich aufmerksam machte, hat einem Berichtder FAZ zufolge vorgeschlagen, die Druckkostenzuschüssefür historische Qualifikationsarbeiten zu streichen. „SeinArgument: Die von der akademischen Geschichtswissen-schaft verbreitete Langeweile beruhe darauf, dass ihreBücher sich nicht am Markt behaupten müssten.“ Auchwenn dieser Vorschlag helle Empörung auslöst, er trans-portiert die Vermutung, wo Rauch ist, sei ein Feuer.Bislang geht Kulturpolitik über dieses Feuer hinweg.Der mangelnde Spaß und die gähnende Langeweile ei-

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Cultural policy: A comparison Germany – AustriaBy Peter Vermeulen

There is hardly another country in Europe whose structu-res in cultural policy are closer to the ones featured inGermany than Austria. The country is ten times smaller –based on its population – yet functions in similar ways:There is a federal, state and communal competence incultural policy. As in Germany, thinking is dominated bycompartmentalisation: culture splits up into music, the-atre, visual art, literature, etc.But there are some distinctive features, which are diffe-rent in Austria.Many innovations in cultural management originated inAustria and are only being discovered in Germany with adelay:· For years Austria has been publishing cultural reports onthe federal state level, which, in a consistent form givean account of the scope and structures of promotion ofculture.· When, in 2003 in Berlin, it was decided to join the the-atre workshops of the Berlin opera houses into one the-atre service-company, the model had already been put tothe test in Vienna since 1997.· When the former McKinsey-consultant Henning Röperwas searching for the most felicitous theatre manage-ment in his dissertation of 2000, he discovered it at theVereinigte Bühnen (United Stages) in Graz. And besidesthe theatre in the “City of Josef”, the people of Graz havesurely extended their healthy margin to date.· When nowadays we are thinking about outsourcing theradio symphony orchestra from the broadcasting corpo-rations, a look at the ORF could help, where this was donesuccessfully in 2004.· An evaluation of the Niederösterreichische Kulturwirt-schaft GmbH (Nether Austrian Cultural Economics Ltd.)proved in 2003, that, in form of a holding and by bund-ling cultural management it is best possible to supportprofessional independence of cultural institutions. This isa model that is still being searched for in Germany today.· 2004 a system of cultural promotion was created in Graz,in which clearly established criteria facilitate the decisi-on of an independent jury, to determine the winners andlosers of further cultural promotion.Why, apart from a few examples, have there not beencomparable innovations in Germany?The pressure of budget-cuts has dominated the improve-ment of cultural administration in Germany in the last 10years. Only few had the courage to point out new possi-bilities and development perspectives through new finan-cial structures. There is also a chance that the not entire-ly unfounded fear prevailed that the baby was beingthrown out with the bath water.The cultural department of the city of Essen may serve asone of the few laudable exceptions. It publishes an excel-lent yearly cultural report. The cultural institutes are go-verned through a type of balanced scorecard. Throughthe creation of the Essen Philharmonic the old Saalbaubuilding could be revitalized and a top-class concert hallwas brought into being. Simultaneously the subject ofindustrial culture was exemplified and expanded in the“Zeche Zollverein” (a former coal-mine, tr.) and the headof the Essen cultural department, Oliver Scheytt is widelyknown through his connections with local, national andinternational cultural scenes.In Essen, cultural policy has confidently established itselfagainst other areas of policy and not by dissociation butby linking the subject of culture with other political areas.Possibly a result of the great effort for administrative re-form, other cities – in contrast to Essen – have been trai-ling the question of how cultural policy might be formedand not so much the question of what do we want to

achieve through cultural policy? One could think that theAustrians have had a more systematic approach to culturalactivity or that, at least, they were able to reach a greaterconsensus.But differences regarding content do not really exist in thepublic cultural scene. Apart from mock controversies aboutSchlingesiefesque cultural provocations, Jelinek eccentri-cities or the Peymann Poltergeist.The question of the purpose of promotion was pushed asi-de by the improvement of the “how”. Cultural managementand administrative reform were two elements mutuallyaccelerating each other in the renewal of the cultural land-scape. But, again, the Austrians were more consistent. Thebig cultural controversy about what should belong to pu-blic cultural policy and what should be left to privates isnot really being led. In Germany and Austria the questionon what effects can be brought about by cultural policyseems to have slipped into oblivion. But cultural policy thatdoes not ask itself this question is marginalizing itself.The prevailing cultural policy in Germany and Austria onthe federal, state and communal level is set on prolongingthe existent. Cultural policy is mummifying itself. The willto shape is being lost in many areas, due to the lack ofsubstance. The administration, associations and the per-sons engaged in the cultural sector are discussing how, inthe light of falling tax revenues the damage can be aver-ted. Such cultural policy is backward and dispensable.Presumably the problem runs deeper. The traditional, pu-blicly funded sector is suffering of a lasting loss of impor-tance, given the current developments in society. Too manyhollow phrases and empty promises have been aired in itsdefence, too many self-referential pronouncements, thathave little to nothing to do with the expectations of per-sons “not in the cultural know”.The German Theatre Association (Deutscher Bühnenverein)demands: Theatre is a must! And the friend of culture willstick a corresponding badge on their car. Music schools needfunding, as the Association of Music Schools states and inthis way self-reference lives on in culture to this day. Butwe seem to have lost sight of the question, why we needthis kind of culture in the first place? But such a question isqualified as cultural philistinism and hostility. Those whocriticize the existing cultural policy, are confronted withthe reproach of being the undertaker?At a hearing of experts in Vienna on May 15th, 2005, thecultural manager Dr. Michael Wimmer posed the question:“To position the slogan “Culture as a staple food of the peo-ple”, as part of the associations rhetoric, is difficult. Evenright after the war it was not all about the bread – whoevercould even barely afford it, was out for butter. In this sensethe arts and culture are delicacies par excellence or theyare worth nothing. What is the worth of stereotypically pre-aching to people that they need culture if they know ex-actly, that they don’t need it, unless they feel like it?”In the 80s, the demand “Culture for everyone!” rang louderin Germany than in Austria. But the poor spirits that HilmarHoffmann summoned, we now cannot expel. They lurk insong-contests, if they are not racing down the Winterbergin the Sauerland on pre-warmed woks as sleighs. They rapin youth-centres, compete in karaoke-studios, make theirown home videos and distribute them in the classroom. Alow-class culture has flourished, unaided, and high cultureis runs idle. For the year 2004 the German Opera in Berlinreports an occupation of 64%, the Komische Oper one of52,7% for the same period of time. On the other hand thenumber of cultural philistines is growing and the more lu-dicrous a TV-show, the higher the ratings. This was neverintended: Cultural policy in Germany and Austria was sup-posed to promote knowledge and appreciation of the arts

and what is the result? Feed, fuck, watch TV. The histori-an Götz Aly, who has just drawn attention to himself in aspectacular way through his new work on social policyduring the Third Reich, has, according to a report by theFAZ, proposed to cancel the subsidies for the printing ofqualification papers in history. “His argument: The bore-dom spread by academia in the field of history is based onthe fact that its books do not have to compete on themarket.” Even though this proposal generated great out-rage, it does transport the assumption that there is nosmoke without a fire.The lacking fun and incredible boredom of a definition ofcultivation that hurts are exactly the reason to stay awayfor some; for others the reason to demand: “Onward wego!“ Never stoop to the masses, populism is the death ofculture, God forbid somebody laughs. Empty houses areproof of quality. How many artists only gained recogniti-on after their death? Especially because the masses stayaway, subsidies are justified. Only by subsidies we canmaintain what the market will not pay for. It’s a horribledilemma. Funding for that, which has difficulties! the headof the former office for cultural cooperation in Wupper-tal, Dietmar M. Schmidt, obediently and nicely stated,while leaving open if he wants this motto understood asan approach for therapy or philanthropy. But who is thebouncer? Who decides on need for therapy? Who disper-ses the generous gifts to whom? This is not cultural poli-cy, but the administration itself, and according to subsidydirectives, that it has passed on to the politicians for de-cision making. Instead of cultural policy we are left withcultural administration.But possibly there are two exits:1. To discover culture, where it may be not expected bymany at the moment: in the social sector, in city develop-ment, in education, human resources; anyhow there, whe-re development is taking place and not where the forcesof persistence have taken over.2. To reinterpret culture as a driving force for social deve-lopment, that sparks curiosity, that fascinates and there-by is capable to secure resources.This includes:· an institutional willingness to not only move forward onan organisational level, but firstly regarding content.· and a political superstructure, that is capable to bundlethe manifold individual interests to one joint, contem-porary claim and thereby manage to make it visible to thepublic.As long as cultural policy is confined to carrying dead tothe cemetery, it will sow nothing new. Even if there are(still) no alternatives to the existing, we have to searchfor them. We should develop the urge to measure theimpact of existing structures, to research and to develop.A policy, that has change as a goal, has come into thefocus of Austria and surely soon of Germany.After we have developed, introduced and demanded in-novations in cultural policy for years, we now have tofocus on a renewal regarding content, which we have toapproach in the same unafraid manner as formerly theissue of cultural management. In those times critics said:You cannot be computed. Cultural consultants have heldagainst it. Nowadays critics complain: Culture countsfor nothing anymore! And today the simple answer isthe same: You have to fight for it, honestly, confidentlyand with an open visor! A look at Austria shows us: Cul-ture counts, as long as it stays alive.

The author is the chairman of the board of directorsof the ICG Consulting Group Germany Inc. CULTUR-PLAN Management Consulting

nes Bildungsbegriffs, der weh tut, sind für die einen Ur-sache des Wegbleibens und für die anderen Grund, ge-nau das Weiter-so zu fordern. Bloß nicht der Masse beu-gen, Populismus ist der Tod der Kultur, wehe, wenn einerlacht. Leere Häuser sind ein Qualitätsbeweis. Wie vieleKünstler wurden erst posthum berühmt? Gerade, weildie Masse wegbleibt, ist Förderung gerechtfertigt. Nurdurch Subventionen kann erhalten werden, was der Marktnicht trägt. Ein schreckliches Dilemma. Fördern, was esschwer hat!, hat der Leiter des früheren Sekretariats fürgemeinsame Kulturarbeit in Wuppertal, Dietmar N.Schmidt, ganz brav und nett formuliert und dabei offengelassen, ob er dieses Motto als Therapieansatz oder alsMildtätigkeit verstanden wissen will. Wer aber ist derTürwächter? Wer entscheidet über die Therapiebedürf-tigkeit? Wer verteilt die großzügigen Gaben an wen? Dasist nicht die Kulturpolitik, sondern die Verwaltung selbst,und nach Förderrichtlinien, die sie der Politik zur Be-schlussfassung aufgeschrieben hat. Statt Kulturpoli-tik gibt es nur noch Kulturverwaltung. Dennoch gibtes vielleicht zwei Auswege:1. Kultur dort aufzuspüren, wo sie bislang bei vielen nichtvermutet wird: im Sozialbereich, in der Stadtentwick-lung, in der Bildung, Personalentwicklung; jedenfalls dort,wo Entwicklung stattfindet und nicht dort, wo die Be-harrungskräfte überhand genommen haben.2. Kultur wieder zu einem Movens gesellschaftlicherEntwicklung umzuinterpretieren, das neugierig macht,das fasziniert und auf diese Weise in der Lage ist, auchResourcen zu finden.Dazu gehören· ein institutionelles Wollen, sich nicht nur organisato-risch, sondern in erster Linie inhaltlich weiter zu ent-wickeln· und ein politischer Überbau, der in der Lage ist, dievielfältigen Einzelinteressen als einen gemeinsamen, zeit-gemäßen Anspruch zu bündeln und auf diese Weiseüberhaupt in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.Solange Kulturpolitik darauf beschränkt ist, Tote umden Friedhof zu tragen, wird sie Neues nicht säen. Selbst,wenn es zum bestehenden (noch) keine Alternativengibt, man muss danach suchen. Die Wirkung des Be-stehenden zu messen, forschen, entwickeln soll einDrang werden. Eine Politik, die auf Veränderung zielt,gerät in Österreich und dann wohl auch bald in Deutsch-land ins Blickfeld.Nachdem wir jahrelang Innovationen im Kulturmanage-ment entwickelt, eingeführt und gefordert haben, wirdes jetzt um die inhaltliche Erneuerung gehen, die wirgenauso unerschrocken angehen müssen wie seinerzeitdas Thema Kulturmanagement.Damals sagten Kritiker: Kultur kann man nicht rechnen.Kulturberater haben dagegen gehalten. Heute klagenKritiker: Kultur zählt nichts mehr! Auch heute heißt diesimple Antwort: dann muss man dafür kämpfen, ehrlich,selbstbewusst und mit offenem Visier! Ein Blick nachÖsterreich zeigt: Kultur zählt, solange sie lebendig bleibt.

Der Verfasser ist Vorstandsvorsitzender der ICG Con-sulting Group Deutschland AG CULTURPLAN Un-ternehmensberatung

Fortsetzung von Seite III

Kulturpolitik: ein Vergleich...


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