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Kartelle und ihre Verfolgung in der deutschen ... · 3 © dr. hans-martin feldkamp. einführung. f....

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Kartelle und ihre Verfolgung in der deutschen, europäischen und amerikanischen Praxis Dr. Hans-Martin Feldkamp 53. FIW-Ferienkurs 21.09.2016
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1 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Kartelle und ihre Verfolgung in der deutschen, europäischen und amerikanischen Praxis

Dr. Hans-Martin Feldkamp53. FIW-Ferienkurs 21.09.2016

2 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Kartelle und ihre Verfolgung in der deutschen, europäischen und amerikanischen Praxis

Einführung: worum es in der Praxis geht

Welches Recht?

Kartellverbot: Tatbestand

Verfolgung von Kartellen

Haftung für Kartelle

Kartellbekämpfung in der Unternehmenspraxis

3 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Einführung

.

F. HOFFMANN-LA ROCHE AND BASF AGREE TO PAY RECORD CRIMINAL FINES FOR PARTICIPATING IN INTERNATIONAL VITAMIN CARTEL

F. HOFFMANN-LA ROCHE AGREES TO PAY $ 500 MILLION;HIGHEST CRIMINAL FINE EVER

Swiss Executive Agrees to Plead Guilty and Serve U.S. Jail TimeWASHINGTON, D.C. -- A Swiss pharmaceutical giant, F. Hoffmann-La Roche Ltd today agreed to plead guilty and pay a record $ 500 million criminal fine for leading a worldwide conspiracy to raise and fix prices and allocate market shares for

certain vitamins sold in the United States and elsewhere, the Department of Justice announced. A German firm, BASF Aktiengesellschaft, also will plead guilty and pay a $ 225 million fine for its role in the same antitrust conspiracy, the

Department said.

FOR IMMEDIATE RELEASETHURSDAY; MAY 20, 1999

WWW.USDOJ.GOV/ATR

AT(202)514-2007

TDD: (202)514-1888

4 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

SGL Carbon AG Share Prices 1995-2005

EinführungExistenzgefährdung durch eigene Kartellabsprachen

Quelle: Stephan: The Bankruptcy Wildcard in Cartel Cases, Centre for Competition Policy Working paper 06-5,im Internet unter: http://www.ccp.uea.ac.uk/public_files/workingpapers/CCP06-5.pdf

5 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

EinführungGeldbußen in den USA (1)

Quelle: : Hammond, The Evolution of Criminal Antitrust Enforcement Over the Last Two Decades, speech, Miami FL, February 25, 2010

Fast paralleler Anstieg in der EU

6 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

EinführungGeldbußen in den USA (2)

Anstieg innerhalb der Dekade auch in der EU Quelle: U.S. Department of Justice, CRIMINAL ENFORCEMENT, Fine and Jail Charts Through Fiscal Year 2015, Updated December 11, 2015;im Internet unter: http://www.justice.gov/atr/criminal-enforcement-fine-and-jail-charts

7 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

EinführungGefängnisstrafen in den USA

Quellen: Hammond a.a.O. (li.); US DOJ, a.a.O. (re.)

8 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

EinführungUSA Top Ten

Quelle: Webseite des US Department of Justice, Stand: 12.09.2016

9 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

EinführungUSA und EU im Vergleich

Quelle: Connor: Cartels Portrayed: U.S. vs. EC: Who‘s Winning the Prosecution Race? A 21-Year Perspective, 1990 to 2010;Im Web unter: http://kartellblog.de/2015/01/14/connor-u-s-vs-ec-whos-winning-the-prosecution-race-a-21-year-perspective-1990-to-2010/

10 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Aufdeckung von Kartellen ist ein Schwerpunkt der US-Administration und der EU-Kommission

• Inflationärer Anstieg der Geldbußen in USA und EU; D zieht nach.

• Die Top Ten sind internationale Kartelle.

• Alle betreffen außer-amerikanische Konzerne.

• Durchsetzung von Haftstrafen gegen Mitarbeiter außer-amerikanischer Unternehmen (jüngst im inFokus)

EinführungAusgangslage

Kein Unternehmen ist vor einer Schädigung oder Existenzgefährdung durch Verstöße gegen das Kartellrecht sicher.

11 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Kartellverträge, die sich auch im Ausland auswirken, unterliegen ...

... dem Kartellrecht aller betroffenen Staaten.

Welches Recht?Auswirkungsprinzip

12 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Welches Recht?EU vs. Mitgliedsstaaten: Art 3 VO 1 / 2003

• Die Behörden / Gerichte der Mitgliedsstaaten wenden nationales Kartellrecht und Art. 101, 102 VAEU an

• Keine Anwendung nationalen Kartellrechts, wenn ein Verhalten durch Art. 101 VAEU zugelassen ist (Abs. 1, 3 oder GVO)

• Art. 102 VAEU blockiert strengeres nationales Recht nicht!

• Nationales Recht mit anderer Zielsetzung als Art. 101, 102 VAEU darf angewendet werden.

13 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Kartellverbot: TatbestandHorizontale Absprachen

• Preisabsprachen (auch Rabatte)

• Festlegung von Marktanteilen

• Aufteilung regionaler Märkte

• Sachliche Marktaufteilung

• Aufteilung von Kunden

• Kapazitätsabsprachen

• Stilllegungsabkommen ... sind regelmäßig verboten.

14 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Kartellverbot: TatbestandVertikale Absprachen

• Festlegung von Wiederverkaufspreisen

• Festlegung von Handelsspannen

• Export-/Importverbote (EU)

... sind regelmäßig verboten.

15 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Abgestimmtes Marktverhalten ist in gleichem Umfang verboten wie ein den Wettbewerb beschränkender Vertrag.

• Abgestimmtes Verhalten ist jede gegenseitige Verständigung über das künftige Marktverhalten.

• Das Nachahmen des Verhaltens eines anderen Unternehmens oder gleichförmiges Verhalten mehrerer Unternehmen sind kein abgestimmtes Verhalten.

• Der Indizienbeweis ist zulässig.

• Exkurs: Auch Korrespondenz mit dem Inhouse Counsel kann als Beweismittel verwertet werden (s. EuG v. 17.9.2007 i. S. Akzo Nobel, Akcros ./. Kommission, T-125/03, T-253/03, bestätigt durch EuGH am 14.09.2010).

Kartellverbot: TatbestandAbgestimmtes Verhalten

16 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenBußgeld und Kriminalstrafe

*: neu seit 2005

Land individuell Unternehmen

Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10* Jahren; Geldstrafe bis zu $ 1.000.000*

Geldstrafe bis zu $ 100 Mio* oder 2facher Mehrerlös / Schaden

./.

Bußgeld bis zu 10 % des weltweiten Konzernumsatzes

- Bußgeld bis zu € 1.000.000*

- Submissionskartelle: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe

Bußgeld bis zu € 1.000.000* bzw. 10 % des weltweiten Konzernumsatzes*

17 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenEU-Bußgeld-Leitlinie vom 01.09.2006

Berechnung des Bußgeldes aus folgenden Faktoren:

(1) Prozentsatz vom relevanten Umsatz (≤ 30%) je nach Schwere des Verstoßes

x(2)Zahl der Jahre der Beteiligung

+(3) „Eintrittsgebühr“

+/-(4) Zuschläge/Abschläge

Absolute Obergrenze: 10% vom weltweiten Konzernumsatz

Zum Durchgriff auf die Konzernobergesellschafts. EuGH v. 10.9.2009 i. S. Akzo Nobel et al. ./. Kommission (C-97/08)

18 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenDie europäische „Kronzeugenregelung“ - Fälle

• Immunität vor Geldbußen,• wenn der Kommission die Existenz des Kartells unbekannt war

oder ihr ausreichende Beweismittel fehlten• für die erste Anzeige / die erste Vorlage ausreichender

Beweismittel

• Ermäßigung der Geldbuße, wenn• Kenntnis der Kommission oder Dritter für Immunität qualifiziert und• Beweismittel erheblichen Mehrwert darstellen

30-50 % Ermäßigung für das erste Unternehmen20-30 % Ermäßigung für das zweite Unternehmen< 20 % Ermäßigung für jedes weitere Unternehmen

19 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenDie europäische „Kronzeugenregelung“

• Voraussetzungen:• sofortige Einstellung der Beteiligung (Ausnahmen jetzt möglich)• uneingeschränkte Zusammenarbeit (nicht mehr nur für Immunität)• strenge Regeln für die Sicherung von Dokumenten (neu)• keine Ausübung von Zwang zur Teilnahme am Kartell (Immunität)

„Kronzeugenregelungen“ weltweit:

Und: Die Behörden arbeiten zusammen!

• Verfahren:• Antrag mit Beschreibung und Beweismitteln (ggf. hypothetisch; evtl. “Marker“)• Prüfung mehrer Anträge nach Reihenfolge des Eingangs• Gewährung bedingter Immunität.• Kommision muss nicht tätig werden.• Strafnachlass für „direct settlements“.

20 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenUSA: Individual Accountability for Corporate Wrongdoing

1. To be eligible for any cooperation credit, corporations must provide to the Department all relevant facts about the individuals involved in corporate misconduct.

2. Both criminal and civil corporate investigations should focus on individuals from the inception of the investigation.

3. Criminal and civil attorneys handling corporate investigations should be in routine communication with one another.

4. Absent extraordinary circumstances, no corporate resolution will provide protection from criminal or civil liability for any individuals.

5. Corporate cases should not be resolved without a clear plan to resolve related individual cases before the statute of limitations expires and declinations as to individuals in such cases must be memorialized.

6. Civil attorneys should consistently focus on individuals as well as the company and evaluate whether to bring suit against an individual based on considerations beyond that individual’s ability to pay.

Quelle: Sally Quillian Yates, Speech at NYU, September 10, 2015, im Web unter:http://www.justice.gov/opa/speech/deputy-attorney-general-sally-quillian-yates-delivers-remarks-new-york-university-school

21 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Haftung für KartelleZivilrechtliche Rechtsfolgen

Treble damages, aber nicht mehr zu Lasten von Kronzeugen

Schadenersatzanspruch aus § 33 Abs. 3 GWB i. V. m. Art. 101 Abs. 1 VAEU (und vergleichbaren Vorschriften anderer EU-Mitgliedsstaaten; vgl. die neue EU-Schadensersatz-Richtlinie)

Schadensersatzanspruch aus § 33 Abs. 3 GWB; ausgeweitet durch die 7. GWB-Novelle

22 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenBesonderheiten des US-Verfahrens

• Jury Proceedings

• Discovery

• Class Actions

• Klagen indirekter Käufer

23 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenEin Beispiel aus den USA

24 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Verfolgung von KartellenEntwicklung der Praxis

Zulässigkeit der Klage bestätigt durch OLG Düsseldorf v. 14.5.08, VI U (Kart) 14/07; BGH v. 7.4.09, KZR 42/08, GRUR-RR 2009,319;

LG Düsseldorf v. 17.12.13, 37 O 200/09: unbegründet;OLG Düsseldorf v. 18.2.15, VI U3/14: Berufung zurückgewiesen;

Erfolg in der Sache 2013 in NL (Gas Insulated Switchgear)

25 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Problem: Der Kläger darf die Herausgabe belastender Dokumente verlangen, auch

schriftlicher Anträge unter der Kronzeugenregelung.

• Jede Offenlegung eines Antrages würde die Effizienz der Kronzeugenregelung stören.

• Lösung der Kommission: mündliche Antragstellung („paperless testimony“)

• Zugriff von Klägern auf vorgelegte Dokumente?

EuGH v. 14.06.2011, ABl. C 232,5 (Pfleiderer) verweist auf die Rechtsordnungen der

Mitgliedsstaaten -> z. Z. relevantes Risiko

Verfolgung von KartellenUS- und andere Verfahren vs. EU-Kronzeugenregelung

26 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Anspruchsberechtigt jetzt: jeder Betroffene, d. h. „wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.“

• „Passing-on-Defence“ ausgeschlossen (s. aber BGH v. 28.06.2011 – KZR 75/10 -Durchschreibpapier)

• Auch indirekte Abnehmer begünstigt (a.a.O.)• Verzinsungspflicht ab Schadenseintritt• Tatbestandswirkung für kartellbehördliche Entscheidungen: Aber welcher Behörden?

Auch gegenüber Kronzeugen?• Verjährungshemmung durch laufende Kartellverfahren

Modifizierung durch die am 17.04.2014 durch das EP angenommene EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen (…) wg. Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen (…), im Web unter: http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/documents.html

Verfolgung von KartellenSchadensersatz: Der aktuelle Rechtsstand in Deutschland

27 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Voller Schadensausgleich; Überkompensation ausgeschlossen (Art. 2)• Anordnung der Vorlage von Beweismitteln durch das Gericht (vorbehaltlich

Verhältnismäßigkeit und eines evtl. Berufsprivilegs) (Art. 5)• Begrenzter Schutz des Kronzeugen (Art. 6)• Abgestufte Bindungswirkung behördlicher Entscheidungen (Art. 9)• Verjährung: 5 Jahre ab Kenntnis, ggf. unterbrochen durch behördliches Tätigwerden

(Art. 10)• Im Prinzip gesamtschuldnerische Haftung der Kartelltäter (Art. 11)• Anspruchsberechtigt ist der direkte oder indirekte Kunde, bei dem der Schaden

geblieben ist; „passing-on defence“ möglich (Art. 12 ff.)• Schädigung vermutet, Schaden kann geschätzt werden (Art. 13)

Verfolgung von KartellenEU-Schadensersatz-Richtlinie

28 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Umsetzung erfolgt innerhalb des GWB (§§ 33a ff. GWB-E)• Widerlegliche Vermutung der Schadensverursachung (§ 33a II GWB-E)• Vorlage von Beweismitteln: Materiellrechtlicher Anspruch (§ 33g GWB-E); hierbei kein

Berufsprivileg.• Verjährungsdauer auf 5 Jahre heraufgesetzt.• Gesamtschuldnerische Haftung der Kartelltäter, Innenausgleich danach, „in welchem

Maß sie den Schaden verursacht haben“ (§ 33d GWB-E) • Hierbei Privilegierung des „Kronzeugen“ (§ 33e GWB-E)• „Passing-on defence“ ist möglich, Beweislast beim Beklagten (§ 33c GWB-E)

Verfolgung von KartellenUmsetzung durch die 9. GWB-Novelle (Referentenentwurf)

29 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Kooperation liegt dem Menschen näher als Konkurrenz.

• Empirische Analysen zeigen erhebliche „Overcharge“ (Connor:* Median 23%)

• Es gibt Kartelle aus Bequemlichkeit.• Defizite in der Führungskultur können

Compliance-Verstöße auslösen (Sind die Ziele regulär erreichbar?)

• Kartelle aus vermeintlicher „wirtschaft-licher Notwehr“ bei Problemprodukten (vs. Strukturmaßnahmen)

Kartellbekämpfung im UnternehmenWie kommt es zu Kartellen?

Quelle: sueddeutsche.de vom 23.08.2016. Der Artikel referiert: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA: How chimpanzees cooperate in a competitive world, im Web unter: http://www.pnas.org/content/113/36/10215. - *Connor, Price-fixing overcharges, 3rd ed., 2014

(Bild kooperierender Affen)

30 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Vermeintliche „wirtschaftliche Notwehr“ bei Problemprodukten (vs. Strukturmaßnahmen)

• Aufdeckung von Kartellrechtsverstößen durch gekündigte oder abgefundene Mitarbeiter

• beteiligte Unternehmen (begünstigt durch Immunitätsprogramme; auch Imagefrage!

• betroffene Unternehmen (Kunden!)

• Behörden (Erkennbarkeit; Zufallsfunde)

• externe Faktoren, bis hin zum Ehepartner

Kartellbekämpfung im UnternehmenWie kommt es zu Kartellverfahren?

31 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

• Verhaltensrichtlinien für kartellrechtskonformes Verhalten als Bestandteil der „Company Policy“ kann (!) strafmildernd wirken.

• Disziplinarmaßnahmen gegen Mitarbeiter bei Rechtsverstößen (bis hin zu Kündigungen)

• Evtl. Installierung eines Ombudsmanns oder einer Hotline• Regelmäßige Information der Führungskräfte über die kartellrechtlichen Vorgaben• Optional E-Learning-Programme • Instruktion aller Mitarbeiter zur Nichtteilnahme an Besprechungen, sobald die Gefahr

einer Kartellabsprache aufkommt

Kartellbekämpfung im UnternehmenVorsorgemaßnahmen zur Risikominderung

32 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

1. Die erhöhten Bußgelder für Hard-Core-Kartelle wirken sich nachhaltig aus auf Täter und Dritte (Beschäftigte, Aktionäre, dritte Staaten).

2. Internationale Kartelle unterliegen nach dem Auswirkungsprinzip dem Recht aller betroffenen Staaten.

3. Die aktuelle Europäische Kartellverordnung hat das Zweischrankenkonzept etwas zurückgedrängt.

4. Nicht Kartellverträge, sondern ein „nur“ abgestimmtes, oft kollusiv verdecktes Verhalten bilden den Schwerpunkt der Hard-Core-Kartelle der letzten Jahre.

5. Die heutigen Sanktionsdrohungen genügen allen generalpräventiven Anforderungen.

6. Die Verfolgung von Kartellen in den USA ist effizient, widerspricht aber in vielem dem gewachsenen europäischen Rechtsempfinden.

Thesen

33 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

7. Die europäische Kronzeugenregelung war bisher effizient, hat aber im Netzwerk der Behörden zu Problemen geführt.

8. Schadensersatzansprüche von Kartellopfern sollten auch international konfliktfrei mit dem öffentlichen Kartellrecht und dem übrigen Zivilrecht harmonieren; sie sind davon mehr denn je entfernt.

9. Die Verwirklichung des „Anwaltsprivilegs“ für Syndici ist verbesserungsbedürftig.10. Kartelle sind meist nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich

schädlich, indem sie nötige Strukturmaßnahmen verhindern.11. Die Zuversicht mancher Unternehmensmitarbeiter, Kartelle blieben unentdeckt, ist

irrig.12. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter durch Verhaltensrichtlinien, Schulungen, ggf.

Disziplinarmaßnahmen zur strikten Respektierung des Kartellverbotes anhalten.

Thesen

34 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Section 1 (15 U.S.C. § 1).

Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations, is declared to be illegal. Every person who shall make any contract or engage in any combination or conspiracy hereby declared to be illegal shall be deemed guilty of a felony, and, on conviction thereof, shall be punished by fine not exceeding $ 100.000.000* if a corporation, or, if any other person, $ 1,000,000*, or by imprisonment not exceeding 10* years, or by both said punishments, in the discretion of the court.

Die Pflicht zum Ersatz des Zweifachen des Gewinns / des finanziellen Schadens folgt aus 18 U.S.C. §§ 3571 - 3572 (1994)

*Verschärfungen 2005

Anlage 1Das US-Kartellverbot - Sherman Act

Kommentierung: Blechman / Bernstein, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, US Antitrust Recht

35 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Sherman ActSection 6a (Foreign Trade Antitrust Improvement Act, 15 U.S.C. § 6a(1982)). Sections 1 to 7 of this title [15 U.S.C.] shall not apply to conduct involving trade or commerce (other than import trade or import commerce) with foreign nations unless -(1) such conduct has a direct, substantial, and reasonably foreseeable effect -

(A) on trade or commerce which is not trade or commerce with foreign nations, or on import trade or import commerce with foreign nations, or

(B) on export trade or export commerce with foreign nations, of a person engaged in such trade or commerce on the United States; and

(2) such effect gives rise to a claim under the provisions of sections 1 to 7 of this title, other than this section.

If section 1 to 7 of this title apply to such conduct only because of the operation of paragraph (1) (B), then sections 1 to 7 of this title shall apply to such conduct only for injury to export business in the United States.

Anlage 2Extraterritoriale Anwendung des US-Kartellrechts

Vgl. auch Hartford Fire Insurance Co. v. California Merret Underwritting Agency Management Ltd., 509 U.S. 764, 797 (1993) und Empagran S.A. et al vs. F. Hoffmann-La Roche Ltd. et al; No. 01-7115 (D. C. Cir.) (2003), aufgehoben durch den US Supreme Court am 14.6.2002

36 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Europäische Kommission: Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäßArt. 23 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. C 210 vom 01.09.2006, S. 2.Aktuelle EU-Statistik im Web abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/cartels/statistics/statistics.pdf

Bundeskartellamt: Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren vom 25. Juni 2013, im Internet unter:http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Leitlinien/Bekanntmachung%20-%20Bu%C3%9Fgeldleitlinien-Juni%202013.htmlSiehe hierzu:BGH v. 26.02.2013, KRB 20/12, WuW 2013, 609 = WuW/E DE-R 3861 – Grauzementkartell

Anlage 3Bußgeldberechnung und -statistik

37 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

US Department of Justice: Corporate Leniency Policy, issued August 10, 1993; im Internet unter: www.justice.gov/atr/public/guidelines/0091.htm

Industry Canada - Competition Bureau: Immunity Program under the competition act, June 6, 2010; im Web unter: www.competitionbureau.gc.ca/eic/site/cb-bc.nsf/eng/03248.html

EU-Kommission: Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 298 vom 8.12.2006, S. 7

Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren (…), ABl. C 167 vom 02.07.2008, S.1

Anlage 4Bonusregelungen - Beispiele

38 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

European Competition Network: The ECN Model Leniency Programme (2012 revision), abrufbar über die Webseite von DG Comp:http://ec.europa.eu/competition/ecn/documents.html

Bundeskartellamt; Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion bei Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006; im Internet unter:

http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekanntmachungen/Bekanntmachung%20-%20Bonusregelung.html?nn=4136556

Office of Fair Trading; im Internet unter: Leniency in cartel cases, www.oft.gov.uk/shared_oft/business_leaflets/ ca98_mini_guides/oft436.pdf

Anlage 5Bonusregelungen - weitere Beispiele

39 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

... aus Sicht des ...

Anlage 6Mehrfache Verfolgung derselben Kartellabsprache?

... EU-Rechts ... deutschen RechtsMehrfache Verfolgung Ne bis in idem Ne bis in idemdurch dieselbe Behörde (Art. 103 III GG, 84 I, II 1) OWiG) wegen desselben Verstoßes

EU-vs. nationales Kartellrecht Lt. EuGH nur Anrechnungspflicht Anrechnungspflichtbzgl. bereits ergangener Sanktions- (§ 51 StGB)entscheidungen(analog Art. 90 II EGKSV)

mehrfache Verfolgung durch Ne bis in idem Ne bis in idemverschiedene Behörden nach (s. aber die Erwägungen im Lysin-Art. 81 EGV Fall)

erneute Verfolgung nach Ver- Auch Anrechnungspflicht verneint Anrechnungspflichtfolgung in einem Drittstaat in den Fällen Lysin (C-397/03) und

Spezialgraphit (C-328/05)

40 © Dr. Hans-Martin Feldkamp

Agreement between the European Communities and the Government of the United States of America regarding the application of their competition laws, signed September 23, 1991; ABl. L 95 v. 27.4.1995, S. 45 ff.; ABl. L 131 v. 15.6.1995, S. 38

Agreement between the Government of the U.S.A. and the European Communities on the application of positive comity principles in the enforcement of their competition laws, signed June 3/4, 1998; ABl. L 173 v. 18.6.1998

Agreement between the Government of Canada and the European Communities regarding the application of their competition laws, date: 17.06.1999; Abl. L 175 v. 10.7.1999

Anlage 7Internationale Zusammenarbeit - Beispiele


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