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Kapitel 3: Blut- und Bodenideologie – die Landesgruppe ... · Der totalitäre Staat nahm nicht...

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Kapitel 3: Blut- und Bodenideologie – die Landesgruppe Sachsen im Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands (1933–1945)
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175KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Kapitel 3: Blut- und Bodenideologie – die LandesgruppeSachsen im Reichsbund der Kleingärtner undKleinsiedler Deutschlands (1933–1945)

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

„Hitlers totalitärer Staat begnügte sich nichtmit der Besitzergreifung der offiziellen Macht-positionen, sondern verlangte von jedem zujeder Zeit, … dies galt auch für die Kleingärt-ner und Kleinsiedler, … Gefolgschaft und ak-tive Mitarbeit. Freizeit und Freiheit, wie wir esverstehen, gab es zwischen 1933 bis 1945kaum. Eine Fülle von Parteiveranstaltungen,Gruppen- und Schulungsabenden „organisier-ten“ den Feierabend. Der totalitäre Staat nahmnicht nur von dem politischen Bürger Besitz.Er kontrollierte, so weit als möglich, auch dasPrivatleben jedes einzelnen. Natürlich ver-mochte es auch dieser Staat nicht, jede Lebens-sphäre zu organisieren und gar zu überwa-chen.“ /1/

Stark vereinfacht können wir fünf Phasen des„Alltagslebens im Dritten Reich“ unterschei-den:1. Die Zeit von der Machtergreifung am 30.

Januar 1933 bis zur Gleichschaltung allerpolitischen Organisationen, die im Wesent-lichen mit dem Gesetz vom 14. Juli 1933,in dem die NSDAP zur einzigen politischenPartei erklärt und jede Wieder- oder Neu-gründung von Parteien verboten wurde,abgeschlossen war. In diesen nicht ganzensechs Monaten veränderte sich für die po-litisch engagierten Deutschen das Leben.Das NS-Regime hatte seit der Machtüber-nahme ganze Arbeit geleistet. Schon am 4.Februar wurden die ersten „Notverordnun-gen“ erlassen und die Grundrechte derWeimarer Verfassung aufgehoben. Bis zum23. März 1933, an dem das „Ermächti-gungsgesetz“ beschlossen wurde, gelang esdem Nationalsozialismus, eine Diktatur zuerrichten, die nun praktisch mit unbe-grenzten Vollmachten ausgestattet war.

2. „Die Jahre von Mitte 1933 bis zum Beginndes Zweiten Weltkrieges am 1. September1939 sehen einen NS-Staat, der innenpoli-tisch äußerst stabil war und außenpoliti-sche Erfolge vorweisen kann, die allerdingsauch auf Kosten eines möglichen Kriegeserkämpft wurden. Die fetten Jahre des NS-Regimes hatten auch ihre Schattenseiten:Tausende von politischen Gegnern des Re-gimes wanderten in die Gefängnisse undKonzentrationslager. Juden wurden alsMenschen zweiter Klasse betrachtet. IhreSituation spitzte sich mit dem „Gesetz zumSchutz des deutschen Blutes“ und der„deutschen Ehre“ sowie mit der „Reichs-kristallnacht“ vom 8. bis 10. November1938 dramatisch zu. In diesen sechs Jah-ren wurden nicht nur Menschen verfolgt,gefoltert oder getötet. Es wurde auch derGrundstein für das gelegt, was die Natio-nalsozialisten als den „Aufbruch in eineneue Zeit“ bezeichneten. Eine ganze Jugendwurde auf das neue System eingeschworen.Sie wurde in der „Hitler-Jugend“ oder im„Bund Deutscher Mädel“ mit den Zielen des

1 Grube, Frank / Richter, Gerhard:Alltag im Dritten Reich, Hamburg1982, 2.

Wilhelm-Kreuß-Weg am 25.2.1933

Jungvolk-Spielmannszug zum 70-jäh-rigen Jubiläum des Schrebervereins„Westvorstadt“ (jetzt KGV „Dr. Schre-ber“) am 8. Juli 1934

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Nationalsozialismus vertraut gemacht undparamilitärisch für den Ernstfall vorberei-tet.“ /2/

3. Als Hitlers Truppen am 1. September 1939in Polen einmarschierten, war das zugleichder Beginn des Zweiten Weltkrieges, dersechs Jahre danach mit dem völligen Zu-sammenbruch Deutschlands endete.

4. Mit der sich abzeichnenden Niederlage beiStalingrad zu Beginn des Jahres 1943 so-wie den nunmehr pausenlosen Bomben-angriffen auf die deutschen Großstädte be-gann die Phase des „Totalen Krieges“. EinViertel der deutschen Bevölkerung war vomLuftkrieg unmittelbar betroffen. Die Le-bensmittel-Rationierung wurde eingeführt.Nach Waren des täglichen Bedarfs mussteman Schlange stehen. Seit Ende 1943 wa-ren Grundnahrungsmittel schwer zu be-kommen. Flüchtlingsströme verlangtenUnterkunft und Verpflegung.

5. Mit dem Angriff der Roten Armee auf Ost-preußen im Oktober 1944 und dem Vorrük-ken der alliierten Truppen im Westen er-reicht der Krieg das „Reichsgebiet“. In denGroßstädten ging indessen der Luftterrorweiter. Der Angriff auf Dresden gehört zuden sinnlosesten Grausamkeiten diesesKrieges, denn die Toten verbitterten dieMenschen mehr, als dass sie Kampfmoralund Durchhaltewillen untergruben.

Am 8. Mai 1945 kapituliert Deutschland bedin-gungslos.

Die „Gleichschaltung“ des Landes-und der Kreisverbände sowie derangeschlossenen Vereine

Das Ende der parlamentarischen Demokratiewurde im Freistaat Sachsen – wie in den an-deren Ländern – am 30. Januar 1933 mit derVereidigung Adolf Hitlers zum Reichskanzleran der Spitze der Koalitionsregierung des „Na-tionalen Zusammenschlusses“ eingeleitet.Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen undsozialen Wirkung der Weltwirtschaftskrise so-wie der politischen Parteienverhältnisse in der

Weimarer Republik führte der machtpolitischeWeg auf Reichsebene von der parlamentari-schen Demokratie zur Diktatur von rechts.Schon am 4. Februar 1933 wurde die erste Not-verordnung erlassen. Die Anwendung des Arti-kels 48 („Notstandsartikel“) der Weimarer Ver-fassung gab Hitler die Möglichkeit, auf lega-lem Wege eine Reihe von Grundrechten außerKraft zu setzen. Mit der Einschränkung derVersammlungs- und Pressefreiheit begann dielange Liste der Verordnungen, mit denen dasalte System ausgehöhlt und letztlich beseitigtwurde, so dass eine Diktatur an seine Stelle tre-ten konnte. Die Verordnung zum „Schutz vonVolk und Staat“ wurde im Kabinett am 28. Fe-bruar 1933 eilig beschlossen und am selbenTag von Hindenburg unterzeichnet. Die so ge-nannte „Reichstagsbrandverordnung“ war der-art abgefasst, dass sie praktisch alle Grundrech-te „bis auf weiteres“ außer Kraft setzte und derReichsregierung die Möglichkeit gab, die Lan-desregierungen gegen Reichskommissare aus-zutauschen. Mit der schon beschlossenen „Ver-ordnung gegen Verrat am deutschen Volke undhochverräterische Umtriebe“ konnten die Po-lizeiorgane ohne richterliche Kontrolle Perso-nen inhaftieren und Vereine und Organisatio-nen auflösen. Damit waren die in der Weima-rer Verfassung verbürgten Grundrechte aufge-hoben. In dieser Atmosphäre wurde am 5. März1933 die Wahl zum 8. Deutschen Reichstagabgehalten.Im Freistaat Sachsen verlief diese für das Reichskizzierte Entwicklung synchron. „Der Prozessder Machtübernahme in Sachsen und dieGleichschaltung des Landes mit dem Reicherfolgte zum einem durch die konsequenteAusschaltung aller oppositionellen Gruppie-rungen und Parteien und zum anderen mit derDurchdringung und personellen Umstrukturie-rung der staatlichen Verwaltung.“ /3/Der Vorstand des Reichsverbandes der Klein-gartenvereine Deutschlands hatte sich zwar inden ersten Monaten der nationalsozialistischenHerrschaft bemüht, sich den neuen Verhält-nissen anzupassen.Der Vereinnahmung der Kleingärtnerorgani-sation durch die national-sozialistische Füh-

2 Ebda.3 Geschichte Sachsens, Kapitel VII

(Reiner Groß): „Der FreistaatSachsen 1918 bis 1945“, Macht-ergreifung des Nationalsozialis-mus durch die NSDAP, 268.

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

rung konnte der Reichsbund nicht entgehen.Durch den Vorstand des Reichsverbandes wur-de am 2. April 1933 folgende Erklärung abge-geben: „Unter der Regierung des nationalso-zialistischen Aufbaus … an der Lösung derihm gestellten staatserhaltenden Aufgabenweiter zu arbeiten und durch seine satzungs-gemäßigten Pflichten dem Vaterland zu die-nen.“ Auf der Jahreshauptversammlung desLandesverbandes Bayern am 11. Juni 1933 be-kannte Heinrich Förster in seinem Festvortrag,veröffentlicht in den „Schriften des Reichs-verbandes der Kleingärtnervereine Deutsch-lands“, „dass das deutsche Kleingartenwesenim nationalen Staat, … zu den Zielen der na-tionalen Regierung, zu einer gesunden natio-nalen gerichteter Boden- und Bevölkerungspo-litik steht.“ /4/

4 Das deutsche Kleingartenwesenim NationalsozialistischenStaat. Schriften des Reichs-verbandes der Kleingarten-vereine Deutschlands, Heft 23,Frankfurt a. M. 1933, 8.

5 Gleichschaltung des Landesver-bandes, in: Garten und Kind13. Jg. 1933, 6/82.

Auf Anordnung der Reichsleitung der „Gar-ten- und Schrebervereine“ und dem Amt fürAgrarpolitik der NSDAP wurde am 6. Mai 1933die Gleichschaltung des LandesverbandesSachsen der Kleingärtner, der Kreis- und Stadt-verbände der Kleingärtner und der einzelnendem Verband angeschlossenen Kleingarten-vereine bekannt gegeben.Damit wurden in Deutschland „traditionsrei-che Strukturen“ des Kleingärtnerwesens besei-tigt. Anstelle der bisherigen Vereins- und Ver-bandsvorsitzenden wurden „Vereinsführer,Stadtgruppen- und Landesgruppenführer“durch die Gau-, Kreis- bzw. Ortsgruppenleiterder NSDAP nach dem Führerprinzip eingesetzt.Die organisatorische Gliederung des Kleingar-tenwesens entsprach im Prinzip dem politi-schen Herrschafts- und Verwaltungssystem. DieMacht der NSDAP reichte bis in die kleinstenEinheiten. Das Führerprinzip war ab jetzt dietragende Säule.Der Landesverband Sachsen der „Garten- undSchrebervereine“ nahm am 20. Mai 1933 zurGleichschaltung der Landesorganisation Stel-lung. Im Bericht des Landesverbandes der„Garten- und Schrebervereine“ e. V. heißt es:„Die Landesleitung hatte sich in ihrer Gestaltfast zu 100 % aus NSDAP- Angehörigen zusam-mengesetzt, dass also ein Personenwechsel ent-sprechend der Gleichschaltung nicht mehr inFrage kommt. Die einstweilige Führung desLandesverbandes Sachsens wurde von Herrn Dr.Schilling wahrgenommen.“ /5/Ausgehend von der durchgeführten statisti-schen Erhebung im März 1933, durch denReichsbund der Kleingärtner und KleinsiedlerDeutschlands, gab es im Reichsbund und da-von in Sachsen folgenden Vereins- und Mit-gliederstand: Vereine Kleingärtner Kleingärtner zum Verband nicht zum gehörig Verband gehörigReichsbund 4.517 495.685 25.169Sachsen 768 66.532 11.363

Am 1. Juli 1933 wurde durch die Landesleitungder „Landesgruppe Sachsen im Reichsbundder Kleingärtner und Kleinsiedler Deutsch-

Die Spitze des Festzuges, Schreber-fest am 9.7. 1933

70-jähriges Jubiläum des Schreber-vereins „Westvorstadt“ (jetzt KGV „Dr.Schreber“), Kinderfest am 8.7.1934Morgenfeier, Gerhard Richter begrüßtdie Gäste

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

lands“ e. V. folgende Mitteilung an die sächsi-schen Kleingärtner abgegeben: „Die bisherigeLeitung des Landesverbandes Sachsen der„Schreber- und Gartenvereine“ e. V. ist am 20.Mai 1933 von ihren Ämtern zurückgetreten,um den Weg für den Neuaufbau des Landes-

6 Schilling, Kurt: Bekanntma-chung betr. Gleichschaltung(Sachsen), in: Garten und Kind,13. Jg. 1933, 7/97-98.Siehe auch Hermann Kosbi: DasKleingartenwesen in der natio-nalsozialistischen Zeit in Sach-sen, in: Der Schrebergärtner,Jahrbuch zur Geschichte desKleingartenwesens in Sachsen,Bd. 2, 2002.

verbandes im Rahmen der Neugliederung desReichsverbandes frei zu machen. Auf ihrenausdrücklichen Wunsch haben die Unterzeich-neten die einstweilige Führung des Landesver-bandes bis zur endgültigen Klärung der Ver-hältnisse übernommen.“ /6/

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Die neue Landesleitung beschloss folgendeAufgaben: /7/– das Führerprinzip umzusetzen und dem-

zufolge die Mitgliederzahl der Leitung derVerbandsmitglieder wesentlich zu verrin-gern,

– den organisatorischen Aufbau des Landes-verbandes zu „vereinfachen“ und damit dieVerwaltung zu verringern und gleichzeitigden Verbandsbeitrag einheitlich zu gestal-ten,

– die Schreberkinder- und Schreberjugend-pflege neu aufzubauen und sie für die Ju-gend- und das Jugendhilfswerk fruchtbarzu machen.

Die demokratischen Strukturen des deutschenKleingartenwesens wurden auf dem Kleingärt-nertag vom 28. bis 31. Juli 1933 in Nürnbergentgültig beseitigt.Auf Anordnung der Reichsleitung der NSDAPwurde am 29. Juli 1933 der „Reichsbund derKleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands“e. V. auf dem 9. Reichskleingärtnertag in Nürn-berg gegründet. Die deutschen Kleingärtnersollten – wie die ganze Gesellschaft – nachdem „Führerprinzip“ geleitet werden. Sie soll-te „gleichgeschaltet“ und unter den direktenEinfluss der NSDAP gestellt werden. Die Orga-nisation der Kleingärtner sollte eine „gemein-nützlich“ tätige Bewegung in der nationalso-zialistischen Volksgemeinschaft sein.Der am 14. August 1921 gegründete „Reichs-verband der Kleingartenvereine Deutschlands“war somit aufgelöst.Herr Rektor Heinrich Förster, der langjährigeReichsverbandsführer, führte im Geschäftsbe-richt an den 9. Reichskleingärtnertag aus:„Auch der verabschiedenden Organisation wares ernst gewesen mit ihrem Streben um dieWiedergesundung des Volkes, um die deutscheVolksgemeinschaft, um ein freies Volk auf frei-em deutschen Boden.“ /8/An der Spitze des, auf dem 9. Reichskleingärt-nertag 1933, neu formierten Kleingärtner-verbandes wurde der vom Amt für Agrarpolitikder Reichsleitung der NSDAP ernannte ehema-liger NS-Regierungsrat im Reichsluftfahrts-ministerium, Hans Kammler, ernannt. Dem

Reichsbundführer wurde der „Führerring“ be-ratend zur Seite gegeben. Führerring und dieFachschaft leitete der Landwirt Hermann Stein-haus. Die geschäftlichen und fachlichen Arbei-ten wurden von dem Geschäftsführer und demFachschaftsführer nach den Richtlinien desReichsbundführers durchgeführt.Der nationalsozialistische Reichsbund lehnteeine Vertretung lediglich der Interessen derdeutschen Kleingärtner im liberalistischen undmaterialistischen Sinne grundsätzlich ab. So-mit wurde die Organisation der Kleingärtnerunter die Führung der NSDAP gestellt, diesie letztlich zu einer politischen Verbindungmachte. Der erste Reichsführer des Reichs-bundes der Kleingärtner und Kleinsiedler, Dr.Ing. Hans Kammler, zog im Jahre 1934 unterdem Titel „Das gute Alte und das neue Gute“eine Bilanz: Die Entwicklung des Kleingarten-wesens in der Weimarer Republik sei von „gro-ßem Idealismus“ der Kleingärtner geprägtgewesen, jedoch seien solche Bestrebungendes Reichsverbandes der KleingartenvereineDeutschlands „durch die öffentliche Hand undvor allem durch die Wirtschaft nicht tatkräftiganerkannt und gefördert“ worden. Neben der„damaligen liberalistischen und materialisti-schen allgemeinen Einstellung“ trüge aberauch jeder Kleingärtner selbst Schuld daran,dass die notwendige Unterstützung gefehlthabe. Die deutschen Kleingärtner sähen überdas Vereinsleben hinaus niemals die Volksge-meinschaft, ohne die ein Volk auf die Dauernicht bestehen könne. Jeder sähe nur sich undseine Sorgen, nur „die einseitigen, in erster Li-nie materiellen Belange der Kleingärtnerschaft,ohne Rücksicht auf berechtigte Forderungender Grundeigentümer und Kommunalverwal-tungen und des Volksganzen zu nehmen.“ /9/Zu den Zielen der Gleichschaltung heißt es:„Die unlösbare Verbundenheit von Blut undBoden ist die unerlässliche Voraussetzung fürdas gesunde Leben eines Volkes. Die Lehre vonBlut und Boden ist der Grundpfeiler national-sozialistischer Weltanschauung. Mit der Neu-bildung des deutschen Bauerntums muss dieNeubildung des deutschen Arbeiter- und Bau-erntums Hand in Hand gehen. Diese Aufgabe

7 Schilling, Kurt: Aufgaben derLandesleitung, in: Garten undKind, 13. Jg. 1933, 7/98.

8 Eberhard, H., Nürnberg (Reichs-kleingärtnertag, Kleinsiedler-tag), in: Garten und Kind, 13.Jahrgang 1933, 9/130-131.

9 Kammler, Hans: Das gute Alteund das neue Gute in der deut-schen Kleingärtnerbewegung,Min. Land. Monatszeitung derBremer Kleingärtner und Sied-ler, 10. Jg., August 1934, Sonder-nummer, 2 f.

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haben wir zum Teil auch mit den Kleingärt-nern und Kleinsiedlern zu lösen. Bisher war aufdiesem Gebiet keine einheitliche Idee zu fin-den. Der Kleingärtner wurde nur als Mittel zumBeheben der Wohnungsnot und als Nahrungs-mittelbeschaffer benutzt,“/10/ eine Auffassungaus nationalsozialistischer Sicht, die den bis-herigen Ergebnissen und Grundsatzforderun-gen, beschlossen auf dem zweiten Reichs-kleingärtnertag zu Bremen, und der Arbeit desReichsverbandes widersprach. Treffend zurGleichschaltung des Kleingartenwesens imNationalsozialismus ist auch die Aussage Schil-lings zur „Außerordentlichen Verbandsver-sammlung des Landesverbandes Sachsen“ vom20. August 1933: „Wie wäre es auch andersmöglich, als dass sich unsere Bewegung undOrganisation freudig und pflichtbewusst hin-ter das neue Deutschland stellt. Die Schreber-und Kleingartenbewegung hat sich immer alsBewegung des deutschen Volkes gekennzeich-net.“ /11/Die außerordentliche Landesversammlung derLandesgruppe Sachsen der Kleingärtner be-fasste sich am 10. September 1933 mit demNeuaufbau des Verbandes, der Satzungsände-rung und den Wahlen im Stadtgruppenver-band.

„Die Landesgruppe Sachsen umfasste zu die-sem Zeitpunkt 78.000 Mitglieder. Die Umorga-nisation wurde durchgeführt.“ /12/„Mit der Ernennung des neuen Landesgrup-penführers, Parteigenosse (Pg.) Krahl, am 10.September 1933 konnte die „LandesgruppeSachsen im Reichsbund der Kleingärtner undKleinsiedler“ e. V. als äußerlich gleichgeschal-tet gelten.“ /13/Der Landesgruppenführer legte ein Treue-bekenntnis zum Führer ab, er ernannte alsStellvertreter (der gleichzeitig Schriftführerwar) den Pg. Otto Müller, als Schatzmeister denPg. Paul und als Fachberater den Dipl. Volks-wirt Pg. Dr. Schilling.Als Stadtgruppenführer für die fünf Kreis-hauptmannschaften des Landes Sachsen wur-den berufen: für Bautzen Pg. Keller, für Dres-den Pg. Gräfe, für Leipzig Pg. Hupfer, fürChemnitz Pg. Wüsteneck und für Zwickau Pg.Drechsler.“ /14/ Die bisherigen Kreisvorständeder „Garten- und Schrebervereine“ e. V. warendamit aufgelöst. Nur die Stadtgruppen warenbefugt, mit den Schrebervereinen zu verkeh-ren. /15/Festzustellen ist, dass die rein organisatori-schen Arbeiten zu einem großen Teil bereits vordem 1. Reichskleingärtnertag in Nürnberg in

10 Vgl. Anm. 7.11 Volksgenossen! Parteigenossen,

Umorganisation, in: Garten undKind, 13. Jg. 1933, 10/145-147.

12 Vgl. Anm. 7.13 Menzel, F.: Der neuen Landes-

gruppe Sachsen der Kleingärt-ner zum Geleit, in: Garten undKind, 13. Jg. 1933,10/146-147.

14 Änderung des Landes- undder Stadtgruppenführer, Vgl.Anm. 7.

15 Gleichschaltung, in: Garten undKind, 13. Jg. 1933, 10/147 ff.

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

den Kreis- und Stadtverbänden sowie Vereinenin vollem Gange waren.Im Kreisverband Dresden der „Garten- undSchrebervereine“ e. V. wurde bereits im Mai1933 zur Wahrnehmung der Amtsgeschäfte, imSinne des Nationalsozialismus, der Pg. OttoMüller eingesetzt. Ab September 1933 wurde alsStadtgruppenführer Pg. H. Gräfe berufen.In Chemnitz war während der Tagung desReichskleingärtnertages im Juli in Nürnbergdie Gleichschaltung bereits im vollem Gange.Noch am 18. Mai hatte der Vorsitzende desKreisverbandes der „Garten- und Schreberver-eine“ e. V. Chemnitz, Oberlehrer Ringpfeil, er-klärt: „Dieser Verband bestehe nunmehr 12Jahre und habe immer die politische Neutrali-tät hochgehalten.“ Wenige Tage später wurdeer durch den „Gleichstellungskommissar“, denspäteren Kreisführer Wüsteneck, abgelöst. Nureinige wenige Vorstände in Chemnitz wider-setzten sich kurzzeitig, indem sich die Garten-freunde weigerten, eine Funktion zu überneh-men. Doch der Einfluss des Nationalsozialis-mus hatte in den Vereinen zugenommen. Kom-munisten und Sozialdemokraten mussten alserste aus den Vorständen ausscheiden. /16/Für Leipzig konnte nachgewiesen werden, dassder Stadtverband 1933 an die Vorstände der„Schreber- und Gartenvereine“ e. V. 27 Rund-schreiben versandte, deren Analyse einen de-taillierten Nachvollzug der Gleichschaltungermöglicht. So wurde den Vereinen im Märzund April 1933 nahegelegt, Maßnahmen, dieals gegen die Reichsregierung ausgerichtetausgelegt werden könnten, zu unterlassen.Die Kleingärtner sollten an den Kundgebun-gen zum 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, teil-nehmen und der neuen Regierung restlosesVertrauen entgegen bringen. Im Mai erging andie Vorstände die Aufforderung, exakte Anga-ben über die Mitgliedschaft der Vorstandsmit-glieder in politischen Parteien und Organisa-tionen mitzuteilen. Die Überwachung oblagdem Kommissarischen Vorsitzenden des Kreis-verbandes, der NSDAP-Mitglied war. Am Jah-resende wurde der bisherige Geschäftsfüh-rer der Stadtgruppe Leipzig fristlos entlassen.“/17/

Gleichschaltung im Sinne des Nationalsozia-lismus heißt, wie es Dr. Friedrich Mentzel,Stabsleiter beim Landesbauernführer Sachsenformulierte: „Alle müssen sich im klaren sein,dass alle Maßnahmen, die Gleichschaltung,Unterordnung und Zielstellung zum Zweckehaben, nicht im Interesse irgend eines einzel-nen Volksgenossen ergriffen werden, sonderndass sie lediglich dem Gesamtwohl aller Volks-genossen dienen.“ /18/Die Reichsverbandsfahne „Grün-Weiß-Gold“wurde auf Weisung der NSDAP im September1933 verboten.Pressemitteilungen konnte entnommen wer-den, dass die „einstweilige Landesführung er-freut war, dass die Verbandsmitglieder im Lan-de an die neuen Ordnungen der Dinge regenAnteil nahmen und von ihr eine Förderungzum Kleingartenwesen erhofften.“ Gleichzei-tig wurde durch die Führer des Kleingarten-wesens aber auch die Forderung aufgemacht:„… wer sich zu Schreber bekennt, hat seinepersönlichen Vorteile restlos in den Hinter-grund zu stellen. Für ihn gilt in ganz beson-deren Maße der Satz ‚Gemeinwohl geht vorEigenwohl‚.“ /19/Es zeigte sich, dass die Kleingärtner immermehr in die nationalsozialistische Bewegungintegriert wurden. Dies wurde in einer Reihevon Vereinen Dresdens, u. a. im Schreberverein„Elbfrieden I“ e. V. sichtbar. Hier heißt es in derChronik: „Nach der Machtergreifung durch dieNSDAP wurde die Ablösung des Vorstandes ge-fordert. Ab diesem Zeitpunkt mussten 51% desVorstandes Mitglieder der NSDAP sein. Keinerdurfte eine Arbeiterpartei angehört haben. Dar-aufhin legte der Gesamtvorstand seine Vor-standsarbeit nieder.“ /20/„Die Gleichschaltung war vom Standpunkt desNationalsozialismus nur die erste Sicherungdafür, dass die Schreber- und Kleingarten-organisation des Reiches und des Landes, dassvor allem die örtlichen Vereine und Anlagennicht Unterschlupf staats- und volksfeindli-chen Treibens wurden.“ /21/Nunmehr ergab sich für die Vereine der na-tionalsozialistischen Kleingärtnerfront, als kleins-tes Element, der Zwang, sich in den neuen

16 Uschpilkat, Ernst: Der 3. Reichs-kleingärtnertag in Chemnitz,in: Der Schrebergärtner. Jahr-buch zur Geschichte des Klein-gartenwesens in Sachsen. Bd. 2.Hrsg. vom Landesverband Sach-sen der Kleingärtner e.V., Dres-den / Leipzig 2002, 23.

17 Hennig, Eleonore: Zur Ge-schichte des Leipziger Klein-gartenwesens in der Zeit des Na-tionalsozialismus, in: Ebda.,26 f.

18 Vgl. Anm. 13.19 Vgl. Anm. 6.20 Kluge, Helga / Kosbi, Hermann

/ Münch, Willy / Nitzschner, Ker-stin / Pilarski, Bruno / Rosse,Peter: Chronik des DresdnerKleingartenwesens. Zum 90-jäh-rigen Jubiläum des Verbandes.Hrsg. vom Stadtverband „Dresd-ner Gartenfreunde“ e.V., Dresden2001, 13.

21 Eberhard, H., Eingliederung desLandesverbandes Sachsen derGarten- und Schrebervereine inden neuen Reichsbund, Gartenund Kind, 13. Jg. 1933, 10/ 147-149.

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Organisationsaufbau einzufügen. In der Be-gründung der „Landesgruppe Sachsen imReichsbund der Kleingärtner und KleinsiedlerDeutschlands“ e. V. heißt es dazu: „Eine Ein-gliederung besteht nicht etwa nur in einer Na-mensänderung, sondern in einer inneren Um-formung der Vereinsgemeinschaft. Will ein Ver-ein Glied des neuen Reichsbundes sein, so hatsich sein inneres Leben nach nationalsozia-listischen Grundsätzen zu vollziehen. Des-halb muss das Lebensgesetz jedes Vereins, dieSatzung, nationalsozialistischen Geist atmen.“/22/Von allen Kleingärtnern wurde erwartet, dasssie zur Durchführung des Führerprinzips ste-hen und ein Bekenntnis zur neuen Satzungablegen. Die Führung und Verwaltung der Ver-eine wurden im § 5 Absatz 1 der ersten Sat-zung unter nationalsozialistischer Führunggeregelt.Auf der Grundlage der Satzung der „Landes-gruppe Sachsen im Reichsbund der Kleingärt-ner und Kleinsiedler Deutschlands“ e. V. vom10. September 1933 wurde für die Vereine eineeinheitliche Satzung vorgegeben, die von je-dem Verein bis zum Jahresende 1933 wortge-treu und ohne irgendeine Änderung anzuneh-men war. (Dokument 1)Das Verhalten der Kleingärtner zu den Maß-nahmen der Gleichschaltung zeigte, dass aufder Verbandsebene eine „Selbst-Gleichschal-tung“ erfolgte bzw. dass der Gleichschaltungnahezu kein Widerstand entgegengesetzt wur-de. In den Vereinen war das Verhältnis diffe-renzierter. Durch die Verkleinerung der Leitun-gen und die Einführung des Führerprinzipswurde ein bestimmter Personenkreis (Kommu-nisten, Sozialdemokraten, Pazifisten) vonvornherein ausgeschlossen. Andere Vorstands-mitglieder traten von selbst zurück. Manchehatten den Mut, bei den Leitungen der NSDAPgegen personalpolitische Entscheidungen oderdie Zusammenlegung von Vereinen zu protes-tieren. Andere traten der NSDAP aus verschie-denen Erwägungen bei. Insgesamt erfolgte dieGleichschaltung im Kleingartenwesen genauso wie in den breiten Volksmassen. Eine ersteBilanz zur Nationalsozialistischen Kleingar-

tenpolitik zog Landesgruppenführer Pg. Krahlim Jahresbericht 1933 der „LandesgruppeSachsen im Reichsbund der Kleingärtner undKleinsiedler Deutschlands.“ Hier heißt es: „DieMitgliederbewegung erhöhte sich seit der na-tionalsozialistischen Erhebung um 13.088Mitglieder auf 90.738 Mitglieder. Entscheiden-de Maßnahmen mussten überall getroffen wer-den, und auch wir in den Vereinen, den Stadt-gruppen und der Landesgruppe blieben nichtverschont. Nicht sollte damit gesagt werden,dass auch dieser Bau schlecht gewesen sei.Nein, das Fundament war gut, aber neue Bret-ter sollte der Bau bekommen, um festzustehen,im Dienst des neuen Deutschland.

22 Ebda.

Ergänzung der Satzung in den Klein-gärtnervereinen der LandesgruppeSachsen

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184 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Nicht der Wille der alten Schreberfreunde wur-de angezweifelt, sondern die Arbeit fordert jun-ge Kräfte.“ /23/Das Gesetz über den Neuaufbau des Reichesvom 30. Januar 1934 vollendete die „Gleich-schaltung der Länder mit dem Reich.“Durch die „Landesgruppe Sachsen im Reichs-bund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutsch-lands “ e. V. wurde, im gleichen Jahr, die Auf-lösung der bestehenden Bezirksgruppen bei denKreishauptmannschaften und die Bildung vonAbteilungen bei den Stadtgruppen der Klein-gärtner im Reichsbund deutscher Kleingärtnerbeschlossen. Im April 1934 wurden auf Anord-nung der „Landesgruppe Sachsen der Klein-gärtner“ e. V. den Kleingärtnervereinen Anträ-ge zur Anerkennung als gemeinnützige Unter-nehmen übergeben.Zum 1. Mai 1934 wurde zur Schönheit desKleingartenwesens der Wettbewerb der Landes-gruppe Sachsen in Verbindung mit dem Lan-desverband „Sächsischer Heimatschutz“ zurVerschönerung der heimatlichen Landschaftund des volkstümlichen Kunstwillens aufgeru-fen. So konnte der Kleingärtnerverein „AmHeiderand“ e. V. Dresden-Bühlau mit dem„Goldenen Spaten“ ausgezeichnet werden.

Auf der Tagung der „Stadtgruppe Dresden derKleingärtner“ e. V. am 4. Juli 1934 schlug derLandesgruppenführer Pg. Krahl härtere Tönezur nationalsozialistischen Ideologie bezüglichder Kleingärtnerorganisation an, weil in einerReihe von Vereinen ein „Mitgehen“ mit derIdeologie des Nationalsozialismus, wenn auchverdeckt, abgelehnt wurde. Er führte dazu aus:„Nicht jeder Volksgenosse ist für den Kleingar-ten geeignet. Es müssen in erste Linie Leuteausgewählt werden, die eine natürliche Ver-bundenheit mit dem Boden auszeichnet. Ver-schiedene Mitglieder der Kleingärtner habensich immer noch nicht von der früheren An-schauung zu den heutigen durchringen kön-nen. Als derzeitiger Landesgruppenführer las-se ich es nicht zu, dass in der Reihe der Klein-gärtner Misstrauen gesät wird, um das aufkei-mende Vertrauen zu vernichten. Die Landes-gruppe ist die einzige parteiamtlich anerkannteOrganisation im neuen Deutschland und trägtdie Verpflichtung, ihre Mitglieder nach demWillen des Führers gesund und bodenbestän-dig zu machen.“ /24/Damit wird deutlich, dass ein bloßes „Sich-Fügen“ der Kleingärtner dem NS-Regime nichtgenügte; es verlangte von der Bevölkerungständige Bekundungen der Zustimmung undBegeisterung. Am 15. Juli 1934 fand der Werbe-tag der sächsischen Kleingärtner und Klein-siedler, an der 170.000 Männer, Frauen undKinder in Dresden teilnahmen, statt.Im Aufruf zum Werbetag schreibt die Zeitschrift„Garten und Kind“: „Auch wir kämpfen für dieErziehung unseres Volkes für die Gartenidee.Der ‚Tag der Rose‘ soll daher nicht nur auf dievölkische und ernährungspolitische Bedeutungder Kleingärtner und des Kleingartenwesenshinweisen, nicht nur die Opferfreudigkeit be-weisen, sondern vor allem alle deutschen Volks-genossen auf den inneren Wert des deutschenReiches aufmerksam machen.“/ 25/Im selben Jahr, am 1. September, wurde eineVereinbarung zwischen dem Heimstättenamtder NSDAP und dem Reichsbund abgeschlos-sen. Das Heimstättenamt anerkannte als ein-zige Organisation die Kleingärtner- und Klein-gärtnersiedlerbewegung.

23 Krahl, Jahresbericht zur Jahres-hauptversammlung der Lan-desgruppe Sachsen (1933). in:Garten und Kind, 14. Jg. 1934,5/65-69.

24 Tagung der Stadtgruppe Dresdender Kleingärtner am 4. Juli 1934,in: Garten und Kind, 14. Jg.1934, 8/124-126.

25 Rammler, Aufruf zum Werbetagam 15. Juli 1934 ( in Dresden),in: Garten und Kind, 14. Jg.1934, 8/121-124.

Auf der Grundlage der Verordnung des Sächsi-schen Ministeriums des Inneren vom 26. Mai1934 wurden kleinere bzw. zum Teil nicht ein-getragene Vereine mit räumlich zusammenlie-genden Vereinen vereinigt.

Auszeichnung von Schrebergärtnern1934 mit dem Goldenen Spaten ausdem KGV „Am Heiderand“ e. V. Dres-den Bühlau

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185KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Einladung des Reichsbundes derKleingärtner und KleinsiedlerDeutschlands zum Werbeabend am6. November 1935 nach Dresden

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Im Jahr 1935 wurde eine Reihe strukturellerund Organisationsaufgaben im Sinne der na-tionalsozialistischen Politik für die Kleingärt-nervereine neu geregelt. Die nationalsozialis-tische Führung machte verstärkt die Forderungauf, dass alle Kleingärtner dem Reichsbund an-gehören sollten. Dazu diente auch der Werbe-abend, der am 6. November 1935 im Auftragedes Reichsbundes der Kleingärtner und Klein-siedler Deutschlands e. V. in Dresden zu den

Themen „Die Raumaufteilung der Städte“ und„Der Kleingarten im Städtebild“, stattfand. AlsReferenten traten der Fachschaftsführer Di-plomlandwirt Pg. Steinhaus und der Haupt-schulungsleiter Diplomvolkswirt Pg. Dr. Schil-ling auf.Mit der Verordnung vom 27. Januar 1936 wur-de der Anschluss aller Kleingärtner an die Lei-tungen der Landesgruppen gefordert. In Sach-sen war diese Zielstellung noch nicht erreicht.

Plakat zum 3. Reichskleingärtnertagin Chemnitz 1937

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187KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Durch die Landesgruppe Sachsen der Klein-gärtner waren bisher nur 63,6% der Kleingär-ten erfasst. 53.690 Gärten mit einer Fläche von1.319,9 ha gehörten ihr noch nicht an. /26/In den nachstehenden Kreishauptmannschaf-ten gehörten folgende Kleingärten und Klein-gartenflächen noch nicht dem Verband an:

Kreishaupt-Mannschaft Gärten Fläche in ha

Bautzen 4.216 78,8Chemnitz 14.612 372,8Dresden 11.394 277,6Leipzig 14.176 394,1Zwickau 9.292 196,6

26 Schilling, Kurt: Die Landesgrup-pe der sächsischen Kleingärtnerzwischen 1923 bis 1935, in: Gar-ten und Kind, 15/16. Jg. 1935/1936, 11/12, 162-165 und 4-6.

Blick auf die Ehrentribüne des 3.Reichskleingärtnertag 1937 inChemnitz

Reichsbundführer Stadtrat H. Kaiserbegrüßt die Ehrengäste auf dem3. Reichskleingärtnertag 1937 inChemnitz

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188 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Das Thema der Erfassung der nichtorganisier-ten Kleingärtner wurde ständig auf die Tages-ordnung der Beratungen des Reichs- und Lan-desbundes gesetzt. Auf dem Chemnitzer Reichs-kleingärtnertag 1937 argumentierte der Minis-terialrat im Reichsarbeitsministerium WilhelmGisbertz zu der „vielfach“ erhobenen Forde-rung einer „Zwangsorganisation“. Er führteaus, sein Minister trete dafür ein, „dass Stadt-verwaltungen, Privatpersonen und andereGrundeigentümer ihr Land nur über denReichsbund Deutscher Kleingärtner der klein-gärtnerischen Nutzung zuführen.“ Ein reichs-umfassendes Gesetz zur Umsetzung der Forde-rungen kam aber nicht zustande.Ab dem 1. Januar 1935 gehörte jeder Kleingärt-nerverein zu der Stadtgruppe, in deren Kreis-hauptmannschaft seine Kleingartenanlage lag.„1935, am 1. Oktober, wurde die staatlich an-erkannte Landesstelle für das Kleingarten-wesen (gegründet am 20.12.1921) durch dassächsische Wirtschaftsministerium im Auftra-ge der nationalsozialistischen Führung aufge-löst.“/27/ Die Vereinigung der Kleingärtnerwurde am 24. Januar 1938 in den „ReichsbundDeutscher Kleingärtner“ e. V. umbenannt.Die Aufgaben der Vereinigung wurden sat-zungsgemäß von der Reichsleitung der NSDAP,Amt für Agrarpolitik, gestellt. /28/ In den Do-kumenten hieß es:

1. Die Nutzung des Landes des Kleingartensund der Kleinsiedlung ist im Sinne der Ver-bundenheit von Blut und Boden als Grund-lage für Staat und Volk zu gewährleisten.

2. Das Kleingarten- und Kleinsiedlungswesenist in Deutschland nach dem Grundsatz„Gemeinnutz vor Eigennutz“ zu fördern.Die Selbstverwaltung des Kleingartens unddes Kleinsiedlungslandes sowie der ideelleund materielle Schutz der Kleingärtner undKleinsiedler Deutschlands ist zu garantie-ren.

Der deutsche Kleingärtner sollte durch die „Er-ziehungsarbeit des Reichsbundes bewusst inden bevölkerungs- und ernährungspolitischenAufbau Deutschlands und in die deutscheVolksgemeinschaft eingegliedert“ werden.1940 wurden vom „Landesbund Sachsen derKleingärtner“ e. V. Einheitssatzungen heraus-gegeben. Die Stadtgruppen der Kleingärtnerwurden 1939 in Kreisgruppen der Kleingärtnerumbenannt.Die gewollte „Gleichschaltung“ der Kleingärt-ner im Sinne der Ideologie war somit vollzo-gen.

27 Krahl, Staatlich anerkannteLandesstelle (Auflösung), in:Garten und Kind 15. Jg. 1935,10/46.

28 Kammler, Hans, in Monatszeit-schrift der Bremer Kleingärtnerund Siedler, Sondernummer Au-gust 1934, 2 f .

Sonderausstellung des Reichsbundesder Kleingärtner und Kleinsiedlerauf der Reichsgartenschau 1936 inDresden

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189KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Die Blut- und Bodenideologiedes Nationalsozialismus

Als 1933 die NSDAP die Macht in Deutschlandübernahm, stellte sie ihre Forderungen ein-deutig dar. Die zeitgeschichtliche Forschungzum Nationalsozialismus verweist darauf, dass:1. im Regierungsprogramm vom 1. Februar

1933 zwei „große“ Vierjahrespläne mit fol-genden grundsätzlichen Konzeptionen:

– „Rettung des deutschen Bauern zur Erhal-tung der Ernährungs- und damit der Le-bensgrundlage der Nation“ und

– „Rettung des deutschen Arbeiters durch ei-nen gewaltigen und umfassenden Angriffgegen die Arbeitslosigkeit“

verkündet wurden und2. bereits am 3. Februar 1933 durch Adolf Hit-

ler vor den Befehlshabern der Reichswehr,des Heeres sowie der Marine die Grundsät-ze seines Regierungsprogramms darge-legt wurden, wo es heißt: „Ausrottung desMarxismus“, „Kampf gegen Versailles“, „Erobe-rung neuen Lebensraums im Osten“, „Stär-kung des Wehrmittels mit allen Mitteln.“

In die Kriegsvorbereitung wurde das Klein-gartenwesen von Anfang an bevölkerungs-,ernährungs- und militärpolitisch einbezogen.Die nationalsozialistische Führung rief dieKleingärtner und Kleinsiedler auf, das von ih-nen bewirtschaftetes Land im Sinne der Ver-bundenheit von Blut und Boden als Grundla-ge für Staat und Volk zu nutzen.Die erlassenen Gesetze und die Reden auf denReichsparteitagen der NSDAP spiegeln sich inden Festlegungen sowie Satzungen zum Klein-gartenwesen in der Landesgruppe Sachsen, inden Stadtgruppen und in den Vereinen mit al-ler Deutlichkeit wider. Grundlage war derPunkt 17 des nationalsozialistischen Pro-gramms: „Wir fordern eine unseren nationa-len Bedürfnissen angepasste Bodenreform,Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichenEnteignung des Bodens für gemeinnützigeZwecke, Abschaffung des Bodenzinses und Ver-hinderung jeder Bodenspekulation“. /29/Alle gesellschaftlichen Umbrüche machten so-mit vor den Toren der Kleingartenanlagen

nicht halt. Ab dem Jahr 1933 galten die Sat-zungen – ohne wenn und aber – getragen vonden nationalsozialistischen Gesetzen. DieseGesetze wie das „Ermächtigungsgesetz“, „Ge-setz zur Behebung von Not von Volk und Reich“(vom 24.3.1933), das „Reichserbhofgesetz“(vom 29.09.1933), das „Schriftleitergesetz“und die Vielzahl der Gesetze zur Gleichschal-tung spiegeln sich in den Satzungen und Ver-ordnungen für das Kleingartenwesen im Natio-nalsozialismus wider.Als nationalsozialistische Organisation formu-lierte der Reichsbund programmatisch: „hei-liger deutscher Boden“ dürfe nur von Ariern,nicht aber von Juden oder deren Abkömmlin-gen bearbeitet werden. Das Verbot, Kleingärtenan Juden zu vergeben, und die Vertreibung jü-discher Kleingärtner war Bestandteil des na-tionalsozialistischen Programms, das mit derEntlassung der Juden aus den öffentlichenÄmtern begann und an dessen Ende die syste-matische Vernichtung der Juden stand.Der Nährstand galt als wichtiger Teil des Vol-kes. Die Verwurzelung des Geschlechts mit derScholle, die Einheit von Blut und Boden solltewiederhergestellt werden. Nur Personen, dieArier waren, galten als Reichsdeutsche.In den Satzungen der Landesgruppe Sachsenund den Stadtgruppen im Reichsbund derKleingärtner und Kleinsiedler des Jahres 1933heißt es u. a.: „Das Kleingartenwesen ist nachAnweisung des Reichsbundes und seiner Orga-ne nach dem Grundsatz ‚Gemeinwohl geht vorEigennutz‘ zu entwickeln und die Selbstverwal-tung seines Gartenlandes ist zu fördern. DieNutzung des Kleingartenlandes ist im Sinne derVerbundenheit von Blut und Boden als Grund-lage für Staat und Volk zu gewährleisten.“ Zuden Fragen der Mitgliedschaft wird ausge-führt: „Mitglied kann nur werden, wer Reichs-deutscher arischer Abstammung ist. Über dieAufnahme entscheidet der Führer des Vereins.“/30/Das „Reichsbürgergesetz“ und das „Gesetzzum Schutz des deutschen Blutes und der deut-schen Ehre“ teilte alle Bewohner des deutschenReiches in Staatsangehörige und Staats- undReichsbürger ein.

29 Programmpunkt 17 des Natio-nalsozialismus, in: Garten undKind, 13. Jg. 1933, 6/81.

30 Einheitssatzung des Jahres 1933für die Vereine der Stadtgruppender Kleingärtner in der Landes-gruppe Sachsen im Reichsbundder Kleingärtner und Klein-siedler Deutschlands e. V.

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DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Es deklassiert die Juden in ihren politischenRechten:– „Staatsangehöriger ist, wer dem Schutzver-

band des deutschen Reiches angehört.“– „Reichsbürger ist nur der Staatsangehöri-

ge deutschen oder artverwandten Blutes, derdurch sein Verhalten beweist, dass er gewilltund geeignet ist, in Treue dem deutschenVolk und Reich zu dienen.“

Der Reichsbürger war der alleinige Träger dervollen politischen Rechte nach Maßgabe undGesetz. Mit dem Erlass der Nürnberger Gesetzewar die Grundlage für die restlose Ausschal-tung der Juden aus allen öffentlichen Verhält-nissen und die staatlicherseits interedierteTrennung zwischen Juden und Nichtjuden ge-schaffen.Auf dem Reichskleingärtnertag 1935 in Braun-schweig erklärte Ministerialrat Dr. Kummer dieRolle der Kleingärtner und Kleinsiedler als eineausschließlich für den „Gemeinnutz“ tätigeBewegung in der nationalsozialistischen„Volksgemeinschaft“: „Unser altererbter, oftverteidigter Boden und die auf ihm ansässigegermanische deutsche Rasse, dem Blut undBoden, muss zunächst unsere Arbeit und Stre-ben gelten. Darin liegt auch die Verpflichtungjedes einzelnen, der den hohen ethischen Wertder Arbeit und des Arbeitendürfens erfahrenhat.“ /31/Die Kleingärtner- und Kleinsiedlerbewegungwurde nach konkreten Aspekten der Rassen-ideologie in das Gesellschaftssystem eingebun-den. Regierungsrat Dr. Ing. Hans Kammlersprach 1935 in Braunschweig offen von einergeplanten „Selektion“ unter den Kleingärtner-familien. Zum menschenverachtenden Sys-tem der Nazis gehörte zweifellos ihr Verhaltengegenüber den jüdischen Mitbürgern. Die sogenannte Arisierung begann auch im sächsi-schen Kleingartenwesen bereits kurz nach derMachtergreifung und verstärkte sich 1934/1935. Im Mitteilungsblatt Nummer 8 vom1. August 1935 wird den Mitgliedern des Leip-ziger Vereins „An der Dammstraße“ mitgeteilt,dass ein nichtarisches Mitglied ausgeschlossenworden und der Verein damit von Juden freisei. /32/

In Dresden wurden, wie in der Chronik des Ver-eins „Kaitzbach“ zu entnehmen ist, im Okto-ber 1935 jüdische Bürger aus dem Kleingarten-verein ausgeschlossen. /33/Den Bürgern jüdischer Herkunft war es spätes-tens seit 1937 grundsätzlich nicht mehr mög-lich, einen Kleingarten zu pachten, da sich nurReichsbürger um einen Kleingarten bewerbenkonnten. Die Aufnahme der Frage nach derReichszugehörigkeit in den Fragebogen desReichsbundes für den Bewerber um einenKleingarten schloss damit die Verpachtung ei-nes Gartens an jüdische Bürger von vornhe-rein aus.Die Geschichte belegt aber auch, dass in denAnfangsjahren des Nationalsozialismus und inden letzten Jahren der Auflösungserscheinun-gen im Reich die Kleingärtner in einzelnenFällen ihre Lauben als Versteck für Verfolgteanboten. So heißt es in den Chroniken derDresdner und Leipziger Kleingartenvereine: Ausdem Dresdner Verein „Alte Elbe–FrauensteinerPlatz“ wird berichtet: „Familienangehörigevon Garteninhabern leisteten illegale Arbeitund verbargen ‚Verfolgte‘ in ihren Gartenlau-ben, wie der Kleingärtner Knappe es tat, der1943 dann selbst zwei Jahre inhaftiert war.“/34/Aus dem Leipziger Verein „Froschburg“ heißtes, „dass einige Gärten für kurze Zeit Treff-punkte von ehemaligen Mitgliedern der SPDund KPD waren.“ /35/Beispiele des passiven Widerstandes gab es auchin der „Erzeugungsschlacht“, im „zurückhalt“und beim Nichtbesuch von Schulungsveran-staltungen.In den Kleingärtnervereinen vollzog sich einProzess der allmählichen Ausgrenzung undIsolierung. In der Satzung des Landesbundesvom 14. Juli 1938 (Dokument 2) heißt es u. a.„Der Landesbund erstrebt, im engsten Zusam-menwirken mit der Partei, den staatlichen Ver-waltungsbehörden und den Gemeindeverwal-tungen, dem Reichsnährstand sowie sonstigenOrganisationen das deutsche Kleingartenwesenin jeder Weise zu fördern, … die Kleingärtner-familien zu lehren, das Land ordnungsgemäßzu nutzen, damit die Nahrungsfreiheit des

31 Reichskleingärtnertag Braun-schweig, in: Garten und Kind,15. Jg. 1935, 5/71-73, 82, 90,114-115.

32 Vgl. Anm. 17, 29-3033 Chronik des Kleingärtnervereins

Dresden „Kaitzbach“ e. V.34 Chronik des Kleingärtnervereins

Dresden „AlteElbe–Frauen-steiner-Platz“ e. V.

35 Vgl. Anm. 17.

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191KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

deutschen Volkes erkämpfen helfen.“ /36/Nach und nach mussten die Vereine in den Sat-zungen den so genannten „Arier-Paragraphen“einfügen. In der Satzung des Jahres 1940 dieauf Weisung der örtlichen Dienststellen derNSDAP im Zusammenhang mit einer neuenGartenordnung und den Ordnungen für dasAusschlussverfahren herausgegeben wurde,heißt es u. a.: „Mitglied des Vereins kann jederReichsbürger sein. Der Verein hat die Aufgabe,den Gedanken der Kleingartenbewegung unddie Erkenntnisse ihrer staatspolitischen undinsbesondere sozialpolitischen Bedeutungdurch Wort und Tat zu vertreten und zu för-dern sowie in den Kreisen der Kleingärtnerdeutsches Volks- und Brauchtum zu hegen. DerVerein erstrebt im engsten Zusammenwirkenmit den örtlichen Dienststellen der Partei, derVerwaltungsbehörden, des Reichsnährstandesund sonstiger Organisationen, das Kleingarten-wesen zu fördern.“ /37/An keinem Verein machten die Forderungenund die Praxis des Nationalsozialismus halt.In einer Vielzahl von Chroniken und Festschrif-ten wird darüber berichtet, dass „für den Klein-gärtner der Schrebergarten nur eine kleineInsel der Freude war, wo sie sich mit Freundenund der Familie trafen, um für ein paar Stun-den die Probleme des Alltags abzustreifen unddie Grausamkeiten des Krieges zu vergessen.Anlass für uns, dankbar an jene Kleingärtnerzu erinnern, die sich in ihrer Achtung der Men-schenwürde nicht haben beirren lassen.“ /38/Wir übersehen aber nicht, dass in vielen ge-sellschaftlichen Gruppen Kleingärtner denNationalsozialismus bereitwillig unterstützthaben, weil er ihre besonderen Interessen zu„bedienen“ verstand.In seinem Werk „Die Zeit des Nationalsozia-lismus“ versucht Michael Burleigh eine Ant-wort auf die Frage, weshalb es der nationalso-zialistischen Bewegung gelang, eine politischgewichtige Zahl von Menschen in ihren Bannzu ziehen. Hier heißt es u. a.: „Die Nazis hat-ten einiges zu bieten, das Versprechen der Zu-gehörigkeit, als Gegenentwurf zu einer Gesell-schaft, die bis dahin von tiefen Gegensätzenzerfurcht gewesen war, einen dynamischen

Auf Weisung der örtlichen Dienststel-len der NSDAP wurden durch denLandesbund Sachsen 1940 neue Sat-zungen beschlossen

Aufbruch, wo bis dahin Stagnation gewesenwar, den Anspruch in einer Gesellschaft, in dermaterielle Interessen alles andere zu überla-gern scheinen, Träger einer idealistischen Mis-sion von fast nationalem Zuschnitt zu sein.“/39/Dem Kleingartenwesen war der Standort in derBlut- und Bodenideologie zugewiesen. Sie wur-de zum Teil der Massenbeeinflussung. Dazuwaren die zentralistischen Strukturen erforder-lich.

36 Satzung des LandesbundesSachsen vom 14.7.1938.

37 Einheitssatzung 1940 für dieVereine des Landesbundes Sach-sen der Kleingärtner im Reichs-bund Deutscher Kleingärtnere.V.

38 Vgl. Anm. 20, 13.39 Burleigh, Michael: „Die Zeit des

Nationalsozialismus“, FischerVerlag, 3. Auflage, Dezember2000.

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192 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Der Kleingärtner in der „Erzeugungs-und Ernährungsschlacht“

Durch die nationalsozialistische Führung wur-de nach der Machtübernahme begonnen, „er-nährungspolitische Forderungen“ verstärkt zustellen. Während es sich in den Satzungen derLandesgruppe des Jahres 1933 noch um allge-meine Forderungen handelte: „den Kleingar-tenbau, besonders den Obstbau zu pflegen undseine Mitglieder zu fachkundigen Siedlern her-anzubilden“ /40/, wurden in den Folgejahrendie Töne zur Ernährungsschlacht durch dieNS-Führung wortgewaltiger propagiert.Später ging es darum, „die Kleingärtnerfami-lien zu lehren, das Land ordnungsgemäß zunutzen, damit auch sie die Nahrungsfreiheitdes deutschen Volkes erkämpfen helfen.“ Die

nationalsozialistische Führung verlangte, alleAnstrengungen zu unternehmen, um die Er-nährung der Bevölkerung aus eigener Kraft zusichern. Der „Reichsnährstand“ organisierte dasProgramm „Nahrungsfreiheit für das deutscheVolk“, mit dem die Produktion von Nahrungsmit-teln vom Weltmarkt abgekoppelt werden sollte.Die Kleingärtner wurden zur Leistung des Bei-trages in der „Erzeugungsschlacht“ aufgefordert.Im Heft 4/1933/34 „Der Kleingärtner undKleinsiedler“ betrachtet der Reichsbund-Fach-schaftsführer Hermann Steinhaus die Klein-gartenanlagen nicht mehr als „Erholungsstät-ten“, sondern als „deutschen Boden, der dazubeitragen soll, einen großen Teil der deutschenArbeiter zu Selbstversorgern zu machen und siedurch den vermehrten Gemüseanbau zurück-zuführen zu einer natürlichen Lebensweise.“Der zweite Reichskleingärtnertag 1935 inBraunschweig stellte die ernährungs- und be-völkerungspolitische Bedeutung der deutschenKleingärtner- und Kleinsiedlerbewegung sowiedie Stabilisierung des Arbeitsmarktes in denMittelpunkt der Strategie der nationalsozialis-tischen Führung. Begründet auf der Grundla-ge der geschichtlichen Erfahrungen von 1918wurde in der nationalsozialistischen Zielideo-logie dargestellt, „dass der Nährstand und derWehrstand auf das engste zusammenhängen.“Dem Reichsbund der Kleingärtner und Klein-siedler war die Forderung gestellt, zum Ge-lingen der deutschen „Erzeugungsschlacht“durch den Beitrag in der Obstversorgung und derErweiterung des Gemüseanbaues beizutragen.Von Bedeutung ist die Darstellung der volks-wirtschaftlichen Werte, wie sie aus den Zahlenüber Obstgehölze ersichtlich werden.Anzahl der Obstgehölze in der Landesgruppe(1936):Stadt-Gruppe Kernobst Steinobst Beerenobst

Bautzen 10.598 6.690 79.696Chemnitz 77.168 28.046 526.857Dresden 68.921 57.395 416.227Leipzig 323.580 140.071 874.502Zwickau 75.426 34.405 437.067Landes-Gruppe 555.693 266.607 2.334349

40 Vgl. Anm. 30.

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193KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Aufruf der NSDAP zum Sammeln vonObst und Gemüse 1939

„Die 92.000 sächsischen Kleingärtner ernte-ten im Jahr 1936 rund 300.000 Zentner Obst.Um diese Mengen wird einmal der Mark ent-lastet , … zum anderen haben dieKleingärtnerfamilien einen gesundheitlichenVorteil.“ /41/

Bei allen Gelegenheiten wurde durch dieNSDAP-Führung den Kleingärtnern die Pflichtauferlegt, an der „Erzeugungsschlacht“ teil-zunehmen. Da aber noch nicht alle Kleingär-ten so bewirtschaftet waren, wie es die ernäh-rungspolitische Lage erforderte, sei die „Erzie-hung der Kleingärtner … zu diesem Pflichtbe-wusstsein die gegenwärtige Hauptaufgabe derKleingärtnerorganisation.“ /42/

Auf dem 3. Reichskleingärtnertag 1937 inChemnitz forderte der Hauptfachberater für dieObst- und Gemüseverwertung eine umfassen-de Verarbeitung von Obst und Gemüse. In die-sem Zusammenhang stellte er fest, dass diebisherige Ernährung der Gesundheit wenigzuträglich war, weil man zu wenig Obst geges-sen habe.Die Landesgruppe Sachsen hat sich der Aufga-benstellung, einen großen Beitrag in der „Er-zeugungsschlacht“ zu leisten, zugewandt. ImArbeitsplan für das Jahr 1936 kommt dies zumAusdruck: „Waren es in den vergangenen Jah-ren die Kräftesammlung und der innere Auf-bau so geht es jetzt um die:

41 Schilling, Kurt: Soziale undvolkswirtschaftliche Zahlen ausder sächsischen Kleingärtner-bewegung, in: Garten und Kind,17. Jg. 1937, 6/83-87.

42 Rede des Staatskommissars Gu-stav Biechteler, München, aufder 1. Führerringtagung desReichsbundes am 29. Oktober1933 in Rüdersdorf, in:DerKleingärtner und KleinsiedlerNr. 3/1933/34.

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194 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

– Verankerung der Kleingartenanlagen in dieBebauungspläne,

– Neuanschaffung von Daueranlagen undum die

– zweite Erzeugungsschlacht als wichtigsteAufgabe.“ /43/

Neben der Sicherung hoher Erträge in denKleingärten sollten auch die Kleintierhaltereinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leis-ten. Die im Jahr 1936 erfassten Tierbeständein den sächsischen Kleingärten vermittelten,dass von den 93.874 Parzellen nur 12.031 Par-zellen – entspricht 12,8% – eine Kleintierzuchtbetrieben und somit keinen großen Beitrag zurVersorgung leisteten.In den Stadtgruppen war folgende Kleintier-haltung zu verzeichnen:

Stadtgruppe Anzahl Gärten % der Gärten mit TierhaltungBautzen 3.396 403 11,9Chemnitz 18.543 2.906 15,7Dresden 17.662 3.441 19,5Leipzig 37.201 2.722 7,3Zwickau 17.072 2.559 15,0

Landesgruppe 93.874 12.031 12,8

Man vertrat die Auffassung, dass im Sinne vonBlut und Boden und der rassischen Bevölke-rungsgedanken die Arbeit in Gärten und Klein-siedlungen dazu beitragen könnte, die end-gültige Loslösung deutscher Familien vomBoden zu verhindern.

In der Zeitschrift „Deutscher Garten“ wurdedargelegt, „dass die Schaffung von Lehr- undMustergärten in größeren Kolonien zur Nut-zung von Erfahrungen in der ‚Erzeugungs-schlacht‘ für die deutsche ‚Brotfreiheit‘ anzu-legen sind und die deutsche Jugend mit denZielen der Erzeugungsschlacht umfassend ver-traut zu machen ist.“ /44/Auf dem Sächsischen Kleingärtnertag am 30.August 1936 in Dresden, an dem 20.000 Klein-gärtner teilnahmen, wurde durch Dipl. Land-wirt Pg. Steinhaus die Kleingärtnerschaft auf-gefordert, dass die „erstrebte Volksgemeinschaftzur Sicherung der Ernährung des Volkes zuarbeiten hat. Wer heute das Kleingartenwesenin erster Linie von der wirtschaftlichen, finan-ziellen und steuerlichen Seite sieht, verlässt die

Forderung des Nationalsozialismus, nämlich,dass der völkische Staat die „Rasse“ in denMittelpunkt des Allgemeinlebens zu setzen hat.Der Nationalsozialismus muss daher die raum-und bevölkerungspolitische Bedeutung desKleingartenwesens in den Vordergrund stellen.An erster Stelle steht der Mensch. In dem Be-kenntnis zu Blut und Boden liegt die Erkennt-nis, dass die Bodenverbundenheit das besteUnterpfand der deutschen Nation ist. Das hei-ligste Recht, dass der Mensch besitzt, ist dasRecht auf Erde, sagt der Führer.“ /45/Da der Kleingarten als Helfer zur Gewinnungder „Erzeugungsschlacht“ diente, sollte mitallem Nachdruck dahin gearbeitet werden, dassden Kleingärtnern fortgesetzt Anregungen gar-tentechnischer Art gegeben werden, die zurErtragssteigerung führen. „Hierzu fehlt es inden Stadtgruppen an einem Zusammenschlussvon Sachbearbeitern, der als Bindeglied zwi-schen Gruppe und Vereinen steht. Es müssendeshalb überall gartentechnische Vereinigun-gen gebildet werden, die ihre Mitglieder dahinausbilden, Gelerntes, Erfahrenes und Erprob-tes auf dem Wege über Belehrung und Übungden einzelnen Kleingärtnern ihres Vereins zuvermitteln. Um die Einrichtungen in allenStadtgruppen zu schaffen, wird ein Beauftrag-ter der Landesgruppe in jeder Stadtgruppe ineiner Versammlung vor allen Vereinsführerneinen Vortrag zur Umsetzung der nationalso-zialistischen Ziele der Bildung Gartentech-nischer Vereinigungen führen.“ /46/Der Reichsbund der Kleingärtner und Klein-siedler Deutschlands wurde am 3. Dezember1936 an den Reichsnährstand angegliedert,„da die ernährungspolitischen Erfordernisse,die Erfassung aller an der Nutzung des deut-schen Bodens und an der Kleintierhaltung be-teiligter Kräfte zum straffen Einsatz im Rah-men des Vierjahrplanes dies erfordern.“ /47/Im Arbeitsplan 1937 der Landesgruppe Sach-sen spiegelten sich dazu solche Maßnahmenwider, wie– Mitarbeit am 4-Jahrplan und Kampf gegen

den Verderb von Gemüse und Obst,– verstärkte Schulung der Kleingärtner, ein-

schließlich der Frauenschulung,

KAPITEL 3

43 Arbeitsplan der Landesgruppefür 1936.

44 Zeitschrift „Deutscher Garten“Nr. 5 vom 01. März und Nr. 8vom 26. April 1936.

45 Steinhaus, Hermann: Sächsi-scher Kleingärtnertag 1936 (Be-richte und Reden), in: Gartenund Kind, 16. Jg. 1936, 10/146-150.

46 Hupfer, G.: GartentechnischeVereinigungen, in: Garten undKind, 16. Jg. 1936, 6/83.

47 Reichsbund dem Reichsnähr-stand angegliedert, in: Gartenund Kind, 17. Jg. 1937, 1/2.

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195KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Titelblatt der Broschüre von J. Steffek„Im Reich der Gartenfreunde“,Berlin 1939 (2. Auflage)

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196 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

– verstärkte Kaninchenhaltung in allen Gär-ten,

– Anpflanzung von Maulbeerhecken undDurchführung der Seidenraupenzucht,

– Ausbau der „Gartentechnischen Abteilun-gen“ und kultureller Einrichtungen, ins-besondere der Hitlerjugend, sowie Förde-rung der Jugendpflege. /48/

In den Mittelpunkt wurden weiterhin die Ziel-kriterien der Gefolgschaft der Kleingärtner-führer des Reiches, die sich aus den Lehren desDritten Reichskleingärtnertages von Chemnitzfür die Verbände und Vereine ergaben, gestellt.– Der Kleingärtner führt die bodenentfrem-

deten Städter und Industriearbeiter zurScholle und damit zu Heimat und Vater-land zurück und ist für den NS-Staatsauf-bau ein wertvolles Hilfsmittel.

– Der Kleingärtner dient mit der durch ihnermöglichten Selbstversorgung für diedeutschen Familien mit Frischnahrungs-mitteln zur Ernährungssicherung des deut-schen Volkes aus heimischer Scholle.

– Der Kleingärtner wird in der Erzeugungs-schlacht und den zweiten Vierjahrplan ein-gespannt.

– Die Allgemeinwerte der Kleingärtner kön-nen aber nur restlos erarbeitet werden,wenn der Kleingärtner auf seiner Schollegesichert ist. /49/

In demn Beitrag von Wilhelm Staudinger „Diedeutschen Kleingärtner in der Erzeugungs-schlacht“ (Dokument 3) heißt es u. a. „Diewirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in-nerhalb der letzten Jahrzehnte führte dazu,dass eine Ernährung des deutschen Volkes auseigner Scholle immer mehr vernachlässig wur-de. … Es ist daher die Pflicht eines jeden bo-dennutzenden Volksgenossen, an der Lösungder großen Aufgabengebiete mitzuarbeiten.Dadurch gewinnt auch die nebenberuflicheGartennutzung der deutschen Kleingärtner anBedeutung insofern, als auch die teilweiseSelbstversorgung von ungefähr 900.000 Klein-gärtnerfamilien mit Obst und Gemüse undzum Teil mit Kleintierzuchterzeugnissen einnicht unwesentlicher Beitrag für die Bedarfs-deckung aus der eigenen Scholle ist.“ /50/

Der Reichsnährstand hatte in der Erzeugungs-schlacht für das Vaterland weitgehend versagt.„Trotz der Anreize einer Hochpreispolitik wuchsdie Agrarproduktion zwischen 1933 und 1939um 13 %, der Selbstversorgungsgrad stieg le-diglich von 80 auf 83 % und die berühmte Fett-lücke betrug 43 %, doch gelang es der NSDAPmit ihrem Agrarprotektionsmus nicht, aufDauer eine ausreichende Versorgung zu ge-währleisten. … Auch die Schaffung von 95.000Kleinsiedlerparzellen führte nicht zu überzeu-genden Beiträgen in der ‚Erzeugerschlacht‘,dafür waren die produzierten Mengen zu ge-ring.“ /51/Bereits 1939 kam es bei Fleisch, Milchproduk-ten, Eiern und Fett zu beträchtlichen Versor-gungslücken. Als die „Erzeugungsschlacht“ inden Parteizeitungen und im Volksempfänger nochim vollen Gange war, war sie längst verloren.Als am 27. August 1939 die Rationierung derLebensmittel u. a. wichtiger Versorgungsgüterbekannt gegeben wurde, war wohl den meistenDeutschen klar, dass Deutschland mit aller Ge-walt auf einen neuen Krieg zusteuerte. Die ge-heimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes(SD) der SS /52/ aus den Jahren 1939 bis 1942sprachen dafür eine deutliche Sprache. Hierinhieß es am:6. November 1939: „Auf dem Lebensmittel-markt halten trotz der Erhöhung des Butterkon-tingents die Klagen insbesondere aus den In-dustriegebieten über ungenügende Fettzuteilungan. Als besonders schwierig wird die Lage nachwie vor für kinderreiche Familien bezeichnet.“18. März 1940: „Aus dem gesamten Reichsge-biet liegen Meldungen vor, die besagen, dassin der Bevölkerung große Missstimmungenüber die Schwierigkeiten beim Einkauf bezug-scheinfreier Waren besteht. Hier handelt es sichvor allem um Nahrungs- und Genussmittel,Gemüse, Obst und Südfrüchte.“1. August 1940: „In den Stimmungsberichtender vergangenen Monate und Wochen ist über-einstimmend zum Ausdruck gebracht worden,dass die Brotration von den Werktätigen alsunzureichend angesehen wird.“In konkreten Zahlen sah die Versorgung desNormalkonsumenten folgendermaßen aus:

48 Arbeitsplan der Landesgruppefür 1937, in: Garten und Kind,17. Jg. 1937, 3/36.

49 Schilling, Kurt: 3. Reichsklein-gärtnertag (Bericht), in: Gartenund Kind, 17. Jg. 1937, 8/ 114-116.

50 Staudinger, W.: Die deutschenKleingärtner in der Erzeugungs-schlacht, in: Garten und Kind,17. Jg. 1935, 3/35 f.

51 Vgl. Anm. 1, 70-71.52 Ebda., 171 ff.

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197KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Zwischen September 1939 und Oktober 1942fiel die wöchentliche Brotration von 2400Gramm auf 2000 Gramm, die Fleischzuteilungsank von 700 auf 300 Gramm, bei Fett wurdedie Zuteilung von 340 auf durchschnittlich 206Gramm zurückgesetzt.Mit dem Ausbruch des Krieges verschärfte dienationalsozialistische Führung ihre Aufgaben-stellung zur Umsetzung der „Erzeugungs- undErnährungsschlacht“. Zur Erreichung der Er-tragssteigerungen und der Ernährungssiche-rung wurden die Vereine zur Beteiligung amReichsleistungswettbewerb /53/ ab 1934 auf-gerufen. Im Reichsbundeswettbewerb 1939wurde der Landesbund Sachsen mit 178 Preis-trägern (Vereine bzw. Einzelgärtner) geehrt.Anzahl der Preisträger nach Stadtgruppen:Stadtgruppe PreisträgerBautzen 25Chemnitz 43Dresden 53Leipzig 34Zwickau 23Landesbund 178

Ab 1940 war die Arbeit der Kreis- und Stadt-gruppen auf Beschluss des Landesbundes ge-tragen vom „Notzeitprogramm“ mit demSchwerpunkt der „Erziehung“ der Kleingärt-ner in der Notzeit zum restlosen Einsatz in der„Erzeugungsschlacht“. /54/Die sich mit Kriegsbeginn verschlechterndeVersorgung mit Kartoffeln, Gemüse und Obstveranlasste die NS-Führung am 21. März 1940,eine Brach- und Grabelandaktion ins Leben zurufen. Bereits davor erfolgte in den „Kreis-hauptmannschaften Sachsen der Kleingärtner“die Zusammenlegung von ca. 123 Kleingarten-vereinen mit den Grabelandgruppen.In einem Aufruf an die deutschen Kleingärt-ner heißt es: „Wichtigste Aufgabe an der Hei-matfront ist die Sicherstellung der Ernäh-rung“. /55/Im Kriegsjahr 1944 wurden die Arbeiten in denKleingartenanlagen unter die Zielstellung„Nutzbarmachung von Zeitreserven“ gestellt.Dazu berichtete die Zeitschrift der „Kleingärt-ner im Krieg“: „Alle Schönheitsarbeiten in denKleingärten und Anlagen sind bis zum Frieden

zurückzustellen, nur noch Arbeiten zur Stei-gerung des gärtnerischen Ertrags sind durch-zuführen, vornehmste Aufgabe in der Gemein-schaft besteht darin, nicht Hilfe zu verlangen,sondern Hilfe zu geben.“ /56/Der Beitrag der Kleingärtner zur Versorgung derBevölkerung war zu einer gewissen Existenz-frage geworden. Die Thesen von der „Erzeu-gungsschlacht“ blieben bei den Kleingärtnernnicht ohne Resonanz, wie in einer Vielzahl derChroniken der Kleingärtnervereine in Sachsenzum Ausdruck kommt. Der überwiegende Teilder Mitglieder ließ sich in keiner Weise in derkleingärtnerischen Arbeit stören. In den Vor-ständen waren es überwiegend die älteren, kon-servativen Gartenfreunde, die nicht alles mit-machten.

3. Reichskleingärtnertag in Chemnitz1937, Einzug des Arbeitsdienstes indas Stadion

Morgenfeier auf dem 3. Reichsklein-gärtnertag in Chemnitz 1937

53 Der Reichsleistungswettbewerbdes Reichsbundes deutscherKleingärtner, in: Das deutscheKleingartenwesen, Heft 1, 1942.

54 Hamel, W., Arbeitsplan desLandesbundes 1940 und Re-chenschaftsbericht 1939, in:Garten und Kind, 20. Jg. 1940,3/20-21.

55 Darre, W.: An die deutschenKleingärtner, in: Garten undKind, 22. Jg. 1942, 1/21.

56 Kleingärtner im Krieg, Septem-ber 1942.

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198 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Deutsche Reichsgartenschau 1936in Dresden

Die erste Reichsgartenschau fand 1936 vom 24April bis 11. Oktober statt. Sie wurde vomReichsnährstand in Gemeinschaft mit der StadtDresden auf einer Freifläche von 40 ha im Gro-ßen Garten und auf einer Hallenfläche von2 ha durchgeführt. Bei den Sonderschauenwurden durch den „Reichsbund der Kleingärt-ner und Kleinsiedler Deutschlands“ e. V. bild-mäßig die Allgemeinwerte des Kleingartens, dieAufteilungspläne und Schulungsprogrammezur Erzeugungs- und Ernährungsschlacht dar-gestellt. Dr. Schilling äußerte sich in einemArtikel zur Reichgartenschau zum Thema:„Der Kleingartengedanke im neuen Deutsch-

land“ wie folgt: „Der Nationalsozialismus hatdem Kleingartengedanken einen neuen Auf-trieb gegeben und die vor dem Umbruche nurvon den Führern der Kleingärtner erkanntenAllgemeinwerte in den Vordergrund gestellt.Voraussetzungen der Erhaltung und Entwick-lung eines Volkes sind das dauernde Verbun-densein mit der heimatlichen Scholle. Bäuer-liches Denken und Fühlen und Stolz über Mit-eigentum und Mitbewirtschaftung am deut-schen Boden muss die Grundlage der völki-schen Einstellung sein. Der Reichsbund hatdiesen Gedanken auf der Tafel ‚Ohne Bauern-blut kein deutsches Volk‘ zum Ausdruck ge-bracht. /57/Auch die zweite große Bedeutung des Kleingar-tens – sein volkswirtschaftlicher Wert – sei erstvom Nationalsozialismus, so Dr. Schilling,richtig gewürdigt worden: „Die Kleingärtnerbringen jährlich 640 Millionen KilogrammGemüse und Obst hervor. Dadurch wird derLebensmittelmarkt erheblich entlastet und eineMenge Devisen erspart. Deutschland muss aberin Zukunft seine Versorgung mit Nahrungsmit-teln noch mehr als bisher aus eigener Schollesicherstellen. Dieses Ziel verfolgt die Erzeu-gungsschlacht des Reichsbauernführers. Ausder Wertung des Kleingartens durch den Na-tionalsozialismus folgt zwangsläufig, dass dieKleingartenfläche für die Dauer gesichert wer-den muss, damit Arbeitserfolg und Kapitalein-bau zur restlosen Wirkung kommen.“ /58/Gleiche Worte waren auf dem sächsischenKleingärtnertag der Reichsgartenschau vomFachschaftsführer Pg. Steinhaus zu hören. Mitder nationalsozialistischen Parole, wie: „Mil-lionen deutscher Volksgenossen haben um dieMuttererde, somit um den deutschen Gartengekämpft, geblutet und ihr Leben gelassen.Dies allein sollte schon Ansporn sein, um fürden deutschen Boden zu kämpfen. Jeder ras-sisch einwandfreie, erbgesunde und bäuerlichdenkende deutscher Volksgenosse hat ein Rechtdarauf, ein kleines Stückchen deutscher Erdeselbst zu bebauen dürfen.“ /59/Somit wurden die Kleingärtner und Klein-siedler in die Pflicht genommen die verloren-gegangene Bodenverbundenheit für die nächs-

57 Schilling, Kurt: Der Kleingarten-gedanke im neuen Deutschland,in: Garten und Kind, 16. Jg.1936, 6/83 f.

58 Ebda.59 Steinhaus, Hermann: Sächsi-

scher Kleingärtnertag 1936 (Be-richte und Reden), in: Gartenund Kind, 16. Jg. 1936, 10/146-150.

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199KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

ten Jahrzehnte wieder herzustellen. Zur Reichs-gartenschau wurden durch den Reichsbunddrei Musterkleingärten errichtet. Die Bewirt-schaftung der drei Mustergärten erfolgte durchdie Dresdner Kleingärtner Max Heinzelmann,Gustav Hensel und Felix Schlag. Die Reichs-

gartenschau verdeutlichte, dass die national-sozialistische Führung den deutschen Raumneu gliederte und dass dabei die in der letztenZeit ergangenen Erlasse der ReichsregierungVeranlassung waren, die Kleingartenflächenzweckmäßig mit einzubeziehen.

Stand des Reichsbundes auf derReichsgartenschau 1936 in Dresden

Reichsbundführer Walter Darre‚aufder Reichsgartenschau 1936 in Dres-den. Begrüßung durch Hans Kaiser

W. Darre‚und H. Kaiser beim Rund-gang durch die Ausstellung derReichsgartenschau 1936 in Dresden

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200 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Kleingärten und Kleingarten-daueranlagen in Sachsen

In den Verbänden und Vereinen des sächsischenKleingartenwesens wurde zur Sicherung der„Ernährungs- und Erzeugungsschlacht“ dieForderung zur „Schaffung von Daueranlagenund die Eingliederung vorhandener Anlagenin die Bebauungspläne der Städte“ gestellt.Die Analyse der Landesgruppe Sachsen derKleingärtner des Jahres 1935 /60/ zwischen denVerbänden und den Grundeigentümer in Sach-sen verdeutlicht, dass– von den kleingärtnerisch genutzten Ge-

samtpachtflächen der Landesgruppe 35,3%vom Verpächter zu jeder Zeit zurück gefor-dert werden können,

Dies betrifft in … % der PachtflächeBautzen 40,1% Chemnitz 37,7%Dresden 58,9% Leipzig 28,1%Zwickau 25,8%

– die Verträge, die auf mehrere Jahre unkünd-bar abgeschlossen sind, zwar eine höhereSicherung der Flächen geben, aber immernoch unzureichend sind. Im Landesdurch-schnitt wurden nur 33,2% der Pachtflächenmit Pachtverträgen bis zu einer Laufzeitvon über 10 Jahre und 17,2% mit einerLaufzeit von über 15 Jahre abgeschlossen,

– die ortsbaugesetzlich ausgewiesenen Dauer-anlagen in der Landesgruppe mit einer Flä-che von 24,6 ha (1,1% zur Gesamtfläche)nicht den Anforderungen entsprechen.

Alle Beteuerungen und ideologischen Beschwö-rungen nutzten nichts. Immer mehr Kleingärt-ner verloren ihre Parzelle bzw. die Auflösungvon Kleingartenanlagen nahm zu.Bis 1935 mussten von 100 Kleingärtnerfami-lien in Zwickau elf, in Bautzen 31 und im LandSachsen 21 Familien ihren Kleingarten räu-men. Um Veränderungen herbeizuführen, er-ließ das sächsische Ministerium für Wirtschaftund Arbeit am 27. Januar 1936 eine „Verord-nung zur Förderung des Kleingartenwesens“.Sie sollte bei den Verhandlungen zwecks Er-richtung von Daueranlagen und bei der Ge-winnung der außenstehenden Kleingärtnereine Wende herbeiführen. /61/Die Ausweisung von Flächen in den aufzustel-lenden Wirtschafts- und Bebauungsplänen derGemeinden war eine Aufgabe, die den Gemein-den auf Grund der Verordnung zur Durchfüh-rung der „Reichs- und Landesplanung“ vom15. Februar 1936 oblag. Der Leiter der Nach-richtenstelle der sächsischen Staatskanzlei be-richtete dazu wie folgt: „Erst der konstruktiveWille des Dritten Reiches schuf die zusammen-fassende weltanschauliche Grundlage zur Um-und Neugestaltung der Großstädte, die auchweiterhin die wirtschaftliche Kraftquelle derNation bleiben. Wir sehen heute in den Grün-und Freiflächen aller Art einen der besten Ak-tivposten und der höchsten sozialpolitischenWerte der deutschen Städte. Die Unterbringung

60 Schilling, Kurt: Die Landesgrup-pe der sächsischen Kleingärtnerzwischen 1923 und 1935, in:Garten und Kind, 15. Jg. 1935,11/162165 und 16. Jg. 1936, 2/4-6.

61 Hupfer, G.: Ein neuer Erfolg inder Frage der Dauerkleingar-tenanlagen, in: Garten undKind, 16. Jg. 1936, 4/52 f.

Urkunde zum 50. Geburtstag AdolfHitlers

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201KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

der Kleingärtner hat auf gesichertem Geländezu erfolgen.“/62/Durch die nationalsozialistische Führungwurde in den nächsten Jahren verstärkt Ein-fluss auf die Schaffung von Daueranlagen dar-genommen. Dies zeigte sich auch in Vorberei-tung des 50. Geburtstages des Führers. In ei-nem Artikel: „Ein Geburtstagsgeschenk derdeutschen Kleingärtner für den Führer“ wur-de berichtet: „Die deutschen Kleingärtner wol-len dem Führer ihre Dankbarkeit beweisen. Siehaben dem Führer in 22 Gauen 134 völlig ein-gerichtete Kleingärten in Daueranlagen zurVerfügung gestellt. Der Führer wird bestim-men, welche verdienten Volksgenossen mit ei-nem solchen Garten bedacht werden sollen. DerLandesbund Sachsen hat sich mit 6 Kleingär-ten beteiligt, die in der Dresdner Daueranlage„Am Anton-Günther-Park“ eingerichtet wur-den. Reichsbundleiter Pg. Kaiser hat dem Füh-rer die Urkunde überreicht.“ /63/Im Zeitraum 1926 bis 1936 entstanden in Sach-sen 45.992 neue Gärten mit einer kleingärt-nerisch genutzten Fläche von 1353 ha. Demgegenüber wurden 32.174 Gärten mit einerFläche von 1052 ha geräumt. Die Arbeit aufdem Gebiet der Schaffung von Dauerkleingar-tenanlagen im Rahmen der Wirtschaftspla-nung wurde 1937 verstärkt eingeleitet. Damitsollte eine Neuordnung des deutschen Klein-gartenwesens angestrebt werden. Städte undGemeinden sollten zur Schaffung von Dauer-kleingärten angeregt werden.Im Jahresbericht 1937 der Landesgruppe Sach-sen heißt es: „Bei der Planung und Erstellungvon Kleingartendaueranlagen zeigen sich Fort-schritte in den Städten Dresden, Freital, Pirnaund Crimitschau. In Bautzen, Freiberg, Gro-ßenhain, Kamenz und Löbau sind Vorverhand-lungen aufgenommen worden.“ /64/1937 wurde durch den Reichsbund der Wett-bewerb um den „Goldenen Spaten“ als Wan-derpreis, gestiftet durch die Zeitschrift „GrünePost“, gestartet. Erster Sieger im Wettbewerbwurde die Stadt Chemnitz.Auf dem 3. Reichskleingärtnertag im Juni 1937in Chemnitz zeichnete Ministerialrat WilhelmGisbertz vom Reichsarbeitsministerium ein

düsteres und zugleich realistisches Bild von derLage der deutschen Kleingärten. Zwar gebe esgesetzliche Regelungen, die den Kleingärtnernvor Kündigungen schützen. „So wirksam sichdie Vorschriften in manchen Fällen bereits ge-zeigt haben, so muss man sich doch darüberklar sein, dass sie allein nicht geeignet sind,den Kleingärtnern den erstrebten gesichertenBesitz ihrer Gärten zu gewähren.“ Der Reichs-bund müsse dafür Sorge tragen, dass in denseit Mitte der 30er Jahre entwickelten Wirt-schaftsplänen der Städte sowohl die vorhande-nen Kleingärten als auch darüber hinaus ge-nügend Land zur Deckung der Nachfrage nachDauerkleingartenanlagen in der Planungnicht als Baugelände ausgewiesen werden.(Dokument 4)

Der „Goldene Spaten“. Preis des Wett-bewerbs der Städte um die Errichtungvon Dauerkleingartenanlagen 1937-1939

62 Sondernachrichten des Reichs-bundes deutscher Kleingarten-vereine, Oktober 1937, 221.

63 Hamel, W.: Zum 50. Geburtstagdes Führers, in: Garten undKind, 19. Jg. 1939, 4/50.

64 Schilling, Kurt: Jahresver-sammlung der Landesgruppe(23/30. Jan. in Freiberg), in:Garten und Kind, 18. Jg.,3/40-41.

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202 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Festzustellen ist, dass die verantwortlichenPlanungsbehörden nicht umfassend von derNotwendigkeit dieser Forderung überzeugtwaren. „Um die großen Aufgaben auf dem Ge-biete des Kleingartenwesens durchzuführenund damit dessen Zukunft in gesicherten Bah-nen lenken zu können, ist ein festgefügterBund Voraussetzung, der möglichst alle Klein-gärtner umfasst. Vielleicht wird deshalb eineZwangsorganisation gefordert. Das gleiche Zielkann aber auch dadurch erreicht werden, dassdie Organisation regelmäßig als Zwischen-pächter bei der Verpachtung von Land zurkleingärtnerischen Nutzung eingeschaltetwird.“ /65/In der Landesgruppe Sachsen gab es über 7000Bewerber für einen Dauerkleingarten. Auch dievielfältigen Maßnahmen des Kündigungs-schutzes konnten den weiteren Kleingarten-schwund nicht aufhalten.Am 26. Februar und 22. März 1938 erließ dieReichsregierung die „Bestimmungen über dieFörderung von Kleingärten“.Die erlassenen Bestimmungen zur Förderungdes Kleingartenwesens im „Deutschen Reich“beinhalteten neben den Maßnahmen zur Pla-

nung der Daueranlagen auch die Gewährungeines Reichsdarlehns von 15,3 Mill. Reichs-mark. Im Jahresbericht 1938 der KreisgruppeDresden der Kleingärtner heißt es hierzu: „Inden grundlegenden Ausführungen gab derReichs- und Preußische Arbeitsminister überalle Belange der Kleingärtner seine Auffassung,seinen Willen und die Absicht, in welcher Wei-se ihm eine Förderung nötig erscheint, kund.Neben der fachlichen Beratung und der wirt-schaftlichen Betreuung der Kleingärtner, derbesonderer Wert beigemessen wird, enthaltendie Förderungsbestimmungen Vorschriftenüber Planungen des Kleingartendauerlandes,über die Größe der Gärten und der Gewährungunverzinslicher Reichsmittel für die Herrich-tung von Kleingärten. Die Befugnisse hat dieReichsregierung, soweit es das Land Sachsenbetrifft, dem Reichsstatthalter zu Sachsen, ver-treten durch den Minister für Wirtschaft undArbeit, übertragen.“ /66/Da nach den Förderbestimmungen vom 22.März 1938 das Reich den Gemeinden Geldmit-tel zur Anlegung und Beschaffung von Dauer-anlagen zur Verfügung stellte, war die Schaf-fung solcher Anlagen, so dem Jahresbericht der

65 Ministerialrat Gisbertz vomReichsarbe i t smini s t e r iumspricht über „Die Zukunft desdeutschen Kleingartenwesens-Aufgaben des Reichsbundes“(gekürzte Wiedergabe), in: Gar-ten und Kind, 17. Jg. 1937, 8/119-124.

66 Jahresbericht 1938 der Kreis-gruppe „Dresden der Kleingärt-ner“ e. V.

Zusammenschluss von Grabeland-gruppen mit Kleingärtnervereinen

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203KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Kreisgruppe Dresden zu entnehmen, in einneues Stadium getreten.Der Oberbürgermeister der LandeshauptstadtDresden-Kleingartenamtsstelle ging dieserMöglichkeit sofort nach und forderte für diezu errichtenden Daueranlagen diesbezüglicheDarlehen an. Die Erstellung von Daueranlagenin weiteren Orten des Kreisgebietes wurde ein-geleitet. „Das Reich gewährte pro Garten fürdie Ein- und Herrichtung der neuen Anlageund der Gärten einen Betrag von 120,00 RM.Dieses Reichsdarlehen ist unverzinslich und in20 Jahren zu tilgen.“ /67/Doch bevor es zu dieser Wendung des verstärk-ten Schutzes des Kleingartenwesens kommensollte, hatte es in der Förderung und Planungvon Kleingartenanlagen nicht nur Stockungen,sondern auch bemerkenswerte Rückschlägegegeben. Daran konnten auch die wiederhol-ten Aufrufe, ja selbst ein Aufruf von Adolf Hit-ler, nichts ändern, auch nicht die Tatsache,dass in größeren Städten hier und da nur eineDaueranlage erstellt wurde. Solchen Neuanla-gen standen auch in Sachsen erschreckendeAbgänge gegenüber, trotz der Betonung, dassder Kleingarten einer der Garanten für dieUnsterblichkeit des deutschen Volkes sei.Ende 1938 waren im Reichsbund deutscherKleingärtner 839.559 Mitglieder, davon in

Sachsen (Land) 104.737 und in Sachsen (Pro-vinz) 75.948 organisiert. Auf der Arbeitstagungdes Reichsbundbeirates und der Landesbund-leiter im Januar 1939 sprach DiplomlandwirtHermann Steinhaus zur „Neuordnung desdeutschen Kleingartenwesens“. Festgestelltwurde, dass die Anzahl den gekündigten undseit 1933 geräumten Kleingärten in gar kei-nem Verhältnis zu den neuerrichteten Klein-gärten stehe. Er führte dazu aus: „Was bedeu-tet die Errichtung von 1862 Dauerkleingärtenin einem Jahr für das ganze Reich, zumal da-von in demselben Jahr Zehntausende Kleingar-tenkündigungen ausgesprochen wurden. Hierkann man nicht mehr von einem Stillstand,sondern muss von einem Rückgang des deut-schen Kleingartenwesens seit 1933 sprechen.“/68/ Nach Dipl. Landwirt Steinhaus sind imJahre 1938 63.970 Kleingartenlandkündigun-gen, davon in Sachsen 25.000, erfolgt. „Inabsehbarer Zeit sind Kleingartenlandkündi-gungen in noch verstärkterem Ausmaße zubefürchten. Diese Kündigungen beruhen in denmeisten Fällen nicht auf der Durchführung vonWohnungsbauvorhaben, es handelt sich hier-bei vielmehr um Kündigungen, die in ersterLinie für militärische Zwecke ausgesprochenworden sind.“ /69/

Laube aus dem Jahre 1935. Heute inder Anlage des KGV „Taubenberg“ e. V.Dresden

67 Ebda.68 Steinhaus, Hermann: Die Neu-

ordnung des deutschen Klein-gartenwesens (Auszug aus demVortrag auf der Arbeitstagungdes Reichsbundbeirates und derLandesbundleiter vom 28.bis 31.Januar 1939, 4/ 50-52, 5/67-68,6/82-85.

69 Ebda.

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204 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Die Verordnung über den Kündigungsschutzvom 27. September 1939, welche vom Landes-bund Sachsen der Kleingärtner am 23. Mai1942 als „Verordnung über den Kündigungs-schutz und andere kleingartenrechtliche Vor-schriften“ herausgegeben wurde, sollte für dieKleingärten zu einem verbesserten gesetzlichenSchutz führen. Die Verordnung des Landes-bundes Sachsen schrieb vor: „Pachtverträgeüber kleingärtnerisch genutztes Land … dür-fen vom Verpächter nicht gekündigt werden.Eine Kündigung durch den Verpächter ist statt-haft, wenn das Grundstück oder ein Grund-stückteil für Zwecke der Reichsverteidigungdringend benötig wird … oder aus anderenüberwiegenden Gründen des Gemeindewohlsdringend benötigt wird. Die Kündigung bedarfin Fällen … der Reichsverteidigung die Ge-nehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.Die Gemeinden und Städte wurden zur endgül-tigen Klärung der Bodennutzung ihres städti-schen Raumes aufgefordert. Die Aufstellungvon Dauerkleingartenverteilungsplänen wurdeangeordnet. Es wird von den Behörden erwar-tet, dass sie sich bei der Bearbeitung ihrer Plä-ne der gesammelten Erfahrungen der Klein-gartenorganisation bedienen und die vomReichsbund erarbeiteten Vorschläge zum Aus-gangspunkt des aufgestellten Dauerkleingar-tenverteilungsplanes machen.“

Mit dieser Forderung war jedoch in Sachsen dieSicherstellung des Kleingartenlandes nochnicht erreicht. In der Anordnung Nr. 209/39 desstellvertretenden Führers wurde in verschärf-ter Form zum Ausdruck gebracht, „dass wäh-rend des Krieges kein Quadratmeter Boden inden Städten ungenutzt liegen darf.“ In Fort-führung der Kriegshandlungen durch das deut-sche Reich ab 1940 verschärfte die national-sozialistische Führung ihre Aufgabenstellungzur Erzeugungs- und Ernährungsschlachtund zur Schaffung von Daueranlagen. DerErlass des Reichsinnenministers vom 24. Ja-nuar 1940, sah im Rahmen eines „Sofortpro-gramms“ die Errichtung von 50.000 neuenDauerkleingärten vor. Eine nochmalige Bestä-tigung des Kündigungsschutzes erfolgte mit derKündigungsschutzverordnung vom 15. Dezem-ber 1944. Eine Verordnung zur „Nutzung derWohnlauben als Behelfsheime“ wurde 1944herausgegeben. Sie sah auch vor, das Luftkrieg-betroffene Kleingärtner ganztätig in den Lau-ben das Wohnrecht ausüben und die Bewirt-schaftung des Kleingartens wahrnehmenkonnten.

Mitgliederstand im deutschen Kleingartenwesen

0 0 0 0 0

432.544

520.854

930.000

839.559

913.130

0

100000

200000

300000

400000

500000

600000

700000

800000

900000

1000000

1931 1933 1935 1938 1942

Jahr

Mit

glied

er

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205KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Kleingärtner und Schreberjugendunter der Herrschaft

des Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Führung legte gro-ßes Gewicht auf die Werte der Familie und maßgleichzeitig der Jugend eine besondere Bedeu-tung bei. Das Wort „Gleichschaltung“ ist da-bei zu einem der am häufigsten gebrauch-ten im Dritten Reich geworden. „Die äußereGleichschaltung der Schreberkleingarten-organisation ist nahezu beendet. Die innereGleichschaltung, nimmt man sie ernst, ist eineArbeit von Jahren. Sie hat ihren Anfang genom-men mit den Festlegungen der neuen Grund-sätze für die sächsische Schreberjugendpfle-ge.“/70/Es war die Aufgabe gestellt, „dass die gesamteSchreberjugendarbeit die innere Verbindungdes alten Schrebergedankens mit dem Geist dernationalen Bewegung zu zeigen hatte.“ /71/Schwerpunkte waren die Erziehung der Kinderund Jugendlichen zum deutschen Wesen, zurTreue zum Führer und zum Dienst am Volk.Mit der unbedingten Anerkennung des Führer-gedankens wurde festgelegt, dass die Führer dersächsischen Schreberjugend nur solche Perso-nen sein konnten, deren vaterländische undchristliche Gesinnung außerhalb jeden Zwei-fels stand. „Nichtarier“ konnten weder einFühreramt bekleiden noch überhaupt in diesächsische Schreberjugend aufgenommen wer-den.“ /72/ „Ausgehend von den Durchfüh-rungsbestimmungen für die Neugestaltung dersächsischen Schreberjugend ist die Umfor-mung bis zum 21. Juli 1933 abzuschließen.“/73/Im Juni 1933 wurden auf Weisung des Reichs-bundes Judenkinder von der Mitgliedschaft inder Schreberjugend ausgeschlossen. Hier kameindeutig die feindliche und rassistische Er-ziehungsideologie des Nationalsozialismuszum Ausdruck. Die verfügte Auflösung derSpielleitervereinigungen und die Gründungvon „Arbeitsgemeinschaften des Kinderhilfs-werkes“ ging einher mit dem Ausscheiden vie-ler ehemaliger Spielleiter. Mit dem 10. Septem-ber 1933 wurde die gesamte sächsische Schre-

berjugendpflege dem „Sozialen Amt Abteilung3“ der Hitlerjugend unterstellt und die Schre-berjugend zum 1. Januar 1934 in die Hitler-jugend eingegliedert. Leipzig hatte hier dieVorreiterrolle übernommen. Mit der Eingliede-rung wurde der Grundcharakter die Schreber-jugendpflege markant gekennzeichnet. DieJugendpflege im Geiste des Nationalsozialis-mus sollte die „Erziehung zum Volkstum undzur Heimatliebe“ fördern. Dabei stand die Leh-re von „Blut und Boden“ im Mittelpunkt. Siebesagt: „Solange der deutsche, der nordischeMensch mit deutschem Boden verbunden ist,solange wird Deutschland leben.“ Eine Ein-schätzung zur nationalsozialistischen Jugend-pflege 1934 verdeutlichte, dass von den 939 Ver-

70 Eberhardt, H.: Innere Gleich-schaltung der sächsischenSchreberjugend, Garten undKind, 13. Jahrgang 1933, 7/98.

71 Ebda.72 Ebda.73 Ebda.

Kinderfest zum 70-jährigen Jubiläumdes Schrebervereins der Westvorstadt(heute KGV „Dr. Schreber“ e.V.) am8.7.1934

Morgenfeier zum Kinderfest. G. Rich-ter am Rednerpult

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206 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

einen des Landes Sachsen 530 an der Jugend-pflege teilnahmen und die Mitgliedschaft in derHJ als unbefriedigend eingeschätzt wurde. DieZahl der überführten Jugendlichen in die HJbetrug 6.850 Jungen und Mädels aus 282 Ver-einen. Davon im:

Deutschem HJ Jungmädel- BdMJungvolk Bund3228 336 3119 167

Die Analyse verweist nach Aussage des Lan-desgruppenführers Krahl darauf, dass von den8282 Jungen bis 13 Jahre der Kleingärtner nur62 % dem Deutschem Jungvolk und von den8475 Mädels bis 14 Jahre nur 58 % demJungmädel-Bund im BdM angehörten. Nochviel unbefriedigender war die Mitgliedschaftder Jugendlichen über 14 Jahre in der HJ (beiden Jungen 30 % und bei den Mädel 28 %). DieSchulung zur Erziehung und zur Wehrertüch-tigung rückte immer mehr in den Vordergrund.1934 wurde die Anweisung zur Übergabe vonSpartenheimen an die Hitlerjugend erlassen.Bis Ende 1934 wurden 232 Spartenheime derHitlerjugend übergeben. /74/Eine Analyse zum Sachstand: „Gebt der Hitler-jugend Heime“ zeigte zum 31.12. 1934 folgen-den Arbeitsstand:

Stadtgruppe Bereitgestellte Belegte Heime für die HJ Heime für die HJBautzen 2 1Chemnitz 63 50Dresden 38 32Leipzig 63 62Zwickau 66 44Sachsen 232 189

Die nationalsozialistische Führung in Sachsenbezeichnete den 20. und 21. Oktober 1935 fürdie Entwicklung der Jugendpflege in den Klein-gärtnervereinen als äußert wichtig. Auf einergemeinsamen Tagung von Kleingärtnern undder Hitlerjugend in Sebnitz sollte eine neueGrundlage für die gemeinsame Arbeit gesuchtund gefunden werden. Den Einschätzungenwar zu entnehmen, dass man mit den bisheri-gen Ergebnissen unzufrieden war. In der Zeit-schrift „Garten und Kind“ wurde über die be-deutsame Tagung von Kleingärtnern und derHitlerjugend wie folgt berichtet: „Die Notwen-

digkeit dieser Maßnahme entsprang der Erwä-gung, dass die bisherigen Vereinbarungen ausder Überführungs- und Eingliederungszeitnicht mehr den Erfordernissen von heute ent-spricht, dass weiter aber auch gründliche Auf-klärung der Dienststellen der Hitlerjugend überihr Verhältnis zu uns Kleingärtnern und überunser Wesen und unsere Arbeit von Nöten war.Denn gerade in der Unkenntnis unserer Tätig-keit und unserer Ziele und im darin beruhen-den Nichtverstehen unseres jugendpflegeri-schen Tuns sind die Gründe zu suchen, dassdie bisherige Zusammenarbeit in vielen TeilenSachsens zu wünschen übrig ließ.“ /75/Mit dem „Gesetz der Hitlerjugend“ vom 1. De-zember 1936 wurde die Jugendorganisation derNSDAP zur Zentralen Organisation. „Das Ge-setz über die Hitlerjugend (HJ) machte dieParteijugend zur Staatsjugend.“ /76/ Die Auf-gaben der Hitlerjugend waren im § 2 des Ge-setzes festgelegt. Hier heißt es: „Die gesamtedeutsche Jugend ist außer im Elternhaus undder Schule in der Hitlerjugend körperlich, geis-tig und sittlich im Geiste des Nationalsozialis-mus zum Dienst am Volk und zur Volksgemein-schaft zu erziehen.“ Die „Dritte Durchfüh-rungsverordnung zum Gesetz über die Hitler-jugend“ erschien am 11. November 1939, alsdie deutschen Truppen in Polen eingedrungenwaren und die täglichen Nachrichten fast aus-schließlich aus Siegesmeldungen bestanden.„Von diesem Zeitpunkt an war es der Reichs-jugendführung möglich, konsequent dafür zusorgen, dass die ‚Jugenddienstpflicht‘, auch inden Kleingärtnervereinen, ordnungsgemäßabgeleistet wurde. Die Hitlerjugend durfte sichzunächst an der ‚Heimatfront‘ bewähren.“ /77/Familienabende und Schulungen der Klein-gärtner sollten der Erziehung zum Volkstum,zur Heimatliebe und zur Sicherung der „Er-zeugungs- und Ernährungsschlacht“ dienen.In einer Rede des Staatskommissars GustavBiechteler auf der 1. Führerringtagung desReichsbundes am 29. Oktober 1933 heißt es:„Der Reichsbund und seine sämtlichen Unter-organisationen können nur in enger Zusam-menarbeit mit der Parteiorganisation des Na-tionalsozialismus die Schulung von Berufenen

74 Eberhardt, H.: Zur Jugendpflegeim Jahr 1934, in: Garten undKind, 15. Jg. 1935, 3/38-39.

75 Bedeutsame Tagung der Hitler-jugend (Bericht), in: Gartenund Kind, 15. Jg. 1935, 11/12/165-169.

76 Vgl. Anm. 51, 81 ff.77 Ebda.

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207KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

durchführen lassen. … Es darf … keine Zu-sammenkunft stattfinden, ohne dass nichtauch der Nationalsozialismus, ohne dass nichtdie Weltanschauung und nicht ohne dass un-seres Führers gedacht wird.“ /78/Auf der Hauptversammlung und Vereinsführer-tagung der Landesleitung der Kleingärtner undKleinsiedler Sachsens im Reichsbund wurdevom Reichsbundführer Dr. Kammler 1934 fol-gende Aussage getroffen: „Aufgabe des Reichs-bundes ist es, den Gedanken der Verbunden-heit von Blut und Boden auch in die Kreise derKleingärtner und Kleinsiedler zu tragen. Da-bei kam es nicht darauf an, zu finanzieren undzu bauen, sondern die Arbeit hatte sich vor al-len zu erstrecken auf die Betreuung und Schu-lung jedes einzelnen Kleingärtners und Sied-lers und auf die Betreuung und Nutzung desLandes. … Der neue nationalsozialistische In-halt der Kleingartenbewegung erfordert vorallem den kulturellen Stein neu aufzuneh-men.“/79/ (Dokument 6)Die Durchführung von Familienabenden derKleingärtner als Erziehungswerk zur Zusam-menführung der Volksgemeinschaft wurde1934 durch den Reichsbund beschlossen. In derBegründung für diese Familienabende in denKleingartenvereinen heißt es: „Der National-sozialismus ist ein gewaltiges Erziehungswerk,

er will das Volk, das in Stände und Klassen zer-fallen war, zur Volksgemeinschaft zusammen-führen. Ein Gemeinschaftswerk unter der Lo-sung ‚Kraft und Freude‘ soll entstehen. ZurEinrichtung und Ausgestaltung der Familien-abende wird festgelegt, dass die Familienab-ende zu wertvollen Familienabendstunden, dieKraft durch Freude zu geben vermögen, aus-gestaltet werden. Im Mittelpunkt haben volks-tümliche Vorträge zu stehen. Sie haben in denVereinshäusern der Vereine stattzufinden.“ /80/Hauptschwerpunkt unter der Sicht des Natio-nalsozialismus war die „Erziehung der Klein-gärtnerfamilien zum Volkstum und zur Hei-matliebe.“Im Jahr 1934 führten in der LandesgruppeSachsen 557 Vereine Familienabende durch.

Stadtgruppe Vereine Anzahl der Vereine, die Fam. Abende durchführtenBautzen 32 18Dresden 227 136Chemnitz 180 80Zwickau 280 198Leipzig 237 125Sachsen 951 557

Berichtet wurde darüber, dass die Gesangs- undPuppenspielabteilungen der Vereine die Zu-sammenarbeit mit dem Heimat- und Volksbil-dungswerk pflegen.

78 Biechteler, G.: Der Kleingärtnerund Kleinsiedler Nr. 3/1933/34,9.

79 Hauptversammlung der Landes-gruppe Sachsen der Kleingärt-ner (Bericht), in: Garten undKind, 15. Jg. 1935, 6/ 83 f.

80 Krahl, „Die Familienabende derKleingärtnervereine“, in: Gartenund Kind, 14. Jg. 1934, 2/19 f.

Ansprache des Vereinsführers GerhardRichter und „Sieg Heil Rufe“ zurMorgenfeier

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208 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

In Sachsen gab es 1934 85 Männerchöre, sie-ben gemischte Chöre und 2 Frauenchöre, mitinsgesamt 2466 aktiven Sängern und 556 för-dernden Mitgliedern in den Kleingärtnerverei-nen.1936 wurde der Leipziger Gerhard Richter alsLandesorganisationsleiter für die Volkstums-pflege eingesetzt. Immer mehr wurde die Volks-tumspflege für die Umsetzung der Ziele zurErzeugungsschlacht genutzt.Die nationalsozialistische Führung beschlossbereits im Jahr 1933 ein fachliches Beratungs-schulsystem für die Kleingärtner.Die Führung des Reichsbundes wusste, dassman hohe Erträge in den Gärten nur durcheine qualifizierte Fachberatung der Kleingärt-ner erreichen konnte. Der Reichsbund gab den

Kleingärtnern genaue Instruktionen, was amvorteilhaftesten im Garten anzubauen sei, umhohe Erträge zu erzielen. Diesbezüglich wur-den zur Anschauung und Vermittlung Filme,Wandtafeln, Schulungskommentare und Bro-schüren den Verbänden und Vereinen bereit-gestellt. Ab dem Jahr 1934 wurde durch denReichsbund die fachlichen Schulungspro-gramme „Die deutschen Kleingärtner in derErzeugungsschlacht“, herausgegeben. Die im„Fachlichen Schulungsapparat der Lande-gruppe Sachsen“ ausgebildeten Schulungs-leiter führten in den Jahren– 1935: 4.844 Schulungsabende mit 37. 646

Teilnehmern,– 1937: 2.128 Schulungsabende mit 40.000

Teilnehmern und– 1938: 1.141 Schulungsabende mit ca.

50.000 Teilnehmerndurch.Der Hauptschulungsleiter, Dr. Schilling, ver-weist darauf, dass die vorhandene Zahl derSchulungsfachkräfte für die Durchführung ei-ner ordnungsgemäßen Schulung nicht aus-reicht. /81/Immer wieder wurden den Kleingärtnern inden Schulungsveranstaltungen genaue In-struktionen zum vorteilhaften Anbau im Gar-ten zur Erreichung von hohen Erträgen gege-ben. Geht man davon aus, dass in Sachsen93.000 Kleingärtner die Parzellen bewirtschaf-ten, so reichte diese Teilnahme aus national-sozialistischer Sicht nicht aus. Das führte auchdazu, dass in den Satzungen der Vereine ent-sprechende Änderungen zur Sicherung einerhöheren Teilnahme angeordnet wurden. In denSatzungsergänzungspunkten heißt es im: § 3Absatz 5: „Jedes Mitglied ist verpflichtet, an denangeordneten fachlichen Schulungsabendenund sonstigen Pflichtveranstaltungen des Ver-eins teilzunehmen“ und im § 4 Absatz 6: „Beimehr als 3 x unentschuldigtem Fehlen an denfachlichen Schulungsabenden und sonstigenPflichtveranstaltungen erlischt die Mitglied-schaft.“ /82/Durch die Landesleitung wurde immer wiederdarauf verwiesen, dass neben der fachlichenund politischen Schulung die Vereinsführer das

81 Schilling, Kurt: GartenbaulicheSchulung der Kleingärtner undKleinsiedler, in: Garten undKind, 15. Jg. 1935, 4/52 f.

82 Änderungsantrag des Landes-bundes zur Satzung.

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209KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Augenmerk darauf zu richten haben, dass dieKleingartenanlagen so aussehen, wie es demnationalsozialistischen Geist entspricht. Ver-stärkte Frauenschulungen und Frauenfach-beratungslehrgänge wurden ab 1937 angeord-net. Durch die Reichsregierung und den Reichs-bund der Kleingärtner und Kleinsiedler wurdevom 05. bis 07 November 1937 zur Verbesse-rung der Schulungsarbeit eine Beratung mitden Landesgruppenfachberatern der Länderdurchgeführt. Mit Kriegsausbruch 1939 wurdedie Fachberatung als Aufgabe in der innerenFront im Zusammenwirken mit den Garten-warten durchgeführt. Die Schulung wurdedurch den Reichsbund auf die „Kriegsbedin-gungen“ umgestellt. /83/ Sie war ausgerichtetauf die „verstärkte Nutzung der Garten- undGrünflächen und den verstärkten Kampf ge-gen den Verderb von Obst und Gemüse.“Gleichzeitig wurden im Rundfunk sonntägli-che Sendungen unter dem Thema: „Der Klein-gärtner hilft mit“ ausgestrahlt. /84/1941/1942 gab es im Landesbund Sachsen 65Fachberaterinnen, die 641 Lehrgänge mit23.714 Teilnehmerinnen bestritten. Auf einerArbeitstagung 1941 mit den Landesbund-fachberaterinnen in der „Staatlichen Versor-gungs- und Forschungsanstalt in Pillnitz“ zu„Fragen der Gemüse- und Obstverwertung“wurde der zunehmende Beitrag der Kleingar-tenfrauen zur Sicherung der Ernährung bera-ten. Zur verstärkten Kleintierhaltung wurde am10. Mai 1944 eine Verordnung zur umfassen-den Kleintierhaltung in den Kleingärten erlas-sen.Familienabende und die Schulungsveran-staltungen im Geiste des Nationalsozialismuswaren Pflichtveranstaltungen. In Dokumen-ten der Landesführung Sachsens, auf der„Hauptversammlung und Vereinsführertagung1934“ wurde zum Ausdruck gebracht „dass derStaat es nicht mehr dulden wird, dass die Klein-gärtner von den großen Zielen des Reichs-bundes nichts wissen, dass sie abseits stehen,nicht betreut und nicht geschult werden. DerTag ist nicht mehr fern, dass jedes Mitglied derArbeitsfront, der Kleingärtner ist, Mitglied desReichsbundes sein muss. Kleingärtner müssen

dazu erzogen werden, Pioniere des Reichsnähr-standes zu sein. Neben der Schulung muss derVereinsführer aber das Augenmerk darauf rich-ten, dass die Kleingartenanlagen so aussehen,wie es dem nationalsozialistischen Geist ent-spricht.“ /85/Auf der außerordentlichen Tagung der Landes-gruppe mit den Kleingartenvereinsführern ausdem Bezirk der Kreishauptmannschaft Zwickauwurde die Kritik noch erhärtet. Im Bericht heißtes: „In der Kleingartenbewegung der Kreishaupt-mannschaft Zwickau zeigt sich die Tendenz,dass der nationalsozialistische Aufbaugedankenoch lange nicht zum Allgemeingut jedes ein-zelnen Kleingärtners geworden ist.“ /86/In einem Rundschreiben Nr. 4 des Landes-bundes vom November 1940 wurde durch den

83 Der „Deutscher Garten“ Nr.18vom 27.09.1936

84 Der „Deutscher Garten“ Nr. 21vom 12.11.39

85 Steinhaus, H., „Die Arbeiten derKleingartenorganisation imKrieg“, Seite 6

86 Krahl: Der Landesgruppen-führer spricht auf der außeror-dentlichen Tagung der Landes-gruppe mit den Kleingärtner-führern und Schatzmeistern ausdem Bezirk der Kreishaupt-mannschaft Zwickau, in: Gartenund Kind, 15. Jg. 1935, 2/17-19.

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210 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Landesgruppenführer Pg. Hamel festgelegt,„dass die Vereinsleiter und Gartenwarte dafürverantwortlich sind, dass alle Gärten zur Jeder-zeit bewirtschaftet werden. … Mitglieder, diediese Pflicht nicht erfüllen. sind der Kreisgrup-pe zu melden“.Immer wieder wurde dargelegt, dass die Schu-lungen im nationalsozialistischen Sinne

durchzuführen sind. Sie haben den Zweck, je-den deutschen Kleingärtner nicht nur zu sei-ner Scholle zu erziehen, sondern ihm auch dieErkenntnis beizubringen, wie er durch seineKleingartenarbeit der gesamten deutschenWirtschaft dient. Größere und höhere Pflich-ten für die Sicherung der Ernährung wurdengestellt.

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211KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Kleingärtner im Spannungsfeldvon Verblendung, Anpassung,Angst und Widersetzlichkeit

Das NS- Regime war eine terroristische – dasheißt Angst und Schrecken verbreitende – Dik-tatur, die bei der Unterdrückung seiner ver-meintlichen Feinde keine Grenzen kannte. VonBeginn der nationalsozialistischen Herrschaftan waren alle Bestrebungen des NS-Regimesdarauf gerichtet, jede politische und geistigeOpposition zu bekämpfen und jedweden Wider-stand mit allen Mitteln bis hin zur Menschen-vernichtung zu beseitigen.Das gezielte Vorgehen der Führer des National-sozialismus im Zeichen der „Blut- und Boden-ideologie“ war für die Kleingartenpolitik ein„Programm zur allseitigen Militarisierung derSparten.“ Die innere und äußere Gleichschal-tung war verbunden mit der Rassenideologie.Die Reden auf den Reichskleingartentagen inNürnberg, Chemnitz, Braunschweig und Wiensowie die Vielzahl von Werbeveranstaltungender Landesgruppe Sachsen der Kleingärtner,wie am 15. Juli 1934 in Dresden, an der 170.000Männer, Frauen und Jugendliche teilnahmen,sollten ein Hochgefühl eines vermeintlichenNeubeginns in einer „nationalen Revolution“vermitteln. Der Selbstruhm, mit dem dieNSDAP die eigene Rasse erhöhte, um allenanderen in den Schmutz zu treten, war empö-rend. Die Juden waren für die deutschen Her-renmenschen jetzt Freiwild. Die begonnene Ju-denpolitik der Nazis endete in einer planmä-ßigen Vernichtungsaktion. In den Kleingärt-nervereinen erfolgte die Mobilisierung der Fa-milien und der Jugend für die wahnsinnige na-tionalsozialistische Politik mit der Hinführungin die Kriegs- und Vernichtungspolitik.Das Schlimmste war, dass die Deutschen ab-stumpften, dass sie bei Schikanen, die sichselbst in ihrer Nähe ereigneten, einfach weg-schauten oder davon nichts wissen wollten. Wieheißt es doch in einer Vielzahl der Chronikenzur Geschichte des Kleingartenwesens in die-ser Zeit: „Es konnte höchstens darüber geflüs-tert werden.“ Oder, wie heißt es in der Ge-schichtsinterpretation: „Der NS-Staat“: „…

Sei still, sonst kommst du nach Dachau.“ /87/Oft gehörte Sätze, aus denen allgegenwärtigeAngst und Vorsicht herauszuhören waren.Das Ende der Naziherrschaft war 1945 gekenn-zeichnet von Straßenkämpfen, Vertriebenen,Flüchtlingen, versprengten Soldaten undTrümmervierteln, darunter auch viele Klein-gartenanlagen und Lauben, die durch dieBombenangriffe nicht verschont gebliebenwaren.Es war eine Zeit der Ungewissheit, der Ratlo-sigkeit, der Verzweifelung, des Hoffens, desAufatmens und des Nachdenkens.

87 Kershaw, Ian: Der NS-Staat, Ver-lag Rowohlt, 2. Auflage, 2002,314.

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212 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

„Das ‚Dritte Reich‘, insbesondere das Ver-mächtnis des ‚Holocaust‘, wird natürlich wei-terhin im öffentlichen Moralbewusstsein eineRolle spielen und tiefe Emotionen bei den Men-schen wachrufen. „Die nationalsozialistischeVergangenheit weckt bei denen, die sich mit ihrbefassen müssen, eine leidenschaftliche mora-lische Empörung.“/88/In der Rede des Bundespräsidenten vor demDeutschen Bundestag am 26. Januar 2001heißt es: „Das Bild, das wir uns von der Ver-gangenheit machen, bestimmt unsere politi-

sche Gegenwart. Geschichtsbilder haben Wir-kungsmacht für die Interpretation der Gegen-wart und für die Gestaltung der Zukunft. Beiuns in Deutschland gilt das besonders für dieGeschichte des Dritten Reiches. Wir erinnernuns an diese Zeit vor allem anderen der Opferwegen, erinnern uns an die Vergangenheitauch mit dem Blick auf die Zukunft. Wir ver-gewissern uns damit unserer Grundwerte, undwir bekräftigen, dass wir an ihnen festhaltenwollen.“ /89/

88 Ebda., 403.89 Rau, Johannes: Rede vom 26. Ja-

nuar 2001, in: Das ParlamentNr. 6/7 vom 9. Februar 2001.

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213KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Zeittafel

Adolf Hitler der Führer der NSDAP wird vonReichspräsident von Hindenburg mit der Regie-rungsbildung beauftragt.Ende der parlamentarischen Demokratie inDeutschland – Vereidigung Adolf Hitler zumReichskanzler.

Erlass der „Verordnung des Reichspräsidentenzum Schutze des deutschen Volkes“. Die Kritikan der Regierung kann bestraft werden.Versammlungs- und Pressefreiheit werden ver-fügt.

Reichsregierung erlässt auf der Grundlage Arti-kel 48 der Verfassung die „Verordnung zumSchutz von Volk und Staat“ und die „Verordnunggegen Verrat am deutschem Volk und hochverräte-rische Umtriebe.“Auf der Grundlage des Artikels 48 der WeimarerVerfassung werden die Artikel 114, 115, 117, 118,123 und 153 außer Kraft gesetzt. Damit sind Be-schränkungen der persönlichen Freiheit, derPressefreiheit, des Vereins- und Versammlungs-rechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegrafen-und Fernmeldegeheimnis u. a. gestattet.

Mit 444 gegen 94 Stimmen nimmt der Reichstagdas sog. „Ermächtigungsgesetz“an und auf des-sen Grundlage erlässt die Reichsregierung einvorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Län-der mit dem „Deutschen Reich“.

Die NSDAP organisiert in ganz Deutschland den„Judenboykott“. Unter der Losung „Kampf gegendas Judentum“ wird die Bevölkerung aufgefor-dert, nicht in jüdischen Geschäften zu kaufen,jüdische Ärzte und Rechtsanwälte nicht aufzu-suchen und eine antijüdische Gesinnung zu de-monstrieren.

Erklärung des Vorstandes des Reichsverbandes derKleingartenvereine Deutschlands zur Anpassungan die nationalsozialistische Herrschaft und zurLösung der gestellten Aufgaben. In der Erklärungwird gefordert: „… unter der Regierung des na-

1933

30. Januar

4. Februar

28. Februar

24. März

1. April

2. April

ZEITTAFEL

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214 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

tionalen Aufbaus … an der Lösung der ihm ge-stellten staatserhaltenden Aufgaben weiterzuar-beiten und durch seine satzungsmäßigen Pflich-ten dem Volke und dem Vaterland zu dienen“.Ganz in diesem Sinne spricht der GesamtvorstandAnfang Mai die „dringende“ Empfehlung aus, inallen Kolonien die Hakenkreuzfahne zu hissen.

Gleichschaltung des Landesverbandes, der Kreis-und Stadtverbände und der dem Verband ange-schlossenen Vereine in Sachsen.

Rücktritt der Leitung des Landesverbandes Sach-sen der „Schreber- und Gartenvereine“ e. V.

Der Sächsische Landtag beschließt auf seinerzweiten Sitzung das „Ermächtigungsgesetz“ fürden Freistaat Sachsen.

Die Durchführungsbestimmungen zur Umfor-mierung der sächsischen Schreberjugend werdenbeschlossen.

9. Reichskleingärtnertag in Nürnberg. Auf An-ordnung der Reichsleitung der NSDAP, Amt fürAgrarpolitik, wird am 29. Juli der Reichsbund der„Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands“e. V. gegründet. Die demokratischen Strukturendes deutschen Kleingartenwesens sind somit be-seitigt.

„Satzung der Stadtgruppen … der Kleingärtnere. V. und der Landesgruppe Sachsen im Reichs-bund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutsch-lands“ e. V. werden in den KleingärtnervereinenSachsens beschlossen.

Mit der Ernennung des Landesgruppenführerswird die Landesgruppe Sachsen der Kleingärtneräußerlich gleichgeschaltet. Die sächsische Schre-berjugend wird dem „Sozialen Amt Abteilung 3“der Hitlerjugend unterstellt.Die Landesgruppe Sachsen der Kleingärtner be-schließt den Neuaufbau des Verbandes und dieerforderlichen Satzungsänderungen.

Mit dem „Reichserbhofgesetz“ soll die Einheitvon Blut und Boden wieder hergestellt werden.

6. Mai

20. Mai

27. Mai

21. Juli

28. bis 31. Juli

1. September

10. September

29. September

ZEITTAFEL

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215KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Erlass der „Verordnung über den vorläufigen Auf-bau des Reichsnährstandes.“ Er untersteht demReichsbauernführer, der zugleich Reichs- undpreußischer Minister für Ernährung und Land-wirtschaft war. Er wird vom Reichskanzler AdolfHitler ernannt. Der Reichsbund der Kleingärtnerund Kleinsiedler ist dem Reichsnährstand koope-rativ angegliedert.

Beschluss zur Durchführung der Familienabendezur Erziehung zum „Volkstum und zur Heimat-liebe“ durch den Reichsbund erlassen. Einglie-derung der Schreberjugend in die Hitlerjugend.

Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vollen-det die „Gleichschaltung der Länder mit demReich“.

Auflösung der Bezirksgruppen und Bildung vonAbteilungen bei den „Stadtgruppen … imReichsbund der Kleingärtner und KleinsiedlerDeutschlands“ e. V.

Aufruf zum Wettbewerb zur „Schönheit der Klein-gartenanlagen“ durch die Landesgruppe in Ver-bindung mit dem Landesverein „SächsischerHeimatschutz.“

Der Werbetag der sächsischen Kleingärtner undKleinsiedler wird in Dresden durchgeführt.

Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Die100.000-Mann-Heere werden durch eine modernbewaffnete Armee in einer Friedensstärke von ca.500.000 Mann abgelöst. Bis 1939 wächst sie aufzwei Millionen an.

Namensänderung der „Landesgruppe Sachsender Kleingärtner und Kleinsiedler e. V. im Reichs-bund der Kleingärtner und Kleinsiedler“ e. V. in„Landesbund Sachsen der Kleingärtner undKleinsiedler e. V. im Reichsbund der Kleingärtnerund Kleinsiedler“ e. V.

8. Dezember

1934

1. Januar

30. Januar

15. Februar

1. Mai

15. Juli

1935

16. März

10. Mai

ZEITTAFEL

Morgenfeier zum Kinderfest zum 70-jähriges Jubiläum des Schre-bervereins der Westvorstadt (heute KGV „Dr. Schreber“ e.V.) am 8.7.1934,Gerhard Richter am Rednerpult

Gartenlaube um 1935

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216 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Mit den Ergänzungen zum Gesetz der „Kleingar-ten- und Kleinpachtlandordnung“ wird das dau-erhafte Wohnen in den Lauben verboten. Einbefristetes Bleiberecht wird jenen eingeräumt, dieschon vor dem 1. April 1935 in einer Laube wohn-ten und wirtschaftlich nicht in der Lage waren,sich eine andere Unterkunft zu beschaffen.

Der 2. Reichskleingärtner- und Kleinsiedlertag,in Braunschweig stellt die ernährungs- und be-völkerungspolitische Bedeutung der deutschenKleingärtner- und Kleinsiedlerbewegung in denMittelpunkt. Reichsbundleiter Hans Kammlerführt aus, dass die deutsche Kleingärtner- undKleinsiedlerbewegung in der Ernährungsschlachteinbezogen sei.

Der Nürnberger Reichsparteitag beschließt das„Flaggengesetz“, das „Reichsbürgergesetz“ unddas „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes undder deutschen Ehre“ (Nürnberger Gesetze). Da-mit werden die juristischen Grundlagen für dievon der NSDAP propagierte „Endlösung der Ju-denfrage“ geschaffen. Das „Reichsbürgergesetz“besagt, dass deutsche Reichsbürger nur seinkann, wer „deutschen oder artverwandten Blu-tes“ ist.

Die staatliche anerkannte Landesstelle für dasKleingartenwesen wird durch das sächsischeWirtschaftsministerium aufgelöst.

Verordnung des Reichsbundes zum „Anschlussaller Kleingartenvereine“ an den Landesbundwird beschlossen.

Erlass zum „Kündigungsschutz von Kleingarten-land“ wird durch die Führung des Reichsbundesder Kleingärtner und Kleinsiedler erwirkt.

Die Erste Reichsgartenschau findet in Dresdenstatt.

Der Sächsische Kleingärtnertag wird in Dresdendurchgeführt.

26. Juni

26. bis 28. Juli

15. September

1. Oktober

1936

27. Januar

4. März

24. April bis11. Oktober

30. August

ZEITTAFEL

Reichsgartenschau 1936 in Dresden

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217KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Der 8. Reichsparteitag der NSDAP in Nürnbergsteht im Zeichen des Kampfes gegen den „Jüdi-schen Bolschewismus“.Auf dem Parteitag der NSDAP in Nürnberg ver-kündet Adolf Hitler den Vierjahrplan. Deutsch-land soll auf den Gebieten der Rohstoffe undNahrungsmittel von Importen unabhängig ge-macht werden. Unter der Losung „Kanonen stattButter“ soll der Verbrauch von Lebens- undGenussmitteln aus dem Ausland eingeschränktwerden.

Mit dem Gesetz über die Hitlerjugend (HJ) wirddie Jugendorganisation der NSDAP zur zentralenOrganisation der „körperlich-geistigen und sitt-lichen Erziehung der Jugend“. Damit wird dieHitlerjugend zur Staatsjugend.

Der Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedlerwird an den Reichsnährstand angegliedert.

Der 3. Reichskleingärtnertag findet in Chemnitzstatt. Wilhelm Gisbertz, Ministerialrat im Reichs-arbeitsministerium, prangert an, dass es zwar ge-setzliche Bestimmungen gäbe, die die Kleingärt-ner vor Kündigungen schützen sollen, aber trotz-dem müssen die Kleingärtner befürchten, jeder-zeit ihren Garten zu verlieren.Der Reichsbund ruft zu einem Wettbewerb umden „Goldenen Spaten“ auf, durch den die Städ-te und Gemeinden angeregt werden, Dauer-kleingärten zu schaffen. Der Wanderpreis wirdvon der Zeitschrift „Grüne Post“ gestiftet. Er wur-de 1937 an Chemnitz verliehen.

Der „Reichsbund der Kleingärtner und Klein-siedler e. V.“ wird in „Reichsbund DeutscherKleingärtner“ e. V. umbenannt. Durch die Reichs-regierung werden die Ziele zur Neugestaltung desKleingartenwesens heraus gegeben.

Die Bestimmungen über die „Förderung vonKleingärten“ (Bereitstellung von Fördermittelzum Ankauf von Neuland und für die Verbesse-rung der alten Anlagen) werden erlassen.

8. bis 14. September

1. Dezember

3. Dezember

1937

24. bis 27. Juli

1938

24. Januar

22. März

ZEITTAFEL

Reichsbundführer Stadtrat Hans Kaiser begrüßt die Ehrengäste auf dem3. Reichskleingärtnertag 1937 in Chemnitz

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218 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Die Satzung des „Landesbundes Sachsen derKleingärtner“ e. V. im Reichsbund Deutscher Klein-gärtner“ e. V., Sitz Dresden, wird beschlossen.

Todestag des früheren Reichsverbandsvorsitzen-den der Kleingartenvereine Deutschlands, Rek-tor i. R. Heinrich Förster.

Mit dem Erlass der „Verordnung über den Kün-digungsschutz von Kleingärten“ können Pacht-verträge über kleingärtnerisch genutztes Landvom Verpächter nicht gekündigt werden.

Reichskristallnacht: SA-Trupps und Mitgliederder NSDAP zünden überall in Deutschland Syn-agogen an, zerstören und plünderen jüdische Ge-schäfte und Gemeindehäuser, verhöhnen, miss-handeln und ermorden Juden.

Beschluss weiterer antisemitischer Maßnahmenzur Kennzeichnung und Isolierung der jüdischenBevölkerung.

Umbenennung der Stadtgruppen der Kleingärt-ner in Kreisgruppen der Kleingärtner e. V.

Der 4. Reichskleingärtnertag in Wien steht ganzim Zeichen der erzwungenen Vereinigung Öster-reichs mit dem Deutschen Reich und wird vonden unmittelbaren Kriegsvorbereitungen über-schattet.

Großkundgebung der deutschen Kleingärtner inWien.

Einführung einer Bezugsscheinpflicht für den le-benswichtigen Bedarf an Lebensmitteln, Textili-en und Kohle. Butter wurde bereits seit Herbst1936 rationiert.

Mit dem Überfall auf Polen beginnt der ZweiteWeltkrieg. In Deutschland gibt es verstärkte Mas-senverhaftungen.

Die Regierung erlässt das Sofortprogramm fürdie Neueinrichtung von 50.000 Dauerkleingärten.

14. bis 29. Juli

10. August

27. September

9. bis 11. November

12. November

1939

1. Januar

28. Juni bis 2. Juli

2. Juli

27. August

1. September

11. Oktober

ZEITTAFEL

Ministerialrat Gisbertz

Ministerialrat Dr. Kummer

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219KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Erlass der Reichswirtschaftskammer zur Förde-rung des Kleingartenwesens.

Der „Landesbund Sachsen der Kleingärtner“ e. V.beschließt den Jahresplan 1940 für die „Notzeit“.Die Fachberatung wird auf die Kriegsbedingun-gen umgestellt. Es wird auf „verstärkte Nutzungder Gartenfläche, verstärkter Kampf dem Verderbund auf stärkere Kleintierhaltung“ orientiert.

Rudolf Hess imitiert die „Brach- und Grabeland-aktion“, die in den „Kriegsgemüselandmaßnah-men“ des 1. Weltkrieges ihr Vorbild hat. In Klein-gartenanlagen werden auf Spielplätzen und Blu-menbeeten Gemüse und Kartoffeln angebaut.

Der Landesbund Sachsen im Reichsbund Deut-scher Kleingärtner und die Vereine in den Kreis-gruppen der Kleingärtner beschließen neue Sat-zungen.

Der „Prießnitz-Bund“ e. V. wird in der Reichs-arbeitsgemeinschaft der Verbände für naturgemä-ße Lebens- und Heilweise e. V. (RAdV), Sitz Mün-chen, eingegliedert.(Der Bund gliedert sich inOrtsvereine, Bezirke und Bundesgruppen)

Auf Anordnung des ReichsgesundheitsführersConti erfolgt die Überführung der Verbände desRAdV in den Verband des „Deutschen Volks-gesundheitsbundes“ (DVB) e. V. (Die Organisati-on gliedert sich nach der Struktur der NSDAP inOrtsgemeinschaften (Ortsvereine), Kreise undGauen)

Die Deportation jüdischer Bürger Deutschlandsin die Vernichtungslager beginnt.

Auf der so genannten „Wannsee-Konferenz“ wirddie Ermordung von elf Millionen jüdischen Bür-gern aus 27 europäischen Staaten beschlossen.Die Beschlüsse leiten die Massenvernichtung ein,der innerhalb von drei Jahren ca. sechs Millio-nen Juden zum Opfer fallen.

23. Dezember

1940

10. Januar

21. März

20. Mai

9. September

1941

24. bis 25. September

14. Oktober

1942

20. Januar

ZEITTAFEL

Im Auftrag des Reichsbundes der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutsch-lands e.V. 1936 erschienen

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220 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Die Zeitschrift „Garten und Kind“ stellt ihr Er-scheinen ein. Dafür erscheint: „Der Kleingärtnerim Krieg“.

Robert Ley, Reichskommissar für den sozialenWohnungsbau, schafft das „Deutsche Wohnhilfs-werk für Luftkriegsbetroffene“. Infolge der alli-ierten Bombenangriffe auf der Bevölkerung wer-den bestehende Kleingartenlauben und Vereins-heime „für den ganzjährigen Gebrauch“ herge-richtet und auf unbebauten Flächen reichs-einheitliche Behelfsheime geschaffen.

Die Verordnung Nr. 2141/4/44 der Reichswoh-nungskommission „Garten- und Behelfsheime“wird erlassen.

Reichsbund erlässt „Verordnung zur Kleintier-haltung in Kleingärten“.

Unter den Deckmantel „Nutzbarmachung vonZeitreserven“ werden die Aufgaben des Klein-gartenwesens „neu“ festgelegt.

Erlass der „Verordnung zum Kündigungsschutzund anderer kleingartenrechtliche Vorschriften.“Pachtverträge über kleingärtnerisch genutztesLand dürfen vom Verpächter nicht mehr gekün-digt werden. Ausnahmen sind nur im Interessedes „Gemeinwohls“ oder im Zusammenhang mitder „Reichsverteidigung“ möglich. Daneben gel-ten nur Gründe, die der Pächter selbst verursacht,z. B. Zahlungsrückstände bei der Pacht.

Das Deutsche Wohnungshilfswerk arbeitet mitdem Reichsbund Deutscher Kleingärten und demDeutschen Siedlerbund zusammen.

Bedingungslose Kapitulation der deutschenWehrmacht in Berlin-Karlshorst. Ende des Krie-ges in Europa.

1943

1. April

9. Serptember

1944

8. März

10. Mai

1. September

15. Dezember

20. Dezember

1945

8. Mai

ZEITTAFEL

Werbung für das Winterhilfswerk

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221KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Dokument 1

Einheitliche Satzungen der LandesgruppeSachsen für die Kleingärtnervereine ab 1933

(Auszug)

§ 1Name und Sitz

Der auf Blatt … in das Vereinsregister des Amtsgerichts …eingetragener Verein führt den Namen „Kleingärtnerverein…“Er hat seinen Sitz in …Er ist Mitglied der Stadtgruppe … der Kleingärtner e. V. undder Landesgruppe Sachsen im Reichsbund der Kleingärtnerund Kleinsiedler Deutschlands e. V.

§ 2Zweck

Der Verein arbeitet gemeinnützig im Sinne der Kleingarten-und Kleinpachtlandordnung vom 31.7.1919 und hat die Auf-gaben:(a)die Nutzung des Kleingartenlandes im Sinne der Verbun-

denheit von Blut und Boden als Grundlage für Staat undVolk zu gewährleisten,

(b)das Kleingartenwesen nach den Anweisungen des Reichs-bundes und seiner Organe nach dem Grundsatz „Ge-meinnutz geht vor Eigennutz“ zu entwickeln und dieSelbstverwaltung seines Kleingartenlandes zu fördern,

(c) den Anbau und die Vertiefung der Kinder- und Jugend-pflege im Sinne Dr. Schrebers nach den Anweisungen desReichsbundes

(d)und des Reichsjugendführers zu fördern,(e) gesunde Volkserziehung und verbundenes Familienleben

aller Kleingärtnerfamilien im Verein zu tätigen, denKleingartenbau,

(f) besonders den Obstbau zu pflegen und seine Mitgliederzu fachkundigen Siedlern heranzubilden.

§ 3Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft ist persönlich. Sie kann von jeder ge-schäftsfähigen Person erworben werden. […] Mitglied kannnur werden, wer Reichsdeutscher arischer Abstammung ist.Die Anmeldung zur Mitgliedschaft muss schriftlich erfolgen.Über die Aufnahme entscheidet der Führer des Vereins. DerBescheid über die Aufnahme ist schriftlich zu erteilen. DieGründe einer etwaigen Ablehnung brauchen nicht angege-ben werden.

Gärten der Vereinsanlage dürfen nur an Vereinsmitglieder undnur zum Zwecke der nichtgewerbsmäßigen Nutzung abgege-ben werden.Jedes Mitglied erkennt die Satzung, die allgemeinen Vorschrif-ten zur Gartenbewirtschaftung und die Gartenordnung durchseine Anmeldung als rechtsverbindlich an. Im Übrigen ist dasMitglied verpflichtet, fällige Beiträge pünktlich zu entrich-ten, die Anordnung der Vereinsführer zu befolgen und dasVereinsleben zu fördern. Bleibt ein Mitglied mit seinem Bei-trag länger als zwei Monate im Rückstand, so ruhen von die-sem Zeitpunkte an alle seine Rechte an den Verein.

§ 4Die Mitgliedschaft erlischt

Durch freiwilligen Austritt.Durch Tod.Durch Ausschluss, der durch den Führer verfügt werden kann,wenn das Mitglied gegen die Satzung, den Zweck und dieBestrebungen des Vereins verstößt, oder den Verein oder sei-nen Führer in Wort und Tat am Rufe und Ansehen schädigt.Der Ausschluss ist dem Mitglied durch eingeschriebenen Briefmitzuteilen.Durch Verlust der Geschäftsfähigkeit. (Der Verein kann indiesem Falle auf Antrag die Mitgliedschaft auf ein volljähri-ges Mitglied übertragen.)Durch Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. […] Mitder Beendigung der Mitgliedschaft erlöschen sämtlicheRechtsansprüche des Mitgliedes an den Verein.

§ 5Führung und Verwaltung

An der Spitze des Vereins steht der Vereinsführer. Er ist allei-niger Vorstand im Sinne des § 26 des Bürgerlichen Gesetzbu-ches und wird vom Führer der Stadtgruppe der Kleingärtnerauf unbestimmte Zeit berufen, der dem Verein als Mitgliedangehört. Ein mehrgliedriger Vorstand besteht nicht.Die Mitgliederversammlung ist vom Führer unter Angabe derTagesordnung zu berufen und zwar durch Bekanntgabe inden Aushängekästen der Gartenanlagen des Vereins und durchBekanntgabe in der Fachzeitschrift „Garten und Kind“. […]Über die in der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsseist eine Niederschrift anzufertigen, die vom Führer undSchriftführer zu unterzeichnen ist.

§ 6Rechtsschutz

Die Erteilung von Rechtsauskunft und die Gewährung vonRechtsschutz ist Aufgabe des Kleingärtnervereins. In Rechts-

DOKUMENTE

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222 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

fragen allgemeiner Bedeutung wird die Stadtgruppe Rechts-beratung und Rechtschutz nach den Richtlinien des Führersgewähren.

§ 7Schlussbestimmungen

Der Verein kann durch Beschluss der Mitgliederversammlungaufgelöst werden, wenn dreiviertel der erschienenen Mitglie-der dafür stimmen.Erfolgt die Auflösung des Vereins, so bestimmt der jeweiligeFührer der zuständigen Stadtgruppe im Einvernehmen mitdem Führer des Vereins über die Verwendung des Vereins-vermögens, das nur gemeinnützigen – insbesondere klein-gärtnerischen Zwecken zugeführt werden kann. In erster Li-nie ist es der Stadtgruppe … der Kleingärtner e.V. bezieh-endlich der Landesgruppe Sachsen e. V. zuzuführen.

§ 8Der Vereinsführer ist ermächtigt, die vom Registergericht er-forderten Einschränkungen oder Ergänzungen dieser Sat-zung nach Bestätigung durch den Landesgruppenführer selb-ständig vorzunehmen.

Dokument 2

Satzung des Landesbundes Sachsender Kleingärtner e.V. im Reichsbund Deutscher

Kleingärtner e.V., Sitz Dresden von 1938(Auszug)

§ 1 Name und Sitz(1)Der „Landesbund Sachsen der Kleingärtner“ ist eine Glie-

derung des Reichsbundes Deutscher Kleingärtner e. V.,Berlin. Er ist ein eingetragener Verein und hat seinen Sitzin Dresden.

(2)Der Landesbund ist von der Landesregierung für sämtli-che in § 3 angeführten Gliederungen als Revisions-verband anerkannt. Er ist ferner von der Landesregierungals gemeinnütziges Unternehmen im Sinne des § 5 Klein-gartenordnung (KGO) anerkannt.

§ 2 Zweck und Aufgabe(1)Der Landesbund erstrebt im engsten Zusammenwirken

mit der Partei, den staatlichen Verwaltungsbehörden und

den Gemeindeverwaltungen, dem Reichsnährstand, sowiesonstigen Organisationen das Kleingartenwesen in jederWeise zu fördern, sowie die Kleingärtner des Landes Sach-sen, vornehmlich die Mitglieder ihrer Gliederungen zuberaten und zu betreuen. Der Landesbund dient aus-schließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, imbesondern arbeitet er gemeinnützig im Sinne des Klein-gartenrechts.

(2)Der Landesbund hat im besondern die Aufgabe:• den Gedanken der Kleingartenbewegung und die Erkennt-

nis ihrer sozialpolitischen Bedeutung durch Werbung inWort und Schrift zu vertreten und zu fördern,

• dafür einzutreten, dass das für Kleingärten erforderlicheGelände bereitgestellt wird und nach Möglichkeit Dauer-kleingartenanlagen geschaffen werden. Dabei ist das Zielzu verfolgen, einerseits von vornherein durch entsprechen-de Städteplanung den Bewohnern von Miethäusern imgroßen Umfange die Bewirtschaftung von Kleingärten zuermöglichen, anderseits für eine im Rahmen des Stadt-bildes befriedigende Ausgestaltung der Kleingartenan-lagen Sorge zu tragen,

• die Kleingartenfamilien zu lehren, das Land ordnungs-gemäß zu nutzen, damit auch sie die Nahrungsfreiheitdes deutschen Volkes erkämpfen helfen,

• in den Kreisen der Kleingärtner deutsches Volkstum undBrauchtum zu hegen, sowie die Verbindung mit demReichsverband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine imReichsbund für Leibesübungen eine planmäßige Leibes-übung zu betreiben.

(3)Als örtliche Gliederung des Reichsbundes Deutscher Klein-gärtner wird der Landesbund in enger Zusammenarbeitmit den parteiamtlichen, den staatlichen und ständigenStellen des Landes Sachsen die örtlichen Fragen des Klein-gartenwesens bearbeiten, während die grundsätzlichenund überörtlichen Angelegenheiten des Kleingartenwesensvom Reichsbund als dem Gesamtvorstand der deutschenKleingärtner wahrgenommen werden.

§ 3 Gliederung(1)Der Landesbund besteht aus Kreisgruppen. Diese setzen

sich aus Kleingärtnervereinen- bis auf weiteres auch ausGenossenschaften in solchen Ausnahmefällen, in denenwegen grundbuchlicher Schwierigkeiten eine sofortigeUmwandlung in einen Verein untunlich ist- zusammen.

(2)Die einzelnen Gliederungen können nur mit Zustimmungdes Reichsbundleiters teilen oder zusammenlegen.

DOKUMENTE

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223KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

§ 4 Mitgliedschaft(1)Mitglieder des Landesbundes sind die Kreisgruppen. […]

Über die Aufnahme entscheidet der Landesbundleiter.(2)Der Landesbund selbst ist Mitglied des Reichsbundes.

§ 5 Organe(a) der Landesbundleiter(b) der Beirat(c) die Landesbundesversammlung

§ 6 Der Landesbundleiter(1)Der Landesbundleiter wird vom Reichsbundleiter im Ein-

vernehmen mit dem Reichsarbeitsminister und demReichsbauernführer berufen und abberufen. Er hat dieAnordnungen des Reichsbundes gewissenhaft und sofortzu befolgen.

(2)Der Geschäftsführer des Landesbundes wird vom Landes-bundleiter im Einvernehmen mit dem Reichsbundleiternach vorheriger Zustimmung des Reichsarbeitsministersund der Parteidienststelle berufen und abberufen.

(3)Der Landesbundleiter oder sein Stellvertreter berufen oderleiten die Landesbundesversammlung, sowie die Beirats-sitzungen. Der Landesbundleiter beruft ferner die Kreis-gruppenleiter, ebenso beruft er sie ab. Er kann nach ei-genem Ermessen von einer solchen Berufung absehenund die Leitung der Kreisgruppe als Vorstand im Sinnedes § 26 BGB selbst übernehmen. Ihm obliegen alle An-gelegenheiten, die nicht im Beirat erledigt werden.

(4)Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ist Aufsichts-behörde der Landesgruppe und deshalb befugt, sich vonder ordnungsgemäßen Erledigung aller Aufgaben undMaßnahmen des Landesbundes und seiner Gliederungenzu überzeugen. Er hat vor allem darüber zu wachen, dassder Landesbund und seine Gliederungen sich gemeinnüt-zig im Sinne des Kleingartenrechts betätigen.

[…]

§ 11 Satzungen der Gliederungen(1)Die Kreisgruppen haben ihre Satzungen entsprechend der

Satzung des Landesbundes zu gestalten. Sie werden erstnach Genehmigung des Reichs- und Landesbundleitersmit erfolgter Eintragung wirksam.

Dokument 3

Die deutschen Kleingärtnerin der Erzeugungsschlacht

Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands innerhalb derletzten Jahrzehnte führte dazu, dass die Ernährung des deut-schen Volkes aus eigener Scholle immer mehr vernachlässigtwurde. Die Lebensmitteleinfuhr stieg auf Grund der liberali-stischen Wirtschaftsauffassung mit ihrer einseitigen Ausdeh-nung des Welthandels von Jahr zu Jahr an, obwohl Nahrungs-güter in großen Umfang, aber „nicht zu einem so günstigenPreis“ in Deutschland erzeugt wurden. Nun inte-ressiert unshier vor allem, inwieweit heute der Bedarf an Nahrungsmit-teln für das deutsche Volk durch eigene Erzeugnisse aus derdeutschen Landwirtschaft gedeckt werden kann. […] Da wirheute noch an dieser verfehlten Ernährungspolitik er Vor- undNachkriegspolitik kranken, ist die Erzeu-gungsschlacht not-wendig. […] Es ist daher die Pflicht eines jeden boden-nutzenden Volksgenossen, an der Lösung dieser großen Auf-gabengebiete mitzuarbeiten. Dadurch gewinnt auch die ne-benberufliche Gartennutzung der deutschen Kleingärtner anBedeutung insofern, als auch die teilweise Selbstversorgungvon ungefähr 900 000 Kleingärtnerfamilien mit Obst undGemüse und zum Teil auch mit Kleintierzuchterzeugnissenein nicht unwesentlicher Beitrag für die Bedarfsdeckung auseigener Scholle geleistet wird. Untersucht man nun denKulturzustand der deutschen Kleingärten, so wird man lei-der feststellen müssen, dass nicht alle Kleingärten so bewirt-schaftet werden, wie es die gegenwärtige ernährungspolitischeLage erfordert. […] Es muss daher die Erziehung der Klein-gärtner zu diesem Pflichtbewusstsein die gegenwärtige Haupt-aufgabe der Kleingärtnerorganisation, der dem Reichsnähr-stand angeschlossene Reichsbund der Kleingärtner- undKleinsiedler Deutschlands e. V., sein.Es ist ein besonderes Verdienst dieser Kleingärtnerorgani-sation, diese Hauptaufgabe rechtzeitig erkannt zu haben. Aussich heraus hat der Reichsbund der Kleingärtner und Klein-siedler Deutschlands e. V. einen Weg beschritten, der zu demtatkräftigen Einsatz der deutschen Kleingärtner für die Er-zeugungsschlacht führte. Ein umfangreiches Programm überdie Unterrichtung in Fragen der Kleintierhaltung und des Gar-tenbaues ist bereits im Jahre 1934 in Angriff genommen wor-den. Der Rechenschaftsbericht, den der Begründer des fach-lichen Unterrichts innerhalb der Reichsbundorganisation,Diplomlandwirt Steinhaus in einer im Verlag Ohlenroth, Er-furt, erschienenen Broschüre „Die deutschen Kleingärtner inder Erzeugungsschlacht“ veröffentlicht, zeigt, mit welch gro-

DOKUMENTE

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224 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

ßem Ernst und Arbeitswillen die Reichsbundorganisation die-se fachliche Erziehungsarbeit erfolgreich durchgeführt hat.

(Auszüge aus: Wilhelm Staudinger, Min. Land, 13. Jahrgang,Februar 1937, Nr. 2, S. 12f)

Dokument 4

Die Zukunft des deutschen Kleingartenwesens.Aufgaben des Reichsbundes. (Auszüge)

Bei der Durchsicht der Tagungsfolge für den 3. Reichsklein-gärtnertag sehen Sie, dass Vertreter des Reichsnährstandes,verschiedene Behörden, große Organisationen, ja wohl zumersten Male in der Geschichte des Reichsbundes auch einVertreter der privaten Verpächter von Kleingartenland, zuIhnen sprechen und damit ein Bekenntnis zu dem Grundge-danken des Kleingartenwesens abgeben werden. Dies könntezu der Annahme Anlass geben, […] dass also die Zukunftdes deutschen Kleingartenwesens durchaus gesichert ist undnur die eine Sorge besteht, auch noch die letzten geeignetenstädtischen Familien dazu zu bewegen, einen mühelos zubeschaffenden Kleingarten tatsächlich anzunehmen.In der Kleingartenordnung (KGO) und dem Ergänzungsge-setz hierzu sind zwar Gesetze vorhanden, welche die Beschaf-fung des erforderlichen Landes regeln, die Kleingärtner ge-gen übertriebene Pachtpreisforderungen schützen und will-kürliche Kündigungen verhindern. Mit allen Kräften mussdeshalb danach gestrebt werden, dieser unheilvollen Entwick-lung Einhalt zu gebieten und dafür zu sorgen, dass die Klein-gärtner einen gesicherten Besitz des Landes erhalten. Es liegtnahe, Hilfe vom Gesetzgeber zu erbitten und zu fordern, dassdurch ein Gesetz jede Kündigung von Kleingartenland un-tersagt wird. Neben anderen Bedenken hätte eine solche ge-setzliche Vorschrift jedoch die Folge, dass hierdurch eine ge-ordnete städtebauliche Entwicklung gehemmt würde. Seit-dem durch das Wohnungssiedlungsgesetz die Grundlage zueiner planmäßigen Ordnung des städtischen Raumes gelegtist und die Städte dazu übergegangen sind, Wirtschaftspläneaufzustellen, aus denen sich ergibt, welche Flächen bei Ab-wägung der verschiedenen Interessen als Wohngebiete mitverschieden abgestufter Bauweise, als Industrieland und alsGrünfläche vorgesehen werden soll, zeigt sich deutlich, dassmanche Kleingartenanlagen an verfehlten Plätzen eingerich-tet sind. Sie müssen daher, so bedauerlich dies auch für diedavon betroffenen Kleingärtner ist, im Laufe der Zeit zwangs-läufig solchen Anlagen weichen, die nach dem Wirtschafts-

plan für diese Flächen in Frage kommen. Es geht also nichtan, jeden Kleingarten und jede Kleingartenanlage durch ge-setzliche Vorschrift zu schützen. Wie deshalb der Gesetzgeberwenigstens vorläufig helfen kann, musste entschieden wer-den, als sich im Winter 1935/36 zeigte, dass der Aufschwungdes Wirtschaftslebens die Baulust stark anregte und hierdurchdas Kleingartenwesen in eine ernste Gefahr zu geraten droh-te. Mein Herr Minister entschloss sich damals, die zur Ab-wendung dieser Gefahr notwendigen Maßnahmen durch ei-nen Erlaß, d. h. eine Anweisung an die ausführenden Behör-den, zu treffen. Dieser Erlaß vom 4. März 1936, der Ihnenallen bekannt ist, ist über seine Vorschriften hinaus, dieGrundsätze über die Frage enthalten, wann das Vorliegen ei-nes wichtigen Kündigungsgrundes anzuerkennen oder zu ver-sagen ist, vor allem deshalb besonders bedeutsam, weil er einwarmherziges Bekenntnis zu dem Grundgedanken desKleingartenwesens enthält. So wirksam sich die Vorschriftendieses Erlasses in manchen Fällen bereits gezeigt haben, somuss man sich doch darüber klar sein, dass sie allein nichtgeeignet sind, den Kleingärtnern den erstrebten gesichertenBesitz ihrer Gärten zu gewähren. Der Erlaß verschafft dannallerdings einen verstärkten Schutz für die Kleingärtner, wenneine Anlage im Rahmen des Wirtschaftsplans als ein nichtzur Bebauung bestimmtes Gelände vorgesehen ist. Aufgabedes Reichsbundes ist es deshalb, mit allen Kräften danach zustreben, dass die vorhandenen Kleingartenanlagen, soweit esdie Verhältnisse zulassen, und darüber hinaus soviel Land,als zur Deckung der zu erwartenden verstärkten Nachfragenach Dauerkleingärten erforderlich werden wird, im Rahmendieser Pläne als Nichtbaugelände ausgewiesen wird.Ihnen meine Herren, die Sie einen Verein, eine Bezirks-,Stadt-, Provinz- oder Landesgruppe leiten oder den berufe-nen Leiter hierbei unterstützen, liegt deshalb die Pflicht ob,Ihre Mitglieder zu begeisterten Anhängern zu gewinnen. Neh-men Sie diese Pflicht bitter ernst. Die Kleingärtner müssenüberzeugt sein, dass Sie ihnen mit Rat und Tat gern zur Seitestehen wollen und dass Sie mit vollem Herzen danach stre-ben, in jeder Weise dem Kleingartengedanken zu dienen. Umder Zukunft des Kleingartenwesens willen bitte ich Sie daher,in dieser Weise mit allen Kräften danach zu streben, dass derReichsbund in all seinen Gliederungen ein festgefügter Blockwird, dass jeder Kleingärtner mit Stolz und Freude auf sei-nen Reichsbund blickt. Dann wird Ihnen die Aufgabe, für dasnotwendige Dauergelände zu sorgen, wesentlich erleichtert.Zur Erleichterung dieses Zieles müssen Sie die verantwortli-che Planungsbehörde zunächst von der Notwendigkeit IhrerForderung überzeugen. Wie kann aber der Nachweis über daserforderliche Ausmaß besser gebracht werden, als dadurch,

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225KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

dass entsprechende Bewerber vorhanden sind? Selbstverständ-lich werden bei erforderlichen Verlegungen von Anlagenmanche Kleingärtner nicht mitmachen, da sie zu alt für dieAusführung der mit der Neueinrichtung verbundenen schwe-ren Arbeit sind, die neue Anlage zu ungünstig zu ihren Woh-nungen liegt und aus ähnlichen Gründen. Für jede Familie,die aus berechtigen Gründen sich bei der Neuanlage nichtbeteiligt, müssen mindestens zwei geeignete neue Bewerberbereitstehen, deren sehnlichster Wunsch es ist, endlich ei-nen Kleingarten zu erhalten; sonst hat die Organisation un-ter den heutigen Verhältnissen versagt. Schon aus diesemGrunde muss die Organisation in sich werbekräftig sein. Siemuss bei dieser Werbung an jede geeignete Familie heran-kommen und darf in ihrem Bemühen nicht nachlassen, siefür den Kleingartengedanken zu begeistern. Zu diesem Zweckmuss sie sich mit Parteigliederungen, Verbänden der ver-schiedensten Art usw. in Verbindung setzen, bei diesen nöti-genfalls Verständnis für das Kleingartenwesen wecken, da-mit sie von dort aus die erforderliche Unterstützung erhält.Schwieriger noch, als ausreichendes Dauerland zu erlangen,wird zu erreichen sein, dass solche Anlagen bei der Planungan unbedingt geeigneten Stellen vorgesehen werden. Die lei-der übliche Bewertung von Land führt heute fast zwangs-läufig dazu, alle Kleingärten aus dem Weichbilde der Städtezu verdrängen und für sie Flächen weit außerhalb der Städ-te vorsehen zu lassen, wo sie den erstrebten Erfolg nicht mehrhaben können. Den Städtebauer leitet häufig bei dem Be-streben, Kleingärten nur weit außerhalb der Städte vorzuse-hen, noch ein anderer Grund: er glaubt, den unerfreulichenAnblick solcher Anlagen aus dem eigentlichen Stadtbild fern-halten zu müssen. Leider ist es richtig, dass Kleingartenan-lagen heute mit ihren hässlichen Lauben, durch ihre gleich-förmige Gestaltung und aus sonstigen Gründen für das Augezumeist einen unschönen Anblick vor allem im Winter bie-ten und deshalb von den Stadtverwaltungen vielfach alsSchandflecke betrachtet werden. Solange keine Gewissheitbesteht, ob die Anlagen für die Dauer erhalten bleiben, kanninsoweit auch kein Wandel geschaffen werden. Umso not-wendiger ist es daher, dass die Organisation sich baldmög-lich Gewissheit darüber verschafft, ob wenigstens die eine oderandere Anlagen erhalten bleibt. An diesen Anlagen gilt esdann zu zeigen, wie eine Daueranlage ausgestaltet werdenkann, damit die Stadtverwaltungen und die Städteplanerdavon überzeugt werden, dass solche Anlagen durchaus inden Rahmen des öffentlichen Grüns passen, dass sie dasStadtbild bereichern und verschönern und, da sie für die Öf-fentlichkeit zugängig sind, die am meisten nutzbringendeForm öffentlicher Anlagen darstellen. Dann haben Sie aber

zur Sicherung der Anlagen bereits einen gewaltigen Fortschritterzielt. Hierzu ist zunächst der voraussichtliche Bedarf anKleingartenland zu ermitteln. Jeder geeigneten, hierzu willi-gen Familie muss in einem geordneten Staatswesen der Wegzum Boden geöffnet werden, d. h. ermöglicht werden, einStück deutscher Erde ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftli-chen Verhältnisse zu nutzen. Familien mit Eigennutz schei-den bei der Bedarfsermittlung aus. Weiter gibt es Familien,die aus verschiedenen Gründen nicht als geeignet anzuse-hen sind oder keine Gärten bewirtschaften wollen. In der Regelwird jedoch davon auszugehen sein, dass etwa ein Drittel bisein Viertel aller zur Miete wohnenden Familien als Dauer-kleingärtner in Betracht kommen, während weitere Famili-en sich mit den übergehenden Besitz begnügen werden.Ist der Bedarf an Kleingartenland von der Organisation er-mittelt, so gilt es, ihn bei der für die Aufstellung des Wirt-schaftsplanes verantwortlichen Behörde anzumelden unddafür zu sorgen, dass eine entsprechend große Fläche in ge-eigneter Lage als Dauerkleingartengelände ausgewiesen wird.Die Lage kann nur dann als geeignet angesehen werden, wenndie Kleingärten möglichst nahe bei den Wohnungen liegen;denn es ist zu berücksichtigen, dass sie gerade wenig bemit-telten Familien zugute kommen sollen, die schwere Berufs-arbeit zu verrichten haben. In der Freizeit können solcheKleingärtner deshalb nicht mehr allzu weite Wege zurückle-gen und Fahrgeld ausgeben, um im Garten zu arbeiten. Des-halb muss danach gestrebt werden, die Städte weitgehenddurch Grünzüge, die als Kleingärten genutzt werden, aufzu-lockern. Eine solche Planung kann nur ohne Rücksicht aufdie zufälligen Eigentumsgrenzen vorgenommen werden. So-weit hierdurch Eigentümern Opfer zugemutet werden, wirdes Aufgabe des Gesetzgebers sein, Abhilfe zu schaffen. Jeden-falls darf der Städtebauer bei der Planung die Frage einervielleicht dem Grundeigentümer zuzubilligenden Entschä-digung nicht ausschlaggebend berücksichtigen, um nichtwieder zu falschen, auf liberalistischer Denkweise beruhen-de Ergebnisse zu kommen. Die Forderung, die Organisationmüsse dafür sorgen, dass nach dem ermittelten Bedarf einegenügend große Fläche in geeigneter Lage als Dauerklein-gartenland von der Planungsbehörde ausgewiesen und fest-gesetzt wird, klingt sehr einfach, wird aber nur schwer durch-zusetzen sein, da bei der Planung auch alle anderen Belangezu berücksichtigen sind. Erreicht werden muss jedoch unterallen Umständen, dass bei der Aufstellung des Plans die Be-lange des Kleingartenwesens weitgehend gewahrt und fürKleingartenanlagen nicht ausschließlich Flächen vorgesehenwerden, die für andere Zwecke unbrauchbar und daher wert-los sind. Um die großen Aufgaben auf dem Gebiete des

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226 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

Kleingartenwesens durchzuführen und damit dessen Zukunftin gesicherte Bahnen lenken zu können, ist ein festgefügterBund Voraussetzung, der möglichst alle Kleingärtner umfasst.Vielleicht wird deshalb eine Zwangsorganisation gefordert.Seien Sie sich darüber klar, dass dies nur zu Wahrung le-bensnotwendiger Belange für an sich schon festgefügte Beruf-stände und dergleichen in Frage kommen kann. Als Grundfür das Erfordernis, die Kleingärtner zwangsweise zusammen-zuschließen, wird zumeist und ist auch in weiteren Vorträ-gen geltend gemacht, dass nur hierdurch die notwendigeEinwirkung auf die ordnungsmäßige Bewirtschaftung undAusgestaltung der einzelnen Kleingärten und Klein-gartenanlagen gesichert werden könne. Das gleiche Ziel kannaber auch dadurch erreicht werden, dass die Organisationregelmäßig als Zwischenpächter bei Verpachtung von Landzur kleingärtnerischen Nutzung eingeschaltet wird. Dadurcherhält sie die Einwirkungsmöglichkeit. Deshalb tritt meinHerr Minister auch stets dafür ein, dass Stadtverwaltungen,Privatpersonen und andere Grundeigentümer ihr Land nurüber den Reichsbund Deutscher Kleingärtner der klein-gärtnerischen Nutzung zuführen. Sollte dieses Streben erfolg-los bleiben, so wäre zu erwägen, ihm durch ein Gesetz dennotwendigen Nachdruck zu verleihen. Wir stehen augenblick-lich, wie aus vielen Anzeichen hervorgeht, am Beginn einerneuen Entwicklung auf dem Gebiete des Kleingartenwesens.Wohin sie führen wird, ist zurzeit noch nicht zu übersehen.Hoffen wir, dass sie uns bringt, was wir alle erstreben: eineglückhafte Zukunft, die uns ermöglicht, allen willigen ge-eigneten Familien einen gesicherten Kleingarten zu verschaf-fen. Sorgen Sie dafür, dass jedes Mitglied ein begeisterterAnhänger des Kleingartengedankens und des Reichsbundeswird und dadurch der sich geeinte Reichsbund erheblich anWerbekraft gewinnt. Suchen Sie Verständnis für Ihr Strebenbei allen in Frage kommenden Stellen zu we-cken und zuvertiefen. Bemühen Sie sich vor allem, ein gutes Verhältnismit den Stadtverwaltungen herzustellen und diese durch dieschöne Ausgestaltung von Daueranlagen als wichtige För-derer Ihre Bestrebungen zu gewinnen.

(Aus: Ministerialrat Gisbertz, Garten und Kind, Nr. 8/1937,S. 116-119)

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Politische und fachliche Schulungder Kleingärtner und Kleinsiedler

Rede des Staatskommissars Gustav Biechteler, München, aufder 1. Führerringtagung des Reichsbundes

am 29. Oktober 1933 in Rüdersdorf

Wenn die fachliche Schulung in den Händen Berufener liegt,dann muß in erster Linie die politische Schulung erst rechtin berufenen Händen liegen, und diese kann und darf ebennur von echten und wahren Nationalsozialisten erfolgen. Ichbitte Sie, gerade von diesem Punkt dementsprechend auchKenntnis zu nehmen und in Anbetracht der Wichtigkeit die-ser Gedanken diese in die Reihen der Kleingärtner zu tragen,damit gerade hier der unverfälschte Nationalsozialismus ge-zeigt wird. Es gibt Menschen, die glauben, immer eine Rollespielen zu müssen, die den Nationalsozialismus dann auf ihreArt und Weise deuten, so daß hier von einem Gemeinnutznicht mehr das zu sagen ist, was der Nationalsozialismusdarunter versteht. Denken Sie daran, daß Jahr und Jahre ver-gangen sind, ehe wir soweit gekommen sind und daß es unsalten Nationalsozialisten nicht einfällt, uns in den Hinter-grund zu stellen, wenn heute ein Gleichgeschalteter kommt,der die Farbe wie das Hemd gewechselt hat. Hier handelt essich um eine gewaltige Verantwortung, eine Million Menschenzu betreuen, in den nationalsozialistischen Staat einzuglie-dern und sie in erster Linie im nationalsozialistischen Geistezu erziehen, damit sie wahrhafte Bürger in dem Staate unse-res Führers Adolf Hitler werden. Ich muß darauf bestehen,daß dies streng nach den Richtlinien der Politischen Orga-nisation vor sich geht. Kein anderer hat das Recht, hier einWort mitzureden. Es kann Kritik geübt werden auf allen Ge-bieten, an der Weltanschauung des Nationalsozialismus darfnie und nimmer Kritik geübt werden. Gerade Sie, die Sie be-rufen sind, die Bodenfrage in erster Linie zu bearbeiten, Siewissen, daß der nationalsozialistische Staat alles unternimmt,daß er sich bemüht, soweit es ihm die Mittel erlauben, besse-re Verhältnisse zu schaffen. Es wird nichts unberücksichtigtgelassen, in erster Linie den ärmsten Parteigenossen undVolksgenossen zu helfen, die bisher nur mit hochtönendenPhrasen und schönen Worten abgespeist worden sind, undihnen zu beweisen, daß wir die besseren Menschen sind unddaß wir den wirklichen und wahren Staat aufbauen, indemwir uns ihm in erster Linie zur Verfügung stellen. Dieser Ge-dankengang muß jedem einzelnen in Fleisch und Blut über-gehen. Vielfach ist es heute noch so, daß ein hoher, sehr ho-

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227KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

her Prozentsatz ehemaliger Marxisten in den führenden Stel-len sitzt. Ja selbst in der Gleichschaltung ist es vorgekom-men, daß man gezwungen gewesen ist, auf Grund der beste-henden Gesetze teilweise auch Nichtnationalsozialisten inihren Stellen zu belassen, weil man keinen brauchbaren Er-satz gefunden hatte. Hier kann nur eines helfen: Der Reichs-bund und seine sämtlichen Unterorganisationen können nurin engster Zusammenarbeit mit der Parteiorganisation desNationalsozialismus diese Schulung von Berufenen durch-führen lassen. Hier handelt es sich darum, sich mit der ört-lichen Parteileitung ins Benehmen zu setzen, um für die all-monatlichen Zusammenkünfte einen politischen Redner zubekommen. Die Hauptsache ist, daß dieser Redner von derpolitischen Leitung anerkannt ist, daß er berufen ist, über-haupt im nationalsozialistischen Sinne zu sprechen. Es istnicht notwendig, daß an einem Abend, wo wirtschaftlicheSachen besprochen werden, jedesmal eine große Kanonespricht. Es darf aber kein Abend, keine Zusammenkunft statt-finden, ohne daß nicht auch des Nationalsozialismus, ohnedaß nicht unserer Weltanschauung und nicht ohne daß un-seres Führers gedacht wird. Wir haben es uns zur Pflicht ge-macht, den Allerletzten heranzuziehen und ihn zu bekeh-ren. Es soll heute noch Subjekte geben, die glauben, sichstaatsfeindlich betätigen zu können. Schauen Sie diesen aufdie Finger und wenn Sie merken, daß es ein Marxist ist,schmeißen Sie ihn rücksichtslos aus den Gartenanlagen hin-aus. Hunderttausende von SA-Kameraden finden sich, diefroh sind, wenn sie ein paar Quadratmeter Land bekommen,die sich erziehen lassen als Gärtner, weil sie schon seit Jahrund Tag erzogen worden sind, weil sie an die Disziplin undZurückhaltung gewöhnt sind. Die Jugenderziehung ist inhöchstem Maße wichtig. Wir wissen, wer einmal den Natio-nalsozialismus voll und ganz erfaßt hat, wird rückhaltloszu Adolf Hitler stehen. Für ihn gibt es nichts anderes als denNationalsozialismus. Die folgende Generation soll noch bes-sere Nationalsozialisten haben als wir. Das ist unsere Aufga-be. Gerade in diesem Punkt heißt es, auf die Jugend einzu-wirken. Sie hat es ja leicht, da sie noch nicht die eigene Mei-nung und den eigenen Willen hat. Sie haben es in der Hand,die Jugend folgt Ihnen blindlings. Das sind die großen Auf-gaben, die jedem einzelnen zufallen.

(Aus: Der Kleingärtner und Kleinsiedler, Nr. 3/1933-34, S. 9)

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Kleingärtner und Kleinsiedler im 3. ReichVon Pg. Dr. Hans Kammler, Berlin

Parteigenossen, Volksgenossen!

Mit großer Freude bin ich der Einladung der Provinzgruppeder Kleingärtner und Kleinsiedler Hamburgs im Reichsbundder Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e. V. gefolgt,um an der ersten großen Veranstaltung in Hamburg auf demGebiete der Kleingarten- und Kleinsiedlungsbewegung imJahre 1934 zu Ihnen zu sprechen.Im Namen des gesamten Reichsbundes und damit fast einerMillion deutscher Kleingärtner und Kleinsiedler, bringe ichIhnen, den Hamburger Kleingärtnern und Kleinsiedlern, dieherzlichsten Grüße und Wünsche.Nicht nur für sie alle, die Sie die Ehre haben, deutsches Klein-garten- und Kleinsiedlungsland zu nutzen, ist die heutigeVeranstaltung von Bedeutung, sondern auch für den gesam-ten Reichsbund und damit für die deutsche Kleingarten- undKleinsiedlungsbewegung überhaupt.Denn Hamburg ist Großstadt, ja Weltstadt, ist nicht nur wirt-schaftlicher Mittelpunkt für das Staatsgebiet Hamburg unddie umgrenzenden Länder.

H a m b u r g i s t f ü r D e u t s c h l a n de i n b e s o n d e r e r B e g r i f f,

ein geistiger und kultureller Kern des deutschen Nordens, inder sich seit Jahrhunderten alldeutscher Mut und alldeutscheKraft im Dienste und zum Nutzen des gesamten deutschenVaterlandes für viele Völker der Welt Geltung zu verschaffengewußt hat.Hamburg, die Hamburger, ihr Leben und ihre Taten, bildendas Tor für die Volksgenossen, die aus Deutschland in die Weltziehen, und für die Angehörigen fremder Länder, die auf demSeewege nach Deutschland kommen.Der Eindruck, den sie beim Betreten Hamburgs empfangen,ist und bleibt mitbestimmend für ihre weitere Einstellung zuDeutschland und zu den Deutschen überhaupt.Hamburg und die Hamburger haben deshalb eine große Ver-pflichtung, als Deutsche vorbildlich zu arbeiten und zu le-ben.Jeder einzelne Hamburger Bauer, Arbeiter, Angestellte undBeamte hat infolge der besonderen Stellung Hamburgs imReich und für das Reich in hohem Maße deutsch, d. h. jetztund in Zukunft n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h zu sein.Nationalsozialistisch sein und werden kann jedoch nur der-jenige, der die W e l t a n s c h a u u n g u n s e r e s F ü h -

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228 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

r e r s u n d K a n z l e r s A d o l f H i t l e r in sich auf-genommen hat, in ihr geboren wird, lebt, arbeitet und stirbt.Im Mittelpunkt dieser Weltanschauung steht die

L e h r e v o n B l u t u n d B o d e na l s d i e G r u n d l a g e v o n V o l k u n d S t a a t.Sie besagt: So lange der deutsche, der nordische Mensch mitdeutschem Boden verbunden ist und ihn als Nationaleigen-tum und nicht als Ware betrachtet, so lange wird Deutsch-land leben.Diese Lehre ist die rassische national-, bevölkerungs- undwehrpolitische sowie für die kulturelle und wirtschaftlicheErneuerung Deutschlands und damit für alle deutschen Bau-ern, Arbeiter, Angestellten und Beamten von grundlegenderBedeutung.Träger des Blut- und Bodengedankens ist jeder, der deutschenBoden bestellt.Da 9/10 des gesamten deutschen Bodens land- und forst-wirtschaftlich genutzt werden, so ist der Bauer und das Bau-erntum berufen und verpflichtet, jetzt und in Zukunft Rück-grat der inneren und äußeren Gesundung unseres deutschenVolkes zu sein.Um die Lehre vom Blut und Boden zu verwirklichen, hat derReichsbauernführer im Zuge seiner großzügigen Agrargesetz-gebung

d a s R e i c h s e r b h o f g e s e t zgeschaffen. Nach diesem für die Zukunft Deutschlands grund-legenden Gesetz wird 9/10 deutschen Bodens als Nationalei-gentum und damit als unveräußerlich für seinen Eigentü-mer, den Erbhofbauern, dessen Kinder und Kindeskinder, er-klärt, sofern dieser und diese bauernfähig, d. h. in erster Li-nie rassisch gesund, also nordisch, wehrwillig und ehrbarsind. Damit ist dem deutschen Bauern eine große Verpflich-tung dem gesamten deutschen Volk gegenüber übertragen.Der Bauer ist jetzt nur noch vorübergehend Nutznießer sei-nes Bodens, er ist als Glied einer Geschlechterfolge dieser ge-genüber ständig für alle seine Taten verantwortlich.Die Nutzung des Bodens ist nicht mehr kapitalistisch undliberalistisch, wird nicht mehr nach Rentabilitäts- und wirt-schaftlichen Gründen durchgeführt, sondern sie ist gemein-nützig im wahrsten Sinne des Wortes.Deutscher Boden und deutscher Hof, alles zusammen derdeutsche Erbhof, ist für alle Zeiten unantastbar.

D a s B a u e r n t u m i s t d e r U r q u e l la l l e n p o l i t i s c h e n L e b e n s

B o d e n , M e n s c h u n d H o f b i l d e n e i n eE i n h e i t , i n d e r s i c h d e r K r e i s l a u f d e sL e b e n s d e s B a u e r n v o n d e r G e b u r t b i sz u m T o d e h i n a b s p i e l t .

Bauer sein können in Deutschland auf dem engen Raum nurwenige, und zwar die rassisch gesündesten Volksgenossen.Als Bauer denken und nach der Lehre von Blut und Bodenleben, können und müssen alle deutschen Volksgenossen,wenn Deutschland wieder groß erstehen soll.Vom Bauernhof kam in den früheren Jahren gesundes deut-sches und nordisches Blut in die Städte. Das Leben in derStadt, ihre egoistischen und kapitalistischen Auswirkungenbedeuteten bis zur Machtübernahme durch den Nationalso-zialismus den langsamen Tod für die Träger des nordischenBlutes. Gesund blieb es nur in einigen Geschlechterfolgen,um dann zu verwässern, zu verweichlichen, zu entarten durchVermischung mit anderem fremden Blut.Im 3. Reich besteht jedoch nicht wie früher ein Gegensatzzwischen Land und Stadt, zwischen Bauer und Städter, son-dern der ewige Kreislauf zwischen Mensch und Boden ist inganz Deutschland wiederhergestellt, der Kreislauf, dessen Flußbestimmt wird vom Boden, vom Bauern, her. Die Stadt sollund darf nicht mehr die Städter und die es werden müssen,entarten; die Stadt soll vielmehr die in ihr wohnenden Volks-genossen gesund machen und gesund erhalten.Deutsche nationalsozialistische Bevölkerungspolitik verlangtstarke und wehrfähige Männer, Frauen und Kinder, die wil-lens und in der Lage sind, alles fürs Volksganze zu opfernund ihr Leben für das Vaterland einzusetzen.Niedergang des Bauerntums hat stets den Niedergang dergesamten Wirtschaft und damit des ganzen Volkes zur Folgegehabt. Sie haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, wiedas Versiegen des gesunden Blutzuflusses vom Land her dengesamten kulturellen Abstieg des Volkes verursacht hat. Dieliberalistische und kapitalistische Einstellung war mit Wis-sen und Wollen der damaligen maßgeblichen Kreise in derStadt und auf dem Lande in den Vordergrund geraten. Da-durch entstand die Entartung und zum Teil sogar die Ver-nichtung der nordischen Rasse in ganz Deutschland. DieDegeneration erfaßte alle Kreise; die Moral sank; Mut, Kraftund Ehre galten nichts mehr in Deutschland.Die alte deutsche Bauernkultur wurde dem deutschen Volkentfremdet; dafür wurde den deutschen Volksgenossen in Stadtund Land eine ihnen wesensfremde Weltanschauung als Vor-bild hingestellt. Nicht mehr die Arbeit, sondern der Handel,die Spekulation mit der Arbeit, war das Ziel und die Lebens-aufgabe vieler deutscher Volksgenossen. Der Kern jedes Volks-lebens, die Familie und das Familienleben, galt nichts mehr.Die Schaffung einer gesunden Nachkommenschaft, gesun-der Kinderreichtum, wurden gesetzmäßig unterbunden.Diesem Zustand bereitete der N a t i o n a l s o z i a l i s m u sim Frühjahr vorigen Jahres ein Ende. Der Bauer auf dem

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229KAPITEL 3BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)

Lande und die Volksgenossen in den Städten wurden zumTräger des Gedankens über die Verbundenheit von Blut undBoden.Durch den Nationalsozialismus wurde der deutschen Stadtihre frühere zersetzende Auswirkung genommen.Der Städter wird jetzt wieder im nordischen Geiste erzogen.

N o r d i s c h d e n k e n h e i ß t , a u f G e d e i h u n dV e r d e r b m i t d e m B o d e n v e r b u n d e n s e i n

Die Stadt ist jetzt nicht mehr Absteigequartier, nicht alleinStätte der Arbeit um des Verdienstes und des Vergnügens wil-len, sondern wieder Heimat ihren Einwohnern.Die Städter müssen in möglichst weitem Umfange wieder mitdem Boden verbunden werden. Ihrer neuen Lebensweise undLebensart muß das Gesicht der Städte, also das Stadtgebilde,Rechnung tragen.Der Boden in und um die Städte muß letzen Endes wiederebenso wie der Boden auf dem Lande als Nationaleigentumeingesetzt werden. Auch in den Städten muß Gemeinnutz vorEigennutz maßgeblich sein.Ein neues deutsches Bodenrecht für den gesamten deutschenBoden muß auch für die Städte Geltung haben.Groß-, Mittel- und Kleinstädte werden einbezogen in die ge-samte Strukturänderung zum Neuaufbau Deutschlands.Industrie, Handel und Gewerbe, alle Notwendigkeiten über-haupt, werden jetzt in ihren Anforderungen unter den Ge-danken des Volksganzen neu entwickelt.Städtischen Wohnungsbau, in erster Linie Mietskasernen,haben wir in den letzten Jahren zu Millionen in ganzDeutschland entstehen sehen. Heute kommt es nicht mehrdarauf an, Luxuswohnungen für einen kleinen Kreis vonVolksgenossen, nicht Mietskasernen zu bauen, sondern eineneue Heimat für uns und unsere Kinder in den Städten zuschaffen.Nicht alle Städter werden gleich mit dem Boden in Verbin-dung gebracht werden können.Nur der rassisch wertvollste Volksgenosse in der Stadt, insbe-sondere die Jugend, wird planvoll bodenverbunden, damitauch in den Städten der Zukunft nur nordische deutscheMenschen leben und arbeiten.K l e i n g ä r t e n u n d K l e i n s i e d l u n g e n sind,sollen und werden in möglichst weitem Umfange Heimat fürden Städter, also Arbeiter, Angestellte und Beamte, bilden.

D a u e r p a c h t o d e r E i g e n t u m i s t d a s Z i e lGerade der K l e i n g a r t e n wird in Dauerpacht und wennmöglich in Eigentum, planvoll eingefügt im Stadtgebilde,für alle die Volksgenossen die Möglichkeit bieten, gesundeKinder zu erziehen und sich ihren Lebensunterhalt und ihreErnährung zu ergänzen, die aus wirtschaftlichen oder sons-

tigen Gründen in absehbarer Zeit nicht aus den Mietswoh-nungen ziehen können.Der Kleingarten versetzt die Arbeiter in die Lage, deutschenBoden zu bearbeiten, deutsche Pflanzen zu züchten und zubetreuen und damit mit dem deutschen Boden verwachsenzu sein.Nur der wirklich nordisch denkende Arbeiter wird in Zukunftden deutschen Kleingarten bearbeiten.Er wird sich aus der breiten Masse des Volkes herausbilden indem Bestreben, über den Kleingarten zur Kleinsiedlung zugelangen.Der Kleingärtner wird nicht mehr in der Großstadt allein blei-ben wollen; er wird immer mehr den Wunsch haben, Eigen-tümer auf deutschem Grund und Boden zu sein, wo er Herrist, solange er seine Pflicht gegenüber dem Volk und Vater-land erfüllt.Wenn man bedenkt, daß die Vorfahren der noch nordischdenkenden deutschen Arbeiter und Bürger in den Städtenmeistens vom Bauern abstammen, die aus irgendwelchenGründen ihre Heimat verlassen mußten und, angelockt durchden scheinbar leichten Verdienst und durch die scheinbarangenehme Arbeits- und Verdienstmöglichkeit, in die Städtewanderten, so kann man verstehen, daß die noch gesundenNachkommen dieser früheren Bauernsöhne in ihrem Herzennoch

d i e S e h n s u c h t n a c h L a n d , n a c h H e i m a tund nach deutschem Boden haben. Dieses Sehnen muß heu-te in jeder Weise durch planvolle Gestaltung des Kleingarten-und Kleinsiedlungswesens Rechnung getragen werden, wennwir einen gesunden Bevölkerungsaufbau in Deutschland er-zielen wollen. Der Weg zu diesem Ziel führt über den Klein-garten und die Kleinsiedlung und wird von Erfolg sein, wennals Kleingärtner und Kleinsiedler die besten und erbgesün-desten Volksgenossen angesetzt werden.Die Kleinsiedlung auf eigenem Land mit ei-genem Haus wirddie richtige Heimat des Städters. Hier wird der zukünftigenordische Arbeiter geboren, leben, arbeiten und sein Lebenbeenden.Die Kleinsiedlungen müssen auch in ihrer Gestaltung undin ihrer Anlage der nationalsozialistischen WeltanschauungRechnung tragen.Nicht eine schematische Aneinanderreihung von Kleinsied-lungen, sondern eine Bildung von Gemeinschaftssiedlungenmit kulturellen Mittelpunkten werden in Zusammenhang mitKleingartengemeinschaften in und um das Stadtgebiet sichverbinden mit der Neugestaltung des deutschen Landraumesvom Boden her. Im Zuge dieser Maßnahmen werden selbst-verständlich auch die Arbeitsstätten eines großen Teiles der

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230 BLUT- UND BODENIDEOLOGIE – DIE LANDESGRUPPE SACHSEN IM REICHSBUND

DER KLEINGÄRTNER UND KLEINSIEDLER DEUTSCHLANDS (1933–1945)KAPITEL 3

deutschen Arbeiter in möglichster Nähe der neuen deutschenGemeinschaftssiedlungen liegen. So werden Kleingärten undKleinsiedlungen dem zukünftigen Stadtgebilde ein neues Ge-präge geben.Aus den gesündesten und besten Kleingärtnern müssen dieKleinsiedler ausgewählt werden. Ihre Söhne und Töchter wer-den den inneren Wunsch und die Fähigkeiten besitzen, wie-der Bauer zu werden. Sie werden dann, ohne daß sie es wol-len und ohne daß sie es wissen, bereits bäuerlich in der Welt-anschauung und in ihrer Einstellung zum deutschen Bodensein. Aus den besten deutschen Kleinsiedlern wird ein Teilder bäuerlichen Siedler ausgewählt werden, die dann späterzum Erbhofbauer werden können. Dadurch ist der Kreis

v o m B a u e r z u m B a u e rgeschlossen, der die Gewähr bietet, daß kein kostbares nor-disches Blut verlorengeht und daß keine Degenerationser-scheinungen auftreten, da eine natürliche Lebensweise nichtnur auf dem Lande, sondern auch in der Stadt geschaffenist. Dann wird auch die Auswirkung der früheren ungesun-den Bevölkerungspolitik, Degeneration, Einkindersystem usw.beseitigt werden. Das deutsche Volk wird dann eine starkeEinheit bilden und sich seine Weltgeltung verschaffen. DieWorte unseres Führers Adolf Hitler werden Wirklichkeit wer-den, die besagen:

„ F ü r w a s w i r z u k ä m p f e n h a b e n , i s td i e S i c h e r h e i t d e s B e s t e h e n s u n d d e rV e r m e h r u n g u n s e r e r R a s s e u n d u n s e -r e s V o l k e s , d i e E r n e u e r u n g s e i n e rK i n d e r u n d R e i n h a l t u n g d e s B l u t e s ,d i e F r e i h e i t u n d U n a b h ä n g i g k e i t d e sV a t e r l a n d e s , a u f d a ß u n s e r V o l k z u rE r f ü l l u n g d e r a u c h i h m v o m S c h ö p -f e r d e s U n i v e r s u m s z u g e w i e s e n e nM i s s i o n h e r a n z u r e i f e n v e r m a g . “

Um diese gewaltige Aufgabe auf dem Gebiet des Kleingarten-und Kleinsiedlungswesens in den Städten zu verwirklichen,wurde auf Veranlassung der Reichsleitung der NSDAP, Amtfür Agrarpolitik, der R e i c h s b u n d d e r K l e i n -g ä r t n e r u n d K l e i n s i e d l e r D e u t s c h l a n d se . V . gegründet. Der Reichsbund macht die deutschen Klein-gärtner und Kleinsiedler mit diesen großen Ideen vertraut.Er sorgt dafür, daß die deutschen Kleingärtner und Klein-siedler im nationalsozialistischen Staate die nordische Auf-fassung über die Verbundenheit von Blut und Boden in sichaufnehmen. Der Reichsbund betreut seine Mitglieder fach-lich und sachlich, damit sie den deutschen Boden so bear-beiten und die Erzeugnisse des Bodens so verwerten lernen,

daß die städtischen Kleingärtner und Kleinsiedler wieder einenatürliche Lebensweise erhalten.Für eine gesunde starke Vermehrung des deutschen Volkesmuß auch der deutsche Kleingärtner und Kleinsiedler sor-gen.

K l e i n g a r t e n - u n d K l e i n s i e d l u n g s l a n dmuß für seinen Pächter und Eigentümer wieder Heimat seinDer Reichsbund, im wahrsten Sinne gemeinnützig, bildet denSchlüssel für den wichtigsten Teil des vorhin ausgeführtenBlutkreislaufes vom Bauern zum Bauer, von Stadt zu Land.Durch ihn werden die besten deutschen Volksgenossen zuKleingärtnern, diese zu Kleinsiedlern und ihre Besten wiederzu Bauernsiedlern. Er trägt dazu bei, daß die Volksgenossenin den Städten nicht degenerieren, und daß das beste deut-sche Blut wieder zurückgeführt wird zum Urquell des Volks-lebens, zum Bauerntum.Groß sind die Aufgaben des Reichsbundes. Wenn sie verwirk-licht werden sollen, müssen wir alle mit dem Herzen und mitaller Kraft arbeiten und dem Ganzen dienen. Sie sind die Trä-ger des Gedankens, wir sind die Diener an der Sache. Wirwollen Ihnen helfen, Ihre völkischen Aufgaben in Deutsch-land zu erfüllen, Sie müssen dafür sorgen, daß auch der letztedeutsche Kleingärtner und Kleinsiedler der Träger des städti-schen Blut- und Bodengedankens wird.Nicht Rechte, sondern Pflichten hat der deutsche Kleingärt-ner und Kleinsiedler. Auf der anderen Seite ist er ausgewähltvor vielen anderen Volksgenossen, deutschen Boden zu bear-beiten. Damit ist er ein Teil der Volkserneuerung selbst. Diedeutschen Kleingärtner und Kleinsiedler können stolz dar-auf sein, deutsches Land zu bearbeiten; denn nicht nur fürsich, sondern für ihre Nachkommen leben sie so, daß durch

g e s u n d e s B l u t d i e Z u k u n f td e s d e u t s c h e n V o l k e s s i c h e r g e s t e l l t w i r d .

Entartetes und degeneriertes Blut kann und darf im 3. Reichnicht mit dem deutschen Boden verbunden werden. Der deut-sche Boden ist das heiligste Gut des deutschen Volkes unddarf nur Geschlechtern zur Verfügung gestellt werden, die mitdazu beitragen, das gesunde deutsche Blut nicht nur zu er-halten, sondern zu vermehren, damit Deutschland im Lebender Völker seine ihm gebührende Stelle einnehmen kann.

(Aus: Der Kleingärtner und Kleinsiedler, Nr. 6/1933-34, S. 4-6)

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