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Kapitel 10. Taylorpolynomefma2.math.uni-magdeburg.de/~mathww/sosem2005alt/Folien1011.pdf · Kapitel...

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32
Kapitel 10. Taylorpolynome In diesem kurzen Kapitel geht es um die Frage, wie wir komplizierte Funktionen durch “einfache” Funktionen, amlich Polynome, approximieren k¨ onnen. Wir haben so etwas bereits im ersten Teil der Vorlesung gemacht (siehe Kapitel 2, Satz 4); es ging dort darum, ein Polynom P (x) vom Grad <n zu finden, das durch n vorgegebene Punkte (x i ,y i ), i =1,...,n, geht, also y i = P (x i ). Hier geht es nun um etwas ¨ ahnliches: Wir wollen versuchen, eine Funktion f (x) in der N¨ ahe eines Punktes x 0 gut durch ein Polynom zu approximieren. Die Tangente an einen Punkt x 0 eines Funktionsgraphen liefert uns eine erste, lineare Approximation f¨ ur die Funktionswerte f (x) in der N¨ ahe von x 0 : f (x) f (x 0 )+ f 0 (x 0 ) · (x - x 0 ). Hier wird die Funktion durch ein Polynom ersten Grades angen¨ ahert. Beachten Sie bitte, dass diese N¨ aherung wirklich nur in der N¨ ahe von x 0 gut ist! Oft werden bessere Approximationen ben¨ otigt, vor allem, wenn der Graph in der N¨ ahe des Punktes x 0 stark Mathematik II – SoSe 2004 90
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Kapitel 10. Taylorpolynome

In diesem kurzen Kapitel geht es um die Frage, wie wirkomplizierte Funktionen durch “einfache” Funktionen,namlich Polynome, approximieren konnen. Wir habenso etwas bereits im ersten Teil der Vorlesung gemacht(siehe Kapitel 2, Satz 4); es ging dort darum, einPolynom P (x) vom Grad < n zu finden, das durch nvorgegebene Punkte (xi, yi), i = 1, . . . , n, geht, alsoyi = P (xi). Hier geht es nun um etwas ahnliches: Wirwollen versuchen, eine Funktion f(x) in der Nahe eines

Punktes x0 gut durch ein Polynom zu approximieren.

Die Tangente an einen Punkt x0 eines Funktionsgraphenliefert uns eine erste, lineare Approximation fur dieFunktionswerte f(x) in der Nahe von x0:

f(x) ≈ f(x0) + f ′(x0) · (x − x0).

Hier wird die Funktion durch ein Polynom ersten Gradesangenahert. Beachten Sie bitte, dass diese Naherungwirklich nur in der Nahe von x0 gut ist!

Oft werden bessere Approximationen benotigt, vorallem, wenn der Graph in der Nahe des Punktes x0 stark

Mathematik II – SoSe 2004 90

gebogen ist. In diesem Fall versuchen wir, die Funktiondurch Polynome zu approximieren. Eine erste bessereApproximation als die durch ein Polynom ersten Gradesware also von der Form

f(x) ≈ f(x0) + f ′(x0) · (x − x0) + c · (x − x0)2 (10)

Wir wollen klaren, wie hier die Konstante c am besten zuwahlen ist, und wie die Approximation weiter verbessertwerden kann, wenn man noch Polynome hoheren Gradeserlaubt.

Hier ist zunachst die Antwort, wie denn in (10) das cam besten zu wahlen ist:

f(x) ≈ f(x0) + f ′(x0) +f ′′(x0)

2(x − x0)

2.

Beispiel 1 Wir benutzen diese Approximation, umf(x) = esin(2x) in der Nahe von x0 = 0 zu approximieren.Wir haben

f ′(x) = 2 cos(2x) · esin(2x)

f ′′(x) = esin(2x)(4 cos2(2x) − 4 sin(2x))

alsof(0) = 1, f ′(0) = 2, f ′′(0) = 4,

Mathematik II – SoSe 2004 91

die Approximation ist also

esin(2x) ≈ 1 + 2x + 2x2.

Die folgende Skizze zeigt, dass diese Approximation inder Nahe von x0 = 0 wirklich gut ist:

1

2

3

4

5

–1 –0.8 –0.6 –0.4 –0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

x

Die gestrichelte Linie ist hier der Graph derApproximation.

Mathematik II – SoSe 2004 92

Hier sind einige weitere Beispiele:

Beispiel 2 (1) f(x) = sin(x) cos(x), x0 = π4 . Wir

erhalten

f ′(x) = cos2(x) − sin2(x)

f ′′(x) = −2 cos(x) sin(x) − 2 sin(x) cos(x) == −4 sin(x) cos(x)

also

f(x0) =1

2, f ′(x0) = 0, f ′′(x0) = −2.

und unsere Approximation ist

f(x) ≈ 1

2− (x − π

4)2

Mathematik II – SoSe 2004 93

–0.1

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2

x

(2) f(x) = e3x, x0 = 1. Die Ableitungen sind

f ′(x) = 3e3x und f ′′(x) = 9e3x

alsof(x0) = e3 ≈ 20.09

f ′(x0) = 3e3 ≈ 60.27

f ′′(x0) = 9e3 ≈ 180.77

Mathematik II – SoSe 2004 94

die Approximation ist

f(x) ≈ 20.09 + 60.27 · (x − 1) + 90.38 · (x − 1)2.

20

40

60

80

0.6 0.8 1 1.2 1.4

x

Warum ist die Approximation in (10) “gut”, wenn wir

c = f ′′(x0)2 setzen? Das liegt daran, dass wir das

Mathematik II – SoSe 2004 95

Polynom

T2(x) = f(x0) + f ′(x0)(x − x0) +f ′′(x0)

2(x − x0)

2

zur Approximation von f(x) so gewahlt haben, dass

f(x0) = T2(x0), f ′(x0) = T ′2(x0), f ′′(x0) = T ′′

2 (x0)

gilt. Das konnen wir nun verallgemeinern: Wir suchenein Polynom Tn n-ten Grades so, dass

f(x0) = Tn(x0)

f ′(x0) = T ′n(x0)

...

f (n)(x0) = T (n)n (x0)

gilt; das Polynom Tn und alle seine Ableitungen sollalso mit der (komplizierten) Funktion f(x) und derenAbleitungen an der Stelle x0 ubereinstimmen. Dasleisten die sogenannten Taylor-Polynome:

Mathematik II – SoSe 2004 96

Sei f : D → R in einer Umgebung von x0 ∈ Dn-fach differenzierbar. Das Polynom

Tn(x) =n∑

k=0

f (k)(x0)

k!(x − x0)

k

= f(x0) + f ′(x0)(x − x0)+

+f ′′(x0)2! (x − x0)

2+

+ . . . + f(n)(x0)n! (x − x0)

n

heißt Taylor-Polynom n-ten Grades von f amEntwicklungspunkt x0.

Beachten Sie, dass die oben behandelten quadratischenApproximationen gerade die Taylorpolynome vom Grad2 sind. Um besser zu approximieren, konnen wir aberauch Taylorpolynome hoheren Grades benutzen. Dassollte Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten, wenn Sie dieBeispiele fur die quadratische Approximation verstandenhaben.

Beispiel 3 Wir wollen das Taylorpolynom T6 vonf(x) = sin(x) zum Entwicklungspunkt x0 = 0bestimmen. Dazu mussen wir die Ableitungen von

Mathematik II – SoSe 2004 97

sin(x) und deren Werte an der Stelle x0 = 0 bestimmen:

f(x) = sin(x), f(0) = 0

f ′(x) = cos(x), f ′(0) = 1

f ′′(x) = − sin(x), f ′′(0) = 0

f (3)(x) = − cos(x), f (3)(0) = −1

f (4)(x) = sin(x), f (4)(0) = 0

f (5)(x) = cos(x), f (5)(0) = 1

f (6)(x) = − sin(x), f (6)(0) = 0

Also ist

T6(x) = x − x3

3!+

x5

5!.

Auch das sei wieder an einem Bild illustriert:

Mathematik II – SoSe 2004 98

–1.5

–1

–0.5

0.5

1

1.5

–4 –3 –2 –1 1 2 3 4

x

Interessanterweise kann man nun den Fehler, d.h.den Unterschied zwischen dem Taylorpolynom und derFunktion f(x), die approximiert werden soll, abschatzen:

Mathematik II – SoSe 2004 99

Es sei f : D → R in einer Umgebung von x0 ∈ D(n + 1)-mal differenzierbar, und sei x ein Punkt indieser Umgebung. Dann gibt es ein ξ zwischen xund x0 mit

f(x) = f(x0) +f ′(x0)

1!(x − x0) +

f ′′(x0)

2!(x − x0)

2

+ · · · +f (n)(x0)

n!(x − x0)

n+

+f (n+1)(ξ)

(n + 1)!(x − x0)

n+1 .

Der Ausdruck

Rn(x) =f (n+1)(ξ)

(n + 1)!(x − x0)

n+1

heißt (Lagrangesches) Restglied. Er gibt den Fehleran, der entsteht, wenn f(x) an der Stelle x0 durchdas Taylor-Polynom Tn(x) approximiert wird; dasRestglied und damit der Fehler konnen oft betragsmaßigabgeschatzt werden.

Beispiel 4 Wir betrachten noch einmal f(x) = sin(x)und T6(x) aus Beispiel 3 Die Skizze in dem Beispiel zeigt,

Mathematik II – SoSe 2004 100

dass die Funktion in dem Intervall [−1, 1] anscheinendsehr gut approximiert wird. Wir konnen das nunquantitativ auch bestatigen. Wir schatzen den Betrag

von

R6(x) =f (7)(ξ)

7!x7 =

− cos(ξ)

840x7

ab:

|R6(x)| ≤ 1

840fur alle x ∈ [−1, 1]

weil | cos(ξ)| ≤ 1.

Wenn f(x) unendlich oft differenzierbar ist, dann konnenwir die Reihe

T (x) =∞∑

k=0

f (k)(x0)

k!(x − x0)

k

bilden (Taylor-Reihe). Zunachst kann man nur sagen,dass die Taylor-Reihe die Funktion f(x) in der Nahe vonx0 approximiert. Manchmal gilt aber sogar

f(x) = limn→∞

n∑

k=0

f (k)(x0)

k!(x − x0)

k

fur alle x in einer Umgebung von x0. Wir nennen T (x)dann die Taylorentwicklung von f in x0.

Mathematik II – SoSe 2004 101

Wir geben nun einige wichtige Taylorentwicklungen an:

• ex =∞∑

k=0

xk

k!fur alle x ∈ R.

• ln(1 + x) =

∞∑

k=1

(−1)k−1xk

kfur alle x ∈ (−1, 1]

• sin(x) =∞∑

k=0

(−1)k x2k+1

(2k + 1)!fur alle x ∈ R.

• cos(x) =

∞∑

k=0

(−1)k x2k

(2k)!fur alle x ∈ R.

• 1

1 − x=

∞∑

k=0

xk fur alle x ∈ (−1, 1).

Solche Reihenentwicklungen konnen oft benutzt werden,um Grenzwerte auszurechnen. Die Taylorentwicklungvon ln(1 + x) beispielsweise zeigt

∞∑

k=0

(−1)k−1

k= 1 − 1

2+

1

3− 1

4. . . = ln(2).

Mathematik II – SoSe 2004 102

Kapitel 11. Komplexe Zahlen

Auch dieses Kapitel ist recht kurz: Es geht hier umkomplexe Zahlen. Die Menge der komplexen Zahlenwird mit C bezeichnet. Es gilt R ⊂ C, d.h. die Mengeder reellen Zahlen liegt in der Menge der komplexenZahlen. Die komplexen Zahlen sind eingefuhrt worden,weil Gleichungen wie z.B.

x2 + 1

in den reellen Zahlen keine Losungen haben.

Von grundlegender Bedeutung ist hier die Zahl i:

Das mathematische Symbol i mit der Eigenschaft

i2 = −1, bzw. i =√−1

heißt imaginare Einheit.

Durch Hinzunahme der imaginaren Einheit entstehenaus den reellen Zahlen die komplexen Zahlen C, diedefiniert sind als

Mathematik II – SoSe 2004 103

C = {a + b · i | a, b ∈ R}.

Wir konnen in den komplexen Zahlen also die Wurzelaus −1 angeben, namlich i. Wir konnen aber nun ausallen negativen Zahlen Quadratwurzeln ziehen, z.B.

√−25 =

(−1) · 25 =√−1 · 5 = 5 · i.

Man sieht naturlich sofort, dass alle reellen Zahlen inC liegen: Die reellen Zahlen sind die komplexen Zahlenmit b = 0.

Sei nun z = a + b · i eine komplexe Zahl. Die reelleZahl a heißt der Realteil von z und wird mit Re(z)bezeichnet. Die reelle Zahl b heißt Imaginarteil undwird mit Im(z) bezeichnet.

Die Zahl a− b · i heißt die zu z (komplex) konjugierteZahl und wird mit z bezeichnet.

Der Absolutbetrag |z| von z ist definiert als

|z| =√

a2 + b2 .

Zunachst ist C nur eine Menge; fur MathematikerInnenwird diese Menge dadurch interessant, dass man mit

Mathematik II – SoSe 2004 104

ihren Elementen auch vernunftig rechnen kann. Die nunfolgenden Rechenregeln mussen Sie sich einpragen:

(Rechenregeln in C)Seien z1 = a+ b i und z2 = c+d i ∈ C, a, b, c, d ∈ R.Dann sind die Summe, die Differenz, das Produktund der Quotient der Zahlen gegeben durch:

z1 + z2 = (a + b i) + (c + d i) = (a + c) + (b + d) i,

z1 − z2 = (a + b i) − (c + d i) = (a − c) + (b − d) i,

z1 · z2 = (a + b i) · (c + d i) = (ac − bd) + (bc + ad) i,

z1

z2=

a + b i

c + d i=

ac + bd

c2 + d2+

bc − ad

c2 + d2i, fur z2 6= 0.

Die Regel fur die Multiplikation ergibt sich ganznaturlich, wenn man das Distributivgesetz anwendet:

(a + b i) · (c + d i) = ac + bd i2 + ad i + bc i

= (ac − bd) + (ad + bc) i

Etwas unklarer ist vielleicht, wie man auf die Formel

Mathematik II – SoSe 2004 105

fur den Quotienten kommt. Aber auch das ist nichtschwierig, wir erweitern einfach den Bruch

a + b i

c + d i

mit c − d i, dem komplex konjugierten von c + d i:

(a + b i)(c − d i)

(c + d i)(c − d i)=

(ac + bd) + (bc − ad) i

c2 + d2

Beispiel 1 • (3 + 4 i) + (6 − i) = 9 + 3 i

• (2+6 i)·(−4+2 i) = −8+12 i2−24 i+4 i = −20−20 i

• Wir wollen −1+2 i4−3 i ausrechnen:

−1 + 2 i

4 − 3 i=

−4 − 6

16 + 9+

8 − 3

16 + 9i =

−10

25+

5

25i = −2

5+

1

5i

• |2 + 5 i| =√

29

• 4 − 3 i = 4 + 3 i

Fur das Rechnen mit z = a + b i und seinem komplexkonjugierten z = a − b i ergeben sich folgende sehrnutzlichen Rechenregen:

Mathematik II – SoSe 2004 106

z + z = 2a = 2Re(z),

z − z = 2b i = 2Im(z) i,

z · z = a2 + b2.

Wichtig ist auch noch das Inverse einer komplexen Zahl:

Ist z = a + b i, so ist

z−1 =a

a2 + b2− b

a2 + b2i.

Das ergibt sich naturlich sofort aus der Regel zur Bildungdes Quotienten 1+0 i

a+b i.

Mathematik II – SoSe 2004 107

0

z = a + b i

z = a − b i

b

−b

φ

Im(z)

Re(z)a

|z|

Gaußsche Zahlenebene

Dieses Bild zeigt fur z = a + b i, dass

sin φ =b

|z| und cosφ =a

|z|.

Daraus ergibt sich die trigonometrische Darstellungeiner komplexen Zahl:

z = a + bi = |z| · (cosφ + i sin φ).

Mathematik II – SoSe 2004 108

Dabei ist der Winkel φ eine reelle Zahl. Sie lasst sichfur a, b ≥ 0 berechnen als

arcsinb

|z|.

In den anderen Fallen muss man etwas aufpassen:

Umrechnung komplexer Zahlen in dietrigonometrische Darstellung

Wir gehen von z = a + b · i aus. Die folgende Tabellezeigt, wie wir dann φ ∈ [0, 2π] ausrechnen konnen:

a ≥ 0, b ≥ 0 φ = arcsin( b√a2+b2

)

a ≥ 0, b < 0 φ = 2π + arcsin( b√a2+b2

)

a ≤ 0 φ = π − arcsin( b√a2+b2

)

Beachten Sie, dass die Große von φ die Vorzeichen vona und b in z = a + b i bestimmt:

a ≥ 0, b ≥ 0 φ ∈ [0, π/2]a ≤ 0, b ≥ 0 φ ∈ [π/2, π]a ≤ 0, b ≤ 0 φ ∈ [π, 3π/2]a ≥ 0, b ≤ 0 φ ∈ [3π/2, 2π]

Mathematik II – SoSe 2004 109

Wegen sin(φ) = − sin(−φ) gilt arcsinx =− arcsin(−x). Die Anwendung dieser Formel kannnutzlich sein, wenn man x gerne positiv haben mochte.

Wir wollen das an einigen Beispielen illustrieren:

z1 = 1 − 2 i Hier gilt |z1| =√

5, a ≥ 0, b < 0, also

z1 =√

5(cos(φ) + i sin(φ))

mit

φ = 2π + arcsin(−2√

5)

= 2π − arcsin(2√5)

≈ 5.18 (297◦).

Bei der letzten Umformung haben wir arcsin(−x) =− arcsin(x) benutzt.

z2 = 2 − 2 i√

3 Hier gilt |z2| = 4, a ≥ 0, b < 0, also

z2 = 2(cos(φ) + i sin(φ))

Mathematik II – SoSe 2004 110

mit

φ = 2π + arcsin(−2

√3

4)

= 2π − arcsin(2√

3

4)

= 2π − arcsin(

√3

2)

=5π

3(300◦).

z3 = −1 − i Hier gilt |z3| =√

2, a ≤ 0 also

z3 =√

2(cos(φ) + i sin(φ))

mit

φ = π − arcsin(−1√

2)

= π + arcsin(1√2)

= π +π

4

=5π

4(225◦)

Mathematik II – SoSe 2004 111

In der folgenden Skizze sind die drei Punkteeingezeichnet:

z1

z2

z3

Realteil

Imaginarteil

1

−1

Wir haben bislang nur die Addition und Multiplikationkomplexer Zahlen erklart. Man kann sich auchuberlegen, dass komplexe Zahlen in einem Exponentenauftreten konnen. Um solche “komplexen Potenzen”ausrechnen zu konnen, benotigen wir

e iφ = cosφ + i sinφ fur alle reellen φ.

Mathematik II – SoSe 2004 112

Fur den Betrag der Zahl e iφ gilt:

|e iφ| = cos2 φ + sin2 φ = 1,

es ist also eine Zahl vom Betrag 1. Wir konnen jedekomplexe Zahl z = a + b i in der Form

z = |z| · e iφ

schreiben. Man nennt dies die Darstellung der komplexenZahl in Polarkoordinaten. Merken Sie sich insbesondere

e2π i = 1, , eπ i = −1, eπ i2 = i

Beispiel 2 Es gilt

e iα · e iβ = e i(α+β) = cos(α + β) + i sin(α + β). (11)

Wir konnen dieses Produkt aber auch ausrechnen, indemwir erst e iα und e iβ in ihre trigonometrische Darstellungtransformieren und dann die ubliche Multiplikationkomplexer Zahlen anwenden:

e iα = cosα + i sinα

e iβ = cosβ + i sinβ

Mathematik II – SoSe 2004 113

also

e iα · e iβ = cosα cosβ − sinα sinβ ++ i(cosβ sin α + sinβ cosα).

(12)

Wenn wir die beiden Ausdrucke (11) und (12)vergleichen, so erhalten wir die Additionstheoremefur trigonometrische Funktionen:

cos(α + β) = cosα cos β − sinα sinβ

sin(α + β) = cosβ sinα + sinβ cosα

Dieses Beispiel macht deutlich: Multiplikation mite iα (α ∈ R) bedeutet eine Drehung der GaußschenZahlenebene um den Winkel α. Weil jede komplexeZahl z eine Darstellung

z = |z| · e iα

hat, kann man die Multiplikation in der GaußschenEbene also als eine Streckung oder Stauchung miteinem Faktor |z|, verbunden mit einer Drehung um denWinkel α, auffassen.

Beispiel 3 Wir betrachten die Funktion

f(t) = et i,

Mathematik II – SoSe 2004 114

alsoRe(f(t)) = cos(t).

Sei z ∈ C. Wir wollen uns anschauen, welchen Einflussdie Multiplikation von f(t) mit z auf den Realteil hat,also was ist

Re(z · f(t)).

Wenn wir z = |z| · eω i schreiben, so gilt

Re(z · f(t)) = |z| · cos(t + ω),

wir erhalten also eine Phasenverschiebung und eineAmplitudenanderung der Cosinusfunktion. Die Periode2π andert sich nicht.

Beispiel 4 (1) Wir wollen uns uberlegen, ob so etwasmerkwurdiges wie i i ausgerechnet werden kann. Dazuschreiben wir

i = e iπ2 . (13)

Auszurechnen ist nun

(e iπ2 ) i = e i2π2 = e−

π2 .

(2) Wir wollen jetzt√

i bestimmen. Wegen√

i = i1/2

konnen wir das wieder einfach mit der Darstellung (13)machen:

i1/2 = (e iπ2 )1/2 = e iπ4 = cosπ

4+ i sin

π

4=

√2

2(1 + i).

Mathematik II – SoSe 2004 115

Mit Hilfe der trigonometrischen Darstellung lassen sicheinfach n-te Potenzen und n-te Wurzeln einer komplexenZahl bilden. Es gilt namlich fur z = |z|(cosφ + i sinφ)und n ∈ N:

zn = |z|n (cos nφ + i sinnφ) . (14)

Das kann man sich leicht klarmachen, weil

z = |z| · e iφ

ist, alsozn = |z|n · e inφ.

Wenn wir das wieder mit Hilfe der trigonometrischenFunktionen schreiben, erhalten wir (14).

Weiterhin ist die komplexe Zahl

ωn(z) = n√

|z| ·(

cos φn + i sin φ

n

)

eine n-te Wurzel von z, d.h. (ωn(z))n

= z.

Die komplexen Zahlen

e2π in ·k, k = 0, 1, . . . , n − 1

Mathematik II – SoSe 2004 116

heißen die n-ten Einheitswurzeln. Sie sind alleverschieden und haben die Eigenschaft

(

e2π in ·k)n

= e2π i k =(

e2π i)k

= 1.

Also sind die n-ten Einheitswurzeln die n verschiedenenNullstellen von xn − 1 in C. Wir konnen mit Hilfeder n-ten Einheitswurzeln aus ωn(z) noch weitere n-teWurzeln von z erzeugen: Die samtlichen n-ten Wurzelnaus z sind namlich

ωn(z) · e2π in ·k, k = 0, 1, . . . , n − 1.

In C hat das Polynom xn − 1 genau n verschiedeneNullstellen. In R hat das Polynom aber nur ein oderzwei Nullstellen, namlich ±1, Dass das Polynom in C

so viele Nullstellen hat, dass es sogar in Linearfaktorenzerfallt, ist kein Zufall, wie der folgende Satz zeigt:

Mathematik II – SoSe 2004 117

(Fundamentalsatz der Algebra, Gauß 1799)

Sei P (x) = anxn + an−1xn−1 + . . . + a1x + a0 ein

komplexes Polynom vom Grad n. Dann laßt sichP (x) eindeutig (bis auf die Reihenfolge) als Produktvon n linearen Faktoren in der folgenden Formschreiben:

P (x) = an(x − x1) · (x − x2) · . . . · (x − xn)

mit x1, . . . , xn ∈ C, d.h. P (x) hat (mitVielfachheiten gezahlt) n komplexe Nullstellen.

Ist dabei P (x) ein reelles Polynom, d.h. sind dieKoeffizienten ai reelle Zahlen, so ist mit jeder Nullstellez = a + ib (a, b ∈ R) auch die komplex konjugierte Zahlz = a − ib eine Nullstelle; das Paar z, z heißt ein Paarkonjugierter Nullstellen.

Beispiel 5 Wir wollen diesen Satz an zwei Beispielenillustrieren:

(1) 5x2 + 4x + 4 Die ubliche Formel zur Losung

quadratischer Gleichungen zeigt, dass 5x2 + 4x + 4 = 0

Mathematik II – SoSe 2004 118

genau fur

x± =−4

10± 1

10

√16 − 80 =

1

10(−4±

√−64) = −0.4±0.8 i

gilt. Das Polynom lasst sich also zerlegen

5x2 +4x+4 = 5(x− (−0.4+0.8 i))(x− (−0.4− 0.8 i))

und man sieht, dass wir hier ein Paar komplexkonjugierter Nullstellen haben.

(2) x2 + i Die Nullstellen sind (vergleiche mit dem

Beispiel 4)

x± = ±√− i = ± i

√i = ± i

√2

2(1+ i) = ±

√2

2(−1+ i).

Diese beiden Nullstellen

√2

2(−1 + i) und

√2

2(1 − i)

sind nicht zueinander komplex konjugiert.

Beispiel 6 Abschließend wollen wir den Umgang mitkomplexen Zahlen noch einmal an einem linearen

Mathematik II – SoSe 2004 119

Gleichungssystem uben. Wir betrachten

(

2 i 3 + i −4 i1 i − i

)

xyz

=

(

7 + 3 i2 + i

)

.

In Matrixform ist das

(

2 i 3 + i −4 i 7 + 3 i1 i − i 2 + i

)

.

Umformungen ergeben

(

1 i − i 2 + i0 5 + i −2 − 4 i 9 − i

)

(

1 i − i 2 + i

0 1 113(−7 − 9 i) 1

13(22 − 7 i)

)

(

1 0 113(−9 − 6 i) 1

13(19 − 9 i)

0 1 113(−7 − 9 i) 1

13(22 − 7 i)

)

Mathematik II – SoSe 2004 120

Wir konnen jetzt die Losung ablesen:

z = s

y =1

13(22 − 7 i) − 1

13(−7 − 9 i) · s

x =1

13(19 − 9 i) − 1

13(−9 − 6 i) · s

Fur s = i erhalten wir beispielsweise

x = 1, y = 1, z = i.

Mathematik II – SoSe 2004 121


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