+ All Categories
Home > Documents > Kämpfen für Rosita

Kämpfen für Rosita

Date post: 04-Jan-2017
Category:
Upload: phungliem
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
110
Transcript

SKULL-RANCH

Kämpfen für Rosita Scanned by: crazy2001 @ 01/04 Corrected by: dem k-leser

Ein neuer faszinierender Western von Frank Callahan

Doc Smoky beobachtet, wie das Lagerfeuer zuckend niederbrennt. Brazos und Shorty, seine Freunde von der Skull-Ranch, haben sich längst in ihre Decken gewickelt. Ein harter Trail liegt hinter den drei Cowboys, die eine kleine Pferdeherde nach El Paso bringen sollen. Anschließend wollen sie Rosita, eine junge Mexikanerin, auf ihrer Hazienda besuchen. Ein knackendes Geräusch reißt Doc Smoky jäh aus seinen Gedanken. Der Oldtimer greift nach seiner Schrotflinte. Ein langgezogenes Heulen läßt ihn herumfahren. Im schwachen Mondlicht erkennt er eine schwarze Gestalt …

- 1 -

Smoky fährt sich über die Augen, glaubt im ersten Moment, sich getäuscht zu haben, entdeckt jedoch dann einen weiteren dunklen Schatten, der für einen kurzen Moment auftaucht und dann wieder in dem unebenen Gelände verschwindet.

Nun erschrickt Doc Smoky. Er ahnt, daß es Banditen auf die Pferde abgesehen haben. Sein Erschrecken währt jedoch nur wenige Sekunden, dann überzieht sich Doc Smokys verwegenes Piratengesicht mit einem grimmigen Lächeln.

Er duckt sich, hebt einen Kieselstein auf und wirft diesen zu Shorty hinüber, dessen Schnarchen abrupt ver­stummt. Der kleine Cowboy richtet sich auf.

»Psst«, raunt Smoky. »Du mußt Brazos wecken. Irgendwelche Kerle schleichen sich an. Und wir wollen diesen Burschen einen heißen Empfang bereiten.«

Seine flüsternde Stimme verstummt. Shorty kriecht aus seiner Decke. Er ist gegen den dunklen Hintergrund einiger Felsbrocken kaum auszumachen.

Brazos will hochfahren, als ihm Shorty die Nase zuhält. Dann liegt er jedoch wie erstarrt, spürt das kalte Metall eines Revolvers an seiner Schläfe.

»So ist es recht, Dicker«, raunt Shorty. »Bist du wach? Ein paar Burschen schleichen sich heran. Bestimmt haben sie es auf unsere Pferde abgesehen.«

Brazos ist im Bilde. Er wirft einen schiefen Blick auf Shortys Colt und schiebt den Revolverlauf mit dem Zei­gefinger zur Seite.

Auch er bewaffnet sich. Die drei Cowboys von der Skull-Ranch lauschen in

die Dunkelheit. Ein Jagdfalke schießt mit einer Beute in den Fängen über die Männer hinweg.

Schon glaubt Doc Smoky, sich getäuscht zu haben, als

- 2 -

er einen dunklen Körper erkennt, der herangekrochen kommt und hinter einer Dornenhecke liegenbleibt.

Es dauert nicht lange, dann schiebt sich eine zweite und dann eine dritte Gestalt heran. Die drei Pferdediebe bleiben regungslos liegen und spähen zum knisternden Lagerfeuer hinüber.

Doc Smoky hält den Atem an. Längst hat er beide Hähne seiner Parker-Gun gespannt. Und mit diesem Schießprügel kann er eine ganze Banditenhorde in die Flucht jagen.

Sekunden vergehen. Die drei Halunken lassen sich Zeit. Niemand folgt ihnen. Die Kerle scheinen allein zu sein.

Doc Smoky beschließt, nicht mehr länger herumzutändeln. Wenn die drei Banditen sich erst trennen, werden seine Chancen mit dem Schrotgewehr sinken.

Er schleicht ihnen entgegen, verursacht dabei keinerlei Geräusche. Drei Yards seitlich von den Pferdedieben wächst der Oldtimer dann wie ein lautloser Spuk aus dem Boden.

Seine rostige Stimme krächzt: »Keine Bewegung, Jungs, denn sonst müßte ich beide

Läufe meiner Parker-Gun abschießen. Daß dann kaum noch etwas von euch Heldensöhnen übrigbleibt, könnt ihr euch wohl leicht ausrechnen!«

Die drei Burschen liegen wie erstarrt am Boden. Nur ihre erstaunt funkelnden Augen werden von den Flammen des Lagerfeuers reflektiert.

Sie wagen nicht, sich zu bewegen. Brazos und Shorty halten sich noch immer im

Hintergrund, denn es könnte ja sein, daß diese drei rauhen Gesellen wirklich nicht allein gekommen sind.

- 3 -

Stille herrscht. Nur das Wiehern der Pferde weht leise herüber. Ein leichter Wind spielt mit der Krempe von Doc Smokys riesigem Lederhut.

»So, und nun auf die Beine, Jungs. Laßt nur euere Eisen stecken, sonst mache ich Hackepeter aus euch.«

Mit verzerrten Gesichtern richten sich die drei Banditen auf. Sie müssen einen unheimlichen Respekt vor Smokys Gewehr haben, denn die Burschen riskieren nichts, recken ihre Hände bis in Schulterhöhe hoch.

Es handelt sich um Mexikaner, die einen abgerissenen und verwahrlosten Eindruck machen. Smoky starrt in die bärtigen Gesichter, sieht die tückisch funkelnden Augen und nickt den drei Hombres mit ernstem Gesicht zu.

»So, runter mit den Revolvergürteln. Dann werden wir uns einmal vernünftig unterhalten.«

Die drei Mexikaner zögern. Ihre erste Überraschung hat sich gelegt. Und nun

überlegen sie fieberhaft, wie sie ihre Köpfe aus dieser mißlichen Lage ziehen können.

»Versucht es nur, ihr Komiker, versucht es nur!« Sie unternehmen nichts, erkennen die

Aussichtslosigkeit ihrer Situation. Die Revolvergürtel poltern zu Boden. Kleine Staubfontänen wölken auf.

»Seid ihr alleine, oder schleichen noch einige Compadres durch die Gegend?« will Smoky wissen.

Sie antworten nicht. Shorty schiebt sich heran. Er reicht den bärtigen

Banditen gerade bis zur Brust. Der Skull-Cowboy rammt einem der Kerle seinen Revolver in den Bauch.

»Du bist etwas gefragt worden«, knurrt Shorty dabei. »Los, spuck es schon aus, oder ich drücke ab!«

Der Mexikaner zittert am ganzen Körper. Doc Smoky ist schon lange zu der Erkenntnis gekommen, daß sie es

- 4 -

mit drittklassigen Bandoleros zu tun haben. Und so ist es auch. »Wir sind allein, Senor!« sagt der Mann, der von

Shortys Revolver bedroht wird. »Wir wollten nur nachse­hen, wer hier sein Camp aufgeschlagen hat und um etwas Kaffee bitten. Ich schwöre euch, bei der Heiligen Jung­frau von Guadelupe, daß wir nichts Schlechtes im Sinn hatten. Bitte lassen Sie uns laufen, Senor!«

»Du lügst«, knurrt Doc Smoky. »Ihr hattet es auf unsere Pferde abgesehen, doch nun haben wir euch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir werden euch morgen dem Sheriff von El Paso übergeben. Und nun werden wir euch fesseln, damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt.«

So machen sie es auch. Wenige Minuten später liegen die drei Gefangenen wie Rollbraten verschnürt in der Nähe des Lagerfeuers, das langsam niederbrennt.

Brazos, Shorty und Doc Smoky sehen sich grinsend an.

»Das wäre ja nochmals gutgegangen«, röhrt Brazos tiefe Stimme. »Gut, daß du so gut aufgepaßt hast, alter Knabe. Dafür gebe ich auch in El Paso einen Drink aus. Einverstanden?«

Smoky lächelt zufrieden. »Dann nehmt noch eine Mütze voll Schlaf. In zwei

Stunden brechen wir auf. Vielleicht treibt sich noch mehr von diesem Lumpenpack in der Gegend herum. Und wir wollen doch nicht so kurz vor dem Ziel in die Hosen machen, Jungs, nicht wahr?«

Als es im Osten langsam hell zu werden beginnt, brechen die drei Männer von der Skull-Ranch auf. Die drei Mexikaner betteln immer wieder um ihre Freiheit, doch Doc Smoky bleibt hart und unerbittlich. Er weiß,

- 5 -

sollte er die Kerle laufenlassen, werden sie ihnen auf den Fersen kleben. Und die drei Cowboys wollen kein Risiko eingehen und die Herde sicher ans Ziel bringen.

* * *

El Paso liegt hinter den drei Jungs von der Skull. Mit Erfolg haben sie die Herde verkauft. Nur knapp sind sie einigen Bandoleros entkommen. Und sie ahnen, daß die zehntausend Dollar in ihren Taschen die Banditen anzie­hen, wie ein blühender Ginsterstrauch die Bienen.

Sie zügeln ihre Pferde. Stumm sehen sie sich an. Doc Smoky bricht nach einer Weile das Schweigen.

»Hört zu, Jungs«, sagt er. »Ich habe mir da gerade etwas überlegt. Diese Halunken, die es auf unser Geld abgesehen haben, nehmen an, daß wir in Richtung Colorado reiten werden. Und dort irgendwo zwischen den Hügeln werden sie uns einen Hinterhalt legen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«

Shorty und Brazos blicken ihren Gefährten verwirrt an. Sie wissen beim besten Willen nicht, worauf Doc Smoky hinaus will.

Der Oldtimer fährt dann auch schon fort. »Wir schlagen den Burschen ein Schnippchen. Wißt

ihr, eigentlich hatten wir gedacht, erst in drei Tagen nach El Paso zu kommen. Also stehen uns irgendwie drei Tage Urlaub zu. Na, könnt ihr mir folgen, ihr Heldensöhne?«

Shorty und Brazos schütteln die Köpfe. »Nicht die Bohne, Alter«, brummt Brazos. »Rede

doch nicht immer um den heißen Brei herum. Spuck schon aus, was du uns sagen willst. Wir sollen also drei Tage blau machen und nicht sofort zur Skull-Ranch zurückreiten. Ist es das, was du meinst?«

- 6 -

Der Oldtimer nickt lächelnd. »Du bist doch ein schlaues Kerlchen, Dicker. Okay,

genauso habe ich es gemeint.« »Heh«, murrt Shorty. »Und wohin sollen wir reiten,

um Urlaub zu machen? Willst du vielleicht hier irgendwo in dieser Einöde kampieren, wo sich die Wölfe und Klapperschlangen ›gute Nacht‹ sagen?«

Doc Smokys Piratengesicht bekommt einen nachsichtigen Ausdruck. Er tippt sich gegen die Stirn.

»Hört zu. Ich habe eine ausgezeichnete Idee. Bis nach Sonoita sind es nur wenige Meilen. Na, was meint ihr? Wollen wir nicht einen Abstecher dorthin riskieren?«

Shorty und Brazos zeigen wenig Begeisterung. »Was sollen wir denn dort? Sonoita? Noch nie gehört,

Alter. Dort ist bestimmt nicht viel los. Da ist …« Brazos' Stimme endet mit einem Mißklang. »Hey, Smoky«, grinst er dann. »Liegt dort in der Nähe

von Sonoita die Hazienda, die du einmal geerbt hast und wo wir dich in der letzten Minute herauspauken mußten?«

Doc Smoky nickt. »Yeah, genauso ist es gewesen. Shorty, du willst doch

nicht behaupten, daß du dich daran nicht mehr erinnern kannst.«

»Natürlich, Alter. Glaubst du vielleicht, daß ich diese kleine Mexikanerin vergessen habe. Na, wie hieß sie denn nur …?«

»Rosita«, sagt Doc Smoky mit strahlenden Augen. »Rosita, die schönste Blume jenseits des Rio Grande. O Mann, wenn ich damals zwanzig Jahre jünger gewesen wäre, dann …«

Doc Smoky winkt ab. Und er denkt in diesen Sekunden daran, daß er vor

- 7 -

einigen Monaten nur mit knapper Not der Garotte, dem Würgeeisen, entgangen war. Eine üble mexikanische Bande hatte ihm eine Falle gestellt, in die er auch prompt getappt war. Er sollte einen Mord begangen haben und wurde zum Tode verurteilt. Rosita und ihr Vater, der bei der folgenden Hetzjagd ums Leben kam, halfen ihm, seinem schrecklichen Schicksal zu entgehen.

John Morgan, Shorty und Brazos paukten ihn dann vollends aus seiner fast aussichtslosen Lage. Und Doc Smoky war froh, Mexiko wieder verlassen zu können und hatte die von einem ehemaligen Sattelgefährten ge­erbte Hazienda der jungen Rosita überschrieben.

Und nun reizt es ihn, Rosita und die Hazienda wiederzusehen. Die Augen des Oldtimers strahlen.

»Reiten wir, Smoky. Okay, das ist eine brauchbare Idee. Wenn wir in einigen Tagen zurückreiten, werden uns die Banditen kaum noch erwarten.«

So sagt Brazos. Und Shorty nickt und grinst über sein pfiffiges Gesicht.

»Okay, Amigos, reiten wir zu der schönen Rosita. Sie wird sich bestimmt freuen, die Heldensöhne von der Skull-Ranch zu sehen.«

Shorty treibt seine Rosinante an. Das so häßliche Pferd, das immer einen müden Eindruck macht, galop­piert davon, als habe man ihm den Schwanz angesengt. Lachend folgen Brazos und Smoky. Und sie freuen sich darauf, bei Rosita ein paar Tage ausspannen zu können.

* * *

Längst haben die drei Cowboys von der Skull-Ranch den Rio Grande überschritten und befinden sich auf mexikanischem Boden. In der Ferne erkennen sie bereits

- 8 -

die ersten Ausläufer der Sierra Madre Ocidental. Sie zügeln ihre Pferde. Heiß brennt die Sonne vom wolkenlosen Himmel

hernieder. Schweißflecke haben sich bei den Männern unter den Achselhöhlen gebildet. Ein paar Geier kreisen in großer Höhe über ihnen, hoffen wohl auf eine Beute.

»Wie weit ist es noch, du Bauchbetrüger?« fragt Brazos. »Ich habe längst die Orientierung verloren. Hier sieht doch alles gleich aus. Felsen und Kakteen, Klapperschlangen und Coyoten.«

Doc Smoky grinst plötzlich und deutet zu einer Hügelkette hinüber, die nur wenige Meilen entfernt ist.

»Dort drüben müssen wir hindurch. Und dahinter liegt die Hazienda El Novillero. Keine Bange, Junge, ich täusche mich schon nicht. Und hinter diesen Hügeln wird das Land auch schon wieder fruchtbarer werden, denn dort gibt es genügend Wasser.«

Die drei von der Skull reiten weiter. Doc Smoky behält recht. Schon bald wuchert das erste Grün an den sanft ansteigenden Berghängen. Sie erreichen auch einen kleinen Creek, der sich durch saftiges Gras schlängelt.

Sie tränken ihre Pferde und erfrischen sich ebenfalls. Der in den Satteltaschen mitgeführte Proviant will ihnen nicht so recht schmecken. Brazos meckert ununterbrochen, als er auf dem trockenen Dörrfleisch herumkaut.

Zwei Stunden später reiten sie weiter. Die größte Mittagshitze liegt hinter ihnen.

Nachdem sie noch eine kleinere Hügelkette überquert haben, liegt ein großes Tal vor ihnen. So weit ihre Augen sehen können, erkennen die drei Jungs von der Skull-Ranch Agaven- und Maisfelder. Hier und dort sehen sie Leute bei der Feldarbeit.

- 9 -

»Das alles hat einmal mir gehört«, sagt Doc Smoky stolz. »Manchmal frage ich mich, ob ich nicht ein Narr gewesen bin, dies alles zu verschenken?«

»Du alter Angeber«, ruft Shorty. »Du bist doch damals heilfroh gewesen, daß du mit uns zur Skull-Ranch zurückreiten konntest. Was sind schon ein paar Maisfelder gegen das Blue-grass Valley? Ich würde niemals tauschen, Smoky.«

»Ich auch nicht«, brummt Brazos. »Stell dir nur die riesige Verantwortung vor, die du gehabt hättest. Du wärst niemals wieder zur Ruhe gekommen. Und irgendein mexikanischer Bastarde hätte dich über den Haufen geknallt.«

Sie reiten weiter. Bald sehen sie die Gebäude der Hazienda vor sich

liegen. Und das Haupthaus gleicht fast einem Palast. Eine Meute von Hunden kommt den drei Reitern entgegen. Zähnefletschend und knurrend umkreisen sie die Skull-Reiter, achten jedoch darauf, nicht in die Nähe der Hufe zu geraten.

Eine breite Steintreppe führt zu einer großen Veranda hinauf. Doc Smoky, Shorty und Brazos springen aus den Sätteln. Ein paar mexikanische Peone starren herüber.

Doc Smoky ist enttäuscht, denn er kann Rosita nirgends entdecken. Irgendwie hat er sich seine Ankunft anders vorgestellt. Achselzuckend wendet er sich an seine beiden Freunde.

»Rosita scheint nicht da zu sein. Kann ja passieren, denn wir haben uns ja auch nicht angemeldet.«

»Da kommt jemand«, sagt Brazos und deutet zur Veranda hinauf. Ein bulliger Hombre, der in Größe und Statur Brazos sehr ähnlich ist, stiefelt mit schweren Schritten heran. Der Mann ist mexikanischer

- 10 -

Abstammung. Er trägt zwei Six Shooter im Kreuzgurt. Harte Blicke treffen die drei Ankömmlinge, die sich verdutzt ansehen.

Dann dröhnt auch schon die tiefe Baßstimme des Mannes auf.

»Was wollt ihr hier? Wenn ihr Arbeit sucht, dann seid ihr an der falschen Adresse. Wir stellen niemanden ein, und schon überhaupt keine Americanos.«

Doc Smoky schiebt sich nach vorn. Er läßt sich von dem selbstsicheren Auftreten des

Mexikaners nicht einschüchtern. Der Oldtimer tippt freundlich gegen die Krempe seines staubigen Lederhutes.

»Buenos dias, Senor. Wir sind nur auf der Durchreise und möchten der Besitzerin dieser wunderschönen Ha­zienda, Senorita Rosita, einen Besuch abstatten. Bitte melden Sie uns an!«

Der Mexikaner staunt. Dann schiebt er seinen Sombrero in den Nacken. Schwarzes, lockiges Haar kommt zum Vorschein.

»Sie kennen Senorita Rosita?« »Si, si, Senor. Sagen Sie ihr, daß ihre Freunde aus

Colorado angekommen sind.« Die Augen des Mexikaners verengen sich leicht. Die

drei Skull-Männer spüren förmlich das Mißtrauen, das ihnen entgegenschlägt.

»Adelante, Amigo«, tönt Shorty. »Wir sind Freunde des Hauses. Und wir wollen auch wie solche empfangen werden.«

Der Mexikaner lächelt plötzlich. Er ist jedoch kein freundliches Lächeln, erinnert mehr an das Zähnezeigen eines Raubtiers.

»Warten Sie bitte, Senores.«

- 11 -

Der schwergewichtige Mann macht kehrt und stampft davon. Doc Smoky blickt sich um. Niemand achtet auf die drei Männer von der Skull-Ranch. Die Peone und Vaqueros gehen ihren gewohnten Arbeiten nach.

Brazos fährt sich über seine ausgetrockneten Lippen. Ein Stöhnen dringt aus seinem Mund.

»Ich könnte einen ganzen Bergsee aus den Rockies leertrinken. Außerdem habe ich schon wieder mächtigen Hunger. He, Smoky, stimmt hier auf der Hazienda irgend etwas nicht? Wenn mich nicht alles täuscht, ist das ein verdammt unfreundlicher Empfang gewesen.«

Ehe der Oldtimer etwas entgegnen kann, vernehmen sie einen Freudenschrei, der von den Lippen einer jungen und schlanken Mexikanerin kommt, die auf der Veranda aufgetaucht ist.

»Rosita«, murmelt Doc Smoky und läuft auch schon los. Gleich darauf liegt die schwarzhaarige Mexikanerin in seinen Armen. Smoky bekommt einen Kuß auf die Wange.

»Hallo, kleine Chicita«, lächelt Doc Smoky. Sein Piratengesicht legt sich in tausend Falten. »Schön dich zu sehen. Hoffentlich kommen wir dir nicht zu ungelegen?«

Sie schüttelt den Kopf. Auf ihrem gebräunten, leicht ovalen Gesicht mit den dunklen Kulleraugen, liegt noch immer Wiedersehensfreude. Sie faßt Doc Smoky an der Hand und zieht ihn hinter sich her, genau auf Shorty und Brazos zu, die nun ihre Hüte ziehen und freundlich grinsen.

»Ihr seid mir immer willkommene Gäste, Jungs«, ruft Rosita mit ihrer hellen Stimme. Sie wendet sich an Doc Smoky.

»Du besonders, Smoky. Ich habe dir doch damals gesagt, daß du hier für immer zu Hause sein kannst,

- 12 -

wenn du es nur willst.« Smoky blickt über Rositas Schultern hinweg und

erkennt den bulligen Mexikaner, der drei Pferdelängen entfernt unter einer Tür steht und mit verkniffenen Gesichtsausdruck herüberspäht.

»Was ist denn das für ein komischer Heiliger?« fragt der Oldtimer. »Dieser Hombre scheint uns irgendwie nicht zu mögen.«

Rosita blickt in die von Smoky angedeutete Richtung. Für einen kurzen Moment überschattet sich ihr Gesicht. Ein tiefer Ernst liegt in ihren dunklen Augen.

Doch dies merken die drei Skull-Boys nicht. Rosita macht nur eine lässige Handbewegung.

»Das ist Pancho. Er ist so etwas ähnliches wie mein persönlicher Schutzengel. Er kümmert sich um mich, denn es ist nicht leicht, sich bei all den vielen Männern hier auf der Hazienda und im umliegenden Land durchzusetzen. Das kannst du mir glauben, Smoky. Ich habe kein leichtes Erbe übernommen.«

Ein sonderbarer Ausdruck klang in ihrer Stimme mit, der den Oldtimer stutzig machte.

»Hast du Kummer, kleine Rosita?« fragte er. »Können wir dir irgendwie helfen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Kommt mit ins Haus, Jungs. Bestimmt habt ihr

Hunger und Durst. Ihr müßt mir nur eure Wünsche sagen.«

Sie folgen der Mexikanerin. Ihr weiter Rock schwingt hoch, als sie die Stufen der Treppe zur Veranda hoch­springt.

»Endlich ein vernünftiges Wort«, sagt Brazos. »Ich habe wirklich Hunger wie ein Bär nach dem Winter­schlaf.«

- 13 -

Bald sitzen sie im kühlen Wohnraum der Hazienda, wo es sich aushalten läßt. Die drei Cowboys nippen an ihren Gläsern. Und in der Küche brutzeln bereits einige Steaks.

»Wie ist es dir ergangen, Rosita?« fragt Doc Smoky das junge Mädchen, das ihm direkt gegenübersitzt. Erst jetzt erkennt der Koch der Skull-Ranch, daß Rosita einen müden und abgespannten Eindruck macht, nachdem die erste Wiedersehensfreude verflogen ist. Dunkle Schatten liegen um ihre Augen.

Sie schreckt zusammen, und es sieht gerade so aus, als habe sie Doc Smokys Worte nicht verstanden. Dann quält sich ein müdes Lächeln um ihre Mundwinkel.

»Manchmal wächst mir die Arbeit über den Kopf. Es fehlt an guten Leuten an allen Ecken und Enden. Sonst ist eigentlich nichts los, obwohl es natürlich einige Neider gibt, die mir meinen plötzlichen Reichtum nicht gönnen.«

»Und bestimmt gibt es einige junge Burschen, die mächtig hinter dir her sind, nicht wahr?« fragt Shorty.

Rositas Lächeln wirkt nun herzlich. »Gewiß, Shorty. Ich bin nun einmal zu einer guten

Partie geworden«, sagt sie kokett. »Und außerdem bist du die hübscheste Senorita im

Umkreis von einigen hundert Meilen«, meint Brazos. Ehe er jedoch seine Komplimente fortsetzen kann, taucht ein Mexikaner im Türrahmen auf, der ein riesiges Tablett heranschleppt.

Köstlicher Essensduft breitet sich aus. Brazos Magen knurrt laut. Das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Und dann machen sich die drei Cowboys über die Steaks und die anderen Köstlichkeiten her.

»Du kannst deinem Koch ein Kompliment machen, Rosita«, sagt der Oldtimer einige Zeit später und kaut auf

- 14 -

beiden Backen. »Und ich verstehe wirklich etwas vom Kochen.«

Rosita erhebt sich plötzlich, denn Pancho, ihr mexikanischer Leibwächter, oder wie immer man diesen bulligen Burschen bezeichnen will, ist ins Zimmer getreten.

Er nickt seiner Herrin zu, die sich sofort erhebt. Doc Smoky entgeht nicht, daß Rosita erschrickt. Irgendwie hölzern läuft sie zu diesem Pancho hinüber und verschwindet mit ihm aus dem Zimmer.

Doc Smoky will es auf einmal nicht mehr schmecken. Er schiebt seinen Teller zurück und übersieht den stau­nenden Blick von Brazos. Er erhebt sich und folgt Rosita und Pancho. Und er sieht die beiden draußen auf der Veranda stehen.

Und dieser Pancho benimmt sich überhaupt nicht wie ein Untergebener. Mit beiden Händen gestikulierend, spricht er auf die Mexikanerin ein, die mit hängenden Schultern vor dem schwergewichtigen Mann steht und sich wohl einige unschöne Worte anhören muß.

Leider kann Smoky kein Wort verstehen. Und der Oldtimer glaubt immer mehr, daß auf der Hazienda ir­gend etwas nicht stimmt.

Warum nur benimmt sich Rosita so? Ist sie überhaupt noch die Herrin auf der Hazienda El Novillero?

Und Doc Smoky beschließt, mit Rosita anschließend ein ernstes Gespräch zu führen.

Er eilt zu seinem Platz zurück, wo ihn Shorty und Brazos mit neugierigen Blicken empfangen.

»He, hast du eine Hummel im Hintern, oder ist dir das ausgezeichnete Essen nicht bekommen?« fragt Brazos.

»Nichts von beiden, Dicker«, knurrt Doc Smoky. Tiefe Falten furchen seine Stirn. »Heiliger Kochtopf,

- 15 -

habt ihr denn noch nicht bemerkt, daß hier einiges auf der Hazienda nicht stimmt? Ihr müßt doch ebenfalls erkennen, daß Rosita sich nicht besonders wohl in ihrer Haut fühlt.«

Seine beiden Gefährten schütteln die Köpfe. »Du spinnst wohl, Alter«, schrillt Shortys Stimme.

»Was soll denn hier nicht in Ordnung sein? Heh, vielleicht machst du dir wegen dieses Pancho die Hosen voll.«

»Yeah, da hast du nicht unrecht, Kleiner. Dieser Pancho gefällt mir wirklich nicht. Und ihr hättet einmal sehen sollen, wie er da draußen Rosita beschimpfte. Und sie stand wie ein schuldbewußtes Schulkind vor ihm, das einen Fehler gemacht hat.«

Shorty und Brazos blicken ihren Gefährten betroffen an. Brazos will etwas sagen, doch in diesem Moment taucht Rosita auf. Ein gezwungenes Lächeln legt sich auf ihre vollen Lippen.

»Na, hat es euch geschmeckt, Freunde?« fragt sie. Alle nicken. Shorty will etwas sagen, doch er fängt gerade noch rechtzeitig Doc Smokys warnenden Blick auf.

»Wie lange wollt ihr bleiben?« fragt die Mexikanerin. »Ich muß Anweisungen geben, damit die Gästezimmer für euch hergerichtet werden.«

»Drei oder vier Tage, Rosita«, meint der Oldtimer. »Wir möchten dir natürlich nicht zur Last fallen und …«

»Ihr fallt mir nicht zur Last«, erklärte sie lächelnd. Und dieses Lächeln wirkt so echt, daß Doc Smoky plötzlich Zweifel bekommt, sich doch getäuscht zu haben.

»Okay, Cowboys, wenn ihr dann ein paar Stunden Siesta halten wollt, dann könnt ihr euch aufs Ohr hauen.

- 16 -

Im Moment versäumt ihr sowieso nichts. Ich erwarte zwar für heute abend ein paar Gäste, doch wie ich euch kenne, feiert ihr gerne mit.«

»Machen wir, Rosita«, nickt Brazos. »Hoffentlich sind die Burschen trinkfest, denn ich habe wieder einmal so richtig Lust, einen zu heben.«

Rosita lächelt. »Wir werden sehen«, sagt sie und erhebt sich. »Los,

Amigos, ich zeige euch eure Zimmer.« Sie geht voran. Die drei Cowboys von der Skull-

Ranch folgen ihr, denn sie können alle eine Mütze voll Schlaf gebrauchen.

* * *

Obwohl Doc Smoky müde ist, gelingt es ihm nicht, einzuschlafen. Immer wieder denkt er an Rosita und an sein wohl mehr instinktives Gefühl, daß auf der Hazienda irgend etwas nicht stimmt.

Der Oldtimer wälzt sich auf dem Bett hin und her, während ihm die tollsten Vermutungen durch den Kopf gehen. Schließlich erhebt sich Smoky, tritt ans Fenster und späht ins Freie.

Noch immer lastet brütender Sonnenschein über dem Land. Die fernen Berge schimmern messingfarben. Auf dem Hof der Hazienda und auch an den Adobehütten, in denen die Peone untergetaucht sind, ist kein menschli­ches Wesen zu sehen.

Ein Dutzend Sattelpferde erregen Doc Smokys Aufmerksamkeit. Sie stehen im Schatten einiger Bäume. Und ganz in der Nähe befindet sich ein längliches Gebäude. Wenn sich Doc Smoky so recht erinnert, dann werden dort allerlei Arbeitsgeräte aufbewahrt.

- 17 -

Die Neugierde des Kochs der Skull-Ranch wird noch stärker geweckt, als er plötzlich zwei Männer in der Tür auftauchen sieht, die vorsichtig herausspähen, als hätten sie etwas zu verbergen.

Der Oldtimer beobachtet weiter. Die Köpfe der beiden Mexikaner verschwinden

wieder. Rosita und Pancho kommen plötzlich auf die Veranda. Doc Smoky tritt einen Schritt vom Fenster zurück, als Pancho den Kopf hebt und hochstarrt.

Smoky ist jedoch sicher, nicht gesehen worden zu sein. Pancho packt die junge Mexikanerin nun fest am Arm und geht mit ihr zusammen zu dem länglichen Gebäude hinüber.

Dort sieht sich Pancho nochmals forschend um, ehe er Rosita einen heftigen Stoß gibt, daß sie in das Gebäude hineintaumelt.

Doc Smoky beginnt zu fluchen. Er weiß nun, daß sein Verdacht zu recht besteht.

Rosita ist nichts anderes als eine Gefangene auf ihrer eigenen Hazienda. Und der Oldtimer ahnt nun auch, daß sein Leben und das seiner beiden Gefährten in Gefahr schwebt.

Irgend etwas geht hier auf der Hazienda vor, und er und seine beiden Freunde scheinen sich einen sehr un­günstigen Zeitpunkt für einen Besuch ausgewählt zu haben.

Doc Smoky denkt jedoch nicht an Flucht. Vielmehr überlegt er fieberhaft, wie es ihm gelingen könnte, Rosita zu helfen. Und daß die junge Mexikanerin Hilfe braucht, das ist für den Koch der Skull-Ranch sonnenklar.

Dort drüben regt sich nichts mehr. Über eine Stunde vergeht, ehe Rosita wieder das

Gebäude verläßt. Mit gesenktem Kopf läuft sie langsam

- 18 -

zum Hauptgebäude hinüber. Doc Smoky hält es nun nicht mehr in seinem Zimmer.

Mit schnellen Schritten eilt er in das untere Stockwerk und findet Rosita im großen Wohnraum, wo sie auf einem Stuhl sitzt und mit finsterem Ausdruck zu Boden starrt.

Sie zuckt zusammen, als Doc Smoky vor ihr stehenbleibt und sich zu ihr herniederbeugt.

»Was ist los, meine kleine Rosita? Willst du dich dem guten alten Smoky nicht endlich anvertrauen?«

Rositas Erschrecken wird noch größer. Sie zittert plötzlich am ganzen Körper. Aus geweiteten Augen starrt sie der Oldtimer an.

Und plötzlich kommt Rosita zu einem Entschluß. Mit gehetzter Stimme stößt sie hervor:

»Ihr müßt fort, Smoky. Nimm deine beiden Gefährten und verlasse die Hazienda. Eure Leben sind in Gefahr. Ich hoffte zwar, ihr würdet mir helfen können, aber es ist zu riskant. Ihr müßt bei Anbruch der Dämmerung reiten. Ich stelle euch euere Pferde in der Nähe des kleinen Teiches zurecht. Das alles hat nichts mit mir zu tun, Doc Smoky. Du mußt mir glauben. Bitte, reitet los. Mehr kann ich nicht sagen.«

Bei den letzten Worten fleht ihre Stimme. Doc Smoky erkennt die heiße Angst in den Augen der jungen Frau.

Und der Oldtimer weiß nun mit hundertprozentiger Gewißheit, daß hier auf der Hazienda irgendeine Teufelei ausgebrütet wird. Er und seine beiden Freunde sind diesen rauhen Burschen im Weg. Bestimmt werden diese Kerle keine Gnade kennen.

Fest drückt Smoky die Hände der noch immer am ganzen Körper zitternden Mexikanerin.

»Das ist nicht alles, kleine Rosita. Was ist mit dir?

- 19 -

Auch dein Leben schwebt in Gefahr. Du bist eine Ge­fangene auf deiner eigenen Hazienda. Komm mit uns. Bringe dich ebenfalls in Sicherheit. Dann werden wir weitersehen.«

Sie schüttelt den Kopf. Unfaßbares Grauen liegt in ihren schönen Augen. Sie

erhebt sich. Ihr gehetzter Blick wandert durch das Zimmer. Und sie muß eine gräßliche Angst haben, daß dieser Pancho auftauchen und sie mit dem Oldtimer sehen könnte.

Doc Smoky läßt jedoch nicht locker. »Wieviele Kerle sind es?« fragt er leise. »Ein Dutzend

Pferde konnte ich in der Nähe des länglichen Baues entdecken. Dazu kommt noch dieser Pancho. Gibt es noch andere Banditen auf der Hazienda?«

Tränen rinnen ihr plötzlich über die bleichen Wangen. Ein heftiges Schluchzen schüttelt ihren schlanken Körper.

»Ich darf nichts verraten, Smoky«, sagt sie leise. »Ich habe schon zuviel gesagt. Reitet weiter und kümmert euch nicht um mich und um die Hazienda. Irgendwie gelingt es mir schon, mit diesen Burschen fertig zu werden. Ich will nur nicht, daß ihr dabei umkommt, denn diese Bastardos gehen über Leichen. Wenn Pancho herausbekommt, daß wir uns unterhalten haben, dann läßt er euch umbringen. Reitet bei Anbruch der Dämmerung davon. Vielleicht geht alles gut.«

Doc Smoky erkennt, daß er von Rosita nichts mehr erfahren wird. Die Mexikanerin erhebt sich. Für einen Moment sieht es aus, als wolle sie sich in die Arme des Oldtimers werfen, doch dann weicht sie zurück, macht kehrt und läuft davon.

Doc Smoky blickt ihr mit finsterem Gesicht hinterher.

- 20 -

Er versteht beim besten Willen nicht, warum Rosita nicht mit ihnen flüchten will. Und daß er und seine beiden Freunde verschwinden müssen, daß ist dem erfahrenen Oldtimer längst klar geworden.

Erst dann kann er etwas in Gang bringen. Für Doc Smoky ist es Ehrensache, daß er nicht einfach abhaut und Rosita ihrem Schicksal überlassen wird.

Der Koch der Skull-Ranch geht in das obere Stockwerk hinauf und betritt Brazos' Zimmer. Brazos schnarcht so laut, daß es Smoky kalt den Rücken hinunterläuft. Fasziniert starrt er auf eine kleine Vogelfeder, die über Brazos' geöffneten Mund schwebt und bei jedem Brüsten einige Zoll in die Höhe gewirbelt wird. Kurz bevor sie den Mund des Cowboys erreicht, prustet Brazos wieder los.

Doc Smoky hält seinem Freund die Nase zu, denn er weiß, daß man Brazos auf diese Art und Weise am schnellsten wachbekommt. So ist es auch.

Brazos öffnet die Augen, murmelt eine Verwünschung und setzt sich im Bett auf.

»Was gibt es?« fragt er unwirsch. Als er jedoch Doc Smokys ernsten Blick erkennt, ahnt er, daß etwas Schlimmes geschehen sein muß.

»Komm mit rüber zu Shorty. Wir werden beratschlagen, was wir in den nächsten Stunden tun müssen.«

Brazos erhebt sich, gähnt und reckt und dehnt seinen schwergewichtigen Körper. Shorty blinzelt ihnen bereits entgegen. Brazos' schwere Schritte haben ihn geweckt.

Doc Smoky erzählt alles. Stumm sehen sie sich dann einige Sekunden an.

»Wir schnappen uns einfach das Girl und hauen gemeinsam ab«, brummt Brazos dann. »Ich würde mir

- 21 -

wie ein Feigling vorkommen, wenn wir ohne Rosita verschwinden würden.«

Shorty nickt sofort. »Wir nehmen sie mit, und dann knöpfen wir uns diese

Kerle einzeln vor. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht mit diesen mexikanischen Pistoleros fertigwerden würden.«

Nachdenklich schüttelt Doc Smoky den Kopf. »Rosita wollte es nicht. Auf keinen Fall. Da muß es

irgendeinen Haken bei der ganzen Sache geben, Jungs. Anders kann ich es mir nicht erklären.«

»Vielleicht macht sie dieses rauhe Spiel gerne mit, weil sie in einen dieser Kerle verknallt ist«, meint Shorty. »Und unserer alten Freundschaft zuliebe, will sie nicht, daß man uns über den Jordan schickt.«

Doc Smoky schüttelt den Kopf. »Das glaube ich nicht. Rosita steht unter Druck. Wenn

ich nur wüßte, womit diese Halunken das Mädchen erpressen. Ich würde vorschlagen, daß wir uns bei Anbruch der Dämmerung verdünnisieren. Dann sehen wir weiter, was sich alles so tut. Wir können diesen Burschen dann noch immer eins auf den Hut geben.«

Bei Doc Smokys Plan bleibt es schließlich, nachdem sie noch einige Minuten miteinander diskutiert haben. Sie überlegen, wie es ihnen am besten gelingen könnte, das Haupthaus unauffällig zu verlassen.

Die drei Jungs von der Skull-Ranch glauben nämlich, daß man jeden ihrer Schritte überwachen wird.

* * *

Die dunklen Schatten der Nacht senken sich rasch hernieder. Schon bald funkeln die ersten Sterne am tiefschwarzen Firmament. Die drückende Hitze eines

- 22 -

langen Tages läßt nach. Die drei Skull-Männer haben sich reisefertig

angezogen. Immer wieder spähen sie zum Fenster hinaus. Dort drüben in der länglichen Baracke rührte sich seit einigen Stunden nichts.

Von Rosita ist nichts zu sehen gewesen. Doc Smoky konnte die junge Mexikanerin auch nicht finden, als er einen Erkundigungsgang durch das Haus unternommen hat.

Er traf nur Pancho, dessen bissiges Gesicht sofort unfreundlich wurde. Auf Smokys Frage nach Rosita, zuckte der Mexikaner nur mit den Schultern.

Doc Smoky wurde das Gefühl nicht los, daß Rosita irgendwo im Haus gefangengehalten wird.

»Hoffentlich stehen die Pferde bereit, wie Rosita es versprochen hat«, sagt Brazos mit pessimistischem Ge­sichtsausdruck. »Wenn wir uns erst Pferde besorgen müssen, sehen wir verdammt alt aus, nicht wahr?«

»Ich gehe zuerst«, bestimmt Doc Smoky. »Ihr kommt mir in Abständen von einer Minute nach. Und macht mir nicht so viel Lärm.«

Smokys Blick trifft den von Brazos, der ihn böse anstarrt.

»Warum schaust du mich an, Alter?« knurrt er giftig. »Was kann ich dafür, daß ich bei einer ähnlichen Sache einem schlafenden Hund auf den Schwanz getreten bin. Und dieser verdammte Köter machte damals sämtliche Banditen mobil.«

Shorty und Smoky grinsen. »Dann paß nur auf, daß es dir diesmal nicht wieder

passiert, Bulle«, flüstert Doc Smoky und schleicht los. Mit den Räumlichkeiten der Hazienda ist er gut vertraut, denn immerhin lebte er hier einige Tage, als er sein Erbe

- 23 -

übernommen hatte. Totenstille liegt über der Hazienda. Nur ein paar

Kerosinlampen verbreiten trübes Licht. Manchmal knacken ein paar Dielenbretter verräterisch, wenn der Oldtimer darüber huscht. Auch von außerhalb des Hauptgebäudes sind keinerlei Geräusche zu vernehmen. Und das ist außergewöhnlich.

Normalerweise beherbergt die Hazienda viele Menschen, die nach Feierabend feiern, singen und lachen.

Und Doc Smoky wird immer klarer, daß er und seine Freunde in ein Schlangennest getreten sind. Er zweifelt immer mehr daran, daß es ihm und seinen beiden Gefährten gelingen wird, die Hazienda unbemerkt zu ver­lassen.

Endlich verläßt er das Gebäude durch den rückwärtigen Ausgang. Der süßliche Duft von blühenden Salbeisträuchern steigt Doc Smoky in die Nase. Er stiefelt durch einige Blumenbeete und erreicht eine mannshohe Dornenhecke.

Nur wenige Yards dahinter muß sich der kleine Tümpel befinden, in dem es sogar Fische gibt. Frösche quaken um die Wette. Irgend etwas knistert und raschelt in den Büschen.

Doc Smoky macht sich klein, wartet geduldig, kann jedoch nichts entdecken. Dann schiebt er sich wieder vor­wärts.

Endlich erreicht er den kleinen Weiher, der von Schilf und Farnen umsäumt ist. Pferde kann Doc Smoky nirgends entdecken.

Schon will er weiterschleichen, als er hinter sich ein Geräusch vernimmt. Gedankenschnell kreiselt Doc Smoky herum, wird trotzdem noch von einem harten

- 24 -

Schlag erwischt, der voll seinem Schädel trifft. Ein erstickter Aufschrei bricht von den sich öffnenden

Lippen des Oldtimers. Er schlägt wie wild um sich, ehe er hart zu Boden schlägt und in verkrümmter Haltung liegenbleibt.

Und so ähnlich ergeht es Brazos, der auch schon bald auftaucht. Auch der bärenstarke Cowboy wird aus dem Hinterhalt niedergeschlagen. Shorty ergeht es nicht anders.

Der Fluchtversuch der drei Cowboys von der Skull-Ranch ist gescheitert.

* * *

Doc Smokys Schädel brummt, als befinde sich ein Hornissenschwarm in ihm. Seine Hände wollen hoch zum Kopf fahren, doch erst in diesem Augenblick stellt der Oldtimer fest, daß ihm die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt worden sind.

Der Oldtimer richtet stöhnend und fluchend seinen Oberkörper auf. Um ihn herum herrscht eine bodenlose Dunkelheit. Smoky kann überhaupt nichts erkennen.

Er vernimmt nur ein schwaches Stöhnen von seitwärts und dann etwas rascheln.

»Shorty?« fragt der Koch der Skull-Ranch. »Yeah, ich bin es«, stöhnt der Skull-Cowboy. »Irgend

jemand hat mir fast den Schädel eingeschlagen. Und … Heh, Doc, bist du auch gefesselt?«

»Ich auch, Jungs«, vernehmen sie Brazos gereizte Stimme. »Und wenn ich den Burschen in die Hände bekomme, der mir etwas auf die Nuß gehauen hat, schlage ich ihn ungespitzt in den Boden. Darauf könnt ihr euch verlassen.«

- 25 -

Schweigen herrscht, ehe Doc Smoky sagt: »Nun sitzen wir in der Klemme. Und wenn ich mich

nicht täusche, bis über beide Ohren. Habt ihr eine Ahnung, wohin man uns verschleppt hat?«

»Ich bin doch kein Hellseher, Alter«, knurrt Brazos. »Auf jeden Fall befinden wir uns in irgendeinem Schuppen, vielleicht auch im Keller.«

Doc Smoky glaubt an das Letztere. Beweise dafür hat er nicht. Langsam wälzt er sich in die Richtung in der er Shorty vermutet. Und es dauert auch nicht lange, dann prallt er gegen seinen Gefährten, der wütend aufheult.

»Erdrück mich nur nicht«, mault Shorty. »Du bist genau an meine Beule gestoßen.«

»Stell dich nur nicht so an«, brummt Doc Smoky. »Ich will nur versuchen, deine Fesseln zu lösen.«

Er wälzt sich noch näher an Shorty heran und bringt seine gefesselten Hände an die des kleinen Cowboys.

Und schon bald flucht Doc Smoky wie ein altgedienter Postkutschenfahrer, dessen Gespann sich weigert, auch nur noch einen Schritt vorwärts zu tun.

Der Oldtimer merkt sehr schnell, daß die Fesseln nicht von einem Greenhorn angelegt worden sind. Es gelingt ihm einfach nicht, sie zu lösen.

Von irgendwo aus der Dunkelheit vernehmen sie das Stöhnen, Schnaufen und Prusten von Brazos, der sich abmüht, seine Handfessel zu sprengen. Ohne Erfolg.

Doc Smoky wälzt sich auf die andere Seite. Dann beginnt er wie ein Biber an dem Strick zu nagen, der Shortys Hände zusammenhält. Und die Zähne des Oldtimers, die sein ganzer Stolz sind, nagen, zerren und ziehen, doch das Ergebnis ist gleich Null.

Schweratmend schiebt sich Doc Smoky zurück. »So kommen wir nicht weiter«, sagt er mit bitterer

- 26 -

Stimme. »Na, wie sieht es denn bei dir aus, Dicker?« »Beschissen«, knurrt Brazos. »So kommen wir

niemals frei. Und ich wette …« Irgendwo öffnet sich eine Tür. Schwacher Lichtschein

sickert in den Kellerraum, in dem sich außer den drei Cowboys von der Skull nur altes Gerümpel befindet.

Schwere Schritte klingen auf. Der Lichtschein wird heller. Ein Mann nähert sich, in der rechten Hand eine Kerosinlampe, deren Licht den riesengroßen Schatten des Trägers gegen das mit Spinnweben übersähte Mauerwerk wirft.

Doc Smoky ist nicht besonders überrascht, als er Pancho erkennt. Der Mexikaner grinst spöttisch. Sein bu­schiger Schnurrbart zuckt, als wäre es ein selbständiges Lebewesen.

»Na, habt ihr ausgeschlafen, Amigos?« fragt er grinsend. »Verhaltet euch nur weiterhin friedlich, sonst ist es ganz schnell aus und vorbei mit euch.«

Seine Drohung ist ernstgemeint. Brazos knirscht mit den Zähnen vor Wut. Shorty

verhält sich ganz ruhig, und das ist ein Zeichen dafür, daß er am liebsten in die Luft gehen möchte.

Pancho stellt die Lampe auf einen alten Stuhl, der bedenklich zu wackeln beginnt, denn ihm fehlt ein Bein.

Der Mexikaner kauert sich vor Doc Smoky nieder. Stumm sehen sich die beiden Männer in die Augen.

»Was soll das alles, Pancho?« fragt der Oldtimer dann mit ruhiger Stimme. »Egal, was hier auf der Hazienda auch läuft, uns geht es nichts an. Und aus diesem Grund wollten wir verschwinden. Was ist falsch daran ge­wesen?«

Pancho nickt mehrmals. »Ihr wißt schon zuviel, Jungs. Und bestimmt wärt ihr

- 27 -

auch nicht abgehauen, sondern hättet versucht, durch irgendeinen heimtückischen Trick unsere ganzen Pläne zu durchkreuzen. Ihr bleibt vorerst einmal hier, bis der Boß entschieden hat, was wir mit euch machen.«

Doc Smoky schweigt. Er weiß, daß es vollkommen sinnlos sein würde, Pancho zu etwas anderem überreden zu wollen.

»Heh, da wir ja sozusagen Todeskandidaten sind, Pancho, kannst du uns doch bestimmt verraten, um was es hier überhaupt geht? Wir sind nämlich mächtig neugierig, mußt du wissen!«

Panchos breites Grinsen verstärkt sich, ehe er sich gegen die Stirn tippt.

»Ihr haltet mich wohl für sehr dämlich, nicht wahr, Muchachos? Verhaltet euch friedlich. Der Boß kommt noch heute nacht und wird sich mit euch unterhalten. Vielleicht läßt er euch sogar laufen. Wer weiß? Mir ist es egal. Ich jage euch auch ein paar Kugeln durch den Schädel.«

Pancho lacht dröhnend.

* * *

Die Skull-Männer glauben dem Burschen jedes Wort. Doc Smoky nickt Pancho zu.

»Was hat Rosita mit dem allen zu tun?« fragt er. »Du hältst mich wirklich für blöd?« Der Mexikaner greift die Kerosinlampe und stiefelt

dann schnell davon. Innerhalb weniger Augenblicke hüllt wieder die bodenlose Dunkelheit die drei Cowboys von der Skull-Ranch ein.

»Dieser Hundesohn hätte wenigstens die Lampe hierlassen können«, schrillt Shortys Stimme. »Was

- 28 -

machen wir nun?« »Wir können nur abwarten, Jungs«, beruhigt Doc

Smoky seine Freunde. »Vielleicht läßt dieser geheimnisvolle Boß mit sich reden.«

Brazos lacht meckernd. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß man uns laufen

lassen wird. Die nieten uns um, Jungs. Hier scheint es um irgendeinen großen Coup zu gehen. Und wir sind ausgerechnet zur falschen Zeit hier aufgetaucht.«

Die Cowboys schweigen. Die Dunkelheit wirkt erdrückend. Shorty flucht plötzlich.

»Oh, verdammt«, schreit er dann. »Hier gibt es Ratten. Wenn wir Pech haben, dann fressen uns diese Biester bei lebendigem Leib auf.«

Ihre Lage ist alles andere als rosig. Die Skull-Männer werden jäh aus ihren Gedanken

gerissen, als sie das Knarren einer schweren Tür verneh­men, die von kräftigen Fäusten geöffnet wird.

Schritte stampfen näher. Helligkeit überflutet die drei Gefangenen, die in das grelle Licht von einem halben Dutzend Fackeln blicken.

Doc Smokys Augen verengen sich. Es gelingt ihm jedoch nicht, auch nur einen der Männer zu erkennen, die die Fackeln halten.

Eine Stimme erklingt, die Stimme eines Landsmannes, eines Americanos, wie die Weißen von den Mexikanern genannt werden.

»Aha, ihr seid also diese drei Galgenvögel, die auf der Hazienda aufgetaucht sind. Na, was glaubt ihr wohl, was wir mit euch machen werden?«

Doch Smoky räuspert sich. »Hören Sie zu, Mister. Wir haben mit irgendwelchen

Dingen überhaupt nichts zu tun, kamen nur zufällig hier

- 29 -

vorbei, weil wir Rosita einen Besuch abstatten wollten. Wir kommen aus Colorado von der Skull-Ranch und führten eine Pferdeherde nach El Paso. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man uns gefangengenommen hat. Wir waren doch schon auf dem Weg, um zu verschwinden, weil wir ahnten, daß wir auf der Rancho nicht erwünscht sind. Lassen Sie uns reiten, Mister. Wir haben überhaupt keinerlei Interesse, uns in Dinge einzumischen, die uns nicht die Bohne angehen.«

Die krächzende Stimme des Oldtimers verstummt. Erwartungsvoll blickt Doc Smoky in die Richtung, von wo aus der Americano gesprochen hat.

Ein spöttisches Gelächter ertönt, das nicht nur Smoky, sondern auch seinen Gefährten das Blut ins Gesicht schießen läßt.

»Tut mir leid, Jungs, wir können kein Risiko eingehen. Wir haben keine Wahl. Ihr werdet um Mitternacht sterben. Grüßt mir die Hölle, Jungs.«

Die Banditen verschwinden wieder. Die Dunkelheit wirkt bedrohlich.

Plötzlich vernehmen die Gefangenen ein Geräusch. Shorty beginnt schon wieder zu fluchen, denn er glaubt an Ratten, die es auf ihn abgesehen haben.

»Sei still, Shorty«, ruft Smoky, der plötzlich einen feinen Duft wahrnimmt, der ihn an irgend jemand erinnert. Und plötzlich weiß er es.

»Rosita?« ruft er leise in die Dunkelheit. »Ja, ich bin es, Smoky«, vernehmen sie gleich darauf

die ängstliche Stimme des jungen Mexikanermädchens. Ein Streichholz flammt auf. Sie erkennen Rositas

Gesicht im zuckenden Schein der Flamme. Sie kommt rasch näher. Das Zündholz verlöscht. Ein neues wird an der Mauer angerieben. Rosita zündet eine Fackel an, die

- 30 -

in einem Eisenring an der Kellerwand befestigt ist. Sie kniet sich vor Doc Smoky nieder. Mit einem

Messer durchtrennt sie die Fessel des Oldtimers. Doc Smoky stöhnt vor Erleichterung auf.

»Danke, kleine Rosita«, sagt er. Sie huscht zu Brazos und Shorty. Auch deren Stricke fallen. Die drei Cowboys massieren ihre Hände und Füße, die ein wenig taub geworden waren.

Rosita steht vor den Männern. Ihr Gesicht schimmert bleich im zuckenden Licht der Fackel.

»Ich bringe euch fort«, sagt sie mit rauher Stimme. »Diese Kerle bringen euch sonst um.«

»Was geht hier vor?« fragt Doc Smoky. Ganz dicht tritt er zu dem verängstigten Mädchen, das am ganzen Körper zittert. Eine höllische Angst liegt in ihren Augen.

»Eine Banditenbande hat die Hazienda schon vor einigen Monaten übernommen. Meine Leute und ich waren machtlos dagegen. Diese Bandoleros benützen die Hazienda als ihren Stützpunkt, zu dem sie nach ihren blutigen Überfällen zurückkehren. Ich werde laufend überwacht. Und als ihr auftauchtet, glaubten diese Hundesöhne, daß ich euch zu Hilfe gerufen habe.«

Nun wird den Skull-Männern einiges klar. »Ihr müßt fort, Doc Smoky. Gegen dieses rauhe Rudel

kommt ihr nicht an. Es sind alles kaltblütige Killer, deren Geschäft Mord ist. Sie schrecken vor nichts zurück.«

Das wissen Doc Smoky, Brazos und Shorty bereits. Ihr Todesurteil ist bereits gesprochen.

»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, drängt Rositas Stimme. »Es gibt eine Seitentür hier im Keller, von der die Bandoleros nichts ahnen. Durch die bin ich auch hier eingedrungen. Ich lasse euch raus. Und ihr müßt zusehen, wie ihr dann von der Hazienda verschwindet.«

- 31 -

Sie nicken. Doc Smoky legt seine Hand tröstend auf die Schulter

der jungen Mexikanerin. »Kommst du nicht mit uns?« fragt er. »Wir holen

Hilfe aus Sonoita. Und sollten wir dort keine Hilfe bekommen, dann lassen wir uns etwas anderes einfallen.«

Sie schüttelt den Kopf. Eine tiefe Angst frißt sich in ihr bleiches Gesicht.

»Ihr müßt alleine reiten. Ich kann nicht mit. Euch dies zu erklären, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Es geht wirklich nicht, denn sonst müßte ich sterben. Die Banditen werden irgendwann verschwinden, wenn ihnen der Boden zu heiß unter den Füßen geworden ist.«

»Wer ist der Boß dieser Hundesöhne?« fragt Brazos mit wütender Stimme. »Wer ist dieser Americano?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, habe das Gesicht dieses Mannes

noch niemals gesehen. Er kommt auch nur sehr selten zur Hazienda. Und wenn er auftaucht, trägt er eine Gesichtsmaske.«

Brazos Gesicht bekommt einen enttäuschten Ausdruck. Er und Shorty blicken Doc Smoky fragend an. Der Oldtimer nickt.

»Okay, Rosita, bring uns hier raus. Wir verschwinden erst einmal. Anschließend werden wir sehen, was wir machen. Und glaube nur nicht, daß wir uns nicht mehr um diese Angelegenheit kümmern werden. Wir helfen dir, kleine Rosita. Du kannst dich auf uns verlassen. Lieber wäre es mir natürlich, wenn du sofort mit uns kommen würdest.«

Rosita schüttelt voller Entschiedenheit den Kopf. Die Mexikanerin greift die Fackel aus der Halterung

und übernimmt die Führung. Schon nach wenigen Schrit­

- 32 -

ten erreichen sie eine Tür, die durch einen Gerümpelhaufen aus alten Sätteln und sonstigem Hausgerät verdeckt ist.

Die Tür ist nur angelehnt. Rosita gibt Brazos die Fackel und deutet ihm an, sie

zu löschen. Nachdem es dunkel geworden ist, öffnet Rosita vorsichtig die kleine Tür.

Sie späht ins Freie. Keine verdächtigen Geräusche sind zu vernehmen. Ihre Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Rosita huscht durch die Tür. Die drei Cowboys von der Skull-Ranch folgen ihr.

Sie steigen eine Treppe empor. Modergeruch liegt ihnen in der Nase. Und endlich erkennen sie das Licht der Sterne. Frische Luft schlägt ihnen entgegen.

Dann stehen sie im Freien. Mit Brazos Hilfe schließt Rosita die Falltüre und schiebt ein paar alte leere Fässer darüber. Natürlich geht das nicht ganz ohne Lärm von sich.

Doc Smoky und Shorty lauern in die Dunkelheit. Sie befinden sich hinter dem Hauptgebäude der Hazienda. Und der Oldtimer fühlt sich plötzlich überhaupt nicht wohl in seiner Haut. Zudem sind er und seine Gefährten ohne jegliche Waffen.

Sollten irgendwelche Kerle der Banditenbande auftauchen, dann würden sie leichtes Spiel haben.

Rosita greift plötzlich in eines der Fässer und holt drei Colts und drei Gewehre heraus.

Die drei Skull-Männer staunen. Die kleine Mexikanerin hat an alles gedacht.

»Die Pferde stehen dort zwischen den beiden Adobehütten«, flüstert Rosita. »In den Satteltaschen befindet sich noch genügend Munition. Reitet, meine Freunde. Grüßt mir die Skull-Ranch. Und kommt nicht

- 33 -

mehr zurück. In wenigen Wochen wird hier alles wieder seinen normalen Lauf nehmen, wenn die Banditen verschwunden sind.«

Sie tritt zu Doc Smoky und haucht ihm einen Kuß auf die Wange. Auch Shorty und Brazos bekommen einen Kuß.

Dann schleichen die drei Skull-Männer los. Und diesmal scheint alles zu klappen. Zwischen den Hütten, in denen die Peone und Vaqueros wohnen, stehen drei Pferde. Und Shorty staunt nicht schlecht, als er seine Rosinante erkennt. Sie treten zu den Pferden, die nervös auf den Hufen tänzeln. Und plötzlich vernehmen sie rasch näherkommende Schritte. Irgendein Wachposten muß Verdacht geschöpft haben.

Die Jungs von der Skull-Ranch ducken sich dicht gegen die eine Hüttenwand. Die näherkommenden Schritte werden nun zögernder, verstummen dann ganz.

Doc Smoky schiebt sich einige Yards nach vorn und späht um die Ecke der Adobehütte. Er erkennt einen Mann, der lauernd herüberspäht. Der Bursche hält einen Revolver im Anschlag.

Nun setzt er sich wieder in Bewegung. Geduckt schleicht der Wächter näher. Matt funkelt sein Revolver im bleichen Mondlicht. Ein kleiner, dunkler Schatten folgt dem Mann.

Und als Smoky ein wütendes Knurren vernimmt, weiß er, daß der Hund bereits ihre Witterung aufgenommen hat.

Nun gilt nur noch rasches Handeln, denn der Mann stoppt so rasch ab, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Es kann sich nur noch um Sekunden handeln, ehe er Alarm geben wird.

Doc Smoky wirft sich nach vorn. Er schlägt dem

- 34 -

Mexikaner den Revolver aus der Hand. Ein wütendes Handgemenge setzt ein. Und Doc Smokys Kräfte reichen nicht aus, um den Banditen zu Boden zu zwingen.

Brazos greift ein. Mit einem einzigen Schlag schmettert er den Banditen

zu Boden, der regungslos liegenbleibt. Natürlich kläfft der Hund wie verrückt, getraut sich jedoch nicht näher heran. Shorty kommt mit den Pferden.

Sie springen in die Sättel. Und dann jagen sie los. Dies geschieht keine Sekunde zu früh, denn

Feuerlanzen schießen aus der Dunkelheit, doch wie ein Wunder verfehlen die Kugeln ihr Ziel.

Die drei Cowboys von der Skull-Ranch werden auch schon bald durch andere Hütten gedeckt. Sie jagen wei­ter. Doc Smoky übernimmt die Führung.

Es dauert jedoch nicht lange, dann vernehmen sie die hämmernden Hufschläge der Verfolgerpferde. Noch ha­ben sie nicht gewonnen. Mehr als einmal wenden sie sich in den Sätteln um.

Und dann erkennen sie die Verfolgermeute, die aus sieben Reitern besteht. Das Gelände der Hazienda liegt bald hinter ihnen. Unter einer Baumgruppe zügeln sie ihre Pferde.

Und wieder zeigt sich, daß das Kleeblatt von der Skull-Ranch ein eingespieltes Team ist. Als die Verfolger in Sichtweite kommen, beginnen sie zu feuern. Und sie erkennen, daß zwei der Banditen aus den Sätteln geschleudert werden. Die anderen Outlaws reißen ihre Tiere herum und suchen Deckung hinter Sträuchern und Bäumen.

Die drei Skull-Cowboys reiten jedoch schnell weiter. Sie ahnen jedoch, daß die mexikanischen Banditen nicht

- 35 -

aufgeben werden.

* * *

Rosita erschrickt, obwohl sie damit gerechnet hat, daß die Bandoleros sie im Verdacht haben werden, die drei Gefangenen befreit zu haben.

Die Tür zu ihrem Schlafzimmer wird aufgestoßen und knallt dumpf gegen die Wand. Rosita fährt in die Höhe und zieht das Bettlaken über ihren Oberkörper.

Einer der Banditen entzündet eine Kerze auf dem Tisch. Pancho schiebt sich mit brutal verzerrtem Gesicht näher. Er bleibt vor dem Bett stehen und starrt auf das Mädchen.

»Was ist denn los?« fragt Rosita mit zitternder Stimme. Riesengroß schimmert Panchos bärtiges Gesicht über ihr. Und es hat ganz den Anschein, als würde der Mexikaner mit der flachen Hand zuschlagen. Im letzten Moment sinkt seine Hand hernieder.

»Du hast die Gefangenen befreit!« bellt seine Stimme. »Du verdammte Puta spielst mit gezinkten Karten.«

Rositas gespielter Schreck wirkt unecht. Und sie weiß, daß sie diesen rauhen Halunken, die sich um ihr Bett drängen, nichts vormachen kann.

Panchos Hand zuckt nach vorn, packt Rosita an der Schulter und zieht sie hoch. Ein gellender Schrei entfährt der Mexikanerin. Sie spürt den harten Griff des Banditens, der ihr die Tränen in die Augen treibt.

»Das wirst du büßen, Rosita. Bisher haben wir dich in Ruhe gelassen und irgendwie sogar angenommen, daß du auf unserer Seite stehst. Doch nun wird sich einiges für dich ändern. Wage nicht, das Zimmer zu verlassen. Du stehst ab sofort unter Arrest. Ist das klar, du Schlampe?«

- 36 -

Pancho keucht vor Wut. Nur mit Mühe erlangt er seine Beherrschung wieder zurück. Wer weiß was geschehen wäre, wenn ihn nicht einer seiner Banditenfreunde am Arm zurückgehalten hätte.

Er läßt Rosita los, die aufstöhnend zurückfällt. Pancho knirscht mit den Zähnen. Unheilverkündend

ist sein Blick. Seine Hände ballen sich zu Fäuste, die große Ähnlichkeit mit Schmiedehämmern haben.

»Dich bekomme ich schon klein, Chicita«, knurrt er. »Sollten uns die Gefangenen entkommen und uns einen Strich durch die Rechnung machen, dann bist du dran. Verlaß dich drauf. Und ich werde mich dann persönlich um dich kümmern. Hey, das wird eine Fest.«

Rosita erschauert. Sie will überhaupt nicht daran denken, was dieser

ungehobelte Kerl alles mit ihr anstellen wird. Mit geschlossenen Augen liegt sie da, zittert am ganzen Körper und hofft, daß die drei Halunken ganz schnell wieder verschwinden werden.

Und sie atmet befreit auf, als endlich die Tür hinter den Burschen ins Schloß fällt. Sie vernimmt aufpeitschende Schußdetonationen, die aus großer Ferne kommen.

Sie ahnt, daß die drei Freunde von der Skull-Ranch um ihr Leben kämpfen. Und sie weiß auch, daß die Banditen unter allen Umständen verhindern wollen, daß die drei Männer entkommen.

Rosita ist verzweifelt, weiß nicht mehr aus noch ein. Sie ist dieser mexikanischen Banditenbande hilflos ausgeliefert. Und sollte sie sich den Befehlen der Bandoleros widersetzen, wird sie gnadenlos sterben müssen.

- 37 -

* * *

Schon zwei lange Stunden währt die Hetzjagd. Mehr als einmal glaubten die Skull-Leute, daß sie endgültig in der Falle sitzen. Doch immer wieder fanden sie irgendeinen Durchschlupf, um ihrer Verfolgermeute zu entkommen.

Sie zügeln ihre Pferde, die alle noch einen frischen Eindruck machen. Natürlich schließt Shortys Rosinante sofort ihre Augen, läßt den Kopf hängen Und macht ganz den Eindruck, als wäre sie eingeschlafen.

Shorty achtet überhaupt nicht darauf. Er weiß, daß sein so häßlich wirkendes Pferd den Teufel im Leib hat, wenn es darauf ankommt.

Im Osten wird es heller. Der anbrechende Tag wird bald die dunklen Schatten der Nacht verdrängen. Leichter Bodennebel liegt über dem rauhen, wüstenartigen Land.

Schroffe Felsnadeln recken sich gegen den Himmel. Überall wachsen Kakteen. Dornbüsche und Hecken er­schweren sehr oft das Vorwärtskommen der Flüchtenden.

Noch können die drei von der Skull von ihren Verfolgern nichts entdecken. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die rauhe Horde auftauchen wird.

Die Mexikaner sind vorsichtiger geworden, nachdem sie zweimal in einen Kugelhagel der flüchtenden Skull-Cowboys geritten sind.

»Wenn wir uns nach New Mexico absetzen, können wir vielleicht den Halunken entkommen«, murmelt Doc Smoky. Er blickt seine beiden Freunde fest an, die jedoch nur die Köpfe schütteln.

»Wir holen Rosita dort raus«, sagt Brazos mit fester Stimme. »Glaubst du vielleicht, daß ich das Girl dort hilflos zurücklasse, nachdem sie uns das Leben gerettet

- 38 -

hat?« »Das ist auch meine Meinung, Alter«, knurrt Shorty.

»Ich verstehe überhaupt nicht, warum du solches dummes Zeug plapperst?«

Das wollte der Oldtimer nur hören. Und er wird alles tun, um Rosita zu retten. Auch wenn es sein eigenes Leben kosten sollte.

Wieder halten sie Ausschau nach ihren Verfolgern. Es ist noch heller geworden in den letzten Minuten. Un­gefähr eine Meile entfernt steigen Vögel in den Himmel empor.

Und dies ist für die drei erfahrenen Cowboys Beweis genug, daß sich ihre Verfolger bis auf eine Meile genähert, haben und dort drüben die Vögel aufscheuchten.

»Wir haben nur eine Chance«, sagt Doc Smoky. »Ihr reitet weiter, lenkt die Burschen auf eine falsche Fährte, während ich zur Hazienda zurückreite und Rosita hole. Versucht euch nach Sonoita durchzuschlagen. Ich werde mit Rosita nachkommen.«

Shorty und Brazos nicken. »Du hast nicht mehr Chancen, als ein Schneeball im

Höllenfeuer«, brummt Brazos. »Ich sehe jedoch ein, daß es im Moment kaum eine andere Möglichkeit gibt. Wir werden uns jagen lassen und es den Halunken ab und zu richtig besorgen. Wenn du Glück hast, hält sich nicht mehr viel von dem Pack auf der Hazienda auf. Okay, Alter, dann mach's gut. Und komm mir mit heiler Haut und dem Mädchen zurück. Wir sehen uns dann in Sonoita.«

Shorty und Brazos reiten los. Staub wölkt unter den Hufen ihrer Pferde auf. Doc Smoky schwingt sich aus dem Sattel und zieht sein Pferd zwischen einigen Felsen

- 39 -

hindurch, erreicht einen dicht bewachsenen Hügel. »Dort geht es hinauf, du alter Ziegenbock«, sagt er

freundlich grinsend zu seinem Pferd und zieht es am Zügel hinter sich her. Und er weiß, daß er sich beeilen muß, denn die Verfolger werden bald auftauchen.

Er versteckt das Pferd hinter einigen Salbeibüschen und kriecht bis vor an den Buschgürtel, von wo aus er den Reitweg unterhalb des Hügels gut einsehen kann.

Er sieht sie kommen. Die Reiter treiben ihre Pferde hinter hoch aufragenden Felsen hervor.

Einer der Burschen reitet wenige Yards vorneweg und hat sein Augenmerk auf die Fährten gerichtet. Und Doc Smoky hofft, daß der Scout nicht merken wird, daß es plötzlich nur noch zwei Pferde sind, die hier entlanggerit­ten sind.

Der Oldtimer greift seine Winchester fester. Er ahnt, daß es für ihn kaum noch eine Chance geben wird, sollten sie ihn hier oben auf dem Hügel entdecken.

Endlos langsam vergehen die folgenden Sekunden. Und dann atmet Doc Smoky erleichtert auf. Der Reiter­trupp setzt seinen Weg fort. Kaum einer der Banditen richtete sein Augenmerk auf den Hügel.

Es ist nun schon fast taghell geworden. Die Sonne steigt hinter den Bergen auf und überflutet das Land mit goldenem Schein. Die letzten Reste des Bodennebels verflüchtigen sich.

Doc Smoky bleibt in seinem Versteck, nachdem die Banditen längst hinter einer Wegkrümmung ver­schwunden sind. Noch liegt eine feine Staubwolke in der Luft, die sich nur langsam zum Boden niedersenkt.

Die Hufschläge verklingen in der Ferne. Und dann peitschen Schüsse in rascher Folge auf. Doc

Smoky beginnt zu grinsen. Er ahnt, daß Brazos und

- 40 -

Shorty nun den Halunken einen bleihaltigen Empfang bereiten und sie ablenken werden.

Der Oldtimer reitet los. Und er weiß, daß eine höllische Aufgabe auf ihn wartet. Es wird nicht einfach sein, sich der Hazienda ungesehen zu nähern. Und es wird noch schwerer sein, Rosita dort herauszuholen.

Doc Smoky wird jedoch nichts unversucht lassen, um dem jungen mexikanischen Mädchen zu helfen.

Eine Stunde später tauchen die ersten Felder vor ihm auf. Doc Smoky reitet im Schutz der Maisfelder auf die Hazienda zu. Und irgendwann geht es nicht mehr weiter. Zu leicht könnte er gesehen werden. Und dann wäre sein ganzer Plan gefährdet.

Er versteckt sein Pferd in einer alten Weidehütte, die wohl sonst eine Unterkunft für die Landarbeiter ist.

Heiß sengt die Sonne hernieder. Smoky wischt sich über die Stirn, überzeugt sich davon, daß sein Revolver geladen ist und schleicht los. Immer wieder nützt er jede sich nur bietende Deckungsmöglichkeit, um sich an das Hauptgebäude heranzuarbeiten.

Ein paar Vaqueros verlassen die Hazienda, reiten zu den Viehherden hinaus. Sie erkennen den Oldtimer nicht, der hinter einer Hecke lauert und dann wieder zum Haupthaus hinüberspäht. Zwei Steinwurfweiten ist der Koch der Skull-Ranch noch entfernt.

Von Rosita konnte er bisher nichts entdecken. Nur einmal erkennt er Pancho, der auf die Veranda tritt und nach Nordwesten späht, wohin seine Leute geritten sind, um die entflohenen Gefangenen wieder zurückzuholen.

Pancho verschwindet wieder. »Na, warte, du Hundesohn«, murmelt Doc Smoky

leise. »Dir werde ich es auch noch besorgen.« Der Oldtimer schleicht weiter.

- 41 -

Sorgen bereiten ihm nur die vielen streunenden Hunde, die ihn leicht wittern und dann alles verderben können.

Smoky muß jedoch dieses Risiko eingehen, hat überhaupt keine andere Wahl. Bisher ist auf jeden Fall alles gut gegangen. Noch näher schiebt sich Smoky heran.

Die Hazienda wirkt leer und ausgestorben. Smoky hat plötzlich den Eindruck, daß sich außer Pancho keiner der Bandoleros mehr hier aufhält.

Das würde ihm gut passen, dem alten erfahrenen Burschen, der sich vor nichts fürchtet und immer gradli­nig auf ein gestecktes Ziel zusteuert.

Aufatmend erreicht Smoky den Hintereingang. Er sieht sich nach allen Seiten um. Nach wie vor rührt sich nichts. Und doch ist Doc Smoky nervös. Eigentlich hat er nicht damit gerechnet, so ohne jegliche Schwierigkeiten sein Ziel zu erreichen.

Und als er einen Hund herantrotten sieht, ahnt Smoky, daß seine Glückssträhne nun doch endgültig zu Ende geht. Der Hund, eine Mischung zwischen einem Schäferhund und irgendeinem anderen Straßenköter, bleibt stehen, fletscht die Zähne und starrt zu dem Oldtimer herüber, der sich nicht zu bewegen wagt.

Schnüffelnd setzt sich der Hund in Bewegung. Und Doc Smoky denkt in diesen Sekunden daran, was General Lee, der Schäferhund auf der Skull-Ranch, für ein prächtiger Bursche gegen diesen Kerl ist.

Der Hund ist bis auf wenige Schritte herangekommen. Knurrend kauert er sich nieder, den Schwanz steil in die Höhe gereckt. Und Doc Smoky weiß, daß dies ein schlechtes Zeichen ist.

Und diese halbwilde Bestie macht wirklich den

- 42 -

Eindruck, als wolle sie den Oldtimer jeden Augenblick anspringen.

Und die Situation wird für den Koch der Skull-Ranch noch verzwickter, als plötzlich Schritte erklingen, die sich rasch nähern. Es kann sich nur noch um Sekunden handeln, dann muß jemand um die Hausecke biegen.

Doc Smoky kauert am Boden. Vorsichtig hebt er seinen Revolver und starrt zuerst auf den Hund und dann auf den Mann, der in diesem Moment um die Ecke biegt.

* * *

»Hey, den Hundesöhnen haben wir es aber gegeben«, brummt Shorty und nickt zufrieden. Dabei lädt er das Magazin seiner Winchester auf und starrt auf Brazos, der seinen linken Arm abtastet und dabei sein Gesicht zu einem schmerzhaften Lächeln verzieht.

»Bist du verletzt?« fragt Shorty besorgt. »Ach was, Kleiner, nur ein Streifschuß. Viel hätte

natürlich nicht gefehlt und dann hätte mir einer der Halunken den Unterarm zerschossen.«

Dann müssen sich die beiden Cowboys von der Skull-Ranch wieder wehren, denn die Bandoleros greifen er­neut an. Sie liegen auf einem kleinen Hügel, der ungefähr fünfzig Yards von den beiden Skull-Boys entfernt ist. Und fünf der Kerle sind noch voll einsatzfähig. Zwei des rauhen Rudels sind tot.

Und längst wissen sie, daß mit ihren Gegnern nicht zu spaßen ist. Die mexikanischen Banditen hatten angenom­men, eine leichte Beute zu jagen, doch immer wenn sie glaubten, die Skull-Jungs sicher zu haben, wehrten diese sich wie zwei in die Enge getriebene Tiger.

Heißes Blei wimmert zu den Banditen hinüber, die

- 43 -

wiederum pausenlos herüberfeuern. Brazos erwischt einer der Bandoleros, der hinter seiner Deckung hervortaumelt, auf die Knie bricht und beide Hände auf seine Brust preßt, wo ihn die Kugel getroffen hat.

Das Gewehrfeuer ebbt ab. »Reiten wir weiter«, knurrt Brazos. »Die Kerle reiben

wir auf, bis sie mürbe sind und freiwillig die Verfolgung aufgeben.«

Sie ziehen sich in die Sättel und reiten weiter. Nochmals klingt wütendes Gewehrfeuer hinter ihnen her, das ihnen jedoch nicht gefährlich wird.

Brazos und Shorty sind frohen Mutes. Und sie hoffen, daß es Doc Smoky gelingen wird, Rosita aus den Händen der Banditen auf der Hazienda zu befreien.

Noch liegt ein langer Weg vor den beiden Cowboys. Bis nach Sonoita sind es wenigstens noch dreißig Meilen. Vorher geht es nur durch wildes zerklüftetes Bergland, das hin und wieder von wüstenartigem Terrain abgelöst wird.

Eine halbe Stunde später beginnt Brazos unbeherrscht zu fluchen. Shorty blickt ihn mit entsetztem Gesichts­ausdruck an.

»Heh«, sagt er. »Sag mir nur den Grund, warum du wie ein wildgewordener Mulitreiber fluchst? Vielleicht helfe ich dir ein wenig dabei!«

Brazos zügelt sein Pferd und schwingt sich aus dem Sattel. Er hebt den vorderen linken Huf des Tieres hoch und untersucht ihn eingehend.

Kopfschüttelnd wendet er sich an seinen Freund. »Der Graue lahmt. Keine Ahnung, was er hat. Ein

Dorn ist es jedenfalls nicht.« Shortys Gesicht verdüstert sich. Er weiß, daß es mit

einer raschen Flucht Essig sein wird, sollte Brazos' Pferd

- 44 -

nicht mehr mitspielen. Dann wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie von ihren Verfolgern eingeholt werden.

Brazos zieht sich wieder in den Sattel und treibt seinen Grauen an. Das Pferd setzt sich auch willig in Bewegung, knickt jedoch bereits wieder nach wenigen Schritten ein, wiehert kläglich und wirft seinen Kopf in die Höhe, daß die Mähne nur so fliegt.

Brazos stößt ein paar unfeine Worte aus und springt vom Pferderücken. Mit hochrotem Gesicht blickt er Shorty an, der jedoch nur mit den Schultern zuckt.

»Komm schon hinter mir in den Sattel, Dicker. Rosinante wird schon nicht zusammenbrechen.«

Sie haben keine andere Wahl. Und Rosinante knickt beinahe auf der Hinterhand ein, als sich Brazos auf ihren Rücken schwingt. Das Pferd wiehert, wendet den Kopf und blickt Shorty aus vorwurfsvollen Augen an. Wenig­stens hat es so den Anschein.

»Nun stell dich nicht so an, du alter Klepper«, sagt Shorty und tätschelt seinem Pferd den schlanken Hals. »Ich weiß genau, daß du uns beide tragen kannst. Also trab schon los, sonst mache ich dir Beine!«

Rosinante bleckt die Zähne, wiehert nochmals und setzt sich dann geschmeidig in Bewegung. Brazos zieht sein Pferd am Zügel hinter sich her.

Sie kommen nur langsam vorwärts, ahnen, daß ihre Verfolger immer mehr aufholen. Und bald peitschen auch schon die ersten Schußdetonationen hinter ihnen auf.

Die beiden Skull-Cowboys müssen aus dem Sattel. »Sieht wohl aus, als müßten wir zu unserem letzten

Kampf antreten, nicht wahr, alter Junge?« murmelt Brazos. Angst spricht jedoch nicht aus seiner Stimme, mehr eine grimmige Vorfreude auf die kommende

- 45 -

Auseinandersetzung. Die beiden Cowboys suchen sich eine Deckung

zwischen einigen Felsbrocken, die außerdem noch mit Büschen und Bäumen umsäumt werden. Und sie haben freies Schußfeld von ungefähr zwanzig Pferdelängen.

Trotzdem ahnen sie, daß sie gegen den Rest des rauhen Rudels kaum bestehen können. Außerdem geht ihre Munition langsam, jedoch sicher zur Neige.

»Wird schon schiefgehen«, knurrt Shorty. »Wenn ich es so recht überdenke, dann haben wir es noch mit vier kampffähigen Gegnern zu tun. Und mit denen werden wir wohl fertig werden, Dicker, oder etwa nicht?«

»Gewiß, Kleiner, gewiß. Und wenn uns die Munition ausgeht, dann werfen wir mit Steinen. Genügend liegen ja hier herum. Mann, werden die Kerle Augen machen.«

Grinsend liegen Brazos und Shorty hinter ihren Deckungen. Schon tauchen die ersten Verfolger auf. Sie zügeln ihre Pferde und gleiten aus den Sätteln.

Die beiden Cowboys wissen, daß ein harter Kampf auf sie wartet. Sie geben sich jedoch noch nicht geschlagen, werden alles tun, um die drohende Niederlage abzuwenden.

***

Der Mexikaner, der um die Hausecke biegt, ist noch mehr erschrocken als Smoky, der den Burschen in die dunkle Mündung seines Revolvers blicken läßt.

Er bleibt wie erstarrt stehen. Sein braungebranntes Gesicht nimmt eine graue Färbung an.

Doc Smoky nickt nur, während sein Blick auf den Hund fällt, der ebenfalls regungslos verharrt, als warte er auf einen Befehl des Mexikaners.

- 46 -

Smoky winkt den Mann mit dem Revolverlauf näher zu sich heran. Zögernd tritt der Bursche näher. Seine Augen weiten sich, als der Oldtimer dann plötzlich ausholt und ihm den Revolverlauf über den Schädel zieht.

Der Mexikaner stürzt mit einem heiseren Aufschrei zu Boden. Und nun nähert sich Doc Smoky dem Hund, der es wohl plötzlich mit der Angst zu tun bekommt, denn er zieht den Schwanz ein, macht kehrt und rast aufjaulend davon.

Doc Smoky grinst nur und zieht den Bewußtlosen in ein Gebüsch und bindet ihm Hände und Füße zusammen und schiebt ihm einen Knebel in den Mund.

Der Oldtimer lauscht. Der Zwischenfall scheint von niemandem gehört worden zu sein. Doc Smoky huscht zum Hintereingang und öffnet vorsichtig die Tür.

Schattige Kühle nimmt ihn auf. Seine Augen gewöhnen sich rasch an das Dämmerlicht.

Doc Smoky bleibt lauschend stehen. Treppenstufen knarren. Der Oldtimer huscht unter die Treppe, späht zwischen den Fugen hervor und erkennt die Stiefel eines Mannes.

Der Mann, es muß sich um irgendeinen Vaquero handeln, verläßt das Gebäude durch den Haupteingang.

Doc Smoky schleicht die Treppe empor. Stille herrscht im oberen Stockwerk. Und der Oldtimer kann sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wo sich Rositas Zimmer befindet.

Er hofft wenigstens, daß sich die Mexikanerin dort aufhält. Er läuft von Tür zu Tür. Nichts rührt sich, keinerlei Geräusche sind zu vernehmen.

Doc Smoky schiebt seinen riesigen Lederhut in den Nacken, kaut nachdenklich auf seiner Unterlippe und

- 47 -

möchte am liebsten Fluchen. Er schleicht zurück. Dann bleibt er stehen, denn er vernimmt ein leises

Schluchzen, das hinter einer Tür hervordringt. Rosita, denkt der Koch der Skull-Ranch. Das kann nur

die kleine Mexikanerin sein. Vorsichtig versucht er, die Tür zu öffnen, doch sie ist

verschlossen. Erst jetzt entdeckt er einen Riegel, der in Kopfhöhe angebracht ist.

Das Schluchzen verstummt, als er den Riegel zurückschiebt. Doc Smoky öffnet vorsichtig die Tür und blickt in das erschrockene Gesicht von Rosita.

Er schließt die Tür hinter sich. Rosita kommt zu dem Oldtimer gelaufen, der sie

tröstend in seine Arme nimmt. Und Smoky fühlt sich nicht ganz so wohl in seiner Haut, denn er weiß, daß es vielleicht auf jede Minute ankommen kann. Er muß mit Rosita die Hazienda so schnell wie nur möglich verlassen.

»Nun beruhige dich, Kleines«, sagt er tröstend. »Alles wird wieder gut. Ich verspreche es dir. Und was der alte Doc Smoky verspricht, das hat er schon immer gehalten. Shorty und Brazos halten die Verfolger eine Weile lang hin. Wir treffen uns mit ihnen in Sonoita. Und dort werden wir die Rurales informieren. Schon bald wird wieder Frieden und Eintracht auf der Hazienda herrschen.«

Rosita setzt sich auf den Stuhl und stützt den Kopf in beide Hände. Doc Smoky blickt die junge Mexikanerin unwillig an.

»Los, mach dich fertig, damit wir reiten können, Kleines. Irgendwie habe ich den Eindruck, daß du überhaupt nicht fort willst. Steckst du vielleicht mit diesem Banditengesindel unter einer Decke?«

- 48 -

Sie schüttelt den Kopf. Sie wirkt so mutlos, daß Doc Smoky erschrickt. Er greift nach ihrer Hand und drückt sie leicht.

»Dann komm, Rosita. Wir hauen ab.« »Es geht nicht«, antwortet sie leise. Ihr Gesicht

verzerrt sich vor panischer Furcht. »Ich muß hierbleiben, sonst werde ich sterben. Reite alleine, Smoky. Informiere die Polizei, damit sie diese blutdürstigen Banditen fest­nimmt. Ich … ich werde …«

Rositas Stimme verstummt. Tränen rinnen über ihre bleichen Wangen. Der Oldtimer starrt sie verständnislos an.

»Verflixt«, murmelt er dann. »Entweder spinne ich, oder du bist verrückt, Rosita. Los, wir reiten. Wenn du nicht freiwillig mitkommst, werde ich dich einfach kidnappen.«

Smoky grinst, als habe er einen besonders guten Witz gemacht. Er will Rosita vom Stuhl hochziehen, doch sie sträubt sich dagegen. Ihr Schluchzen wird stärker.

Doc Smoky versteht die Welt nicht mehr. Und er ahnt, daß es noch ein Geheimnis gibt, von dem er nicht die geringste Ahnung hat, denn sonst würde sich Rosita nicht so anstellen und die Chance nützen, mit ihm zu fliehen.

»Es geht nicht, Smoky«, stößt Rosita hervor. »Die Banditen haben mich in der Hand. Sie haben mir ein indianisches Pfeilgift eingegeben. Und wenn ich nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden das Gegenmittel bekomme, muß ich sterben. Verstehst du, Smoky? Sie haben mich in der Hand. Ich muß spätestens um Mitternacht das Gegenmittel bekommen, sonst muß ich sterben.«

Doc Smoky versteht im ersten Moment überhaupt nichts. Er starrt Rosita an, als mache die sich lustig über

- 49 -

ihn. Er setzt sich erst einmal auf einen Stuhl, während es in

seinem Schädel zu arbeiten beginnt. Indianisches Pfeilgift, denkt er. Von solchen

schleichenden Giften hatte er schon gehört, jedoch noch niemals Erfahrungen damit gemacht. Und die Banditen hatten Rosita dadurch in ihrer Hand. Sollte sie nicht gehorchen, würde man ihr das Gegenmittel nicht geben. Und dann müßte die junge Mexikanerin sterben.

Das verwitterte Piratengesicht des Oldtimers hat sich in tausend Falten gelegt. Verzweifelt suchen seine sich überschlagenden Gedanken nach einer Lösung.

Er blickt in Rositas trauriges Gesicht. Und er fühlt die ganze Hilflosigkeit der jungen Frau, die sich in einer aussichtslosen Lage befindet.

»Wo befindet sich das Gegenmittel?« fragt der Oldtimer dann.

»Ich weiß es nicht.« »Hat es vielleicht dieser Pancho?« Rosita zuckt mit den Schultern. »Ich werde mir diesen Burschen kaufen«, knurrt Doc

Smoky. Sein Gesicht bekommt plötzlich einen harten Ausdruck, den man von dem Oldtimer überhaupt nicht gewohnt ist.

Er erhebt sich. »Du bleibst hier, Rosita. Ich weiß, daß sich Pancho

irgendwo auf der Hazienda aufhält. Und ich werde diesen Halunken zum Sprechen bringen. Darauf kannst du dich verlassen.«

* * *

»Laß nur den Kopf unten, Kleiner«, sagt Brazos und

- 50 -

grinst bitter. »Sonst machen die Kerle Matsch aus deiner Birne.«

Shorty flucht ununterbrochen und macht sich noch kleiner. Blut sickert aus seinem linken Jackenärmel. Eine Kugel zog ihm vor einigen Minuten eine blutige Schramme über den Oberarm.

Die beiden Cowboys von der Skull-Ranch wehren sich verzweifelt, haben jedoch nicht verhindern können, daß sich die mexikanischen Bandoleros immer näher heranschieben.

Die Skull-Reiter sind schlecht dran. Ihre Munition geht zur Neige. Längst haben sie ihre Gewehre leergeschossen. Und in den Trommeln der Revolver befinden sich nur noch fünf Patronen.

Plötzlich ebbt das Feuer ab. Brazos späht hinter seiner Deckung hervor. Eine harte Stimme erschallt.

»Hört zu, Cowboys«, vernehmen sie einen der Mexikaner rufen. »Ergebt euch. Unser Boß will euch lebend, denn er hat einiges mit euch vor. Wenn ihr euch jedoch nicht ergebt, dann seid ihr schneller in der Hölle, als euch lieb sein kann.«

»Sie haben Verstärkung bekommen«, flüstert Brazos. »Heiliger Rauch, dort drüben an den verkrüppelten Kiefern tauchen nochmals fünf Kerle auf.

Shorty will schon wieder fluchen, doch in letzter Sekunde beherrscht er sich.

Dann vernehmen sie wieder diese harte Stimme. »Wir haben Verstärkung bekommen, Cowboys. Und

wir haben noch eine besondere Überraschung für euch.« In diesem Moment fliegt auch schon ein

zigarrengroßer Gegenstand durch die Luft, der an einem Ende Funken sprüht.

»Eine Sprengpatrone«, stößt Brazos noch hervor, ehe

- 51 -

seine folgenden Worte von der aufbrüllenden Detonation verschluckt werden. Der Boden beginnt zu beben. Staub wölkt auf und nimmt den beiden Cowboys die Sicht. Ein paar Steinbrocken klatschen ganz dicht in ihrer Nähe nieder.

Nur träge verzieht sich die Staubwolke. Brazos fährt sich übers Gesicht, das von einer dicken Staubschicht überzogen ist. Er blinzelt und blickt seinen Gefährten an.

»Yeah, Kleiner. Nun haben wir wohl keine andere Wahl, als die Segel zu streichen. Vielleicht bringen uns diese Halunken wirklich nicht gleich um. Vielleicht bekommen wir irgendwann noch eine Chance, unsere Köpfe aus der Schlinge zu ziehen.«

Shorty nickt nur. Was soll er auch anderes machen? Diese Runde haben sie verloren. Da beißt keine Maus

einen Faden ab. So ähnlich würde sich wohl Doc Smoky in dieser Situation äußern.

»Na, was ist, Cowboys? Kommt ihr nun raus aus eurem Mauseloch, oder sollen wir euch ausräuchern?«

»Wir kommen«, ruft Brazos und erhebt sich vorsichtig hinter seiner Deckung. Shorty tritt neben ihn.

Und die beiden Männer von der Skull-Ranch rechnen jeden Augenblick damit, von einigen Kugeln durchlöchert zu werden.

Es fällt jedoch kein Schuß. Die beiden Skull-Leute starren in die dunklen

Mündungen der auf sie gerichteten Gewehre und Revolver. Grinsend tritt ihnen ein schlanker Mexikaner entgegen und holstert seinen Colt.

Ein tückisches Grinsen spielt um seinen Mundwinkel. »So ist es recht, Amigos«, knurrt er. »Ihr habt mehr

Glück als Verstand. Wenn wir nicht gerade die

- 52 -

Anweisung bekommen hätten, euch lebend zu unserem Boß zu bringen, dann hätten wir euch in die Luft gejagt.«

Die anderen Banditen treten näher. Wenige Augenblicke später sind Brazos und Shortys Hände gefesselt. Und die mexikanischen Bandoleros gehen nicht besonders zart mit ihnen um.

Brazos und Shorty starren immer wieder in die haßerfüllt flackernden Augen der Banditen. Und sie ahnen, daß sie es wirklich nur diesem unbekannten Banditenboß zu verdanken haben, daß sie noch am Leben sind.

»Wir reiten zurück zur Hazienda«, bestimmt der schlanke Mexikaner. »Drei von euch bleiben bei mir, Compadres. Die anderen setzen ihren Ritt fort, Ihr kennt euren Auftrag. Und nehmt die Verwundeten und Toten mit, damit sie keine Beute der Geier werden.«

Bald sind Brazos und Shorty mit den vier Mexikanern allein. Die anderen reiten in Richtung Sonoita davon.

»Adelante, Amigos«, knurrt der Mexikaner. »Glaubt nur nicht, daß ihr ungeschoren davonkommt. Unser Jefe wird sich etwas besonderes einfallen lassen, um euch über den Jordan zu schicken.«

* * *

Doc Smoky bleibt lauschend stehen. Nichts rührt sich in dem großen Haus. Der Oldtimer weiß jedoch, daß sich Pancho irgendwo aufhält.

Und Smoky ärgert sich, daß er sich nicht nach dem Zimmer des Mexikaners erkundigt hat.

So schleicht er weiter. Und irgendwann vernimmt er Schnarchtöne, die hinter

einer Zimmertür erklingen. Doc Smoky grinst

- 53 -

triumphierend und schleicht auf Zehenspitzen näher. Vorsichtig öffnet er die Tür. Dunkelheit liegt in dem

geräumigen Zimmer, denn die Vorhänge sind zugezogen. Smoky rümpft die Nase, als er die Ausdünstungen des Mannes in die Nase bekommt, der dort auf dem breiten Bett liegt und lautstark schnarcht.

Der Oldtimer schließt die Tür hinter sich und nähert sich leise dem Bett.

Das Schnarchen bricht plötzlich ab. Und Doc Smoky begreift, daß es doch gar nicht so einfach sein wird, diesen Pancho zu überrumpeln.

Das Schnarchen scheint nichts anders als eine Tarnung gewesen zu sein, denn der Mexikaner läßt sich nun seitwärts aus dem Bett fallen.

Gleichzeitig zuckt ein Feuerspeer auf Doc Smoky zu. Die Kugel verfehlt seinen Kopf nur haarscharf. Die Deto­nation scheint die Trommelfelle des Kochs von der Skull-Ranch fast zu zerreißen. Pulverdampf breitet sich aus.

Nochmals feuert Pancho, doch Doc Smoky hat sich längst zu Boden geworfen.

Und er schießt ebenfalls. Ein gellender Aufschrei beweist ihm, daß sein Geschoß ein Ziel gefunden hat. Ein Gegenstand, anscheinend Panchos Revolver, poltert zu Boden.

Doc Smoky schiebt sich vorsichtig an Pancho heran, der wie ein gefällter Baum am Boden liegt und sich nicht mehr rührt.

Smoky erkennt die Blutlache, die sich neben dem Banditen ausgebreitet hat.

Er erhebt sich und tritt näher. Pancho ist tot. Der Oldtimer erkennt den dunklen

Fleck ganz in der Nähe des Herzens. Gebrochene Augen

- 54 -

starren gegen die weißgetünchte Decke. Doc Smoky holstert seinen Revolver. Nachdenklich

blickt er auf den Toten. Er hatte Pancho nicht töten wollen, obwohl er wußte, daß dieser Halunke den Tod bestimmt verdient hatte.

Der Oldtimer wirbelt herum, als er Schritte auf dem Gang vernimmt. Gleich darauf wird die Tür geöffnet.

Doc Smoky reißt seinen Colt aus der Holster und blickt in das erschreckte Gesicht von Rosita, die sich ins Zimmer hineinschiebt. Als die Mexikanerin den toten Pancho erkennt, weiten sich ihre Augen. Sie schlägt die Hände vor den Mund.

Der Koch der Skull-Ranch tritt zu Rosita und legt einen Arm um ihre Schulter.

»Ich mußte schießen, Kleines, wollte ich mein eigenes Leben retten. Ich hatte überhaupt keine andere Wahl.«

Rositas Augen sind noch immer vor Schreck geweitet. »Nun werde ich sterben müssen«, sagt sie tonlos.

»Wenn ich innerhalb von zwölf Stunden nicht das Gegenmittel bekomme, dann wird mich das Gift in meinem Körper töten.«

Nun erschrickt auch Doc Smoky. Im Eifer des Kampfes hat er überhaupt nicht mehr an das heimtückische Indianergift gedacht, das Rositas Leben bedroht.

»Dann müssen wir hier alles durchsuchen, Rosita«, spricht er der Mexikanerin Mut. zu. »Wenn Pancho dir immer das Gegenmittel gegeben hat, dann muß er es irgendwo versteckt haben.«

Sie nickt mit bleichem Gesicht. »Wieviele von den Banditen befinden sich noch auf

der Hazienda?« fragt Doc Smoky dann. Er denkt daran, daß die Schüsse bestimmt weit zu hören waren.

- 55 -

»Zwei von der rauhen Horde, Smoky«, flüstert Rosita. »Einen der Burschen habe ich bereits ausgeschaltet,

und den anderen werde ich mir gleich vorknöpfen. Du kannst dich in der Zwischenzeit hier im Zimmer umsehen.«

Doc Smoky läuft los. Und in der Vorhalle erkennt er auch schon einen

breitschultrigen Mexikaner, der mit gezogenem Revolver vorwärtsschleicht. Als er Doc Smoky erkennt, beginnt der Hombre sofort zu schießen. Der Oldtimer springt mit einem mächtigen Satz zur Seite, gelangt hinter eine riesige Kommode und schießt ebenfalls.

Seine Kugel verfehlt. Der Mexikaner brüllt triumphierend und jagt Kugel

um Kugel herüber. Holzsplitter fliegen Doc Smoky um die Ohren. Ein Querschläger surrt mit einem tödlichen Zwitschern dicht an seinem Kopf vorbei.

Doc Smoky grinst trotz seiner ernsten Lage. Er hofft, daß seine Rechnung aufgehen wird.

Und so ist es auch. Er vernimmt den erschrockenen Aufschrei seines

Gegners, als dieser seinen Revolver leergeschossen hat. Doc Smoky taucht hinter der übel ramponierten

Kommode hervor und richtet seinen Colt auf den Banditen, der geduckt dasteht und Smoky mit verzerrtem Gesicht anstarrt.

»Laß fallen, Amigo«, bellt die Stimme des Ranchkoches. »Los, mein Bester, sonst mache ich ein Sieb aus dir!«

Der Mexikaner steht noch immer regungslos da. Er schickt einen ellenlangen Fluch herüber, den Doc Smoky schulterzuckend quittiert.

Dann poltert der Revolver zu Boden.

- 56 -

Doc Smoky ist mit zwei Sätzen vor dem Burschen. Ehe der Bandit eine abwehrende Handbewegung machen kann, zieht er ihm den langen Lauf des Revolvers über den Schädel.

Der Bursche bricht zusammen, als habe er den Boden unter den Füßen verloren.

»Das wäre es wohl gewesen«, nickt der Oldtimer. Auf der Treppe erkennt er Rosita, die ängstlich herunterstarrt. Doc Smoky fesselt den Bewußtlosen mit einer Gardinenschnur und eilt dann zu Rosita.

»Alles klar, mein Kleines«, lächelt er. »Diese beiden Kerle haben wir sicher. Und nun müssen wir nur noch das Gegenmittel finden. Dann reiten wir nach Sonoita.«

Rositas Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln. Doch in ihren Augen liegt noch immer diese heiße Angst. Doc Smoky greift nach ihrer Hand.

»Wird schon alles klappen, Rosita. Außerdem haben wir noch zwölf Stunden Zeit, ehe du das Gegenmittel haben mußt. Wenn alle Stricke reißen, dann reiten wir trotzdem nach Sonoita. Vielleicht hat der Doc dort etwas, das dir helfen kann.«

Die Angst in ihren dunklen Augen bleibt. Wenige Sekunden später erreichen sie das Zimmer des toten Pancho. Eine fieberhafte Suche beginnt. Sie lassen keinen Winkel aus, können jedoch nichts finden.

Rosita wird immer mutloser. Apathisch sitzt sie auf einem Stuhl und starrt mit düsterem Gesichtsausdruck zu Boden.

»Überleg doch mal, Rosita. Könnte Pancho das Gegenmittel irgendwo anders aufgehoben haben?«

»Ich weiß es nicht, Smoky. Wirklich nicht. Ich weiß nur, daß ich in weniger als zwölf Stunden sterben muß. Die Banditen haben mir das vor einiger Zeit in den

- 57 -

schrecklichsten Farben ausgemalt. Ich … ich …« Sie schluchzt wie ein kleines Kind. Alle Bemühungen

des Oldtimers, Rosita zu trösten, sind vergeblich. »Wir reiten, Rosita«, sagt er mit fester Stimme. »Wir

haben nur noch diese eine Chance. Wenn die Bandoleros zurückkommen, und das ist nur noch eine Frage der Zeit, dann werden sie uns töten. Und ich bin sicher, daß der Doc in Sonoita dir helfen kann.«

Rosita sieht Doc Smoky zweifelnd an. »Wir haben nur diese Chance, Kleines. Eine andere

Möglichkeit gibt es nicht. Tut mir leid, denn ich wollte diesen Pancho nicht töten. Nun ist es geschehen und läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Es hat jedoch keinen Zweck, hier herumzusitzen und auf ein Wunder zu warten.«

Rosita gibt nach, sieht ein, daß es wirklich keine andere Chance für sie gibt. Und sie ahnt auch, daß bestimmt bald einige Burschen der wilden Horde auftauchen werden. Und sie werden Panchos Tod sofort rächen. Daran zweifelt sie keine Sekunde.

Doc Smokys Blick bleibt auf dem toten Mexikaner ruhen. Er will ihn auf das Bett wuchten und packt dabei kräftig zu. Fluchend läßt Smoky los, denn ein paar feine Glassplitter haben ihm in die Hand geschnitten.

Und dann zieht Doc Smoky aus der Brusttasche des Toten ein paar Glasscherben hervor. Seine tödliche Kugel muß zuerst ein Fläschchen durchschlagen haben, ehe sie Pancho in die Brust gedrungen war.

»Hier in dieser kleinen Flasche war garantiert das Gegenmittel«, sagt er zu Rosita. »Damned, daß ich es nicht sofort entdeckt habe, dann wärest du gerettet.«

»Ich ziehe mich um«, sagt Rosita und eilt davon, nachdem nun auch der letzte Hoffnungsschimmer

- 58 -

zerbrochen ist, das Gegenmittel doch noch zu finden. Doc Smoky holt sein Pferd und sattelt ein

ausdauerndes Pferd für Rosita. Einige Minuten später reiten sie davon.

Noch elf Stunden, denkt Doc Smoky. Vorher müssen wir Sonoita erreichen. Und dann müssen wir mächtig viel Glück haben, damit uns der dortige Arzt helfen kann.

Er treibt sein Pferd an. Von den Bandoleros ist weit und breit nichts zu sehen.

* * *

Juan Cortez, so ist der Name des schlanken Mexikaners, zügelt sein prächtiges Pferd. Sein tückischer Blick ruht auf seinen beiden Gefangenen, die leicht zusammengekrümmt in den Sätteln sitzen.

Shortys und Brazos Hände sind auf dem Rücken gefesselt, und die Beine unter den Pferdebäuchen zusammengebunden. Brazos' Pferd hinkt nicht mehr.

Heiß brennt die Sonne hernieder. Langsam nähert sich der Reitertrupp der Hazienda.

Und Shorty und Brazos denken voller Grimm daran, daß sie nun alles verpfuscht haben. Doc Smoky wird vergeblich in Sonoita auf sie warten, falls es ihm gelingt, sich überhaupt bis zu dieser Stadt durchzuschlagen.

Und ehe er ihnen helfen kann, werden sie schon lange tot sein. Diese Gedanken gehen den beiden Gefangenen durch die Köpfe.

Juan Cortez sagt: »Na, wie fühlt ihr euch, ihr beiden Bastardos?«

Brazos grinst trotz der mißlichen Lage äußerst lässig. »Du kannst mich mal, du Blödmann. Wenn mein

Pferd nicht gelahmt hätte, dann wären wir euch

- 59 -

entkommen. Bilde dir nur nichts auf deinen Sieg ein, du Pfeife!« Cortez' Gesicht läuft rot an. Im ersten Moment sieht es

aus, als wolle er aus dem Sattel springen und sich auf Brazos stürzen, doch dann bekommt er seinen heißen Zorn wieder unter Kontrolle.

Er lächelt sogar. Es ist jedoch ein böses Lächeln, das den beiden Gefangenen erneut die Aussichtslosigkeit ihrer Lage auf bittere Art und Weise klarmacht.

»Ihr werdet den Tag noch verwünschen, an dem ihr geboren wurdet!« knurrt der Bandit. »Ich verspreche es euch ganz feierlich, Muchachos. So, und nun vorwärts. Adelante.«

Sie reiten weiter durch das unwegsame Land. Glühendheißer Sand wechselt mit steil ansteigenden Hü­geln, die mit Felsschroffen übersät sind.

Brazos erkennt eine Klapperschlange, die sich auf einem großen Stein sonnt und sich nicht rührt, als die Reiter nur drei Pferdelängen entfernt ihres Weges ziehen.

Meile um Meile legt der Reitertrupp zurück. Irgendwann machen sie eine Pause. Brazos und Shorty müssen auf den Pferden bleiben, sind den sengenden Strahlen der Sonne hilflos ausgesetzt.

Und sie ahnen, daß dies erst der Anfang sein wird. Die Hölle wartet auf sie.

* * *

»Na, geht es noch, Rosita?« klingt Doc Smokys fürsorgliche Stimme auf. Er lächelt der jungen Mexikanerin zu, die wie ein Mann im Sattel sitzt und dort eine gute Figur macht.

Rosita lächelt zurück.

- 60 -

»Alles in Ordnung, Smoky. Ich habe nur große Bedenken, daß wir innerhalb von elf Stunden Sonoita nicht erreichen werden. Der Weg ist noch sehr weit. Und wenn wir Pech haben, reiten wir den Bandoleros genau in die Hände.«

Damit rechnet Doc Smoky schon lange. Aus diesem Grund machte er auch immer wieder eine Pause, hielt Ausschau, konnte jedoch bisher keine fremden Reiter entdecken.

Auf einem kleinen Hügel ist es wieder soweit. Sie zügeln ihre Pferde und blicken über das zerklüftete Bergland. Schon will der Oldtimer seinen Rapphengst wieder antreiben, als seine Augen für einen kurzen Moment starr werden.

Er treibt sein Pferd zwischen einige Sträucher. Rosita folgt ihm sofort. Fragend blickt sie Doc Smoky an.

»Was ist?« fragt sie. Angst spiegelt sich in ihrer Stimme.

»Reiter«, meint Doc Smoky. »Fünf oder sechs Reiter. Der Trupp ist noch ungefähr eine Meile entfernt. Wir haben wohl keine andere Wahl, als ihn an uns vorbeizulassen.«

Smoky weiß, daß sie nun wieder kostbare Minuten verlieren werden, die vielleicht später über das Schicksal der jungen Mexikanerin entscheiden können.

Trotzdem läßt es sich nicht ändern. Wenn es sich um Leute der Banditenbande handelt, dann kann Smoky kei­nen Kampf riskieren.

Sie sitzen ab. Der Oldtimer lächelt, als Rosita neben ihn tritt, mit

einem Gewehr in den Händen. »Ich kann damit ausgezeichnet umgehen«, sagt sie.

»Ich habe zwar bisher noch niemals auf Menschen

- 61 -

geschossen, doch wenn es sein muß, werde ich kämpfen.«

Smoky fährt ihr über das lange Haar. »Okay, Kleines, du feuerst jedoch nur, wenn ich dir

den Befehl dazu gebe.« »Gut, Smoky.« Der Ranchkoch deutet Rosita an, hier zu bleiben, dann

schiebt er sich durch die Büsche, um den näherkom­menden Reitertrupp in Augenschein nehmen zu können.

Es sind sechs Reiter und ein lediges Pferd. Das kann der Cowboy von der Skull-Ranch bereits feststellen.

Und er staunt nicht schlecht, als er plötzlich Shorty und Brazos erkennt, die sich mitten zwischen den anderen Reitern befinden.

Einige Minuten später sieht er, daß seine Freunde gefesselt sind. Sie sind den Bandoleros in die Hände gefallen. Der Oldtimer flucht leise, während er zu Rosita zurückschleicht.

Er berichtet mit wenigen Worten. »Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als diese

beiden Heldensöhne herauszupauken. Dazu brauche ich natürlich deine Unterstützung, Rosita. Es wird sehr hart werden, denn ich glaube nicht, daß die Burschen uns die Gefangenen freiwillig überlassen werden.«

Sie nickt tapfer, obwohl ihr plötzlich die Hände zu zittern beginnen.

»Du legst dich am besten dort in Deckung, Rosita. Und dann mußt du selbst entscheiden.«

Doc Smoky sucht sich einen Platz hinter einem Felsbrocken, der ihm gute Deckung bietet. Ungefähr zehn Yards entfernt müssen die Banditen mit ihren Gefangenen vorbeikommen.

Dann vernimmt Doc Smoky die ersten Hufschläge der

- 62 -

sich nähernden Pferde. Er faßt seine Winchester fester. Weiß schimmern die Knöchel seiner Hände.

Vorsichtig späht er hinter seiner Deckung hervor. Zwei Steinwurfweiten entfernt tauchen die ersten Reiter auf. Sie müssen völlig arglos sein, denn sie achten kaum auf ihre Umgebung, dösen vor sich hin.

Ein harter Zug legt sich um die Mundwinkel des Oldtimers, der weiß, daß viel davon abhängt, wenn er die nächsten Minuten zu seinen Gunsten zu entscheiden kann.

Doc Smoky ist die Ruhe selbst. Schon zu oft hat er derartige Situationen meistern müssen, um jetzt die Nerven zu verlieren.

Es ist soweit. Die mexikanischen Bandoleros sind heran. Dann bellt auch schon Doc Smokys rostige Stimme

auf: »Keine Bewegung, Amigos, sonst knallt es!« Die vier Banditen erschrecken. Brazos und Shorty

bekommen große Augen, als sie die Stimme ihres Freundes vernehmen. Und kurzentschlossen treiben sie ihre Pferde an, bahnen sich eine Gasse durch die Reihe der vorderen Desperados.

Und die Hombres sind zu sehr überrascht, um sofort reagieren zu können.

Smoky glaubt schon, gewonnen zu haben, als er hinter seiner Deckung auftaucht und die Halunken mit seiner Winchester bedroht.

Die Bandoleros geben jedoch nicht auf. Sie greifen nach den Waffen, wollen kämpfen und

nicht klein beigeben. Smoky hat das befürchtet. Und nun bleibt ihm nichts

anderes übrig, als zu kämpfen. Der Oldtimer verwandelt sich in einen feuerspuckenden Teufel.

- 63 -

Zwei der Outlaws werden aus den Sätteln gerissen und stürzen zu Boden. Einer der Banditen schreit gellend auf und wirft seinen Colt weg, als wäre dieser glühendheiß geworden.

Und nur Juan Cortez gelingt die Flucht. Doc Smoky hätte dem Hombre in den Rücken schießen müssen, um ihn daran zu hindern. Er senkt seine Winchester.

Rosita taucht auf. Sie hält ihr noch rauchendes Gewehr mit beiden Händen fest. Pulvergeschwärzt ist ihr Gesicht. Sie hat ebenfalls geschossen und vielleicht auch getötet.

Doc Smoky nickt ihr kurz zu, nähert sich dann den beiden am Boden liegenden Bandoleros, läßt jedoch den anderen Burschen nicht aus den Augen, der wie eine Statue im Sattel sitzt und beide Hände hoch über den Kopf reckt.

»Verhalte dich nur ruhig, Amigo«, zischt Doc Smokys Stimme. Die beiden anderen Burschen sind tot. Blicklose Augen starren den Oldtimer an.

Bitterkeit steigt in dem Koch der Skull-Ranch auf. Er hat schon wieder kämpfen und töten müssen.

Shorty und Brazos reiten näher. Irgendwie schuldbewußt blicken sie Smoky an.

Der Alte winkt jedoch ab. »Wenn ihr mich nicht hättet, ihr Heldensöhne, dann

sähe es wieder einmal verdammt dunkel um euch aus, nicht wahr?«

»Mach, uns schon die Stricke los, Alter, damit wir dir um den Hals fallen können. Und sollten wir jemals Sonoita erreichen, dann geben wir soviel Whisky oder Tequila aus, daß es dir wieder zu den Ohren herausläuft.«

Wenige Sekunden später sind Shorty und Brazos frei. Zufrieden reiben sie sich Arme und Beine, um die

- 64 -

Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. »Du hast es also geschafft, Smoky«, sagt Brazos und

deutet auf Rostita. »Du hast sie von der Hazienda wegho­len können. Werdet ihr verfolgt?«

»Bisher konnten wir keine Schatten auf unserer Fährte bemerken«, meint der Oldtimer. »Ich schätze jedoch, daß wir noch eine ganze Menge Ärger bekommen werden. Schließlich ist einer der Burschen entkommen. Sonoita ist wirklich noch weit entfernt. Wenn ich euch nun sage, daß wir in spätestens neun Stunden die mexikanische Stadt erreicht haben müssen, werdet ihr staunen, Jungs.«

Doc Smoky erklärt seinen Gefährten, daß die Banditen Rosita mit einem indianischen Gift unter Kontrolle hal­ten, und daß die junge Mexikanerin sterben muß, wenn sie nicht innerhalb dieser Frist einen Arzt erreicht.

Brazos' und Shortys Gesichter verziehen sich staunend. Und dann schimpfen sie los, verwünschen die Bandoleros in die tiefsten Abgründe der Hölle.

Mitleidige Blicke treffen Rosita, die die Augen niederschlägt und am ganzen Körper zu zittern beginnt. Der Oldtimer starrt seine beiden Freunde mit bösen Blicken an.

»Ihr habt eine verdammt komische Art, dem Mädchen Mut zu machen«, schimpft er. »Wir werden es schaffen. Wenn wir jedoch hier noch länger Wurzeln schlagen, dann wird es uns jedoch niemals gelingen, Rositas Leben zu retten.«

Sie fesseln den Banditen und zerren die beiden Toten unter einen überhängenden Erdhügel, den sie zum Einsturz bringen und der die toten Banditen unter sich begräbt.

Während dies Brazos und Shorty erledigen, wendet sich Doc Smoky an den Gefangenen.

- 65 -

»Hör zu, Amigo mio«, sagt er. »Ich möchte nun von dir wissen, wer der Boß eures Haufens ist, sonst kannst du deinen Freunden da drüben unter dem Hügel Gesellschaft leisten. Und glaube nur nicht, daß ich spaße!«

Das Gesicht des noch jungen mexikanischen Burschen wird noch bleicher. Hart pressen sich seine Lippen aufeinander, während er aus geweiteten Augen auf den Oldtimer starrt.

»Na, los, Bandit, spuck es schon aus«, knurrt Doc Smoky. Natürlich blufft der Alte nur, doch dies ahnt der Mexikaner nicht.

»Ich … ich … weiß es … nicht«, stottert der junge Bursche. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«

Brazos tritt näher. Er hält dem Gefangenen seine geballte Faust unter die Nase.

»Ich kann dir auch mit einem einzigen Schlag das Genick brechen, alter Freund«, knurrt er drohend. »Und es gibt noch ein paar andere kleine Spielchen, um dir die Zunge zu lockern.«

Der Gefangene verfärbt sich noch mehr. »Der Boß war immer maskiert«, stößt er dann hervor.

»Wir haben noch niemals sein Gesicht gesehen.« Smoky nickt. »Okay, mein Guter, wir haben ihn ja auch kurz

kennengelernt. Er sprach wie ein Americano.« Sein forschender Blick trifft den Mexikaner, der sofort

eifrig zu nicken beginnt. »Si, si, Senor. Er ist ein Americano.« »Wo können wir deinen Jefe treffen?« Der Mexikaner schüttelt in stummer Verzweiflung den

Kopf. »Ich weiß es nicht, Senor. Er kam unregelmäßig auf

- 66 -

die Hazienda und verschwand dann wieder. Pancho war sein Mittelmann. Sie müssen sich an ihn wenden.«

Doc Smoky schüttelt den Kopf. Natürlich kann der Gefangene nicht ahnen, daß Pancho tot ist. Und der Oldtimer sieht auch ein, daß sie so nicht vorwärtskommen.

Er sieht Rositas flehenden Blick und weiß, daß sie keine Minute mehr vertrödeln dürfen.

»Wir reiten«, bestimmt Doc Smoky. »Los, Leute, auf nach Sonoita. Ihr wißt, was auf dem Spiel steht!«

* * *

Zwei Stunden später zügeln die Jungs von der Skull-Ranch ihre Pferde. Rosita sitzt zusammengekrümmt im Sattel. Bleich schimmert ihr Gesicht.

Der Gefangene starrt mit finsterem Gesicht zu Boden. Bisher hat er sich nicht gerührt und seinen Bewachern keinerlei Schwierigkeiten bereitet.

Smoky dreht sich im Sattel um. »Dort hinten kommen unsere Verfolger, Jungs. Es

sind fast zehn Hombres, die es auf unsere Skalps abgese­hen haben. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, dann haben wir kaum große Chancen, den Kampf zu gewinnen.«

Brazos und Shorty nicken. Längst haben sie sich mit Munition von den beiden getöteten Bandoleros versorgt.

Sie grinsen beide. »Reiten wir erst einmal weiter«, sagt Shorty. »Noch

haben wir einen mächtig großen Vorsprung. Vielleicht genügt er sogar, um Sonoita zu erreichen. Dort werden diese Bastardos nicht so einfach über uns herfallen können. Und wenn alle Stricke reißen, Smoky, dann wirst

- 67 -

du mit Rosita alleine weiterreiten, damit sie zum Doc kommt. Wir werden diese Burschen schon aufhalten, damit ihr einen ausreichenden Vorsprung bekommt.«

Doc Smoky nickt nur. So ähnlich hat er sich seinen Plan zurechtgelegt. Eine

andere Möglichkeit haben sie auch nicht. Sie reiten weiter. Und doch stellen sie schnell fest, daß ihre Verfolger

aufholen. Die Banditen müssen irgendwelche Abkürzungen kennen, die sie rasch näher an ihre Gegner heranbringen.

Doc Smoky flucht manchmal trocken, weiß, daß es ein äußerst knappes Rennen geben wird.

Rositas Körper wird manchmal von Krämpfen geschüttelt. Sie versucht ihren immer schlechter werdenden Zustand zu verbergen, doch Doc Smokys wachen Blicken ist es nicht entgangen.

Er reitet dicht zu der jungen Mexikanerin hinüber. »Schaffst du es noch?« fragt er leise. Sie lächelt schmerzlich. »Ich habe wohl keine andere Wahl, nicht wahr, Doc

Smoky?« sagt sie. »In fünf oder sechs Stunden läuft meine Lebensuhr ab. Und ich habe schon jetzt das Gefühl, unsagbar müde zu sein.«

Doc Smoky erschrickt nun doch sehr. Er weiß, daß er sich sein ganzes weiteres Leben lang Vorwürfe machen wird, sollte dem jungen Mädchen etwas geschehen.

Und er weiß auch, daß die Chancen sehr schlecht für Rosita stehen. Auch wenn sie Sonoita rechtzeitig erreichen. Es wäre großer Zufall, sollte der dortige Arzt über ein Mittel verfügen, daß Rositas Leben retten würde.

Doc Smoky richtet sein Augenmerk auf seine

- 68 -

Verfolger, die sich bis auf eine knappe Meile genähert haben.

»Wir müssen weiter«, knurrt Doc Smoky. »Hier ist das Gelände zu flach, und außerdem bietet es kaum gute Deckungsmöglichkeiten, um den Bandoleros Parolie bieten zu können.«

Sie treiben ihre Pferde an. Eine Meile entfernt steigen gewaltige Berge gegen den

dunkelblauen Himmel. Noch immer brennt die Sonne heiß hernieder. Die Männer haben kaum noch einen trockenen Faden am Leib.

Wieder holen die Verfolger auf. Sie müssen ausgezeichnete Pferde reiten. Die Boys von der Skull haben immer mehr die Gewißheit, daß sie um einen Kampf nicht herumkommen werden.

Die ersten Ausläufer der Berge nehmen die Flüchtlinge auf. In der Nähe einiger hoch in den Himmel ragender Felsklötze halten sie ihre Pferde an.

»Reite nur weiter, Alter«, sagt Brazos. »Nimm Rosita und den Gefangenen mit. Wir sehen uns später in Sonoita.«

Sie übersehen den skeptischen Blick des Oldtimers, der jedoch dann bedächtig nickt.

»Alles Glück dieser lausigen Welt, Jungs«, murmelt er. »Und denkt an den Drink, den ihr mir versprochen habt. Ich warte in Sonoita auf euch.«

* * *

Brazos' Gewehr kracht. Eines der Banditenpferde bricht mit, einem schrillen Wiehern zusammen. Sein Reiter wird im hohen Bogen aus dem Sattel geschleudert.

Die anderen Banditen gehen in Deckung. Die

- 69 -

Entfernung zu Brazos und Shorty beträgt knappe hundert Yards.

Brazos lacht zufrieden. »Wir werden die Burschen aufhalten, Kleiner. Und

dann wollen wir hoffen, daß Smoky es schafft.« Shorty nickt nur, dann macht er den Zeigefinger

krumm. Der Schuß peitscht auf. Einer der Banditen, der sich zu weit hinter seiner Deckung vorgewagt hat, greift sich an die Schulter und taumelt aufschreiend zurück.

Und dann müssen sich die beiden Cowboys von der Skull-Ranch mächtig kleinmachen, denn die Kugeln der Bandoleros brechen wie Hagel über sie herein.

Nachdem sich der erste Feuersturm gelegt hat, mischen Brazos und Shorty wieder kräftig mit. Es gelingt ihnen, die mexikanischen Banditen für eine Weile auf Distanz zu halten.

Doch dann kommen die Halunken näher, nützen jede sich nur bietende Deckungsmöglichkeit aus und feuern aus allen Rohren.

Die beiden Skull Boys wissen genau, daß sie ihre Position nicht mehr lange halten können.

Und dann erwischt es den kleinen Shorty. Eine Kugel streift seine Stirn mit der Wucht einer indianischen Kriegskeule. Shorty klappt zusammen, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

Sein Gesicht ist innerhalb weniger Sekunden blutüberströmt. Brazos erschrickt gewaltig. Sofort kniet er sich neben seinem Gefährten nieder.

Brazos atmet auf, als er feststellt, daß es sich nur um einen Streifschuß handelt. Vorsichtig wischt er das Blut aus Shortys Gesicht und tätschelt die bleichen Wangen seines Freundes.

Shorty kommt nicht zu sich.

- 70 -

Brazos nimmt seinen Gefährten auf seine starken Arme und läuft zu den Pferden. Dann lädt er Shorty ab, rennt zurück, um die Gewehre zu holen.

Er jagt einige Kugeln zu den Banditen hinüber, die bis auf eine Steinwurfweite herangekommen sind, zwingt die Kerle in Deckung und gewinnt so wertvolle Sekunden.

Dann jagt er zurück, wuchtet Shorty auf sein Pferd und schwingt sich hinter dem Bewußtlosen in den Sattel.

Er treibt sein Pferd an und schnalzt mit der Zunge. Rosinante öffnet die Augen und trabt dann hinterher.

»Nun mach schon, du verdammter Ziegenbock, oder glaubst du vielleicht, daß ich auf dich warte.«

Rosinante zeigt ihre gelben Zähne und jagt hinterher, denn in diesem Moment peitschen die ersten Schüsse der Banditen auf, die erkennen, daß ihre Beute flieht.

Unversehrt entgehen sie dem heißen Blei, werden bald durch Felsschroffen und Kakteen gedeckt.

Shorty ist noch immer bewußtlos. Wie ein kleiner Junge liegt er in den Armen des

bärenstarken Brazos. Noch immer sickert ein dünner Blutfaden aus der Streifschußwunde am Kopf auf Brazos Wildlederjacke.

Brazos fühlt sich in diesen Sekunden sehr hilflos. Im Moment kann er seinem Freund nicht helfen, öfters blickt er sich im Sattel um, rechnet jeden Augenblick damit, daß die rauhe Horde hinter ihm auftauchen wird.

Noch ist es nicht soweit. Shorty stöhnt in diesem Augenblick. Seine Lippen

beginnen zu zucken. Dann öffnet er die Augen. Verwirrt blickt er sich um und stöhnt erneut. Seine Hände tasten hoch zum Schädel.

»Na, geht es dir wieder besser, Kleiner?« grollt Brazos' Stimme. »Glaube nur nicht, daß es die Engelchen

- 71 -

sind, die in deinem Schädel lautstark posaunen.« Shorty leckt sich über die Lippen. Ein Lächeln legt

sich um seine Mundwinkel, das sich jedoch wieder ver­flüchtigt, als der Schmerz in saugenden Wellen wieder nach ihm greift.

»Nur ein Streifschuß, Kleiner. Du bist schon bald wieder auf dem Posten.«

Shorty wackelt bedenklich mit dem Schädel und brabbelt unverständliches Zeug vor sich hin.

Brazos mustert ihn besorgt von der Seite. »Ist noch alles in Ordnung in deinem Schädel,

Kleiner? Eigentlich ist ja dort drinnen nicht viel durcheinanderzubringen, doch …«

Shorty wendet den Kopf und blickt Brazos böse an. Mit krächzender Stimme sagt er: »Halt nur deine

vorlaute Klappe, Dicker. Bei mir ist alles heil geblieben.« Schüsse peitschen auf. Erschreckt wendet sich Brazos im Sattel um. Die

Verfolger sind höchstens zweihundert Yards hinter ihnen. Und sie treiben ihre Pferde mächtig an.

»Heh, Kleiner«, schreit Brazos, um die erneut aufbrüllenden Schußdetonationen zu übertönen. »Dort vorne zwischen den Felsen halte ich an. Schaffst du es alleine, auf deine Rosinante zu kommen?«

Shorty nickt. »Okay, Dicker, wo ist das Girl?« »Heiliger Rauch«, knurrt Brazos. Als er jedoch das

pfiffige Grinsen seines Freundes erkennt, ahnt er, daß ihn dieser auf den Arm nehmen will.

»Dir geht es wohl schon wieder besser, was? Okay, dann klemm dich hinter dein Gewehr und hilf mir, diese Höllenhunde hinter uns ein wenig auf Distanz zu halten.«

Die beiden Skull-Männer erreichen nach wenigen

- 72 -

Sekunden die Felsen, die wie Zähne eines vorsintflutlichen Ungeheuers aus dem Boden wachsen.

Shorty torkelt ein paar Schritte, als er am Boden landet, doch dann setzt sich seine alte Zähigkeit wieder durch. Er fängt das Gewehr auf, das ihm Brazos zuwirft und eröffnet dann das Feuer auf die heranjagende Verfolgermeute.

Brazos schießt ebenfalls. Zwei Sättel werden leer, ehe die Bandoleros in

Deckung gehen. Wütendes Geheul klingt zu den beiden Männern von der Skull-Ranch herüber.

Und dann fliegt ihnen wieder heißes Blei um die Ohren, daß ihnen Hören und Sehen vergeht.

Wenige Minuten später schwingen sie sich wieder auf die Pferderücken. Shorty nickt seinem Freund lässig zu. Und das soll wohl heißen: von mir aus kann es weitergehen. Den Streifschuß habe ich längst verdaut.

Brazos und Shorty jagen los, als wäre der Satan persönlich hinter ihnen her.

* * *

Rositas Zustand wird immer bedenklicher, obwohl die von ihr angegebene Frist, an der sie das Gegenmittel einnehmen müßte, noch gute fünf Stunden Zeit läßt.

Manchmal krümmt sie sich im Sattel zusammen, daß es dem Oldtimer angst und bange wird. Und er erkennt auch, daß der gefangene Mexikaner nun auf seine Chance lauert, abhauen zu können.

Smoky wirft dem Burschen einen drohenden Blick Zu. »Versuch es nur, Amigo, versuch es nur!« Mehr sagt er nicht, sieht jedoch wie der Mexikaner

den Kopf einzieht und jegliche Unternehmungslust in

- 73 -

seinem bleich werdenden Gesicht erlischt. Rosita lächelt tapfer, als ihr der Koch der Skull-Ranch

aufmunternd zunickt. Sie legen Meile um Meile in dem rauhen Gelände

zurück. Und dann kippt die Mexikanerin plötzlich aus dem Sattel und landet schwer am Boden, wo sie regungslos liegenbleibt.

Doc Smoky ist sofort aus dem Sattel und beugt sich über Rosita. Und diesen kurzen Augenblick, in dem sich der Oldtimer nicht um seinen Gefangenen kümmert, nützt dieser, um die Flucht zu ergreifen.

Fluchend nimmt Doc Smoky seine Hand vom Revolverkolben. Der Gefangene verschwindet auch schon bald hinter einer Wegkrümmung. Nur eine träge sich senkende Staubwolke bleibt zurück.

Doc Smoky hebt Rosita auf und trägt sie in den Schatten eines Cottonwoods. Der Atem der jungen Mexikanerin geht keuchend. Schwer hebt und senkt sich ihr Busen.

Der Oldtimer holt seine Wasserflasche vom Sattelhorn und flößt Rosita ein wenig von der schalen Brühe ein. Das mexikanische Girl öffnet plötzlich die Augen. Ein schlimmer Hustenanfall schüttelt ihren so zerbrechlich wirkenden Körper.

»Hast du dir etwas gebrochen?« fragt Smoky. Sie schüttelt den Kopf, will sogar lächeln, doch es wird nur eine verzerrte Grimasse daraus.

»Hältst du es noch aus?« »Ich schaffe es, Smoky«, murmelt sie leise. »Doch

dieses Feuer will mich verbrennen. Mir ist ganz heiß. Außerdem sehr schwindlig. Setz mich in den Sattel, Smoky. Wir müssen weiter.«

Der Koch der Skull-Ranch blickt Rosita nachdenklich

- 74 -

an. Ihr Gesicht wirkt eingefallen. Die Wangenknochen treten scharf hervor. Das Gift in ihrem Körper scheint schneller zu wirken, als sie beide angenommen haben.

Er hilft Rosita auf die Beine. Sie schwankt, schließt die Augen und steht keuchend da.

»Willst du nicht lieber zu mir in den Sattel kommen?« fragt der Oldtimer.

»Vielleicht später, Smoky, wenn es überhaupt nicht mehr geht. Laß es mich nochmals versuchen, sonst ver­lieren wir noch mehr Zeit.«

Smoky wuchtet Rosita in den Sattel und reicht ihr die Zügel. Sie lächelt verkrampft, dann treibt sie ihr Pferd an.

Smoky reitet dicht hinter ihr. Und er hofft nur, daß Rosita noch einige Meilen durchhalten wird, ehe das in­dianische Pfeilgift ihr noch mehr zusetzt.

Von dem geflüchteten Mexikaner kann der Oldtimer nichts mehr entdecken. Er nimmt an, daß sich der Bursche irgendwo versteckte und sie vorbeigelassen hat. Da er jedoch noch gefesselt ist und auch über keinerlei Waffen verfügt, glaubt Smoky, daß der Hombre ihnen nicht gefährlich werden kann.

Über eine Stunde lang hält Rosita durch. Smoky bewundert das Mädchen, das so tapfer gegen die immer stärker werdenden Schmerzen ankämpft.

Sie schwankt plötzlich im Sattel. Ihr heiseres Stöhnen dringt zu Doc Smoky, der sein Pferd antreibt und gerade noch rechtzeitig herankommt, um Rosita aufzufangen, ehe sie erneut aus dem Sattel stürzt.

Ihr Gesicht wirkt noch eingefallener. Sogar ihre Haare haben einen stumpfen Glanz bekommen.

Smoky zieht Rosita vor sich in den Sattel. Sie stöhnt und wimmert leise, schwebt zwischen Wachsein und Be­wußtlosigkeit.

- 75 -

Der Koch von der Skull-Ranch reitet weiter. Er weiß, daß ihm nicht mehr viel Zeit bleibt.

Und Sonora liegt noch ungefähr fünf Meilen entfernt. Die Hügel treten zurück. Das Gelände wird wieder fla­cher und fruchtbarer. Grün schimmert zwischen den Senken. Auch der Busch- und Baumwuchs nimmt zu, verdrängt die Kakteenwüste, die bisher das Landschaftsbild bestimmt hat.

Sanft tätschelt Doc Smoky die Wangen des kranken Mädchens. Er ist verzweifelt, daß er überhaupt nichts tun kann. Seine und Rositas einzige Chance besteht darin, so schnell wie möglich die mexikanische Stadt zu erreichen und dort den Arzt aufzusuchen.

Und Doc Smoky hat das unbestimmte Gefühl, daß der ganze Ritt sinnlos ist. Er glaubt nicht daran, daß gerade der Doc in Sonoita ein Gegenmittel in seinem Besitz haben soll.

Rositas Körper schüttelt sich in Krämpfen. Arme und Beine zucken unkontrolliert. Weißlicher Schaum sickert zwischen den bebenden Lippen hervor.

Trotzdem treibt Doc Smoky sein Pferd noch mehr an. Rositas Körper wird hin- und hergeschüttelt. Der Old­timer kann jedoch nun keine Rücksicht mehr auf den Zustand der Mexikanerin nehmen.

Die einzige Chance ist, daß er mit dem Mädchen Sonoita so schnell wie nur möglich erreicht.

* * *

»Verrückt«, murmelt Brazos. Er starrt auf Shorty, der sich plötzlich mit dem Rücken gegen einen Felsbrocken lehnt, die Augen schließt und zu schnarchen beginnt.

Brazos feuert, zwingt die Angreifer in Deckung, ehe

- 76 -

er sich an seinen Gefährten wendet und ihn recht unsanft an der Schulter rüttelt.

Shorty öffnet verwirrt die Augen. »Laß mich in Ruhe«, protestiert er. »Ich bin so

verdammt müde, Dicker. Mach mal schnell das Frühstück, dann kannst du mich wieder wecken.«

Brazos staunt nur. »Los, hoch mit dir, Kleiner. Langsam macht mir deine

Kopfverletzung doch Sorgen.« Als Shorty nicht reagiert, packt er den kleinen

Cowboy am Kragen und stellt ihn einfach auf die Seite. Gewehr- und Revolverkugeln wimmern heran. Ein

Querschläger jault haarscharf an Shortys Kopf vorbei. Und der Cowboy schüttelt Brazos' Hand ab und packt seine Winchester. Dann jagt er Kugel um Kugel zu den Angreifern hinüber, die sich nun wieder klein machen müssen. Und Shorty hantiert mit seinem Gewehr, als wäre überhaupt nichts geschehen.

Wenige Minuten später fliehen die beiden Cowboys von der Skull-Ranch erneut. Sie haben keine andere Möglichkeit, sonst werden sie von den Bandoleros überrannt.

Noch immer haben sie es mit sieben Banditen zu tun, die darauf brennen, es den beiden Americanos heimzu­zahlen.

Sie tauchen in dem unwegsamen Gelände unter. Die Banditen, die wohl damit rechnen, in einen Hinterhalt zu geraten, bleiben zurück. Doch sie werden sofort wieder aufschließen, wenn das rauhe Land wieder flacher wird.

Irgendwann sind die beiden Cowboys von der Skull-Ranch zwischen den steil aufsteigenden Berghängen hindurch. Und sie wissen, daß vor ihnen ein flaches Stück Wüste liegt. Dahinter liegt dann Sonoita.

- 77 -

Es wird ein heißes Rennen werden. Den Bandoleros bleibt überhaupt keine andere Möglichkeit, als aufs Ganze zu gehen, wollen sie ihre Beute nicht entkommen lassen.

Schon bald taucht das rauhe Rudel hinter den beiden flüchtenden Cowboys auf. Noch ist die Entfernung für einen sicheren Schuß zu weit.

Die mexikanischen Banditen kommen näher, denn sie reiten erstklassige Pferde.

Brazos' Blick wird immer düsterer, je öfters er sich im Sattel umsieht.

Und bald sieht er ein, daß sie wieder kämpfen müssen, wollen Sie nicht einfach abgeknallt werden.

Shorty nickt mehrmals, als wolle er sagen: von mir aus kann es losgehen.

Brazos sieht sich nach einer Deckungsmöglichkeit um. Doch außer Sand, verbranntem Gras und Kakteen kann er nichts entdecken. Er flucht.

Shorty deutet plötzlich zu einer Ansammlung von Felsbrocken hinüber, die noch ungefähr fünfhundert Yards entfernt sind.

Endlich gelangen sie bei den Felsen an, treiben die Pferde dahinter und schwingen sich aus den Sätteln.

Ihre Verfolger haben ihr Tempo verringert, als sie erkennen, daß sie die Skull-Jungs nicht mehr vor den Felsen einholen können. Sie bleiben außerhalb Gewehrschußweite und beratschlagen.

Dann teilen sie sich. Ihre Absicht ist klar. Sie wollen von allen Seiten kommen und Shorty und

Brazos so in die Zange nehmen. »Laß sie nur kommen, Shorty«, brummt Brazos. »Wir

bereiten ihnen auf jeden Fall einen höllischen Empfang.«

- 78 -

* * *

Manchmal hat Doc Smoky das Gefühl, eine Tote in seinen Armen vor sich auf dem Pferd zu halten. Und er fühlt auch, daß Rositas Körper immer starrer und unbeweglicher wird.

Ihr Lebenslicht flackert bereits wie eine fast niedergebrannte Kerze.

Rosita öffnet plötzlich ihre Augen, die vor Schmerz geweitet sind. Dieser Blick schneidet Doc Smoky tief in die Seele. Alles in ihm krampft sich zusammen.

Und er würde sein Leben dafür geben, dem jungen Mädchen helfen zu können.

Rosita versucht zu sprechen, doch es gelingt ihr nicht. Das Gift, das sich in ihrem Blut befindet, beherrscht die junge Mexikanerin.

Doc Smoky streicht Rosita sanft über das bleiche Gesicht.

»Wir schaffen es, Kleines«, sagt er leise. »Wir schaffen es bestimmt. Bald bekommst du das Gegenmittel. Und mit diesen verdammten Bandoleros werden wir auch fertig. Ich verspreche es dir, kleine Rosita.«

Weiter geht der Ritt. Der Oldtimer hat das Pferd nicht geschont. Die Nacht ist hereingebrochen. Und Doc Smoky stößt einen Freudenschrei aus, als er vor sich die ersten Lichter von Sonoita aus der Dunkelheit aufleuch­ten sieht.

Er macht Rosita Mut, hält sie noch immer fest umklammert und treibt das Pferd noch mehr an.

Und endlich reitet er die staubige Main Street der kleinen mexikanischen Stadt entlang. Lichtbahnen fallen

- 79 -

aus Türen und Fenstern und lassen den aufgewirbelten Staub wie Goldpuder funkeln.

Ein paar Männer bleiben stehen und blicken den Oldtimer und das Mädchen neugierig an. Doc Smoky fragt nach dem Haus des Arztes, das man ihm auch bereitwillig zeigt.

Eine dralle Mexikanerin, die bereits die Blüte der Jugend überschritten hat, öffnet. Doc Smoky, der Rosita auf den Armen hat, drängt ungestüm ins Haus.

Die Frau protestiert, doch Smoky nimmt keinerlei Rücksicht. Er bettet Rosita auf ein altes Sofa und fragt nach dem Arzt. Die dicke Mexikanerin zuckt nur mit den Schultern und beugt sich dann jammernd über die todkranke Rosita.

Doc Smoky ist mit einem Satz bei der nächstbesten Tür und reißt diese auf.

Das Zimmer ist leer. Das nächste auch. »Bodega«, ruft die dicke Mexikanerin. Und Doc Smoky läuft los, so schnell ihn seine alten

Knochen tragen können. Die Bodega befindet sich nur wenige Schritte entfernt. Stimmengemurmel schlägt Doc Smoky entgegen. Geblendet verhält er an den Pendeltü­ren, starrt auf die vielen Männer, die sich ihm nun wie auf ein geheimes Kommando zuwenden.

Der Oldtimer fragt nach dem Arzt. Ein dürres Männchen, von Shortys Größe, erhebt sich und kommt näher.

»Adelante, Senor«, sagt Doc Smoky und packt den kleinen Kerl an der Hand. Die Männer um das ungleiche Paar herum, fangen zu grölen an.

Der Mann wehrt sich verzweifelt, doch Doc Smoky läßt nicht locker, während er seine Spanischkenntnisse

- 80 -

zusammenkratzt. Schon auf dem Weg erklärt er dem Doc, um was es geht, der jedoch immer wieder ausreißen will und den Eindruck macht, als höre er überhaupt nicht zu.

Die dicke Mexikanerin schlägt die Hände über den Kopf zusammen, als sie Doc Smoky mit dem kleinen Burschen erkennt.

Ein Wortschwall bricht über den Oldtimer herein, der sich verstört umsieht.

In diesem Moment tritt ein großgewachsener Mann ins Zimmer. Sein buschiger Schnurrbart zuckt. Schwarzes Haar reicht ihm fast bis auf die Schultern.

In gut verständlichem Englisch sagt er: »Tut mir leid, Senor. Ich bin der Arzt von Sonoita. Die Hombres in der Bodega wollten Ihnen nur einen Streich spielen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Doc Smoky atmet auf. Das kleine Kerlchen macht sich blitzschnell aus dem Staub.

»Kommen Sie, Senor«, sagt der Oldtimer. Sie treten an das Sofa, auf dem Rosita regungslos liegt. Ihr Atem geht sehr flach, wird hin und wieder unregelmäßig.

Eine heiße Angst schnürt Doc Smoky fast die Kehle zu. Und dann berichtet er schnell von dem Gift, das sich in Rositas Körper befindet und das Mädchen zu töten droht.

Der Arzt blickt Smoky irgendwie ratlos an. »Wie soll ich da helfen können, Senor?« fragt er. »Ich

müßte doch wenigstens wissen, welches Gift sich in dem Körper dieses Mädchens befindet.«

»Geben Sie ihr ein Gegenmittel, Doc. Es kommt wirklich auf jede Minute an. Es soll sich um ein indiani­sches Pfeilgift handeln, das erst nach vierundzwanzig Stunden zu wirken beginnt.«

- 81 -

Der mexikanische Arzt nickt plötzlich. Sein Blick ruht noch immer auf dem maskenstarren Gesicht von Rosita. Und Doc Smoky hofft, daß der Arzt weiß, welches Gift das Leben der jungen Mexikanerin zerstören will.

Der Arzt verschwindet und kommt gleich darauf mit einer Tasse zurück, die mit einer bräunlichen Flüssigkeit gefüllt ist. Er setzt die Tasse an Rositas Lippen, die willig schluckt und den ganzen Inhalt austrinkt.

Der Arzt wendet sich an den Oldtimer, der ihn aus großen Augen anstarrt. Die dicke Mexikanerin hat in­zwischen das Zimmer verlassen und klappert mit Geschirr in der Küche.

»Sie wird weiterleben«, klingt die ernste Stimme des Arztes auf. »Sie können sich auf mich verlassen, Senor. Ich habe das getan, wozu ich als Arzt verpflichtet bin.«

Doc Smokys Blick wird lauernd. »Sie wußten, um welch ein Gift es sich handelt?« Der großgewachsene Mexikaner mit dem buschigen

Schnurrbart nickt mehrmals. »Ich glaube es wenigstens zu wissen, Senor. Vor

einigen Wochen verkaufte ich dieses Gift an einen Mann. Auch das Gegenmittel. Ich erzielte einen guten Preis. Er brauchte es für seine Tiere. So sagte er mir wenigstens. Doch nun weiß ich, daß er mich täuschte und dieses unschuldige Mädchen damit unter Druck setzte. Ich bin froh, daß Sie noch rechtzeitig gekommen sind. Eine halbe Stunde später wäre es zu spät gewesen.«

Doc Smoky steht regungslos da. Das alles muß er erst einmal verdauen. Und dann atmet der Oldtimer erleichtert auf, hat das Gefühl, Pudding in den Knien zu haben. Erst jetzt, nachdem sich bei ihm die Strapazen der vergangenen Stunden bemerkbar machen.

Er setzt sich auf einen Stuhl, während der

- 82 -

mexikanische Arzt ihm gegenüber Platz nimmt. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Senor«, sagt

Doc Smoky dann leise. »Ich bin froh, das Richtige getan zu haben, ohne es zu wissen.«

Der Oldtimer hebt den Blick. Ein hartes Funkeln liegt in seinen Augen.

»Ist dieser Fremde, dem Sie das Gift verkaufen, ein Landsmann von mir, ein Americano, gewesen?«

Der Arzt zögert. Smoky sieht ihm deutlich an, daß ihm die Fortsetzung

des Gesprächs nicht schmeckt. »Ich muß es wissen, Senor, denn dieser Mann ist ein

Verbrecher, ein übler Bastarde, der viel Unglück über seine Mitmenschen bringt und gebracht hat.«

Wieder überlegt der Arzt. Nervös reibt er seine Hände ineinander, kann Doc Smokys Blick nicht standhalten.

»Okay, Senor, dann werde ich Ihnen kurz erzählen was sich auf der Hazienda dieses Mädchens zugetragen hat.«

Und der Oldtimer berichtet sehr ausführlich. Immer wieder wirft er einen Blick zu Rosita hinüber, deren Körper sich bereits entspannt hat. Sie schläft. Sogar ihr Gesicht hat diese leichenhafte Blässe bereits wieder ver­loren.

Der Mexikaner hört aufmerksam zu. Er schweigt lange, nachdem der Koch von der Skull-Ranch seinen Bericht beendet hat.

»Er wird mich töten, sollte ich auch nur ein Sterbenswörtchen verraten. Ich konnte nicht mehr tun, als das Leben dieses jungen Mädchens retten. Und auch Sie sollten so schnell wie möglich davonreiten, wenn Sie den kommenden Tag noch erleben möchten. Dieser Mann versteht keinen Spaß. Nun weiß ich es genau. Mir

- 83 -

erzählte er damals, daß er das Gift brauche, um ein paar kranke Rinder transportieren zu können. Sie müssen wissen, daß Rinder anders als Menschen auf dieses Gift reagieren. Sie werden scheintot, wenn ich es einmal so ausdrücken darf. Erst mit dem Gegenmittel kommen sie wieder zu sich.«

Doc Smoky nickt. »Hören Sie zu, Senor. Ich verstehe ja Ihre Ängste und

Befürchtungen, doch ich möchte Sie wirklich bitten, mir den Namen und den Aufenthaltsort dieses Verbrechers zu nennen. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen und ihm und seiner Banditenhorde das Handwerk legen. Dafür stehe ich gerade.«

Der Mexikaner lächelt flüchtig. »Sie hätten keine Chance, Senor«, sagt er dann. »Ich

will Sie gewiß nicht unterschätzen, doch dieser Mann ist ein Revolverheld, ein Mann des schnellen Eisens, der mit Ihnen kurzen Prozeß machen wird. Reiten Sie fort, Senor. Es ist Ihre einzige Chance!«

Doc Smoky schüttelt den Kopf wie ein störrischer Esel.

»Nein, Senor«, sagt er. »Ich werde mit diesem Burschen schon fertig, habe schon ganz andere Hombres kleingemacht. Und glauben Sie nur nicht, daß Sie einen alten Tattergreis vor sich haben.«

Der Arzt lächelt noch mehr, erhebt sich und tritt an einen Schrank, wo er eine Flasche und zwei Gläser hervornimmt. Er schenkt Tequila ein. Sie trinken sich zu, dann kümmert sich der Arzt um die junge Mexikanerin, die jedoch mit friedlich entspanntem Gesicht schläft und wohl wieder auf dem Weg der Genesung ist.

Doc Smoky läßt nicht locker, nachdem der Arzt wieder Platz genommen hat.

- 84 -

»Ich muß es wissen, Senor«, sagt er. »Oder ist es Ihnen vielleicht lieber, wenn ich zur Polizei gehe?«

Der Arzt schüttelt den Kopf. »Gut, Senor, doch ich sage Ihnen schon jetzt, daß Sie

durch eine Hölle gehen werden.« Doc Smoky lächelt bitter. »Ich bin seit Stunden schon durch eine Hölle

gegangen. Es wird höchstens eine Fortsetzung, mehr nicht.«

Der Arzt nickt. »In Ordnung, Senor. Dann werde ich Ihnen den

Namen und den Aufenthaltsort des Bandenchefs verraten.«

* * *

Die Banditen lassen sich Zeit, glauben nun, ihre Beute endlich sicher zu haben. Brazos und Shorty sehen sich stumm an. Noch halten sich die Bandoleros außerhalb Gewehrschußweite auf. Sie haben die Felsformationen umringt, hinter der sich die beiden Cowboys von der Skull-Ranch verschanzt haben.

Die Dämmerung senkt sich wie ein dunkler Vorhang hernieder, läßt die Konturen verblassen. Und die beiden Skull-Männer ahnen, daß die Outlaws nur darauf gewartet haben, um sich im Schutz der Dunkelheit anschleichen zu können.

»Die Kerle sind aus den Sätteln geklettert, Shorty. Und bald werden sie vor uns, wie aus dem Boden ge­wachsen, auftauchen. Es sieht schlecht für uns aus.«

Shorty schiebt sich näher und macht eine abwehrende Handbewegung. Er grinst sogar, der kleine Kerl.

»Ach was, Dicker«, sagt Shorty dann. »Wir machen es

- 85 -

ganz anders. Wir warten überhaupt erst gar nicht, bis diese Hundesöhne auftauchen. Wir klettern beide auf den Rücken von meiner Rosinante. Und dein Pferd jagen wir zuerst los, schicken es genau in die entgegengesetzte Richtung. Bis die Kerle überhaupt merken, daß wir bluffen, brechen wir einfach durch. Und bis die wieder in die Sättel geklettert sind, haben wir schon einen mächtig großen Vorsprung. Es müßte mit dem Henker zugehen, wenn wir den Halunken nicht bei dieser Dunkelheit entkommen können.«

Brazos läßt sich diese Worte seines Freundes durch den Kopf gehen und nickt dann anerkennend.

Er sagt: »Allerhand, Kleiner. Das ist eine prächtige Idee. Ich frage mich nur, warum ich nicht auf diesen Einfall gekommen bin.«

»Halte keine großen Reden, Bulle. Los, aufs Pferd mit dir, obwohl mir meine Rosinante

dies wohl niemals verzeihen wird. Warum wiegst du auch so viel? Wenn wir wieder auf der Skull-Ranch sind, dann muß dich Doc Smoky unbedingt auf halbe Ration setzen. Du verfressener Kerl gefährdest nämlich meinen ganzen schönen Plan.«

Brazos packt seinen Freund am Kragen und wuchtet ihn in den Sattel. Dann reicht er ihm die beiden Winchestergewehre hoch.

Sein Pferd läuft aufwiehernd davon, als Brazos seine Absätze in die Flanke von Rosinante drückt.

Rosinante läuft los, galoppiert schon nach wenigen Yards, als ahne das Tier, daß es nun auf Leben und Tod geht.

Zuerst geschieht überhaupt nichts, doch dann zucken die ersten Mündungsblitze auf. Heißes Blei wimmert heran, verfehlt jedoch die beiden Cowboys von der Skull­

- 86 -

Ranch. Und Shorty und Brazos schießen auf die

Mündungslichter, was die Läufe ihrer Gewehre hergeben. Dann sind sie auch schon durch. »Geklappt«, sagt Shorty mit freudig erregter Stimme.

»Ich habe es doch gewußt. Nun bist du aber verdammt froh, Dicker, daß ich bei dir gewesen bin, denn sonst hätten diese mexikanischen Höllenhunde bereits Geierfutter aus dir gemacht.«

Brazos antwortete nicht. Rosinante jagt noch immer im vollen Galopp über die

Prärie. Und instinktiv weicht sie Hindernissen aus. Bleiches Mondlicht sickert vom Himmel, und die

Sicht wird besser. »Wir schaffen es, Dicker«, kräht Shorty. »Wir

schaffen es wirklich.« Brazos ist davon noch nicht überzeugt. Man sieht es

seinem skeptischen Gesicht an. »Wir werden sehen, Kleiner«, murmelt er. »Wenn wir

jedoch Sonoita erreichen, haben wir bereits gewonnen. Doch glaube nur nicht, daß diese Halunken dann aufgeben werden. Die werden auch in der Stadt Jagd auf uns machen.«

Shortys Gesicht wird nachdenklicher. Die erste Freude, den Banditen ein Schnippchen geschlagen zu haben, legt sich.

Die beiden Cowboys von der Skull-Ranch setzen ihren höllischen Trail fort.

* * *

»Sie müssen zwei Meilen in südöstlicher Richtung reiten«, sagt der Arzt, dessen Name Ernesto Castillo ist.

- 87 -

»Dort befindet sich eine kleine Rancho. Der Besitzer, sein Name ist Miguel Valutta, ist der Mann, den Sie suchen, Senor!«

Doc Smoky nickt zufrieden. Dann tritt er zu Rosita, die völlig entspannt auf dem Sofa liegt und friedlich schläft.

»Keine Angst, mein Lieber«, sagt der Arzt, der neben den Oldtimer getreten ist. »Rosita wird einige Stunden ruhig schlafen. Wenn sie wieder aufwacht, werden all die schrecklichen Erlebnisse wie ein schlimmer Spuk hinter ihr liegen.«

Doc Smoky schielt zu der Tequilaflasche, während er nickt. Lächelnd schenkt der Arzt ein Glas voll.

»Auf einem Bein steht man schlecht, nicht wahr?« sagt er. »Und vor Ihnen liegt eine große Aufgabe, Doc Smoky. Seien Sie nur vernünftig. Mit diesem Miguel Valutta ist nicht zu spaßen!«

Wenige Minuten später schwingt sich der Oldtimer auf den Rücken seines Pferdes und reitet in die Nacht hinein. Er hofft, die zwei Meilen bis zu der kleinen Rancho schnell zurückzulegen.

Nach der Beschreibung von Ernesto Castillo kann er die mexikanische Ranch überhaupt nicht mehr verfehlen.

Und es dauert auch nicht lange, dann erkennt er die Umrisse eines kleinen Gebäudes dort unten in einem Tal. Rinder kann er nicht entdecken. In einem nahen Korral weiden zwei Pferde. In dem Haus, das mehr einer Blockhütte gleicht, brennt eine Lampe.

Die letzten hundert Yards legt Doc Smoky zu Fuß zurück, schleicht sich wie ein Apache an. Die Pferde im Korral werden unruhig und schicken ein trompetendes Wiehern herüber.

Mit gezogenem Revolver bleibt der Oldtimer stehen

- 88 -

und preßt sich gegen das rauhe Holz der Hütte. Er vernimmt das Knarren eines Stuhles und dann Schritte im Innern des Hauses.

Smoky schleicht zum Fenster und späht hinein. Er erkennt einen schon älteren Mann, der von einem Regal eine Flasche nimmt, diese an die Lippen setzt und einen langen Schluck nimmt.

Doc Smokys Gesicht verzieht sich unwillig. Er weiß sofort, daß der Hombre da drinnen niemals der gesuchte Banditenchef sein kann. Und außerdem ist dieser Mann niemals ein Americano.

Der Koch der Skull-Ranch glaubt plötzlich, daß ihn der Arzt in Sonoita angelogen hat. Er muß der Sache auf den Grund gehen.

Vor der Tür bleibt Doc Smoky stehen, dann schnellt sein Fuß nach vorn. Krachend fliegt die Tür zurück, wäh­rend der Oldtimer in den Raum hineinspringt.

Drohend richtet sich der Lauf seines Revolvers auf den älteren Mann, der wie erstarrt stehenbleibt und Smoky wie eine übernatürliche Erscheinung anstarrt.

Klirrend fällt die Tequilaflasche zu Boden, wo sie in tausend Scherben zerbricht.

Der Mexikaner hebt beide Arme in die Höhe. Noch immer liegt ein heftiger Schreck auf seinem faltigen Ge­sicht.

»Buenos noches«, krächzt Smoky. »Bist du Miguel Valutta?«

Der Mexikaner nickt. Langsam sinken seine Hände herunter. Er ist unbewaffnet. Smoky holstert seinen Colt.

»Si, si, Senor«, sagt er dann. Seine Stimme vibriert leicht. »Mein Name ist Valutta. Warum dringen Sie wie ein wildgewordener Toro bei mir ein?«

Doc Smoky lächelt, und versucht dem Hombre zu

- 89 -

erklären, daß er einen Americano sucht, der sich hier aufhalten soll.

Valutta schüttelt den Kopf. »Ich lebe alleine hier«, sagt er dann. »Und einen

Americano gibt es weit und breit nicht.« Doc Smokys Verdacht, hereingelegt worden zu sein,

verstärkt sich immer mehr. Und er fragt sich in diesen Minuten, warum ihm der Arzt eine falsche Auskunft gegeben hat. Es will dem Oldtimer einfach nicht in den Kopf.

So bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich bei dem Mexikaner zu entschuldigen. Smoky zieht eine Geld­münze aus seiner Jackentasche und legt sie auf den schmutzigen Tisch.

Dann deutet er auf die zerbrochene Tequilaflasche. »Kauf die eine neue Flasche, Senor. Tut mir wirklich

leid, daß ich dich erschreckt habe.« Nach diesen Worten verläßt er die Hütte. Die

Dunkelheit nimmt ihn auf. Smoky will zu seinem Pferd zurück, als plötzlich die Pferde im Korral wieder zu wiehern beginnen.

Der Oldtimer zuckt zusammen und diese reflexhafte Bewegung rettet ihm das Leben. Er spürt den glühenden Todeshauch einer Kugel, die nur haarscharf an seinem Kopf vorbeizischt und wimmernd in das Holz der Hütte schlägt.

Smoky wirft sich zu Boden und entgeht so einer weiteren Kugel. Er erkennt das Mündungsfeuer, daß un­gefähr fünfzig Yards entfernt zwischen zwei Bäumen aufzuckt.

Doc Smoky rollt sich zur Seite und zieht seinen Revolver. Hinter ihm erlischt das Licht in der Hütte.

Erneut faucht heißes Blei heran. Der heimtückische

- 90 -

Schütze feuert nun blindlings. Doc Smoky spuckt aus, flucht ein paarmal und setzt

sich dann in Richtung des Heckenschützen in Bewegung. Kalter Zorn ist in ihm.

Und er ahnt, daß er es nun wirklich mit diesem Miguel Valutta zu tun hat. Und er ahnt auch, daß dieser Arzt aus Sonoita, den Banditenboß gewarnt hat und ihn auf seine Fährte hetzte.

Langsam nähert sich der Koch von der Skull-Ranch der Baumgruppe. Dort regt sich nichts mehr. Gleich darauf vernimmt der Oldtimer auch die Hufschläge eines sich schnell entfernenden Pferdes.

»Na warte, du Hundesohn«, schimpft Doc Smoky. »Ich bekomme dich, darauf kannst du dich verlassen,«

Wenige Sekunden später erreicht er sein Pferd und zieht sich in den Sattel. Er nimmt die Verfolgung auf, folgt dem feinen Staub, den das Pferd des flüchtenden Verbrechers aufgewirbelt hat und der noch in der Luft hängt:

Bald schon stellt Smoky fest, daß der hinterhältige Schütze nicht in Richtung Sonoita reitet, sondern irgendwo in dem rauhen Gelände zu entkommen versucht.

Smoky bekommt den Burschen nicht zu Gesicht und verliert auch bald die Fährte. Regungslos sitzt Smoky im Sattel, stützt beide Hände auf das Sattelhorn und denkt angestrengt nach.

Irgend was paßt ihm bei der ganzen Geschichte nicht. Ihm will es einfach nicht in den Kopf, daß der Bursche, der angeblich ein höllisch schneller Revolvermann sein soll, vor ihm flieht.

Und nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach Sonoita zurückzureiten und nochmals mit diesem Ernesto

- 91 -

Castillo zu sprechen. Smoky spürt plötzlich eine tiefe Müdigkeit durch

seinen Körper kriechen. Er gähnt und zuckt zusammen, als er plötzlich einen grellen Schmerz verspürt, der von seinem Magen ausgeht und seinen Körper zu lähmen droht.

Der Oldtimer würgt und keucht und muß sich dann übergeben. Nachdem sich sein Magen beruhigt hat, fühlt sich der Koch der Skull-Ranch so elend, daß er sich kaum im Sattel halten kann.

Er zittert am ganzen Körper und fühlt sich wie ein Greis, der die hundert längst überschritten hat. Und wieder steigt es heiß in ihm auf. Seine Stirn glänzt vor Schweiß. Bald hat er keinen trockenen Faden mehr am Leib, so stark beginnt er zu schwitzen.

Smoky glaubt, von innen heraus zu verbrennen. Und er ahnt plötzlich, daß auch er vergiftet wurde. Er denkt an den Tequila, den er bei dem Doktor in

Sonoita getrunken hat. Dem Oldtimer fällt es nun wie Schuppen von den

Augen. Dieser Ernesto Castillo muß der Boß der Bande sein.

Und er gab ihm das Gift und schickte ihn zu einer falschen Adresse. Er wollte es nicht riskieren, Doc Smoky in der Stadt zu erledigen.

Das Blut dröhnt in den Öhren des Oldtimers. Immer öfters wird ihm schwindelig. Weiße Schleier treiben vor seinen Augen. Und der Schmerz in seinem Magen wird immer größer.

Stöhnend reitet Doc Smoky los, hängt dabei wie ein Betrunkener im Sattel. Sein Ziel ist Sonoita. Und er fürchtet, daß er sterben muß, sollte er nicht in kürzester Zeit behandelt werden.

- 92 -

Für Doc Smoky wird nun alles klar. Ernesto Castillo ist der geheimnisvolle Bandenchef im

Hintergrund, der sich seinen Leuten nur maskiert zeigte und dann wie ein Americano mit spanischem Akzent sprach. So täuschte er seine eigenen Leute und auch den Oldtimer.

Smoky überlegt, warum Castillo das Mädchen gerettet hat. Vielleicht hat der Arzt in ihm den Verbrecher be­siegt?

Diese Gedanken gehen dem Oldtimer durch den Kopf, während er in Richtung Sonoita reitet. Nur noch mit großer Mühe kann sich Doc Smoky im Sattel halten.

Die Schmerzen in seinem Körper werden immer stärker. Jede Bewegung fällt ihm schwer. Nur noch manchmal lichtet sich der Schleier, der ihn zu umgeben scheint.

Doch noch gibt sich der Cowboy von der Skull-Ranch nicht geschlagen. Er wird nicht aufgeben, solange noch ein Funken Leben in ihm ist.

* * *

Es gelingt Shorty und Brazos wirklich, Sonoita zu erreichen, ohne von ihren Verfolgern eingeholt zu werden. Und Shortys Rosinante wiehert erleichtert auf, als endlich die doppelte Last von ihrem Rücken genommen wird.

Auf der Hauptstraße der kleinen mexikanischen Stadt herrscht ziemlich viel Betrieb. Die beiden Cowboys werden öfters mit schrägen Blicken gemustert. Sehr viele Americanos kommen nicht nach Sonoita, und man bringt ihnen immer ein gesundes Mißtrauen entgegen, da es meistens Burschen sind, die in den amerikanischen

- 93 -

Staaten oder Territorien gesucht werden. »Wir haben es also doch geschafft«, meint Shorty

zufrieden. »Nun müssen wir nur noch Smoky finden.« »Dürfte nicht allzu schwer sein«, brummt Brazos.

»Der ist mit Rosita beim Doc. Und der kann sich auch gleich um deine Streifschußverletzung kümmern.«

Der kleine Cowboy winkt ab. »Ist schon verschmerzt. Ein Whisky wäre mir im

Moment lieber. Trotzdem gehen wir zum Arzt. Hoffentlich lebt Rosita noch, denn sonst ist alles umsonst gewesen.«

Sie erkundigen sich bei einem Einheimischen nach dem Haus des Arztes und bekommen es auch gezeigt. Die dicke Mexikanerin empfängt die beiden Cowboys und will sie nicht ins Haus lassen.

Brazos hört sich einige Sekunden den Wortschwall an, der über ihn niedergeht, zuckt dann bedauernd mit den Schultern und schiebt die Mexikanerin einfach zur Seite.

Zedernd und protestierend folgt sie den beiden Cowboys von der Skull-Ranch, die einfach in das nächstbeste Zimmer hineinstiefeln und erfreut zu lächeln beginnen, als sie die schlafende Rosita erkennen.

Sie sehen sofort, daß das mexikanische Girl nicht mehr in Lebensgefahr schwebt.

»Dem Himmel sei Dank«, flüstert Brazos leise, um Rosita nicht aufzuwecken. »Sie ist über dem Berg.«

Er wendet sich der dicken Matrone zu, die ihn aus kleinen Augen anstarrt und sofort wieder auf spanisch zu schimpfen beginnt.

»Nun halt mal die Luft an«, sagt Shorty. »Wo ist unser Freund Doc Smoky? Und wo ist der Doc?«

Die Mexikanerin macht plötzlich kehrt, verläßt das Zimmer und kommt auch nicht wieder zurück.

- 94 -

Die beiden Freunde sehen sich an. »Gehen wir in die Bodega hinüber, alter Junge?« fragt

Brazos und leckt sich über die Lippen. »Wie ich Smoky kenne, steht er bestimmt schon seit geraumer Zeit am Tresen und kippt einen hinter die Binde.«

Shorty und Brazos wenden sich nochmals Rosita zu, die jedoch mit entspanntem Gesicht schläft. Ihr schwarzes Haar kontrastiert mit ihrem noch bleichem Gesicht.

Dann verlassen die beiden Cowboys von der Skull-Ranch das Haus des Arztes.

In der Bodega werden sie von allen Seiten forschend gemustert. Sie sehen, daß sich ein Mann blitzschnell aus dem Staub macht.

Am Tresen macht man ihnen Platz. Die beiden Cowboys bestellen sich Whisky und kippen den Inhalt in ihre Kehlen. Pfeifend schiebt Shorty sein Glas dem spindeldürren Keeper zu.

»Laß nochmals die Luft raus, Amigo mio.« Gerade als er das Glas an die Lippen setzen will, schwingen die Pen­deltüren zurück.

Zwei Männer treten ein. Ihre Kleidung ist von Staub gepudert. Tief hängen die Revolver an den Hüften. Der Hauch einer tödlichen Gefahr breitet sich aus.

Die beiden Pistoleros bleiben nahe der Tür stehen. Ihre eisigen Blicke fixieren die beiden Cowboys, die sofort wissen, was die Stunde geschlagen hat.

Diese beiden Burschen gehören zu der Banditenbande, die sie bisher erfolglos hetzte.

Und der eine Hombre ist Juan Cortez, der schlanke Mexikaner, aus dessen Gewalt sie von Doc Smoky befreit worden waren.

Rechts und links weichen die Gäste zur Seite. Alle

- 95 -

Gespräche enden abrupt. Eine fast unheimliche Stille breitet sich aus.

»Heiliger Strohsack«, murmelt Brazos. »Die Kerle hätten uns doch wenigstens in Ruhe unseren Whisky trinken lassen können.«

Juan grinst tückisch. »Nun haben wir euch endlich, ihr verdammten

Pferdediebe«, zischt seine Stimme. »Ergebt ihr euch, oder wollt ihr es mit uns versuchen, Muchachos?«

»Pferdediebe?« flüstert Shorty. »Okay, nun hat das Kind einen Namen. Daß diesen Kerlen auch niemals etwas neues einfällt.«

Das Lächeln der beiden Mexikaner verschwindet schlagartig. Ihre Hände hängen wie die Klauen eines Raubvogels über den Kolben ihrer Revolver.

Und es sieht verdammt schlecht für die beiden Cowboys der Skull-Ranch aus. Sie sind nun einmal keine schnellen Revolverkämpfer. Und gegen diese Schießer haben sie einfach keine Chance, in einem Duell bestehen zu können.

* * *

So elend wie in diesen Minuten hat sich Doc Smoky noch niemals in seinem Leben gefühlt.

Mit letzter Kraft klammert sich der Koch der Skull-Ranch am Sattelhorn fest. Seine Beine werden immer ge­fühlloser. Ein dumpfer Druck lastet auf seiner Brust, scheint ihm das Herz abdrücken zu wollen.

Der Oldtimer nimmt nochmals seine letzten Kräfte zusammen, als er die Lichter der Stadt erkennt. Und be­stimmt nehmen die Bürger von Sonoita an, daß der Alte da restlos betrunken ist und deshalb so im Sattel

- 96 -

schwankt. Vor Castillos Haus stürzt Doc Smoky aus dem Sattel

und bleibt im knöcheltiefen Staub liegen. Niemand kümmert sich um ihn. Stöhnend richtet sich der Oldtimer auf. Er prustet und niest wie ein Mann, der zu lange unter Wasser gewesen ist, denn Staub ist ihm in Mund und Nase gedrungen.

Endlich pocht Doc Smoky gegen die Tür. Niemand öffnet. Smokys Arme und Beine sind nun so schwer geworden, als wären sie mit Blei gefüllt.

Dann drückt er gegen die Tür, die zurückweicht und ihn ins Innere des Hauses taumeln läßt.

Die dicke Mexikanerin weicht kreischend zurück und bekreuzigt sich, als sie Doc Smoky antaumeln sieht. Blitzschnell verschwindet sie in der Küche.

Verzerrt schimmert Smoky das entspannte Gesicht von Rosita entgegen. Der Oldtimer zieht seinen Revolver. Die Waffe kommt ihm zentnerschwer vor. Seine Hand pendelt hin und her, und Doc Smoky ahnt, daß er kein Scheunentor auf fünf Yards Entfernung treffen wird.

Von Ernesto Castillo, dem verräterischen Banditenchef, ist nichts zu sehen.

* * *

Die beiden Revolverschwinger werden jeden Augenblick ziehen. Das wird den beiden Cowboys von der Skull-Ranch schnell klar. Brazos und Shorty wissen, daß sie gegen diese Schießer nicht den Hauch einer Chance haben werden.

Brazos lacht plötzlich schallend und hebt seine Hände in Schulterhöhe. Shorty folgt seinem Beispiel, obwohl er

- 97 -

nicht die geringste Ahnung hat, worauf Brazos hinaus will.

Die beiden mexikanischen Pistoleros bekommen große Augen. Juan sagt mit grimmiger Stimme: »Was seid ihr doch für erbärmliche Feiglinge, Amigos. Habt ihr nicht den Mut, wie zwei Caballeros zu kämpfen?«

Brazos lacht schon wieder. »Hört zu«, bellt seine Stimme. »Du bist nun einmal

mit dem Colt ein As und ich mit den Fäusten. Na, willst du vielleicht statt mit dem Revolver mit den Fäusten gegen mich kämpfen?«

Das will der Mexikaner natürlich nicht. Er und sein Gefährte wissen nun, daß es mit dem Revolverkampf nichts wird. Und sollten sie trotzdem schießen, dann wäre das Mord. Zu viele Zeugen befinden sich in der Bodega, um dies riskieren zu können. Und darauf basierte Brazos Plan.

Der bullige Cowboy lächelt. Noch immer halten er und Shorty ihre Hände in Schulterhöhe gereckt. Und die beiden Revolverschwinger überlegen nun, was sie als nächstes unternehmen können.

Endlich nehmen sie ihre Hände von den Revolverkolben. Die beiden Skull-Cowboys atmen auf. Und wer Brazos und Shorty genauer kennt, weiß, daß diese beiden Burschen alles anderes als feige sind. Sie können natürlich auch passen, wenn es für sie keine Chance mehr gibt.

»Los, ihr beiden Feiglinge, wir bringen euch zur Polizei, wo wir euch wegen Pferdediebstahls anzeigen. Oder habt ihr vielleicht geglaubt, nun so ohne weiteres davonzukommen?«

Brazos schüttelt den Kopf. Er wendet sich plötzlich an die übrigen Gäste.

- 98 -

»Ich hoffe, Amigos, daß ihr mich verstehen könnt. Und bestimmt habt ihr bereits kapiert, daß man uns umle­gen will. Natürlich haben wir keine Pferde gestohlen. Das ist nur ein Vorwand dieser beiden Burschen, um uns kleinzumachen. Okay, wir gehen mit zur Polizei, denn wir haben ein reines Gewissen.«

Brazos setzt sich in Bewegung. Shorty folgt seinem Freund auf den Fersen. Die beiden Cowboys von der Skull-Ranch schieben sich auf die beiden mexikanischen Banditen zu, die zur Seite weichen und dann ihre Revolver ziehen, als Brazos wie ein wildgewordener Toro heranstampft.

Brazos grinst spöttisch, schiebt sich zwischen die beiden Banditen hindurch, die noch mehr zur Seite wei­chen und schwingt eine Pendeltüre zurück. Shorty folgt ihm.

Und bereits in diesem Augenblick erkennen die beiden Banditen, daß sie vor lauter Furcht, Brazos' Fäusten zu nahe zu kommen, einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben. Denn die beiden Cowboys sind draußen in der Dunkelheit verschwunden, während die beiden Schießer noch hinter den Pendeltüren stehen.

Plötzlich kommt Leben in Juans Gestalt. Er stürmt los. Wild schwingen die Pendeltüren hin und her. Sein Gefährte folgt ihm.

Dunkelheit hüllt sie ein. Und dann donnern Brazos Fäuste gegen die Köpfe der

Bandoleros, die überhaupt nicht wissen, wie ihnen geschieht. Aufschreiend brechen sie zusammen, während Brazos sich die Knöchel seiner Hände zu massieren beginnt.

Shorty reckt sich auf die Zehenspitzen und klopft seinen großgewordenen Freund anerkennend auf die

- 99 -

Schulter. »Große Klasse, Dicker. Ausgezeichnet. Den Kerlen

haben wir es aber gegeben. Jetzt sollten wir nur daran denken, daß es eine ganze Reihe von Burschen gibt, die es auf uns abgesehen haben. Noch ist längst nichts entschieden.« Brazos nickt.

Er packt die beiden bewußtlosen Männer am Kragen und schleppt sie zu einer dunklen Seitengasse. Dort fesselt er die beiden Banditen mit deren Hosenträgern.

Shorty taucht plötzlich neben ihm auf. »Heh, Dicker«, ruft er. »Wenn mich nicht alles

täuscht, dann steht Doc Smokys Pferd dort drüben vor dem Haus des Arztes. Sollen wir uns nicht bei ihm melden? Was meinst du?«

»Gewiß, Kleiner, sehen wir nach, was der Pfannenschwenker alles angestellt hat, seitdem wir ihn alleine gelassen haben.«

Die Tür zur Arztpraxis ist nur angelehnt. Die dicke Mexikanerin ist nirgends zu sehen.

Und dann finden die beiden Cowboys Doc Smoky, der sich vor Schmerzen am Boden krümmt und den Eindruck macht, als würde der Sensenmann jeden Augenblick zuschlagen.

Brazos und Shorty erschrecken sehr. Sie knien vor dem stöhnenden Oldtimer nieder und sehen sein verzerrtes und eingefallenes Gesicht.

Brazos tätschelt Doc Smokys Wangen. Smoky öffnet die zuckenden Augenlider. Sein Blick ist zuerst ohne jegliches Verstehen.

»Was ist mit dir, Smoky?« fragt Brazos. »Los, sag es uns, damit wir dir helfen können?«

Nur sehr langsam dringen diese Worte in Doc Smokys Bewußtsein. Er richtet seinen Oberkörper auf. Seine

- 100 -

Hände zucken, als wären sie selbständig geworden und gehorchen ihm nicht mehr.

»Gift«, stöhnt der Oldtimer. »Dieser Arzt hat mich ebenfalls vergiftet. Er ist der Boß dieser Höllenhunde.«

Diese Worte kommen stammelnd und abgehackt zwischen den bebenden Lippen des Koches der Skull-Ranch hervor. Sein Stöhnen geht Brazos und Shorty durch Mark und Bein.

Gehetzt sehen sie sich an. Und längst haben sie erkannt, daß ihnen Smoky unter

den Händen sterben wird, sollten sie ihm nicht in den nächsten Minuten helfen können.

Schritte klangen auf. Knarrend weicht eine Tür zurück. Brazos und Shorty richten sich auf und starren in die

Mündung eines drohend auf sie gerichteten Revolvers, den ein großgewachsener Mexikaner in den Händen hält.

Der Mann lächelt spöttisch. »Willkommen«, sagt er mit harter Stimme. »Ihr habt

mir gerade noch in meiner Sammlung gefehlt!«

* * *

Und in diesem Moment zeigt es sich, daß Brazos alles andere als ein Feigling ist.

Er wirft sich urplötzlich nach vorn und überrascht damit den Arzt, der zwar seinen Revolver noch abdrücken kann, dann jedoch von Brazos' Körper von den Beinen gerissen wird.

Die Kugel zischte nur dicht an Brazos Kopf vorbei und klatschte in die Wand.

Brazos' Hände umklammern die Kehle des Mannes, dessen Gesicht zuerst rot anläuft, dann jedoch von einer

- 101 -

geisterhaften Blässe gezeichnet wird. Gegen die Bärenkräfte des Skull-Cowboys hat der

mexikanische Banditenboß nun einmal überhaupt keine Chancen. Wild schlägt er mit Armen und Beinen um sich.

Brazos' Händedruck verstärkt sich. Das Gesicht des Halunken nimmt eine leicht bläuliche Farbe an.

»Genug«, schrillt Shortys Stimme. »Hör auf, Dicker, sonst bringst du den Kerl um.«

Brazos' stählerner Griff lockert sich. Ernesto Castillo ringt nach Atem. Langsam bekommt

er seinen Körper wieder unter Kontrolle. Eine tödliche Angst liegt in seinen geweiteten Augen, als er seinen Oberkörper aufrichtet.

Brazos kniet noch immer vor dem Banditen und zeigt ihm nun seine mächtigen Fäuste.

»Hör zu«, sagt er rauh. »Ich gebe dir genau zehn Sekunden, um meinem Gefährten das Gegenmittel gegen das Gift einzugeben, sonst drücke ich erneut zu. Und ich werde erst loslassen, wenn du in der Hölle bist. Hast du mich verstanden?«

Ernesto Castillo sucht nach Worten. Er will den Kopf schütteln, doch da schließen sich Brazos' Pranken wieder um seinen Hals.

»Si, si«, stößt Castillo hervor. »Ich werde ihm helfen, doch ihr müßt mich laufenlassen. Das ist meine einzige Bedingung.«

Brazos und Shorty überlegen. Ihnen ist alles egal. Sie wollen nur Doc Smokys Leben

retten. Shorty ergreift das Wort. »Okay, du kannst verschwinden, Bandit. Du

bekommst einen Vorsprung von einer halben Stunde.

- 102 -

Und dann werden wir dich jagen. Mehr ist nicht drin, mein Guter. Und nun gibst du Doc Smoky das Gegenmittel ein, sonst bist du schneller über den Jordan, als du bis drei zählen kannst.«

Brazos zieht seinen Revolver und rammt dem Arzt den Lauf der Waffe in den Magen.

»Los, spute dich, mein Bester. Sollte Smoky sterben, dann bist du dran.«

Gemeinsam mit dem Arzt geht Brazos in das angrenzende Zimmer, in dem viele Flaschen, Tiegel und Gläser stehen. Zielstrebig nimmt Castillo eine kleine Flasche von einem Regal. Ein paar Tropfen davon schüttet er in einen Becher, den er dann mit Wasser füllt.

Smoky trinkt keuchend und fällt auf den Rücken zurück.

Ernesto Castillo setzt sich nun mit leichenblassem Gesicht auf einen Stuhl. Große Schweißperlen laufen ihm über das gerötete Gesicht.

Der Banditenboß ist ebenfalls fix und fertig. Er weiß, daß er sein rauhes Spiel verloren hat. Gedankenverloren bleibt sein Blick auf einer auf den Tisch stehenden Tequilaflasche hängen. Er nimmt einen langen Schluck. Der scharfe Schnaps beruhigt anscheinend seine aufgepeitschten Nerven.

Dann erhebt er sich. »Bleib nur sitzen«, sagt Shorty giftig. »Wir halten

zwar unser Versprechen, doch du kannst erst abschwir­ren, wenn Doc Smoky wieder hundertprozentig in Ordnung ist.«

Ernesto Castillo fällt schwer auf den Stuhl zurück. Shorty hält drohend einen Revolver auf den

Banditenboß gerichtet. Minuten vergehen.

- 103 -

Das Gegenmittel wirkt bereits. Doc Smokys Gesicht nimmt einen entspannten Ausdruck an. Sein Atmen geht ruhiger. Das krampfartige Zucken der Arme und Beine hat aufgehört.

Shorty und Brazos atmen auf. Sie hoffen, daß Doc Smoky dem Tod von der Schippe gesprungen ist.

Rosita erwacht in diesem Moment. Das mexikanische Mädchen richtet ihren Oberkörper auf. Verwirrt sieht sie sich um. Es dauert einige Sekunden bis sie begreift, daß alles vorbei ist und die Krankheit wie ein höllischer Spuk hinter ihr liegt.

Brazos erklärt ihr mit wenigen Worten was geschehen ist. Er deutet auf Ernesto Castillo.

»Dieser Hundesohn muß der Bursche sein, der dich seit Wochen unter Druck setzte. Er kam immer maskiert auf deine Hazienda und redete wie ein Americano. Doc Smoky konnte ihn jedoch durchschauen. Mehr weiß ich auch nicht. Wir müssen erst abwarten, ob es der alte Bursche auch wirklich überlebt.«

Es sieht danach aus. Doc Smokys Bewußtlosigkeit ist längst in einen tiefen

Schlaf übergegangen. Sein Atem geht gleichmäßig. Sein Körper entspannt sich immer mehr. Und es dauert nicht mehr lange, dann beginnt Doc Smoky lauthals zu schnarchen.

Shorty, Brazos und Rosita strahlen. Nur Ernesto Castillo fühlt sich nicht mehr besonders wohl in seiner Haut, glaubt wohl nicht, daß die beiden Cowboys ihr Versprechen halten werden.

Immer wieder fällt sein Blick auf seinen Revolver, der in einer Ecke des Zimmers liegt.

Brazos nickt plötzlich drohend. »Okay, Bandit. Du kannst verschwinden. Ich gebe dir

- 104 -

eine halbe Stunde Zeit, um …« Brazos stockt, denn im Türrahmen ist die dicke

Mexikanerin aufgetaucht. Sie hält ein Gewehr in den Händen, mit dem sie auf die beiden Skull-Männer zielt.

Ernesto Castillo erhebt sich plötzlich grinsend. »Das Blatt hat sich wohl gewendet, nicht wahr?«

zischt er mit böser Stimme. »Ich danke dir Esmeralda«, sagt er zu der

Mexikanerin, die jedoch den Kopf schüttelt. »Reite, Ernesto«, sagt sie. »Dein Spiel in Sonoita ist

vorbei. Du wirst die Männer und das Mädchen in Frieden lassen und verschwinden. Nur aus diesem Grund bin ich gekommen.«

Castillos Gesicht wird weiß wie eine Wand. Nachdenklich nagt er an seiner Unterlippe. Dies alles schmeckt ihm nicht besonders. Man sieht es ihm deutlich an.

»Aber Esmeralda«, sagt er. »Ich …« Der Gewehrlauf deutet plötzlich in seine Richtung. »Verschwinde, Ernesto und laß dich niemals wieder in

Sonoita sehen. Dein Spiel ist aus. Und mehr kann und will ich nicht für dich tun.«

Castillo nickt. Er erhebt sich, tritt zur Tür und wirft den Männern und dem Mädchen einen drohenden Blick zu.

»Vielleicht sprechen wir uns noch irgendwann«, sagt er drohend. »Noch ist nicht aller Tage Abend.«

Shorty und Brazos nicken. »Bete zu deinem Schöpfer, daß du uns nicht mehr

über den Weg läufst«, giftete Shortys Stimme. »Los, ver­schwinde, du Ratte. Hau ab. Irgendwann wird man dich sowieso aufhängen. Daran geht kein Weg vorbei. Irgendwann bist du dran.«

- 105 -

Ernesto Castillo verschwindet. Die beiden Skull Cowboys lauern mit gezogenen Revolvern an der Tür, doch der Banditenboß taucht nicht wieder auf. Gleich darauf ertönen die Hufschläge eines sich schnell entfernenden Pferdes.

Die dicke Mexikanerin verschwindet ebenfalls. Shorty, der wenige Minuten später Ausschau nach ihr hält, kann sie im ganzen Haus nicht mehr finden.

»In einer halben Stunde folge ich diesem falschen Doktor, so wie ich es ihm versprochen habe«, sagt Brazos. »Dieser Kerl darf nicht entkommen, denn sonst wird er irgendwo sein höllisches Treiben wieder aufnehmen und neues Unglück über seine Mitmenschen bringen.«

Shorty nickt nur. »Ich komme natürlich mit, Dicker«, sagt er. »Könnte

dir so passen, alleine den großen Helden spielen zu wollen.«

* * *

Doc Smoky öffnet plötzlich die Augen. Der Blick ist klar. Ein Lächeln legt sich um seine Mundwinkel.

Krächzend sagt er: »Na, habt ihr mich herausgepaukt, Jungs? Dann müßt ihr wohl in letzter Sekunde gekommen sein, denn ich hatte mich bereits abgeschrieben.«

»Es ist alles in bester Ordnung«, sagt Brazos. Dann berichtet er dem staunenden Smoky von ihrem entschlossenen Eingreifen.

Der Oldtimer leckt sich über die Lippen. »Dieser Bursche legte mich gewaltig herein. Und

anscheinend gab er mir eine solche starke Dosis von dem

- 106 -

Gift, daß es bereits nach kurzer Zeit ansprach.« Doc Smoky berichtet dann ausführlicher. »Dort steht diese verdammte Tequilaflasche«, endet

der Oldtimer. »Kommt nur nicht auf die Idee, davon einen Schluck nehmen zu wollen, Jungs.«

Brazos staunt mächtig. »Da mußt du dich irren, Alter«, sagt er. »Ich habe vor

wenigen Minuten ganz deutlich gesehen, daß dieser Hombre einen kräftigen Schluck aus dieser Flasche genommen hat.«

»Das glaube ich nicht«, antwortet Doc Smoky. »Der Bursche wird doch nicht von seinem eigenen vergifteten Schnaps trinken.«

Shorty stößt ein wieherndes Gelächter aus. »Er hat davon getrunken. Auch ich habe es gesehen.

Es gibt überhaupt keine Zweifel. Und wißt ihr, was das bedeutet?«

Sie ahnen es alle drei. Brazos sieht sich die vielen Arzneien und Tinkturen

im Arbeitszimmer an und kommt grinsend zurück. »Nun brauchen wir nur noch abzuwarten bis Ernesto

Castillo wieder auftaucht, Jungs. Der wird bald merken, daß er aus Versehen aus der falschen Flasche getrunken hat. Und wenn er erst richtige Bauchschmerzen bekommt, wird er kehrtmachen und wieder zurückkommen. Darauf verwette ich meinen Kopf.«

»Ich verständige die Polizei«, sagt Shorty und erhebt sich. »Die können den Burschen dann gleich festnehmen, und wir brauchen uns die Hände nicht mehr schmutzig zu machen.«

Shorty erhebt sich. Brazos sagt: »Du kannst den Polizisten auch gleich die

Stelle zeigen, wo wir diese beiden Schießer versteckt

- 107 -

haben.« Shorty eilt davon. Brazos' Blick fällt auf Doc Smoky,

der sich wieder zurückgelegt hat. »Schlaf nur, Alter«, brummt Brazos. »Ich schätze, daß

nun alles gelaufen ist. Rosita geht es auch wieder ausge­zeichnet. Morgen reiten wir zur Hazienda zurück. Und irgendwann sollten wir uns auch wieder auf der Skull-Ranch sehen lassen, ehe John Morgan auf die Idee kommt, daß uns etwas Schlimmes geschehen ist. Außerdem könnten wir …«

Brazos Stimme bricht ab, denn er erkennt, daß Doc Smoky wieder eingeschlafen ist.

Eine halbe Stunde später erscheint Shorty in Begleitung von zwei mexikanischen Polizisten. Und erst als Rosita zu erzählen beginnt, glauben sie alles so richtig.

Eine weitere Stunde später ist es soweit. Ernesto Castillo wankt ins Zimmer. Er wird sofort

festgenommen. Ehe er das Gegenmittel erhält, unterschreibt er ein

ausführliches Geständnis. Damit hat er ausgespielt. Seine Untaten werden ihn den Kopf kosten. Schon seit Monaten machte die mexikanische Polizei Jagd auf ihn, doch er und seine Bande konnten immer wieder entkommen.

Er wird abgeführt. Da er auch die Namen seiner Bandenmitglieder preisgegeben hat, wird die mexikanische Polizei in dieser Nacht noch eine ganze Menge Arbeit bekommen.

»Das hätten wir geschafft«, lächelt Brazos und nickt Shorty und Doc Smoky zu. Der Oldtimer ist wieder munter, obwohl in seinem Gesicht noch die Strapazen der vergangenen Stunden zu erkennen sind.

- 108 -

»Ich habe euch zu danken«, sagt Rosita. »Ohne euer Eingreifen, wäre ich bestimmt verloren gewesen. Ihr habt nicht nur mein Leben, sondern auch die Hazienda gerettet. Dort wird nun wieder Frieden und Ruhe ein­kehren.«

»Yeah, eigentlich wollten wir uns dort nur zwei Tage erholen«, nickt Doc Smoky. »Wir hatten wirklich keine Ahnung, daß wir in ein Abenteuer schlittern würden.«

»Morgen reiten wir zurück zur Hazienda, Jungs. Und dann werdet ihr euch noch ein paar Tage ausruhen. Wie ich John Morgan einschätze, wird er euch nicht böse sein, wenn ihr euch ein paar Tage verspätet. Ihr braucht ihm nur zu erzählen, was ihr alles geleistet habt.«

Doc Smokys Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse. »Da kennst du unseren Boß aber verdammt schlecht,

Rosita. Oder glaubst du, er wird mir diese verrückte Story abnehmen?«

Seine Freunde schmunzeln. »Das hast du nun von deinen Lügenmärchen«, freut

sich Shorty. Empört springt Doc Smoky auf. »Dir werd ich's zeigen! In meinem ganzen Leben hab'

ich noch nie gelogen …«

ENDE

- 109 -


Recommended