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Insider-Tipps für eine erfolgreiche Praxisübernahme

Date post: 25-Jan-2017
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Insider-Tipps für eine erfolgreiche PraxisübernahmeJunge Zahnärzte, die sich mit einer Praxisübernahme selbstständig machen wollen, stehen vor einem Berg von existenziellen Fragen. Knackige Insider-Tipps zu Themen wie Finanzierungsplan, Standortwahl und Verträgen wären jetzt der Hit. Aber wer kann einem vertrauenswürdig Rat geben? Wir haben erfahrene Experten für Sie befragt.

Petra Keßler // freie Journalistin, Kiel

Jeder Zahnarzt kennt das aus dem Studium: Ohne die richtigen Pasten und Bürsten dauert die Politur der Prothese Stunden

und wird am Ende doch nicht so, dass man das Testat bekommt. Diesen Stress sollte man sich bei der Existenzgründung nicht antun. Das richtige Wissen und Werkzeug erspart einem auch hier sehr viel Zeit und Nerven.

Doch wer kompetente Berater für die unterschiedlichen, anspruchsvollen Gebiete einer Praxisübernahme sucht, ver-

sinkt schnell in einem Meer von Anbietern aus Fachzeitschrif-ten, Internet und Brie� asten. Und wird bombardiert mit Fremd-worten wie betriebswirtscha� liche Auswertung und Business-Plan. Das geht besser.

Als Student, Assistent oder angestellter Zahnarzt hat man meist weder Zeit noch Gelegenheit, alle möglichen Fachleute zu recherchieren und zu kontaktieren, um die dentalen Kory-phäen unter den Anwälten, Steuerberatern und Versicherungs- ▶

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fachleuten aus� ndig zu machen. Verlage und Journalisten kön-nen das. Ihnen ö� nen sich Türen, an die man selbst vielleicht nie geklop� hätte, wie die von Dr. Mark Hindenlang.

Öff entliche FörderprogrammeDer Versicherungsexperte weiß, worauf junge Zahnärzte achten müssen, damit sie nicht versehentlich den Anspruch auf ö� ent-liche Förderprogramme wie Darlehen der Kreditanstalt-für-Wiederau� au (KfW) oder Kredite der Mittelstandsbanken ver-wirken: „Ein Beratungsgespräch bei der Bank sollte statt� nden, bevor eine verbindliche Unterschri� stattgefunden hat. Wer als Existenzgründer zum Beispiel auf einer Messe ein tolles Ange-bot für eine neue Behandlungseinheit unterschreibt, bevor er einen Termin bei einem Finanzinstitut wahrgenommen hat, hat rechtlich keinen Anspruch mehr auf günstige Förderdarlehen.“ Gegen das Einholen von Kostenvoranschlägen spricht hingegen nichts. Der Existenzgründer muss der Bank ja schließlich sagen können, was in seiner Kostenplanung wie viel kostet.

Was gilt es für Praxisübernehmer – bei denen gebrauchte Teile gern mal in der Anfangszeit plötzlich den Geist aufgeben – bei der Inventarversicherung zu bedenken? „Die Versicherung sollte über den Neuwert des Inventars abgeschlossen werden, auch wenn alle Teile gebraucht sind. Denn, wenn etwas kaputtgeht, muss es meistens neu angescha� werden. Und wenn dann der Wert zu niedrig angesetzt ist, wird o� – je nach individueller Vertragslage – nur ein unerwartet kleiner Teilbetrag dessen aus-gezahlt, was für eine Neuanscha� ung notwendig ist.“

Bestehende Altverträge müssen deshalb auch auf Aktualität geprü� werden. „Mit dem Datum der Praxisübernahme gehen die Praxisinventar- und die Betriebsunterbrechungsversiche-rung automatisch mit vierwöchigem Kündigungsrecht auf Sie über. Die alten Verträge können günstigere Konditionen bieten als Neuverträge. Aber meistens ist dies, meiner Erfahrung nach, nur scheinbar der Fall, da die Verträge nicht auf dem aktuellen Stand sind, neue Geräte nicht angemeldet wurden und damit eine Unterversicherung wie oben beschrieben vorliegt.“

Erfolgreiche PraxisbewertungFür eine Praxisbewertung inklusive betriebswirtscha� licher Auswertung (BWA) und Standortanalyse bieten sich auf dem Markt viele Experten an. Und nicht jeder junge Zahnarzt hat einen befreundeten, erfahrenen Kollegen, der mit ihm einfach mal durch die Praxis geht und zum Beispiel die Geräte unabhän-gig auf Zustand und Tauglichkeit prü� . Hier kann eine Fachfrau kompetent helfen, an die viele o� nicht denken: eine selbststän-dige Abrechnungsspezialistin.

Marija Bekavac geht mit Zahnärzten in die Praxis. „Ich funktioniere o� wie ein Lügendetektortest für meine Kunden. Ich schaue mir an, sind umsatzstarke Hightech-Geräte wie CEREC da? Wie alt ist die So� ware? Läu� sie etwa noch mit MS-DOS? Wie sieht das Terminbuch aus? Wenn ich dann zu hören bekomme: ‚Ach, das ist zeitlich gerade schlecht‘ und der Praxisinhaber weicht aus, dann ist klar, da stimmt was nicht. Genau so, wenn er sagt: ‚Die Praxis läu� erfolgreich‘ und über-all stehen alte Geräte.“

Sicherheitsfaktor AbrechnungshelferinEinige der Einsichten, die man durch ein Gespräch mit der Inhabe-rin eines Abrechnungsbüros mit über 30 Mitarbeiterinnen gewinnt,

Mein Tipp

„Bei der Berufsha� p� icht ist es ganz wichtig, einen ange-stellten Zahnarzt oder Assistenzarzt immer im eigenen

Vertrag mitzuversichern. Als Arbeitgeber ha� e ich dafür, wenn mein Arbeitnehmer zum Beispiel bei der Wurzelbehandlung eine Endofeile abbricht. Denn die fehlerha� e Ausführung wird nach § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) automatisch auch dem Praxisinhaber zugerechnet. Der angestellte Zahnarzt gilt vor dem Gesetz in diesem Fall als Erfüllungsgehilfe. Wird darauf nicht geachtet, muss der Praxisinhaber im Ernstfall den Schaden aus eigener Tasche bezahlen.“

Dr. Mark Hindenlang //Versicherungsexperte

Mein Tipp

„Fragen Sie einfach mal in den Apotheken in der Umge-bung nach, was der Kollege für einen Ruf hat. Die wissen

meistens sehr gut Bescheid. Nehmen Sie die Basisseminare für Existenzgründer durch die KZV wahr. Dann haben Sie schon mal wichtige Grundinfos, und alles geht einfacher, schneller und preiswerter. Denn unabhängige Berater rechnen auf Stun-denbasis ab.“

Marija Bekavac //ZMV und Prüfungsausschussmitglied des ZBV München für ZFA

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sind ebenso überraschend wie existenziell wichtig. „Ich sehe auch sofort, ob die Abrechnungshelferin gut oder schlecht ist. Eine gute Abrechnungskra� weist auf Fehler hin und reizt den Rahmen voll aus. Sie kennt alle Gesetzeslücken und sorgt für eine entspannte Abrechnung mit den Versicherungen. Bei einer schlechten Kra� fehlen lukrative Positionen, und es gibt viele Rückläufer.“

Tatsächlich kann eine erfahrene zahnmedizinische Verwal-tungsassistentin (ZMV), die auf dem neuesten Stand ist, Heil- und Kostenpläne für den Zahnarzt vorab auf Kassenrecht prü-fen, sodass die Richtlinien eingehalten werden und der Fall nicht plötzlich beim Gutachter landet. Sie stellt also nicht nur eine große Erleichterung, sondern auch einen wichtigen Sicherheits-faktor gerade für junge Existenzgründer da.

Trotzdem emp� ehlt Expertin Marija Bekavac jedem Zahn-arzt, unbedingt auch eine eigene Abrechnungskompetenz zu ent-wickeln: „Das Schlimmste ist, eine Praxis zu führen und nicht Bescheid zu wissen. Das kann sich kein Zahnarzt leisten. Er kann

die Abrechnung nicht überprüfen und ist abhängig von der Hel-ferin.“ Und noch eine weitere Schulung legt sie Existenzgrün-dern dringend ans Herz. „Der Zahnarzt sollte eine Verkaufs-schulung machen. Sie können zwar gut bohren, aber nicht ver-kaufen. Sie wissen o� einfach nicht, wie sie es sagen sollen. Aber das kann man lernen.“

Risikofaktor AbschlagszahlungWann gibt es denn überhaupt von der kassenzahnärztlichen Vereinigung das erste Mal Geld, und wenn ja, wie viel? Oliver Woitke, stellvertretender Vorsitzender der KZV Bremen, gibt darauf eine klare Antwort: „Wenn Sie am 1. Januar angefangen haben, bekommen Sie von uns am 20. Februar die Abschlags-zahlung für den Januar. Darin enthalten sind die Leistungen für die konservierenden, chirurgischen und parodontologischen Leistungen sowie für Kieferbruch und Schienentherapie. Für Praxisneugründer sind das 5000 Euro; Praxisübernehmer kön-

Checkliste Praxis-KompatibilitätFür eine erfolgreiche Prüfung der Praxis-Kompatibilität emp-� ehlt es sich, die am Patienten erbrachten Leistungen minde-stens der letzten drei Jahre anzuschauen und sich dabei fol-gende Fragen im Hinblick auf die Behandlungsqualität zu beantworten:→ Wie groß ist der Prophylaxe-Umfang: Begegne ich beim

Behandeln Zahn� eischbluten und Essensresten oder gep� egten, gesunden Gebissen?

→ Wie hoch ist der Anteil der Füllungen mit Mehrkosten-beteiligung: Sind die Patienten also schon an Zuzah-lungen gewöhnt oder bin ich als Nachfolger plötzlich der geldgierige Neue?

→ Wie ist der Standard bei der konservierenden Zahnheil-kunde: Wurden beim Legen der Füllung Matrizen und Keile verwendet und tatsächlich eine Mehrschicht-Adhä-siv-Au� aufüllung gemacht?

→ Wie viele Parodontitis-Behandlungen hat mein Vorgän-ger abgerechnet: Begegne ich eiternden Taschen und Gingiva-Rezessionen – auch unter neuem Zahnersatz?

→ Wie und wie viel Endodontologie hat er gemacht: Sind die Wurzelkanäle wirklich ordentlich au� ereitet und gereinigt worden, oder erwartet mich auf jedem Rönt-genbild eine böse Überraschung?

→ Welchen Standard hat die Praxis in der Prothetik: Sind zum Beispiel Klammerprothesen die Norm?

→ Welche Tendenz hat das Ganze: Hat der Vorgänger schon angefangen abzubauen, sind die Patienten also gerade dabei, verstärkt abzuwandern, weil sie unzufrie-den sind?

→ Wurde im letzten Jahr noch schnell ganz viel Zahn-ersatz eingesetzt: Sind die Patienten also erst Mal alle durchbehandelt?

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Checkliste Praxisbewertung☐ StandortwertDie Zahlen einer angebotenen Praxis, was das Patientenpotenzial angeht, können zwar auf den ersten Blick gut aussehen. Aber wer zum Beispiel in Ulm wohnt, fährt erfahrungsgemäß nicht über die Donau nach Neu-Ulm zum Zahnarzt. Und umge-kehrt. Das muss man wissen, um den Wert einer angebotenen Praxis dort richtig einschätzen zu können. Dasselbe gilt zum Beispiel für Orte wie Ehingen. In der schwäbischen Kleinstadt sahen die Zahlen für die rund 25.000 Einwohner immer sehr positiv aus, wenn es um die Finanzstärke möglicher Patienten ging. Doch wer genauer hinsah, konnte sehen, dass dort auch der Firmensitz einer wohlhabenden Unternehmerfamilie war. Rechnete man dieses Kapital raus, veränderte sich die Kau� ra� für den Standort deutlich, und es ergab sich betriebswirtscha� lich eine ganz andere Aussage. Was an sich schon interessant ist, aber richtig Bedeutung bekommen kann, wenn die Firma Insolvenz anmelden muss. Wie es 2012 in Ehingen passiert ist.

☐ BestandsschutzHeute darf eine Zahnarztpraxis eigentlich nicht mehr über nur eine Toilette verfügen. Aber alte Praxen haben o� trotzdem nur ein WC, weil es für den abgebenden Zahnarzt häu� g noch Übergangsregelungen gibt, die trotz der Gesetzesänderung den alten Zustand erlauben. Der Praxisübernehmer aber muss bei einer Modernisierung die neuen Bestimmungen meistens umsetzen. Wenn er diesen notwendigen Umbau in seiner Planung übersieht, kann das kostspielig werden und sich die Erö� -nung der Praxis dadurch verzögern.

☐ ParkplätzeParkplätze sind für den wirtscha� lichen Erfolg einer Praxis, gerade im Stadtbereich, von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist es ganz wichtig zu prüfen, ob der Vorgänger tatsächlich Anspruch auf die von ihm genutzten Praxisparkplätze hatte, oder ob es einfach nur Gewohnheitsrecht war, auf das man als Nachfolger keinen Anspruch hat.

☐ SozialraumEine Praxis kann heute noch laut Arbeitsstättenverordnung auf einen Sozialraum verzichten, wenn sie mindestens eine Stun-de lang komplett geschlossen ist. Angesichts der gesetzlichen Änderungen in den letzten Jahren ist es aber fraglich, ob diese Regelung auch noch in Zukun� Bestand hat. Deshalb ist es wichtig zu klären, ob die Praxisräumlichkeiten genügend Spielraum für zukün� ige Gesetzesänderungen lassen oder jetzt schon am oberen Rand des Handlungsspielraums liegen.

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nen die Höhe der Abschlagszahlung Ihres Vorgängers überneh-men.“ Und wann kommt das Geld für den Zahnersatz? „Wenn Sie die Zahnersatz-Abrechnung am 15. Januar einreichen, � ießt das Honorar am 25. Februar.“ Der Existenzgründer muss also die ersten sechs bis acht Wochen seine Praxis inklusive Gehäl-ter, Laborkosten und Eigenbedarf komplett von seinem Kredit � nanzieren. Mindestens.

Doch das ist noch nicht mal der eigentliche Knackpunkt: Die Abschlagszahlung darf nicht zu hoch angesetzt sein! „Sonst kann es dem jungen Zahnarzt passieren, dass er Ende Juni plötzlich einen Brief für das erste Quartal bekommt, in dem steht: ‚Bitte zahlen Sie die Summe x innerhalb der nächsten zwei Wochen zurück, oder wir verrechnen sie mit der nächsten Zahlung.‘ Und wenn dann ein Anruf von der Bank kommt: ‚Wir vermissen Zahlungseingänge auf ihrem Konto‘, hat man den ‚worst case‘.“

Was rät er als Fachmann, um diesen Fall zu vermeiden? „Einen sehr guten Steuerberater. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er mit seinem Mandanten auch in die Zukun� schaut und nicht nur die Praxiszahlen im Jahresrückblick bewertet. Und dass er ihn auf solche Gefahrenquellen rechtzeitig aufmerksam macht. Ganz wichtig sind auch gerade in der Anfangszeit monatliche eigene Kontrollen der Statistiken.“

Empfehlenswerte ÜbernahmestrategieWas emp� ehlt er für einen möglichst gelungenen Start in die Selbstständigkeit? „Wenn es möglich ist, ist eine schrittwei-se Übernahme immer besser als eine kalte. Konkret sieht das so aus, dass Junior- und Seniorpartner noch eine Zeit lang zusammenarbeiten. Dabei kann auch ein Statuswechsel inner-halb der Praxis sinnvoll sein. Der ehemalige Inhaber arbeitet nach erfolgter Übernahme noch eine Zeit lang als Angestellter mit. Das kann sehr gut funktionieren und ist auch gut für die Patientenbindung.“

Doch wie kann man sich erfolgreich als Juniorpartner davor schützen, sich nach dem Kauf in der unangenehmen Situation wiederzu� nden, mit dem Seniorpartner so gar nicht zu können? „Bei einer Praxisscheidung verlieren immer alle. Deshalb emp-fehle ich Käufern und Verkäufern, alle Karten frühzeitig o� en auf den Tisch legen. Und als Juniorpartner erst mal eine Tätig-keit als angestellter Zahnarzt in der Praxis in Betracht zu ziehen, als eine Art Verlobungszeit. Wenn man in der Zusammenarbeit merkt: ‚Oh, unser Praxisvertrag hat ja schon 50 Seiten‘, dann ▶

Mein Tipp

„Zur Sicherheit bieten wir jungen Zahnärzten kostenlose Checklisten an. Wenn Sie jeden Punkt auf dieser Liste

abgehakt haben, haben Sie vonseiten der KZV alles für eine Pra-xisübernahme beieinander.“

Oliver Woitke //Diplom-Ökonom und stellvertretender Vorsitzender der KZV Bremen

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wird das wahrscheinlich nicht klappen. Der beste Vertrag ist der, in den beide Partner nie reingucken müssen. Die ‚basics‘ müs-sen geregelt sein. Aber nicht jeder Schritt des täglichen Lebens. Das ist eine Frage der Kollegialität. Wenn die nicht da ist, nützt der beste Vertrag nichts.“

Was sollte aus seiner Erfahrung noch klar geregelt sein? „Der Juniorpartner sollte sich mit dem Abgeber auf ein festes Abga-bedatum einigen. Erfahrungsgemäß fällt es dem Seniorpart-ner dann doch häu� g schwer, sein Lebenswerk loszulassen. Da hil� es, wenn das Übernahmedatum von Anfang an � xiert war. Wichtig ist auch, eine saubere Regelung zu tre� en, wer im Fall von Reparaturen oder Neuanfertigungen des bis zur Praxisü-bernahme angefertigten Zahnersatzes zuständig ist. Das ist auch für die Patienten wichtig. Regress-Anträge können noch bis zu zwei Jahre nach Praxisübernahme kommen.“

Goldschatz SteuerberaterIhr Steuerberater sollte Ihnen eigentlich sagen können, was Sie pro Stunde am Stuhl an Honorar verdienen müssen, um im grü-nen Bereich zu sein. Tatsächlich gibt es schätzungsweise nur zirka 30 Fachleute, die das in Deutschland für Zahnärzte tun können. Steuerberater Nils Strauß ist einer von ihnen, mit zwölf Jahren Erfahrung im Bereich Zahnmedizin.

100

100EURO

Mein Tipp

„Das Investment in eine Homepage von 5000 Euro klingt sehr viel. Wenn sich aber aufgrund der Praxis-Webseite

pro Monat zwei neue Patienten melden – und das ist niedrig gerechnet – macht das für 60 Monate, also fünf Jahre, 120 Pati-enten mehr. Das macht im Jahr durchschnittlich einen zusätz-lichen Mehrgewinn von 12.000 Euro bei einer einmaligen Inve-stition von 5000 Euro. Selbst wenn es nur ein Patient pro Monat wäre, rechnet sich eine Homepage. Hier sollte man nicht am fal-schen Ende sparen, sondern wirklich Geld in einen Fachmann investieren.“

Nils Strauß //Steuerberater

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Er versteht sich als Koordinator, bei dem schon in der Über-nahmephase ganz viele Stränge zusammenlaufen. „Die Termi-nierung der Umbauarbeiten ist bei einer Praxisübernahme abso-lut wichtig. Bei sieben bis 14 Tagen Verzögerung verliert man schon 5000 bis 15.000 Euro Umsatz. Das ist in diesem Fall – abzüglich sechs bis acht Prozent Materialkosten – dann auch der tatsächlich verlorene Gewinn. Diesen Betrag holt man nie wieder auf. Hier sollte man den Depotmitarbeiter seines Ver-trauens den Handwerkern auf die Socken setzen.“

Der Finanzexperte sieht seine Aufgabe darin, nicht endlose Zahlenwüsten zu produzieren, die keiner liest. Sondern dem Zahnarzt gerade in der schwierigen Anfangszeit zielgenau zur Seite zu stehen. „Es ist ganz wichtig, ein genügend großes Polster in der Finanzierung einzuplanen. Der höchste Liquiditätseng-pass kommt im Regelfall zwischen dem zweiten und vierten Monat, weil die Zahlungseingänge der KZVen und Patienten-rechnungen erst durchschnittlich mit zirka acht Wochen Verzö-gerung erfolgen. Deshalb liefert die betriebswirtscha� liche Aus-wertung in den ersten Monaten ein verfälschtes Bild und sieht o� erschreckend schlecht aus.“ Ein Anblick, der junge Zahnärzte trotz Vorwarnung regelmäßig besorgt zum Hörer greifen lässt. „Dann ist es ganz wichtig, dem Zahnarzt das echte Betriebser-gebnis aus Leistungsstatistik und gezahlten Kosten zusammen-zustellen. Diese Statistik weist dann nämlich aus, wie es tatsäch-lich aussieht, und dass es eigentlich klar nach oben geht. Und das sorgt dann für die nötige Beruhigung.“

Traumpraxis fi ndenDie richtige Praxis zu � nden, die zu einem passt, ist laut Aussage aller Experten ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor. Wie sieht das ein nüchterner Meister der Zahlen? „Das Wichtigste ist, die richtige Praxis auszusuchen. Wer seine Traumpraxis gefunden hat, soll sie auf keinen Fall ziehen lassen. Wenn die Rahmendaten einer Praxis in vielen Punkten stimmen, darf es nicht am Preis scheitern. Zahlt man beispielsweise 20.000 Euro mehr, als man möchte, dann sind das umgerechnet auf eine 20-jährige Berufs-tätigkeit nur 1000 Euro pro Jahr. Wenn die Praxis dann läu� , erwirtscha� et man aber in der gleichen Zeit einen jährlichen Gewinn von mindestens 130.000 Euro. Dagegen sind 1000 Euro jährlich keine entscheidungsrelevante Größe.“

Und noch eine hoch interessante, Rücken stärkende Insider-Einsicht vermittelt das Gespräch mit Nils Strauß: „Zahnarztpra-xen sind eigentlich günstig und eine sichere Geldanlage, wenn man sie mit anderen Freiberu� ern oder Mittelstandsbetrieben auf dem Markt vergleicht. Für die Banken sind sie ein sehr gutes, da sicheres und rentables Geschä� .“

Weiche ErfolgsfaktorenGanz viel war jetzt von harten Zahlen und Fakten die Rede. Aber es gibt auch genau so wichtige weiche Faktoren, die über den Erfolg einer Übernahme entscheiden. Kommunikationstrainerin Christa Maurer ist dafür Expertin, ausgezeichnet mit zwei Trai-nerpreisen. „Patienten sind Arbeitgeber. Wenn Sie das verinner-licht haben, ist schon ganz viel gewonnen. Für eine erfolgreiche Übernahme muss ich mich fragen: Wie passt mein Angebot zu den Bedürfnissen der Patienten? Ich muss eine Beziehung auf-bauen, zuhören. Patienten erzählen gerne von sich selbst und erwähnen dabei persönliche Details wie geplante Hochzeiten. Eine gute Empfehlung ist, sich solche Details in der Karteikarte zu notieren und beim nächsten Besuch wieder darauf zurück-

zukommen. Der Patient fühlt sich dadurch wahrgenommen und wertgeschätzt.“

Die Mitarbeiter müssen bei einer Übernahme übernommen werden – sofern sie dem zustimmen – und genießen danach ein Jahr Kündigungsschutz. Wie gehe ich damit als neuer Chef am besten um? „Jeder möchte geliebt werden. Aber Geschä� spart-ner sind keine Freunde. Das sollten Sie nie vergessen. Mitarbeiter sollten zwar freundlich behandelt werden, sind aber auch keine Freunde. Sie sollten immer einen guten Mittelweg zwischen för-dern und fordern suchen. Und klaren Ansagen und Kon� ikten nicht aus dem Weg gehen. Selbstbewusstsein und Einfühlungs-vermögen sind eine gute, lebenswichtige Mischung. Sowohl im Umgang mit den Mitarbeitern als auch mit den Patienten.“

Erfolgreiche TeambildungWas emp� ehlt die Verhaltenstrainerin, wenn man als neuer Chef feststellt, man hat zwar ein Team, nur man selbst ist nicht Teil davon? „Kein Mensch wird als Führungskra� geboren. Deshalb sollte sich jeder Existenzgründer mit den Aufgaben einer Füh-rungskra� vertraut machen. Und daran denken, dass man als Praxisübernehmer auch von den geerbten Mitarbeitern pro� tiert. Sie können einem viel über die Patienten erzählen, was nicht in den Akten steht. Deshalb sollte man unbedingt versuchen, sie ins Boot zu holen. Das kann aber schwierig werden, wenn Mit-arbeiter sich schwertun mit der Umstellung, was sich sogar in widerwilligem oder sogar destruktivem Verhalten äußern kann. Besonders bei weiblichen Praxisübernehmern gibt es ö� er Pro-bleme mit der Anerkennung als neuer Chef. Davon sollten Sie sich auf keinen Fall entmutigen lassen. Wenn Sie Ihr Konzept leben wollen, müssen Sie sich durchsetzen. Manchmal muss man aber auch den Mut haben, sich einzugestehen: ‚Wir passen nicht zusammen‘ und die notwendige Konsequenz daraus ziehen.“

Was kann man konkret tun, damit genau so etwas nicht pas-siert? „Sie sollten versuchen, Ihre Mitarbeiterinnen in die Neuge-staltung der Praxis einzubeziehen, damit diese auch die Möglich-

Mein Tipp

„Achten Sie auf die Wahl Ihrer Worte und Ihr Verhalten gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen. Ein absolutes No-

Go ist zum Beispiel das demonstrative Fallenlassen von falsch angereichten Instrumenten oder sogar das Werfen. Das demütigt nicht nur Ihre Mitarbeiterinnen, sondern erschreckt auch den Patienten. Der liegt zwar stumm, aber nicht unbeteiligt zwischen Ihnen. Und er hat während der Behandlung nichts anderes zu tun, als sich damit auseinanderzusetzen, was gerade passiert. Patienten haben sehr viel Sympathie für die Schwächeren. Des-halb: Wenn es Grund zur Kritik gibt, dann niemals vor dem Patienten, sondern immer nur unter vier Augen äußern.“

Christa Maurer //Diplom-Kommunikationstrainerin

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keit haben, die Gründe für Änderungen nachzuvollziehen und sich darauf einzustellen. Damit scha� en Sie Vertrauen. Regel-mäßige Teambesprechungen sind da ganz wichtig.“

Was kann ich für eine erfolgreiche Patientenbindung tun? „Patienten sind erst mal neugierig auf den oder die Neue. Des-halb sollten Sie versuchen, so sympathisch wie möglich rüber-zukommen. Lassen Sie sich zum Beispiel nicht den ersten Ein-druck verbauen. Gehen Sie o� en auf die Patienten zu und freu-en Sie sich, dass Sie bei Ihnen bleiben wollen. Nur so können Sie die Chance wahrnehmen, eine eigene, positive Beziehung zu den Patienten aufzubauen – jenseits alter Karteikarteneinträge und Vorurteile. Ganz wichtig: Üben Sie auf keinem Fall Kritik am Vorgänger oder seiner Behandlung. Sondieren Sie lieber erst mal vorsichtig, was der Patient eigentlich von seinen Amalgamfül-lungen und der bisherigen Behandlungsweise hält. Ein gemein-sames Schreiben zusammen mit dem Vorgänger ist auch sehr empfehlenswert, in dem er ‚Tschüss‘ sagt und Sie sich als der/ die Neue kurz vorstellen und mitteilen, dass Sie sich freuen, den Patienten bald persönlich kennenzulernen.“

Wichtige FragenDer große Moment ist da: die endgültige Vertragsunterzeich-nung für die Übernahme. Was hat ein mit Praxisübernahmen erfahrener Rechtsanwalt wie Dr. Markus Wintterle für Tipps? „Die Verträge, die bereits existieren, müssen wirklich alle einzeln geprü� werden. Sonst stehen im Kaufvertrag plötzlich Dinge drin, die der Praxisübernehmer gar nicht will oder gebrauchen kann, wie zum Beispiel ein überteuerter Leasing-Vertrag. Meine Aufgabe ist es, genau hinzuschauen, bis sich der Kreis lücken-los schließt.“

Woran erkenne ich einen Anwalt, der einen jungen Zahnarzt kompetent bei einer Praxisübernahme beraten kann? „Er muss sich Zeit nehmen und Fragen stellen. Wenn er nicht in der Lage ist, herauszuschälen, was der Praxisübernehmer wirklich will, kann er ihn nicht gut beraten. Und wenn er nur in seiner Spra-che, der Juristensprache, spricht, werden die Zahnärzte nicht ver-stehen, wovon er spricht. Und umgekehrt ist es genau so. Des-halb ist es wichtig, dass der Rechtsanwalt sich mit Zahnärzten auskennt, sonst kann er nicht die richtigen Fragen stellen und auf die individuellen Bedürfnisse eingehen.“

Was sind noch Gütezeichen eines zahnmedizinisch versierten Anwalts? „Wichtig ist außerdem, die Dinge zu Ende zu denken. Wenn sie bei einer Praxisübernahme einen Mietvertrag unter-schreiben, der sich nicht übertragen lässt, sind sie auf Gedeih und Verderb von ihrem Vermieter abhängig, damit sie ihre Pra-xis später einmal verkaufen können.“

Was hält er als Fachmann von Fertigverträgen, die es als Download im Netz gibt? „Es gibt gute Vertragsmuster. Aber ohne Anpassung sind sie meist für den individuellen Fall nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Ich muss dann jungen Zahn-ärzten sagen: ‚Wenn ich den für Sie anpasse, ist es teurer, als wenn ich ihn für Sie maßanfertige. Das kostet jetzt vielleicht ein bisschen Geld, aber das ist gut angelegtes Geld.‘ Der Praxis-kauf ist ja auch eine Lebensentscheidung. Wenn ein Praxisver-trag nicht passt, kann es dazu führen, dass er nachher teurer ist als vorher.“

Was ist sein Insider-Tipp zum Schluss? „Die Zahnärzte, die sich ein gutes Beraterteam zusammensuchen, sind die, die hin-terher am erfolgreichsten sind.“ ■

Infokasten Weblinks→ Steuerberater Nils Strauß, www.antax-heidelberg.dewww.antax-heidelberg.de→ ZMV Marija Bekavac,

www.zahnärztliche-abrechnung.comwww.zahnärztliche-abrechnung.com→ Kommunikationstrainerin Christa Maurer,

www.christamaurer.de→ Rechtsanwalt Dr. Markus Wintterle,

www.kleiner-law.com→ Diplom-Ökonom Oliver Woitke, www.kzv-bremen.de→ Versicherungsexperte Dr. Mark Hindenlang,

www.concura.de

Mein Tipp

„Eine wichtige Frage ist: Wenn es tatsächlich schri� liche Verträge bei den Mitarbeitern gibt, spiegeln sie auch die

gelebten Verhältnisse wider? Schri� liche Verträge können näm-lich durch mündliche Vereinbarungen oder auch einfach durch gelebte Praxis geändert werden: Im Arbeitsvertrag stehen zum Beispiel 28 Urlaubstage. Tatsächlich wurden aber immer 35 Tage gewährt. Das sollte der Praxisübernehmer wissen, bevor es zum Problem wird. Die Prüfung der Lohnjournale schützt nicht vor diesem Fallstrick. Da stehen nämlich die Urlaubstage nicht drin. Deshalb ist es so wichtig, die richtigen Fragen zu stellen.“

Dr. Markus Wintterle //Rechtsanwalt

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