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Dr. Stefan Kloos, Senior Manager Braincourt GmbH
Business Process Management
Im Fokus: Administrative Prozesse
Vom Ende des Dornröschenschlafes oder
welche Potenziale schlummern noch in Ihrer Organisation?
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ....................................................................................................................................................... 3
2 Definition und Eingrenzung administrativer Prozesse ................................................................................... 3
3 Besonderheiten administrativer Prozesse ..................................................................................................... 4
4 Klassifikation von Potenzialen in administrativen Prozessen ......................................................................... 5
5 Fazit ............................................................................................................................................................... 8
6 Ansprechpartner............................................................................................................................................ 9
7 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................................... 9
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1 Einleitung Seit den neunziger Jahren stehen Wertschöpfungsketten und wertschöpfende
Prozesse publikumswirksam im Rampenlicht des Prozessmanagements. Die
Potenziale administrativer Prozesse dagegen hielten lange Zeit einen Dornrös-
chenschlaf. Erst mit der Einführung von Lean Administration in deutschen Unter-
nehmen, das heißt mit Prinzipien, die ihre Ursprünge in der japanischen Automo-
bilindustrie haben, standen auch administrative Prozesse vermehrt im Fokus. Al-
lerdings führte die Übertragung dieser Prinzipien und Terminologien aus den pro-
duzierenden Bereichen der Industrie, bei Führungskräften und Mitarbeitern mit
administrativen Tätigkeiten immer wieder zu einer kritischen Haltung. Initiativen
zur Optimierung dieser Prozesse führten zu Rationalisierungsängsten bei den be-
troffenen Mitarbeitern oder wurden mit Schlagworten, wie „Bleistift-Kanban“1)
oder „Ordnung & Sauberkeit auf dem Schreibtisch“2) belegt.
So blieben in vielen Unternehmen die Potenziale administrativer Prozesse unge-
nutzt. Dabei beziffert bereits eine Studie aus dem Jahr 2006 das „Produktivitäts-
steigerungspotenzial“ im Büro auf rund 30 % der verfügbaren Arbeitszeit3).
Schon das Objekt der Potenzialbegierde, der administrative Prozess, wird im
Internet und in der Literatur vielschichtig formuliert und individuell interpretiert.
Häufig werden administrative Tätigkeiten dem so genannten Lean Office oder
übergeordneten wertschöpfenden Prozessen, wie zum Beispiel dem Tourenpla-
nungsprozess als administrativer Distributionsprozess in der Supply Chain4), zu-
geordnet.
In anderen Fällen werden administrative Prozesse einfach als Büroprozesse be-
zeichnet. Daher ist es wichtig, zuerst ein einheitliches Verständnis für den um-
gangssprachlichen Begriff „administrative Prozesse“ zu schaffen.
2 Definition und Eingrenzung administrativer Pro-
zesse Die Begriffe Administration (Ursprung lat. administrare = verwalten) und Verwal-
tung werden in der Praxis vielfach selbsterklärend verwendet oder mit dem
Synonym „Büroarbeit“ umschrieben.
Typische Kennzeichen administrativer Tätigkeiten sind
die Erbringung von Dienstleistungen,
eine hohe Bindung an einen Büro- oder IT-Arbeitsplatz,
die Erstellung, Bearbeitung und/ oder Bereitstellung von Informationen,
Daten und Dokumenten,
das überwiegende Fehlen von entwickelnden oder beratenden Tätigkei-
ten zur Lösung spezifischer Problemstellungen,
ein relativ hoher Regulierungsgrad durch interne und externe
Vorgaben,
Die Potenziale administrativer
Prozesse werden nicht ge-
nutzt.
Die Eingrenzung administrati-
ver Tätigkeiten ist auch zur Fo-
kussierung auf relevante Pro-
zesse sinnvoll.
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Tätigkeiten, die nicht bzw. nicht direkt auf eine Umsatzerzielung ausge-
richtet sind, also nicht wertschöpfende Tätigkeiten.
Trotz dieser Eingrenzung schließt nahezu jeder Prozess im Unternehmen admi-
nistrative Tätigkeiten ein. Daher ist es durchaus sinnvoll, den Fokus auf Prozesse
zur richten, deren Ergebnisse (nahezu) ausschließlich auf administrativen Tätig-
keiten basieren. Dies gelingt nicht bei einer arbeitsplatzbezogenen, sondern nur
bei einer unternehmensübergreifenden Betrachtung aller Prozesse. Damit wird
auch vermieden, dass administrative Teilprozesse, die eng mit wertschöpfenden
Prozessen verknüpft sind, isoliert, ohne ihre intensiven Wechselbeziehungen zur
Wertschöpfungskette betrachtet werden.
Die per Definition verbleibenden Prozesse fallen in die Kategorie der „Steue-
rungs- und Bereitstellungsprozesse“5) und sind hier als „originäre“ administrative
Prozesse im Unternehmen zu verstehen. Dazu zählen dann insbesondere:
Finanzprozesse,
Controllingprozesse,
Personalprozesse, nur teilweise (z.B. für HR-Payroll Prozesse) zutref-
fend,
IT-Prozesse, nur teilweise (z.B. für Datenadministrationsprozesse) zu-
treffend.
Bei Personal- und IT-Prozessen kann es sich nicht nur um administrative, sondern
auch um beratende (z.B. im Personalentwicklungsbereich) oder auch entwi-
ckelnde Tätigkeiten (z.B. bei der Softwareentwicklung) handeln. In Abhängigkeit
von Unternehmen, Organisation und Geschäftsmodell können natürlich weitere
administrative Prozesse identifiziert bzw. auch ausgeschlossen werden.
3 Besonderheiten administrativer Prozesse Die im Folgenden genannten Besonderheiten sind nicht allgemeingültig auf
administrative Prozesse übertragbar, lassen sich aber erfahrungsgemäß auf die
Situation in mittelständischen und auch großen mittelständischen Unternehmen
transferieren.
Zu den Besonderheiten der administrativen Prozesse zählen
ein vergleichsweise geringer Wettbewerbsdruck durch externe Konkur-
renten (Ausnahme: Wettbewerbssituation durch Outsourcing),
eine hohe Standardisier- und hohe Wiederholrate,
ein teilweise hoher Regulierungsgrad durch interne und externe Vorga-
ben, wie interne Compliance-Vorgaben, nationale und internationale
gesetzliche oder behördliche Vorgaben und damit Vorgaben von
verbindlichen „Leitplanken“ im Rahmen der Optimierung,
Zu den „originären“ admini
strativen Prozessen gehören
unter anderem die meisten
Prozesse im Finanz- Control-
ling-, Personal- und IT-Pro-
zesse.
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durch organisches oder anorganisches Wachstum historisch gewach-
sene Prozesse,
häufig kein vorhandenes Monitoring der Prozesse über Prozesskenn-
zahlen,
in der Regel keine Prozessintegration in Qualitätsmanagementsysteme,
im Vergleich zu wertschöpfenden Prozessen eine geringere Einbezie-
hung in Effizienzsteigerungsprojekte (vgl. Einleitung).
Unter diesen Voraussetzungen bieten administrative Prozesse schlummernde
Potenziale, die unter Einbeziehung von Führungskräften und Mitarbeitern
„geweckt“ werden können.
4 Klassifikation von Potenzialen in administrativen
Prozessen Die typischen Potenziale administrativer Prozesse können tatsächlich mit einem
Lean Ansatz identifiziert werden, ohne in die (persönliche) Regulierung von
Arbeitsplätzen einzugreifen. Ziel einer solchen Vorgehensweise ist es, die
Gesamtheit der Prozessaktivitäten zu betrachten und sich von einer funktions-
bezogenen bzw. arbeitsplatzbezogenen Potenzialerhebung zu lösen.
Hierzu können nach einer Erfassung der Ist-Prozesse, die so genannten „sieben
Verschwendungspotenziale“ angewendet werden, die unter dem Akronym „TIM-
WOOD“ bekannt sind6). TIMWOOD bedeutet in der produktionsbezogenen eng-
lischen Terminologie und der deutschen Übersetzung:
Abk. Englisch Deutsch
T Transport Transport
I Inventory Bestände
M Motion Bewegung
W Waiting Warten
O Overproduction Überproduktion
O Overengineering Falsche Technologie/ Prozesse
D Defects Ausschuss/ Nacharbeit Tabelle 1: Die 7 Verschwendungspotenziale nach „TIMWOOD“
In Tabelle 2 werden mögliche Potenziale aus dem Produktionsbereich in den Dienstleistungssektor übertragen.
Es ist lohnenswert, die
schlummernden Potenziale
administrativer Prozesse zu
wecken.
Zur Identifizierung der Poten-
ziale eignet sich die TIM-
WOOD-Methode.
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Nr. Produktionsbezogene Potenziale
Administrative/ dienstleistungsbezogene Potenziale
1 Transport Informationsfluss 2 Bestände Daten- und Dokumentenbestände 3 Bewegung Suchen (unnötige "Bewegung" für Suchen) 4 Warten Warten auf Informationen und Freigaben 5 Überproduktion Überflüssige Leistungen 6 Falsche Technologie/ Pro-
zesse Ineffiziente oder komplexe Organisation der Prozesse
7 Ausschuss/ Nacharbeit Fehlerhaft erbrachte Leistungen Tabelle 2: Die 7 Verschwendungspotenziale „TIMWOOD“ übertragen auf administrative Prozesse.
Alle aufgeführten Potenziale administrativer Tätigkeiten sind darauf ausgerich-
tet, die klassischen Ziele einer Prozessoptimierung zu realisieren: Qualitätsstei-
gerung, Durchlaufzeiterhöhung und Kostenreduzierung.
Konkrete Beispiele für solche Potenziale aus bereits durchgeführten Optimie-
rungsprojekten sind:
Nr. Administrative/ dienstleis-tungsbezogene Potenziale
Ausprägungsbeispiele der Potenziale
1 Informationsfluss Sich wiederholende E-Mail-Abfragen (z.B. Preisanfragen, Freigaben) als unnötiger In-formationstransport
2 Daten- und Dokumentenbe-stände
Mehrfacharchivierung als Papierdokument und als elektronisches Dokument (Doppel-bestand und -pflege), teilweise noch in un-terschiedlichen Systemen
3 Suchen (unnötige "Bewe-gung" für Suchen)
Vielfache Such- und Sammelaktivitäten nach Informationen, Daten, Dokumenten in verschiedenen Ablagesystemen
4 Warten auf Informationen und Freigaben
Zeitliche Verzögerungen durch nicht erfor-derliche Freigaben über mehrere Instanzen hinweg.
5 Überflüssige Leistungen Reports und Statistiken, die nicht mehr be-nötigt werden bis hin zu obsoleten Prozes-sen, die keine nutzbaren Leistungen er-bringen (z.B. unnötige Doppelprüfungen)
6 Ineffiziente oder komplexe Organisation der Prozesse
Medienbrüche, die den Informationsbe-schaffungs- und Verarbeitungsprozess verlangsamen, insbesondere im „indivi-duellen“ Excel-Berichtswesen“
Manuelle Bearbeitungsschritte, die au-tomatisiert werden können
Unbegründete Prozessvarianten (z.B. ab-weichende Vorgehensweisen an unter-schiedlichen Standorten bei gleichen Rahmenbedingungen)
Die klassischen Ziele der Pro-
zessoptimierung stehen im Fo-
kus: Qualitätssteigerung,
Durchlaufzeitenerhöhung und
Kostenreduzierung.
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7 Fehlerhaft erbrachte Leis-tungen
Unvollständige Datensätze
Fehlerhafte Buchungen
Fehlerquellen durch manuelle Schnitt-stellen bzw. manuelle Datenerfassung und -übertragung
Fehlende Compliance (z.B. Prozesse, die nach internen Regeln fehlerfrei ablau-fen, aber nicht gesetzeskonform sind)
Tabelle 3: Beispielpotenziale administrativer Prozessen anhand der TIMWOOD-Methode.
In der Projektdurchführung werden zuerst die Ist-Prozesse erhoben. Durch die
Erfassung der administrativen Ist-Prozesse beispielsweise anhand des BMPN 2.0
Standards, lassen sich mögliche Optimierungspotenziale dann leicht identifizie-
ren. Im nachfolgenden schematischen Beispiel, das die Modellierung eines Buch-
haltungsprozesses zeigt, sind die Optimierungspotenziale gekennzeichnet. Die
Abbildung befindet sich in lesbarer Größe auch im Anhang dieses Dokumentes.
Abbildung 1: Schematische Darstellung eines im BPM 2.0 Standard modellierten, administrativen Prozesses.
Für die Bewertung der administrativen Prozesse sowie die anschließende Priori-
sierung der Optimierungspotenziale sollten folgende, allgemeingültige Grund-
sätze eingehalten werden.
1. Prozesse mit hoher Bindung von Kapital, Personalressourcen, hohem
Risikopotenzial (Risiken, deren Häufigkeit und Auswirkungen) sollten
priorisiert werden. Hier gilt das Pareto-Prinzip: Konzentration auf Po-
tenziale und Ursachen, deren Optimierung die größte Auswirkung hat
(80:20 Regel).
Dabei ist im Zuge der Priorisierung auch eine Abschätzung der Nutzen
und Kosten erforderlich.
2. Nicht jeder Prozess oder jedes Potenzial ist optimierungswürdig.
Prozesse oder Potenziale, die hinsichtlich der genannten Kriterien
eine geringe Bedeutung haben, sollten durchaus in der Optimierung
zurückgestellt werden.
Eine Modellierung der Ist-Pro-
zesse beispielsweise mit dem
BPMN 2.0 Standard macht Op-
timierungspotenziale leicht er-
kennbar.
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3. Um einen (unternehmensinternen) Vergleich mit hoher Wahrneh-
mungs- und Benchmarkfunktion zu erhalten, ist ein Ranking der Pro-
zesse sinnvoll. Braincourt hat hierzu ein pragmatisches 4-Stufen-Modell
entwickelt. Dieses Modell gestattet es, eine große Zahl von Prozessen
und Prozessvarianten anhand von definierten Kriterien in Prozesslevels
einzustufen bzw. sichtbar gegenüberzustellen.
5 Fazit In vielen Unternehmen bieten administrative Prozesse noch deutliche Effizienz-
steigerungspotenziale, da sie im Vergleich zu wertschöpfenden Prozessen bislang
weniger im Fokus einer Optimierung standen.
Dabei ist es sinnvoll, die administrativen Prozesse zuerst einzugrenzen, um im
Unternehmen ein gemeinsames Verständnis für die jeweilige „Prozessziel-
gruppe“ zu entwickeln und mögliche Störpotenziale für die Mitarbeiter zu besei-
tigen.
Im Folgenden können die schlummernden Potenziale in administrativen Prozes-
sen aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden. Eine Möglichkeit ist, diese
mit einem modifizierten Lean Ansatz zu identifizieren,
anhand des TIMWOOD-Ansatzes zu klassifizieren,
sie nach dem BPMN Standard zu modellieren,
Optimierungspotenziale zu identifizieren und
gemäß der Priorisierung entsprechend zu realisieren.
Ein arbeitsplatzbezogener Ansatz wird dabei bewusst vermieden, da dieser
häufig als Eingriff in die persönliche Sphäre bewertet wird und die Motivation von
Mitarbeitern hemmen kann. Das vorliegende Modell hat sich in der Praxis be-
währt und führt zu schnellen Bewertungsergebnissen.
Die Optimierung administrati-
ver Prozesse anhand von die-
sen fünf Schritten ist sinnvoll,
um einen unternehmenswei-
ten Ansatz zu erzielen.
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6 Ansprechpartner
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7 Literaturverzeichnis
1
Laqua, Ingo: Lean Administration Schlanke Prozesse systematisch und dauerhaft etablieren.
http://www.business-wissen.de/artikel/lean-administration-schlanke-prozesse-systematisch-und-
dauerhaft-etablieren/, Zugriff am 03.03.2016
2 IG Metall, Ratgeber Lean Office. Schneller auf den Punkt kommen. https://www.igmetall.de/ratge-
ber-lean-office-14424.htm, Zugriff am 04.03.2016
3
Fraunhofer Institut Produktionstechnik und Automatisierung und Kaizen Institut. Lean Office 2006,
Zusammenfassung. http://w3t.ipa.fraunhofer.de/fileadmin/www.ipa.fhg.de/pdf/Produkt-
_und_Qualitaetsmanagement/Studie_Lean_Office_-_Zusammenfassung_lang_060723.pdf, Zugriff
am 04.03.2016
4 Karrer, Michael: Supply Chain Performance Management, Entwicklung und Ausgestaltung einer un-
ternehmensübergreifenden Steuerungskonzeption, 1. Auflage, Wiesbaden, Deutscher Universitäts-
verlag/ GWV Fachverlage GmbH; 2006
5 Bergsmann, Stefan: End-to-End Geschäftsprozessmanagement. 1. Auflage, Wien: Springer Verlag,
2012
6 Lean Production Expert: 7 Verschwendungsarten. http://www.lean-production-expert.de/lean-pro-
duction/7-verschwendungsarten.html, Zugriff am 08.03.2016
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