+ All Categories
Home > Education > Identität und Privatsphäre

Identität und Privatsphäre

Date post: 28-Nov-2014
Category:
Upload: jan-schmidt
View: 2,690 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
Description:
Impulsvortrag beim Collaboratory "Privatheit und Öffentlichkeit", 10.6.2011, Berlin (http://collaboratory.de/initiative-04)
10
Identität und Privatsphäre Einige soziologische Anmerkungen Dr. Jan-Hinrik Schmidt Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Berlin, 10.6.2011
Transcript
  • 1. Identitt und Privatsphre Einige soziologische Anmerkungen
      • Dr. Jan-Hinrik Schmidt
      • Wissenschaftlicher Referent fr digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
        • Berlin, 10.6.2011
  • 2. Gang der Argumentation
    • Identitt bzw. das Selbst bildet sich in sozialen Situationen der Selbst-Offenbarung und des Rckzugs heraus.
    • Binre oder zwiebelschalenartige Vorstellungen von Privatsphre sind also nicht angemessen, weil sich die Grenzziehung zwischen dem Privaten und dem ffentlichen immer situationsspezifisch vollzieht.
    • Begriff der informationellen Selbstbestimmung sollte aus dem juristischen Fachdiskurs herausgelst und erweitert werden, um diese situationsspezifische Kontrolle als Leitbild, Praxis und Kompetenz zu erfassen.
    • Wer in dieser Hinsicht vom Kontrollverlust spricht, kapituliert voreilig .
  • 3. Klassiker der soziologischen Identittstheorie (1/2)
    • Charles H. Cooley:
    • Looking-Glass self:Mensch erkennt die eigene Identitt im Spiegelbild der anderen
    • Selbstbild und Fremdbild
    • George H. Mead:
    • Das Selbst entsteht im Wechselspiel von Me und I
      • I: Das innere Ich
      • Me: Das Ich, wie es von den anderen wahrgenommen wird
    • Identitt ist ohne Andere nicht mglich.
  • 4. Klassiker der soziologischen Identittstheorie (2/2)
    • Georg Simmel:
    • Individualitt entsteht aus der fr jeden Menschen einzigartigen Kombination von Rollenbeziehungen, aus seiner Position im Schnittpunkt sozialer Kreise
    • Erving Goffman:
    • Soziale Situationen umfassen Prozesse des impression management, in denen Menschen Hinweise ber ihre Identitt vermitteln
      • bewusst (wenngleich meist routinisiert): cues given
      • unbewusst: cues given off
    • Metaphern der Vorderbhne und Hinterbhne, um auf Umgang mit Rollenzwngen und Rckzug hinzuweisen
    • Identitt ist nicht statisch, sondern wird durch Interaktionen bestndig (re-)produziert
  • 5. Identitt und Privatsphre
    • Identitt ist a fluid, ongoing process, something that is permanently under construction. () [I]dentity is something we do , rather than simply something we are .(*)
    • Das simple Konzept von Privatsphre als Rckzugs- oder Schutzraum, in dem Menschen ganz bei sich sind, ist daher zweifach problematisch:
      • Es legt eine Dichotomie ffentlichkeit vs. Privatheit oder Zwiebelschalenmodelle von Sphren unterschiedlicher ffentlichkeit und Privatheit nahe, wo doch die Entscheidung zwischen Selbstdarstellung oder Rckzug immer in Bezug auf spezifische Rollenkontexte bzw. Bezugsgruppen zu verstehen ist
      • Privatsphre ist nicht einfach so da, sondern muss bestndig hergestellt bzw. gewhrleistet werden: Doing Privacy umfasst die selektive und situationsspezifische Kontrolle ber den Zugang zum Selbst bzw. ber die Preisgabe von Informationen ber das Selbst.
    (*) Buckingham, D. (2008): Introducing Identity. In: Youth, Identity, and Digital Media. Boston. S. 1-22. Hier: S.8.
  • 6. Informationelle Selbstbestimmung (1/2)
    • Informationelle Selbstbestimmung scheint daher besser geeignet als Privatsphre
    • normatives Konzept , da sie Bestandteil der verfassungsmigen Ordnung (und in Datenschutz-regelungen etc. nher spezifiziert) ist und zudem als zumindest diffuse Erwartung bei vielen Nutzern vorliegt;
    • ausgebte Praxis , da Nutzer sie (mehr oder weniger kompetent, reflektiert, evtl. auch scheiternd) ausben, wenn sie sich in den vernetzten persnlichen ffentlichkeiten des Social Web bewegen;
    • notwendige Kompetenz , weil das eigenstndige Wahrnehmen des Rechts auf Privatheit, die informierte Einwilligung in Datenverarbeitung oder auch die informationelle Autonomie bestimmte Wissensformen und Fertigkeiten voraussetzt.
    Sollen Tun Knnen
  • 7. Informationelle Selbstbestimmung (2/2)
    • Informationelle Selbstbestimmung als Praxis kann die Preisgabe von persnlichen Informationen.
      • zur Identittsbildung in Netzwerken (inkl. Reputation, Prominenz, ),
      • zur Koordination sozialen Handelns oder
      • zur Teilhabe an gesellschaftlich-ffentlichen Belangen
    • genauso umfassen wie der Schutz vor bzw. Rckzug gegenber
      • spezifischen Anderen (Eltern, Kollegen, Vorgesetzte, ) oder
      • unspezifischen Anderen (der ffentlichkeit, dem Voyeur).
  • 8. Kontrollverlust? I wo!
    • These vom Kontrollverlust angesichts konvergenter digitaler Medien mag durch individuelle Erfahrung gesttzt sein, ist aber normativ falsch
      • Wir verlieren nicht die Kontrolle, wir verzichten hchstens (und unntigerweise!) auf ihre Ausbung!
    • Digitale Medien und ihre Auswirkungen sind und bleiben gesellschaftlich gestaltbar
      • Wir bentigen die gesellschaftliche Debatte ber die Regelungsstrukturen digitaler Medien (Recht, Vertrge, Code, soziale Normen)!
    • Das Bedrfnis nach Privatsphre im hier beschriebenen Sinne (selektive Kontrolle ber den Zugang zum Selbst) gehrt zur Tiefenstruktur moderner Gesellschaft
      • Wenn wir digitale Medien nicht so gestalten, dass Menschen dieses Bedrfnis erfllen knnen, werden Menschen auf die Nutzung der digitalen Medien verzichten oder sich geschlossene Systeme suchen, die diese Bedrfnisse anbieten!
  • 9. Herzlichen Dank fr Ihre Aufmerksamkeit!
    • Dr. Jan-Hinrik Schmidt
    • Hans-Bredow-Institut
    • Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
    • [email_address]
    • www.hans-bredow-institut.de
    • www.schmidtmitdete.de
    • www.dasneuenetz.de
  • 10. Abbildungsnachweise
    • http://commons.wikimedia.org/wiki/File:CharlesCooley.jpg
    • http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mead.jpg
    • http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Simmel_01.JPG
    • http://en.wikipedia.org/wiki/File:Erving_Goffman.jpg
    • http://www.flickr.com/photos/exlibris/2144876980 [Ex libris; CC BY-NC-ND 2.0]

Recommended