Hofübergabe Beispiele aus der Praxis

Dienstag, 18.04.2017

Gasthof Bichler, Dorfstr. 11, 83561 Ramerberg

Dieses Dokument ist urheberrechtlich

geschützt. Auf § 15 Urheberrechtsgesetz

wird ausdrücklich hingewiesen.

Schneider & Collegen Rechtsanwälte München PartG mbB

Bavariaring 35 ∙ 80336 München

www.schneider-collegen.de

Sinn und Zweck der Hofübergabe

• Vorweggenommene Erbfolge

• Vermögensübergang nicht erst im Erbfall

• der Übergeber kann sich Gegenleistungen für seine Zuwendung ausbedingen, die ihm noch zu Lebzeiten zugutekommen

• das (landwirtschaftliche) Erbrecht leistet nicht, was die Hofübergabe bezweckt: Erhalt des landwirtschaftlichen Betriebes über Generationen

Konflikt mit Erbrecht

• Gesetz: Universalsukzession, § 1922 BGB. • Gesetzliche Erbfolge: (mehrere) Erben treten in alle Rechte

und Pflichten des Erblassers ein

• Landwirtschaft: Singularsukzession. • durch Testament: ein Erbe möglich, aber

Pflichtteilsberechtige mit Ausgleichsansprüchen (Liquidität für Ausgleich meist nicht vorhanden, ggfs. erforderliche Teilveräußerung gefährdet Fortbestand des Betriebes)

Historie

• In weiten Teilen Deutschlands wurde über Jahrhunderte eine sog. Anerbensitte entwickelt. Sie bezweckte, den bäuerlichen Grundbesitz als Wirtschaftseinheit in den Händen der (einer) Familie zu erhalten. Deshalb ging der Hof geschlossen auf den „Anerben“ über, die „weichenden“ Erben wurden abgefunden.

• Diese Erbsitte lebte Mitte des 19. Jh. besonders wieder auf und gilt in einigen Bundesländern bis heute.

Landwirtschaftserbrecht aktuelle rechtliche Grundlagen

• Anerbenrechte in einzelnen Bundesländern:

o Baden-Württemberg: Badisches Hofgütergesetz und Württembergisches Anerbengesetz

o Bremen: Bremisches Höfegesetz

o Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westphalen, Schleswig-Holstein: HöfeO

o Hessen: Hessische Landgüterordnung

o Rheinland-Pfalz: Rheinland-pfälzisches Landesgesetz über die HöfeO

Landwirtschaftserbrecht aktuelle rechtliche Grundlagen

Kein Anerbenrecht in Bayern, daher:

• BGB

o §§2049, 2312 BGB Landgut zum Ertragswert bei Anordnung des Erblassers

• Hofzuweisungsverfahren §§ 13 ff. GrdstVG

o Fällt der Hof an eine Erbengemeinschaft, kann ein Miterbe Antrag auf Zuweisung des Hofs an ihn durch das Landwirtschaftsgericht stellen.

Landwirtschaftserbrecht aktuelle rechtliche Grundlagen

• Definition des Ertragswertes nach Art. 137 EGBGB i.V.m. Art. 68 AGBGB:

„Soweit in Fällen der Erbfolge oder der Aufhebung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft der Ertragswert eines Landguts festzusetzen ist, gilt als solcher, vorbehaltlich der Berücksichtigung besonderer Umstände, der achtzehnfache Betrag des jährlichen Reinertrags. Dieser ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln.“

Hofübergabe und Altersrente

Übergeber

bekommt die Altersrente aus der landwirtschaftl. Alterskasse nur, wenn er den Betrieb auf Dauer abgibt (§11 Abs. 1 Nr. 3 ALG)

§ 11 ALG Regelaltersrente (1) Landwirte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn 1. sie die Regelaltersgrenze erreicht haben, 2. sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben und 3. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. […] (3) Die Regelaltersgrenze wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht.

Übernehmer

mit Übergabe kann für den Nachfolge und ggf. auch dessen Ehefrau eine Versicherungspflicht in der Alterskasse der Landwirte entstehen (§1 Abs.1 Nr. 1, Abs. 3 ALG) innerhalb von 3 Monaten ab Eintritt der Versicherungspflicht kann Befreiung hiervon beantragt werden, ebenso landwirtschaftliche Kranken- und Pflegeversicherung

Veräußerungserlöse

Hinweis: seriöse Steuerberatung vor Übergabe sinnvoll. Nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG kann der Übernehmer eines lw. Betriebes das Betriebsvermögen mit den bisherigen Buchwerten fortsetzen, wenn der Betrieb unentgeltlich übertragen wird (Altenteiler und Übernahme von betriebl. Verbindlichkeiten sind kein Entgelt) Einkommenssteuer wird allerdings fällig, wenn bei einer eventuellen Abtrennung von Vermögensteilen stille Reserven aufgedeckt werden (denkbar z.B. bei: Abfindung weichender Erben mit Grundstücken oder Grundstücksverkäufen zur Bedienung von Verbindlichkeiten, um den Hof schuldenfrei zu übergeben)

Fall 1: Absicherung Altenteiler Themen

Thema 1:

ungenügende Regelung im Hofübergabevertrag für:

o Rücktrittsrecht für Übergeber

o Rückforderungsrecht für Übergeber

Fall 1: Absicherung Altenteiler Themen

„Die Übergeber behalten sich als Berechtigte in Gütergemeinschaft zum Gesamtgut das Recht vor, auf Kosten des Übernehmers den Vertragsgrundbesitz zurückfordern zu können, wenn: a) der Übernehmer das Vertragsobjekt ohne Zustimmung der Übergeber bzw. dem Überlebenden von ihnen veräußert oder belastet, oder b) der Übernehmer vor den Übergebern bzw. dem Überlebenden von ihnen verstirbt und nicht leibliche Abkömmlinge des Übernehmers Erben oder Vermächtnisnehmer des Vertragsgrundbesitzes werden. Das Rückforderungsrecht kann bei dem jeweiligen Rückforderungsfall nur innerhalb von 6 Monaten nach Kenntnis der Berechtigten vom Eintritt der Voraussetzungen ausgeübt werden.“

Fall 1: Absicherung Altenteiler Themen

Thema 2:

Regelung parallel zu Hofübergabevertrag:

o unwiderrufliche Vollmacht der Übergeber zur Veräußerung/Belastung einzelner Grundstücke durch den Übernehmer

Fall 1: Absicherung Altenteiler Themen

Thema 3:

Regelung im Hofübergabevertrag:

o Absicherung der Altenteilerleistungen im Grundbuch im Rang nach Gläubigern (Bank) und

o nur abgesichert an Hofstelle, nicht an den übrigen übergebenen Grundstücken

Fall 1: Absicherung Altenteiler Problem

o Übernehmer ändert Betriebsabläufe, experimentiert erfolglos

mit neuen Betriebszweigen, für die er Schulden aufnimmt o Darlehen und Altenteilerrechte werden nicht mehr bedient o Hofstelle und in der Folge auch weitere Grundstücke werden

durch Banken und FA zwangsversteigert o für die Altenteilerrechte wird nur aus dem Versteigerungserlös

der Hofstelle sog. Deckungskapital bei der Hinterlegungsstelle hinterlegt

o für Zahlungen müssen die Übergeber regelmäßig nachweisen, dass sie noch am Leben sind (Zahlung nur 3 Monate im Voraus)

o Rückabwicklung des Übergabevertrages zur Verhinderung weiterer Versteigerungen und Verkäufe war erforderlich, allerdings im Vertrag nicht geregelt

Fall 1: Absicherung Altenteiler Lösung

Lösung 1:

Zwingende Regelung im Hofübergabevertrag für:

o Rücktrittsrecht für Übergeber

o Rückforderungsrecht für Übergeber

Fall 1: Absicherung Altenteiler Formulierungsbeispiel

Für den Fall, dass a) der Erwerber vor dem Veräußerer verstirbt oder b) der Übernehmer über den Vertragsgegenstand ohne Zustimmung des Übergebers ganz oder teilweise verfügt, worunter, soweit gesetzlich zulässig, auch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter fallen oder c) der Erwerber oder dessen (künftiger) Ehegatte Antrag auf Scheidung der Ehe stellt und im Zeitpunkt der Antragstellung keine Gütertrennung und keine sonstige Vereinbarung besteht, wonach der heutige Vertragsgegenstand nicht unter den ausgleichspflichtigen Zugewinn fällt, hat der Übergeber höchstpersönlich das Recht, den jeweiligen Vertragsgegenstand mit jeweiligen Rechten, jeweiligen Bestandteilen und jeweiligem Zubehör unentgeltlich zu Eigentum zurückzuverlangen.

Fall 1: Absicherung Altenteiler Lösung

Lösung 2:

Regelung im Hofübergabevertrag:

o wenn überhaupt: keine unwiderrufliche Vollmacht der Übergeber zur Veräußerung/Belastung einzelner Grundstücke durch den Übernehmer

Fall 1: Absicherung Altenteiler Lösung

Lösung 3:

Regelung im Hofübergabevertrag:

o Absicherung der Altenteilerleistungen im Grundbuch im Rang vor Gläubigern (Bank)

o abgesichert an allen übergebenen Grundstücken

o kein Rangrückritt bei Darlehen des Übernehmers

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Themen

Thema 1:

o notarielle Beurkundung Hofübergabe an Tochter

gleichzeitig:

o privatschriftliche Verpachtung an Schwiegersohn

gleichzeitig:

o Aufgabeerklärung an Finanzamt

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Themen

Thema 2:

o keine (ausreichende) Gegenleistung (Übernahme Steuerverbindlichkeiten; Taschengeld und ungesichertes Wohnrecht für nur einen von zwei Übergebern; Lebenshaltungskosten ca. € 1.200,00 / Altenteilerleistung € 400,00)

o Benutzungs- und Betretungsrechte nicht eindeutig geregelt

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Themen

Thema 3:

o Gütergemeinschaft, unterschiedliche Haltung der Eheleute

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Probleme

o Tochter stellt Betrieb ein, Verkauf

Vertragsgegenstände zur Finanzierung gehobener Lebensführung

o Rückabwicklung der nichtigen Verträge: Pachtvertrag und Übergabevertrag

o einstweilige Verfügungen zur Sicherung des Bestandes erforderlich

o Streit um Benutzung und Betretung des landwirtschaftlichen Anwesens

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Lösung

o Vollständige notarielle Beurkundung aller

Vertragsbestandteile

o keine „Steuerkonstruktionen“

o Regelungen zum Rücktritts- und Rückforderungsrecht

o dingliche Sicherung des Wohnrechts

o angemessene und klar formulierte Altenteilerleistung

o dingliche Absicherung der Altenteilerleistung

Fall 2: Nichtigkeit / Sittenwidrigkeit Formulierungsbeispiel

Der Übernehmer bestellt hiermit das Wohnungs- und Benützungsrecht an dem Grundstück Fl.Nr. […] der Gemarkung […] zugunsten […] als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB und bewilligt die Eintragung dieser Rechte im Grundbuch.

Fall 3: Abfindung weichender Erben Themen

Thema 1:

o Veräußert der Übernehmer Vertragsgrundstücke innerhalb von 10 Jahren ab Vertragsschluss, ohne den erlangten Kaufpreis in den Betrieb zu reinvestieren, entsteht Nachabfindungspflicht gegenüber den weichenden Erben.

Fall 3: Abfindung weichender Erben Themen

Thema 2:

o Zur Absicherung der vertraglichen Nachabfindungspflicht wurde den weichenden Erben an zwei Grundstücken jeweils eine Grundschuld in bestellt.

Fall 3: Abfindung weichender Erben Problem

o 10-Jahresfrist abgelaufen

oweichender Erbe bewilligt Löschung der Grundschuld nicht

o weichender Erbe verlangt Bestätigung eines vereidigten Buchprüfers über Reinvestitionen

Fall 3: Abfindung weichender Erben Lösung

o Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche der weichenden Erben mit der Hofübergabe abschließend regeln und ausgleichen

o Rechtssicherheit für Übernehmer = Sicherheit Fortbestand Betrieb

o Unabhängigkeit für Übernehmer = Sicherheit Fortbestand Betrieb

Fall 4: Rückbehalt Grundstücke Thema

Thema:

o Übergeber behält sich bei Hofübergabe teilweise Grundstücke zurück als Altersvorsorge oder zur späteren Verteilung an die weichenden Erben.

Fall 4: Rückbehalt Grundstücke Problem

Bewertung des FA: „Der Rückbehalt der landwirtschaftlichen Flächen betrug [rund 25] %. Aufgrund dieses Rückbehaltes handelt es sich für die an den Sohn übertragenen Wirtschaftsgüter um eine steuerpflichtige Entnahme aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen. Eine Buchwertfortführung im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG scheidet somit aus, da nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übergeben wurden. Der Steuerpflichtige führt einen verkleinerten Betrieb in Form der zurückbehaltenen Flächen fort.“

Fall 5: Umfang Altenteilerrechte Auslegung von vertraglichen Regelungen

„Der Übergeber erhält das Wohnungsrecht im mitübergebenen Austragshaus bestehend in dem Rechte auf alleinige und ausschließende Benützung des gesamten Austragshauses uneingeschränkt […].

[…] Der Übergeber ist ferner berechtigt, auch seine Kinder im Austragshaus im Rahmen seines Wohnungsrechts aufzunehmen, ohne dass für die Kinder ein eigener Rechtsanspruch besteht.

Der Übernehmer verpflichtet sich, auf seine Kosten für die Beheizung und Instandhaltung der Wohnung zu sorgen, soweit dies der Übergeber nicht selbst erledigt (Entnahme Brennholz, Schönheitsreparaturen).“

Fall 5: Umfang Altenteilerrechte Problem

o Darf der Übergeber selbst Heizöl kaufen?

o Übernehmer stellt Holz zur Verfügung!

o Darf auch die Lebensgefährtin des Übergebers im Austragshaus wohnen?

o Darf der Übergeber alle Räume durchgängig beheizen?

Fall 5: Umfang Altenteilerrechte Lösung

o Grundsätzlich darf der Übergeber nicht auf Kosten des Übernehmers, ohne dessen Einverständnis Heizöl bestellen.

o Die Lebensgefährtin dürfte vom Wohnrecht des Übergebers umfasst sein.

o Eine übliche Beheizung der Wohnräume ist dem Übergeber gestattet.

Fall 5: Umfang Altenteilerrechte Formulierungsbeispiel

„Der Übernehmer räumt hiermit dem Übergeber und […] auf deren Lebensdauer als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB das Wohnungs- und Benützungsrecht an dem vertragsgegenständlichen Grundstück FlNr. […] der Gemarkung […] ein, bestehend in dem Recht auf ausschließliche Benützung des gesamten Gebäudes mit Garten. Mit dem Wohnungsrecht verbunden ist das Recht auf Mitbenützung aller gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen. Der Übernehmer hat die Instandhaltungskosten und Kosten für Reparaturen zu tragen. Der Übernehmer trägt auch die Kosten für Strom, Wasser, Heizung (Holz und Heizöl) und sonstige Nebenkosten sowie die Schönheitsreparaturen. […]“

Fall 6: Wegzug des Altenteilers Thema

Thema:

o Zu Gunsten des Altenteilers besteht ein Wohnrecht im übergebenen Anwesen. Der Altenteiler will in eine eigene Wohnung ziehen.

Fall 6: Wegzug des Altenteilers Thema

„Falls der Übergeber […] vom übergebenen Anwesen wegzieht, erhält er als Entschädigung für sein Wohnungsrecht […] einen Geldbetrag, der dem ortsüblichen Mietpreis für eine der Austragswohnung vergleichbare Wohnung in […] entspricht.“

Fall 6: Wegzug des Altenteilers Problem

o statt Wegzug in Ersatzwohnung, Aufenthalt in Pflegeeinrichtung

o von den Übergebern vormals bewohnte Zimmer im Vertragsanwesen waren keine (abgeschlossene) Wohnung

o wesentliche Flächen dieser genutzten Räume waren keine „Wohnfläche“

o Unklar war: „vergleichbar“

Reduzierung der Verpflichtung bei noch einem überlebenden Altenteiler

Fall 6: Wegzug des Altenteilers Lösung

• Eindeutige Regelung oder Hinweis auf gesetzliche Regelungen

• Ohne eine eindeutige vertragliche Regelung, gelten ohnehin die gesetzlichen Vorschriften.

Fall 6: Wegzug des Altenteilers Lösung

Art. 18 AGBGB Geldrente

Muß der Berechtigte aus besonderen Gründen das Grundstück auf Dauer verlassen, so hat der Verpflichtete ihm für die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen eine Geldrente zu zahlen, die dem Wert der Befreiung nach billigem Ermessen entspricht. Für andere Leistungen, die für den Berechtigten wegen seiner Abwesenheit von dem Grundstück ohne Interesse sind, hat der Verpflichtete den Wert zu vergüten, den sie für den Berechtigten auf dem Grundstück haben.

Tipp

Zur Absicherung des Betriebes und der Familie ist es sinnvoll eine

• Vorsorgevollmacht

und

• Betreuungsverfügung

zu errichten. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch eine Patientenverfügung.

Vorsorgevollmacht

Bundesministerium für

Justiz und

Verbraucherschutz

http://www.bmjv.de

Vorsorgevollmacht Formular zum Download