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Heimisches Erdgas

Date post: 01-Feb-2017
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b Eine wachsende Weltbevölke- rung, die einen höheren Wohlstand erwirtschaftet, braucht mehr Ener- gie. Bis zum Jahr 2040 erwartet der diesjährige Energieausblick „Out- look for Energy“ von Exxon Mobil ein weltweites Bevölkerungswachs- tum von heute 7 Mrd. auf 9 Mrd. Menschen und eine Steigerung der Weltwirtschaft um 130 %. 1) Aber Effizienzverbesserungen könnten die Energienachfrage mit plus 35 % im Jahr 2040 gegenüber dem Jahr 2010 geringer steigen lassen. Mo- derne Technik werde das Energie- angebot vielfältiger machen. Die Wahl des Energieträgers hängt dann nicht nur vom Preis, sondern auch von seiner Verfügbarkeit, der Verbraucher- und der Umwelt- freundlichkeit ab. Erdgas, das welt- weit erschwinglich und subventi- onsfrei verfügbar ist, hat dabei gute Karten. Die mit derzeitiger Technik ge- winnbaren Erdgasressourcen rei- chen auf Basis des heutigen Ver- brauchs noch mehr als 200 Jahre. Die Ressourcen sind darüber hi- naus – vor allem inklusive der un- konventionellen Lagerstätten wie Schiefergas weltweit verteilt. Sechs der sieben Regionen, in de- nen es Erdgas gibt, haben jeweils einen Anteil von 10 % oder mehr an den weltweiten Ressourcen [Nachr. Chem. 2014, 62, 607]. Da bei der Stromerzeugung mit Erdgas bis zu 60 % geringere CO 2 -Emissionen im Vergleich zur Kohle anfallen, ist dies ein weiterer Grund für einen Anstieg der Erd- gasnachfrage. Zudem unterstellt der Exxonmobil-Energieausblick steigende Preise für CO 2 : bis zu 80 US-Dollar pro Tonne im Jahr 2040. Erdgas wird bis dahin der Energieträger mit dem höchsten Wachstum sein und damit Kohle als zweitwichtigsten Energieträger ablösen. Technik b In den USA hat die Förderung von Schiefergas das Land nahezu unabhängig von Erdgasimporten gemacht. Die hohe Produktion ließ den Gaspreis in den USA zeitweise auf ein Drittel des europäischen Preises fallen (Abbildung 2). Die infolge des Wettbewerbsvorteils verstärkte Umstellung der Stromer- zeugung von Kohle auf Erdgas senkte die CO 2 -Emissionen auf das Niveau des Jahres 1993. Pro Kopf erreichten die USA-Emissionen so- gar das Niveau des Jahres 1963. In den letzten Jahren waren im- mer mehr Erdgasressourcen wirt- schaftlich förderbar. Möglich machte dies die Kombination drei verschiedener Techniken: Zum ersten werden bei der Erd- gassuche zunehmend seismische Verfahren eingesetzt, deren Daten Hochleistungscomputer analysie- ren und die Lagerstätten immer ge- nauer bestimmen. Zum zweiten erschließt die Ho- rizontalbohrtechnik Lagerstätten, die nur eine geringe vertikale Mächtigkeit haben. Ein schwenk- barer Bohrkopf lenkt die Bohrung in die vorgesehene Richtung. Drittens schafft Hydraulic- Fracturing für das Erdgas künstli- che Fließwege im Gestein. Hierzu werden in der erdgasführenden Schicht in zirka 1000 bis 5000 Me- tern Tiefe zunächst kleine Löcher in die Bohrlochummantelung ein- gebracht. Anschließend erzeugt das Einpumpen von Frac-Flüssig- keiten unter hohem Druck Risse im Gestein. Die Risse bleiben durch Sandkörner oder Keramik- kügelchen (Stützmittel) offen, die im Hydraulic-Fracturing-Gemisch enthalten sind. So kann das Erdgas über neue Fließwege aus dem Ge- stein entweichen und durch das Bohrloch an die Oberfläche strö- men. Weltweit steigt die Nachfrage nach Erdgas. Seit Jahrzehnten wird der Energieträger in Deutschland überwiegend in Niedersachsen produziert. Fracking öffnet unkonventionelle Lagerstätten. Heimisches Erdgas BChemiewirtschaftV Abb. 1. Während der Euroforum Jahrestagung Chemie- und In- dustrieparks im Frühjahr in Bad Soden sprach Olaf Martins über „Fracking: Eine Chance auch für Deutschland?“. Martins leitet die Abteilung Communications bei Exxon Mobil Central Europe in Hamburg. (Foto: Euroforum) Nachrichten aus der Chemie| 62 | Juli I August 2014 | www.gdch.de/nachrichten 774
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Page 1: Heimisches Erdgas

b Eine wachsende Weltbevölke-rung, die einen höheren Wohlstand erwirtschaftet, braucht mehr Ener-gie. Bis zum Jahr 2040 erwartet der diesjährige Energieausblick „Out-look for Energy“ von Exxon Mobil ein weltweites Bevölkerungswachs-tum von heute 7 Mrd. auf 9 Mrd. Menschen und eine Steigerung der Weltwirtschaft um 130 %.1) Aber Effizienzverbesserungen könnten die Energienachfrage mit plus 35 % im Jahr 2040 gegenüber dem Jahr 2010 geringer steigen lassen. Mo-derne Technik werde das Energie-

angebot vielfältiger machen. Die Wahl des Energieträgers hängt dann nicht nur vom Preis, sondern auch von seiner Verfügbarkeit, der Verbraucher- und der Umwelt-freundlichkeit ab. Erdgas, das welt-weit erschwinglich und subventi-onsfrei verfügbar ist, hat dabei gute Karten.

Die mit derzeitiger Technik ge-winnbaren Erdgasressourcen rei-chen auf Basis des heutigen Ver-brauchs noch mehr als 200 Jahre. Die Ressourcen sind darüber hi-naus – vor allem inklusive der un-konventionellen Lagerstätten wie Schiefergas – weltweit verteilt. Sechs der sieben Regionen, in de-nen es Erdgas gibt, haben jeweils einen Anteil von 10 % oder mehr an den weltweiten Ressourcen [Nachr. Chem. 2014, 62, 607].

Da bei der Stromerzeugung mit Erdgas bis zu 60 % geringere CO2-Emissionen im Vergleich zur Kohle anfallen, ist dies ein weiterer Grund für einen Anstieg der Erd-gasnachfrage. Zudem unterstellt der Exxonmobil-Energieausblick steigende Preise für CO2: bis zu 80 US-Dollar pro Tonne im Jahr 2040. Erdgas wird bis dahin der Energieträger mit dem höchsten Wachstum sein und damit Kohle als zweitwichtigsten Energieträger ablösen.

Technik

b In den USA hat die Förderung von Schiefergas das Land nahezu unabhängig von Erdgasimporten gemacht. Die hohe Produktion ließ den Gaspreis in den USA zeitweise auf ein Drittel des europäischen

Preises fallen (Abbildung 2). Die infolge des Wettbewerbsvorteils verstärkte Umstellung der Stromer-zeugung von Kohle auf Erdgas senkte die CO2-Emissionen auf das Niveau des Jahres 1993. Pro Kopf erreichten die USA-Emissionen so-gar das Niveau des Jahres 1963.

In den letzten Jahren waren im-mer mehr Erdgasressourcen wirt-schaftlich förderbar. Möglich machte dies die Kombination drei verschiedener Techniken:

Zum ersten werden bei der Erd-gassuche zunehmend seismische Verfahren eingesetzt, deren Daten Hochleistungscomputer analysie-ren und die Lagerstätten immer ge-nauer bestimmen.

Zum zweiten erschließt die Ho-rizontalbohrtechnik Lagerstätten, die nur eine geringe vertikale Mächtigkeit haben. Ein schwenk-barer Bohrkopf lenkt die Bohrung in die vorgesehene Richtung.

Drittens schafft Hydraulic-Fracturing für das Erdgas künstli-che Fließwege im Gestein. Hierzu werden in der erdgasführenden Schicht in zirka 1000 bis 5000 Me-tern Tiefe zunächst kleine Löcher in die Bohrlochummantelung ein-gebracht. Anschließend erzeugt das Einpumpen von Frac-Flüssig-keiten unter hohem Druck Risse im Gestein. Die Risse bleiben durch Sandkörner oder Keramik-kügelchen (Stützmittel) offen, die im Hydraulic-Fracturing-Gemisch enthalten sind. So kann das Erdgas über neue Fließwege aus dem Ge-stein entweichen und durch das Bohrloch an die Oberfläche strö-men.

Weltweit steigt die Nachfrage nach Erdgas. Seit Jahrzehnten wird der Energieträger in Deutschland

überwiegend in Niedersachsen produziert. Fracking öffnet unkonventionelle Lagerstätten.

Heimisches Erdgas

BChemiewirtschaftV

Abb. 1. Während der Euroforum Jahrestagung Chemie- und In-

dustrieparks im Frühjahr in Bad Soden sprach Olaf Martins über

„Fracking: Eine Chance auch für Deutschland?“. Martins leitet

die Abteilung Communications bei Exxon Mobil Central Europe

in Hamburg. (Foto: Euroforum)

Nachrichten aus der Chemie| 62 | Juli I August 2014 | www.gdch.de/nachrichten

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Deutschland

b Während weltweit der Energie-verbrauch steigt, wird Deutschland im Jahr 2040 weniger Energie ver-brauchen als heute – durch Effi-zienzsteigerungen und, weil die Be-völkerungszahl der Bundesrepu-blik abnimmt. Der Verbrauch von Erdgas wird allerdings zulegen. Mit ihm heizt heute schon jeder zweite deutsche Haushalt – Tendenz stei-gend. Auch in der Stromerzeugung dürfte Erdgas bedeutender werden, weil die erneuerbaren Energien die Lücke des Kernenergieausstiegs nicht so schnell schließen werden. Sie benötigen außerdem eine Er-gänzung, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Bereits ab dem Jahr 2030 dürfte Erdgas in Deutschland der Energie-träger Nummer 1 sein (Abbil-dung 3).

Deutschland deckt seine Erdgas-nachfrage im Wesentlichen durch Importe: im Jahr 2012 aus Russ-land (34 %), Norwegen (31 %) und den Niederlanden (19 %). 12 % des Verbrauchs deckte heimisches Erd-gas – ein wichtiger Beitrag zur Ver-sorgungssicherheit in Deutschland. Davon stammen ungefähr 4 Mrd. Kubikmeter aus hydraulisch be-handelten Erdgasbohrungen, das entspricht einem Drittel der deut-schen Erdgasförderung. Somit ver-sorgt das Hydraulic-Fracturing-Verfahren bereits heute mehr als zwei Millionen Haushalte mit hei-mischem Erdgas.

Das Verfahren ist seit dem Jahr 1961 in Deutschland etabliert [Nachr. Chem. 2012, 60, 31]. In den vergangenen 50 Jahren wurde hier-zulande etwa 300 Mal in Sandstein-lagerstätten gefract. Auch im Schie-fergestein wurde das Hydraulic Fracturing-Verfahren bereits im Jahr 2008 in einer Bohrung im nie-dersächsischen Damme angewen-det. Weltweit wurde die Technik seit den 1940er Jahren in mehr als einer Million Bohrungen sicher eingesetzt. In Deutschland geht es jetzt darum, das Verfahren auf Schiefergaslagerstätten zu übertra-gen.

Deutschland verfügt über signifi-kante Erdgasreserven, insbesondere im Schiefergestein (Abbildung 4, S. 776). Sie haben nach Schätzun-gen der Bundesanstalt für Geowis-senschaften und Rohstoffe ein Po-tenzial von bis zu 2,3 Billionen Ku-bikmetern. Damit könnte sich Deutschland bis zu 25 Jahre lang ausschließlich selbst versorgen oder zirka 200 Jahre den derzeiti-gen Energiemix fortführen.

Zum Heizen ist bei der Mehrheit der Bundesbürger Erdgas akzep-

tiert. Diese Akzeptanz muss nun auf die Förderung und die neuen Explorations- und Produktionsak-tivitäten im Inland übertragen wer-den. Exxon Mobil startete daher in den potenziellen neuen Förderge-bieten im südlichen Niedersachsen und nördlichen Nordrhein-Westfa-len im Jahr 2011 einen Informati-ons- und Dialogprozess, in den In-teressengruppen und Wissen-schaftler eingebunden waren.2) Da-rüber hinaus erschienen wissen-schaftliche Studien zur Sicherheit

Abb. 2. Erdölpreise in Eurocent pro Kilowattstunde in den USA (rot), in Europa (blau) und Asien (schwarz).

Abb. 3. Primärenergieverbrauch in Deutschland, *inkl. Stromaußenhandelssaldo.

(Quelle: Exxon Mobil Deutsche Energieprognose 2013)

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und Umweltverträglichkeit von Hydraulic Fracturing, etwa Stel-lungnahmen des Sachverständigen-rats für Umweltfragen, der Bundes-anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und der Staatlichen Geo-logischen Dienste. Der Dialogpro-zess und die Studien haben keinen

Abb. 4. Erdgaspotenziale in Deutschland in Kubikmetern. (Quelle: BGR, Energiebilanzen, WEG)

sachlichen Grund identifiziert, Hy-draulic Fracturing generell zu un-tersagen.

Für die Aufsuchung von Erdgas aus Schiefergaslagerstätten emp-fehlen die Studien Pilotprojekte unter wissenschaftlicher Beglei-tung. So ließen sich Datenlücken

schließen, die sich aus den Unter-schieden der Lagerstätten in Deutschland ergeben. Im Gegen-satz zu Sandstein liegen die Schie-fergaslagerstätten etwa flacher, und es ist mit einer höheren Zahl von Bohrungen und Fracs zu rechnen. Diesen Unterschieden sollen die Pilotprojekte Rechnung tragen, für die neben der wissenschaftlichen Begleitung eine enge Einbindung der Öffentlichkeit geplant ist. MB

Dieser Beitrag präsentiert Informationen aus

einem Vortrag „Fracking: Eine Chance auch für

Deutschland?“, den Olaf Martins auf der Euro-

forum Jahrestagung Chemie- und Industrie-

parks in Bad Soden hielt.

Internet

1) www.exxonmobil.com/Germany-German/

PA/energy_demand_energyoutlook.aspx

2) www.erdgassuche-in-deutschland.de/dia

log/info_und_dialogprozess/index.html

Biotechbranche gut gestartet

b Deutsche Biotechunternehmen sind zuversichtlich für das Jahr 2014, wie eine Umfrage der Deut-schen Industrievereinigung Bio-technologie zeigte. Knapp 60 % der Befragten starteten das Jahr mit Umsatzsteigerungen, wobei sich die Geschäfte mit dem Ausland ge-genüber dem Vorjahr besser entwi-ckelten als die mit Inland. Für die kommenden Monate rechnen 62 % mit besseren Geschäften, ein Drit-tel erwartet gleich bleibende Ge-schäfte und 4 % befürchten einen Rückgang. Dies schätzten Unter-nehmen der industriellen (weißen) und der medizinischen (roten) Bio-technik.

Mehr forschen wollen knapp 50 %, mehr als 40 % möchten an den Aufwendungen dafür nichts ändern, während 9 % planen zu re-duzieren.

Die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen will zudem mehr in-vestieren, dieweil bei 45 % das In-

vestitionsbudget gleich bleibt. Fremdkapital aufzutreiben bereitet mehr als 95 % der Firmen keine Probleme. Start-ups sowie kleine und mittlere Biotechbetriebe sto-ßen allerdings auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Wagniska-pital.

Photonik-Branche optimistisch

b Die etwa 1000 deutschen Unter-nehmen der optischen Industrie er-höhten den Umsatz im Jahr 2013 um 3 % auf 28,4 Mrd. Euro. Der Zuwachs fiel dabei im Ausland mit 3,8 % auf 19 Mrd. Euro stärker aus als im Inland mit 1,6 % auf zirka 9,5 Mrd. Euro. Die Beschäftigten-zahl stieg um 1,8 % auf 123 700. Für dieses Jahr rechnet der Bran-chenverband Spectaris mit einem Umsatzplus von knapp 7 % auf gut 30 Mrd. Euro, wobei das Auslands-geschäft um mehr als 7 % zulegt und das Inlandsgeschäft um 5 %. Die Zahl der Mitarbeiter erhöht sich voraussichtlich auf 125 000.

Großfusion in Indien

b In Indien übernimmt der Gene-rikahersteller Sun Pharmaceutical für 4 Mrd. US-Dollar in Aktien den Arzneimittelkonzern Ranbaxy La-boratories. Mit der Fusion entsteht der weltweit fünftgrößte Produzent von Generika und das größte Phar-maunternehmen Indiens, das in den USA etwa 2,2 Mrd. US-Dollar und in Entwicklungsländern etwa 900 Mio. US-Dollar umsetzt. Mehr als ein Fünftel aller weltweiten Nachahmerprodukte stellen Fir-men in Indien her.Claudia Schierloh, Frankfurt am Main

Exporte nach China

b Deutschland war hinter Japan der zweitgrößte Exporteur nach China. Um 12 %, auf umgerechnet 900 Mrd. Euro, stieg im Jahr 2013 der Umsatz der über 25 000 Che-mieunternehmen des chinesischen Verbands der Öl- und Chemieun-ternehmen.

Kurz notiert

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