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Hegel und das deutsche Erbe (Losurdo)

Date post: 23-Dec-2015
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ISTITUTO ITALIANO PER GLI STUDI FiLOSOFICI Napoli S tudien zur D ialektik Herausgegeben von Hans Jörg Sandkühler Hans Heinz Holz und Detlev Pätzold Unter Mitarbeit von Ch. Friemert W. Goldschmidt L. Knatz L. Lambrecht Th. Mies M. Otte A. Regenbogen H.-B. Reuvers M. Schraven Aus dem Italienischen übersetzt von Erdmute Brielmayer
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  • ISTITUTO ITALIANO PER GLI STUDI FiLOSOFICI

    Napoli

    St u d ie n zu r D ia le k t ikHerausgegeben von Hans Jrg Sandkhler

    Hans Heinz Holz und Detlev Ptzold

    Unter Mitarbeit von Ch. Friemert W. Goldschmidt L. Knatz

    L. Lambrecht Th. Mies M. Otte A. Regenbogen H.-B. Reuvers M. Schraven

    Aus dem Italienischen bersetzt von Erdmute Brielmayer

  • Domenico Losurdo

    Hegel und das deutsche ErbePhilosophie und nationale Frage zwischen Revolution und Reaktion

    Pahl-Rugenstein Verlag

  • 1989 by Pahl-Rugenstein Verlag GmbH Alle Rechte VorbehaltenSatzarbeiten: ICS Communikations-Service GmbH, Bergisch Gladbach Druck: MVR Druck Kln GmbH

    CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Losurdo, Domenico:Hegel und das deutsche Erbe : Philosophie und nationale Frage zwischen Revolution und Reaktion / Domenico Losurdo. [Aus d. Ital. bers, von Erdmute Brielmayer]. Kln : Pahl- Rugenstein, 1989

    (Studien zur Dialektik)ISBN 3-7609-1234-6

  • Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert,es kmmt drauf an, sie zu verndern Karl Marx, 1 1 . Feuerbach-These

    Die STU D IEN ZUR D IA LEK TIK sind eine wissenschaftliche Buchreihe. Wir stellen sie unter den Namen der Dialektik, um die Notwendigkeit und die Mglichkeit zu betonen, die Widersprche der Wirklichkeit methodisch gesichert zu begreifen. Die Studien, die wir vorstellen, richten sich auf die geschichtliche Entwicklung des philosophischen und wissenschaftlichen Denkens, auf die Erklrung der unsere Gegenwart prgenden Prozesse und auf das Vorausdenken des zuknftigen Mglichen. Die systematischen Analysen im geschichtlichen Zusammenhang dokumentieren: Die Arbeit an der Dialektik wird als Forschungsprogramm weitergefhrt. Sie ist nicht abgeschlossen.

    Die STU D IEN ZUR D IA LEK TIK dienen dem Erkenntnisfortschritt in Philosophie und Wissenschaften. Sie verbinden ihn mit dem praktischen Ziel der Verwirklichung der Demokratie. Dialektik ist Theorie des Gesamtzusammenhangs natrlicher, gesellschaftlicher und kognitiver Entwicklung, und sie ist Methode der Erklrung. Dialektik drngt zugleich auf praktische Beitrge zur Aufhebung der Widersprche, welche die philosophische und wissenschaftliche Intelligenz erkennt. Begreifendes und eingreifendes Denken sind keine Alternativen.

    Die STU D IEN ZUR D IA LEK TIK umfassen Monographien und Sammelbnde, die in zwei Serien erscheinen: Ihre Schwerpunkte sind Geschichte und System philosophischen Wissens. In materialistischer Perspektive tragen sie bei zu einer Enzyklopdie heute mglichen Wissens. Sie bieten ein Forum fr die internationale Diskussion von Forschungsergebnissen und fr Kontroversen, aus denen zu lernen ist.

    Die Herausgeber

  • meiner Frau

  • 7

    Inhalt

    V orw ort....................................................................................................................................................... 1 2

    Hinweise und A bkrzungen............. .....................................................................................................13

    Erster TeilAuf der Suche nach dem NationalbuchI. Kapitel

    1 . Die Krise der Mythen der franzsischen Revolution..............................................................192 . Eine Kulturpolitik gegen den Franzosenha............................................................................. .....283. Von den Nationalfeiern zum lutherischen W iedererwachen................................................ 314. Elegie der Polis und Wiederentdeckung der Sklaverei............................................................ .....365. Die Griechen, die Rmer und die nationale F rage ........................................................................416 . Die Volksbcher und die Sehnsucht nach Authentizitt..............................................................467. Das Nibelungenlied und die Wiederentdeckung der germanischen M ythologie...................508 . Die Lutherbibel als National- und Volksbuch......................................................................... .....54

    Zweiter TeilDie Kulturpolitik Hegels in Berlin

    II. Luther als Kampfpanier gegen die Restauration1 . Der junge Hegel und der Protestantismus................................................................................ 612 . Der politische Protestantismus unter Anklage . .................................................. ... 633. Die Renegaten des Protestantism us............. ........................................................................ 6 84. Von Nrnberg bis zur Grndung der Jahrbcher............................................................... 715. Die Verurteilung der Inquisition als Verurteilung des Sanfedismus . .................................. 736 . Die Polemik gegen den Katholizismus und das Urteil ber die revolutionre

    Bewegung von 182021 ....................................................................................................... ... . 787. Brgerliche Revolution und religise R eform ation ............................................................... 848 . Vergttlichung des Staates und Restauration....................... ....................................... ... . 919 . Hegel und die deutsche liberale Tradition............................................................................ 99

    10. Die Berufung auf Luther und der Kampf zwischen Fortschritt und R eak tio n .................1061 1 . Transsubstantiation und Restauration...................................................................................... 1 1 11 2 . Die Berufung der deutschtmlerischen Partei einerseits und der Hegelschen

    Partei andererseits auf Luther . ........................... .............................................. ... 11413. Die Verteidigung Frankreichs gegen die klerikale und deutschtmlerische Bigotterie . . 117

    III. Das Bild Friedrichs II. von Jena bis Berlin

    1 . Die Anprangerung des Staates als Maschine zwischen Fortschritt und Reaktion . . . . . 1 2 22 . Schelling, Hegel und das System program m ............................................................................ 1273. Das Systemprogramm und die Ablehnung des Politischen in der Frhromantik............. 132

  • 8

    4. Die Verfassung Deutschlands und das Thema des Staates als Maschine.............................. 1355. Friedrich II., Preuen und die deutsche S p rach e .................................................. ................ 1396 . -Die Berliner Vorlesungen und der Gegensatz zwischen Klopstock und Friedrich II. . . 1417. Friedrich II., die deutsche Aufklrung und die Entwicklung der nationalen Frage . . . 1438 . Hegel: gro-deutsch oder klein-deutsch?......................................................................... 1449. Das Urteil ber die franzsische Revolution von Jena bis B e r lin ........................................ 145

    10. Die Angriffe auf Friedrich II. durch die reaktionre Partei und die deutschtmlerische P arte i .................................................................. .................................... 148

    1 1 . Friedrich II. und die Geschichte der F re ih e it ......................................................................... 1511 2 . Friedrich II. und die Stellung des aufgeklrten Absolutismus in der Geschichte............. 153

    IV. Die deutsche klassische Philosophie und Dichtung1 . Philosophie, Revolution und nationale Unabhngigkeit.........................................................1562 . Philosophische Revolution und politische R ev o lu tio n ..................................................... ......1593. Philosophie und Geschichte der Freiheit................................................................................... 1624. Philosophische Partei und Kampf gegen die R e a k tio n ..................................................... 1645. Die Allianz mit G o e th e ...........................................................................................................1686 . Ein verdchtiges F e s t .....................................................................................................................173

    V. Preuen als Erbe des revolutionren Frankreich?1 . Das Bild Preuens von Basel bis J e n a .......................................................................................1752 . sterreich, Preuen und die Restauration................................................................................1773. England und Europa in der R estau ratio n ............................................................................... 1804. Deutsche Freiheit und englische Freiheit................................................................................... 182

    Dritter TeilPolitischer Kampf und philosophische Debatte von der napoleonischen Okkupation bis zur Julirevolution

    VI. Hegel, der napoleonische Expansionismus und die deutsche nationale Frage1 . Die Kritik am Expansionismus und der Appell an die R eform en........................................ 1912 . Hegel und die nationale Frage nach der Niederlage Preuens...............................................1953. Die Jahre der napoleonischen N orm alisierung...................................................................1994. Theorie des Krieges und Ablehnung der pax napolenica..................................................... 2075. Volksgeist, Patriotismus und Kosmopolitismus...................................................................... 2136 . Frankreich, Ruland und die deutsche nationale F r a g e .........................................................2157. Befreiungskriege und Kriege nationaler Befreiung. . ......................................................... ......221

    VII. Die Schmalz-Partei, die Hegel-Partei und die Fries- und Schleiermacher-Partei

    1 . Die inneren Gegenstze der Burschenschaften....................... ................................................. 2232 . Die Polemik Hegels gegen die deutschtmlerische Partei. ............................................... 2273. Die Partei Schleiermachers....................................................................................................... 232

  • 9

    4. Franzosen und D eutsche..................................................... ........................................................2335. Volksbewaffnung und stehendes H eer...................................................................................... 2386 . Die Frage der nationalen Einheit............................ .......................... ................... ....................2427. Ewiger Friede und heilige A llian z..........................................................................................2458 . Die Macht und die F ro n d e .......................................................................................................... 2499. Die Oppositionsbewegung und die Schmalz-Partei............................................................ 252

    1 0 . Die Spaltung der O ppositionsbew egung.............................................................................2541 1 . Hegel, Grres und die Kehrtwendung der deutschtmlerischen Partei...........................2561 2 . Die antisemitische Agitation und die spanische Frage . . . ..................................................25813. Die Gleichstellung von Fries und H aller.............................. ................................................. . 26314. Hegel, Carove und F r ie s .................... ......................................................................................... 26915. Der Begriff V o l k ........................................................................................................................... 27216. Das Wartburgfest und das Urteil der Zeitgenossen............................................................... 27717. Burschenschaften und liberal-demokratische Opposition.....................................................27818. Kulturelle Debatte, politischer Kampf und Denunziation..................................................... 27919. Hegel, die Zensur und die Fronde gegen die Restauration..................................................... 283

    Vierter TeilDie Prosa der Wirklichkeit, die Poesie des Sollens und der Trost der Natur

    VIII. Der Romantiker, der Philister und der Staat1 . Kriecherei, Philisterhaftigkeit, Staatsvergtterung und nationale Frage.............................. 2892. Weltklugheit und Weltweisheit.............................. ... ................................................................2933. Die Vernnftigkeit der Wirklichkeit im Spiegel der Zeitgenossen Hegels. . . ................. 297

    IX. Dekadenz der modernen Welt?1 . Der Untergang des Rittertum s....................................................................................................3022 . Kreuzzge und Religionskriege................................................................................................ 3073. Die geographischen Entdeckungen und das Aufkommen des H andelsgeistes.................3104. Die Erfindung des Buchdrucks....................................................................................................3115. Die Prosa der modernen W e lt ....................................................................................................3146 . Die Ablehnung der industriellen Gesellschaft . . ...................................................................3177. Dekadenz und Sn den fall................................. ........................................................................ 3228 . Der Teufel, der Geist der Zeit und der geschichtliche Fortschritt........................................ 327

    X. Die Hypochondrie als deutsche Nationalkrankheit1 . Romantik, Hypochondrie und politische Ohnmacht.........................................................3302 . Hypochondrie, Melancholie, Sehnsucht und W ahnsin n.....................................3313. Rethorik des Sollens und Hypochondrie ................. ........................................................... 3334. Hypochondrie, Romantik und Kantianismus....................... ..............................................3405. Polis, Natur und konsolatorische F lu c h t .................................................................................3456 . Die Natur, die Erbsnde und die G esch ich te ................................. ....................................... 349

  • Fnfter TeilHegel, die Deutschtmler und die internationale Krise von 1830

    XI. Kapitel1 . Hegel und die liberale Fronde im Frankreich der Restauration . . .....................................3532. Hegelund der Ausbruch der Julirevolution .............................................................................3563. Die Akzeptierung der Resultate der Revolution ...................................................................... 3584 . Die Julirevolution und die deprecatio temporum ...................................................................3615. Die Ereignisse in Belgien: eine Revolution gegen die Reformation?....................... ................3646 . Die Tragdie des polnischen Volkes . . . ................................................................................3677. Die Gefahr internationaler Komplikationen . .............................. ....................................... ......3718 . Ausfuhr der Revolution und Ausfuhr der Konterrevolution . ........................ ................... 3739 . Philosophie und Parteilichkeit .............................. . . . . .......................... ............................. 378

    10. Klerikaler Druck und Autonomie der philosophischen Forschung ..................................... 38111. Ein radikal verndertes politisches Bild ....................................................................................38412. Hegel, die Julirevolution und die Theorie der Ausfuhr der Revolution. . . ................. 386

    10

    Sechster TeilEntwicklung und Krise der Kulturpolitik Hegels

    XII. Die Entwicklung der Hegelschen Partei nach der Julirevolution1 . Die nderung der objektiven Lage..................................................... ....................................... 3912. Der Erfolg der Hegelschen K ulturpolitik............................................................................ 3933 . Die Verwirklichung der Philosophie..........................................................................................3984. Die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. und die Krise

    des Hegelschen Preuenbildes................................................... ................ ............................. 4005 . Das Bild Preuens und der Kampf zwischen Fortschritt und Reaktion.............................. 402

    XIII. Die nationale Frage, die Schule und das Bild Hegels1 . Von der Krise von 1840 zur Wende von 1848: die Wiederkehr der Deutschtmelei . . . 4052 . Der Wiederaufstieg der deutschtmlerischen Partei......................... . . . .......................... 4093. Der franzsisch-preuische Krieg und die endgltige Verurteilung Hegels.................... ......4114. Der Weg von D. F. Strau ............................................................... .......................................... 4135. Philosophische Partei und patriotische Partei.....................................................................4156 . Von der Anprangerung Hegels zur Untersttzung B ism a rck s........................................... 4167. Erdmanns Untersttzung Bismarcks. .......................................................................................4198 . Michelet und der sterreichisch-preuische Krieg...................................................................4219. Die Kmpfe gegen Napoleon I. und Napoleon III. ......................................................... ... . 422

    1 0 . Die chauvinistische Woge und der Mythos des Kaisertums .............................. ................... 42611. Kriegsbegeisterung und das Ideal des ewigen Frieden s.................................................. . 4281 2 . Das Erbe der Befreiungskriege............. ................ ............................. ....................................... 43013. Das Bild Hegels und der klassischen deutschen Philosophie in Frankreich nach 1870 . . 43314. Deutschland am Vorabend der Hegelianischen Wiedergeburt . . . . . . . . . . . . . 436

  • 11

    Siebter TeilDeutsche Katastrophe und Hegelbild

    XIV. Kapitel1 . Umwlzungen und historische B ila n z ......................................................................... ............... 4412. Realpolitik und germanischer Individualism us...................................................................... 4443. Die Berufung auf Machiavelli und die Staatsrson...................................................................4494. Von Hegel zu Bism arck?..............................................................................................................4505. Die Wende zur Realpolitik...........................................................................................................4546 . Hegel Kriegstreiber und Kant Pazifist? . ............................................................ 4557. Die historische Bilanz des revolutionren Ideals vom ewigen Frieden . . . . . . . . . . 4598 . Hndler gegen Helden ? ...................................................................................... ................ 4629. Der Krieg und der Wille zur M a c h t ............. ............................................................................466

    10. Der Krieg, das Erhabene und das Authentische......................................................................46711. Fichte, Hegel und die Ideen von 1914................................. ................................................. 4691 2 . Deutsche Eigentmlichkeit gegen moderne Gleichm acherei...............................................47213. Der Kriegssozialismus und seine Grenzen................................. .......................................... .....47414. Eine von Grund auf falsche historische Bilanz......................................................................... 47615. Die Lehre Hegels, Croce und der Erste Weltkrieg...................................................................47816. Bild Deutschlands und Bild H e g e ls ............................................................................................48317. Der Krieg, die Sozialdemokratie und das H egelbild..................................................... ............ 48718. Hegelscher Etatismus und preuischer Sozialism us............................................................ .....49019. Staat, Volk und Nationalsozialismus..........................................................................................49120. Etatismus und Faschismus in Italien ..........................................................................................4952 1 . Die Bilanz Croces nach dem Zweiten Weltkrieg......................................................................4982 2 . Hegelianismus und Nazismus nach P o p p e r .............................................................................50023. Hegelianismus, Faschismus und O rganizism us...................................................................... 50524. Nominalismus, Historizismus und Faschismus ........................................................................50725. Rassismus und Sk laverei............................................................................................. ...................51126. Von den Befreiungskriegen zu H itler?....................... ........................................................... .....51427. Deutschland und seine stereotypen B ilder................................................................................51628. Die internationalen Ursprnge der nazistischen Id e o lo g ie .................................................. 519

    Personenregister 525

  • Vorwort

    Der vorliegende Band enthlt zwei unserer Arbeiten (La poltica culturales di Hegel a Berlino. Illuminismo, rivoluzione e tradizione nazionale, Urbino 1981, und Hegel, questione nazionale, Restaurazione. Presupposti e sviluppi di una battaglia poltica, Urbino 1983). Die eine ist ausdrcklich als Fortsetzung der anderen im Rahmen einer einheitlichen Forschungsarbeit konzipiert, die die Haltung Hegels dem deutschen Erbe gegenber und die Debatte ber Hegel und das deutsche Erbe, die die kulturelle und politische Geschichte Deutschlands durchzieht, zum Inhalt hat. Die beiden genannten Arbeiten erscheinen hier in abgenderter, manchmal (was die erste Arbeit anbetrifft) in merklich abgenderter Form: das nicht nur, um eine bessere bereinstimmung herzustellen, sondern auch, um Vorlesungsnachschriften Rechnung zu tragen, die zwischen 1981 und 1983 erschienen sind, d. h. zwischen der Verffentlichung des ersten und des zweiten Teils dieser Gesamtarbeit.

    Die Sekundrliteratur ist dagegen nicht erweitert und auf den neuesten Stand gebracht worden. Zunchst einmal wre es ein Ding der Unmglichkeit, sie auf dem Laufenden zu halten (nur in einem Fall haben wir es in zwei Funoten fr richtig befunden, auf die Debatte hinzuweisen, die sich nach 1983 ber das Erste Systemprogramm entwickelt hat, da betrchtliche Neuigkeiten hierzu auf getreten sind). Auerdem wollten wir die ursprngliche Anlage der Arbeit nicht modifizieren, die sich in erster Linie das Ziel gesetzt hatte, die Stellungnahmen Hegels in bezug auf die nationale Frage in den Bereich der kulturellen und politischen Debatte des damaligen Deutschland einzufgen. In diesem Sinn haben wir Hegel zu interpretieren versucht, angefangen natrlich von den Texten des Philosophen, nicht allerdings, um dann nur zur Diskussion der heutigen Bibliographie berzugehen, sondern vielmehr um die Gesprchspartner und die polemischen Zielscheiben des Philosophen zu ermitteln, natrlich immer mit einem Blick auf die nachfolgende Debatte ber Hegel und das deutsche Erbe. Wir haben daher hufig auf anscheinend weit entfernte Texte zurckgegriffen, die mit der theoretischen Ausarbeitung des Philosophen scheinbar nichts zu tun haben, die in Wirklichkeit aber wesentlich sind, um diese in ihrer Genese und in ihrer konkreten Bedeutung und geschichtlichen Wirksamkeit zu verstehen. In diesem Sinn wollen wir den Ausspruch Tocquevilles, den wir als Motto fr unser Buch gewhlt haben, verstanden wissen.

    Neu ist schlielich das Schlukapitel, das zum Topos Stellung nimmt, der eine kontinuierliche Linie von Hegel bis Bismarck oder sogar b i s . . . Hitler herstellen will. (Inzwischen liegt dieser Teil auch in italienischer Fassung vor: La catastrofe della Germania e Vimmagine di Hegel, Mailand 1987.) Wir haben gesagt, da wir uns hier auch mit der Wirkungsgeschichte Hegels in Deutschland auseinandersetzen; es ist dabei aber hervorzuheben, da wir dies hier hauptschlich in bezug auf die nationale Frage tun (mit der Debatte ber die Hegelsche Kategorie der Sittlichkeit haben wir uns dagegen in unserem Tra Hegel e Bismarck. La rivoluzione del 1848 e la crisi della cultura te de sea, Rom 1983, beschftigt).

    Bei dieser Gelegenheit mchten wir, wie schon anllich der italienischen Ausgabe, der Universittsbibliothek Urbino, der Bayerischen Staatsbibliothek Mnchen und der Universittsbibliothek Tbingen, deren Mitarbeit uns besonders wertvoll war, Dank aussprechen. Fr die vorliegende deutsche Ausgabe darf ich nicht versumen, mich auch bei der Schweizer Landesbibliothek Bern zu bedanken. Mein besonderer Dank gilt nun dem verehrten Freund Gerardo Marotta und dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofa: ihrer Hilfe und Ermutigung verdanke ich weit mehr als nur die deutsche Ausgabe dieses Buches. Schlielich einen Dank meiner Frau, der ich diese meine Mhe, die auch die ihrige ist, widme.

  • 13

    Hinweise und Abkrzungen

    Je nach dem Bedeutungsgehalt im Rahmen unserer Darlegung haben wir bei allen zitierten Texten frei die Hervorhebungen beibehalten, modifiziert oder eliminiert.

    Abgesehen von den Titeln der Werke, ist die Schreibweise modernisiert worden. Aus Grnden der Vereinfachung haben wir es vermieden, (auch wenn wir ihnen Rechnung tragen) die neuen kritischen Ausgaben von Hegel, Fichte, Schelling und Marx (neue MEGA) zu verwenden, weil es sich um noch in den Anfngen steckende Verlagsunternehmungen handelt. Nachfolgend das Verzeichnis der im Text benutzten Abkrzungen (die arabische Ziffer verweist auf die Seite, die rmische Ziffer auf den Band, falls es sich um ein Werk in mehreren Bnden handelt). Wenn im Textablauf auf dieselbe Sammlung, denselben Band und denselben Text Bezug genommen wird, wird nur die Seite angegeben.

    G. W. F. HegelHi Werke in zwanzig Bnden, hrsg. v. E. Moldenhauer und K. M. Michel auf der Grundlage der Werke von 183245,

    Frankfurt a. M. 1969-1979. Immer wenn es mglich ist, wird auf diese Ausgabe Bezug genommen, mit Ausnahme der Texte, fr die sie unvollstndig oder mangelhaft erscheint.

    H2 Vorlesungen ber die Philosophie der Weltgeschichte, hrsg. v. G. Lasson, Leipzig 191920 und J. Hoffmeister, Hamburg 1968.

    H3 Berliner Schrifteny hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1956.H4 Jenaer Realphilosphie, hrsg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1969.H4b System der Sittlichkeit, hrsg. v. G. Lasson, Hamburg 1967.H5 Vorlesungen ber Rechtsphilosophie, hrsg. v. K. H. Ilting, Stuttgart-Bad Cannstatt 1973 ff.; mit \ beziehen wir uns

    auf die von Ilting herausgegebene Ausgabe der Nachschrift Wannemanns von 18178, die in G. W. F. Hegel, Philosophie des Rechts, Stuttgart 1983 enthalten ist.

    H 5b Religionsphilosophie, Bd. I: Die Vorlesung von 1821, hrsg. v. K. H. Ilting, Neapel 1978.H 5c Philosophie des Rechts. Die Vorlesung von 1819/20 in einer Nachschrift, hrsg. v. D. Henrich, Frankfurt a. M. 1983. H6 Briefe von und an Hegel, hrsg. v. J. Hoffmeister und F. Nicolin, Hamburg 1969813.H 7 Hegels Leben, Berlin 1844 (reprographischer Nachdruck Darmstadt 1963).Hg Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen, hrsg. v. G. Nicolin, Hamburg 1970.H9 Dokumente zu Hegels Entwicklung, hrsg. v. J. Hoffmeister, Stuttgart 1936.Bei den in Paragraphen unterteilten Werken wird der Paragraph plus A fr die Anmerkungen, Z fr die Zustze und HB fr die handschriftlichen Bemerkungen Hegels angegeben.

    E. M. ArndtAi Briefe, hrsg. v. A. Dhr, Darmstadt 1972.A2 Briefe an den Grafen Kurt Philipp Schwerin, in: Gerettete Amdtschriften, hrsg. v. A. Dhr und E. Glzow, Kassel

    1953.A3 Katechismus fr den deutschen Kriegs- und Wehrmanny 1813 (wir zitieren aus dem Neudruck des Insel-Verlags,

    Leipzig o. D., der im zweiten Teil einen weiteren Text Arndts abdruckt, den wir in der vorliegenden Arbeit ebenfalls benutzen: Die deutsche Wehrmannschaft.

    F. X. BaaderFB Smtliche Werke, hrsg. v. J. Hoffmann, J. Hamburger und anderen, Leipzig 1851 (reprographischer Nachdruck

    Aalen 1963).

    L. BrneB Smtliche Schriften, hrsg. v. I. und P. Rippmann, Dreieich 1977.

    J. G. FichteFi Fichtes Werke, hrsg. von I. H. Fichte, Berlin 1971.F2 Briefwechsel, hrsg. von H. Schulz, Leizpig 1930 (reprographischer Nachdruck Hildesheim 1967).F3 Fichte im Gesprch, hrsg. v. E. Fuchs unter Mitarbeit v. R. Lauth und W. Schieche, Stuttgart-Bad Cannstatt

    1978 ff.F4 Fichte in vertraulichen Briefen seiner Zeigenossen, hrsg. v. H. Schulz, Leipzig 1923.

    J. F. FriesFFi Smtliche Schriften, hrsg. v. G. Knig und L. Geldsetzer, Aalen 1967 ff.FF2 Politik oder philosophische Staatslehre, hrsg. v. E. F. Apelt, Jena 1848 (reprographischer Nachdruck Aalen 1962). FF3 An die deutschen Burschen (Rede zum Wartburgfest am 18. Oktober 1817) in Dokumente zur Deutschen Politik

    1806-1870, hrsg. v. H. Pross, Frankfurt a. M. 1973, S. 105-108.

  • 14

    J. W. v. GoetheG Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in vierzehn Bnden, hrsg. v. E. Trunz, Mnchen 198112.G 2 Goethes Briefe und Briefe an Goethe, hrsg. v. K. R. Mandelkow, Hamburger Ausgabe.G3 J. P. Eckermann, Gesprche mit Goethe (auf das Gesprchsdatum wird Bezug genommen).

    G. GrresJG Gesammelte Schriften, hrsg. v. W. Schellberg, Kln 1926.

    I. KantK Gesammelte Schriften, hrsg. v. der Kniglich Preuischen Akademie der Wissenschaften.R. HaymRHi Hegel und seine Zeit, Berlin 1857, reprographischer Nachdruck Hildesheim 1962.RH2 Aus meinem Leben. Erinnerungen, Berlin 1902.H. HeineHH Smtliche Schriften, hrsg. v. K. Briegleb in Zusammenarbeit mit G. Hntzschel und K. Prnbacher (Sonderausgabe

    fr die wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt), Mnchen 1969-1978.

    J. G. HerderGH Smtliche Werke, hrsg. v. B. Suphan, Berlin 1877-1913 (reprographischer Nachdruck Hildesheim 1978).F. HlderlinFH Smtliche Werke und Briefe, hrsg. v. G. Mieth (Sonderausgabe fr die wissenschaftliche Buchgesellschaft Darm

    stadt) Mnchen 19782.

    F. H. JacobiJ Werke, hrsg. v. F. Roth und F. Koppen, Leipzig 18121825 (reprographischer Nachdruck Darmstadt 1980).

    K. Marx und F. Engels MEW Werke, Berlin 1955 ff.

    A. MllerMi Kritische, sthetische und philosophische Schriften, kritische Ausgabe hrsg. v. W. Schroeder und W. Siebert,

    Neuwied und Berlin 1967.M2 Adam Mllers Lebenszeugnisse, hrsg. v. J. Baxa, MnchenPaderbornWien 1966.

    NovalisN Werke, Tagebcher und Briefe, hrsg. v. H. J. Mhl und R. Samuel (Sonderausgabe fr die wissenschaftliche

    Buchgesellschaft Darmstadt), Mnchen 1978.

    A. RgeRi Smtliche Werke, Mannheim 184718482.R2 Briefwechsel und Tagebuchbltter aus den Jahren 18251880, hrsg. v. P. Nerrlich, Berlin 1886.

    L. SalomonLS Geschichte des deutschen Zeitungswesens, Oldenburg 19001906 (reprographischer Nachdruck Aalen 1973).

    F. K. v. SavignyFKS Friedrich Karl v. Savigny. Ein Bild seines Lebens mit einer Sammlung seiner Briefe, hrsg. v. A. Stoll, Bd. II, Berlin

    1929.

    F. W. J. SchellingJSj Smtliche Werke, Stuttgart-Augsburg 1856-1861.JS2 Aus Schellings Leben in Briefen, hrsg. v. G. L. Plitt, Leipzig 1869-1870.JS3 Briefe und Dokumente, hrsg. v. H. Fuhrmans, Bonn 1962 ff.JS4 Schellingiana rariora, hrsg. v. L. Pareyson, Turin 1977.JS5 Grundlegung der positiven Philosophie. Mnchner Vorlesung WS 1832/33 und SS 1833, hrsg. v. H. Fuhrmans,

    Turin 1972.JS6 Stuttgarter Privatvorlesungen, Version indite accompagne du texte des Oeuvres, hrsg. v. M. Veto, Turin 1973. JS7 Schelling im Spiegel seiner Zeitgenossen, hrsg. v. X. Tilliette, Turin 19741981 (der Zusatzband wird als Bd. II

    betrachtet).JS8 Knig Maximilian II. von Bayern und Schelling, Briefwechsel, hrsg. v. L. Trost und F. Leist, Stuttgart 1890.JS9 Schelling und Cotta, Briefwechsel, 18031849, hrsg. v. H. Fuhrmans und L. Lohrer, Stuttgart 1965.

  • 15

    A. W. SchlegelAWSi Smtliche Werke, hrsg. v. E. Bcking, Leipzig 1846 (reprographischer Nachdruck HildesheimNew York 1971). AWS2 Ausgewhlte Briefe, hrsg. v. E. Lohner, Stuttgart, Berlin, Kln, Mainz 1974.

    F. SchlegelFS Kritische Ausgabe seiner Werke, hrsg. v. E. Behler, PaderbornMnchenWien 1960 ff. (noch unvollstndig).F. E. D. SchleiermacherDSt Werke. Auswahl in vier Bnden, hrsg. v. O. Braun und J. Bauer, Leipzig 1927 82 (reprographischer Nachdruck

    Aalen 1981).DS2 Aus Schleiermachers Leben in Briefen, hrsg. v. W. Jonas und W. Dilthey, Berlin 18601863.

    D. F. StrauST\ Gesammelte Schriften, hrsg. v. E. Zeller, Bonn, 1876-8.ST2 Streitschriften zur Verteidigung meiner Schrift ber das Leben Jesu und zur Charakterisierung der gegenwrtigen

    Theologie, Tbingen 1837.

    Anthologien, Dokumentensammlungen oder Texte, die Dokumente aus der behandelten Epoche enthalten

    Di Deutschland unter Napoleon in Augenzeugenberichten, hrsg. v. E. Klemann, Mnchen 1976.D2 Deutsche Vergangenheit und deutscher Staat, hrsg. v. P. Kluckhohn (Deutsche Literatur, Reihe Romantik, Bd. X),

    Leipzig 1935.D3 Romantische Wissenschaft, hrsg. v. W. Bietek (Deutsche Literatur, Reihe Romantik, Bd. XIII), Leipzig 1940.D4 Gesellschaft und Staat im Spiegel deutscher Romantik, hrsg. v. J. Baxa, Jena 1924.Q Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert. Freiherr vom Stein-Gedchtnisaus-

    gabe, hrsg. v. R. Buchner und W. Baumgart, Darmstadt 1976 ff.SCi Die hegelsche Linke, hrsg. v. K. Lwith, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962.SC2 Die hegelsche Rechte, hrsg. v. H. Lbbe, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962.

    Zeitschriften und Zeitungen

    a Athenaeumba Berliner Abendbltterc Concordiadm Deutsches Museumh Die Horenhj Hallische Jahrbcherrm Rheinischer Merkur

  • Quiconque na tudi et vu que la France ne comprendra jamais rien, jose le dire la rvolution franaise.

    TocquevilleVancien rgime et la rvolution (1,4)

  • Erster Teil

    Auf der Suche nach dem Nationalbuch

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    Erstes Kapitel

    1. Die Krise der Mythen der franzsischen RevolutionDie Bemhung um die Erstellung einer nationalen Tradition, in der das deutsche Volk sich wiedererkennen und die ihm Stoff bieten knnte, einen politischen und kulturellen Erneuerungsproze in die Wege zu leiten, kennzeichnet den Gedankengang Hegels im gesamten Verlauf seiner Entwicklung. Dieses Problem wird jedoch besonders bedeutend und dringlich, nachdem das Nationalgefhl, das durch die Befreiungskriege gewaltig entwickelt wurde, nach und nach dstere deutschtmlerische Tne annahm und, mit der Verurteilung der napoleonischen Okkupation, das gesamte kulturelle und politische Erbgut, welches von jenseits des Rheins herberkam, als etwas der deutschen Seele Fremdes verurteilte.

    Auf der Woge der Befreiungsbewegung hatte sich ein Franzosenha entwickelt, der dazu tendierte, in jeder Bezugnahme auf die aufklrerische und revolutionre franzsische Kultur eine Art nationalen Verrat zu erblicken. Fast seit zwanzig Jahren schrieb Tieck ertnen diese Grundstze durch unsre Gebirge und Fluren, die Heere des Feindes sind fast eben so viele Jahre abwechselnd die Beherrscher verschiedener Provinzen (D4, 481). Nicht immer hatte Tieck so gedacht, der vielmehr in einem Brief an Wackenroder Ende 1792 seine Begeisterung fr die Revolution verkndet und ausgerufen hatte: Oh, wenn ich itzt ein Franzose wre! Dann wollt ich nicht hinsitzen, denn [. . .] Doch leider bin ich in einer Monarchie geboren, die gegen die Freiheit kmpfte, unter Menschen, die noch Barbaren genug sind, die Franzosen zu verachten. Ich habe mich sehr gendert, ich bin itzt nicht glcklich, wenn ich keine Zeitungen haben kann. Oh, in Frankreich zu sein, es mu doch ein groes Gefhl sein, unter Dumouriez zu fechten und Sklaven in die Flucht zu jagen, und auch zu fallen, was ist ein Leben ohne Freiheit? Ich begre den Genius Griechenlands mit Entzcken, den ich ber Gallien schweben sehe, Frankreich ist jetzt mein Gedanke Tag und Nacht, ist Frankreich unglcklich, so verachte ich die ganze Welt und verzweifle an ihrer Kraft, wenn fr unser Jahrhundert der Traum zu schn, dann sind wir entartete, fremde Wesen, mit keiner Ader davon verwandt, die einst bei Thermopyl fielen, dann ist Europa bestimmt, ein Kerker zu sein1.

    Der totale Umschwung der Tieckschen Positionen kann als emblematisch fr die Wechselflle einer ganzen Generation deutscher Intellektueller betrachtet werden, die das Vertrauen und die Begeisterung den revolutionren Idealen gegenber verliert, und zwar nicht so sehr auf Grund des jakobinischen Terrors, als vielmehr im Gefolge des deutlichen Hervortretens des franzsischen und napoleonischen expansionistischen Plans. Es tritt pnktlich das ein, was ein erklrter Konterrevolutionr, Mailet du Pan, im Jahre 1789 klar vorausgesehen hatte: frher oder spter wrde die Revolution der Eroberungen die Revolution der philosophischen Dogmen tten, und die Vlker wrden schlielich damit enden, ihre vorgeblichen Befreier als heuchlerische Henker zu betrachten2.

    Es erscheint wichtig, die Analyse der Bedeutung und der Tragweite dieser Krise der Mythen riesigen Ausmaes, die in Deutschland stattfindet, weiter zu vertiefen. Nach der Schlacht bei Jena haben sich die Grenzen der Grande Nation noch weiter und nahezu unermelich ausgedehnt: ein Bruder Napoleons sitzt sogar auf dem Thron des neuerrichteten Knigreichs Westfalen; das aus der Massenaushebung zur Verteidigung der Revolution und Frankreichs hervorgegangene Heer hat sich seinerseits in ganz Europa ausgebreitet und scheint unaufhaltbar. Wie sehr haben sich aber in Deutschland die Zeiten gendert im Vergleich zum ersten Widerhall der Revolution, als man von Aufklrung und Freiheit sprechen mute, um nicht fr einen Tropf zu gelten! So drckt sich einer der hervorragendsten Exponenten der anti-napoleoni- schen Widerstandsbewegung aus, ein hartgesottener, eng mit dem Volk verbundener Propagan

    1 In: W. H. Wackenroder, Werke und Briefe, Berlin 1938, S. 405.2 In: L. Marino, La filosofia della Restaurazione, Turin 1978, S. 79.

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    dist und Kmpfer, der dann spter der Restauration alles andere als wohlgesonnen sein wird (und sogar, als Demagoge verdchtigt, den Lehrstuhl verliert), aber doch immer unheilbar franzosenfeindlich bleibt. Nie erinnert sich Ernst Moritz Arndt ist eine Verwandlung und Neuerung mit allgemeinerer Bereitwilligkeit und greren "Hoffnungen empfangen worden als die franzsische Revolution: War es in den ersten drei Jahren von 1790 nicht ein wahrer Wahnsinn? Alt und Jung, Bauer und Edelmann, Hofdame und Milchmdchen politisierten und sprachen von Freiheit und Menschenrechten. Wer dabei seine Bedenklichkeiten und Einwendungen hatte, der tat am besten, sein Kopfschtteln in der Stille abzumachen, wenn er nicht Dummkopf und Despotenknecht hren wollte [. . .] Und vollends die Jugend da war es abgemacht, da jeder fr die Freiheit bluten wollte, wenn sich ihm Gelegenheit bte (A2, 108 und 124). Die Erfahrung hat gelehrt, wonach Frankreich wirklich trachtete, und Deutschland hat am eigenen Leib die Zerstrungen und Erniedrigungen erlebt, die ihm gerade von demjenigen zugefgt wurden, der sich als sein Retter aufgespielt hatte: jetzt verwnschen die Deutschen das, was sie am Anfang vergttert hatten (A2, 1 2 2 ). Wo sind alle jene Tribunenklnge und Klubmotionen geblieben? Was ist aus den Konstitutionen geworden und den Menschenrechten, die nun fr ewig festgestellt sein sollten? Arndt kann also jetzt erklren, nicht mehr allein zu sein, da Millionen ihre Leichtglubigkeit und Einfltigkeit beklagen. Es gibt nunmehr ein allgemeines Umdenken: Die Freiheits- und Gleichheitswut und die ganze erste Revolutionsnarrheit ist lange aus den Kpfen und Herzen der Menschen verschwunden, und jene rasende Fieberhitze ist genug abgekhlt durch das Elend und Blut der letzten fnfzehn Jahre (A2, 99).

    Weiteres Licht auf den radikalen Schwund aller Illusionen, der die breite deutsche ffentlichkeit und die Intellektuellen erfat, kann die Untersuchung der Entwicklung eines Autors werfen, der anfangs von einem jugendlichen, geradezu anarchistischen Enthusiasmus beflgelt spter einer der mageblichen Theoretiker der Restauration wird. 1798 hatte F. Schlegel, wenn auch zum Zeitpunkt der grten Begeisterung fr die republikanischen Ideen, die gewhnlichen Gesichtspunkte in Zweifel gestellt, die die franzsische Revolution als das grte und merkwrdigste Phnomen der Staatengeschichte, als ein fast universelles Erdbeben, eine unermeliche berschwemmung oder als ein Urbild der Revolutionen, als die Revolution schlechthin betrachteten. Man sollte sich dagegen fragen, ob die franzsische Revolution nicht vielmehr als der Mittelpunkt und der Gipfel des franzsischen Nationalcharakters, wo alle Paradoxien desselben zusammengedrngt sind, zu betrachten sei und damit als eine frchterliche Tragikomdie, in der alle Vorurteile des Jahrhunderts zur Explosion gelangt waren (a, I, 2 , 309310). Athenaeum stellte sich diese Frage, als die Begeisterung fr die von jenseits des Rheines kommenden Ideen schon dabei war, sich abzuschwchen. Der revolutionre Nymbus, der Frankreich umgab, schwand schon dahin, und F. Schlegel selbst verwies ironisch auf die in Italien vollfhrte Plnderung der Gemlde und die daraus fr die Kunstwerke entstandenen Beschdigungen (263).

    Napoleon in Person war es gewesen, der, am Vorabend der Italien-Kampagne, die Kampfbereitschaft seines Heeres anspornte, indem er die Aussicht auf einen Eroberungs- und Raubkrieg verlockend andeutete: Soldaten, ihr seid nackt, schlecht genhrt: aber ich will euch in die fruchtbarsten Ebenen der Welt fhren. Reiche Provinzen, groe Stdte werden sich in eurer Macht befinden; dort werdet ihr Ehre, Ruhm und Reichtum finden . . .3. Das Nachdenken ber diese Geschehnisse ist die Voraussetzung fr das von Athenaeum formulierte Dilemma in Bezug auf die Bedeutung der Explosion von 1789. Je mehr sich die nationale Unterdrckung in Europa und besonders in Deutschland verschrfte und je mehr sich die Widerstandsbewegung entwickelte, um so strker berwog unter den Intellektuellen und in der ffentlichen Meinung die zweite Antwort: wie konnte man eine Revolution als universal erachten, die dem traditionellen franzsischen Expansionismus Deutschland gegenber wieder Auftrieb gegeben hatte?

    F. Schlegel, der 1822, diesmal in der Zeitschrift Concordia schreibt, hat keine Zweifel mehr: die liberale Partei ist als undeutsch zu betrachten, und sie kann nie wirklich national und volksmig werden, da sie von der Unkenntnis oder Verkennung der eignen deutschen

    3 Vgl. A. Soboul, Prcis d Histoire de la Rvolution franaise, Paris 1962, Dritter Teil, II, 2, 1.

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    Geschichte und altdeutschen Verfassung und auch von der auslndischen Oberflchlichkeit ihrer Ideen, die mehrenteils aus franzsischen Modeschriften oder aus dem englischen Konstitutionswesen entlehnt sind, gekennzeichnet sei (FS, VII, S. 544545). Die Franzosen auf die andere Seite des Rheins zurckzudrngen bedeutet auch, ihre Ideen zurckzudrngen und mit ihnen alle die Ideen, die dazu geeignet sind, die unbeugsame nationale Eigentmlichkeit der kulturellen und politischen Entwicklung Deutschlands in Frage zu stellen. Die Ablehnung in erster Linie der Libert, Egalit, Fraternit ist hier integraler Bestandteil des Kampfes um die nationale Unabhngigkeit geworden. Zwischen den beiden Daten 1798 und 1822 finden wir die aktive Beteiligung F. Schlegels am anti-napoleonischen Kampf whrend der Kampagne des Jahres 1809, und zwar als Hofsekretr im Dienste sterreichs, sowie seine scharfe Polemik gegen die Franzsischgesinnten, die an der Seite des Eindringlings dazu bereit waren, den Resonanzboden fr seine Propaganda abzugeben, der zufolge es sich nur um ein Vorurteil handelte, wenn man von Deutschland oder von deutscher Nation sprach (FS, I, S. 96 und S. 92). Die napoleonfreundliche Kollaboration einiger Kreise, im Namen der aufklrerischen und revolutionren Ideen gerechtfertigt und propagiert, trug in Wirklichkeit dazu bei, da die Verurteilung der Okkupation, vom Gesichtspunkt einer breiten ffentlichen Meinung aus, mit der Verurteilung der franzsischen Revolution und des ganzen politischen und kulturellen Erbguts, das von jenseits des Rheins herrhrte, einherging.

    In anderen Fllen ist eine Art Verdrngung der ursprnglich fr die franzsische Revolution empfundenen Sympathie sichtbar. Das ist z. B. bei Herder der Fall, dem die Groartigkeit der Ereignisse jenseits des Rheins sicherlich nicht entgangen war, jener Geschehnisse, die trotz der gebotenen Vorbehalte als die wichtigsten der Epoche zu betrachten waren, weil sie unauslschlich im Buch Gottes der groen Weltgeschichte eingeschrieben waren4. Aber nur wenige Jahre spter schreibt Herder, da er von jeher eine Antipathie gegen die Nation hatte . . ., die jetzt die Welt so jmmerlich schndlich betrogen, aufgeregt, verwirrt und verwstet hat.

    In Wirklichkeit fehlt aber nicht nur die Kontinuitt, die das von jeher nahelegen mchte, sondern die Verurteilung des Verrats selbst lt durch die vom Entstehen des franzsischen Expansionismus hervorgerufene Enttuschung noch den Enthusiasmus oder wenigstens die Sympathie durchblicken, die anfnglich fr die Revoltuion empfunden worden war. Andererseits ist es Herder selbst, der ausruft: quanta conversio rerum5!

    Tatschlich hatte sich die Situation radikal gendert, und zwar sowohl was die objektive Situation als auch was die Rckwirkung auf die ffentliche Meinung betraf. Der Wendepunkt wird nicht so sehr vom jakobinischen Radikalismus bestimmt, der von kurzer Dauer war und zudem, als er Mibilligung und Zurckweisung seitens einiger Intellektueller hervorrief, nicht zu einer globalen Verurteilung der Revolution fhrte; der Wendepunkt war vielmehr vom Deutlich-

    > werden des franzsischen expansionistischen Vorhabens in Deutschland gekennzeichnet, das die Intellektuellen und die ffentliche Meinung insgesamt dazu brachte, die anfngliche Untersttzung der von jenseits des Rheins kommenden revolutionren Ideen als eine naive Zustimmung zu einem trgerischen Mythos zu betrachten. Als Fichte im Jahr 1793, whrend sich schon der Schatten des Terrors abzeichnete, seine Zurckforderung der Denkfreiheit verffentlichte, konnte er, an die Reaktionre gewandt, ausrufen: Erklrt euch das selbst [. . .], da wir dennoch die helleren Kpfe und die besseren Herzen der Nation auf unserer Seite, und ihr die Einfltigen, die Heuchler, die feigen Schriftsteller auf der eurigen habt (Fi, VI, 17). Im gleichen Jahr schreibt Wackenroder an Tieck: Die Hinrichtung des Knigs von Frankreich hat ganz Berlin von der Sache der Franzosen zurckgeschreckt, aber gerade mich nicht. ber ihre Sache denke ich wie sonst (D4, 472). Auch ein nur wenig politisierter Intellektueller, wie es Wackenroder im Vergleich zu Fichte ist, wird nicht vom Terror dazu getrieben, das Lager zu

    4 GH, XVIII, 314. Nicht umsonst handelt es sich um eine Stelle aus den Briefen zu Befrderung der Humanitt, deren Verffentlichung Herder dann fr inopportun hielt. Noch deutlicher drckt sich der Philosoph in seiner Privatkorrespondenz aus; vgl. R. Haym, Herder, Halle 18771885; wir zitieren aus dem von W. Harich hrsg. Neudruck, Berlin 1954, Bd. II, S. 517-8.

    5 Siehe den Brief an J. v. Mller (Weimar, 10.X.1796), in J. v. Mller, Briefwechsel mit Gottfried Herder und Caroline v. Herder geb. Flachsland, hrsg. v. K. E. Hoffmann, Schaffhausen 1952, S. 44.

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    wechseln. Goethe drckt, etwa zur gleichen Zeit, sein Erstaunen ber das Andauern der Bewunderung fr das revolutionre Frankreich in einem Augenblick aus, wo die Sorge fr das linke Rheinufer sich in Furcht verwandelte (Gj, X , 317), und zeigt dabei indirekt in der Verschrfung der nationalen Frage das Motiv fr die Wende auf, die sich in der deutschen ffentlichen Meinung anzubahnen begann. Noch im Jahre 1798, als sich schon deutlich die Krise der Mythen abzeichnete, war fr Kant die Begeisterung, mit der auch in Deutschland die franzsische Revolution verfolgt worden war, Beweis der Fhigkeit der Menschheit, sich fr edle Ideale zu entflammen und damit gleichzeitig Beweis ihrer Tendenz zum Fortschritt. Und bei gleicher Gelegenheit fordert Kant, mit transparenter Anspielung auf den Terror, dazu auf, die franzsische Revolution nicht ausschlielich auf der Grundlage von wichtigen, von Menschen verrichteten Taten oder Untaten zu beurteilen, wodurch was gro war, unter Menschen klein, oder was klein war, gro gemacht wird (K, VII, 85).

    Aus den hier wiedergegebenen Zeugnissen geht klar hervor, da der anti-franzsischen Propaganda, die vom Terror ihren Ausgang nahm, von den fortschrittlichsten Intellektuellen der Zeit wirksam entgegengearbeitet wurde: der Franzosenha war keineswegs vorherrschend geworden. Das wirkliche Moment und Motiv der Wende mu anderswo gesucht werden. Diesbezglich kann die Entwicklung Klopstocks aufschlureich sein. Beim Ausbruch der Revolution erwartet sich Klopstock von der neuen Ordnung, von Galliens Freiheit, auch das Ende der Geiel des Krieges: Was vollbringt sie nicht! Sogar das grlichste aller / Ungeheuer, der Krieg, wird an die Kette gelegt! 6 Der Dichter prangert dann die konterrevolutionre Intervention der Feudalmchte zum Schaden des Volkes an, das, die belorbeerte Furie, Krieg der Eroberung verbannend, / Aller Gesetze schnstes sich gab7. Ja, es stimmt, die franzsische Revolution hatte die Illusion verbreitet die sich auch bei einigen ihrer Protagonisten findet , da das Ende der Kabinettskriege des ancien rgime auch das Ende des Krieges berhaupt bedeutet; und die Verfassungstexte, die aus ihr hervorgegangen waren, versprachen jedenfalls feierlich, da das neue Frankreich nie und nimmermehr an einem Eroberungs- und Raubkrieg sich beteiligen wrde8. Und hier nun, wie Klopstock einige Zeit spter dichtet: Aber, weh uns! sie selbst, die das Untier zhmten, vernichten / Ihr hochheilig Gesetz, schlagen Erobererschlacht. Zwar hatte auch der Terror beim Dichter entrstete Reaktionen hervorgerufen, aber erst von diesem Augenblick an trifft der frchterlichste Fluch die Hochverrter der Menschheit9. Ein letztes Zeugnis: der Brief, den der Historiker Johannes von Mller im Sommer 1796 an Herder sendet: Fr die Freiheit war ich allezeit, aber ist das die Freiheit, welche ein insolentes und ruberisches Volk in das Land bringt? Und ich war noch mehr fr den Frieden; ich wrde, wenn ich das Unglck gehabt htte, diesen Krieg anzufangen, ihn vielleicht schon bei drei Gelegenheiten beschlossen haben: aber vom Vergangenen kann im Augenblick gegenwrtiger Gefahr keine Rede sein; diese erfordert Anstrengung; weil in Ermangelung derselben lauter Entehrung und Ruin zu erwarten ist, da wir bekanntlich Feinde haben, von welchen nicht einmal Beobachtung des Anstandes zu erwarten ist10. Wie man sieht, und wie es auch naheliegend ist, wird nicht mehr vom Terror gesprochen, der, nach der Wende des Thermidor, kein relevantes Element der politischen Debatte mehr darstellt. Das Problem ist der Krieg, denn man bemerkt inzwischen, da er einen anderen Charakter annimmt: anfangs vom franzsischen Volk zur Verteidigung seines Rechts auf Unabhngigkeit und auf die Revolution gefhrt, hat sich der Krieg nunmehr in einen Raubkrieg seitens Frankreichs verwandelt. Frankreich wird nicht unter Anklage gestellt, weil es revolutionr, sondern weil es ruberisch und kriegstreiberisch ist, was fr ein Land, das im Jahre 1789 den Frieden auf seine Fahnen geschrieben hatte, besonders gravierend ist.

    Zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs hatte Robespierre die Franzosen gewarnt: Si vous violez6 Sie und nicht wir. An La Rochefoucauld.7 Der Freiheitskrieg.8 infira, Kap. VI, 1.9 Der Eroberungskrieg.10 J. v. Mller, Briefwechsel. . ., zit., S. 40. Nach der Niederlage Preuens bei Jena wird J. v. Mller Napoleon seine

    Ehrerbietung erweisen, da dieser inzwischen fr unbesiegbar gilt (infra, Kap. III, 10).

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    les premiers leur territoire, vous irritez les peuples mmes de VAllemagne, . . . chez qui les cruauts exerces dans le Palatinat par les gnraux ont laiss des impressions plus profondes que n'auront pu produire encore quelques brochures prohibes, balances par tous les moyens du gouvernement et par toute de ses partisans11.

    Die Franzosen wren also als Fortsetzer der expansionistischen und ruberischen Politik Ludwigs XIV. verurteilt worden. -

    Die Jugend Hegels fllt in eine Zeit, in der die Franzosen, mit oder ohne Revolution, als die natrlichen und ewigen Feinde Deutschlands angesehen werden, in eine Zeit, in der die Ablehnung des franzsischen Expansionismus zugleich die Ablehnung der aufklrerischen und revolutionren, von jenseits des Rheins kommenden Tradition bedeutet. Jetzt wird die Begeisterung, mit der anfangs die franzsische Revolution begrt worden war, angeklagt und verhhnt: Wir sind bei der Krise der Mythen angelangt. In Berlin hat Hegel keine besondere Sympathie fr diejenigen brig, die, den anfnglichen Enthusiasmus fr die franzsische Revolution einmal verloren, sich melancholisch auf ihr eigenes Bewutsein und in ihre Privatexistenz zurckgezogen haben, fr diejenigen also, die sich von der Krise der Mythen haben mitreien lassen. Was die schwere Enttuschung anbetrifft, die der jakobinische Terror in Klopstock hervorgerufen hatte, bemerkt die sthetik : Diesen Schmerz jedoch vermochte Klopstock nicht dichterisch zu bilden und sprach ihn um so prosaischer, haltungsloser und fassungsloser aus, als er seiner getuschten Hoffnung nicht Hheres entgegenzusetzen wute, da seinem Gemte keine reichere Vernunftforderung in der Wirklichkeit erschienen war (H^ XV, 473).

    Und doch mu sich Hegel mit diesem Zustand der Enttuschung ziemlich frh auseinandergesetzt haben, vor allem im Zusammenhang mit der Verschrfung der nationalen Frage in Deutschland in Folge des erneuten franzsischen Expansionismus; das legt ein Brief nahe, den er im August 1798 empfngt: Freilich liebster Freund, ist unser Ansehen tief herabgesunken. Die Sachwalter der groen Nation haben die heiligsten Rechte der Menschheit der Verachtung und dem Hohn unserer Feinde Preis gegeben. Ich kenne keine Rache, die ihrem Verbrechen angemessen wre12. Sich darber bewut zu werden, da auch das aus der Revolution hervorgegangene Frankreich in dem im Gange befindlichen Krieg nur Besonderes gegen Besonderes war, wie der Raub eines Eigentums, d. h. die Annexion des linken Rheinufers, bewies, mu auch fr Hegel nicht ohne inneren Kampf vor sich gegangen sein, und die folgende Betrachtung klingt wie ein schmerzhaftes autobiographisches Bekenntnis: die blinde Begeisterung eines Gebundenen ist ein furchtbarer Moment, aus dem man hervorgeht, indem man den Sinn der Bestimmtheit wiederfindet (Hj, I, 458).

    Im gleichen Zeitraum spricht Goethe von den Anhngern der franzsischen Revolution als von moralisch-politischen Enthusiasten. Hlderlin stellt dagegen der Begeisterung, mehr noch, dem Himmel der Begeisterung, die interessierten Ratschlge der klugen Ratgeber gegenber, die darauf aus waren, jeglichen idealen Schwung im Namen der Akkomodation, des sich in dem status quo knechtisch zu bequemen, auszulschen (FH, I, 1914). Und Wackenroder bemerkt den Enthusiasmus Tiecks fr die franzsische Revolution und fgt hinzu, seinerseits dafr begeistert zu sein, auch wenn er nicht dazu bereit sei, wie sein Gesprchspartner, fr die Revolution zu den Waffen zu greifen und sein Leben zu riskieren (D4, 4712). Von diesem Gemtszustand, der ihm zumindest durch seine Freundschaft mit Hlderlin vertraut sein mute, hat sich Hegel nunmehr entschieden distanziert, aber nicht, um wie so viele seiner Zeitgenossen in eine sehnsuchtsvolle Haltung, in die Verherrlichung der guten alten Zeit, zu verfallen. Seine Bemhung geht dahin, eine kritische Bilanz zu ziehen, eine differenzierte Haltung einzunehmen. 1798 jedenfalls scheint Hegel dem Vorschlag eines Briefpartners zugestimmt zu haben, die

    11 Rede vom 18. XII. 1791, in M. Robespierre, Textes choisis, hrsg. v. J. Poperen, Paris 19568, Bd. I, S. 114115.12 H7, 91. ber die in Deutschland vom franzsischen Expansionismus hervorgerufene Enttuschung siehe R. Bodei,

    La funzione della filosofia e degli intellettuali nel mondo storcio hegeliano, in Studi Urbinati Nr. 2, 1962, besonders die S. 209ff.: Der Autor weist mit Recht, unter Bezugnahme auf Foscolo und insbesondere auf die Ultime lettere di Jacopo Ortis, auf die europischen Ausmae des Phnomens hin. Man mu jedoch hinzufgen, da das Phnomen, das wir Krise der Mythen genannt haben, eine besondere Intensitt und Verbreitung gerade in Deutschland erlebt, wo die Begeisterung fr die franzsische Revolution besonders verbreitet und die nationale Unterdrckung besonders hart und grausam war.

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    Verffentlichung der Broschre ber Wrttemberg aufzuschieben, die, in der neuen Situation, die vom Verrat der >Grande Nation< gekennzeichnet war, mehr ein bel als eine Wohltat gewesen wre (H 7, 91). Das bedeutet, da die fragliche Broschre auf Grund der scharfen Anklage gegen den Wrttembergischen Staat, der Anklage der Blindheit derjenigen, die hartnk- kig auf Einrichtungen, Verfassungen, Gesetzen bestanden, aus denen der Geist entflohen ist, Gefahr lief, dem franzsischen Expansionismus eine willkommene Rechtfertigung zu liefern (Hi, I, 268273, passim).

    Hegel scheint an der Debatte ber die Krise der Mythen in Nrnberg teilzunehmen, wenn er nachdem er auf die Periode des Krieges und des Umsturzes, die kaum zu Ende gegangen war, hingewiesen hatte darauf besteht, die guten Frchte dieser Zeit dankbar anzuerkennen: das vorherrschende Bild ist das der Zerstrung des Alten, Verletzung und Zertrmmerung des an sich oder durch sein Alter Ehrwrdigen, so da die Kategorie der Vernderung mit der des Verlusts bereinzustimmen scheint. Dies ist ein Phnomen, welches seine eindeutige Erklrung in der riesigen Welle der Enttuschung findet, die Deutschland und Europa ergriffen zu haben schien: Wenn die Menschen zu lange hingehalten und gespannt, sich so oft in der Zukunft, auf die sie fr die Frchte ihrer Aufopferung hingewiesen wurden, auch wieder nur getuscht fanden, so ist es begreiflich, da sie die Gegenstnde ihrer Sehnsucht an die Vergangenheit oder an das wenige noch knpfen, was vielleicht nur vorlufig der Umwandlung entgangen ist. Dieser Stimmung mssen wir entgegenhalten, da das, was vergangen ist, vergeblich vermit und zurckgewnscht wird, da das Alte, darum weil es alt war, nicht vortrefflich ist und da, weil es unter allen Umstnden zweckmig und begreiflich war, daraus nichts weniger als dies folgt, da seine Erhaltung unter vernderten Umstnden noch wnschenswert sei, sondern vielmehr das Gegenteil.

    Hegel stellt eine weitere Betrachtung an, die polemisch gegen diejenigen gerichtet scheint, die mit erbaulichen und religisen Argumenten die Ablehnung einer als ruins zu betrachtenden Gegenwart rechtfertigen, ruins, weil aus der Ablehnung der christlichen Tradition hervorgegangen: gerade der Glaube an die Vorsehung, an die gttliche Weltregierung entgegnet der Philosoph mu dazu verhelfen, auch in der Gegenwart den Tag eines wesentlichen Besserwerdens zu erkennen, einen Tag, der schon angebrochen oder zumindest in seiner Morgenrte erkennbar ist; dieser Glaube ist es, der es ermglicht, den zum Teil gerechtfertigten Trbsinn von sich abzuschtteln und mit grerem Vertrauen um sich zu blicken (Hi, IV, 368 und 372-3).

    Zwei Jahre spter scheint Hegel auf die Debatte ber die Krise der Mythen zurckzukommen, als er an die jugendliche Lust der neuen Epoche erinnert, welche im Reich der Wissenschaft wie in dem politischen aufgegangen ist und die die Morgenrte des verjngten Geistes mit Taumel begrte. Es ist keine unmittelbare Identifizierung mit diesem Gemtszustand festzustellen, aber sicherlich findet sich nicht die Palinodie, auf die eine ganze Generation von Intellektuellen zurckgriff. Die von jener Morgenrte hervorgerufene Begeisterung das schon frher angetroffene Bild kehrt hier zurck zeigte Grenzen der Naivitt auf; sie ging ohne tiefere Arbeit an den Genu der Idee und schwelgte in den Hoffnungen und Aussichten, welche diese darbot, und dennoch kann sich diese Begeisterung von den Ausschweifungen befreien, die sie begleitet und charakterisiert haben, um ihren wesentlichen Kern beizubehalten. Ohne Zweifel ist die Ermattung und Kraftlosigkeit, der sich selbst kluge Skeptizismus weitaus widriger (H 1} VIII, 1 2 und 13). Wenn die Himmelsstrmerei des Selbstbewutseins bei Fichte und der antiautoritre Individualismus der frhen Romantik (man denke an die Jugendjahre F. Schlegels) mit dem anfnglich von der franzsischen Revolution heraufbeschworenen Enthusiasmus in Zusammenhang gebracht werden bezeichnend ist diesbezglich das Bild der Morgenrte, dem wir schon begegnet sind und das in Berlin wiederkehrt , wird die Verbreitung eines Kritizismus, der nur Verzweiflung an der Vernunft ist, der den Mut der Wahrheit, Glauben an die Macht des Geistes leugnet und damit den Menschen erniedrigt, verleumdet und fr jede wirkliche Erkenntnis unfhig erklrt, in Zusammenhang mit der nachfolgenden Rckflu-welle gebracht (H3, 78).

    Hegel selbst hatte teil an jenem Taumel, an jenem Enthusiasmus in den Jahren, in denen er

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    die Losung von Vernunft und Freiheit auf sein Panier schrieb und ein Loblied auf die von Kant begonnene Revolution anstimmte und sich seinerseits dafr einsetzte, da der Nimbus um die Hupter der Unterdrcker und Gtter der Erde verschwinde (H6, I, 18 und 234). Er befand sich" damals unter dem Einflu Fichtes (der in den Briefen dieser Periode ausdrcklich zitiert wird) und der Fichteschen Interpretation Kants: es war das Selbstbewutsein, das sich gegen die Substanz emprte, das sein Frsichsein darin nicht findet und das also seine Freiheit vermite. Diese Emprung war gerecht und unvermeidlich. Das Selbstbewutsein unterstrich Hegel hat sich in gewisser Weise immer gegen eine geistlose Objektivitt gestrubt, in der es sich nicht wiedererkennen kann; seine Grenze bestand hchstens darin, sich nicht auf angebrachte Weise das Problem einer neuen Objektivitt, in welcher es sich wiedererkennen konnte, gestellt zu haben, wobei es also die absolute Selbstgewiheit, aber nicht die Wahrheit ausdrckte (Hi, X X , 389 und 394). Hegel hatte in gewisser Hinsicht an dieser Rebellion teil. Schelling, der ihn um ein Urteil ber seine Philosophischen Briefe bat, antwortete er, da er in ihnen einen groen Beitrag zu der wichtigsten Revolution im Ideensystem von ganz Deutschland erblicke. So wurde die zumindest teilweise Zustimmung zur These eines unter dem Einflu Fichtes geschriebenen Werkes ausgedrckt, das mit der Erklrung abschlo, die Menschheit werde sich nur dann retten, wenn sie sich von den Fesseln des Aberglaubens befreie, d. h. indem sie sich daran gewhne, bei sich selbst das zu suchen, was sie frher in der objektiven Welt suchte, um so von der vorhergehenden Selbstlosigkeit in einer fremden Welt zur eigenen Selbstheit zurckzukehren (H6, I, 23 und JSi, I, 339). Es handelt sich, vom Gesichtspunkt des reifen Hegel aus, um einen bertrieben emphatischen und einseitigen Anspruch auf die Subjektivitt. Und dennoch drcken die Ermattung und Kraftlosigkeit im Gefolge der Restauration nur den Verlust dieser Selbstgewiheit und damit einer wichtigen Errungenschaft aus. Das Bild der Morgenrte, ausdrcklich auf die franzsische Revolution bezogen, kehrt an einer berhmten Stelle der Berliner Vorlesungen wieder: Es war dieses somit ein herrlicher Sonnenaufgang. Alle denkenden Wesen haben diese Epoche mitgefeiert. Eine erhabene Rhrung hat in jener Zeit geherrscht, ein Enthusiasmus des Geistes hat die Welt durchschauert, als sei es zur wirklichen Vershnung des Gttlichen mit der Welt nun erst gekommen (H 2 , 926). Auch jetzt ist keine unmittelbare Identifizierung mit dem Enthusiasmus festzustellen, der auch naive Elemente aufwies, indem er ein wenn auch auergewhnlich wichtiges Ereignis, das in der Geschichte noch nie dagewesen war, zu einer Art eskatologischem Ereignis hochstilisierte, so da es erstmals und endgltig jene Verwirklichung des Gttlichen darstellte, die der Leitfaden der Geschichte insgesamt ist.

    Burke hatte sich seinerseits ironisch ber die Revolution ausgedrckt, die das Jahr 1789 als das Jahr betrachtete, ab dem erst die Vernunft und der Fortschritt datiere (Erlsungsjahr nach der Gentzschen bersetzung)13; und hatte andererseits nicht Hegel selbst erklrt, da er sich den Anspruch des Reich Gottes erwarte (H 6 ,1, 18), jenes Reich Gottes, dessen Verwirklichung, nach F. Schlegels Worten, der revolutionre Wunsch erstrebte (a, I, 2 , 236)? Die komplexen Geschehnisse der Folgezeit in ihrem verwickelten und widersprchlichen Verlauf hatten die zu sehr mit Hoffnungen beladene Erwartung bermannt, aber es geht nicht darum, diesem Enthusiasmus abzuschwren, was diejenigen forderten, die sich nach der guten alten Zeit zurcksehnten, sondern ihn nur seiner naiven Elemente zu entblen, um vertrauensvoll die Aufgaben der Gegenwart in Angriff zu nehmen. Die Faszination, die die franzsische Revolution auf eine ganze Generation ausgebt hatte, war keine Lge und kein Selbstbetrug gewesen. Das ist ein Punkt, auf dem Hegel bis zuletzt besteht: mit Recht haben sich alle denkenden Wesen begeistert, die fast unermeliche Macht ber die Gemter, die dieses Ereignis ausgelst hat, ist vllig verstndlich (H 3, 698).

    13 Siehe E. Burke, Betrachtungen ber die franzsische Revolution in der deutschen bertragung von Friedrich Gentz, hrsg. v. L. Iser und mit einer Einl. v. D. Henrich, Frankfurt a. M. 1967, S. 73 (die Gentzsche bersetzung verschrft noch die Anklage Burkes, der die franzsischen Revolutionre des Messianismus bezichtigt, denn >Erlsungsjahr< entspricht im Original the emancipating year, vgl. The Works of the Right Honourable Edmund Burke. A new edition, London 1826, Bd. V, S. 83).

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    Es ging jedoch nicht darum, die franzsische Revolution auf historischer Ebene zu verteidigen, sondern vor allem darum, auch in Deutschland den Ideen, die aus dieser Revolution hervorgegangen waren, wieder Brgerrecht zu verschaffen. Ein Ziel, das vielleicht noch schwieriger zu erreichen war, bedenkt man, da die Suche nach einer nationalen deutschen Identitt die zu Zeiten des anti-napoleonischen Widerstands begonnen hatte und unbedingt ntig war, um die nationale Befreiungsbewegung zu frdern auf einen eiferschtigen und selbstgengsamen Rckzug auf eine germanische Authentizitt hinausgelaufen war, die jedem Beitrag von auen unzugnglich war. Fichte selbst hatte schlielich, trotz seines treuen Festhaltens an den Idealen der franzsischen Revolution, objektiv einen Beitrag zu der oben beschriebenen Anschauung gegeben: in seinen glhenden Reden kndigt er das Entstehen einer echt deutschen Staatskunst an und verherrlicht sie, die sich auf die Erziehung des noch unverdorbenen Jugendalters grndet und sich nicht nur an den Frsten, sondern auch an die Volksmassen wendet. In Wirklichkeit bemerkt man in diesen Ideen eindeutig das Echo der Nation in Waffen franzsischen und revolutionren Angedenkens; in dem Augenblick aber, in dem es darum geht, den Widerstand gegen das napoleonische Heer anzustacheln, erscheint die echt deutsche Staatskunst als eine Entgegensetzung zu den auslndischen (und in erster Linie franzsischen) Modellen der gesellschaftlichen Maschinen: letztere verzichten darauf, an die bewute Zustimmung und an die Erziehung der Brger zu appellieren. So wird der Einzelne eine Art Rdchen, das, wenn es sein eigenes Interesse verfolgt, unbewut dazu gezwungen ist, zum Funktionieren des Ganzen beizutragen (F1? VII, S. 363-366, passim). Auch in diesem Fall wurde die Entwicklung Deutschlands letzten Endes der politischen und philosophischen Entwicklung Frankreichs entgegengesetzt, was die Entwicklung korrekter Beziehungen zwischen der deutschen Kultur und den aufklrerischen und revolutionren Ideen von jenseits des Rheines behinderte. In diesem Sinne konnte ein glhender Chauvinist wie Treitschke, Fichte als denjenigen wrdigen, der mit seinen Reden die Franzosen aus Deutschland hinausphilosophiert hatte14.

    In Berlin geht die Bemhung Hegels dahin, den von jenseits des Rheins kommenden Ideen in irgend einer Weise wieder Brgerrecht zu verschaffen: aber in dem von der napoleonischen Fremdherrschaft und von den darauffolgenden Befreiungskriegen hervorgerufenen Klima nationaler Leidenschaft war das nur mglich, indem man diese Ideen in eine deutsche nationale Tradition einfgte. Und Hegel war dazu auf gerufen, gerade diese Art von Kulturpolitik voranzubringen. Um voll und ganz die Schwierigkeiten dieses Vorgehens zu verstehen, tut man gut daran, die tiefen Wurzeln zu bedenken, die die patriotische Verstoung der als franzsisch angesehenen oder von Franzosenfreundlichkeit behafteten Ideen in Deutschland geschlagen hatte.

    Noch nach der Julirevolution, die doch in Deutschland ein so groes Echo unter den Intellektuellen und bei der fortschrittlichsten ffentlichen Meinung gefunden hatte, sah sich Heine mit Bedauern dazu gezwungen, das Fortbestehen des alten Schwindels zu konstatieren, wonach die Erklrung der Menschenrechte und der brgerlichen Gleichheit [. . .] fr etwas Fremdlndisches, etwas Amerikanisches und Franzsisches ausgegeben wurde. Und der Dichter fgte hinzu: Eine deutsche Schule erklrt die Sache germanisch gemtlicher, eichenstmmig volkstmlicher, ganz im Sinne jener Ureichelfrafreiheit, deren die teuren Vter genossen (HH,III, 771). Der amerikanischen oder englischen Freiheit, aber vor allem der franzsischen, wurde die deutsche Freiheit entgegengesetzt; die Berufung auf die alten Germanen lief auf die Ablehnung der gesamten modernen geschichtlichen Entwicklung, zumindest von der Aufklrung an, hinaus. Die Tatsache, da die Verbreitung erst der aufklrerischen, danach der revolutionren Ideen mit dem Zeitpunkt der tiefsten Erniedrigung Deutschlands, die seine nationale Zersplitterung beschleunigt und verschrft hatte, zusammengefallen war, begnstigte die Machenschaften der Reaktion, die darauf abzielten, die fortschrittlichsten Ideen als der deutschen nationalen Seele fremd vorzustellen. Schlielich wurden es ist wieder Heine, der das anmerkt die konstitutionellen und antifeudalen Erneuerungsprogramme als franzsische

    14 Zit. nach E. Bloch, Fichtes Reden an die deutsche Nation, 1943, in E. Bloch, Politische Messungen, Pestzeit, Vormrz, Frankfurt a. M. 1970, S. 303.

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    Revolutionslehren abgestempelt und die Anhnger dieser Programme als die franzsische Partei in Deutschland (HH , V, 1 0 1 1 ). Der Angriff der Reaktion auf die Menschenrechte hatte Erfolg stellt dieses Mal Rge fest , weil er als eine uerung antifranzsischen Patriotismus angesehen wurde15. Von Franzosenha befallen und auf der Suche nach der Freiheit nicht bei den aus der franzsischen Revolution hervorgegangenen Ideen und Institutionen, sondern in den teutonischen Urwldern sind auch Persnlichkeiten, die in gewisser Weise liberale Ideen vertreten, oder besser Deutschtmler von Blut und Freisinnige von Reflexion. Wodurch unterscheidet sich aber, entgegnet Marx dabei einige schon bei Heine angetroffenen Motive aufnehmend , unsere Freiheitsgeschichte von der Freiheitsgeschichte des Ebers, wenn sie nur in den Wldern zu finden ist? (MEW, I, 380) Spter noch ermittelt ein Theoretiker der Restauration, whrend er erfreut das vllige Scheitern der achtundvierziger Revolution im eignen Land konstatiert, ganz deutlich die Grnde fr die andauernde Schwche der liberalen und demokratischen Bewegung in Deutschland: die Revolution (hatte) bei uns nicht wie dort die Nation mit Ruhm und Macht gekrnt, sondern nur Ohnmacht, Erniedrigung und Schmach ber sie hereingebracht16. Das war die objektive Situation, die die Machenschaften der Reaktion begnstigt und das Scheitern der revolutionren Bewegung in Deutschland gekennzeichnet hatte. Darauf wies, auf der anderen Seite die Barrikade, melancholisch ein Hegelschler hin: seit 1815 hatte sich ein Chor von Stimmen erhoben, um zu beweisen, da die liberalen und demokratischen Forderungen auslndisch, . . . von einer nebenbuhlerischen Nation ausgehend und der Nationalehre Deutschlands zuwider waren; so wurden die Ideale der franzsischen Revolution von den romantischen, feudalistischen Mchten der Ehre, Liebe, Treue verdrngt17.

    Hegel war gezwungen, gegen den Strom der herrschenden Ideen zu schwimmen angesichts der Tatsache, da die aufklrerische und revolutionre Kultur im Namen der Vereinigung der nationalen Tradition nicht nur von klerikalen und reaktionren Kreisen abgelehnt wurde, sondern auch von den Heimkehrern aus den Befreiungskriegen und von einem guten Teil der Studentenbewegung. Diese Ablehnung vereinte also die eifrigsten Verfechter der Restauration mit den Gegnern und Opfern derselben. Das zentrale Problem, dem sich der Philosoph in Berlin ausgesetzt sieht, ist die berwindung des Franzosenhasses, um zu verhindern, da die Begeisterung fr die wiedererlangte Unabhngigkeit und der Ha auf die Invasoren den Ideen und Institutionen in Deutschland, die das Ergebnis langer und schmerzreicher geschichtlicher Geburtswehen waren, endgltig den Weg versperrten. Es ging darum, einen Kampf gegen die politische und kulturelle Strmung aufzunehmen, die wie spter Engels, damals begeisterter Hegelianer, schreibt die groen ewigen Resultate der Revolution [. . .] als >welschen Tand< oder gar >welschen Lug und Trug

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    Symbolen des feudalen Obskurantismus, auch der Code Napolon18. Es handelte sich dabei nicht um einen isolierten Fall, Ausdruck jugendlicher Unstetigkeit, denn schon vorher hatte Savigny den Code Napolon als einen Krebs bezeichnet19. Wenn das Gesetzbuch im allgemeinen Ausdruck der Gewalt des Gesetzgebers zum Nachteil der spontanen Entwicklung der Sitten war, so war das napoleonische Gesetzbuch zudem Ausdruck der von Frankreich zum Nachteil der deutschen Nation ausgebten Gewalt. Die Schwierigkeiten, auf die Hegel stie, sind also offensichtlich, bedenkt man, da er schon seit Jena die Bedeutung des Code Napolon hervorgehoben hatte (Hi, II, 570).

    2. Eine Kulturpolitik gegen den FranzosenhaWenn wir von Kulturpolitik sprechen, meinen wir damit Hegels Bemhungen, mit seinen theoretischen Arbeiten nicht nur den Kreis seiner Schler an der Universitt zu beeinflussen, sondern weitere Teile der ffentlichen Meinung, um damit konkret auf die im Gang befindliche politische und kulturelle Debatte einzuwirken. Hegel uert sich erfreut darber, unter seinen Hrern nicht nur Studenten, sondern auch Majors, Obristen, Geheime Rte zu haben (H6, II, 218). Es gibt im brigen viele Zeugnisse, die das besttigen: die Vorlesungen wurden nicht nur von Geschftsleuten und Offizieren besucht, sondern Hegel wurde sogar von Geschftsmnnern als philosophischer Koryphus der neueren Zeit anerkannt. Er beeinflute also nachhaltig die Bourgeoisie, die fortschrittlichen Sektoren des Staatsapparates und ganz allgemein diejenigen Krfte, die fr eine Erneuerung im antifeudalen Sinn eintraten (Hg, 287 und 2 0 0 ). Hegel hatte brigens, schon bevor er nach Heidelberg ging, den Wunsch ausgedrckt, auf direktere Weise in die kulturelle und politische Debatte einzugreifen: Ich sehne mich herzlich nach einem lebendigem Wirkungskreise [. . .] Ich fhle auch zu sehr, wie meinen bisherigen Arbeiten der Mangel einer lebendigen Wechselwirkung ungnstig gewesen (H6, II, 116). Wenn Rosenkranz Stellen aus dem von Hegel an die Behrden Badens gerichteten Entlassungsgesuch zitiert, in dem Hegel als Begrndung fr seine Umsiedelung nach Berlin die Aussicht angibt, von der prekren Funktion, Philosophie auf einer Universitt zu dozieren, zu einer anderen Ttigkeit bergehen und gebraucht werden zu knnen, dann formuliert er sogar die Hypothese, da der Philosoph daran gedacht habe, in die preuische Regierung einzutreten (H 7, 318). Es war noch nicht viel Zeit seit dem Versprechen Friedrich Wilhelms III., eine Verfassung zuzugestehen, vergangen, und die Erwartung einer Erneuerungspolitik, die die nach der Niederlage bei Jena unternommenen Reformen fortsetzen sollte, und die diesbezglichen Illusionen waren weit verbreitet. Sicher ist, da Hegel, wie schon in den vorhergehenden Etappen seines Lebens, sich auch in Berlin nicht auf eine einsame Spekulation zurckzieht: er gehrte nicht zu den Philosophen merken seine Gegner mibilligend an , die ihre Wirkung blo ihren Ideen berlassen wollen (H 8, 380). Nein, seine Bemhungen gehen dahin, eine Schule zu grnden, die ber den Universittsbereich hinausginge, einen philosophischen Klub (H 8, 295), eine Faktion (323), die nicht nur von der Ideologie, sondern auch von persnlichen Banden zusammengehalten wrde, ja sogar eine Art Partei. Noch im Winter des Jahres 1820 plant Hegel ein Buch ber Staatspdagogik zu schreiben (H6, II, 271). So kommt es, da seine Gegner von unertrglicher Parteimacherei sprechen (H8, 320). Aber vor allem ein Zeugnis beschreibt uns wirkungsvoll das, war wir die Kulturpolitik Hegels genannt haben. Hegel wird als jemand beschrieben, der in der Stille sein geistiges Regiment organisiert und daher wohl als ein groer Philosoph zu betrachten sei, aber als ein noch grerer Feldherr mit einer artikulierten Strategie und Taktik, in der Lage, alle Krfte zu benutzen, und der seine Truppen berall

    18 F. Mehring, 18131819. Von Kalisch bis Karlsbad, 1913, jetzt in Gesammelte Schriften, Bd. VI, hrsg. v. J. Streisand, Berlin 19764, S. 379.

    19 Vom Beruf unserer Zeit fr Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, S. 2 (wir zitieren nach der Heidelberger Ausg. 1840, Neudruck Hildesheim 1967).

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    rekrutierte, auch dort, wo Feldherren nur mit Mhe ihren Tro htten herausschlagen knnen. Die Metapher Feldherr bringt zum Ausdruck, da es Hegel gelingt, seine Mnner berall einzusetzen und seinen Einflu auszubreiten, wobei er sich selbst direkt bei einer humoristischen Zeitung engagiert, die kein groes Prestige geniet (H 8, 302). Wir knnen damit feststellen, da die Hegelsche Kulturpolitik sich nicht nur, wie oft geglaubt wird, von oben her, d. h. mit Hilfe von Protektionen und Untersttzungen in Teilen des Staatsapparats entwickelt, sondern in bestimmter Hinsicht auch von unten her20.

    So erklrt sich der Versuch, auch auf die weniger wichtigen Presseorgane Einflu zu gewinnen, darunter sogar die humoristische Zeitschrift Berliner Schnellpost, auf die das schon zitierte Zeugnis Bezug nimmt und in der Hegel die Rezension eines Thetaterstcks verffentlicht (H3, 451460). Die in dieser Zeitung verffentlichten humoristischen Beitrge waren keineswegs naiv, wenn sie, wie bemerkt wurde, alle Erscheinungen und Ereignisse des Tages durch die Brille des Humors betrachtete: Es fehlten nicht die Pointen gegen die Zensur, besonders anllich des Todes des Zensors Granow (bei dieser Gelegenheit lt sich auch Hegel, wie wir noch sehen werden, zu einem Witz verleiten), gegen die Manipulierung der Presse usw. (LS, III, 3078). Hegel steht in freundschaftlicher Beziehung zum Herausgeber der Berliner Schnellpost, M. G. Saphir, welcher spter, immer in seinem scherzhaften Stil, zugunsten der Julirevolution und der Pressefreiheit, die in Frankreich gewhrt wird, Stellung nimmt (B, III, 209210). In jenen Jahren nimmt Saphir Kontakt zu den bedeutendsten Persnlichkeiten der Oppositionsbewegung wie etwa Heine (HH, V, 118) und Brne auf und wird, zusammen mit den Genannten, von klerikalen Kreisen angegriffen, die ber die groen Gefahren besorgt sind, die die jdische und franzosenfreundliche >Infektion< ber die deutsche Kultur und die deutsche Nation brachte (HH, IV, 653). Hegel arbeitet nicht nur persnlich an der Berliner Schnellpost mit, sondern er qulte auch seine Schler, ihrerseits daran mitzuarbeiten, wie Heinrich Laube, ein Exponent des Jungen Deutschland, berichtet (H8, 536); und bekanntlich gehrte Gans zu ihren Mitarbeitern (H 8, 302).

    Auch eine humoristische Zeitung schien Hegel nicht ohne Wichtigkeit zu sein. Die Grnde fr diese Einstellung knnen wir der Antwort entnehmen, die der Lehrmeister einem Schler, allerdings in bezug auf eine andere Zeitschrift, erteilt. Als Hinrichs die Hypothese formulierte, da es Hegel selbst sei, der die Redaktion der Neuen Berliner Monatsschrift leite (H6, II, 252), die, zumindest formell, von F. Frster gefhrt wurde, besttigte Hegel, trotz eines Dementi, den von ihm auf die Zeitschrift ausgebten Einflu und fgte dann bezeichnenderweise hinzu: Es mu immer wieder auf verschiedene Weise die Sache an das Publikum herangetragen werden (H6, II, 2567). Das ist also das zentrale Anliegen Hegels und seiner Kulturpolitik. In diesem Zusammenhang versteht man, da der Philosoph nicht nur darum bemht ist, Schler und eine Schule zu bilden, sondern auch einen Kreis von Kmpfern21.

    Wir knnen jetzt damit beginnen, die Inhalte der Hegelschen Kulturpolitik nher zu betrachten. Einen zentralen Punkt bildet zweifellos die Polemik gegen den Franzosenha, gegen die bertriebene Deutschtmerei (Hg, 214). Das Grndungsprojekt der Jahrbcher ruft nicht nur das Beispiel des Journal des Savans ins Gedchtnis, sondern bezieht sich auch, indem es den Kampf gegen die falsche Originalitt als Aufgabe der Zeitschrift anfhrt, auf ein kritisches Urteil ber Deutschland, das zu diesem Punkt von Voltaire formuliert worden war (H 3 515 ff. und 518). Dieser Autor war das schwarze Schaf aller Franzosenhasser, sowohl derjenigen, die in ihm einen Vertreter eines Volkes sahen, das fr ewig Feind der deutschen Nation war, als auch derjenigen, die in ihm in erster Linie den Reprsentanten der Aufklrung und des Hasses gegen die Religion erblickten.

    20 Diese Zweiseitigkeit ist es, die oft vernachlssigt wird, so da als Subjekt dieser Kulturpolitik nur die preuische Regierung oder ihre fortschrittlichen Sektoren erscheinen: vgl. H. Lbbe, Deutscher Idealismus als Philosophie preuischer Kulturpolitik, in: Kunsterfahrung und Kulturpolitik im Berlin Hegels, hrsg. von O. Pggeler und A. Gethmann Siefert, Bonn 1983 (Hegel-Studien, Beiheft 22), insbesondere die S. 1718. Von Kulturpolitik Hegels hat, wenn auch in einem etwas anderen Sinn als wir, schon E. Rambaldi, Le origini della logica hegeliana, Florenz 1966, S. 1 14, gesprochen.

    21 Das Zeugnis Perthes findet sich in F. Schlawe, Die Berliner Jahrbcher fr wissenschaftliche Kritik. Ein Beitrag zur Geschichte des Hegelianismus, in Zeitschrift fr Religions- und Geistesgeschichte, 1959, S. 243.

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    Mit der Verffentlichung einer kritischen Zeitschrift beabsichtigten Hegel und Gans auch, fr den franzsisch-deutschen Kulturaustausch zu arbeiten und die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland zu frdern. Aber die beiden gebildetsten Nationen des Kontinents miteinander in geistige Berhrung zu bringen, sie auf dem unblutigen Kampfplatz der Kunst und der Wissenschaft nach und nach zu befrieden und zu befreunden, das war auch das von Cotta selbst verfolgte Ziel, der dann, nicht umsonst, der Herausgeber der Jahrbcher wird22. In einem Brief an Cotta lobt Ludwig Robert, Schwager Varnhagens, den Herausgeber fr seinen gerechten Stolz, sogar ganz abgesehen von kommerziellen Aspekten zugunsten der deutschfranzsischen Freundschaft zu wirken, und besteht darauf, da Hegel, die einzige Persnlichkeit europischen Rufs 23 und daher der Einzige, der dazu in der Lage sei, eine Aufgabe zu erfllen, die ber die Grenzen Deutschlands hinaus gehe, die Zeitschrift leiten solle.

    Der Verffentlichung der Jahrbcher gehen Gesprche Gans in Paris voraus, und zwar nicht nur mit Cousin, sondern auch mit verschiedenen Redakteuren des Globe (zwischen der Pariser und der Berliner Zeitschrift entwickelt sich spter ein regelmiger Austausch). Im Globe erscheint einige Zeit spter ein interessanter Artikel Lerminiers, der sich nicht nur ebenfalls fr die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland einsetzt, sondern in dieser Freundschaft auch die notwendige Voraussetzung fr die Fusion von philosophischer Theorie und politischer Praxis erblickt. Auf der einen Seite des Rheins erarbeitet der deutsche spekulative Genius Theorien, die noch auf ihre Umsetzung in das praktische Leben warten; auf der anderen Seite scheint Frankreich, aus einer Revolution hervorgegangen, die ihm neue Gesetze und Institutionen gegeben hat, zwar eine umfassende gigantische Praxis, aber keine philosophische und juridische Theorie zu besitzen. Diese Trennung von Theorie und Praxis mu mit Hilfe der Begegnung zwischen der deutschen und der franzsischen Kultur berwunden werden24. Das ist auch das Ziel, das sich die Jahrbcher setzen. Die deutsche Philosophie, die auf theoretischer Ebene die Entwicklung der franzsischen Revolution begleitet hatte25, wurde zu einer engeren und fruchtbareren Begegnung mit der Kultur des Landes der Revolution aufgerufen. Es war unter vernderten und objektiv viel schwierigeren Bedingungen die Wiederaufnahme des von Fichte 1798 formulierten Programms der Vereinigung des franzsischen und deutschen Geistes (F2, I, 594). Fr Hegel sollte die deutsch-franzsische Freundschaft, indem sie die Deutschtmelei besiegte, dazu dienen, die reiche politische Erfahrung Frankreichs ganz konkret Deutschland nherzubringen, eine Erfahrung, versteht sich, die zunchst ihrer Abstraktheit, das heit ihres jakobinischen Radikalismus, entblt werden mu. Andererseits war Hegel mit der berzeugung nach Berlin gekommen, da diese letzten 25 Jahre seit der franzsischen Revolution nicht nur die reichsten, welche die Weltgeschichte wohl gehabt hat waren, sondern auch die lehrreichsten, nicht nur fr die Franzosen, sondern fr alle; fr uns bekrftigt Hegel fr unsere, fr unsere Vorstellungen (H 1? IV, 507, Hervorhebung von uns).

    Die Zurckweisung des Franzosenhasses war die wesentliche Voraussetzung dafr, sich die reifsten Ergebnisse der franzsischen Revolution und der geschichtlichen Wechselflle einer ganzen Epoche zunutze zu machen. In diesen Zusammenhang mu die Grndung der Jahrbcher eingefgt werden, die nicht umsonst in Berlin das Licht erblicken, in einer Stadt erklrt Gans Cotta in einem Gesprch zur Vorbereitung des Terrains fr die Grndung der Zeit

    22 Siehe den Brief Gans* an den Verleger Cotta vom 20. XII. 1825 und die handschriftliche Aufzeichnung Cottas ber seine Verlegerprojekte vom Sommer 1825, in F. Schlawe, a. a. O., S. 244-5.

    23 Brief an Cotta vom 13. V. 1826 und vom 16. IV. 1826 in Briefe an Cotta. Das Zeitalter der Restauration, 18151832, hrsg. v. H. Schiller, Stuttgart und Berlin 1927, S. 322-323 und S. 318.

    24 Le Globe vom 2. XII. 1826, zit. bei J. D Hondt, Hegel-Hamlet. Problme du passage l'acte politique, Philosophie et histoire, in Annales de lUniversit libre de Bruxelles, 19801, S. 2343. Was die Begegnung zwischen Gans und Cousin und den Redakteuren des Globe betrifft, siehe den schon zit. Brief an Cotta vom 20. XII. 1825, der nicht in der unvollstndigen Sammlung Briefe an Cotta enthalten ist, von F. Schlawe (a. a. O., S. 244) zit. wird und auf den wir auch hinsichtlich des Austausches zwischen der Pariser und der Berliner Zeitschrift verweisen (S. 247).

    25 tnfra, Kap. IV.

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    schrift , die sich schon in den vorhergehenden Jahren der mittelalterlichen Formen entledigt hatte26. Natrlich muten einige frhere Ambitionen zurckgeschraubt werden, so da Hegel, kurze Zeit nach Beginn der Verffentlichungen, sich darber beklagte, da die Jahrbcher zu gelehrt und gediehen gegen die im ersten Plane ausgemachte Ansicht, und zwar auf Grund der Gelehrsamkeit, der Grndlichkeit und des bloen Fachsimpelns, an das die deutschen Gelehrten unheilbar gewhnt waren (H6, III, 175). Noch im Vormrz beklagte Rosenkranz in der Vorrede zu Hegels Lehen einerseits die Tatsache, da man bei uns ernste Bemhungen, den Wechsel verkehr zwischen der deutschen und franzsischen Philosophie lebendiger zu machen, sogleich wieder aus dem Gesichtspunkt einer Gallomanie verurteilt hat, drckt andererseits aber die Hoffnung aus, da die Fortentwicklung der Gemeinschaft deutschen und franzsischen Strebens fr die Wissenschaft nicht mehr auf Hindernisse stoe (H 7, X X X IIXXXIII). Die Biographie des Philosophen sollte auch dazu dienen, seine Lehre von der Notwendigkeit einer Verstndigung zwischen Frankreich und Deutschland nach der napoleonischen Okkupation und den Befreiungskriegen aktuell zu gestalten.

    3. Won den N ationalfeiern z u m lutherischen W ie der erwachenDen Franzosenha abzulehnen allein gengte aber nicht. Um ihn wirklich zu berwinden, mute der von den Deutschtmlern propagierten nationalen Tradition gegenber eine Alternative geschaffen werden. Daher ist die Begegnung mit Luther obligatorisch, der schon in den Jugendschriften als der einzige Held beschrieben wird, der im Gedchtnis eines Landes lebendig blieb, das noch nie eine Nation gewesen war (H^ I, 197). Nur mu er von Grund auf neuinterpretiert werden. Im Verlauf des Wid


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