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Heft 4 2010

Date post: 12-Mar-2016
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Heft 4 2010
48
AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ April 2010 | Heft 4 Umwelt Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Seite 128 Agrarwirtschaft Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein? Seite 142 Pflanzenbau Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus Seite 148 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich
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Page 1: Heft 4 2010

AgrArforschung schweiz

A p r i l 2 0 1 0 | H e f t 4

Umwelt Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Seite 128

Agrarwirtschaft Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein? Seite 142

Pflanzenbau Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus Seite 148

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Page 2: Heft 4 2010

127 Editorial

Umwelt

128 Vogelgefährdung durch Pflanzenschutz- mittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring

Michela Gandolfi und Otto Daniel

Umwelt

134 Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz? Franz Bigler

Agrarwirtschaft

142 Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein?

Ali Ferjani, Linda Reissig und Stefan Mann

Pflanzenbau

148 Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus

Jacob Rüegg und René Total

Nutztiere

154 Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast

Nathalie Roth und Peter Kunz

Kurzbericht

162 Fünf Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz

Dominik Burger, Mireille Baumgartner,

Iris Bachmann, Christine Grivel,

Anne Rizzoli, Ruedi von Niederhäusern

und Pierre-André Poncet

166 Porträt

167 Aktuell

171 Veranstaltungen

InhaltApril 2010 | Heft 4

Braunkehlchen im Raps.Kommen Vögel und andere Wildtiere mit Pflanzen-schutzmitteln in Kontakt und sind sie dadurch gefährdet? Dies erforscht die Gruppe Ökotoxikologie der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW. (Foto: Markus Jenny, Fehraltorf)

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften

Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Eliane Rohrer (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

Agroscope

Page 3: Heft 4 2010

Liebe Leserin, lieber Leser

In der Schweiz werden fast 100 000 Pferde gehalten. Diese Zahl zeigt die

Wichtigkeit der Pferdebranche als Zweig in der Landwirtschaft auf. Die Pfer-

debranche beansprucht 10 % der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Nicht

weniger als 265 000 Personen in der Schweiz sind in der Zucht und Nutzung

tätig. Wie in den anderen Sektoren ist im Rahmen der europäischen Öffnung

auch in der Pferdebranche Qualität, Effizienz und Nachhaltigkeit gefragt.

Die Rolle des Schweizerischen Nationalgestüts SNG

Das Schweizerische Nationalgestüt SNG spielt in der Pferdebranche eine

führende Rolle. Es ist das Kompetenzzentrum und hilft als staatlicher, unab-

hängiger Betrieb Fragen und Probleme der Branche früh zu erkennen und

Lösungen zu finden, die der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und

dem Wohlbefinden des Pferdes in der Schweiz dienen. Nicht zu vergessen ist

sein Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Neben dem europaweit einzig-

artigen in den letzten Jahren aufgebauten Aus- und Weiterbildungsbil-

dungsprogramm stellt dabei die Netzwerkarbeit des Nationalgestüts einen

herausragenden Faktor dar. National und international mit privaten und

universitären Institutionen, Vereinigungen sowie den Verbänden und

Staatsgestüten eng vernetzt, werden effizient und interdisziplinär For-

schungsresultate erarbeitet, die direkt in die Praxis umsetzbar sind.

Ein Beispiel für diese Arbeit stellt das Netzwerk Pferdeforschung Schweiz

dar. Das Nationalgestüt führt bereits zum fünften Mal die «Jahrestagung

Netzwerk Pferdeforschung Schweiz» am 30. April 2010 in Avenches durch.

An dieser Veranstaltung werden nicht weniger als 32 wissenschaftliche Ar-

beiten des Nationalgestüts und der verschiedenen anderen Schweizer Insti-

tutionen als Vorträge oder Poster öffentlich vorgestellt. Diese öffentliche

Plattform der Schweizer Pferdeforschung ermöglicht es, dass sich die For-

schenden austauschen und Synergiepotenziale nutzen können. Aber auch

der Wissenstransfer zur Pferdebranche wird optimiert. Nicht zuletzt können

die Pferdefachleute ihrerseits ihre Bedürfnisse definieren und direkt anbrin-

gen. In diesem Sinne hat das Nationalgestüt mit seiner Netzwerktagung

eine Leaderrolle bei der Früherkennung der Probleme der Pferdebranche

eingenommen. Als wichtigster und grösster jährlich stattfindender wissen-

schaftlicher Anlass ist die auch international anerkannte Veranstaltung in

der Schweizer Pferdelandschaft nicht mehr wegzudenken. Sie stellt einen

unerlässlichen Beitrag zur Entwicklung der Schweizer Landwirtschaft dar.

Die mit der Entwicklung der Schweizer Landwirtschaft und damit auch

der Pferdebranche verbundenen Herausforderungen können ohne Koope-

rationen nicht bewältigt werden. Nur mit einer uneigennützigen, koordi-

nierten Netzwerkarbeit auf hohem Niveau in allen Bereichen ist Gewähr

geboten, dass dies in Zukunft erfolgreich gemacht werden kann. Das

Schweizerische Nationalgestüt macht dies möglich.

Netzwerkarbeit des Schweizerischen Nationalgestüts

Pierre-André PoncetDirektor Schweizerisches Nationalgestüt SNG

Michael GysiDirektor ALP-Haras

Editorial

127Agrarforschung Schweiz 1 (4): 127, 2010

Page 4: Heft 4 2010

E i n l e i t u n g

Was die Geschichte uns lehrt

Pflanzenschutzmittel (PSM) sind für Menschen nützlich,

weil sie helfen, Schadorganismen zu bekämpfen und

höhere landwirtschaftliche Erträge zu erzielen. Die ers-

ten chemisch-synthetischen PSM anfangs der Vierziger-

jahre wurden von den Menschen zum Teil als eine «Erlö-

sung» angesehen: Der Entdecker des DDT, Dr. P. Müller,

hat im Jahr 1948 den Nobelpreis bekommen. Dass PSM

auch negative Nebenwirkungen auf die Umwelt haben

können, hat man erst später in Betracht gezogen. In den

Fünfziger- und Sechzigerjahren erlebten verschiedene

Vogelpopulationen einen dramatischen Rückgang, wel-

cher auf Reproduktionseffekte von DDT und seinen Ab-

bauprodukten zurückgeführt wurde (Hartner 1981). Die

Zulassungen von DDT in der Landwirtschaft wurden suk-

zessive zurückgezogen. Wegen der starken Persistenz

und Bioakkumulierbarkeit dieses Stoffes brauchten die

betroffenen Vogelarten danach Jahrzehnte, um sich

wieder zu erholen. Aus dieser Erfahrung hat man ge-

lernt, wie wichtig es ist, vor einer Zulassung nicht nur die

Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und MonitoringMichela Gandolfi und Otto Daniel, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil

Auskünfte: Michela Gandolfi, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 783 62 70

U m w e l t

Vogelnest in einem Rebberg im Tessin (Foto: Michela Gandolfi, Zürich)

128 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

Page 5: Heft 4 2010

Die Nebenwirkungen von Pflanzenschutz-

mittel (PSM) auf die Umwelt müssen vor

einer Zulassung beurteilt werden. Die

Gruppe Ökotoxikologie der Forschungs-

anstalt Agroscope Changins-Wädenswil

ACW prüft, ob Pflanzen und Tiere durch

PSM gefährdet sind. Für Vögel verwendet

man Prognosemodelle, die auf vorsichtigen

Annahmen basieren. Weil ein Modell nie

die ganze Komplexität der Realität erfassen

kann, bleibt aber eine gewisse Restunsicher-

heit. Anhand von Monitoringstudien mit

Vögeln können nach der Zulassung zusätz-

liche Informationen über die Unbedenklich-

keit oder Bedenklichkeit von PSM im Feld

gewonnen werden. Monitoringstudien

haben ihre Grenzen, sind aber dennoch ein

wichtiges komplementäres Instrument

neben der Risikoprognose vor der Zulassung.

Sie können helfen, Risiken von PSM für Vögel

besser zu verstehen, unerwartete Probleme

zu erkennen und Massnahmen zur Risiko-

minderung zu definieren.

Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring | Umwelt

Vorteile von PSM sondern auch deren Nachteile zu un-

tersuchen. Nur so können unangenehme Überraschun-

gen verhindert werden.

Moderne Zulassungsverfahren von PSM stützen sich

deshalb auf einen Abwägungsprozess von Nutzen und

Risiken. Die Basis ist eine objektive und wissenschaftlich

fundierte Risikoprognose.

M e t h o d e

Umweltverträglichkeitsprüfung

von Pflanzenschutzmitteln

Nach Gesetz dürfen nur PSM in Verkehr gebracht wer-

den, die keine negativen Nebenwirkungen auf Mensch

und Umwelt haben (Pflanzenschutzmittelverordnung,

SR 916.161, 18. Mai 2005). Die Umweltverträglichkeit

muss deshalb für alle PSM geprüft werden, bevor eine

Bewilligung erteilt wird.

Die Gruppe Ökotoxikologie der Forschungsanstalt

Agroscope Changins-Wädenswil ACW prüft, ob und wie

Pflanzen und Tiere mit einem PSM in Kontakt kommen

können, und ob sie dadurch gefährdet sind oder nicht.

Das Spektrum der beurteilten Organismen reicht von

den Wasserorganismen (Fische, Fischnährtiere und

-pflanzen), Bodenorganismen (Regenwürmer, Bodenar-

thropoden und -mikroorganismen), Insekten (Nützlinge

und andere Arthopoden) und Säugetieren bis hin zu

den Vögeln (Daniel et al. 2007).

Diese Publikation fokussiert auf Vögel, weil viele Vo-

gelarten besonders an landwirtschaftliche Gebiete ge-

bunden sind: In Europa brütet ein Viertel der Arten auf

landwirtschaftlichen Flächen, und noch viel mehr Arten

suchen dort ihre Nahrung (Schifferli 2000).

Risikoprognose vor der Zulassung

Um das Risiko eines PSM auf Vögel zu prognostizieren,

braucht man Informationen über die Toxizität und über

die Exposition der Vögel mit dem PSM im Feld. Nach Pa-

racelsus gilt «... allein die Dosis macht das Gift». Darum

gibt erst der Vergleich zwischen Toxizität und Expositi-

on ein Mass für das Risiko.

Die Toxizität von PSM für Vögel wird von spezialisier-

ten Firmen im Labor getestet. Die Ergebnisse werden

von den gesuchstellenden Firmen den Zulassungsbehör-

den eingereicht. Es werden akute Tests, kurzfristige Füt-

terungsstudien und Reproduktionsstudien mit empfind-

lichen Standard-Arten wie der Stockente (Anas plathy-

rhynchos) und der Wachtel (Colinus virginianus) durch-

geführt. In akuten und kurzfristigen Studien wird beob-

achtet, ab welcher Dosis die Vögel in ihrem Verhalten

(z. B. Nahrungsaufnahme) beeinträchtigt werden, im

Gewicht abnehmen oder sterben. Aus der Sterberate

129Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

wird die letale Dosis für 50% der untersuchten Tiere

(LD50) bestimmt. In Reproduktionsstudien wird beob-

achtet, ab welcher Dosis die Vögel Effekte zeigen in Be-

zug auf Anzahl gelegter Eier, Qualität der Eier, Anzahl

der daraus geschlüpfter gesunder Jungen, Verhalten

und Gewicht. Der ausschlaggebende Endpunkt ist hier

der Dosierungslevel, bei dem keine Effekte (No Obser-

ved Effect Level= NOEL) auf die Reproduktion beobach-

tet werden.

Die Exposition der Vögel gegenüber PSM erfolgt

hauptsächlich über die Nahrung. Man nimmt an, dass

Vögel mit einem PSM in Kontakt kommen, indem sie in

einem behandelten Feld «kontaminierte» Nahrung zu

sich nehmen. Samenfressende Vögel können nach der

Saat gebeizte Getreidekörner von der Bodenoberfläche

direkt aufnehmen. Insektenfressende Vögel können

sich von Insekten und herbivore Vögel von fressbaren

Pflanzen aus den gespritzten Feldern ernähren. Das

Mass für die Exposition ist der ETE-Wert («Expected The-

oretical Exposure»); dieser besteht aus zwei Teilen: den

zu erwartenden PSM-Rückständen in der Nahrung und

der Menge aufgenommener Nahrung durch den Vogel

Page 6: Heft 4 2010

130 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

Umwelt | Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring

(Abb. 1a). Für die Berechnung des ETE-Wertes sind Infor-

mationen über agronomische Praxis, Verhalten des PSM

in der Umwelt, Biologie und Ökologie der exponierten

Vögel nötig (Abb. 1b – 1e). Agronomische Parameter

sind die Applikationsrate (AR), der «Multiple Applica-

tion Factor» MAF (Mass für die Auswirkung mehrerer

Applikationen), und die «Crop Interception» CI (der von

der Pflanze zurückgehaltene Anteil des applizierten

PSM; Abb. 1b). Als weitere Kenngrösse kommt der Ftwa

dazu, der den Abbau des PSM auf der Nahrung berück-

sichtigt (Abb. 1c). Biologische Parameter sind der Vogel-

typ, der Nahrungstyp und die erwarteten Rückstände

(RUD), das Körpergewicht (KG) und die Fressrate (FIR)

des Vogels (Abb. 1d). Nach Bedarf werden zusätzlich

Feldbeobachtungen durchgeführt, um die Habitatnut-

zung der relevanten Vogelarten (PT), dessen Ernäh-

rungsverhalten (PD) und ein allfälliges PSM-Meidungs-

verhalten (AV) zu ermitteln (Abb. 1e).

Zur Abschätzung des Risikos wird der ETE-Wert mit

dem ermittelten Toxizitätsendpunkt verglichen. Daraus

resultiert der sogenannte TER-Wert («Toxicity-Exposu-

re-Ratio»). Der TER-Wert wird mit festgelegten Trigger-

werten verglichen: 10 für die Mortalität und 5 für die

Reproduktion. Wenn der TER-Wert tiefer als der Trig-

gerwert ist, kann ein akutes Risiko respektive ein Repro-

duktionsrisiko nicht ausgeschlossen werden.

Das detaillierte Vorgehen ist in der EU-Richtlinie zur

Risikobeurteilung für Vögel und Säuger SANCO (2002)

festgelegt. Diese Richtlinie wurde kürzlich umfassend

überarbeitet und im Dezember 2009 von der EFSA veröf-

fentlicht (EFSA 2009). Die Änderungen in der neuen

Richtlinie werden dieses Jahr von der Gruppe Ökotoxi-

kologie der ACW geprüft und gezielt implementiert.

Dadurch wird die Risikobewertung weiter optimiert und

mit der EU harmonisiert.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Grenzen der Risikoprognose

In der Risikoprognose möchte man nicht die Gefahr ein-

gehen, ein Risiko zu unterschätzen; darum sind in der

Bewertung gewisse Sicherheitsmargen eingebaut. In

der Realität bleibt aber trotzdem eine Restunsicherheit,

weil die Komplexität der Umwelt sich nicht restlos kont-

rollieren und erfassen lässt. Es gibt verschiedene Grün-

de, wieso im Feld Effekte auftreten können, mit denen

nicht gerechnet wurde:

• Besondere Konstellation von Faktoren und Umstän-

den im Feld: wenn Vögel von Krankheiten, ungüns-

tigen klimatischen Verhältnissen, Nahrungsmangel

oder anderen Stressfaktoren bereits geschwächt sind,

kann ihre Empfindlichkeit gegenüber PSM unerwar-

tet hoch sein (Buerger et al. 1994). Auch kann die

lokale landwirtschaftliche Struktur und das Vorhan-

densein von natürlichen Habitaten die Flucht und

Erholung der Tiere, und dadurch die Risiken auf

Populationsebene, beeinflussen (Hart 1990a).

• Besonders kritische Formulierungen: PSM, die als Gra-

nulat, Köder und Saatbeizmittel formuliert sind, ha-

ben eine hohe Wirkstoffkonzentration. Bei diesen

PSM-Typen bestehen die grössten Unsicherheiten

betreffend der Risiken, weil die Genauigkeit der An-

wendung und das Verhalten der Vögel die Exposition

entscheidend beeinflussen können (Hart 1990b).

ETE = (RUD * AR * CI * MAF * Ftwa) * (FIR/KG) * PT * PD * AV Rückstände in der Nahrung Nahrungsaufnahme

Abb. 1a | Berechnung des ETE (Expected Theoretical Exposure).

Abb. 1e | Ökologie der Vögel.

Abb. 1b | Agronomische Praxis.

– Kultur und Applikationszeitpunkt– Applikationsart (gespritzt, Saatbeiz, Granulat ...)– Applikationsrate: AR (kg Wirkstoff/ha)– Anzahl Applikationen: MAF

(Multiple Application Factor)– Wachstumsstadium: CI (Crop Interception)

– Relevante Vogelart in der Kultur und Jahreszeit?– Auch in unbehandelten Flächen?

PT (Part of Time in the treated area)– Auch andere Nahrungstypen? PD (Part of Diet

of different food types)– Meidungsverhalten? AV (Avoidance Factor) (für die ökologischen Faktoren sind meistens Feldbeobachtungen nötig)

Abb. 1c | Verhalten des PSM in der Umwelt.

– Physikalisch-chemische Eigenschaften– Abbau in Wasser, Boden,

Vegetation, Insekten, Würmern: Ftwa (time-weighted averaging factor)

Abb. 1d | Biologie der Vögel.

– Vogeltyp (z. B. kleiner Insektenfressender): KG (Körpergewicht), FIR (Fressrate)

– Nahrungstyp (z. B. kleine Insekten)– Rückstände: RUD-Werte = Residues per

Unit Dose, für 1 kg Wirkstoff/ha (Standard-Wert aus der Literatur oder gemessen)

Page 7: Heft 4 2010

Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring | Umwelt

131Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

ten Mäuse müssen immer entfernt werden (SPr 1, 2 und

3). Für gebeizte Samen, Schneckenkörner und Granulate

sind zwei Auflagen möglich: „«SPe 5: Zum Schutz von

Vögeln muss das Pflanzenschutzmittel vollständig in

den Boden eingearbeitet werden; es ist sicherzustellen,

dass das Pflanzenschutzmittel auch am Ende der Pflanz-

beziehungsweise Saatreihen vollständig in den Boden

eingearbeitet wird; Spe 6: Zum Schutz von Vögeln muss

das verschüttete Pflanzenschutzmittel beseitigt wer-

den». Wenn man diese Sicherheitshinweise nicht beach-

tet, können die Samen oder Granulate für Vögel zu-

gänglicher sein und in tödlichen Mengen aufgenommen

werden (Barnett et al. 2007).

Eine Verringerung von unsachgemässen Anwendun-

gen von PSM ist notwendig. Eine Verstärkung der Kont-

rollen wäre gegebenenfalls nützlich, aber sehr aufwen-

dig (Ellenberg 1992). Ein wichtigeres Instrument ist die

Information und die Sensibilisierung der Anwender.

Gezieltes Aktiv-Monitoring

Für bestimmte kritische PSM wäre es gut, nach der Zulas-

sung die im Feld tatsächlich vorkommenden Effekte ge-

zielt zu überprüfen und zu überwachen. Dass Dieldrin

als Saatbeizmittel für Vögel gefährdend ist, wurde bei-

spielsweise anhand von einem Monitoring bestätigt,

und ein weiteres Monitoring nach dem Zurückziehen

der Zulassung für dieses PSM zeigte, dass das Problem

gelöst wurde (Riley 1990). Solche «aktiven» Feldstudien

sind in den USA für gewisse PSM sogar eine Vorausset-

zung für eine Bewilligung (Turner 1990). Gezielte Moni-

toringstudien können auch verwendet werden, um An-

bausysteme zu Vergleichen. Fluetsch und Sparling (1994)

untersuchten beispielsweise die Vogelgemeinschaft in

konventionellen Obstanlagen (behandelt mit syntheti-

schen Insektiziden, Akariziden, Fungiziden und Herbizi-

den) oder in Bio-Obstanlagen (Pflanzenschutz mit na-

türlichen Pflanzenextrakten und Nützlingen, keine Ver-

wendung von Herbiziden). In konventionell bewirt-

schafteten Obstbauanlagen waren im Vergleich zu den

Bio-Betrieben höhere Vogelmortalitäten, reduzierte

Reproduktionserfolge und eine tiefere Artendiversität

zu finden.

Feldstudien können auch verwendet werden, um zu

überprüfen, ob die Risikoprognosemodelle für Vögel

genügend Schutz bieten. Im Rahmen der Revision der

EU-Richtlinie zu Vögel und Säuger (SANCO 2002) wurde

anhand von Literaturdaten ein Vergleich zwischen prog-

nostizierten und im Feld tatsächlich beobachteten Risi-

ken durchgeführt (EFSA 2008, Appendix 2). In einigen

Fällen wurden im Feld weniger tote Vögel gefunden als

mit den Modellen prognostiziert wurde (falsch Negati-

Kritische PSM

Es gibt bestimmte PSM-Klassen, bei denen grössere Un-

sicherheiten betreffend der Risiken für Vögel bestehen.

Es sind oft ältere Wirkstoffklassen wie beispielsweise

die Carbamate und die Organophosphate oder die Ro-

dentizide (Devine & Furlong 2007). Fälle von Vogelver-

giftungen sind für mehrere Wirkstoffe bekannt, u. a.

Chlorpyrifos und Diazinon (Cox 1991), Thiram (Riedel &

Grün 1986), Dimethoate, Methiocarb und Carbosulfan

(BVL 2004) sowie Carbofuran (Dietrich et al. 1995, Jenni-

Eiermann et al. 1996, Barnett et al. 2007, Kupper et al.

2007). Diese Wirkstoffe werden zur Zeit in der EU im

Rahmen eines Überprüfungsprogrammes für alle Wirk-

stoffe neu beurteilt (gemäss der Ratsrichtlinie 91/414/

EWG, Artikel 8). Wirkstoffe, die nach dieser Neubeurtei-

lung weiter zugelassen werden, sind mögliche Kandida-

ten für ein Monitoring nach der Zulassung.

«Passives» Monitoring nach der Zulassung

Durch das «passive» Monitoring von beobachteten Vo-

gelvergiftungen ist es möglich, zusätzliche Informatio-

nen über eine mögliche Bedenklichkeit von PSM zu be-

kommen. In vielen Ländern gibt es zuständige Stellen,

bei denen vergiftete Wildtiere gemeldet werden kön-

nen. Im Vereinigten Königreich ist es beispielsweise die

DEFRA (Department for Environment, Food and Rural

Affairs), und in Deutschland das BVL (Bundesamt für

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit). Diese

Organisationen erfassen systematisch alle Tiervergif-

tungsfälle und publizieren sie regelmässig (z. B. BVL

2004). In der Schweiz werden tote Vögel meistens der

Schweizerischen Vogelwarte in Sempach oder einer re-

gionalen Vogelpflegestation gemeldet und zugesandt.

Die Ursache der Todesfälle wird punktuell abgeklärt,

und es wird unter anderem geprüft, ob es einen Zusam-

menhang mit der Anwendung von PSM gibt. Dazu

braucht es gezielte morphologische und toxikologische

Analysen der verstorbenen Tiere und eventuell Untersu-

chungen an der Fundstelle.

Die meisten Wildtiervergiftungen sind unbeabsich-

tigt und werden beispielsweise durch Überdosierung

oder durch Nichtbeachtung von Sicherheitshinweisen

verursacht. Nur selten werden Vögel mit toxischen PSM

absichtlich vergiftet. Überdosierungen können bei

kleinflächigen Behandlungen und bei schwierig zu do-

sierenden PSM, z. B. bei der Handstreuung von Granula-

ten, relativ schnell vorkommen (Kupper et al. 2007). In

der Schweiz existiert eine Reihe von Sicherheitshinwei-

sen (Pflanzenschutzmittelverordnung, SR 916.161, 18.

Mai 2005, Anhang 5): Rodentizidköder müssten immer

kontrolliert aufgestellt werden und die dadurch getöte-

Page 8: Heft 4 2010

132

ve). Anderseits zeigten aber mehrere der als unproble-

matisch eingestuften Feldapplikationen unvorhergese-

hene Mortalitäten (falsch Positive). Dies bestätigt, dass

Prognosemodelle eine gewisse unvermeidbare Restun-

sicherheit mit sich bringen.

Grenzen und Möglichkeiten von Monitoring.

Passives Monitoring kann in gewissen Fällen unerwartete

Effekte von PSM im Feld erfolgreich aufzeigen (z. B. Stan-

ley und Bunyan 1979). Es gibt aber Hinweise, dass die do-

kumentierten Vergiftungsfälle nur ein Teil der realen

Auswirkungen von PSM darstellen (Balcomb 1986). Dafür

gibt es verschiedene Gründe: Tote Vögel bleiben oft un-

entdeckt, insbesondere kleine und unauffällige Vögel;

normalerweise werden Todesfälle nur bei grossen und

auffälligen Vögel wie Greifvögel, Gänse und Enten be-

merkt (Jenni-Eiermann et al. 1996). Erfahrungsgemäss

wird auch nur ein kleiner Teil davon gemeldet, meistens

nur dann, wenn es sich um schöne und seltenere Arten

handelt. Tote Tiere werden zudem meist sofort von Räu-

bern oder Aasfressern abgeräumt und gefressen. Bal-

comb (1986) zeigte in einer Studie, dass innerhalb von 24

Stunden 62 – 92 % der toten Vögel vom Feld verschwan-

den. Mineau und Collins (1988) fanden eine ähnlich hohe

Verschwinderate, vor allem bei kleinen Singvögeln. Vögel

sind zudem oft sehr mobil und können sich z. T. nach einer

Vergiftung an einem sicheren Ort verstecken, um dann

erst später, weit weg von der Vergiftungsstelle, zu ster-

ben (Vyas 1999). PSM können darüber hinaus auch ver-

spätet wirken, je nach Wirkmechanismus und Akkumula-

tion im Fettgewebe (Evans 1990). Falls der Fund zeitlich

verspätet und räumlich verschoben ist, ist es schwierig,

einen kausalen Zusammenhang zwischen PSM-Anwen-

dung und Vergiftung herzuleiten.

Die Eignung von «aktivem» Monitoring, um Effekte

von Pestiziden auf Vögel direkt zu erfassen, wird kontro-

vers diskutiert. Besonders die Repräsentativität und Rea-

litätsnähe dieser aufwendigen Studien wird in Frage ge-

stellt (Oelke 2002). Die Ergebnisse von Feldstudien hän-

gen sehr stark von den Bedingungen im Feld, sowie von

Erfassungsmethode und -genauigkeit ab. Falls Effekte

beobachtet werden, ist die Interpretation meist schwie-

rig, weil die reinen PSM-Effekte von den allgemeinen Fol-

gen der landwirtschaftlichen Intensivierung nicht trenn-

bar sind (Scharenberg 2008). Wenn keine tote Tiere beob-

achtet werden, bedeutet dies wiederum nicht, dass es

auch keine Todesfälle gegeben hat (Fischer 1990).

Die grösste Lücke von «aktivem» und «passivem»

Monitoring ist die Schwierigkeit, Effekte auf Verhalten

und Reproduktion direkt zu erfassen, zu messen und zu

dokumentieren. Solche Effekte beeinträchtigen mögli-

cherweise die Vogelpopulationen und Biodiversität am

stärksten.

Obwohl Monitoringstudien ihre Grenzen haben und

nur bedingt brauchbar sind, um PSM-Effekte im Feld di-

rekt zu erfassen, sind sie ein wichtiges komplementäres

Instrument neben der Risikoprognose vor der Zulassung.

Monitoring kann helfen, Risiken von PSM für Vögel bes-

ser zu verstehen, unerwartete Probleme zu erkennen

und Massnahmen zur Risikominderung zu definieren. n

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

Umwelt | Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring

Literaturb Balcomb R., 1986. Songbird carcasses disappear rapidly from agricultural

fields. Auk 103, 817 – 820.b Barnett E. A., Fletcher M. R., Hunter K., Taylor M. J. & Sharp E. A., 2007.

Pesticide poisoning of animals in 2006. Investigations of suspected incidents in the UK. A report of the Environmental Panel of the Advisory Committee on Pesticides 2007.

b Buerger T. T., Mortensen S.R., Kendall R. J. & Hooper M. J., 1994. Metabolism and acute toxicity of methyl parathion in pen-reared and wild northern bobwhites. Environmental Toxicology and Chemistry 13 (7), 1139 – 1143.

b BVL, 2004. Meldungen über Pflanzenschutzmittelvergiftungen von Wirbeltieren (1998 – 2003).

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Page 9: Heft 4 2010

133

Vogelgefährdung durch Pflanzenschutzmittel? Risikoprognosemodelle und Monitoring | Umwelt

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 128–133, 2010

Ria

ssu

nto

Sum

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Birds affected by pesticides?

Risk assessment and monitoring

Prior to authorization, the side-effects

of pesticides on the environment must

be evaluated. The Ecotoxicology group

at ACW assesses by means of models

the potential risks of pesticide uses to

plants and animals, including birds.

Since a model can never incorporate

the whole complexity of reality, uncer-

tainty remains. With the help of pas-

sive or active monitoring after authori-

zation, additional information can be

gathered about safety or danger of a

pesticide to birds. Even if monitoring

studies have their limits, they are an

important complement to the risk as-

sessment based on models. They help

to understand the risks of pesticides

for birds, to identify unexpected prob-

lems and to define measures for risk

mitigation.

Key words: birds, pesticides, risk,

monitoring.

Uccelli e prodotti fitosanitari:

valutazione dei rischi e monitoraggio

Gli effetti collaterali dei prodotti

fitosanitari (PFS) sull’ambiente devono

essere valutati prima di un’autorizza-

zione. Il gruppo di ecotossicologia

di ACW esamina con l’aiuto di modelli

i potenziali rischi dei PFS su piante e

animali, tra cui gli uccelli. Poiché un

modello non può mai cogliere integral-

mente la complessità della realtà, alcu-

ne incertezze rimangono. Grazie a studi

di monitoraggio è possibile ottenere

anche dopo un’autorizzazione ulteriori

informazioni sulla sicurezza o i rischi

dei PFS sugli uccelli. Il monitoraggio

ha i suoi limiti, tuttavia è un importante

complemento alla prognosi del rischio

con modelli. Infatti può contribuire a

capire meglio l’impatto dei PFS sugli

uccelli, ad individuare problemi

imprevisti e a definire misure per la

riduzione dei rischi.

Page 10: Heft 4 2010

134 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

E i n l e i t u n g

Immer häufiger treten weltweit nicht einheimische

Arten von Pflanzen und Tieren auf, die importiert oder

unabsichtlich eingeschleppt wurden. Die wichtigsten

Gründe dafür sind der zunehmende internationale Han-

del, vermehrte Reisetätigkeit und der Tourismus. Ein Teil

dieser Arten etablieren sich, breiten sich aus und kön-

nen sich zu schädlichen Organismen in der Land- und

Forstwirtschaft entwickeln oder einheimische Arten in

natürlichen Lebensräumen bedrohen. Die biologische

Schädlingsbekämpfung – Verwendung von Organismen

zur Begrenzung der Populationsdichte anderer Organis-

men – ist eine der ökologisch sichersten und wirtschaft-

lich interessantesten Methoden der Schädlingsbekämp-

fung. Sie erlaubt es, einheimische und nicht einhei-

mische Schadorganismen in natürlichen und von Men-

schen genutzten Ökosystemen zu kontrollieren und zu

bekämpfen. Die biologische Schädlingsbekämpfung

setzt Parasitoiden, Prädatoren, Pathogene und Pflan-

zenfresser ein, um die Population von Schädlingen so-

wie das Auftreten von Krankheiten und Unkräutern ein-

zudämmen. Mit der Umsetzung der Konvention über

die biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) in die

Praxis kann jedoch ein ernstzunehmendes Problem für

den Einsatz von Organismen im biologischen Pflanzen-

schutz (Nützlinge) entstehen.

Worum geht es bei der Biodiversitätskonvention?

Die Biodiversitätskonvention verfolgt drei Ziele:

• Erhaltung der biologischen Vielfalt;

• Nachhaltige Nutzung aller Komponenten

der Biodiversität (genetische Ressourcen,

Organismen und Ökosysteme)

• Ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich

aus der Nutzung der genetischen Ressourcen

ergebenden Vorteile und Gewinne (Access and

Benefit Sharing, ABS)

Die Biodiversitätkonvention ist eine internationale

Rahmenkonvention und ihre Bestimmungen sind für die

Vertragsstaaten verbindlich. Es ist mittlerweile interna-

tional anerkannt, dass Staaten ein souveränes Recht auf

die biologischen Ressourcen innerhalb ihrer Landes-

grenzen (allgemein als Eigentum betrachtet) haben und

dass daher Abkommen, die den Zugang zu diesen Res-

sourcen und die gemeinsame Nutzung regeln, von den

beteiligten Parteien verfasst und anerkannt werden

müssen. Diese Art von Vereinbarungen wird

zusammengefasst unter dem Begriff «Access and Bene-

fit Sharing, ABS» (Zugang zu genetischen Ressourcen

und faire Aufteilung des Nutzens). Das ABS gilt für alle

Nützlinge, welche zwischen Ländern ausgetauscht wer-

den, die die Biodiversitätskonvention unterzeichnet ha-

ben. Forschende und Fachleute im Bereich der biologi-

schen Schädlingsbekämpfung werden künftig die ABS-

Bestimmungen, die am zehnten Meeting der Konferenz

der Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention im

Jahr 2010 verabschiedet werden sollen, erfüllen müssen.

Die Umsetzung der Biodiversitätskonvention hat in letz-

ter Zeit bereits in verschiedenen Ländern die Arbeiten

(sammeln, identifizieren und studieren der Biologie)

und den Export von natürlichen Organismen für die For-

schung im Bereich der biologischen Schädlingsbekämp-

fung erschwert. Die breite und strikte Anwendung der

ABS-Regeln könnte die sehr erfolgreiche und ökologisch

Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz?Franz Bigler, Forschungsanstatl Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Franz Bigler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 72 35

U m w e l t

Die Raubmilbe Phytoseiulus persimilis stammt ursprünglich aus Südamerika. Sie wird seit über 40 Jahren weltweit erfolgreich in Gewächshauskulturen gegen die Gemeine Spinnmilbe eingesetzt. (Foto: Mario Waldburger, ART)

Page 11: Heft 4 2010

135Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Die Biodiversitätskonvention wurde im Jahr

1992 verabschiedet. Sie verfolgt drei Zielset-

zungen: 1) Erhaltung der biologischen

Vielfalt, 2) Nachhaltige Nutzung der biologi-

schen Vielfalt, 3) Sicherung des Zugangs zu

genetischen Ressourcen sowie ausgewogene

und gerechte Aufteilung der sich aus der

Nutzung der Biodiversität ergebenden Vor-

teile und Gewinne. Sie garantiert zudem,

dass Staaten ein souveränes Recht auf ihre

genetischen Ressourcen haben. Vereinbarun-

gen, die den Zugang zu diesen Ressourcen

und die gemeinsame Nutzung regeln, müs-

sen von den beteiligten Parteien abgespro-

chen und schriftlich verfasst werden (Access

and Benefit Sharing, ABS). Dies gilt auch für

Organismen, die für den potenziellen Einsatz

in der biologischen Schädlingsbekämpfung

gesammelt und untersucht werden. Die Um-

setzung der Biodiversitätskonvention hat in

letzter Zeit bereits vereinzelt das Sammeln

und den Export von Organismen für die For-

schung im Bereich der biologischen Schäd-

lingsbekämpfung erschwert oder verunmög-

licht. Die breite Anwendung dieser Praxis

könnte die biologische Schädlingsbekämp-

fung, die auf die biologische Vielfalt ange-

wiesen ist, in Frage stellen. Bis Ende 2010

müssen die Mitgliedstaaten der Biodiversi-

tätskonvention einen umfassenden Vor-

schlag zum ABS verabschieden. In Zusam-

menarbeit mit der Food and Agriculture

Organisation (FAO) und mit deren finanziel-

ler Unterstützung hat die International Orga-

nisation for Biological Control of Noxious

Animals and Plants (IOBC) ein Grundsatz-

papier verfasst, das kürzlich als FAO Bericht

publiziert wurde (ftp://ftp.fao.org/docrep/

fao/meeting/017/ak569e.pdf). Der Bericht

enthält Empfehlungen, welche das Sammeln

und den Austausch von Organismen für die

biologische Schädlingsbekämpfung verein-

fachen und Vorschläge für funktionstüchtige

Rahmenbedingungen vorschlägt, Der Bericht

soll die politischen Entscheidungsträger

und Praktiker der biologischen Schädlings-

bekämpfung informieren und unterstützen

und die Verantwortlichen des biologischen

Pflanzenschutzes dazu anhalten, in ihrem

Land die Diskussionen mit der nationalen

ABS Kontaktstelle zu führen, um die Bedürf-

nisse des biologischen Pflanzenschutzes zu

berücksichtigen.

Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz? | Umwelt

sichere biologische Schädlingsbekämpfung in Frage

stellen. Würden die betreffenden Massnahmen umge-

setzt, bräuchte es für jedes Forschungsvorhaben im Be-

reich der biologischen Schädlingsbekämpfung in jedem

potenziellen Ursprungsland eine vorgängige Einwilli-

gung und gegenseitig vereinbarte Bedingungen (mögli-

cherweise mit monetären Mechanismen) zur Aufteilung

des Nutzens. Fachleute der biologischen Schädlingsbe-

kämpfung sollten sich mit den möglichen Folgen der

ABS auseinandersetzen, denn diese können Einschrän-

kungen und Hürden hervorrufen, auch bei der akademi-

schen, nicht gewinnorientierten Forschungsgemein-

schaft, die frühzeitig erkannt werden müssen. Bis jetzt

sind sich die meisten Fachleute und Forschenden der

biologischen Schädlingsbekämpfung nicht bewusst,

welche Konsequenzen die Umsetzung des ABS im Rah-

men der Biodiversitätskonvention für die Anwendung

und Forschung haben könnten.

In den letzten zwei bis drei Jahren waren Wissen-

schaftler der biologischen Schädlingsbekämpfung mit

einigen wenigen Fällen der strengen Umsetzung des ABS

konfrontiert. Die betroffenen Forschungsinstitutionen

haben diese Fälle der «International Organization for

Biological Control of Noxious Animals and Plants (IOBC)»

berichtet (www.iobc-global.org). Nach Konsultation der

Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und

Landwirtschaft (FAO) (www.fao.org) haben die Autoren

(siehe Kasten 1) im Jahr 2009 im Auftrag und mit finanzi-

eller Unterstützung der FAO in ihrer Funktion als Mitglie-

der der IOBC Global Commission on «Biological Control

and Access and Benefit Sharing» einen Bericht zum The-

ma ABS und biologische Schädlingsbekämpfung verfasst.

Der Bericht betrifft insbesondere den Einsatz wirbelloser

Tiere in der biologischen Schädlingsbekämpfung. Die be-

schriebenen Grundsätze können jedoch direkt auf den

Einsatz von Pathogenen in der biologischen Schädlings-

bekämpfung übertragen werden. Der Bericht für die FAO

berücksichtigt die biologische Schädlingsbekämpfung

insbesondere im Zusammenhang mit der Land- und

Forstwirtschaft, obwohl sie zunehmend auch in natürli-

chen Ökosystemen eingesetzt wird.

Z u s a m m e n f a s s u n g d e s F A O B e r i c h t e s

Praxis der biologischen Schädlingsbekämpfung

Ziel des FAO Berichts ist es, die bisherige und aktuelle

Praxis in der biologischen Schädlingsbekämpfung in Be-

zug auf den Einsatz und den Austausch von genetischen

Ressourcen, die für Nützlinge relevant sind, zu beschrei-

ben. Es existieren zwei Hauptarten der biologischen

Schädlingsbekämpfung. In der klassischen biologischen

Zusa

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enfa

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Page 12: Heft 4 2010

136 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Umwelt | Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz?

Schädlingsbekämpfung wird ein Nützling importiert,

normalerweise aus dem Ursprungsland eines Schädlings,

um diesen in einem Land zu bekämpfen, wo er einge-

schleppt wurde. Nach der Einführung soll sich der Nütz-

ling etablieren, fortpflanzen und verbreiten, so dass er

eine nachhaltige und andauernde Wirkung auf den

Schädling hat. Die biologische Schädlingsbekämpfung

mit periodischer Freilassung von Nützlingen umfasst die

Produktion und Freilassung von einheimischen oder

exotischen Nützlingen. Die Nützlinge führen zur Regu-

lierung der Schädlinge und sterben dann aus, sobald

keine Schädlinge mehr vorhanden sind oder spätestens

wenn die Kultur geerntet wird. Sie müssen in kürzeren

oder längern zeitlichen Abständen periodisch freigelas-

sen werden.

Die Zulassung des Einsatzes von Nützlingen in einem

anderen Land beinhaltet für das Ursprungsland kein

Haftungsrisiko. Die biologische Schädlingsbekämpfung

ist eine forschungsorientierte Tätigkeit, die den Zugang

zu genetischen Ressourcen erfordert, wobei keine um-

fangreichen monetären Erträge erwartet werden kön-

nen. In der biologischen Schädlingsbekämpfung wur-

den Nützlinge bis jetzt nie patentiert und das dürfte

auch in absehbarer Zukunft so bleiben.

Forschungsprozess und Möglichkeiten

der gemeinsamen Nutzung von Wissen

Abklärungen zu Schädlingen und deren natürlicher

Feinde müssen oft in mehreren Ländern durchgeführt

werden. Solche Untersuchungen sind teuer und bieten

in der Regel keine Möglichkeit, Gewinne zu erzielen und

diese zwischen den Geberländern und den potenziellen

Nutzern der genetischen Ressourcen zu teilen. Die Ur-

sprungsländer können jedoch vom Wissenstransfer pro-

fitieren, z. B. im Bereich der Taxonomie, der molekula-

ren Methoden zur Bestimmung von Arten und Ökoty-

pen, an gemeinsamen Untersuchungen im Feld und im

Labor teilnehmen und neue Kenntnisse bei Arten erar-

beiten, die zuvor kaum oder nicht bekannt und unter-

sucht waren. Dadurch wird Wissen geschaffen, welches

es erlaubt, die Biodiversität besser zu kennen und zu

verstehen. Einzelne Exemplare von Schädlingen und na-

türlichen Feinden werden in der Regel für die Identifika-

tion durch Spezialisten und für taxonomische Studien in

andere Länder geschickt, wo die Belegsexemplare fach-

gerecht aufbewahrt werden.

Detaillierte Untersuchungen zur Beurteilung des Po-

tentials von natürlichen Feinden im Hinblick auf deren

Verwendung als Nützlinge müssen teilweise im Ur-

sprungsland durchgeführt werden. Andere Studien, wie

zum Beispiel die Wirtsspezifität von Nützlingen an

Pflanzen und Tieren, die im Ursprungsland natürlicher-

weise nicht vorkommen, sollten am besten unter Qua-

rantänebedingungen im Zielland oder in einem Dritt-

land erfolgen. In diesem Stadium der Projekte bestehen

umfangreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit, der

gemeinsamen Forschung und Bildung und des Wissen-

stransfers. In den späteren Phasen des Projekts, wie der

Laborzucht der Nützlinge, der Ermittlung der Umwelt-

wirkungen und der Freilassung und Prüfung der Wir-

kung der Nützlinge im Zielland gibt es dagegen relativ

wenige Möglichkeiten für gemeinsame Forschungsakti-

vitäten mit den Herkunftsländern des Nützlings.

Die lokalen Partner in den Ursprungsländern spielen

für die Durchführung von Untersuchungen und For-

schungsaktivitäten in der biologischen Schädlingsbe-

kämpfung immer eine wichtige Rolle. Berücksichtigt

man zudem die moralische Verpflichtung im Sinne des

ABS, so sind die Partnerschaften mit lokalen Forschungs-

institutionen zwingend erforderlich und lokale Partner

Matthew J. W. Cock, CABI Europe-

Switzerland, CH-2800 Delémont, Schweiz.

Joop C. van Lenteren, Wageningen University,

6700 EH Wageningen, Niederlande.

Jacques Brodeur, Université de Montréal,

4101 Montréal, Kanada.

Barbara Barratt, AgResearch Limited,

50034 Mosgiel, Neuseeland.

Franz Bigler, Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART, CH-8046 Zürich, Schweiz.

Karel Bolckmans, Koppert B.V.,

2650 AD Berkel en Rodenrijs, Niederlande.

Fernando L. Cônsoli, University of São Paulo,

13418-900 Piracicaba-SP, Brasilien.

Fabian Haas, icipe, 00100, Nairobi, Kenya.

Peter G. Mason, Agriculture and Agri-Food

Canada, Ottawa, Ontario, Kanada.

José Roberto P. Parra, University of São Paulo,

13418-900 Piracicaba-SP, Brasilien

Kasten 1 | Mitglieder der IOBC Global

Commission on Biological Control and

Access and Benefit Sharing und Autoren

des FAO Berichts sind:

Page 13: Heft 4 2010

137Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz? | Umwelt

lingsbekämpfung profitieren; die Schädlingsprobleme

werden gelöst, ohne dass sie aktiv Nützlinge einsetzen

müssen. Die Nützlinge tragen durch ihre Verbreitung

und Vermehrung zur allgemeinen Verminderung der

Schädlinge und dadurch der Ernteverluste bei und füh-

ren so zu einer höheren Lebensmittelsicherheit und zu

verbesserten Lebensgrundlagen. Klassische biologische

Schädlingsbekämpfung wird in allen Teilen der Erde er-

folgreich durchgeführt und es profitieren Lebensmittel-

produzenten aller Art, insbesondere auch Selbstversor-

ger. Letzteres ist gerade in Entwicklungs- und Schwel-

lenländern von besonderer Bedeutung, wo der Selbst-

versorgungsgrad der ländlichen Bevölkerung hoch ist.

Die klassische biologische Bekämpfung hat in den letz-

ten Jahren stark an Bedeutung gewonnen, wenn in na-

turnahen Lebensräumen und öffentlichen Parkanlagen

keine Pestizide eingesetzt werden können. Unter diesen

Bedingungen kann auch die periodische Freilassung von

Nützlingen zur umweltschonenden Bekämpfung von

Schadorganismen beitragen.

Biologische Bekämpfung führt zu vermindertem Ein-

satz von Pestiziden und geringeren Rückständen in Nah-

rungsmitteln und in der Umwelt, was den Konsumenten

und der Umwelt im weitesten Sinne zugute kommt. We-

gen der reduzierten Pestizideinsätze und den tieferen

Rückständen können Produzenten von Nahrungsmit-

teln und anderen landwirtschaftlichen Produkten in

Entwicklings- und Schwellenländern die hohen Quali-

tätsanforderungen der profitablen Exportmärkte auf

der nördlichen Halbkugel erfüllen und ihre Produkte

dort gewinnbringend verkaufen. Dies wiederum führt

zur Schaffung von Arbeitsplätzen und um Zufluss von

Devisen in die Entwicklungsländer.

übernehmen oft eine führende Rolle in der Entwicklung

der biologischen Schädlingsbekämpfung in ihrem Land.

Finanzierung der biologischen

Schädlingsbekämpfung

In der biologischen Schädlingsbekämpfung mit periodi-

scher Freilassung von Nützlingen gibt es zwei verschie-

dene Kategorien von Nützlingsproduzenten: die priva-

ten Unternehmen und diejenigen, welche Nützlinge mit

finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand pro-

duzieren (staatliche Produktion) und diese nicht Gewinn

orientiert den Landwirten abgeben. Die kommerziellen

Firmen sind unabhängig und produzieren Nützlinge,

um sie direkt an die Anwender zu verkaufen. Bisher sind

diese Firmen grösstenteils in entwickelten Ländern tätig.

Neuerdings sind private Produzenten auch global tätig

und operieren insbesondere auch in Schwellenländern,

wo sie die Nützlinge teilweise produzieren und ver-

markten. In einigen Entwicklungs- und Schwellenlän-

dern wird die staatlich unterstütze Produktion von

Nützlingen oft für Nischenbereiche in grossflächig an-

gebauten landwirtschaftlichen und forstwirtschaftli-

chen Kulturen angewendet, wo sie den Produzenten

gratis oder zu sehr tiefen Preisen abgegeben werden.

Im Falle der klassischen biologischen Schädlingsbekämp-

fung, bei der keine grossen Nützlingsproduktionen nö-

tig sind, werden die Projekte in der Regel durch öffent-

liche Gelder und internationale Organisationen finan-

ziert und es werden keine Nützlinge verkauft.

Nutzen für die Anwender und Konsumenten

In der Land- und Forstwirtschaft sind es die Landwirte,

die am meisten von der klassischen biologischen Schäd-

Abb. 1 | Der Eiparasitoid Trichogramma brassicae wurde 1973 aus dem heutigen Moldavien nach Frankreich eingeführt mit der Absicht, den Maiszünsler biologisch zu bekämpfen. Heute werden jährlich in Westeuropa rund 150 000 Hektaren mit der Schlupf-wespe gegen den Maiszünsler behandelt. (Foto: Mario Waldburger, ART)

Abb. 2 | Der Larvenparasitoid Heterospilus prosopidis stammt aus Nordamerika. In der Schweiz laufen Untersuchungen zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen mit diesem Nützling.(Foto: Gabriela Brändle, ART)

Page 14: Heft 4 2010

138 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Umwelt | Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz?

Umfang der biologischen Schädlingsbekämpfung

Mindestens 7000 Fälle sind bis heute dokumentiert, in

denen Nützlinge in Länder eingeführt wurden. Bei die-

sen Importen waren ungefähr 2700 verschiedene Arten

von Nützlingen beteiligt. Dabei stammten die Nützlinge

aus 119 Ursprungsländern, und sie wurden in 146 Ziel-

länder importiert. Am häufigsten kommt die klassische

biologische Schädlingsbekämpfung in entwickelten

Ländern zum Einsatz. Diese Länder sind gleichzeitig

auch die häufigsten Ursprungsländer von Nützlingen.

Entwicklungs- und Schwellenländer exportieren etwas

mehr Nützlinge als sie importieren.

Für die biologische Schädlingsbekämpfung mit peri-

odischer Freilassung werden mehr als 170 Nützlingsar-

ten produziert und verkauft oder gratis abgegeben, wo-

bei ungefähr 30 Arten mehr als 90 % des weltweiten

Marktes ausmachen. In den letzten Jahren beobachtet

man, dass beim Auftreten eines neuen, auch exotischen

Schädlings zuerst nach einem einheimischen natürli-

chen Feind gesucht wird und erst in zweiter Linie exoti-

sche Nützlinge importiert werden. Dies ist erfreulich, da

dadurch die Risiken, durch die Freilassung exotischer

Nützlinge die Biodiversität zu beeinträchtigen, stark

vermindert werden und die biologische Bekämpfung

noch sicherer macht. Entwicklungsländer können solche

Nützlinge oft auch einsetzen und so von der Forschung

und Entwicklung in den entwickelten Ländern profitie-

ren. Die in entwickelten Ländern mit subtropischen und

tropischen Klimaten (z. B. Australien, USA) geleistete

Forschungs- und Entwicklungsarbeit kommt oft direkt

den Entwicklungsländern in den tropischen und subtro-

pischen Regionen zugute.

Kontrolle der genetischen Ressourcen

und Gewinnmöglichkeiten

In der klassischen biologischen Schädlingsbekämpfung

führen normalerweise nationale oder internationale

Forschungsinstitute die notwendigen Forschungsarbei-

ten durch. Hat sich ein Nützling etabliert und die Resul-

tate zeigen eine befriedigende Bekämpfung, über-

nimmt das Forschungsinstitut in der Regel keine weite-

ren Kontrollaufgaben mehr. Der Nützling pflanzt sich

fort und trägt im Idealfall zur effizienten Bekämpfung

des Schädlings bei. Er verbreitet sich innerhalb der für

ihn geeigneten geografischen Grenzen, oft auch in an-

deren Ländern. Es ist das Wesen der klassischen Schäd-

lingsbekämpfung, ein kostenloses Allgemeingut zur

Verfügung zu stellen und es wird auf das Recht verzich-

tet, geistiges Eigentum zu schützen und den Zugang zu

Nützlingen zu monopolisieren. Das gesamte Wissen

wird der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt und an-

dere Länder werden ermuntert, von Erfolgen der klassi-

schen biologischen Bekämpfung zu profitieren. Der

Nutzen für Bauern, Konsumenten und der lokalen Wirt-

schaft fliesst nicht in monetärer Form zum Forschungs-

institut oder zu den Geldgebern zurück.

In der biologischen Schädlingsbekämpfung mit peri-

odischer Freilassung von Nützlingen tragen in den in-

dustrialisierten Ländern die Firmen die Kosten für die

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Einmal als Pro-

dukt entwickelt, erschliessen die Firmen die Märkte

weltweit und verkaufen den Nützling gewinnbringend.

Anwender der Nützlinge profitieren von einer wirksa-

men Schädlingsbekämpfung und höheren Erträgen mit

allenfalls besserer Qualität. Sie können Nahrungsmittel

ohne Pestizide anbauen und erhalten oft einen höheren

Preis für ihre Produkte. Die Konsumenten erhalten ge-

sunde Lebensmittel zu einem akzeptablen Preis. In der

biologischen Schädlingsbekämpfung mit periodischer

Freilassung ist es nicht möglich, Nützlinge zu patentie-

ren. Dies bedeutet, dass jedermann Nützlinge aus der

Natur sammeln und verwenden kann, sofern der Ver-

kauf nicht durch die behördliche Regulierung geregelt

ist. Firmen können Produktionsprozesse patentieren las-

sen, in der Regel wird jedoch das relevante Know-how

unter Verschluss gehalten und nicht patentiert.

Weltweit gibt es ungefähr 30 grössere Privatfirmen,

die Nützlinge für die periodische Freilassung produzie-

ren, wovon 20 Firmen ihren Sitz in Europa haben. Dane-

ben gibt es ungefähr 100 kleine kommerzielle Produ-

zenten, welche weniger als fünf Personen beschäftigen.

Der Markt für den Verkauf dieser Nützlinge an Endver-

braucher wurde im Jahr 2008 auf ungefähr 100 – 135 Mil-

lionen US$ geschätzt. Mit einer Nettoumsatzrendite

von ungefähr 3 – 5 % liegt der gesamte Ertrag der Indus-

trie der biologischen Schädlingsbekämpfung mit perio-

discher Freilassung unter 15 Millionen US$ pro Jahr. Die-

se Zahlen zeigen, dass es sich um eine Aktivität mit ge-

ringem Gewinn handelt, die von kleinen und mittleren

Unternehmen wahrgenommen wird.

Regulierung der Einfuhr von Nützlingen

In den letzten 20 Jahren erfolgte die Einfuhr von Nütz-

lingen zunehmend gemäss internationalen oder natio-

nalen Gesetzgebungen. Die Internationalen Standards

für phytosanitäre Massnahmen No. 3 (ISPM3) der inter-

nationalen Pflanzenschutzkonvention (IPPC) legen die

Pflichten der verschiedenen Beteiligten fest, beinhalten

jedoch keine Bestimmungen bezüglich ABS.

Seit den Anfängen der biologischen Schädlingsbe-

kämpfung wurden die Nützlinge eher kostenlos und frei

auf multilateraler Basis ausgetauscht und in der Regel

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139Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz? | Umwelt

Forschung und Anwendung weitere Hindernisse dar-

stellen und den Prozess zusätzlich verlangsamen.

Perspektiven aus Sicht der Anwender

Im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung

sind die Ansichten und Haltungen der Akteure bezüg-

lich ABS sehr unterschiedlich. In der klassischen biologi-

schen Schädlingsbekämpfung war man sich lange nicht

bewusst, welche Konsequenzen das ABS haben könnte.

Heute herrscht jedoch ein zunehmendes Bewusstsein

bezüglich Politik im Bereich ABS und der Notwendigkeit,

den Austausch von Nützlingen zu ermöglichen, damit

die biologische Schädlingsbekämpfung und der daraus

resultierende öffentliche Nutzen garantiert sind.

Die Anwender wissen schon seit langem, dass ihnen

die klassische biologische Schädlingsbekämpfung kei-

nen finanziellen Nutzen bringt. Dies würde auch dem

Ethos widersprechen. Zudem existieren keine Wege

oder Mechanismen, um monetäre Erträge von den

Nutzniessern wie zum Beispiel von bäuerlichen Betrie-

ben und Selbstversorgern einzufordern. Daher bieten

sich verschiedene Formen der nichtmonetären Auftei-

lung des Nutzens an, wie beispielsweise gemeinsame

Forschungsaktivitäten – finanziert hauptsächlich durch

die Empfängerländer – oder die Ausbildung von Wissen-

schaftlern aus Geberländern durch solche aus Empfän-

gerländern. Durch diesen Austausch könnte ein wesent-

licher Teil der gemeinsamen Errungenschaften solcher

Projekte in die Entwicklungs- und Schwellenländer zu-

rückfliessen und so zur Verbesserung der Forschungska-

pazitäten und des Wissens beitragen.

In der biologischen Schädlingsbekämpfung mit peri-

odischer Freilassung von Nützlingen hingegen ist man

sich der Probleme der ABS eher bewusst, vielleicht weil

hier bescheidene Erträge generiert werden. Die grösse-

ren Produzenten von Nützlingen, wie etwa die Mitglie-

der der International Biocontrol Manufacturers Associa-

tion (IBMA) und der Association of Natural Biocontrol

Producers (ANBP) sind bereit, die Grundsätze und For-

derungen der ABS zu prüfen und mögliche Formen der

gerechten Nutzung der genetischen Ressourcen vorzu-

schlagen. Sollte die Industrie für jeden Nützling bezah-

len, der erforscht und möglicherweise zu einem Produkt

entwickelt wird, könnten die meisten Privatfirmen als

Produzenten von Nützlingen ihre Tätigkeiten nicht mehr

fortführen. Insgesamt gehen die Produzenten davon

aus, dass gemeinsame Aktivitäten und der Wissensaus-

tausch zwischen Geber- und Empfängerländern ein rea-

listischerer Ansatz ist, da die Erträge und Gewinnmar-

gen in der biologischen Schädlingsbekämpfung mit pe-

riodischer Freilassung relativ klein sind.

nicht unter Anwendung gegenseitiger Vereinbarungen

zur gemeinsamen Nutzung. Die Länder sind gleichzeitig

Geber und Anwender der Nützlinge. In der Praxis mach-

te es bisher Sinn, mit einer Forschungsorganisation im

Ursprungsland von Nützlingen zusammenzuarbeiten.

Da der Bedarf nach detaillierten Studien zur Beurtei-

lung der Risiken und der Umweltwirkungen gestiegen

ist, wird vermehrt gemeinsame Forschung in den Ur-

sprungsländern notwendig.

Andererseits erkennt man allgemein die Tendenz

des zunehmend restriktiven Zugangs zu genetischen

Ressourcen, unter anderem auch zu Nützlingen für die

biologische Schädlingsbekämpfung. Dies hat verschie-

dene Gründe, wie z. B. die ABS Vorschriften und im Falle

der biologischen Schädlingsbekämpfung die Pflanzen-

schutzgesetzgebung. Der bisher praktizierte, kostenlo-

se multilaterale Austausch von Nützlingen und das sehr

effiziente globale Netzwerk unter den Forschern und

Anwendern der biologischen Schädlingsbekämpfung

bilden eine wichtige Grundlage und sollten im Rahmen

der ABS berücksichtigt werden.

Einige Länder haben neue Gesetzgebungen zur Re-

gelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen einge-

führt oder sind dabei, solche einzuführen. Wenn diese

Gesetzgebungen die speziellen Bedürfnisse der biologi-

schen Schädlingsbekämpfung nicht berücksichtigen,

wird die Situation sehr schwierig sowohl für die interna-

tionalen Forschenden wie auch für deren nationale Part-

ner und die Anwender. Es ist zu erwarten, dass diese

Gesetzgebungen demnächst Geltung haben und umge-

setzt werden. Es besteht zudem die Gefahr, dass neue

internationale ABS Bestimmungen hinzukommen könn-

ten, welche die Bedürfnisse der biologischen Schäd-

lingsbekämpfung nicht berücksichtigen und so für die

Abb. 3 | Der Larvenparasitoid Eupelmus vuilleti stammt aus Afrika. Auch mit ihm versucht man, Vorratschädlinge zu bekämpfen. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

Page 16: Heft 4 2010

140 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Umwelt | Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz?

Der vollständige FAO Bericht ist verfügbar unter (ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/meeting/017/ak569e.pdf)

S c h l u s s f o l g e r u n g e n u n d E m p f e h l u n g e n

Die Bestimmungen betreffend Zugang und gemein-

samer Nutzung genetischer Ressourcen (ABS) sollten die

spezifischen Eigenschaften der biologischen Schädlings-

bekämpfung berücksichtigen:

• Länder, in denen Nützlinge für die biologische

Schädlingsbekämpfung als Ressource vorhanden

sind, können gleichzeitig auch Anwender dieser

Technologie sein;

• Es werden zwar zahlreiche Nützlinge ausgetauscht

und angewendet, der realisierbare monetäre Wert

ist gesamthaft jedoch gering;

• Organismen werden nicht patentiert, d. h. sie können

jederzeit von jedermann genutzt werden;

• Informationen bezüglich klassischer biologischer

Schädlingsbekämpfung und teilweise auch bezüglich

biologischer Schädlingsbekämpfung mit periodischer

Freilassung sind öffentlich zugänglich und nutzbar;

• Es besteht ein grosser Nutzen für die Gesellschaft,

wie z. B. Vorteile für die Umwelt und die Gesundheit

von Mensch und Tier und die Möglichkeit, den

Pestizid einsatzes zu reduzieren;

• Die biologische Schädlingsbekämpfung ist

weit verbreitet sowohl in Industrie- wie auch

in Entwicklungsländern.

• Die biologische Schädlingsbekämpfung wird zum

grössten Teil in Land- und Forstwirtschaft eingesetzt,

zunehmend aber auch zum Schutz natürlicher Le-

bensräume vor invasiven Pflanzen und Tieren.

Vor dem Hintergrund dieser Fakten und den positiven

Aspekten der biologischen Schädlingsbekämpfung wer-

den im FAO Bericht folgende Empfehlungen gemacht:

1. Die Regierungen sollten auf dem bisher praktizierten

multilateralen Austausch von Nützlingen für die

biologische Schädlingsbekämpfung aufbauen. Dieser

schafft eine sich ergänzende und gegenseitig stär-

kende Basis der Zusammenarbeit, die eine faire und

gerechte weltweite Aufteilung des Nutzens der bio-

logischen Schädlingsbekämpfung garantiert.

2. Die Bestimmungen betreffend Zugang und gemein-

samer Nutzung genetischer Ressourcen (ABS) sollten

die Weiterentwicklung der biologischen Schädlings-

bekämpfung fördern, indem der multilaterale

Austausch von Nützlingen erleichtert wird.

3. Die einzelnen Länder sollten ermutigt werden, eine

zentrale Kontaktstelle zu schaffen, um Forschungs-

vorhaben, den Zugang zu Informationen, die institu-

tionelle Vernetzung sowie die taxonomische Unter-

stützung zu erleichtern und Beratung betreffend

der geltenden Bestimmungen der biologischen

Schädlingsbekämpfung inklusive ABS anzubieten.

4. ABS Bestimmungen im Zusammenhang mit der biolo-

gischen Schädlingsbekämpfung werden den nicht-

monetären Nutzen berücksichtigen müssen, wie z. B.

gemeinsame Forschungsprogramme, Ausbildung

und / oder Wissens- und Technologietransfer, wie

dies bereits von vielen Institutionen, die in der

biologischen Schädlingsbekämpfung tätig sind,

praktiziert wird.

5. Es sollte ein Dokument verfasst und verteilt werden,

das die «best practice» für das ABS im Zusammen-

hang mit der biologischen Schädlingsbekämpfung

beschreibt und zudem Richtlinien enthält für gemein-

same Forschungsaktivitäten, die gerecht aber nicht

einschränkend sind. Die Organisationen und Instituti-

onen der biologischen Schädlingsbekämpfung soll-

ten sich an diese Richtlinien halten.

6. Um die Transparenz beim Austausch von Nützlingen

zu verbessern, sollten Mechanismen geschaffen

werden, die Ursprungs- und Zielländern den kosten-

losen Zugang zu Datenbanken mit Informationen zu

Nützlingen ermöglichen.

7. Im Falle einer Notfallsituation bezüglich Nahrungs-

mittelsicherheit mit entsprechenden humanitären

Folgen sollten die Regierungen mit der FAO zusam-

menarbeiten, um den Austausch von Nützlingen

beschleunigen zu können. n

Page 17: Heft 4 2010

141Agrarforschung Schweiz 1 (4): 134–141, 2010

Bedroht die Biodiversitätskonvention den biologischen Pflanzenschutz? | Umwelt

Ria

ssu

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Sum

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y

Does the convention on biological

diversity impede biological control?

The Convention on Biological Diversity

(CBD) was established in 1992 with

three objectives: 1) conserve nature,

2) sustainably use biodiversity and

3) ensure access and fair and equitable

sharing of the benefits arising form

the use of biodiversity. It also ascer-

tains that countries have sovereign

rights over their genetic resources.

Agreements governing the access to

these resources and the sharing of the

benefits arising from their use need to

be established between involved par-

ties (Access and Benefit Sharing ABS).

This also applies to species collected

for potential use in biological control.

Recent applications of CBD principles

have already made it difficult or im-

possible to collect and export natural

enemies for biological control research

in several countries. If such an ap-

proach is widely applied it would im-

pede this very successful and environ-

mentally safe pest management meth-

od based on the use of biological

diversity. The CBD is required to agree

a comprehensive Access and Benefit

Sharing process in 2010. In collabora-

tion and with financial support of the

Food and Agriculture Organisation

(FAO), the International Organisation

for Biological Control of Noxious Ani-

mals and Plants (IOBC) has prepared

a position paper on Access and Benefit

Sharing for Biological Control that has

been published recently as an FAO

report (ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/

meeting/017/ak569e.pdf). The report

makes recommendations which would

facilitate the practice of collection and

exchange of biological control agents,

propose a workable framework to

assist policy makers and biological

control practitioners, and urge biologi-

cal control leaders in each country to

get involved in the discussions with

their national ABS contact point to

take their needs into consideration.

Key words: genetic resources, biologi-

cal control, natural enemies, IOBC.

La convenzione sulla biodiversità è una

minaccia per la lotta biologica?

La Convenzione sulla diversità biologi-

ca (CBD) è stata adottata nel 1992. Gli

obiettivi che si prefigge sono tre: 1) la

conservazione della diversità biologica,

2) l’impiego sostenibile dei suoi ele-

menti, 3) la garanzia dell’accesso alle

risorse genetiche e la ripartizione

giusta dei vantaggi dallo sfruttamento

della biodiversità. Essa, inoltre, garanti-

sce agli Stati il diritto sovrano di sfrut-

tare le loro proprie risorse genetiche.

Gli accordi che disciplinano l’accesso e

l’utilizzo in comune di queste risorse

devono essere convenuti dalle parti per

iscritto (Access and Benefit Sharing,

ABS). Ciò si applica anche per gli orga-

nismi analizzati per un potenziale

impiego nella lotta biologica. Le recenti

applicazioni dei principi della CBD han-

no già reso difficoltoso raccogliere ed

esportare organismi ai fini della ricerca

sulla lotta biologica in diversi Paesi.

L’ampia applicazione di questa prassi

potrebbe compromettere la lotta biolo-

gica basata sull’uso della diversità bio-

logica. Entro la fine del 2010 gli Stati

firmatari della CBD dovranno varare

una proposta completa di ABS. In colla-

borazione con l’Organizzazione delle

Nazioni Unite per l’Alimentazione e l’A-

gricoltura (FAO) e con il suo sostegno fi-

nanziario, l’International Organisation

for Biological Control of Noxious Ani-

mals and Plants (IOBC) ha redatto un

documento di posizione pubblicato

recentemente come rapporto FAO

(ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/

meeting/017/ak569e.pdf). Il rapporto

contiene raccomandazioni che agevola-

no la raccolta e lo scambio di organismi

per la lotta biologica, nonché proposte

per condizioni quadro funzionali, con

l’obiettivo di sostenere tutti coloro che

sono chiamati a prendere decisioni in

ambito politico e della lotta biologica.

Inoltre, esorta i responsabili della lotta

biologica dei singoli Paesi a cercare il

dialogo con il servizio nazionale di con-

tatto ABS affinché vengano prese in

considerazione le loro esigenze.

Page 18: Heft 4 2010

E i n l e i t u n g

Zwischen 2005 und 2007 sank die Zahl der Biobetriebe

um 4,2 Prozent (Reissig und Ferjani 2009). Es stellt sich

daher die Frage, welches die Gründe für diese Entwick-

lung sind und welche Betriebstypen dem Biolandbau am

häufigsten verloren gehen.

Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Täni-

kon ART führte zusammen mit BioSuisse ein Projekt

durch, um Ausstiegsgründe, Einstiegshemmnisse und

mögliche Gegenmassnahmen zu eruieren. Dabei sollten

zunächst die Ausstiegsgründe der ehemaligen Biobe-

triebsleiterinnen und -leiter untersucht werden. Die Fra-

ge, mit welchen Massnahmen eine tragfähige Ausdeh-

Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein?Ali Ferjani, Linda Reissig und Stefan Mann, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART,

Tänikon, 8356 Ettenhausen

Auskünfte: Ali Ferjani, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31

A g r a r w i r t s c h a f t

Vor allem Bergbauern kehren dem Biolandbau den Rücken zu. Zwischen 2005 und 2007 gab es weit mehr Aus- als Neueinsteiger.

142 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Page 19: Heft 4 2010

Die Forschungsanstalt Agroscope Recken-

holz-Tänikon ART führte im Januar 2009

eine Umfrage unter 3425 Landwirtschafts-

betrieben der Schweiz durch. Das Ziel war,

den in den Jahren 2005 bis 2007 zu beo-

bachtenden Ausstieg aus der biologischen

Wirtschaftsweise sowie die Hemmnisse für

einen Einstieg in den Biolandbau zu unter-

suchen. Im vorliegenden Beitrag werden die

ausschlaggebenden Einflussfaktoren und

Gründe, die zum Ausstieg führen, mittels

Faktoranalyse und logistischer Regression

ermittelt. Milchbetriebe in der Bergregion

sind in der Gruppe der Aussteigenden

besonders zahlreich. Wirtschaftliche Gründe

(Preis für Bioprodukte, geringe Direktzahlun-

gen), der Aufwand für Aufzeichnungen und

Kontrollen («Richtlinien ändern sich zu oft»)

und Probleme bei der Beschaffung geeigne-

ten Kraftfutters oder Stroh waren die meist

genannten Ausstiegsgründe. Die Bereit-

schaft zum Ausstieg aus dem Biolandbau

ist hoch (14 %), besonders bei Milchvieh-

betrieben. Die Regressionsanalyse bestätigt

die Befragungsergebnisse.

Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein? | Agrarwirtschaft

nung des biologischen Landbaus in effizienter Weise

stimuliert werden kann, lag ebenfalls im Fokus der Un-

tersuchungen.

M e t h o d e

Als Untersuchungsmethode wurde die schriftliche Befra-

gung gewählt. Es wurden 3425 Betriebe angeschrieben,

davon 1145 Biobetriebe und 281 zwischen 2005 und 2007

aus dem Biolandbau ausgestiegene Betriebe. Die Rück-

laufquote betrug 45,6 Prozent bei den Biobetrieben und

31 Prozent bei den ausgestiegenen Betrieben.

Die im Fragebogen vorgegebenen potenziellen Aus-

stiegs- und Wiedereinstiegsgründe wurden mittels Fak-

torenanalyse und logistischer Regression zu Faktoren

zusammengefasst (Backhaus 2003). Im vorliegenden

Beitrag werden die Ergebnisse für die Gruppen der Bio-

und der Ausstiegsbetriebe vorgestellt.

R e s u l t a t e

Einstellung gegenüber dem Biologischen Landbau

Die Einschätzung des biologischen Landbaus durch die

Befragten sollte über die Frage «Warum haben Sie ent-

schieden, auf biologische Landwirtschaft umzustellen?»

anhand einer vierstufigen Antwortskala (von «sehr

wichtig» bis «nicht wichtig») erkundet werden.

Für die Gruppe der Betriebe, die dem Biolandbau

treu geblieben sind, war ihre grundsätzliche ökologi-

sche Überzeugung ein wichtiger oder sehr wichtiger

Umstellungsgrund (57 %), gefolgt von «Wohl der Tiere»

und «Passt in das eigene Betriebskonzept». Finanzielle

Erwägungen (z. B. «Höhere Preise für Produkte» mit

38 %) schliessen sich an. Demgegenüber standen bei

den Ausstiegsbetrieben diese finanziellen Aspekte an

erster Stelle «Landwirtschaftliches Einkommen verbes-

serbar» (70 %), «Mehr Direktzahlungen» (69 %) und

«Höhere Preise für Produkte» (63 %).

Erschwernisfaktoren im Biolandbau

Im Fragebogen wurden 26 potenzielle Ausstiegsgründe

angeführt. Die Befragten sollten auch hier die Bedeu-

tung der Gründe für ihre Entscheidung auf einer vierstu-

figen Skala bewerten (von «sehr wichtig» bis «nicht wich-

tig»). Die Ausstiegsgründe wurden sowohl für die Biobe-

triebe als auch für die Aussteigergruppe ermittelt. Bei

den tatsächlich ausgestiegenen Betrieben scheinen sich

die Erwartungshaltungen häufig nicht erfüllt zu haben,

denn als wichtig oder sehr wichtig wurden Gründe wie

«Einkommen auch mit Bio kaum verbesserbar» (72 %)

oder «Produktpreise decken die Mehrkosten nicht»

(71 %) genannt (Abb. 1). Zudem empfanden diese Betrie-

143

Zusa

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enfa

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Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Page 20: Heft 4 2010

144

be die Biorichtlinien als zu wechselhaft (76 %) und zu

streng (72 %). Eine wichtige Rolle spielten dabei Proble-

me bei der Beschaffung von geeigneten Kraftfutter

(70 %); dies dürfte mit der Anpassung der Schweizer Bio-

richtlinien an die EU-Verordnung zusammenhängen,

welche insbesondere die Anforderung nach einer biolo-

gischen Herkunft sämtlicher Futtermittel mit sich brachte.

Die bisher am Biolandbau festhaltenden Betriebe

kommen mit den Richtlinien etwas besser zurecht, je 63

Prozent würden in zu oft ändernden oder zu strengen

Richtlinien einen wichtigen Ausstiegsgrund sehen. Eher

mehr Probleme bereitet der allgemein höhere Aufwand

im Biolandbau, besonders durch den Unkrautdruck

(72 %). Die finanzielle Situation empfinden auch die Bio-

betriebe als belastend, hervorgehoben werden der zu

niedrige Umfang (73 %) und die unsichere Entwicklung

(72 %) der Direktzahlungen. Viele Betriebe stören sich

auch an den Kosten der Bio-Kontrollen (72 %) und am

administrativen Aufwand (60 %).

Wechselbeziehungen zwischen den Ausstiegsgründen

Die Ausstiegsgründe beziehungsweise Einstiegshemm-

nisse sind nicht alle unabhängig voneinander. Die Fakto-

renanalyse ermöglicht es, aus der Gesamtheit der Ein-

flussgrössen voneinander unabhängige Faktoren abzu-

leiten. Für die Studie konnten insgesamt sechs solcher

Einflussfaktoren, die je eine Gruppe von Ausstiegsgrün-

den repräsentieren, extrahiert werden (siehe Tabelle 1).

Mit Hilfe logistischer Regressionsmodelle wurde unter-

sucht, wie stark diese, sowie weitere durch die Befra-

gung erhobene Einflussfaktoren, das Risiko eines Aus-

stiegs aus dem Biolandbau beeinflussen. Vor allem die

Faktoren «Wertschöpfung und Richtlinien» und «Image»

spielten bei der Entscheidung zum Ausstieg eine grosse

Rolle (Tab. 1). Die Bäuerinnen und Bauern, die diese Ar-

gumente angaben, stiegen mit einer 2,4-mal höheren

Wahrscheinlichkeit aus dem Biolandbau aus als Ihre Kol-

leginnen und Kollegen, die damit kein Problem hatten.

Auch die Entwicklung des Einkommens innerhalb der

Agrarwirtschaft | Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein?

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Richtlinien ändern sich oftEinkommen auch mit Bio kaum verbesserbar

Richtlinien zu strengProduktionspreise decken die Mehrkosten nicht

Probleme bei der Beschaffung geeigneten Kraftfutters /StrohBio-Kontrollen zu teuer

UnkrautdruckDirektzahlungen zu niedrig

Arbeitsaufwand zu hochAbsatz und Vermarktung sind ungenügend organisiert

Zukünftige Nachfrage nach Bio-Produkten unsicherErtragseinbussen zu hoch

Verunsicherung über die Entwicklung der DirektzahlungenZuviel Administration/Aufzeichnungen notwendig

Probleme bei der NährstoffversorgungTeure Investitionen wären erforderlich

Lieferrecht beunruhigendNegatives Image des biologischen Landbaus

Gestiegene Umweltqualität auch anderer LandbauformenÜberwachung stört mich

Probleme bei der Beschaffung geeigneten SaatgutsPersönlicher Wissensstand über den Biolandbau ungenügend

Krankheits- /SchädlingsdruckZu geringes Beratungsangebot für Biobetriebe

636063706272727363453543726040423522252527254523

Sehr und teilweise wichtig Nicht und eher unwichtig

Biobetriebe%

0% 20% 40% 60% 80% 100% 120% 140% 160% 180% 200%

767272717062605954514949484638363331313030242012

%

303030183020181730425245173048474763576757584363

%

101417161426322531303236363946444754535843616269

%Ausgestiegene Betriebe

Abb. 1 | Einstufung verschiedener Ausstiegsgründe durch die befragten Betriebe.

Page 21: Heft 4 2010

145

letzten fünf Jahre hat einen grossen Einfluss auf die Ent-

scheidung. Wenn die Betriebsleitenden angaben, dass

sich ihr Einkommen verringert hat, steigt die Wahr-

scheinlichkeit für einen Ausstieg aus dem Biolandbau

um ein 3,6-Faches. Im Weiteren spielt die Arbeitsbelas-

tung eine wichtige Rolle. Wenn die Arbeitsbelastung für

die Bauern zu hoch oder viel zu hoch war, ist die Wahr-

scheinlichkeit eines Ausstiegs dreimal so hoch wie jene

ihrer Kollegen mit zu geringer oder ausgeglichener

Arbeitsbelastung. Bezüglich des Betriebstyps ist die

4,1-mal grössere Ausstiegswahrscheinlichkeit der Milch-

viehbetriebe im Vergleich zu anderen Betriebstypen

hervorzuheben.

Zukünftige Beteiligung am Biolandbau

Die Bereitschaft zur Weiterführung der biologischen

Wirtschaftsweise war ebenfalls Befragungsgegenstand.

14,1 Prozent der befragten Biobäuerinnen und -bauern

denken über einen Ausstieg aus dem Biolandbau nach.

Davon bewirtschaften 58,3 Prozent einen Betrieb im

Berggebiet. Aus topographischen und klimatischen

Gründen betreiben sie zu einem grossen Anteil Milch-

wirtschaft (38,4 %). Sie sind häufig der Ansicht, dass

eine Umstellung keine Vorteile, sondern eher Nachteile

und keine Verbesserung des Betriebsergebnisses bringt.

Bei den Änderungswünschen aus der Sicht der Betriebs-

leitenden zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Aus-

stiegsgründen. Konstante Bio-Richtlinien, höhere Preise

für Bioprodukte, geringere Kontrollkosten und höhere

Direktzahlungen sind die wichtigsten Änderungen, die

sie dazu bewegen könnten, wieder in den Biolandbau

einzusteigen.

D i s k u s s i o n

Hauptziel der Arbeit war es, den Ausstieg aus dem Bio-

landbau in den Jahren 2005 bis 2007 zu untersuchen.

Neben den Ausstiegsgründen wurde untersucht, wie

Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein? | Agrarwirtschaft

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Tab. 1 | Einflussfaktoren für den Ausstieg aus dem Biolandbau.

Faktoren Liste

Wertschöpfung und Richtlinien (Faktor 1)

Probleme bei der Beschaffung geeigneten Kraftfutters / Stroh, Einkommen auch mit Bio kaum verbesserbar, Richtlinien ändern sich oft, Produktpreise decken die Mehrkosten nicht, Richtlinien zu streng, zukünftige Nachfrage nach Bio-Produkten unsicher, Lieferrecht beunruhigend, Absatz und Vermarktung sind ungenügend organisiert, teure Investitionen wären erforderlich

Wissen und Umwelt(Faktor 2)

Zu geringes Beratungsangebot für Biobetriebe, persönlicher Wissensstand über den Biolandbau ungenügend, Probleme bei der Beschaffung geeigneten Saatguts, Ökologische Ausgleichsflächen einhalten schwierig, gestiegene Umweltqualität auch anderer Landbauformen

Produktionstechnik und Mehrarbeit (Faktor 3)

Unkrautdruck, Arbeitsaufwand zu hoch, Krankheits- oder Schädlingsdruck, Ertragseinbussen zu hoch, Probleme bei der Nährstoffversorgung

Administration und Kontrollen (Faktor 4)

Zuviel Administration / Aufzeichnungen aufwändig, Überwachung stört mich, Bio-Kontrollen zu teuer

Direktzahlungen(Faktor 5)

Direktzahlungen zu niedrig, Verunsicherung über die Entwicklung der Direktzahlungen

Image (Faktor 6) Ich lehne Biolandbau grundsätzlich ab, negatives Image des biologischen Landbaus

Page 22: Heft 4 2010

146

sich die Marktbedingungen und Förderungskriterien für

einen Wiedereinstieg ändern müssten. Die Befragung

von Landwirtinnen und Landwirten zeigt, dass bei den

Ausstiegs- und Wiedereinstiegsgründen vor allem finan-

zielle Aspekte zu finden sind. Wichtige Gründe für den

Ausstieg sind: Richtlinien werden häufig verändert und

verschärft, zu geringe Mehrpreise für ökologische Pro-

dukte, Biofuttermittel sind zu teuer oder nur schwer er-

hältlich und zu geringe Direktzahlungen für die Biopro-

duktion. 14 Prozent der befragten Biobäuerinnen und

-bauern denken derzeit über einen Ausstieg nach, zahl-

reiche Betriebe haben diesen Schritt bereits vollzogen.

Gleichzeitig ist die weitere Umstellungsbereitschaft re-

lativ gering (nur 26 Betriebe).

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Aus den deskriptiven und analytischen Ergebnissen kön-

nen folgende Schlüsse für die Ausdehnung des biologi-

schen Landbaus gezogen werden:

• Kontrollen sollten vereinfacht und zum positiven

Kontakt mit den landwirtschaftlichen Betriebs-

leitenden beitragen.

• Richtlinienkontinuität. Die Verschärfungen

von Richtlinien sollten rechtzeitig angekündigt

und begründet werden.

• Ausbau der Vermarktungspotenziale.

• Unterstützung vorhandener Biobetriebe

und Nutzung ihrer Vorbildwirkung. n

Agrarwirtschaft | Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein?

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Tab. 2 | Regressionsrechnung der Ausstiegsgründe

Abhängige Variable Ausstiegswahrscheinlichkeit Koeffizient Wahrscheinlichkeit

Arg

umen

te g

egen

Bio Wertschöpfung und Richtlinien (Faktor 1) 0,837*** 2,310

Wissen und Umwelt (Faktor 2) – 0,030*** 0,971

Produktionstechnik und Mehrarbeit (Faktor 3) – 0,209*** 0,811

Administration und Kontrollen (Faktor 4) – 0,147*** 0,863

Direktzahlungen (Faktor 5) – 1,342*** 0,261

Image der Bäuerin und des Bauern gegenüber dem Biolandbau (Faktor 6) 0,862*** 2,368

Stru

ktur

und

Eig

ensc

haft

en

Passt in das eigene Betriebskonzept (Ja = 1; Nein =0 ) – 1,114*** 0,328

Haupterwerbsbetriebe (Ja = 1; Nein =0 ) – 0,567*** 0,567

Arbeitsbelastung (Hoch = 1; andre = 0) 1,110*** 3,033

Aufgewachsen in der Landwirtschaft (Ja = 1; Nein =0 ) 1,586*** 4,840

Zeitdauer Biobetrieb (Jahre) – 0,144*** 0,866

Direktvermarktung (Ja = 1; Nein =0 ) 0,245*** 1,277

Milchviehbetrieb (ja = 1; Nein = 0) 1,421*** 4,143

Landwirtschaftliche Nutzfläche (ha) 0,025*** 1,025

Arrondiert (Ja = 1; Nein = 0) 1,192*** 3,292

Alter der Betriebsleitung (Jahre) – 0,028** * 0,972

Einkommen verkleinert ( ja = 1; Nein = 0) 1,292*** 3,640

Konstante – 4,056*** 0,017

*** signifikant um 1 %, ** signifikant um 5 % und * signifikant 10 %

Page 23: Heft 4 2010

147

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Sum

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y

Literaturb Backhaus K., Erichson B., Plinke W. & Weiber R., 2003. Multivariate

Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, 10. Auflage. Springer-Verlag Berlin.

b Bundesamt für Statistik, 2007. Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe 2007. Zugang: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/07/01/key.html.

b Reissig L., Ferjani A. & Zimmermann A., 2009. Ausstieg aus dem Biolandbau – steigende Tendenz in der Schweiz. Agrarforschung 14 (4), 124 – 128.

Organic Farming in Switzerland:

opting in and opting out

The Agroscope Reckenholz-Tänikon

ART Research Station conducted a

survey on 3425 Swiss farms in January

2009. Its aim was to examine the drop-

out rate from organic farming over the

period 2005 – 2007, to determine the

types of farms and regions primarily

affected, and the reasons leading

farms to opt out. In the present study,

the factors influencing a decision to

opt out of organic farming are deter-

mined by means of a factor analysis

and logistic regression. The bulk of

those opting out are dairy farms in the

mountain region. Economic reasons

(price of organic products, low direct

payments), the time and effort of re-

cord-keeping and checks («Guidelines

change too often») and problems ob-

taining suitable concentrated feed /

straw were the most commonly cited

reasons for opting out. There is a high

disposition towards opting out of

organic farming (14 %), especially

in the case of dairy farms. The

regression analysis confirms the

results of the survey.

Key words: organic farming, survey,

factor analysis, logistic regression.

Agricoltura biologica in Svizzera:

chi la intraprende e chi la abbandona?

Nel gennaio 2009, la Stazione di ricerca

Agroscope Reckenholz-Tänikon ART ha

condotto un’inchiesta tra 3425 aziende

agricole svizzere con l’obiettivo di ana-

lizzare l’abbandono della modalità di

produzione biologica, osservato tra il

2005 e il 2007, nonché le difficoltà che

si incontrano se si vuole intraprendere

tale tipo di gestione. Nel presente con-

tributo si riportano i fattori d’influenza

e i motivi determinanti che spingono

ad abbandonare l’agricoltura biologica,

rilevati tramite un’analisi dei fattori

e una regressione logistica. Tra chi ab-

bandona sono numerose le aziende

lattiere di montagna. Tra i motivi mag-

giormente addotti vi sono le condizioni

economiche (prezzi dei prodotti bio,

pagamenti diretti esigui), il dispendio

per le registrazioni e i controlli («le

direttive sono modificate troppo

frequentemente») e le problematiche

legate all’acquisto di foraggio concen-

trato o di paglia adatti. La volontà ad

abbandonare l’agricoltura biologica

è alta (14 %), soprattutto tra le aziende

specializzate nella produzione lattiera.

L’analisi di regressione conferma i

risultati del sondaggio.

Biolandbau in der Schweiz – wer steigt aus, wer steigt ein? | Agrarwirtschaft

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 142–147, 2010

Page 24: Heft 4 2010

gen Wassermenge von etwa 5 – 40 Litern pro Hektare

meist am Abend nach Arbeitsschluss bei geschlossenem

Gewächshaus fein zerstäubt. Ventilatoren im Gewächs-

haus erzeugen einen schwachen Luftstrom im Gewächs-

haus, welcher den feinen Sprühnebel während der

Nacht durch das Gewächshaus transportiert. Die nebel-

artigen Tröpfchen sind typischerweise sehr klein mit ei-

nem Durchmesser von etwa 5 – 30 Mikrometer, während

bei standardmässigen Spritzbehandlungen die Tröpf-

chengrösse etwa im Bereich von 100 – 400 Mikrometer

liegt. Je nach eingesetztem Pflanzenschutzmittel und

gewählter Dosierung weisen die Nebeltröpfchen eine

Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im GewächshausJacob Rüegg und René Total, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil

Auskünfte: Jacob Rüegg, E-Mail: [email protected], Tel: 044 783 64 28 / 079 777 26 17

P f l a n z e n b a u

«PFALZTECHNIK» Kaltvernebelungsgerät, mit welchem das Fungizid Forum (Dimethomorph) mit 0,4 Liter in 20 Liter Wasser und 2 Liter Bioaerosol während einer Stunde in einem Gewächshauskompartiment (0.31 Hektaren Grundfläche) mit Tomaten vernebelt wurde. Das Gerät wurde gemäss den Empfehlungen der lokalen Verkaufsfirma Hortiplus GmbH eingesetzt.

148 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

E i n l e i t u n g

Das Ausbringen von Insektiziden und Fungiziden mit

Schlauch- oder Balkenspritzgeräten in Gewächshauskul-

turen wie Tomaten, Gurken, Auberginen ist mit einem

hohen Arbeitsaufwand verbunden. Es ist naheliegend,

dass ein Applikationsverfahren wie die Kaltvernebe-

lung, welches einen sehr viel geringeren Arbeitsauf-

wand erfordert, für den Produzenten attraktiv er-

scheint. Mit handelsüblichen Kaltvernebelungsgeräten,

welche eine oder zwei mit Druckluft betriebene Düsen

besitzen, wird das Pflanzenschutzmittel in einer gerin-

Page 25: Heft 4 2010

Die Kaltvernebelung bietet dem Produzen-

ten den grossen Vorteil, dass Behandlungen

mit Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus

einfach und mit wenig Arbeitsaufwand

erledigt werden können. Erste Messungen

in zwei Gewächshäusern, in denen Tomaten

beziehungsweise Auberginen kultiviert

wurden, zeigten jedoch, dass die Verteilung

der von einem stationären Gerät ausge-

brachten Wirkstoffe sehr ungleich war.

Zudem traten punktuell zu hohe Rückstände

auf dem Ernteprodukt auf. Der Einsatz der

Kaltvernebelung muss und kann durch

gezielte technische Massnahmen verbessert

werden. Zudem sollte die Wahl und Dosie-

rung der Produkte auf eine verbesserte

Beratung mit solider Datengrundlage ab-

gestützt werden können.

Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus | Pflanzenbau

Pflanzenschutzmittelkonzentration auf, die 10 bis 100

mal höher ist als jene welche bei einer Applikation mit

Wassermengen von mehreren hundert Litern pro Hekt-

are auftritt. Nach erfolgter Kaltvernebelung während

der Nacht wird am Morgen vor Arbeitsbeginn das Ge-

wächshaus geöffnet und gründlich gelüftet. Mit der

Kaltvernebelung wird mit etwa einer Stunde Arbeits-

aufwand pro Hektare ein Insektizid oder Fungizid appli-

ziert, was mit Standardtechniken einen ganzen Arbeits-

tag oder noch mehr an Arbeitsaufwand bedeuten wür-

de. Die Stärken der Kaltvernebelung liegen somit in ih-

rer einfachen Anwendung und in der grossen Arbeits-

zeiteinsparung. Es muss jedoch untersucht werden, ob

diese Applikationstechnik auch Schwächen aufweist

und wie sich diese auswirken.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Erste Versuche von Agroscope Changins-Wädenswil

ACW

Bei zwei Gewächshausbetrieben, welche Tomaten res-

pektive Auberginen in grösserem Umfang erzeugen,

wurde die Deposition von Pflanzenschutzmitteln (Insek-

tizide, Fungizide) auf dem Boden, im Pflanzenbestand

und an der Gewächshauskonstruktion gemessen. Kurz

bevor der jeweilige Produzent sein PfalzTechnik-Kaltver-

nebelungsgerät in Betrieb setzte (Abb. 1), wurden Filter-

papierrondellen (Durchmesser 7 cm) in Petrischalen auf

den Boden ausgelegt bzw. an den Wänden und der De-

cke des Gewächshauses sowie auf den Blattober- und

Unterseiten an ausgewählten Pflanzen angebracht

(Abb. 2a, b ; 3b). Das verfügbare Budget erlaubte es nur,

an zwei bis drei Stellen im Gewächshaus solche Filter-

papierrondellen als Kollektoren anzubringen. Nach der

Abb. 1 | «PFALZTECHNIK» Kaltvernebelungsgerät, mit welchem das Insektizid Pirimor (Pirimicarb) mit 0,8 kg und das Fungizid Switch (Cyprodinil, Fludionxonil) mit 0,8 kg in 15 Liter Wasser und 2 Liter Bioaerosol während einer Stunde in einem Gewächshaus (0.87 Hektaren Grundfläche) mit Auberginen (Abb.4) vernebelt wur-de. Das Gerät wurde gemäss den Empfehlungen der lokalen Ver-kaufsfirma Hortiplus GmbH eingesetzt.

Abb. 3a und b | Auberginen in Doppelreihen, circa 1,7 Pflanzen pro Quadratmeter. Am 16. Mai 2009: Pflanzenhöhe 90 cm, Blattflächen-index 1,9. Zur Depositionsmessung wurden Filterpapierrondellen an verschiedenen Stellen im Pflanzenbestand auf Blattober- und Unterseiten montiert sowie auf dem Boden und an der Gewächs-hauskonstruktion.

Abb. 2a und b | Doppelreihen von Tomaten am 16. Mai 2009, Pflanzenhöhe 190 cm, Blattflächenindex 2,6; weisse Filterpapier-rondellen wurden auf der Blattoberseite und Blattunterseite von Blättern oben und unten sowie aussen und innerhalb der Doppelreihen montiert. Weitere Filterpapierrondellen wurden auf dem Boden und an der Gewächshauskonstruktion angebracht.

149Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Page 26: Heft 4 2010

150 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

Pflanzenbau | Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus

Kaltvernebelung wurden am folgenden Morgen nach

erfolgter Lüftung die Filterpapierrondellen eingesam-

melt, in Glasröhrchen verpackt und später durch das

ISO-zertifizierte Labor Veritas in Zürich auf Rückstände

der ausgebrachten Wirkstoffe untersucht. Soweit die

Pflanzen erntbare Früchte trugen wurden einige Frucht-

proben nach der Kaltvernebelung etwa zwei Tage vor

der nächsten Ernte entnommen und ebenfalls durch

dasselbe Labor auf Rückstände analysiert. Auf den Ein-

satz einer Markiersubstanz wurde verzichtet, da dies in

kommerziell betriebenen Gewächshäusern zu uner-

wünschten Kontaminationen geführt hätte. Die Abbil-

dungen 4 und 7 zeigen schematisch die Grundflächen

der Gewächshäuser sowie Details zur Position des Kalt-

vernebelungsgerätes und jener der Depositionsmessun-

gen. Eine Auswahl an Resultaten ist in den Abbildungen

5, 6 und 8 schematisch dargestellt.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Kulturangepasste Einstellung und Dosierung nötig

Die Resultate (Abb. 5, 6, 8) zeigen anhand der Depositi-

onswerte in den Positionen A, B und C sehr deutlich,

dass mit einem stationären, auf dem Boden aufgestell-

ten Kaltvernebelungsgerät sowie mit etwa einem Venti-

lator pro 500 m2 Bodenfläche bei weitem keine auch nur

annähernd gleichmässige Verteilung der Wirkstoffe im

jeweiligen Gewächshaus erzielt wurde. Im Durchgangs-

bereich, wo das Gerät platziert wurde, fanden sich auf

dem Boden und auf den angrenzenden Pflanzen sehr

hohe Depositionswerte, während bei Position A und

noch ausgeprägter bei Position B weit geringere bis sehr

geringe Depositionen auftraten. Die Blattoberseiten

wiesen fast immer ein Mehrfaches an Deposition auf als

die Blattunterseiten. Sowohl bei Auberginen wie bei To-

maten waren auch bei den Rückständen auf den ent-

nommenen Früchten zwei Tage vor dem nächsten kom-

merziellen Erntegang sehr unterschiedliche und teilwei-

se klar zu hohe Werte feststellbar. Insgesamt eher gerin-

ge bis mässige Depositionswerte wurden an den Seiten-

wänden und Dachkuppeln festgestellt. Angenäherte

Berechnungen ergaben, dass meist nur etwa 43 – 46 %

der ausgebrachten Wirkstoffe auf den Blättern der

Pflanzen wieder gefunden wurden. Etwa 16 – 19 % fan-

den sich auf dem Boden in der Kultur und weniger als

2 % an der Gewächshauskonstruktion. Die restlichen

Wirkstoffmengen lagen auf dem Boden des Gewächs-

hausdurchganges, dort wo das Kaltvernebelungsgerät

betrieben wurde, oder hatten das Gewächshaus verlas-

sen und waren nicht mehr auffindbar (Stanghellini

2009). Da diese Berechnungen nur auf wenigen beprob-

ten Positionen im Gewächshaus basieren, geben sie nur

eine Grössenordnung wieder.

Bereits auf Grund dieser zwar noch bescheidenen

Datenbasis stellt sich zwingend die Frage, wie bei der

Kaltvernebelung die Dosierung der Pflanzenschutzmit-

tel vorgenommen werden sollte (siehe auch Kasten). Zur

Zeit wird meist die pro Hektare bewilligte Produktmen-

ge auf die Gewächshausfläche umgerechnet, dabei wird

jedoch die Grösse der Zielfläche, je nach Produkt und

Schaderreger die gesamte Blatt- und Stängelfläche des

Pflanzenbestandes oder die Fläche aller Früchte, kaum

oder gar nicht berücksichtigt. Erste Messungen zeigen,

dass beispielsweise bei Auberginen der Blattflächenin-

dex (Blattfläche pro Einheit Bodenfläche) von Mitte Mai

bis Mitte Juli massiv von 1,9 auf 4,5 zunimmt (Abb. 9).

B

130m

67m

A

C

Luftzirkulation

Kaltvernebelungsgerät

Abb. 4 | Schema der Grundfläche des Gewächshauses mit Auber-ginen mit sieben Schiffen. Eingezeichnet sind: die Position des Kaltvernebelungsgerätes (rot), die durch die Ventilatoren erzeugte Luftzirkulation (blau) sowie die Positionen A, B und C, an welchen Depositionsmessungen durchgeführt wurden (schwarz).

Abb. 5 | Schematischer Querschnitt durch das Gewächshaus mit Doppelreihen von Auberginen am 16. Mai 2009. Depositionswerte des vernebelten Insektizides Pirimor (Pirimicarb) in Nanogramm / cm2 auf ausgelegten Filterpapierrondellen sowie Rückstandswerte in Milligramm / Kilogramm auf erntereifen Auberginen zwei Tage vor der Ernte an den Positionen A, B, und C. Gelb markiert sind die Stellen, an welchen auf dem Boden, den Pflanzen und an der Gewächshauskonstruktion Filterpapierrondellen ausgelegt bzw. montiert wurden.

Position A Position B

820

291

282 245

303

588

1524

234

394

345

132 452

100 204

85 283

103 367

2161418

333 1983

172 1507

459 1083

A: Pflanze Ø 897 Blattoberseite Ø 1498 Blattunterseite Ø 295

A: Boden Ø 1172

B: Boden Ø 264

B: Pflanze Ø 216 Blattoberseite Ø 327 Blattunterseite Ø 105

1814

3488

Position C

2.67 mg/kg 0.90

mg/kg

0.11 mg/kg

Pirimor (Pirimicarb) MRL 1.00 mg/kg Auberginen 16. Mai 2009

Page 27: Heft 4 2010

Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus | Pflanzenbau

151Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

Eine gleichbleibende Dosierung kann unter diesen Um-

ständen wohl kaum richtig sein. Neben den Kenntnissen

über die mit der Kultur und dem Wachstum sich ändern-

den Zielflächen wäre es für eine angepasste Dosierung

auch wichtig zu wissen, welche Anlagerungswerte bei

möglichst optimal eingesetzten Kaltvernebelungsgerä-

ten erzielbar sind.

Pflanzen, die sich nahe beim Gewächshausdurch-

gang befanden, in welchem das Kaltvernebelungsgerät

betrieben wurde, wiesen teilweise deutliche Blattver-

brennungen auf, und die Rückstände auf den Früchten

waren viel zu hoch. Messungen der durch die Ventilato-

ren erzeugten Luftbewegung an einem Dutzend Positi-

onen in den beiden Gewächshäusern zeigten, dass zwar

eine zirkuläre Luftbewegung erzielt wurde. Doch dürfte

diese Luftbewegung auf Grund der erzielten Luftstrom-

geschwindigkeiten von mehrheitlich unter 0,2 m/s kaum

genügen. Die erzielte Verteilung der Wirkstoffe war un-

genügend und muss verbessert werden. Mögliche An-

sätze bestehen darin, dass entweder mehr als ein Kalt-

vernebelungsgerät pro Hektare eingesetzt wird, oder

dass das oder die Geräte in erhöhter Position über dem

Pflanzenbestand angebracht werden, vielleicht sogar

mobil ähnlich wie dies von horizontalen Bewässerungs-

balken her bekannt ist.

Auch wenn solche Verbesserungen realisiert wer-

den, bleibt wahrscheinlich die Diskrepanz in der Anlage-

rung der Wirkstoffe auf der Blattoberseite und der

Blattunterseite bestehen. Wahrscheinlich geringer dürf-

ten diese Unterschiede in jenen Fällen sein, in welchen

echt translaminar wirkende Produkte oder solche mit

hohem Dampfdruck angewendet werden. Im Gewächs-

hausgemüsebau gibt es dazu jedoch bisher nur sehr we-

nige Untersuchungen.

vm h

19m

168m

Luftzirkulation

Kaltvernebelungsgerät

BA C

Abb. 7 | Schema der Grundfläche des Gewächshauses mit Tomaten, Versuchsdurchführung in einem Kompartiment mit zwei Schiffen. Eingezeichnet sind: die Position des Kaltvernebelungsgerätes (rot), die durch die Ventilatoren erzeugte Luftzirkulation (blau) sowie die Positionen A, B und C, an welchen Depositionsmessungen durch-geführt wurden (schwarz). Zusätzlich zu den Positionen A,B und C wurden im Durchgang am Boden vorne (v), in der Mitte (m) und hinten (h) auch Depositionsmessungen vorgenommen.

Abb. 6 | Schematischer Querschnitt durch das Gewächshaus mit Doppelreihen von Auberginen am 16. Mai 2009. Depositionswerte des vernebelten Fungizides Switch (Cyprodinil, Fludioxonil) in ng / cm2 auf ausgelegten Filterpapierrondellen sowie Rückstands-werte in mg / kg auf erntereifen Auberginen zwei Tage vor der Ernte an den Positionen A, B, und C.

Abb. 8 | Depositionswerte des vernebelten Fungizides Forum (Dime-thomorph) in ng / cm2 auf ausgelegten Filterpapierrondellen sowie Rückstandswerte in mg / kg auf erntereifen Tomaten am 18. Juli 2009 zwei Tage vor der Ernte an den Positionen A, B, und C. Zusätzlich sind die Depositions werte auf dem Boden im Durchgang an den Positio-nen v, m und h angegeben.

Abb. 9 | Derselbe Auberginenbestand wie in Abbildung 3a und b, jedoch Mitte Juli. Pflanzenhöhe 250 cm, Blattflächenindex 4,5.

Position A Position B

707

141

193 173

177

413

1246

109

240

191

79 300

62 131

53

197

59 258

1161191

207

1597

98 1395

309 808

A: Pflanze Ø 715Blattoberseite Ø 1248Blattunterseite Ø 182

A: Boden Ø 982

B: Boden Ø 183

B: Pflanze Ø 142Blattoberseite Ø 222Blattunterseite Ø 63

1878

3795

Position C

1.85 mg/kg 0.38

mg/kg

0.04 mg/kg

Switch (Cyprodinil) MRL 0.50 mg/kg Auberginen 16. Mai 2009

Forum (Dimethomorph) MRL 0.20 mg/kgTomaten 18. Juli 2009

853

14

54 46

22

97

1086

15

20

70

50 42

32 57

18 48

20 65

140 735

318 891

36 217

234 835

894 3596

1083 4186

3.10 mg/kg 0.31 mg/kg 0.84 mg/kg

Position BPosition CPosition A

Pflanze Ø 426 Blattoberseite Ø 670 Blattunterseite Ø 182

Boden Ø 970

Boden Ø 50

Pflanze Ø 42 Blattoberseite Ø 53 Blattunterseite Ø 30

v 14198

m 89378

h 11096

Pflanze Ø 2440 Blatto.s. Ø 3891 Blattu.s. Ø 989

Page 28: Heft 4 2010

152 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

Pflanzenbau | Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus

In Deutschland wird von offizieller Seite die Kaltver-

nebelung nur mit etlichen Vorbehalten oder gar nicht

empfohlen, da auch deutsche Versuchsresultate die Pro-

blematik der ungleichen Verteilung der vernebelten

Produkte belegen (Meinert et al. 1996; Harmut und Krä-

mer 2005). Auch ältere Untersuchungen bei Zierpflan-

zen haben gezeigt, dass eine gleichmässige Verteilung

im Pflanzenbestand schwer zu erreichen ist (Owens and

Bennet 1978). In der Schweiz steht sowohl die öffentli-

che wie die private Beratung in Bezug auf die Kaltverne-

belung noch auf schwachen Füssen, da die auf Versu-

chen basierende Datenbasis noch sehr bescheiden ist.

Ähnlich wie bei der Applikation von Pflanzenschutzmit-

teln durch das Tröpfchenbewässerungssystem kann nur

durch eine schrittweise ausgebaute Daten- und Erfah-

rungsbasis die Beratung konkret unterstützt werden.

Diese eher neueren Applikationsmethoden haben wohl,

neben der standardmässigen Spritzapplikation, ihren

Platz im modernen Gewächshausbetrieb. Doch die Tech-

niken müssen so eingesetzt werden, dass die biologische

Wirkung gut ist, der Aufbau von Resistenzen bei den

Schaderregern möglichst lange hinausgeschoben wird

und inakzeptable Rückstände auf jeden Fall vermieden

werden. Die Beratung zum Nutzen der Produzenten

muss in Zusammenarbeit mit der Industrie klar aufzei-

gen und einschränken, welche Produkte sich für die

Kaltvernebelung beziehungsweise die Applikation via

Tröpfchenbewässerung auf Grund ihrer Eigenschaften

(z. B. systemisches oder / und translaminares Verhalten)

eignen. Wo immer möglich sollten Insektizide durch ei-

nen geeigneten Nützlingseinsatz ersetzt werden. Hol-

ländische wie auch schweizerische Erfahrungen zeigen,

dass die Kaltvernebelung je nach Jahr, Kultur und Auf-

treten der Schaderreger durch gezielte punktuelle

Spritz- und / oder Sprühbehandlungen mit konventio-

nellen vertikalen Balkengeräten ergänzt werden muss.

Auch für diese vertikalen Balkengeräte, welche zwi-

schen den Reihen der Laubwand entlang geführt wer-

den, muss noch weiter an der kulturangepassten Einstel-

lung der Geräte und der kulturangepassten Dosierung

der Produkte gearbeitet werden (siehe Kasten). Die Da-

tenbasis für eine zuverlässige praxisgerechte Beratung

ist auch hier noch zu schmal. n

Gegenwärtig geben die schweizerischen

Pflanzenschutzmittelbewilligungen bei den

meisten Fungiziden, Insektiziden und Akarizi-

den für die Anwendung im Gewächshaus nur

eine Konzentrationsangabe in % zur Herstel-

lung der Spritzbrühe an. Unklar ist, welches

Brühevolumen bei einer bestimmten Kultur

und deren Kulturstadium anzuwenden ist.

Bei der Kaltvernebelung wird meist von einer

Produktmenge pro Hektare, wie sie im Feld-

gemüsebau üblich ist, auf die Bodenfläche

des Gewächshauses umgerechnet. Hier bleibt

jedoch auch unklar, wie die derart umgerech-

nete Produktmenge auf die wachsende Blatt-

fläche der Kultur anzupassen ist. Für die Zu-

kunft strebt die Forschungsanstalt Agroscope

Changins-Wädenswil ACW an, in Zusammen-

arbeit mit der Industrie in der Schweiz und

Europa, einfach zu benützende Dosieranga-

ben zu erarbeiten, welche den Bezug zur

Kultur und deren jeweils vorhandene Blatt-

fläche beinhalten soll. Ähnlich wie bereits im

Obst-, Wein- und Beerenbau sollen auf die

Kultur bezogene Dosieranleitungen entste-

hen, wobei dazu der Typ und die geeigneten

Einstellungen und Handhabungen der Appli-

kationsgeräte miteinbezogen werden müssen.

Kasten 1 | Dosierung von Pflanzenschutz-

mitteln für den Gewächshausbereich

Page 29: Heft 4 2010

Vor- und Nachteile der Kaltvernebelung von Pflanzenschutzmitteln im Gewächshaus | Pflanzenbau

153Agrarforschung Schweiz 1 (4): 148–153, 2010

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Literaturb Harmuth P. & Krämer P., 2005. Jahresbericht des Pflanzenschutzdienstes

Baden-Württemberg. Landesanstalt für Pflanzenschutz, Reinsburgstrasse 107, 70197 Stuttgart Deutschland.

b Meinert G., Schmidt K., Wagner R. & Merz F., 1996. Untersuchungen zur Minimierung der Boden- und Luftbelastung durch Pflanzenschutz-mittel in Gewächshäusern bei verbesserter biologischer Wirksamkeit. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben. Landesanstalt für Pflanzenschutz, Reinsburgstrasse 107, 70197 Stuttgart Deutschland.

b Owens J. M. & Bennett G. W., 1978. Spray Particle Size Distribution in Greenhouse ULV Applications to Poinsettia. J. of Economic Entomology 71 (2), 353 – 357.

b Stanghellini C., 2009. Emissions by aerial routes from protected crop systems (greenhouses and crops grown under cover). A position paper. Report 224. EFSA Eurpean Food Safety Authority. Wageningen UR Greenhouse Horticulture, Wageningen January 2009.

Strengths and weaknesses of cold-

fogging for pesticides application

in greenhouses

Cold-fogging crop protection products

in greenhouses is an easy to handle

and time and labour saving method.

However measurements of depo-

sitions on commercial tomato and

eggplant crops in two greenhouses

in Switzerland revealed that active

ingredients distribution in the green-

houses was very uneven. Furthermore

there were spots where unacceptably

high residues were found on

harvested fruit. Cold-fogging

application method must and can be

improved through technical measures.

The choice and the dosage of the

products should rely on solid data

sets made available to the extension

service.

Key words: cold-fogging, application

techniques, crop protection, tomatoes,

eggplants, greenhouse, deposition,

distribution.

Vantaggi e inconvenienti della

nebulizzazione a freddo

per l’applicazione di prodotti

fitosanitari in serra

La tecnica della nebulizzazione a

freddo semplifica l’applicazione dei

prodotti fitosanitari su colture in

serra con un investimento di lavoro

estremamente ridotto. Tuttavia, le

prime misurazioni effettuate in due

serre (una coltivata a pomodori e l’altra

a melanzane), hanno però dimostrato

che la distribuzione della sostanza

attiva partendo da un apparecchio

stazionario era molto irregolare.

Inoltre i residui riscontrati sul raccolto

erano a puntino troppo elevati.

L’utilizzo della nebulizzazione a

freddo può e deve essere migliorata

con delle misure tecniche appropriate.

La scelta e il dosaggio dei prodotti

devono basarsi su informazioni

solide e sicure.

Page 30: Heft 4 2010

E i n l e i t u n g

Die topographischen Bedingungen in der Schweiz sind

je nach Region sehr unterschiedlich. Landwirtschafts-

betriebe in der Bergzone oder Bauern, die aus Überzeu-

gung ein Vollweidesystem führen, verfüttern keine

grossen Mengen an Kraftfutter, was bei der Hochleis-

tungskuh Gesundheits- und Fruchtbarkeitsprobleme

hervorrufen kann. Die neuseeländische Milchkuh wurde

nicht nur auf hohe Milchleistung und verschiedene Exte-

rieurmerkmale gezüchtet, sondern auch auf Langlebig-

keit, Gewicht, Grösse und Fruchtbarkeit. Daraus ent-

wickelte sich ein Kuhtyp, der mit Weidegras mittlere

Milchleistungen bei hohem Verzehr pro kg Körperge-

wicht erzielt. In der Schweiz ist aus betriebswirtschaftli-

cher Sicht nicht nur die Eignung von Kühen für die Milch-

produktion wichtig, sondern auch die Masttauglichkeit

deren männlicher Nachkommen.

Die Frage nach der Masteignung von Neuseeländer

Holstein Friesian Mastkälbern ist demnach für Landwir-

te mit Vollweidesystem von Interesse. Im Rahmen einer

Bachelor Thesis an der Schweizerischen Hochschule für

Eignung verschiedener Holsteinlinien für die KälbermastNathalie Roth und Peter Kunz, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen

Auskünfte: Nathalie Roth, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 910 22 75

N u t z t i e r e

Diese neuseeländischen Holstein Friesian Kälber wurden im Rahmen eine Bachelor Thesis auf deren Masttauglichkeit untersucht.

154 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Page 31: Heft 4 2010

Im Rahmen einer Bachelor Thesis an der

Schweizerischen Hochschule für Landwirt-

schaft SHL wurden elf männliche neusee-

ländische Holstein Friesian Kälber im

Vergleich zu 26 Schweizer Holstein Friesian

Kälber auf deren Masttauglichkeit hin

untersucht. Die beiden Mastgruppen wurden

unter gleichen Fütterungs- und Haltungs-

bedingungen während 100 Tagen gemästet.

Die Kälber hatten während der ganzen

Mastdauer freien Zugang zu einem reinen

Milchpulver-Wasser-Gemisch via Tränke-

automat. Zusätzlich wurde ihnen ab dem

17. Masttag Maissilage ad libitum vorgelegt.

Die Ration wurde mit einem Mineralstoff-

präparat und einem Leckstein ergänzt. Die

erreichten Masttageszunahmen der neusee-

ländischen Kälber sind mit den für Schweizer

Mastkälber publizierten Ergebnissen

vergleichbar. Die durchschnittlichen Mast-

tageszunahmen waren bei den Schweizer

Kälbern zwar um 130 g höher und folglich

war auch die Entwicklung des durchschnitt-

lichen Lebendgewichts und letztendlich das

Endgewicht der Schweizer Kälber höher, die

Unterschiede waren jedoch statistisch nicht

signifikant. Die neuseeländischen Kälber

erreichten aber ein signifikant tieferes

Vorderfussgewicht, was auf einen tieferen

Knochenanteil des Schlachtkörpers hinweist

und für den Abnehmer einen Vorteil dar-

stellt. Die Schlachtkörper beider Gruppen

wurden nach CH-TAX-System grösstenteils

von T+3 bis T-3, mit leichten Vorteilen für die

neuseeländischen Kälber, klassiert.

Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast | Nutztiere

Landwirtschaft (Roth 2009) wurde die Masteignung von

Schweizer und Neuseeländer Holstein Friesian Kälbern

unter Praxisbedingungen verglichen.

M e t h o d e

Kälbermastversuch in zwei Gruppen

Die Mastkälber wurden in einem Tiefstreustall (Strohbett)

gehalten, die gesamte Bucht à 70 m2 wurde wie folgt un-

terteilt: 20 m2 für die elf Neuseeländischen (NZ) Kälber

und 50 m2 für die 26 Schweizer (CH) Kälber. Um die vor-

handenen Stallplätze optimal zu nutzen, wurde die Bucht

mit einer grösseren Anzahl an CH-Kälbern aufgestockt,

dies erklärt die ungleiche Anzahl Kälber pro Gruppe.

Die Erhebungen wurden zwischen März und Juni

2009 durchgeführt (Abb. 1). Der Futterverzehr (kg Milch-

pulver/Bucht, kg Maissilage/Bucht) wurde kontinuierlich

erfasst und der Gesundheitszustand der Kälber wurde

mittels Behandlungsjournal während der Mast verfolgt.

Die Tiere wurden monatlich gewogen: beim Einstallen,

dreimal während der Mast sowie jeweils ca. 24 h vor der

Schlachtung. Sechs Kälber der Schweizer Gruppe hatten

bereits nach 86 Tagen das Mastendgewicht von 210 kg

und mehr erreicht. Aus diesem Grund wurde deren

Schlachtung vorgezogen. Die Schweizer Gruppe wurde

infolgedessen einmal mehr gewogen, da keine Einzeltier-

erfassung für den Futterverzehr möglich war. Die restli-

chen 31 Kälber (20 CH-Kälber, 11 NZ-Kälber) wurden nach

100 Tagen Mast geschlachtet.

Bei der Schlachtung der Versuchskälber wurden die

Vorderfüsse (Klauen bis Karpalgelenk) von jedem Kalb

155

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Abb. 1 | Zeitplan und Ablauf des Kälbermastversuches, Bachelor Thesis von Nathalie Roth (2009).

März

Beginn Mastversuch

3 Zwischenwägungen

Erhebungen Futterverzehr

(Milchpulver, Maissilage)

Erhebungen Schlachthof (pH-Wert, Fleischfarbe)

Schlachtung 1&2 Erhebung Vorderfussgewicht

Wägung vor Schlachtung (LG)

April Mai Juni Juni Juni

Abb. 2 | Die Hinterviertel der Versuchskälber (NZ & CH) im Kühl-raum mit Etikette zur Identifikation: in dieser Aufhängung wurde die Fleischfarbe bestimmt und der pH-Wert im Rückenmuskel (M. longissimus dorsi) gemessen.

Page 32: Heft 4 2010

156

abgetrennt und gewogen. Nach 3,5 Tagen (88 h post

mortem) wurde im Kühlraum am Rückenmuskel im Hin-

terviertel (M. longissimus dorsi) die Fleischfarbe beur-

teilt und der pH-Wert ermittelt. Der pH-Wert wurde mit

einem pH-Meter (Mettler Toledo) im Kotelettenan-

schnitt (M. longissimus dorsi) des rechten und des linken

Hinterviertels gemessen (Abb.2).

Für den Vergleich der beiden Gruppen wurden die

erhobenen Parameter wie Masttageszunahmen, Mast-

endgewicht, Schlachtgewicht sowie der Anteil Vorder-

fussgewicht am Schlachtgewicht mittels einer ANCOVA

(Einstallgewicht beim Einstallen als Covariable) statis-

tisch ausgewertet. Zum Vergleich der Fleischfarbe wur-

de ein Fisher’s Exact Test durchgeführt. Die Fleischigkeit

(CH-TAX) wurde mit einem Mann-Whitney Test vergli-

chen. Alle Tests wurden auf einem Signifikanzniveau

von 5 % (p < 0,05) beurteilt. Da man die Futteraufnahme

pro Gruppe und nicht pro Einzeltier erhob, wurde für

diesen Parameter kein statistischer Test durchgeführt.

Charakterisierung der beiden Versuchsgruppen

Insgesamt nahmen 37 männliche Holstein Friesian Käl-

bern mit unterschiedlicher genetischer Herkunft am

Versuch teil. Alle Kälber wurden in der Schweiz geboren

und nach Zuchtziel und genetischer Herkunft in zwei

Gruppen eingeteilt:

Die Schweizer (CH) Gruppe bestand aus 26 Kälbern,

deren Väter vorwiegend aus Schweizer und Nordameri-

kanischer Zucht stammten und einen durchschnittlichen

Milchzuchtwert von + 466 kg (SD ± 552) aufwiesen

(Schweizerischer Holsteinzuchtverband, Mai 2009). Die-

se Kälber wurden von der Gefu Oberle AG auf dem Trän-

kermarkt gekauft und dort nach der Masteignung aus-

sortiert. Aufgrund hoher Einstallgewichte zweier Kälber

(95 kg, 103 kg) bei Versuchsbeginn, wurden diese beiden

Kälber nur zur Berechnung der Futterverwertung und

Wirtschaftlichkeit der Mast integriert, ansonsten vom

Versuch ausgeschlossen. Ohne Transponder war keine

Einzeltiererfassung beim Futterverzehr und somit keine

Separation dieser beiden Tiere möglich. Sie waren wäh-

rend der ganzen Mastdauer mit der CH-Versuchsgruppe

eingestallt. Die Schweizer Versuchsgruppe umfasste aus

diesem Grund für alle anderen Berechnungen und Aus-

wertungen noch 24 Tiere.

Die elf Kälber der Neuseeländer (NZ) Gruppe stamm-

ten aus Schweizer Vollweidebetrieben, die gezielt neu-

seeländische Genetik in der Zucht einsetzen. Es handelt

sich dabei um Kälber aus ein bis drei Generationen neu-

seeländischer Holstein-Friesian Genetik. Die durch-

schnittlichen Schweizer Zuchtwerte für Milch der Väter

lagen bei – 386 kg (SD ± 154) (Schweizerischer Holstein-

zuchtverband, Mai 2009). Die Anzahl Kühe und die An-

zahl Besamungen mit neuseeländischem Holsteinblut in

der Schweiz sind begrenzt. Aus diesem Grund standen

für den Versuch erwünschte männliche Holstein Friesian

Kälber nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung.

Nutztiere | Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Tab. 2 | Nährstoffgehalte der Mineralfuttermittel

Mineralfuttermittel Kosten[CHF / dt TS]

Gehaltsangaben pro kg TS (Angaben des Herstellers)

Ca[g]

P[g]

Mg[g]

Na[g]

Se[mg]

Jod[mg]

Co[mg]

Cu[mg]

Zn[mg]

Mn[mg]

Mineralfutter Homin Ca : P 2 : 1 280 120 60 30 60 20 20 20 200 2000 500

Leckstein MINALOCa : P 2,7 : 1 300 140 60 40 120 8 6 3 50 720 800

Tab. 1 | Energie- und Nährstoffgehalte von Maissilage und der beiden eingesetzten Milchpulverrezepte

Futtermittel Kosten[CHF / dt TS](UFA 2009)

Gehaltsangaben pro kg TS (ALP 2004)

TS[%]

UEK[MJ]

RP[g]

RF[g]

RA[g]

RL[g]

Fe[mg]

Maissilage (ab dem 17. Masttag) 30 28 12,3 74 183 kA 30 kA

Gefumilk 20 – 20 (Vormast) 400 93 18,9 200 0 65 180 50

Gefumilk Swissspray 1 (Endmast) 400 93 19,5 210 0 65 210 22

Ts = Trockensubstanz; ueK = umsetzbare energie Kalb; rP = rohprotein; rf = rohfaser; rA = rohasche; rL = rohlipide; fe = eisen; kA = keine Angabe

Page 33: Heft 4 2010

157

Anhand einer telefonischen Umfrage unmittelbar

nach dem Einstallen wurde die Situation auf den Her-

kunftsbetrieben der Kälber erfasst. Dabei standen die

Haltung (Aussen- / Stallhaltung, Einzel- / Gruppenhal-

tung), die Fütterung (nur Milch / zusätzliche Komponen-

ten wie Heu, Mais etc.) und der Gesundheitsverlauf (Be-

handlungsjournal) der Kälber im Vordergrund. Es erga-

ben sich keine systematischen Unterschiede zwischen

den beiden Gruppen.

Neben dem prophylaktischen Einsatz von Selen und

Vitamin E beim Einstallen (Weissmuskelkrankheit), wur-

den den Kälbern folgende Medikamente über die Milch

verabreicht: SK-60 (Biokema SA, Crissier), CAS 45 K und

Amoxan 70 (beide UFAMED AG, Sursee). Infolge Krank-

heit wurde bei zwei NZ- und drei CH-Kälbern zusätzlich

ein Breitspektrum Antibiotikum (Advocid 18 %, Pfizer

AG, Zürich) eingesetzt.

Rationszusammensetzung

Alle Kälber wurden mit einem reinen Pulver-Wasser-Ge-

misch getränkt und hatten ab dem 17. Masttag Ganz-

pflanzenmaissilage in der Krippe zur Verfügung. Verein-

zelt kauten Tiere an der frischen Einstreu. Am 40. Mast-

tag wurde vom Vormast- auf ein Endmastpulver ge-

wechselt, das unter anderem einen etwas höheren Roh-

proteingehalt aufwies (Tab. 1). Der entscheidende Un-

terschied lag im Eisengehalt, der aufgrund der vom

Markt geforderten Fleischfarbe (möglichst helles Fleisch)

von 50 mg auf 22 mg / kg TS in der Endphase reduziert

wurde.

Den Kälbern wurde das Mineralfutter Homin 1263

(2 : 1) der Gefu Oberle und der Leckstein Minalo (2,7 : 1)

der Multiforsa vorgelegt (Tab. 2), die Kälber hatten die

freie Wahl zwischen diesen beiden Mineralstoffen.

Anhand der erhobenen Gesamtfuttermenge wurde

die Futterverwertung in kg Futter / kg Zuwachs und in

MJ UEK / kg Zuwachs berechnet.

R e s u l t a t e

Mastleistung

Es besteht ein geringer Unterschied in der Futterverwer-

tung der beiden Mastgruppen (Tab. 3). Das durchschnitt-

liche Alter der Kälber in den beiden Gruppen war beim

Einstallen signifikant verschieden jedoch nicht beim

Ausstallen. Der Grund liegt in der früheren Schlachtung

von sechs CH-Kälbern, die rund 14 Tage vor geplantem

Mastende geschlachtet wurden und somit eine Mast-

dauer von nur 86 Tagen aufweisen. Das Gewicht der bei-

den Gruppen war bei Mastbeginn nicht signifikant ver-

schieden und, korrigiert auf das Einstallgewicht, auch

nicht bei Mastende. Der durchschnittliche Masttageszu-

wachs der beiden Gruppen verlief parallel, die CH-Tiere

hatten während der ganzen Mast um durchschnittlich

130 g höhere Tageszunahmen als die NZ-Tiere (Abb. 3).

Die Zunahmen waren aber nicht signifikant verschieden.

Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast | Nutztiere

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Tab. 3 | Darstellung ausgewählter Mastleistungsergebnisse der Kälber

NZ-Gruppe CH-Gruppe

Anzahl Tiere n = 11 n = 24

Mastdauer Tage 100 86 (n = 4) bzw. 100 (n = 20)

Futterverwertung (FVI)Pulver und Maissilage MJ UEK / kg TZW 37,2 38,4

Futterverwertung (FVI)Pulver und Maissilage kg TS / kg TZW 1,96 2,02

Mittelwert (Ø) + / – Standardabweichung (SD) Ø* SD Ø SD

Alter bei Mastbeginn Tage 31a + / – 9,2 39b + / – 11,6

Gewicht bei Mastbeginn kg / Kalb 64,9a + / – 8,5 70,2a + / – 6,5

Alter bei Mastende Tage 131a + / – 9,2 137a + / – 10,9

Gewicht bei Mastende kg / Kalb 197,1a + / – 23,2 215,2a + / – 18,4

Masttageszuwachs g 1322a + / – 184 1450a + / – 151

Schlachtgewicht kg / Kalb 108,2a + / – 15,6 119,4a + / – 10,5

Gewicht Vorderfüsse VF kg / Kalb 2,49a + / – 0,22 2,84b + / – 0,19

* unterschiedliche hochbuchstaben (a, b) zeigen signifikant unterschiedliche werte (signifikanzniveau P < 0,05)

Page 34: Heft 4 2010

158

Das rund elf kg höhere Schlachtgewicht (SG) der CH-Käl-

ber war in Bezug auf deren höheres Gewicht beim Eins-

tallen gegenüber den NZ-Kälbern nicht signifikant ver-

schieden. Im Gegensatz dazu war der Anteil des Gewichts

der Vorderfüsse am Schlachtgewicht der NZ-Kälber im

Vergleich mit dem der CH-Kälber signifikant tiefer.

Die Schlachtkörperklassierung, beurteilt nach CH-

TAX, war bei beiden Gruppen zufriedenstellend. Die NZ-

Kälber erreichten alle den optimalen Ausmastgrad

von 3, sowie die Fleischigkeit von T + bis A. Die CH-Tiere

erreichten bis auf drei Ausnahmen (A2, A2, 2X2) eben-

falls Taxierungen von T + 3 bis A3 (Abb. 4).

Fleischfarbe und pH-Wert der Versuchstiere

Die Tiere wurden anhand ihrer Fleischfarbe einerseits

durch eine Fachperson eingestuft (weiss, rosa, rot) und

andererseits mittels einer Standardskala (1 weiss – 6 rot)

beurteilt (Tab. 4). Es konnten keine signifikanten Unter-

schiede in der Fleischfarbe zwischen den beiden Grup-

pen festgestellt werden. Die unterschiedliche Genetik

hatte somit keinen Einfluss auf diesen Parameter. Auch

bezüglich des pH-Werts des Rückenmuskels nach 88 h

traten keine Unterschiede zwischen den beiden Grup-

pen auf.

Vergleich der Ergebnisse mit anderen Untersuchungen

In der Schweiz war vor allem in den 1960er Jahren das

Interesse nach nordamerikanischer Genetik sehr gross

und die Freiburger Schwarzfleckviehrasse wurde von

der eleganten nordamerikanischen Holsteinkuh abge-

löst. Der Schweizerische Schwarzfleckviehzuchtverband

entwickelte rasch ein eigenständiges Inlandprüfpro-

gramm, so ist mittlerweile die Schweizerische Holstein-

zucht etabliert und kann im internationalen Angebot

des Hochleistungssektors gut mithalten. Die Schweizer

Zucht orientiert sich nach wie vor an der nordamerikani-

schen Hochleistungskuh mit dem Ziel der Leistungsma-

ximierung. Aus diesem Grund vergleichen wir die

Schweizer Holstein Friesian mit Studien, die zu einem

grossen Teil an nordamerikanischen Holstein Friesian

gemacht wurden.

Verschiedene Autoren verglichen unterschiedliche

Linien von Holstein Friesian bezüglich deren Fleischleis-

tung (Reklewski et al. 1985; Keane 2003; McGee et al.

2005; MacDonald et al. 2007). Im Gegensatz zur Schweiz

werden im Ausland vorwiegend Mastversuche mit

Jungbullen verschiedener Holsteinlinien durchgeführt.

Direkte Vergleiche mit der in der Schweiz üblichen Käl-

bermast sind darum nur bedingt möglich. Neuseeländi-

sche Kälber hatten im Vergleich mit Holsteinlinien aus

Dänemark, Polen, Deutschland, Holland, England,

Schweden, Kanada, Amerika und Israel bei Mastbeginn

stets die tiefsten Gewichte, die amerikanischen Kälber

wiesen in allen Vergleichen die höchsten Lebendge-

wichte auf. Die Masttageszunahmen und das Mastend-

gewicht respektive das Schlachtgewicht von neuseelän-

dischen Holstein Friesian Tieren waren ebenfalls stets

tiefer als die von nordamerikanischen Holstein Tieren

(Reklewski et al. 1985; Stolzman et al. 1988; Keane 2003).

Die Schlachtkörper wurden jedoch ähnlich klassiert. Die

NZ-Tiere erreichten teils sogar einen etwas höheren Aus-

mastgrad als die nordamerikanischen (Keane 2003) und

wiesen zudem geringere Knochenanteile auf (Reklewski

et al. 1985).

Wirtschaftliche Aspekte

Die Wirtschaftlichkeit der beiden Mastgruppen wurde

anhand einer Deckungsbeitragsrechnung verglichen. Um

die Aussagekraft des Vergleiches zu steigern, wurde nicht

Nutztiere | Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Abb. 4 | Die Schlachtkörpertaxierung in Prozent der Anzahl Tiere pro Gruppe (CH: n = 24, NZ: n = 11).

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0T+3 T3 T-3 A3 A2 2X2

NZ (n=11) CH (n=24)

Proz

entu

aler

Ant

eil (

%)

Taxierung der Schlachtkörper

Abb. 3 | Der Verlauf des durchschnittlichen Masttageszuwachses (in g) der beiden Gruppen während 100 Masttagen.

200018001600140012001000800600400200

00 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

MTZ CH-Kälber MTZ NZ-Kälber

Mas

ttag

eszu

wac

hs b

eide

r G

rupp

en (g

)

Mastdauer (d)

Page 35: Heft 4 2010

159

der im Juni 2009 herrschende Tiefpreis von 11,70 CHF / kg

SG (für T3-Kalb) als Basis genommen, sondern es wurde

mit dem durchschnittlichen Kälberpreis der Jahre

2006 – 2008 von 14,50 CHF / kg SG gerechnet (Proviande

2008). Der vergleichbare Deckungsbeitrag der NZ-Grup-

pe war höher als der der CH-Gruppe, obschon die CH-

Tiere generell dank höherem Schlachtgewicht einen hö-

heren Erlös pro Tier einbringen. Der Grund für dieses Re-

sultat liegt in den drei Schlüsselpositionen Zukauf der

Tränker, Futterkosten und Erlös der Schlachtkälber. Die

Kosten beim Zukauf waren bei der NZ-Gruppe aufgrund

des tieferen Einstallgewichts wie auch der tieferen Taxie-

rung nach CH-TAX um 77 CHF / Tränker geringer. Durch

die höhere Gewichtszunahme während der gesamten

Mastdauer waren jedoch die Futterkosten der CH-Grup-

pe um 88 CHF / Tier höher als die entsprechenden Kosten

für die NZ-Gruppe. Der Erlös im Schlachthof differierte

um 112 CHF / Tier zwischen der Neuseeländischen Gruppe

(CHF 1558) und der Schweizer Gruppe (CHF 1670). Bei der

Annahme von 14,50 CHF / kg SG für ein T3-Kalb generie-

ren die NZ-Tiere einen um CHF 53 höheren vergleichbaren

Deckungsbeitrag als die Schweizer Tiere.

D i s k u s s i o n u n d S c h l u s s -f o l g e r u n g e n

Im vorgestellten Versuch konnte die Masteignung der

beiden Holstein Friesian Typen unter Schweizer Praxisbe-

dingungen aufgezeigt werden. Beide Gruppen erzielten

vergleichbare Resultate, die sich im Rahmen üblicher Käl-

bermastergebnisse in der Schweiz bewegen (Kunz 2009).

Die mittleren Masttageszunahmen der beiden Grup-

pen lagen zwischen 1320 g (NZ) und 1450 g (CH), der

Unterschied war jedoch nicht signifikant. Auch in ver-

gleichbaren Studien hatten neuseeländische Tiere tiefe-

re Zunahmen als nordamerikanische. In diesen Studien

ist zudem von statistisch signifikantem Unterschied aus-

zugehen (Keane 2003; Stolzman et al. 1988; Reklewski et

al. 1985). Die geringeren Zunahmen der NZ-Kälber kön-

nen u.a. mit dem tieferen mittleren Einstallgewicht in

Verbindung gebracht werden. Zudem erreichen ausge-

wachsene NZ Holstein Friesian Tiere ein geringeres End-

gewicht als ihre europäischen / nordamerikanischen Ras-

senverwandten (MacDonald et al. 2007; Berry et al.

2005; Kolver et al. 2000).

Dass NZ-Tiere auf Grund des signifikant tieferen Ge-

wichts der Vorderfüsse einen geringeren Knochenanteil

im Schlachtkörper aufweisen (Reklewski et al. 1985),

können wir bestätigen. Ein tieferer Knochenanteil im

Schlachtkörper stellt einen Vorteil für den Abnehmer

dar, bringt den Produzenten jedoch keinen Zusatzerlös.

Korrigiert auf das Einstallgewicht konnten beim

Schlachtgewicht der beiden Gruppen keine signifikan-

ten Unterschiede festgestellt werden. Dies im Gegen-

satz zu Keane (2003) der in seiner Studie signifikant hö-

here Schlachtgewichte von nordamerikanischen/euro-

päischen Tieren verglichen mit neuseeländischen Mast-

tieren beobachtete. Bei der Taxierung fand Keane je-

doch keinen Unterschied. In der vorliegenden Arbeit

wiesen die neuseeländischen Tiere im Schnitt leicht

bessere Klassierungen auf, ohne dass der Unterschied

signifikant war.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um reine

Milchrassenkälber handelt, weisen auch die etwas jün-

geren NZ-Kälber eine gute Fleischigkeit auf und sind

trotz tieferen Zunahmen und tieferem Schlachtgewicht

als die Schweizer Tiere durchaus in der Lage, den er-

wünschten Ausmastgrad von 3 zu erreichen.

Die NZ-Tiere hatten aufgrund des tieferen Gewichts

und der tieferen Taxierungseinstufung beim Einstallen

einen geringeren Einstandspreis. Die qualitative Vergü-

tung pro kg Schlachtgewicht spielt ebenfalls eine Rolle

und war bei den NZ-Kälbern höher, was neben den Fut-

terkosten den vergleichbaren Deckungsbeitrag auch bei

Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast | Nutztiere

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Tab. 4 | Fleischfarbe und pH-Wert der beiden untersuchten Gruppen.

NZ-Gruppe CH-Gruppe

Anzahl Tiere n = 11 n = 24

Mittelwert (Ø) + / – Standardabweichung (SD) Ø* SD Ø SD

Fleischfarbe Fachperson1 1,2 + / – 0,40 1,4 + / – 0,49

Fleischfarbe Skala2 3,0 + / – 0,63 3,3 + / – 1,08

pH-Wert im Rückenmuskel(88 h post mortem) 5,545 + / – 0,065 5,537 + / – 0,053

* Die unterschiede zwischen den beiden gruppen waren nicht signifikant1 Beurteilung durch eine fachperson: 1 weiss, 2 rosa, 3 rot2 Beurteilung mit farbskala: 1 weiss – 6 rot

Page 36: Heft 4 2010

160

schwankenden Marktpreisen zugunsten der neuseelän-

dischen Tiere ausfallen lässt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass unter

den beschriebenen Versuchsbedingungen die neuseelän-

dischen Holstein Friesian tendenziell tiefere Zunahmen

und leichtere Schlachtgewichte generieren, dem Kälber-

mäster aber einen höheren vergleichbaren Deckungsbei-

trag erbringen. Grund dafür sind die tieferen Zukaufkos-

ten der NZ-Tränker, die geringeren Futterkosten und die

leicht höheren Verkaufspreise pro kg SG. n

Literaturb ALP, 2004. Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere und

Milchwirtschaft (ALP). Fütterungsempfehlungen und Nährwerttabellen für Schweine. Landwirtschaftliche Lehrmittelzentrale LmZ, Zollikofen, 242 Seiten.

b Berry D.P., Horan B. & Dillon P., 2005. Comparison of growth curves of three strains of female dairy cattle. Animal Science 80, 151 – 160.

b Keane M.G., 2003. Beef Production from Holstein Friesian bulls and steers of New Zealand and European/American descent, and Belgian Blue x Holstein Friesians, slaughtered at two weights. Livestock Production Science 84, 207 – 218.

b Kolver E.S., Napper A.R., Copeman P.J.A. & Muller L.D., 2000. A comparision of New Zealand and overseas Holstein Friesian heifers. Proceedings of the New Zealand Society of Animal Production 60, S. 265 – 269.

b Kunz P., 2009. Fütterung von Mastkalb und Mastrind. Vorlesungs-unterlagen TP-17, unveröffentlicht. Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen CH, 15 S.

b MacDonald K.A., McNaughton L.R., Verkerk G.A., Penno J.W., Burton L.J., Berry D.P., Gore P.J.S., Lancaster J.A.S. & Holmes C.W., 2007. A Comparison of Three Strains of Holstein-Friesian Cows Grazed on Pasture: Growth, Development, and Puberty. Journal of Dairy Science 90 (8), 3993 – 4003.

b McGee M., Keane M.G., Neilan R., Moloney A.P. & Caffrey P.J., 2005. Production and carcass traits of high dairy genetic merit Holstein, standard dairy genetic merit Friesian and Charolais × Holstein-Friesian male cattle. Irish Journal of Agricultural and Food Research 44, 215 – 231.

b Proviande (Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft), 2008. Der Fleischmarkt im Überblick 2008. Produzentenpreise, S.57.

b Reklewski Z., Jasiorowski H., Stolzman M., Lukaszewicz M. & De Laurans A., 1985. Beef performance of male crossbreds of different Friesian cattle strains under intensive feeding conditions. Livestock Production Science 12, 117 – 129.

b Roth N., 2009. Vergleich von zwei Typen von Holstein Friesian Mast-kälbern. Bachelor Thesis, unveröffentlicht, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen, 66 S.

b Stolzman M., Jasiorowski H., Reklewski Z., Zarnecki A. & Kalinowska G., 1988. Comparison of ten Friesian strains in Poland under field conditions. Strain comparison for growth rate. Livestock Production Science 18 (3 – 4), 217 – 237

b UFA 2009. Kosten in den Griff kriegen. UFA Revue 1, 40 – 42.

DankWir danken folgenden Personen herzlich für die tatkräftige Unterstützung und die gute Zusammenarbeit: Jörg Oberle von der Gefu Oberle AG und seinem Team, Familie Risi, Sempach (Betriebsleiter) und Adrian Scheidegger von der Frischfleisch AG Sursee und seinem Team.

Nutztiere | Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Page 37: Heft 4 2010

161

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

The Suitability for Fattening of Various

Strains of Holstein Friesian Calves

To determine their suitability for fat-

tening, 11 male New Zealand Holstein

Friesian calves and 26 Swiss Holstein

Friesian calves underwent a compara-

tive study within the framework of a

Bachelor Thesis at the Swiss College

of Agriculture SHL. Both test groups

were held and fed under the same

conditions for 100 days. The calves

had free access to a pure milk powder-

water mixture throughout the entire

duration of the test via an automatic

feeder. In addition, the calves were

given maize silage ad libitum as of the

17th day. This was supplemented with

a mineral preparation and a salt lick.

The weight gains of the New Zealand

calves were comparable to the pub-

lished results for the Swiss calves,

although average weight gains for the

Swiss calves were approximately 130 g

higher. This affected the development

of the average live weight and the

final weight of the Swiss calves. How-

ever, the differences were not statisti-

cally significant. The New Zealand

calves reached a considerably lower

forefoot weight, which points to a

lower bone content of the carcasses,

and an advantage for the buyer. The

carcasses for both groups were classi-

fied from T+3 to T-3 according to the

CH-TAX-system, with slight advantag-

es for the New Zealand calves.

Key words: Holstein Friesian, strain

comparison, fattening calves, daily

gains, growth curves, carcass quality.

Idoneità di due linee Holstein

per l’ingrasso di vitelli

Nell’ambito di una tesi di bachelor alla

scuola superiore svizzera di agricoltura,

SHL, sono stati confrontati undici vitelli

di sesso maschile della linea neozelan-

dese Holstein Friesian sulla loro idonei-

tà per l’ingrasso con altri 26 vitelli della

linea svizzera Holstein Friesian. I due

gruppi sono stati messi all’ingrasso alle

stesse condizioni di stabulazione e

foraggiamento per una durata di 100

giorni. Durante questo periodo, i vitelli

avevano libero accesso ad un abbevera-

toio automatico dal quale ricevevano

una miscela di acqua e latte in polvere.

Dal 17.esimo giorno d’ingrasso, i vitelli

ricevevano inoltre dell’insilato di

mais a volontà. Le razioni sono state

completate con un supplemento

minerale e una pietra salina. L’aumento

del peso d’ingrasso giornaliero

raggiunto dai vitelli neozelandesi è

confrontabile con quello ottenuto dai

vitelli svizzeri. La crescita giornaliera

media dei vitelli svizzeri era di 130 g

superiore e , di conseguenza, lo era an-

che il loro sviluppo del peso medio vivo

e finale Tuttavia, non vi sono differenze

significative. Le zampe anteriori dei

vitelli neozelandesi risultavano più

leggeri, indicando uno spessore osseo

più debole della carcassa il che rappre-

senta un vantaggio per l’aquirente.

Le carcasse dei due gruppi sono state

classificate principalmente da +T3 a -T3

del sistema CH-TAX con lievi vantaggi

per i vitelli neozelandesi.

Eignung verschiedener Holsteinlinien für die Kälbermast | Nutztiere

Agrarforschung Schweiz 1 (4): 154–161, 2010

Page 38: Heft 4 2010

In nur fünf Jahren ist die vom Schweizerischen National-

gestüt in Avenches ins Leben gerufene und organisierte,

öffentliche Jahrestagung des Netzwerks Pferdefor-

schung Schweiz zur wichtigsten und international aner-

kannten interdisziplinären Plattform der Forschenden

rund ums Pferd in der Schweiz geworden. In diesem Rah-

men hat sie sich auch zu einer interaktiven und transpa-

renten Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis entwi-

ckelt. So werden auch im Rahmen der fünften Veranstal-

tung 2010 nicht weniger als 32 Forschungsarbeiten prä-

sentiert, ein Nachwuchsforscher-Wettbewerb durchge-

führt und aktuelle wichtige Themen bearbeitet.

Zahlreiche Forschungsgruppen in der Schweiz, wie auch

das Schweizerische Nationalgestüt, beschäftigen sich

mit unterschiedlichsten Fragen rund um das Pferd. In ei-

ner bibliometrischen Studie von Clément und Bassecou-

lard (2004) zu total 6775 Publikationen der Jahre

1998 – 2000 beim Pferd belegt die Schweiz in der

Weltrangliste denn auch den 14. Rang. Diese Forschung

fand lange Zeit zum Teil in koordinierten Projekten statt,

häufig aber auch ohne Kenntnis darüber, was andere

Gruppen forschen, oft auch in Konkurrenzsituationen

und ohne den nötigen Kontakt und Wissensaustausch

mit den Akteuren in der Praxis. Die interessierten Kreise

aus der Pferdebranche, die letztendlich die Anwender

sind, wurden somit nur ungenügend informiert und

konnten ihre Bedürfnisse nur wenig bis gar nicht kund-

tun. Im Jahr 2005 wurde zur Verbesserung dieser Situa-

tion vom Schweizerischen Nationalgestüt das «Netz-

werk Pferdeforschung Schweiz» lanciert, das seither im

Rahmen von jährlich stattfindenden Tagungen durchge-

führt wird. Zielsetzungen hierbei sind

• die Schaffung einer Plattform für die

Pferdeforschung in der Schweiz

• die Vorstellung von aktuellen Arbeiten und Projekten

• der wissenschaftliche Austausch

• der Wissenstransfer zur Pferdebranche

• die Definition und Diskussion der Bedürfnisse der

Pferdebranche

• der Miteinbezug der Öffentlichkeit

Solche Veranstaltungen sind in Europa noch einzig-

artig. Ähnliche interdisziplinäre Tagungen wurden bis-

lang nur durch die französischen Nationalgestüte (jähr-

liche «Journée de recherche»), die European Association

for Animal Production (EAAP) und beispielsweise die

Göttinger Pferdetage (Deutschland) durchgeführt, je-

doch mit Fokussierung auf Forschende und direkte An-

wendende wie Agronomen und Tierärztinnen.

Organisation

Jährlich finden im Rahmen einer eintägigen Veranstal-

tung Präsentationen zur Forschung in Form von Vorträ-

gen und Poster statt. Hierbei handelt es sich um wissen-

schaftliche Arbeiten, Dissertationen, PhD-, Master-, Ba-

chelor- und auch qualitativ gute Semesterarbeiten aller

Fachgebiete. Alle Tagungsbeiträge werden vorgängig

von einer interdisziplinär zusammengesetzten wissen-

schaftlichen Kommission* fachlich begutachtet und bei

Fünf Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz

K u r z b e r i c h t

Zusammen stark: vernetzte Pferdeforschung.

162 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 162–165, 2010

Dominik Burger, Mireille Baumgartner, Iris Bachmann, Christine Grivel, Anne Rizzoli, Ruedi von Niederhäusern

und Pierre-André Poncet, Schweizerisches Nationalgestüt SNG, 1580 Avenches

Auskünfte: Dominik Burger, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 676 63 00

* Prof. Dr. Jörg Auer und PD Dr. Anton Fürst, Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich, PD Dr. Vinzenz Gerber, Vetsuisse-Fakultät Universität Bern, Dr. Stefan Rieder, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft Zollikofen, und Prof. Dr. Rico Thun, Chefredaktor Schweizer Archiv für Tierheilkunde

Page 39: Heft 4 2010

entsprechender Qualität als Zusammenfassungen in ei-

nem Sonderheft des «Schweizer Archivs für Tierheilkun-

de» als Tagungsunterlage (Proceedings) veröffentlicht

(Nationalgestüt 2006, 2007, 2008, 2009). Die besten Ar-

beiten der Nachwuchsforschenden werden im Rahmen

der Veranstaltung prämiert (Preise durch wissenschaftli-

che Kommission, Zucht- und Sportpreis durch Personen

diesbezüglicher Verbände). Zudem werden alle Aktivi-

täten und Beiträge sowie weitere Infos und Interviews

über die Homepage www.netzwerkpferdeforschung.ch

dem breiten Publikum zugänglich gemacht (Nationalge-

stüt 2010).

Um in diesem Rahmen einen attraktiven Wissens-

transfer zu gewährleisten, wurden für das nicht-wissen-

schaftliche respektive das nicht-fachspezialisierte Publi-

kum parallel stattfindende Workshops (2006 / 2007) und

Diskussionsrunden (2008) sowie eine Plenarsession

(2009) mit auf Transparenz und Verständlichkeit ausge-

richteten Beiträgen zu ausgewählten Themen durchge-

führt; neben bereits bearbeiteten Gebieten wie Ge-

sundheit, Training oder Selektion wurden dabei auch

prospektiv Herausforderungen wie Tierschutz und Ethik

in Sport und Zucht ins Tagungsprogramm aufgenom-

men. Zudem wird im Rahmen der zweisprachigen Ver-

anstaltung seit zwei Jahren eine Simultanübersetzung

angeboten. Das bewährte Konzept von 2009 wird 2010

wieder übernommen.

Diese Jahrestagungen dienen nicht nur dem erfolgrei-

chen Wissensaustausch und -transfer, sondern auch einer

proaktiven Ermittlung der Probleme und Bedürfnisse der

Pferdebranche. Wie an verschiedenen anderen Veranstal-

tungen des Gestüts wird zu diesem Zweck seit 2007 ein

speziell konzipierter Fragebogen aufgelegt. Derselbe Fra-

gebogen wurde 2008 / 2009 auch an alle 32 Schweizer

Pferdezucht- und Sportorganisationen versandt.

Die finanziellen Mittel zur Durchführung der Veran-

staltung werden alljährlich durch Stakeholder aus Indus-

trie, Versicherungen und Verbänden zur Verfügung ge-

stellt. Diese werden auf der Homepage, im Werbemate-

rial wie auch an der Tagungsausstellung zur Geltung

gebracht.

Beteiligte Institutionen

An den fünf Jahrestagungen zur Pferdeforschung nah-

men nicht weniger als 119 verschiedene Forschergrup-

pen teil, davon 52 aus öffentlichen Institutionen und

Stiftungen und 18 aus privaten (Abb. 1). 49 Partner

stammten aus dem Ausland, davon acht aus den USA.

Auffallend ist dabei eine Dominanz von veterinärmedi-

zinischen Institutionen. Die Erstautoren verteilen sich

vor allem auf die beiden Vetsuisse-Fakultäten Bern (68)

und Zürich (35), aber auch das Nationalgestüt (22) und

die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft

Zollikofen (13). Die hohe Anzahl von 41 Koautoren-

schaften zeigt die vom Nationalgestüt betriebene

Netzwerk-Arbeit auf. Weiter lässt sich ein breites Spek-

trum von anderen interessierten Institutionen feststel-

len, jedoch auch eine noch weit gehende Absenz von

humanwissenschaftlichen Partnern. Bei der Interpreta-

tion dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass nicht alle

Beiträge einen äquivalenten wissenschaftlichen Gehalt

aufweisen.

Teilnehmende an der Jahrestagung

Seit der ersten Durchführung der Jahrestagung ist die

Teilnehmerzahl kontinuierlich gestiegen. Der bisherige

Fünf Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz | Kurzbericht

163Agrarforschung Schweiz 1 (4): 162–165, 2010

Abb. 1 | Beteiligte Forschungsgruppen an den Jahrestagungen Netzwerk Pferdeforschung Schweiz von 2006 – 2010 mit Anzahl publizierter Abstracts (Erst- und Koautorenschaften) in Proceedings im Schweizer Archiv für Tierheilkunde.

AndereETH Zürich (4)Schweizerische Hochschulefür Landwirtschaft, Zollikofen (23)

Schweizerisches Nationalgestüt SNG, Avenches (63)

Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich (55)

Vetsuisse-FakultätUniversität Bern (132)

Page 40: Heft 4 2010

2010 von den total 32 eingereichten Beiträgen nur noch

zehn auf rein veterinärmedizinische Themen. Nicht we-

niger als elf sind der Zucht, der Reproduktion und der

Genetik zuzuordnen. Je vier der Leistung und dem Ver-

halten sowie drei der Fütterung.

Probleme und Bedürfnisse der Pferdebranche

Die Evaluation der Fragebogen seit 2007 enthält

die Antworten von bisher insgesamt 245 Personen, wo-

von sich 111 als aktive Züchter und 188 als Reiter und

Fahrer ausgaben, davon 28 respektive 17 Verbandsver-

treter. Für die Züchterschaft ergeben sich «Fruchtbar-

keit», «Selektion» und «Genetik» als vordringlichste

Forschungs themen, für die Reiter und Fahrer «Krankhei-

ten», «Wohl befinden» und «Fütterung».

In Zusammenarbeit mit dem «Observatoire Filière

Cheval» wurden in diesem Rahmen auch komplexe Pro-

blemkreise der Pferdebranche wie Ethik, Umsetzung

Tierschutzgesetzgebung, Wissenstransfer sowie Pferd

um Umwelt identifiziert und thematisiert.

Diese Ergebnisse und Beobachtungen stimmen mit

der bisher in Europa einzigen den Autoren bekannten

Studie des Comité d’orientation scientifique et tech-

nique (COST) der französischen Nationalgestüte (Duche-

min und Bernard 2007) weitgehend überein und ent-

sprechen einem allgemein grösseren Bedürfnis nach

konkreten Problemlösungen, aber auch nach inter- und

transdisziplinärer Beratung und Kenntnissen.

Zukünftige Zielsetzungen

Neben der Beibehaltung der Jahrestagung ist geplant,

eine noch intensivere und kontinuierlichere Zusammen-

arbeit der an der Forschung beteiligten Institutionen

164 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 162–165, 2010

Kurzbericht | Fünf Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz

Maximalwert von 245 Personen wurde 2009 erreicht.

Dies macht die Jahrestagung zur grössten in der Schweiz

periodisch durchgeführten wissenschaftlichen Veran-

staltung rund ums Pferd. Der stetige Zuwachs ist auf die

vermehrte Beteiligung von Vertretern der Pferdebran-

che und der Industrie zurückzuführen. Die Anzahl For-

schender und praktizierender TierärztInnen blieb kons-

tant (Abb. 2). Im Jahre 2009 nahmen nicht weniger als 53

führende Repräsentanten von Zucht- und Sportorgani-

sationen teil. Im Weiteren ist eine deutliche Zunahme

von interessierten Vertretern von Forschungsinstitutio-

nen aus dem benachbarten Ausland festzustellen.

Wissenschaftliche Themen

Über viele Jahre hinweg befasste sich die Schweizer

Pferdeforschung fast ausschliesslich mit veterinärmedi-

zinischen Themen. In der Studie von Clément und Basse-

coulard (2004) zu den Publikationen der Jahre

1998 – 2002 finden sich im internationalen Ranking der

Forschungsinstitutionen die Veterinärmedizinische Fa-

kultät der Universität Zürich an 37. respektive die Uni-

versität Bern an 42. Stelle. Bei der Analyse der Themen

der an den Jahrestagungen des Netzwerks vorgestell-

ten wissenschaftlichen Arbeiten findet sich seit Beginn

der Durchführung eine Dominanz von tierärztlichen Bei-

trägen (Prävention, innere Medizin und Bewegungsap-

parat), gefolgt von Genetik sowie Wohlbefinden und

Verhalten (Abb. 3). Auffallend ist hierbei über die Jahre

hinweg und insbesondere 2010 der Anstieg von nicht

ausschliesslich veterinärmedizinischen Beiträgen, was

auf die angestrebte zunehmende Interdisziplinarität

der Schweizer Pferdeforschung im Interesse der Pferde-

branche hindeutet. So entfallen bei der Austragung

Abb. 2 | Anzahl Teilnehmende an den Jahrestagungen Netzwerk Pferdeforschung Schweiz von 2006–2009 nach Funktion.

Forschende

Pferdehalter und Vertreter Verbände

Praktizierende TierärztInnen

Studierende und Doktorierende

Industrie und Sponsoren

Presse

Organisation und Nationalgestüt

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

2009 2008 2007 2006

Anzahl Teilnehmer

Page 41: Heft 4 2010

anzustreben. Dies soll mittels einer periodischen Kom-

munikation und Kollaboration von geplanten bezie-

hungsweise aktuellen Projekten über einen elektroni-

schen Newsletter erfolgen. All das, wie auch eine in die-

sem Rahmen verstärkte Zusammenarbeit mit Medien,

Verbänden und Veranstaltern, soll weitere Synergien

und eine bessere Koordination unter Einbezug der Bran-

che ermöglichen, aber auch weitere neue Netzwerke

(z. B. genomische Forschung) und finanzielle Ressourcen

schaffen. Somit kann auch den Bedürfnissen der For-

schenden noch besser Rechnung getragen werden.

Im Weiteren wird derzeit in Zusammenarbeit mit der

Horse Commission der EAAP und interessierten For-

schungsgruppierungen aus dem Ausland ein europäi-

sches Netzwerk aufgebaut. Synergien und neue Mög-

lichkeiten werden hierbei auch von den Aktivitäten der

neu gegründeten European State Stud Association

(ESSA) zur Mitbeteiligung an der Forschung und am Wis-

senstransfer erwartet.

Schlussfolgerungen

Der Erfolg der Jahrestagungen des Netzwerks Pferde-

forschung, insbesondere auch bei den Konsumenten

der Forschung, zeigt die Notwendigkeit eines transdis-

ziplinären Ansatzes auf. Dank transparenter und ver-

ständlicher Kommunikation wird nicht nur Wissen,

sondern auch Vertrauen geschaffen. Dank der damit

möglichen Definition der Probleme sowie der Bran-

chenbedürfnisse an die Forschung resultieren praxiso-

rientierte, anwendbare und schnell umsetzbare For-

schungsergebnisse. Umgekehrt kann die Forschung

selbst dank national und international sowie interdiszi-

plinär vernetzter Denk- und Handelsweise von neuen

Synergien und Kollaborationen wie auch von der Mobi-

lisierung von neuen Drittmitteln profitieren. Das sind

Grundsteine für das Erreichen der Ziele der Schweizer

Landwirtschaft in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und

Wohlbefinden des Pferdes. n

Fünf Jahre Netzwerk Pferdeforschung Schweiz | Kurzbericht

165Agrarforschung Schweiz 1 (4): 162–165, 2010

Abb. 3 | Beiträge an den Jahrestagungen Netzwerk Pferdeforschung Schweiz von 2006–2010 nach Thematik.

25

20

15

10

5

0

Anz

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2006

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Oek

olog

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Ges

chic

hte/

Arch

äolo

gie

Dive

rse

2007 2008 2009 2010

Literaturb Clément F. & Bassecoulard C., 2004. La recherche équine en France

et dans le monde au travers d’une analyse bibliométrique. INRA Prod. Anim. 17 (1), 69-76.

b Duchemin M.H. & Bernard A., 2007. Evaluation quantitative des besoins en matière de recherche équine. Rapport d’étude COST Haras nationaux France, Paris.

b Nationalgestüt, 2006. 1. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung. Schweizer Archiv für Tierheilkunde 148 (4), 199 – 213.

b Nationalgestüt, 2007. 2. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung. Schweizer Archiv für Tierheilkunde 149 (4), 173 – 187.

b Nationalgestüt, 2008. 3. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung. Schweizer Archiv für Tierheilkunde 150 (4), 181 – 193.

b Nationalgestüt, 2009. 4. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung. Schweizer Archiv für Tierheilkunde 151 (4), 177 – 287.

b Nationalgestüt, 2010. Netzwerk Pferdeforschung Schweiz. Zugang: http://www.netzwerkpferdeforschung.ch [18. Februar 2010].

Page 42: Heft 4 2010

Hans Ramseier: Es begann mit einem Unfall

Hans Ramseier war 21 Jahre alt, als er mit dem Auto

schwer verunglückte. Im Paraplegikerzentrum bereitete

er sich auf ein Leben im Rollstuhl vor, bis seine Wirbelver-

letzung entgegen den ersten Diagnosen doch noch ope-

riert werden konnte. Bald konnte er wieder gehen, aber

eine Behinderung blieb zurück. Was nun? – Der Bauern-

sohn aus dem Emmental stand kurz vor dem Abschluss

seiner Bauernlehre. Ein anderer Beruf hatte nie zur Dis-

kussion gestanden. Die Landwirtschaft war sein Leben,

das er nun neu planen musste. So fand er den Weg ans

Landwirtschaftliche Technikum in Zollikofen, wo er sich

zum Agroingenieur HTL ausbildete. Das Technikum heisst

heute «Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft

SHL», Hans Ramseier ist hier Dozent und die Landwirt-

schaft ist sein Leben.

Besondere Kulturpflanzen als Steckenpferd

«Ich bin schon über 20 Jahre an der SHL, ich bin ein Sessel-

kleber», schmunzelt Hans Ramseier über sich selbst. Das

Gegenteil ist wahr, denn er hat an der SHL bereits unge-

zählte Funktionen wahrgenommen und ist immer für

Neues zu haben. Ramseier ist Dozent für Pflanzenschutz

und ökologischen Ausgleich. Diese Themenfelder sieht er

nicht als Gegensatz sondern als logische Kombination,

«denn die Landwirtschaft soll qualitativ hochstehende

Nahrungsmittel produzieren und gleichzeitig die Ökolo-

gie einbeziehen». Sein Ansatz ist der integrierte Anbau,

aber die Faszination für den konsequent auf die Vermark-

tung ausgerichteten Biolandbau ist deutlich spürbar. Ne-

ben dem Unterricht ist Hans Ramseier – wie an Fachhoch-

schulen üblich – auch in der Forschung tätig. Die grösse-

ren Projekte widmen sich dem ressourcenschonenden

Ackerbau. Zurzeit laufen zum Beispiel vielversprechende

Versuche mit Weissklee-Einsaaten zur Unkrautunterdrü-

ckung. Der Klee soll aber auch den Boden schützen und

dank der Stickstoffbindung mithelfen, Energie zu sparen.

Denn die Herstellung künstlicher Stickstoffdünger ist ex-

trem energieaufwändig. Ramseier denkt ganzheitlich.

Mit Leidenschaft engagiert er sich für die Biodiversität

und besondere Kulturpflanzen, er experimentiert zum

Beispiel mit russischen Rispenhirsen oder Brau-Gerste zur

Herstellung lokaler Biersorten.

Mentor und Motivator

Der Praxisbezug ist ganz wichtig für Hans Ramseier: «Zwi-

schendurch muss ich die Erde riechen!» Kein Wunder be-

treut der verhinderte Bauer auch die kleinen Versuchs-

parzellen vor dem Campus in Zollikofen – oft eigenhän-

dig. Ramseier kommt morgens so früh an die SHL, als

müsste er in den Stall. Seine Begeisterung ist zum Glück

sehr ansteckend; er ist es nämlich, der die jungen Men-

schen begleitet, welche vor dem Studium ein Landwirt-

schaftspraktikum absolvieren. Dutzenden hilft er jedes

Jahr bei der Suche eines geeigneten Betriebs und ist mit

persönlicher Beratung zur Stelle, wenn es einmal nicht

rund läuft. «Hans» ist für sie die erste Bezugsperson an

der SHL und bleibt für viele ein geschätzter Mentor und

Motivator, manchmal weit über die Studienzeit hinaus.

Hans Ramseier gibt der SHL ein sympathisches Gesicht, für

sie war sein Unfall ein Glücksfall.

Urs Wehrli, Informationsbeauftragter, Schweizerische Hochschule

für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen

166 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 166, 2010

Hans Ramseier (Foto: Reto Baula, SHL)

P o r t r ä t

UNO-Jahr der Biodiversität 2010

Hans Ramseier gehört zu den Initianten des Wett-

bewerbs «Biodiversität in der Landwirtschaft».

Prämiert werden Ideen zur Förderung der Vielfalt

(Arten, Genetik, Lebensräume).

Eingabefrist 15.6.2010. Info: www.agrigate.ch

Page 43: Heft 4 2010

Aktuell

167Agrarforschung Schweiz 1 (4): 167–171, 2010

Fachtagung vom 6. Mai 2010Landwirtschaftliche und veterinär-medizinische Tier ernährungsforschung im Verbund

Die diesjährige

Fachtagung zur

Tierernährung ist

dem Zusammen-

spiel von Agrar-

wissenschaften

und Veterinär-

medizin auf dem

Gebiet der Tier-

ernährung ge-

widmet. Sie wird zum ersten Mal gemeinsam von der

Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, der

Vetsuisse Fakultät Universität Zürich, der Vetsuisse Fa-

kultät Universität Bern und der ETH Zürich durchgeführt.

Nachdem die Leiter der beteiligten Forschungsinstitu-

tionen die Besonderheiten und Ziele ihrer Forschung und

ihrer Forschungsprogramme vorgestellt haben, werden

anhand aktueller Beispiele die Schnittstellen zwischen

landwirtschaftlicher und veterinärmedizinischer Tierer-

nährungsforschung näher beleuchtet.

Eine sehr reichhaltige Posterausstellung, mit aktuel-

len Arbeiten der Beteiligten Organisationen und weiterer

Forschungs- und Bildungsinstitutionen, erwartet die Teil-

nehmerinnen und Teilnehmer nach dem Mittagessen.

Zum Abschluss wird Dr. Alfred Buess, Präsident des

Landwirtschaftlichen Forschungsrats, einen Bogen über

die aktuelle Schweizerische Nutztierforschung spannen.

Programm:

Das detaillierte Programm, sowie alle Anmeldungs-

unterlagen finden sie auf der Homepage von ALP

www.agroscope.ch, sowie unter derjenigen des

Instituts für Nutztierwissenschaften der ETH-Zürich

www.an.ipas.ethz.ch

A k t u e l l

US-Forscher basteln Hühnerfleisch aus Soja Eine Huhn-Imitation aus Soja, die dem Original sehr na-

hekommen soll, haben Forscher der University of Mis-

souri präsentiert. Dank einer speziellen Verarbeitungs-

technik sei es ihnen gelungen, eine Hühnerbrust aus

Sojamehl herzustellen. Ziel der Forscher war es, neben

Hühnergeschmack und -farbe auch den Aufbau und die

Bissqualität des Hühnerfleischs zu imitieren. Die Vorteile

der Erfindung für den Konsumenten seien gesundheitli-

cher Natur. Soja enthalte wichtige Nahrungsbestandtei-

le, die das Cholesterol senkten, die Knochen stärkten

oder Prostata- und Brusttumoren vorbeugen könnten.

Soja sei ausserdem eine gute Quelle für essentielle Fett-

säuren. Einer Vermarktung des Erzeugnisses stehe nur

noch die Feinabstimmung des Schmacks im Weg.

Agra-Europe 7 / 10. 15. Februar 2010

Sojagetränke sind kein Ersatz für Milch Sojagetränke sind kein vollwertiger Ersatz für Milch. Da-

rauf hat der parlamentarische Staatssekretär vom deut-

schen Bundeslandwirtschaftsministerium hingewiesen.

In der EU dürften Sojagetränke auch nicht als «Soja-

milch» verkauft werden. Bei der Bezeichnung Milch

müsse es sich immer um ein tierisches Lebensmittel han-

deln. Auch wenn Sojamilch so aussehe und verwendet

werden könne wie Milch, bleibe sie ein pflanzliches Le-

bensmittel.

Agra-Europe 7 / 10, 15. Februar 2010

Forschungsprojekt zur Entschlüsselung des Schaf-Erbgutes Die Entschlüsselung der DNA-Sequenz im Genom von

Schafen ist das Ziel eines Forschungsvorhabens, das Wis-

senschaftler des Leibniz-Institutes für Nutztierbiologie

(FBN) in Dummerstorf zusammen mit Kollegen aus Aust-

ralien, Neuseeland, Grossbritannien und den USA durch-

führen. Institutsangaben zufolge wird von der vollstän-

digen Sequenzierung und Aufklärung der Genstruktur

ein tieferes Verständnis der Biologie und Evolution von

Wiederkäuern erwartet. Die Ergebnisse bildeten nicht

nur die Basis, um das Schafgenom im Detail zu verstehen,

sondern stellten auch einen Ansatzpunkt dar, um neue

Strategien für die Zucht aufzuzeigen. So könnten zum

Beispiel umweltangepasste Schafe entwickelt werden,

die mit den lokalen Gegebenheiten einer Region opti-

mal auskämen und sehr gute Erträge lieferten.

Agra-Europe 7 / 10, 15. Februar 2010

Tierernährung ist sowohl für die Agrarwissenschaft wie für die Tierme-dizin ein wichtiges Forschungsthema.

Page 44: Heft 4 2010

Aktuell

168 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 167–171, 2010

«Offene Türen» in Changins vom 18. bis 20. Juni 2010

Die Forschungsanstalt

Changins wird vom

Freitag, 18. Juni bis

Sonntag, 20. Juni 2010

zum Thema «Die Ernäh-

rung von morgen: Eine

Herausforderung für

die Forschung von heu-

te» dem Publikum seine

Türen öffnen. Den Be-

suchern werden dabei

beim Durchlaufen von

sechs Stationen die He-

rausforderungen der

Ernährung von morgen

veranschaulicht.

Station 1: Eine unversehrte Umwelt

Agroscope Changins-Wädenswil ACW und ihre Partner

(CIPEL, Sol-Conseil oder die SKEW) fördern eine umwelt-

gerechte Nahrungsmittelproduktion. An dieser ersten

Station entdecken die Besucher

• diverse alternative Methoden, die zur Unkrauts-,

Krankheits- und Schädlingsbekämpfung

eingesetzt werden;

• verschiedene Aktionen zur Erhaltung der Wasser-

qualität, der Vielfalt an Wildpflanzen in unserem

ländlichen Raum sowie der Bodenfruchtbarkeit.

Station 2: Die Pflanze in ihrem Lebensraum

Hier wird anhand der wichtigsten im Ackerbau, im Obst-

bau und in der Kultur von Medizinalpflanzen eingesetz-

ten Arten gezeigt, wie wichtig die Vielfalt und die Zertifi-

kation im Schweizer Produktionsumfeld ist. Die Arbeiten

zum Erhalt der genetischen Ressourcen werden dabei mit

vielen Abbildungen veranschaulicht. Die Aktionen im

Rahmen dieser Themen oder in nachgelagerten Berei-

chen werden von unseren Partnern DSP, Swisssem, dem

SGPV und Sol-Conseil vorgezeigt. Der Einfluss des Klimas,

des Standortes oder der Düngung wird ebenfalls erklärt.

Station 3: Ernährungssicherheit

Wie kann in der Schweiz die Versorgung an gesunden

Nahrungsmitteln gesichert werden? Diese Station stellt

einige Untersuchungen vor, die zu den wichtigsten Fut-

termittel- und Ackerbaupflanzen durchgeführt wurden.

Sie beleuchtet diverse Aspekte im Zusammenhang mit

der mikrobiologischen Produktesicherheit und dem für

die Entstehung von Giftstoffen auf den Getreide- und

Maiskörnern verantwortlichen Pilzbefall. Das For-

schungsprogramm ProfiCrops zur Förderung der Wett-

bewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft sowie der

ADCF werden ebenfalls vorgestellt.

Station 4: Erlebnisse, Spiele und Wettbewerbe

Verschiedene Aktivitäten sind zur Unterhaltung von

Gross und Klein vorgesehen. Eine spielerische Einfüh-

rung in die Landwirtschaft und ihre Erzeugnisse, ein Er-

lebnispfad, wo Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn so-

wie das Sehen gefordert sind, zusammen mit anderen

spannenden Vorführungen, werden den Besuchern jeg-

lichen Alters die Bedeutung und die Schönheit unserer

Landwirtschaft näherbringen. Eine Minitraktorfahrt,

Ballone-Steigenlassen und andere Spiele stehen eben-

falls auf dem Programm. Jedes Kind wird als Gast hohen

Ranges empfangen.

Station 5: Qualität, Freude und Gesundheit

Schmackhafte und qualitativ hochstehende Nahrungs-

mittel tragen zur Gesundheit und zur Freude am Essen

bei. Die ACW-Forschung wird hier durch verschiedenste

Produktedegustationen veranschaulicht – Brot, Wein,

Destillate, Früchte, Kartoffeln, Ribelmais und Öl – wel-

che die geschmackliche Vielfalt nach Produktionsme-

thode, Standort oder Sorte bezeugen. Agridea, die

SKEK, die Hochschule Changins, Equiterre, Swisspatat

und der Schweizerische Obstverband sind ebenfalls an

dieser Station vertreten.

Page 45: Heft 4 2010

169Agrarforschung Schweiz 1 (4): 167–171, 2010

Aktuell

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Lärm und Vibrationen beim Melken Auswirkungen auf Tier und Mensch

ART-Bericht 720Sanierungsmassnahmen zur Reduktion von Lärm und Vi-

brationen in Melkanlagen führen zu einer Verbesserung

der Eutergesundheit beziehungsweise einer Absenkung

des somatischen Zellgehalts der Milch (FAT-Berichte

Nr. 625). In der «Richtlinie zur Installation von Melkanla-

gen» wird daher empfohlen, Grenzwerte von 70 dB(A)

Lärm und 0,3 m / s2 Vibrationen (Branchenstandard An-

hang 3, Abs. 7) nicht zu überschreiten. Über die Auswir-

kungen von Lärm und Vibrationen auf das Wohlbefin-

den von Kuh und melkender Person ist jedoch bislang

wenig bekannt. In der vorliegenden Untersuchung wur-

de daher anhand geeigneter ethologischer und physio-

logischer Parameter das Ausmass der Belastung auf das

Tier erfasst. Die Untersuchung der Auswirkungen auf

die Melker erfolgte mittels Befragungen.

Sowohl Lärm von 80 dB(A) und Vibrationen von

0,5 m/s2 an Kotblechen und Melkstandgerüst als auch

die Kombination aus beiden führten zu einem veränder-

ten Tierverhalten und einer erhöhten Herzfrequenz. Al-

lerdings waren die beobachteten Unterschiede während

Versuchsvarianten mit erhöhter Lärm- und Vibrationsin-

tensität im Vergleich zur Kontrollvariante (70 dB(A),

0 m/s2) in ihrer absoluten Grösse so gering, dass nicht auf

eine Einschränkung des Wohlbefindens der Tiere ge-

schlossen werden kann. Befragungen der Melker in Tä-

nikon ergaben, dass die Vibrationen von 0,5 m/s2 nicht

wahrgenommen wurden. Eine Lärmintensität von 80

dB(A) empfanden sie hingegen als sehr unangenehm

und stellten zudem negative Auswirkungen auf die Qua-

lität ihrer Arbeit fest.

Maren Kauke, Pascal Savary,

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Station 6. Ethik und Ernährung

Verschiedene Forschungsbereiche zur Verbesserung der

Produktion werden hier vorgestellt: Verfahren zum Spa-

ren von Irrigationswasser oder zur Futtermittelproduk-

tion unter trockenen Bedingungen, Strategien zur Auf-

wertung der Berg- und Randzonen. Auch wird der Stel-

lenwert einer regionalen, biologischen und saisonge-

rechten Produktion aufgezeigt. Die Besucher werden

hier Antworten auf Fragen zur Schweizer Produktion

von Agro-Treibstoffen, zur Rolle von ACW im Bereich der

GVO und zum Beitrag von Mediplant an der weltweiten

Bekämpfung der Malaria finden.

Referate

Prof. Marcel Mazoyer, Agronom und Wirtschaftswissen-

schafter, Dozent für vergleichende Landwirtschaftskun-

de und -entwicklung am INRA Paris-Grignon, wird ein

Referat unter dem Titel Die Ernährung von morgen,

eine Herausforderung für heute halten.

Aline Clerc, Kultur- und Umweltingenieurin EPFL, verant-

wortlich für die Bereiche Landwirtschaft, Umwelt und

Energie bei der Fédération romande des consommateurs

(FRC), wird über das Thema Saison- und Regionalproduk-

te – Bedeutung der Labelproduktion referieren.

Wissenschaftliche Cafés

Wissenschaftliche Diskussionsrunden werden laufend

während der Tage der offenen Tür organisiert. Das The-

ma wird während 15 Minuten vorgestellt, darauf folgt

eine 15-minütige Diskussion. Diese interaktiven Kurzre-

ferate fördern das Knüpfen von engen Kontakten zwi-

schen Forschern und Publikum.

Page 46: Heft 4 2010

170 Agrarforschung Schweiz 1 (4): 167–171, 2010

Aktuell

19.03.2010 / ART Vor lauter Bäumen die Berge nicht mehr sehenDer landwirtschaftliche Strukturwandel macht der Landschaft im Berggebiet zu schaffen. Bäume und Büsche überwachsen nicht mehr genutzte Wiesen und Weiden, während auf zu intensiv be-wirtschafteten Flächen die biologische Vielfalt leidet. Nun sucht die Forschung nach Auswegen.

13.03.2010 / SNG Tagung des Netzwerks Pferdeforschung Schweiz: Pferde und Reiter unter der LupeAm 30. April 2010 findet in Avenches unter der Verantwortung des Schweizerischen Nationalge-stüts SNG die 5. Tagung des Netzwerks Pferdfor-schung Schweiz statt. Es werden unter anderem die neusten wissenschaftlichen Resultate zu Leis-tung, Krankheiten und Prävention, Zucht und Ge-netik und zum Verhalten des Pferdes präsentiert.

11.03.2010 / ACW In-vitro-Kultur erweckt alte Schweizer Kartoffelsorten zum Leben17 alte Kartoffelsorten konnten 2009 wieder auf den Schweizer Markt gebracht werden. Sie wur-

den wegen der Anfälligkeit für verschiedene Krankheitserreger nicht mehr angebaut. Nun ha-ben Fachleute der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW diese alten Sorten sa-niert und vermehrt – mittels In-vitro-Kultur, denn ACW ist eine Pionierin im Bereich Pflanzenbio-technologie.

25.02.2010 / ACW Das Klima stresst die RebeUmwelt-Faktoren beeinflussen das Gedeihen von Reben, eine Hauptrolle spielen dabei Wasser- und Temperatureinflüsse. Experten der Forschungsan-stalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW befas-sen sich daher mit der Wasserreserve im Boden, der Verteilung der Niederschläge und dem Ein-fluss des Klimawandels. Diese Umwelt-Faktoren sind weitgehend für den Stress der Rebe verant-wortlich. Dadurch häufen sich physiologische Stö-rungen, welche im Verdacht stehen, die Qualität der Trauben und Weine zu beeinflussen.

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

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171Agrarforschung Schweiz 1 (4): 167–171, 2010

V e r a n s t a l t u n g e n

April 2010

22.4.20105. BioforschungstagungAgroscope Liebefeld-Posieux ALPPosieux

22.4.2010Zustand der Biodiversität in der SchweizAgroscope Reckenholz-Tänikon ARTReckenholz, Zürich

30.4.20105. Jahrestagung Netzwerkpferdeforschung SchweizSchweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches

Mai 2010

05. – 06.05.201010. Tagung – Landtechnik im AlpenraumAgroscope Reckenholz-Tänikon ART, Feldkrich, Österreich

06.05.2010Landwirtschaftliche und veterinärmedizinische Tierernährungsforschung im VerbundALP, ETHZ, Vetsuisse-Fakultäten Universitäten Zürich und Bern ETH ZürichInformationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen und www.an.ipas.ethz.ch

Juni 2010

03.06. – 05.06.2010IGN-Tagung 2010: Internationale Gesellschaft für NutztierhaltungAgroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen

06.06.2010Breitenhoftagung 2010, Treffpunkt der SteinobstbrancheAgroscope Changins-Wädenswil ACWWädenswil

16.06. – 17.06.2010Tänikoner AgrartechniktageAgroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen

18.06. – 20.06.2010Tage der offenen Tür 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACWChangins, Nyon

Aktuell

N e u e I n t e r n e t l i n k s

Interessante Links zu Pflanzenschutzmitteln

Pflanzenschutzmittelverzeichnis Schweiz

http://www.blw.admin.ch/psm/produkte/ index.html?lang=deIm Pflanzenschutzmittelverzeichnis Schweiz kann so-

wohl nach Produkt, Wirkstoff, Schaderreger wie nach

Anwendungsgebiet gesucht werden. So lassen sich alle

Informationen zu einem Pflanzenschutzmittel für eine

bestimmte Kultur in der Schweiz finden.

EU Pesticide Database

http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/ index.cfmIn der europäischen Datenbank kann nach Pestizid, Pro-

dukt und dem aktiven Wirkstoff gesucht werden.

Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzen-

schutzmitteln (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV)

vom 18. Mai 2005

http://www.admin.ch/ch/d/as/2005/3035.pdf

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Mai 2010 / Heft 5

• Auswirkungen der Düngung auf einen

Borstgrasrasen, R. Tenz et al. ART

• Der Verlust von Arten wirkt sich negativ

auf die Futterprodution aus, A. Stampfli

und M. Zeiter SHL und Universität Bern

• Produktion von Weidebeef auf Kunstwiesen:

Bedeutung des Rohrschwingels, E. Mosimann

et al. ACW und SHL

• Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, M. Lips ART

• Liste der empfohlenen Winterrapssorten

für die Ernte 2011

Artenreiche Wiesen werden sowohl durch Düngung wie durch Bewirtschaftung in ihrer Artenvielfalt und -zusammen-setzung beeinflusst. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

V o r s c h a u

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