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AgrArforschung schweiz
J a n u a r 2 0 1 0 | H e f t 1
Gesellschaft Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft Seite 4
Agrarwirtschaft Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems Seite 10
Nutztiere Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber Seite 18
Ag
rosc
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BLW
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HL
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GR
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Zü
rich
3 Editorial
Gesellschaft
4 Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft
Hans Wydler und Rachel Picard, Forschungs
anstalt Agroscope ReckenholzTänikon ART,
8356 Ettenhausen
Agrarwirtschaft
10 Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems Simon Lanz et al. Bundesamt für
Landwirtschaft BLW, 3003 Bern
Nutztiere
18 Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber
Isabelle Morel und André Chassot, Forschungs
anstalt Agroscope LiebefeldPosieux ALP,
1725 Posieux
Umwelt
24 Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung
Stefan Mann, Forschungsanstalt
Agroscope ReckenholzTänikon ART,
8356 Ettenhausen
Kurzbericht
30 Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft
Urs Gantner, Bundesamt für Landwirtschaft
BLW, 3003 Bern
34 Porträt
35 Aktuell
39 Veranstaltungen
InhaltJanuar 2010 | Heft 1
Soziale Dienstleistungen – als multifunktionaler Aspekt der Land wirt -schaft – erhalten durch die Bindung an den bäuerlichen Familien betrieb und den Kontakt zur Tier- und Pflanzenwelt eine ganz be sondere Qualität. Aktuell werden heute von mindestens 550 Fami lienbetrieben bezahlte soziale Dienstleistungen erbracht. Das Forschungsprojekt von ART unter-sucht Chancen, Schwierigkeiten und Potenzial für landwirtschaftliche Familienbetriebe rund um das Angebot soziale Dienstleistungen. (Foto: Gabriela Brändle, ART)
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope ChanginsWädenswil
ACW; Agroscope LiebefeldPosieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope ReckenholzTänikon ART)
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement Agrar und Lebensmittelwissenschaften
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
Redaktion Andrea LeuenbergerMinger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope LiebefeldPosieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, EMail: [email protected]
Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope ChanginsWädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, EMail: [email protected]
Sekretariat Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche AgronomiqueSuisse, Forschungsanstalt Agroscope LiebefeldPosieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, EMail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: JeanPhilippe Mayor (Direktor ACW), Eliane Rohrer (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel KellerDoroszlai (ART), Karin BovignyAckermann (BLW), Beat HuberEicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).
Abonnement Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]
Druckerei Glasson Imprimeurs Editeurs SA, 1630 Bulle
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA
Agroscope
Liebe Leserin, lieber Leser
Kundenumfragen zeigen es, die Arbeiten von Agroscope werden geschätzt
und gebraucht. Vorausschauend geben sie Antworten auf existenzielle Her
ausforderungen. Unsere natürlichen Ressourcen, allen voran Boden und
Wasser, sowie die fossilen Energieträger sind begrenzt. Eine nachhaltige
Nutzung der Produktionsfaktoren ist unerlässlich, damit die Land und Er
nährungswirtschaft im ländlichen Raum weiterhin gedeihen können. Das
hat Agroscope erkannt, lange bevor die Schlagzeilen zur Ernährungskrise
die Runde machten. Wer die Ressourcenökonomie am besten beherrscht
und am effizientesten umsetzt, wird zu den Leadern der Zukunft gehören.
Facettenreiche Projekte
Die Projekte von Agroscope sind vielfältig: Weiden im Berggebiet erhalten,
Sorten aus der Genbank im Permafrost lagern, gesunde Inhaltsstoffe in
Früchten und Gemüsen fördern, Informationsplattform für sichere Lebens
mittel schaffen, nachhaltige Pferdezucht fördern, Ackerbau wettbewerbs
fähig trimmen, Ammoniak aus Ställen auf der Spur sein... Diese Projekte und
Arbeiten haben im Grunde denselben Zweck: nachhaltig gesunde Nah
rungsmittel zu produzieren und dabei möglichst wenig Ressourcen zu ver
brauchen sowie möglichst viel Biodiversität und Landschaft zu schaffen.
Denn schlussendlich geht es darum, unserer Vision einer Land und Ernäh
rungswirtschaft für Mensch, Tier und Umwelt zum Durchbruch zu verhelfen.
Information ist unerlässlich
Die Zeiten des Forschens im stillen Kämmerlein gehören der Vergangenheit
an. Tue Gutes und sprich darüber: Agroscope muss noch vermehrt zeigen,
was sie alles leistet. Information und Kommunikation sind unerlässlich und
heute Teil der Forschungsarbeit. Hier ist Agroscope auf gutem Weg und
wird noch zulegen: mit dem neuen einheitlichen Internetauftritt, mit dem
neuen Jahresbericht und nicht zuletzt mit der neuen zweisprachigen Zeit
schrift «Agrarforschung Schweiz», in der wir zusammen mit unseren wichti
gen Partnern in Forschung und Wissensaustausch sachlich und anschaulich
Forschungsergebnisse bekannt machen werden.
Agroscope sucht und pflegt den Kontakt mit den verschiedenen Kunden
gruppen. Sie vernetzt sich auch international mit Erfolg. Agroscope arbeitet
vermehrt sektorenübergreifend und multidisziplinär, zum Beispiel mit den
Forschungsprogrammen NutriScope, AgriMontana, ProfiCrops und Profilait.
Dies gilt es in Zukunft noch weiter zu intensivieren.
Nur so wird Agroscope unverzichtbare Partnerin im Agrar und Lebens
mittelbereich bleiben. Ihre Forschung muss rasch zu Antworten auf die
brennenden Fragen von heute beitragen und vorausschauend die Heraus
forderungen der Globalisierung, des Klimawandels und der Ernährungssi
cherheit anpacken. Dies setzt einen steten Lern und Verbesserungswillen
voraus. Das ist zwar fordernd, aber auch motivierend.
Kommunikation ist das A und O
Manfred BötschDirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW
Editorial
3Agrarforschung Schweiz 1 (1): 3, 2010
E i n l e i t u n g
Die gegenwärtige politische Diskussion setzt sich intensiv mit multifunktionalen Aspekten der Landwirtschaft auseinander. Soziale Dienstleistungen tragen in hohem Mass zu Integration, Teilhabe, Wohlbefinden und zur Lebensqualität von betreuten Menschen bei. Die Landwirtschaft erbringt hier Leistungen, die noch zuwenig Beachtung finden. Soziale Dienstleistungen können zwar auch ausserhalb der Landwirtschaft erbracht werden, sie erhalten aber durch die Bindung an
den bäuerlichen Familienbetrieb eine besondere Qualität (Kasten 1). Künftig ist mit einem sich ausweitenden
Markt und einer steigenden Nachfrage nach Sozialen
Dienstleistungen zu rechnen. Sozialpädagogische Inter
ventionen nehmen gegenwärtig zu. Ebenso steigt die
Zahl der Obhutsentzüge und im Bereich der Pflege und
Betreuung von älteren Menschen kann auf Grund der
demografischen Entwicklung mit einem ansteigenden
Bedarf nach Pflegeplätzen gerechnet werden. Der Be
reich der Betreuung und Pflege von Menschen mit
Behinderungen befindet sich aktuell in starkem Wandel.
Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft
G e s e l l s c h a f t
4 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
Hans Wydler und Rachel Picard, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen
Auskünfte: Hans Wydler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 32 06
1 Eigene Übersetzung aus dem «Memorandum of Understanding for the implementation of a European Research Action designated as COST 866 ‘Green Care in Agriculture’, 164th CSO Meeting, 29 – 30 March 2006».
Mit sozialen Dienstleistungen in landwirtschaftlichen Fa-
milienbetrieben sind alle Betreuungs-, Pflege-, Erzie-
hungs- und Bildungsangebote gemeint, die in landwirt-
schaftlichen Haushalten erbracht werden. Einen beson-
deren Stellenwert gewinnen diese Angebote, indem der
ländliche Lebenszusammenhang, das ländliche Milieu
und das Sozialumfeld für das Erbringen dieser Leistun-
gen einbezogen werden. So entfaltet die Teilnahme am
Leben und bei der Arbeit auf einem Bauernhof eine spe-
zifische Wirkung. Wichtig sind der Kontakt zur Tier- und
Pflanzenwelt, die Wirkung von Landschaft, das Erleben
von Tages- und Jahreszeitenrhythmus und die Beteili-
gung – nach Kräften und Fähigkeiten – bei den anfallen-
den Arbeiten. Besonderheit erhält dieses Umfeld, durch
die Zahl und Präsenz der Haushaltsmitglieder; durch die
Anschaulichkeit und die ersichtliche Notwendigkeit der
zu erledigenden Arbeiten, durch die mögliche Anpas-
sung der Aufgabenstellung an die Fähigkeiten und Kom-
petenzen der betreuten Person und der damit möglichen
Erfolgserlebnisse und der Sinnfindung. Eine weitere Be-
sonderheit stellt die Art und Weise dar, wie die Mitglie-
der des Haushalts den betreuten und gepflegten Perso-
nen begegnen. Diese Begegnung ist geprägt durch die
Bereitschaft, die Person zu akzeptieren und auch in den
Familienhaushalt zu integrieren. In englischsprachigen
Ländern wird häufig der Begriff von «Green Care» ver-
wendet, Green Care umfasst neben Care Farming aber
weitere Tätigkeitsfelder im Bereich der Gesundheitsför-
derung und Therapie. Eine Definition wurde von
Braastad (2006) vorgelegt: «‘Green care’ meint den Ge-
brauch eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs, der
Tiere und Pflanzen, des Garten, des Waldes und der um-
gebenden Landschaft als Grundlage für die Förderung
körperlicher und seelischer Gesundheit, wie auch der Le-
bensqualität verschiedener Zielgruppen».1 Damit sind –
über die Landwirtschaft hinaus – auch professionelle Ak-
tivitäten im Bereich Therapie und Rehabilitation gemeint
(z. B. tiergestützte Therapie oder Gartentherapie). Wei-
tere, meist synonym für Care Farming verwendete Be-
griffe sind: Farming for Health, aber auch Social Farming
(Soziale Landwirtschaft, l’agricoltura sociale,
l’agriculture sociale).
Kasten 1 | Soziale Dienstleistungen – Care Farming und Green Care
In der Schweiz erbringt rund ein Prozent der
bäuerlichen Familienbetriebe Soziale Dienst-
leistungen. Damit gehört die Schweiz bezüg-
lich der Verbreitung mit zu den führenden
europäischen Ländern im Bereich Care Farming.
Zu diesen Dienstleistungen zählen zum
Beispiel betreutes Wohnen und Arbeiten für
Menschen mit Behinderungen auf einem Bau-
ernhof, Familienplatzierungen von Kindern aus
sozial schwierigen Situationen in bäuerlichen
Pflegefamilien oder die Pflege von älteren
Menschen in bäuerlichen Familienbetrieben. In
verschiedenen europäischen Ländern werden
diese Aktivitäten gezielt gefördert und unter-
stützt und verschiedene Forschungsvorhaben
befassen sich mit dem Thema. Dabei sind For-
men, Zielgruppen und Art der Leistungen äu-
sserst vielfältig. Auch in der Schweiz bieten so-
ziale Dienstleistungen den Familienbetrieben
eine mögliche Diversifikationsstrategie mit
grossem Potenzial an. Die Vielfalt von Angebot
und Nachfrage, aber auch die unterschiedli-
chen Formen, wie Familienbetriebe beim Er-
bringen ihrer Leistungen unterstützt werden,
werfen eine Reihe Fragen auf. Diesen Fragen
geht ein Forschungsprojekt von Agroscope Re-
ckenholz-Tänikon ART nach.
Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft
Auch in der Schweiz werden persönliche Pflegebudgets
diskutiert, die sogenannte IVAssistenz. In den nächsten
Jahren sind alle Kantone gefordert, eine Leitbild für die
Behindertenbetreuung zu schaffen. Soziale Dienstleis
tungen können als spezielles Angebot mit besonderen
Qualitäten ein zielgruppengerechtes Angebot darstellen.
Wissenslücken füllen
Die Datengrundlage über strukturelle Diversifikation in
der Landwirtschaft – und dazu sind auch Soziale Dienst
leistungen zu rechnen – ist zur Zeit unzureichend. Insbe
sondere wenn nicht nur der Betrieb, sondern der ganze
Haushalt betrachtet wird, fehlen aussagekräftige Daten.
Paralandwirtschaft und Soziale Dienstleistungen stan
den bis anhin wenig im Fokus des Interesses landwirt
schaftlicher Forschung. Einige Hinweise können aus der
Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten (ZA) von
ART gewonnen werden: Rund ein Prozent der landwirt
schaftlichen Betriebe erbringen «Beratungs und Pfle
geleistungen». Werden solche Leistungen erbracht, so
liegt der Erlös (d. h. der Bruttoertrag, in der ZA als Rohl
eistung bezeichnet) im Rahmen anderer Diversifika
tionsstrategien wie dem Agrotourismus oder der Direkt
vermarktung (Abb. 1). Eine Auswertung der Zusatzbe
fragung der Landwirtschaftlichen Betriebszählung des
Bundesamtes für Statistik BFS zeigt, dass Paraland
wirtschaft regional sehr unterschiedlich verbreitet ist
(Abb. 2).2 Soziale Dienstleistungen wurden in der Befra
gung des BFS nicht erfasst, treten aber ebenfalls regio
nal ungleich verteilt auf.3
M e t h o d e n u n d e r s t e R e s u l t a t e
Befragung «aller» Betriebe mit
Sozialen Dienstleistungen
Ein laufendes Projekt von ART setzt sich zum Ziel, mit
einer Erhebung zum IstZustand solche Wissenslücken in
der landwirtschaftlichen Forschung zu schliessen und
Betreuungsleistungen erfordern viel Geduld, Zeit und Sozialkompetenzen
5Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
2 Die Daten dieser Darstellung stammen aus der Landwirtschaftliche Betriebszählung des Bundesamts für Statistik BFS, das im Jahr 2005 eine Zusatzbefragung zu den Nebentätigkeiten bäuerlicher Familien durchführte.
3 Dies kann aufgrund der im Projekt von ART ermittelten Netzwerke und Familienbetriebe geschlossen werden.
Zusa
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ng
Gesellschaft | Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft
6 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
das Feld der Sozialen Dienstleistungen in der Schweiz
besser auszuleuchten. Untersucht wird das bezahlte Er
bringen von Sozialen Dienstleistungen in landwirt
schaftlichen Familienbetrieben. Nicht untersucht wer
den Leistungen, die unentgeltlich im Sinne von Freiwilli
genhilfe oder Nachbarschaftshilfe erbracht werden,
auch wenn solche Leistungen in ländlichen Gebieten
besonders häufig sind (Schmid, 2001). Nach aktuellem
Wissensstand werden heute mindestens in 550 Familien
betrieben bezahlte Soziale Dienstleistungen erbracht.4
Die meisten dieser Haushalte/Betriebe arbeiten mit ei
ner Vernetzungs und Unterstützungsorganisation zu
sammen (im folgenden Netzwerk genannt). Verhältnis
mässig viele aktive Betriebe fanden sich im Kanton Bern.
Das Feld der sozialen Dienstleistungen ist äusserst
vielfältig. Häufig sind unter anderem die Betreuung von
Menschen mit Behinderung oder Familienplatzierungen
von Kindern und Jugendlichen in Problemsituationen.
Diese erfolgt häufig auch in Zusammenarbeit mit einem
Schulheim oder einer Organisation mit eigenem Schul
angebot. Menschen mit einer Suchtvergangenheit erle
ben auf einem Familienbetrieb eine Phase der körperli
chen und seelischen Stabilisierung. Auf Familienbetrie
ben werden auch ältere Menschen gepflegt und es wird
für Menschen mit Demenz gesorgt.
Die offenbar gute Qualität der geleisteten Arbeit
und möglicherweise auch der attraktive Preis führen ak
tuell zu einer grossen Nachfrage nach Partnerfamilien.5
Gleichzeitig sind Soziale Dienstleistungen für die bäuer
25000
20000
15000
10000
5000
0
2003
Handel, Verarbeitung, Direktverkauf (ohne Kelterei), Kostträger
Agrotourismus (Ferien, Schlafen im Stroh, Gastwirtschaft, Reitschule)
Pflege- und Beratungsleistungen
Schule auf dem Bauernhof
2004 2005 2006
Rohl
eist
unge
n in
Fra
nken
Abb. 1 | Rohleistungen aus vier Formen struktureller Diversi fika-tion: Mediane der Betriebe mit Leistungen, 2003 bis 2006 (in Franken).
4 Es ist davon auszugehen, dass weitere Familienbetriebe gefunden werden können.5 Ergebnis von verschiedenen Gesprächen mit Vertreter / innen von Netzwerken.
Quelle: zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten, forschungsanstalt reckenholz-Tänikon ArT; n = 2663 bis 3270, ungewichtete stichprobe, eigene Berechnung
70
60
50
40
30
20
10
0ZH BE
strukturelle Diversifikation
landwirtschaftliche Diversifikation
LU UR SZ OW NW GL ZG FR SO BL SH AR AI SG GR AG TG TI VD VS NE GE JU
Ant
eile
in P
roze
nt
Abb. 2 | Unterschiedliche Verbreitung von Diversifikation (nach Kanton, in Prozent).
strukturelle Diversifikation: Direktverkauf: 22.9 %, Verarbeitung: 17 %, Agrotourismus: 6.8 %, handwerk: 2.9 %, Bearbeitung und Verarbeitung von holz: 2.8 %, sonstige: 4.9 %; landwirtschaftliche Diversifikation: Vertragsarbeiten: 18.7 %, energie: 3.5 %, Aquakultur: 0.2 %. Datenquelle: zusatzbefragung zur Landwirtschaftlichen Betriebsdatenerhebung, 2005; n = 9849, ungewichtete stichprobe, eigene Auswertung.
Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft
7Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
lichen Familien eine grosse Herausforderung, denn es
handelt sich um eine Aufgabe, die viel Engagement, So
zial und Betreuungskompetenz benötigt. Damit diese
schwierige Aufgabe nicht zu Überforderung führt, ist
eine Unterstützung durch die Fachpersonen der Netz
werke wichtig. Das Forschungsprojekt von ART unter
sucht, welche Schwierigkeiten sich rund um das Ange
bot Sozialer Dienstleistungen ergeben und wo die
Chancen und das Potenzial für die landwirtschaftlichen
Familienbetriebe liegen.
Die Erfolgsgeschichte der niederländischen
«Zorgboeren»
Neben der Schweiz gibt es eine Reihe von europäischen
Ländern mit einer beachtlichen Verbreitung von Care Far
ming: zum Beispiel Belgien, Niederlande und Norwegen.
In diesen Ländern wird Green Care systematisch durch
Supportcenter gefördert. Das Beispiel der Niederlande ist
in der Literatur am besten dokumentiert und wird des
halb hier ausgeführt.
Care Farming ist in den Niederlanden eine Erfolgsge
schichte. Bereits vor zehn Jahren konnte ein Nationales
Supportcenter gegründet werden.6 Dieses hat insbeson
dere in der Anfangsphase wichtige Öffentlichkeits und
Unterstützungsarbeit geleistet. Ausserdem beriet es in
teressierte Familien. Die Qualitätssicherung stellt einen
Schwerpunkt der aktuellen Tätigkeiten des Supportcen
ters dar. In den Regionen sind im Laufe der Zeit eine Rei
he von lokalen Netzwerken entstanden, die einen wich
tigen Teil der Aufgaben übernahmen. Ein Vergleich ver
schiedener paralandwirtschaftlicher Dienstleistungen
in Holland zeigt, dass Soziale Landwirtschaft im Rahmen
solcher Diversifikationsstrategien äusserst erfolgreich
ist: Sie generiert die grösste Wachstumsrate und die
höchsten durchschnittlichen Erlöse pro Betrieb (Hassink
et al. 2007). Verschiedene Faktoren haben zu dieser Ent
wicklung beigetragen. Die Sozialhilfe ist so gestaltet,
dass es heute für Menschen mit chronischen Krankhei
ten und Behinderungen in den Niederlanden möglich
ist, die Versicherungsleistungen in Form eines persönli
chen Budgets zu beziehen und die entsprechenden Leis
tungen selber «einzukaufen». Verschiedene Studien so
wie die Einschätzungen einer sich für Green Care enga
gierenden Bank sprechen von einem beträchtlichem
Potenzial für die niederländische Green Care.
Europäische Innovationsplattformen zu Green Care
Unterschiedliche geschichtliche Wurzeln und länderspezi
fische Besonderheiten prägen die Entwicklung von Sozia
len Dienstleistungen in den Ländern und Regionen Euro
pas. Die «Community of Praxis (CoP) Farming for Health»
will diese Form von Innovation in Europa verbreiten und
schafft eine Plattform für einen europaweiten Erfahrungs
austausch sowie für Lobbying für Green Care. Sie wurde
Soziale Dienstleistungen sind vielfältig und unterschei-
den sich stark je nach Angebot und Zielgruppe. Eine rela-
tiv häufige Aktivität in der Schweiz stellt die Betreuung
von Menschen mit Behinderungen dar. Die meisten Sozi-
alen Dienstleistungen in der Schweiz werden in Zusam-
menarbeit mit einem Netzwerk erbracht; dies trifft auch
auf die Betreuung von Menschen mit Behinderungen zu.
So sucht beispielsweise das Netzwerk «Landwirtschaft
und Behinderte» (LuB) für ihre Klienten eine möglichst
optimal passende Partnerfamilie. Besuchstage und
Schnupperwochen ermöglichen ein gegenseitiges sich
Kennenlernen. Eine Probezeit folgt dieser Phase. Die be-
treute gepflegte Person lebt nun während 24 Stunden
an sieben Tagen in der Woche auf dem Hof. In der Regel
wird ein Vertrag für einen bestimmten Zeitraum abge-
schlossen. Die LuB unterstützt die Familienbetriebe in
der Folge durch verschiedene Dienstleistungen und
stellt sicher, dass in Notfällen die notwendigen Mass-
nahmen ergriffen werden. Alle 14 Tage organisiert die
LuB ein Wochenende für ihre Klientinnen und Klienten
in einem regionalen Stützpunkt. Hier habe sie die Mög-
lichkeit, Geselligkeit zu pflegen und Erfahrungen auszu-
tauschen. In der Regel wird auch ein Anlass organisiert
(z. B. eine gemeinsame Besichtigung). Für den Familien-
betrieb stellen diese Wochenenden eine Möglichkeit dar,
Zeit ohne ihre Gastperson zu verbringen. In regelmässi-
gen Abständen besucht eine Fachperson des Netzwer-
kes Familie und die betreute Person. Entwicklungsziele
und Zielerreichung der letzten Standortbestimmung
werden diskutiert und Ziele für die Folgezeit festgelegt.
Kasten 2 | Ein Beispiel: Menschen mit Behinderungen im Familienbetrieben
6 www.landbouwzorg.nl
2004 gegründet und umfasst Forschende, Interessenver
treterinnen und vertreter sowie Personen aus der Praxis.
Stark vertreten in der CoP sind Vertreterinnen und Vertre
ter verschiedener Therapieformen. Regelmässige Tagun
gen dienen der Diskussion sowie der Netzwerkbildung.
Die CoP hat die Erforschung und Förderung von Green
Care in den verschiedenen Ländern zum Ziel (Hassink und
van Dijk, Hrsg. 2006; Dessein, Hrsg. 2008). Die beiden fol
genden Aktivitäten entwickelten sich aus der CoP:
Im 6. EURahmenforschungsprogramm wurde ein
Projekt zu «Social Farming SoFar»7 durchgeführt. Über
greifende Projektziele lagen in der Förderung von Rah
menbedingungen für soziale Landwirtschaft und dem
verbesserten Austausch zwischen Forschung und Praxis
(siehe http://sofar.unipi.it). Das Projekt wurde zwischen
zeitlich abgeschlossen (Di Iacovo und O Conner, Hrsg.
2009).
Aus der CoP wurde auch die «Cost Action 866 Green
Care in Agriculture» im Rahmen der Ausschreibung des
7. EUForschungsprogramms initiiert. In dieser CostAc
tion werden drei thematische Arbeitsgruppen geführt:
• Erfassung von Effekten von Green Care (empirische
Evidenzen),
• ökonomische Bewertung dieser Leistungen und
• die Entwicklung von Policies zur Förderung von
Green Care.
Die COST866 soll insbesondere zur Bildung von For
schungskooperationen und europäischen Forschungs
projekten führen (Gallis, Hrsg., 2007).
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Soziale Dienstleistungen sind in der Schweiz wichtiger, als
man auf Grund des eher geringen Bekanntheitsgrads in
der Bevölkerung schliessen könnte. Rund ein Prozent aller
landwirtschaftlicher Betriebe in der Schweiz erbringt so
ziale Dienstleistungen. Trotz dieser – im Vergleich mit an
deren Tätigkeiten der Paralandwirtschaft – eher margi
nalen Verbreitung, ermöglichen soziale Dienstleistungen
den Haushalten einen wichtigen Nebenerwerb.
Die unterschiedliche regionale Verbreitung von Sozia
len Dienstleistungen weist auf lokale Entwicklungsge
schichten und Besonderheiten, aber auch auf vorhandene
Potenziale hin. Sollte auf eine weitere Ausschöpfung die
ses Potenzials hingearbeitet werden, ist das oberste und
wichtigstes Kriterium die Qualität der erbrachten Leistun
gen. Es geht um das Wohl der Klientinnen und Klienten,
aber auch um jenes der betreuenden Familien. Die bereits
existierenden Netzwerke sind ein gutes Instrumentarium
hierfür. Familienbetriebe müssen aber sowohl bei Ent
scheidungsfindung als auch bei der Wahl der Netzwerke
mit denen sie kooperieren, unterstützt werden.
Green Care wird als Forschungsgegenstand, wie
auch als Gegenstand staatlicher Politiken in vielen euro
päischen Ländern sehr ernst genommen. In einigen Län
dern gibt es eine intersektorale Politik zu Green Care.
Neben den Ländern mit bereits gut etablierten Sozia
len Dienstleistungen (Belgien, England, Finnland, Nieder
lande, Norwegen) kann in einigen Ländern ein Aufbruch
festgestellt werden (Bildung von Netzwerken, Start von
Forschungsprojekten, LobbyArbeit und Ähnliches) so in
Deutschland, Irland, Italien, Österreich, Schottland.
Diese Entwicklungen sowie erste Erkenntnisse aus
der Forschung von ART lassen darauf schliessen, dass das
Potenzial für Green Care auch in der Schweiz gross ist. Es
gibt in der Schweiz Familienbetriebe, die in der Lage
sind, diese Leistungen zu erbringen und es gibt eine
deutliche Nachfrage nach solchen Leistungen. Förde
rung und Unterstützung Sozialer Dienstleistungen be
dürfen eines besseren Wissensstandes und guter Grund
lagen. ART will mit dem Projekt zu Sozialen Dienstleis
tungen zur Erarbeitung dieser Grundlagen beitragen. n
8 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
Gesellschaft | Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft
7 Der vollständige Titel lautet: «Social Services in Multifunctional Farms SoFar». SoFar wurde im 6. EURahmenforschungsprogramm als Teil der Forschungspriorität 8.1.B.1.1 – «Modernisation and Sustainability of Agriculture and Forestry, including their multifunctional role in order to ensure the sustainable development and promotion of rural areas» unterstützt. Das Projekt startete im Mai 2006.
Care Farming: Soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft
9Agrarforschung Schweiz 1 (1): 4–9, 2010
Literaturb Braastad B., 2006. COST ACTION 866 Green Care in Agriculture – Draft
Memorandum of Understanding. COST Office, Brussels.b Dessein J., Ed. 2008. Farming for Health. Proceedings of the Community
of Practice Farming for Health, November 2007, Ghent, Belgium. Erasmus-Euroset, Merelbeke (BE).
b Di Iacovo F. & O Conner D., Eds. 2009. Supporting policies for Social Farming in Europe – Progressing Multifunctionality in Responsive Rural Areas. Herausgegeben von ARSIA Ed. 37 LCD, Firenze.
b Gallis C.T., Ed. 2007. Green Care in Agriculture: Health effects, Economics and Policies. Proceedings of the 1st European COST Action 866 conference. Herausgegeben von COST Ed. University Studio Press, Thessaloniki.
b Hassink J. & van Dijk M., Eds. 2006. Farming for Health: Green Care Farming across Europe and the United States of America. Wageningen University and Research Center Ed. 13 Frontis, Wageningen.
b Hassink J., Zwartbol C., Agricola H.J., Elings M. & Thissen J.T.N.M., 2007. Current status and potential of care farms in the Netherlands. NJAS wageningen journal of life sciences 55 (1), 21 – 36.
b Schmid B., 2001. Wer ist in der Schweiz freiwillig tätig? Ergebnisse des Moduls 2000 «Unbezahlte Arbeit». Bundesamt für Statistik BFS, Neuchâtel.
Care farming: prestazioni sociali
nell’agricoltura
In Svizzera l’un per cento circa delle
aziende agricole a gestione familiare
fornisce prestazioni sociali. La Svizzera
risulta essere tra i paesi europei
precursori nel «care farming». Tra
questi servizi sociali rientrano, ad
esempio; la possibilità per i disabili di
vivere e lavorare, assistiti, all’interno
di una fattoria, l’affidamento a fami-
glie contadine di bambini con difficoltà
sociali alle spalle e la cura di anziani
presso aziende agricole a conduzione
familiare. In diversi paesi europei que-
ste attività sono inco raggiate e soste-
nute in modo mirato e diversi progetti
di ricerca sono dedicati a questo tema.
Le forme, i gruppi target e il tipo di
prestazioni sono particolarmente
variati. Anche in Svizzera le prestazioni
sociali offrono alle aziende a gestione
familiare un note vole potenziale in
termini di diversificazione. La varietà
dell’offerta e della domanda, come
pure le diverse forme di sostegno alle
aziende a gestione familiare che forni-
scono simili servizi, pone numerosi
interrogativi ai quali il progetto
di ricerca di Agroscope Reckenholz-
Tänikon ART cerca di rispondere.
Care Farming: Social Services
in Agriculture
Around one per cent of Swiss family
farms provide social services, making
Switzerland one of the leading
countries in Europe for care farming.
Among the services offered, for
example, are assisted living and super-
vised work on a farm for people with
disabilities, the placement of children
from difficult social backgrounds in
farming foster families, and the care
of the elderly on family farms. These
activities are deliberately promoted
and supported in various European
countries, and different research plans
deal with this subject. The forms,
target groups and type of services
provided are exceptionally varied. In
Switzerland as in other places, social
services offer family farms a possible
diversification strategy with great
potential. The diversity of supply and
demand as well as the different man-
ners in which family farms are sup-
ported in providing their services
prompt a whole range of questions
which are currently being examined
in an Agroscope Reckenholz-Tänikon
ART research project.
Key words: care farming, green care,
farming for health, social farming,
farm-household, pluriactivity, agricul-
tural and structural diversification.
Sum
mar
y
Ria
ssu
nto
E i n l e i t u n g
Auslöser für den Bericht des Bundesrates zur Weiterent
wicklung des Direktzahlungssystems (2009) war eine
Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben
des Ständerates vom 10. November 2006. Darin wurde
der Bundesrat beauftragt, bis spätestens 2009 einen Be
richt vorzulegen, der dem Parlament eine Beurteilung
ermöglichen soll, ob das Direktzahlungssystem im Rah
men einer nächsten Reformetappe anzupassen sei.
Agrarstützung gesunken und entkoppelt
Mit der Reform der Agrarpolitik, welche Anfang der
neunziger Jahre begann, wurde die agrarpolitische
Stützung sukzessive reduziert und entkoppelt (Abb. 1).
Die Gesamtstützung ist seit dem Beginn der Reform
von gut 8 Milliarden Franken auf heute rund 6 Milliar
den gesunken. Betrug der Anteil der produktgebunde
nen Stützung (Grenzschutz und Marktstützung inkl. Ex
portsubventionen) in den Jahren 1990 / 92 noch über 80
Prozent der gesamten Stützung, so ist deren Anteil bis
2008 auf rund 50 Prozent gesunken. Klammert man den
Grenzschutz aus und betrachtet man nur die Stützung
durch Bundesmittel, so zeigt sich die Entkopplung noch
viel ausgeprägter. Während anfangs der neunziger Jah
re von einem Bundesfranken aus dem Budget für Land
wirtschaft und Ernährung rund 60 Rappen als Markt
stützung ausgegeben wurde, sind es heute nur noch 15
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems
Simon Lanz, Lukas Barth, Christian Hofer und Samuel Vogel, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern
Auskünfte: Simon Lanz, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 322 26 02
A g r a r w i r t s c h a f t
Mit der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems sollen die Anliegen von Produktion und Ökologie noch besser in Einklang gebracht werden. (Foto: Julien Berberat, Fondation Rurale Interjurassienne)
10 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Die Direktzahlungen sollen künftig
konsequent auf die von der Bevölkerung
gewünschten gemeinwirtschaftlichen
Leistungen der Landwirtschaft ausgerichtet
werden. In einem am 6. Mai 2009
verabschiedeten Bericht schlägt der
Bundesrat eine Weiterentwicklung
des heutigen Direktzahlungssystems
vor. Massnahmen mit unspezifischer
Zielausrichtung sollen durch zielgerichtete
Instrumente ersetzt werden. Dadurch
verbessern sich die Wirksamkeit und die
Effizienz des Direktzahlungssystems.
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft
Rappen. Gleichzeitig ist der Anteil der produktunabhän
gigen Direktzahlungen an den Bundesausgaben von
rund 25 Prozent auf über 70 Prozent gestiegen.
Die bisherige Reform bringt Verbesserungen
Mit der konsequent verfolgten Strategie, den Grenz
schutz und die interne Marktstützung zu reduzieren
und die Mittel in die Direktzahlungen umzulagern, wur
den wesentliche Verbesserungen erreicht (vgl. Abb. 2):
• Der Anteil an naturnah bewirtschafteten Flächen
(Ökoausgleich, biologischer Landbau) hat stark
zugenommen und der Rückgang der Brutvogelarten
im Kulturland konnte aufgehalten werden.
• Die negativen Auswirkungen der landwirtschaft
lichen Produktion auf die Umwelt wurden reduziert
(z.B. StickstoffVerluste –16 %).
• Gleichzeitig wurde die Kalorienproduktion
gesteigert (+5 %), d. h. die Ressourceneffizienz
hat deutlich zugenommen.
• Die tierfreundliche Nutztierhaltung wurde
ausgebaut.
• Insbesondere in peripheren ländlichen Regionen
leistet die Landwirtschaft weiterhin einen wesentli
chen Beitrag zur dezentralen Besiedlung.
• Die Bauernbetriebe konnten die notwendigen
Investitionen tätigen. Die Kapitalerneuerungsrate
hat sich sogar verbessert.
Entkopplung reicht nicht aus
Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die
Entkopplung der Stützung zu namhaften Verbesserun
gen geführt hat (BWL 2009). Allein die Entkopplung ist
kein Garant dafür, dass die gemeinwirtschaftlichen Leis
tungen auch tatsächlich effizient und im gesellschaftlich
erwünschten Ausmass bereitgestellt werden. Die agrar
politischen Ziele können nicht erreicht werden, wenn
die Direktzahlungen ausschliesslich den Charakter von
Kompensationszahlungen aufweisen und über keinen
klaren Leistungsbezug verfügen. Die OECD (2008) hält
fest, dass die Entkopplung nicht das Ende der Reform
der Ag rarpolitik sei und zusätzliche Effektivitäts und
Effi zienzverbesserungen durch eine bessere Zielausrich
tung («targeting») und Feinjustierung der Instrumente
(«tailoring») erreicht werden können (vgl. Kasten 2).
Um eine möglichst hohe Wirksamkeit und Effizienz
der Agrarpolitik beziehungsweise der Direktzahlungen
zu erreichen, ist es unabdingbar, dass konkrete und
überprüfbare Ziele definiert werden und ein klarer Be
zug zwischen den Zielen und den eingesetzten Instru
menten hergestellt wird.
10 000
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
produktgebundene Stützung (Grenzschutz und Marktschützung)
übrige Stützung (v.a. Direktzahlungen)
Abb. 1 | Entwicklung der Stützung der Landwirtschaft gemäss OECD (PSE) zwischen 1990 und 2008.
Quelle: oecD
11Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
in, dass heute alle Direktzahlungen an die leistungsbezo
genen Kriterien Fläche und Tierzahl gebunden sind, ob
wohl ein Teil der heutigen Zahlungen nicht die Leis
tungserbringung, sondern die Sicherstellung einer sozi
alverträglichen Entwicklung bezweckt. Das führt zu
Rentenbildung und hemmt die Strukturentwicklung (vgl.
Kasten 5). Zudem sind insbesondere die tierbezogenen
Beiträge in Bezug auf ihre GreenBoxKompatibilität im
Rahmen der WTO als kritisch zu beurteilen.
M e t h o d e
Vorschlag des Bundesrats
Aufgrund dieser Analyse erachtet der Bundesrat eine
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems als not
wendig. Im Bericht definiert der Bundesrat für alle ge
meinwirtschaftlichen Leistungen gemäss Artikel 104 der
Bundesverfassung (Versorgungssicherheit, natürliche
Lebensgrundlagen, Kulturlandschaft, dezentrale Be
siedlung und Tierwohl) sowie für die Einkommens
sicherung konkrete und überprüfbare Ziele und macht
einen Konzeptvorschlag für ein konsequent auf diese
Ziele ausgerichtetes Direktzahlungssystem. Die zentrale
Idee des weiterentwickelten Direktzahlungssystems be
steht darin, dass für jedes Ziel eine spezifische Massnah
Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems
Schwächen des heutigen Systems
Das bisherige Direktzahlungssystem erfüllt diese Anfor
derungen nur teilweise. Einerseits fehlen für die ver
schiedenen gemeinwirtschaftlichen Leistungen teilwei
se klar definierte Ziele und andererseits ist der Zielbe
zug der Massnahmen teilweise unklar. Während die
ökologischen Direktzahlungen einen klaren Bezug zu
den Zielen im Bereich natürliche Lebensgrundlagen und
Tierwohl aufweisen, bezwecken die allgemeinen Direkt
zahlungen mit sehr unspezifischen Massnahmen die För
derung der Versorgungssicherheit und der Kulturland
schaftspflege sowie die Einkommenssicherung.
Die mangelnde Zielausrichtung hat unerwünschte
Fehlanreize zur Folge: Erstens entsteht aufgrund der Bei
träge für die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere
(RGVEBeiträge) und der Beiträge für die Tierhaltung un
ter erschwerenden Produktionsbedingungen (TEPBei
träge) ein Anreiz zur Ausdehnung der Tierhaltung. Das
führt zu einer Intensivierung mit den damit verbunde
nen negativen Auswirkungen auf die natürlichen Le
bensgrundlagen. Seit 2004 nehmen die Rindviehbestän
de wieder zu (+4 %). Zweitens konkurrieren die RGVE
Beiträge in unerwünschtem Masse die ackerbauliche
Nutzung, die bezüglich Versorgungssicherheit von zent
raler Bedeutung ist. Ein weiterer Fehlanreiz besteht dar
Oft wird in der politischen Diskussion argumentiert, die
Direktzahlungen seien Abgeltungen für die gemein-
wirtschaftlichen d. h. die nicht marktfähigen Leistungen
der Landwirtschaft. Mit dem Markterlös würden die
Landwirte für ihre privaten Güter wie Milch und Getrei-
de entschädigt und mit den Direktzahlungen für die
öffentlichen Güter wie Landschaft und Biodiversität.
Diese klare Trennung zwischen dem Markt für private
und jenem für öffentliche Güter ist jedoch in der Reali-
tät nicht gegeben. Die Multifunktionalität der Landwirt-
schaft zeichnet sich ja gerade durch die enge Kopplung
von privaten und öffentlichen Gütern aus. Bei der
Produktion von (privaten) landwirtschaftlichen Gütern
entstehen positive Externalitäten, die den Charakter
von öffentlichen Gütern haben (gemeinwirtschaftliche
Leistungen). Das Angebot an gemeinwirtschaftlichen
Leistungen würde bei reinen Marktbedingungen unter
der gesellschaftlichen Nachfrage liegen. Die Inlandpro-
duktion wäre deutlich tiefer und würde sich auf Gunst-
lagen konzentrieren (Hättenschwiler und Flury 2007)
mit negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild,
Kasten 1 | Welche Funktionen haben Direktzahlungen?
12 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
die Biodiversität und die dezentrale Besiedlung. Mit
den agrarpolitischen Instrumenten generell und insbe-
sondere mit den Direktzahlungen soll dieses Markt-
versagen korrigiert werden. Würden die gemeinwirt-
schaftlichen Leistungen ohne staatliches Eingreifen
erbracht, hätten sie zwar einen Wert für die Gesell-
schaft, aber es würde niemand für die Nutzung der
Leistungen bezahlen. Erst der Umstand, dass eine
Differenz zwischen privatem Angebot und gesellschaft-
licher Nachfrage besteht, macht ein staatliches Eingrei-
fen nötig. Direktzahlungen sind demnach keine Abgel-
tungen, sondern finanzielle Anreize (Finanzhilfen),
mit denen die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen
Leistungen gefördert wird (Huber 2003). Das bedeutet
auch, dass die Höhe der Direktzahlungen nicht unab-
hängig ist von den Preisen. Bei hohen Preisen trägt der
Markt beispielsweise mehr zur Offenhaltung der Kultur-
landschaft bei als bei tiefen Preisen. Damit die gemein-
wirtschaftlichen Leistungen erbracht werden, ist somit
je nach Preisverhältnissen eine höhere oder eine tiefere
Förderung mittels Direktzahlungen nötig.
die natürlichen Ressourcen optimal genutzt und in heu
tigem Ausmass Kalorien produziert werden. Diese Ziel
setzung würde mit den Kulturlandschaftsbeiträgen al
lein noch nicht erreicht. Mit den Beiträgen wird eine
landwirtschaftliche Produktion gefördert, die über eine
rein extensive Bewirtschaftung hinausgeht. Dazu müs
sen Mindestanforderungen sowohl für die ackerbauli
che Nutzung als auch für die Grünlandnutzung festge
legt werden (z. B. Mindesttierbesatz auf Grünland). Wei
ter gleichen Versorgungssicherheitsbeiträge produkti
onsbedingte Erschwernisse und komparative Kosten
nachteile der ackerbaulichen Produktion aus und tragen
zur Erhaltung von strategisch wichtigen Kulturen bei.
Die Biodiversitätsbeiträge bezwecken die Erhaltung
und Förderung der Biodiversität. Der Anreiz, qualitativ
wertvolle Flächen als Biodiversitätsförderflächen (heu
te ökologische Ausgleichsflächen) zu bewirtschaften,
soll erhöht werden, so dass die entsprechenden Ziele
mit diesen freiwilligen Beiträgen erreicht werden kön
nen. Die Anforderung, im ökologischen Leistungsnach
weis (ÖLN) pro Betrieb einen Mindestanteil an Biodiver
sitätsförderflächen auszuscheiden, kann so schrittweise
aufgehoben werden. Zudem werden einmalige Aufwer
tungsmassnahmen und auf spezifische Zielarten ausge
richtete Artenförderungsprogramme unterstützt. Bio
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft
me definiert wird. Tabelle 1 gibt einen Überblick über
die Ziele und die entsprechenden Instrumente und zeigt
auf, mit welchen Indikatoren die Zielerreichung über
prüft werden soll.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Gemeinwirtschaftliche Leistungen
Fünf permanente Direktzahlungsinstrumente sollen die
gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft
fördern und langfristig sicherstellen:
Mit Kulturlandschaftsbeiträgen wird die Offenhal
tung der Kulturlandschaft angestrebt. Die Offenhal
tung wird erreicht, indem eine flächendeckende land
wirtschaftliche Nutzung erfolgt (inkl. Sömmerungsge
biet). Sie dient als Basis für die Erbringung der übrigen
gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Die Höhe der Bei
träge ist so zu bemessen, dass eine extensive Bewirt
schaftung möglich ist. Die Beiträge werden aufgrund
der natürlichen Erschwernisse nach Zonen und Hangnei
gung differenziert.
Mit Versorgungssicherheitsbeiträgen soll die Pro
duktionskapazität für den Fall von Versorgungsengpäs
sen aufrechterhalten bleiben. Die Erhaltung der Produk
tionskapazität (Kapital, Knowhow) wird erreicht, indem
13Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Effektivität (Wirksamkeit): Eine Massnahme
gilt als effektiv, wenn die definierten Ziele
damit erreicht werden können.
Effizienz: Eine Massnahme gilt als effizient,
wenn die definierten Ziele mit möglichst
tiefen Kosten erreicht werden.
Targeting (Zielausrichtung): Eine Zahlung
ist dann als zielgerichtet zu betrachten,
wenn sie die spezifischen Soll-Werte eines
definierten Ziels verfolgt und dabei unbe-
absichtigte Transfers und negative Auswir-
kungen auf Dritte (sog. spill-overs)
minimiert (OECD 2007).
Tailoring (massschneidern): Die Höhe und
Dau er einer Zahlung soll genau so bemessen
sein, dass das definierte Ziel erreicht wird.
Anreize, die über das für die Zielerreichung
notwendige Mass hinausgehen, sind zu
vermeiden (OECD 2003).
110
105
100
95
90
85
80
75
70
Inde
x (1
990
/92
= 1
00)
1990/92 1995/97 2000/02 2005/07
Nahrungsmittelproduktion
Brutvogelgarten des Kulturlandes
N-Verluste
Abb. 2 | Entwicklung der Nahrungsmittelproduktion und der Umweltbelastung.
Kasten 2 | Begriffserklärungen
Quellen: sBV, ArT, Vogelwarte
Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems
14 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Tab. 1 | Leistungen, Ziele, Massnahmen und Indikatoren
Leistungen und Ziele Massnahmen Indikatoren
Sichere Versorgung der Bevölkerung
Produktionskapazität durch inländische Kalorienproduktion im heutigen Ausmass erhalten.
Versorgungssicherheitsbeiträge: • Basiskomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenproha
landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN).• Erschwerniskomponente:ZahlungnachZonedifferenziertprohaLN.• Ackerflächenkomponente:einheitlicheZahlungprohaoffeneAckerfläche.
Produzierte Terajoule (TJ) in der Schweiz als Massstab für das Vorhandensein von Infrastruktur.
Mindestausmass an strategisch wichtige Kulturen erhalten.
• Einzelkulturkomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenprohaLN einer spezifischen Kultur.
Strategisch wichtige Kulturen (z. B. Ölsaaten, Zuckerrüben, Saatgut) in ha.
Genügend fruchtbaren Kultur boden erhalten.
Quantitativer Bodenschutz: • AusschlussvonFlächeninderBauzonevondenDirektzahlungen(DZ).• VerpflichtungderKantoneoderGemeindenzurMitfinanzierungderDZ
bei hohem Bodenverbrauch.• EinbindungdesquantitativenBodenschutzesindasKonzept
derLandschaftsqualitätsprojekte.
Ackerfähiger Boden in ha.
Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
Die Landwirtschaft leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhal-tung und Förderung der Bio - d iversität. Teilziel 1: Artenvielfalt und Vielfalt von Lebensräumen.Teilziel 2: Genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Teilziel 3: Funktionale Biodiversität.
Biodiversitätsbeiträge: • PermanenteZahlungfürBiodiversitätsförderflächenmitQualität
pro ha LN und im Sömmerungsgebiet.• EinmaligeZahlungfürdefinierteAufwertungsmassnahmen.• EinmaligeundpermanenteZahlungenfürdefinierteArtenförderungs
massnahmen.• PermanenteZahlungfürfunktionaleBiodiversitätaufProduktionsflächen
(inkl. gesamtbetriebliche Ansätze wie Biolandbau oder integrierte Produktion).
BiodiversitätsförderflächenmitQualitätinha.
Inventarisierung und Sicherung von alten Sorten und Kulturarten.
Bodenfruchtbarkeit (z. B. Humusgehalt, Bodenlebewesen) auf Produktionsflächen.
Natürliche Ressourcen Boden, Wasser und Luft nachhaltig nutzen.
• BeibehaltungdesökologischenLeistungsnachweises(ÖLN)und der weiteren gesetzlichen Bestimmungen.
• WeiterführungderFörderungfreiwilligerUmweltprojekte(regional/sektoral).• BefristeteRessourceneffizienzbeiträge(national).• GeringereNebenwirkungenderpermanentenDZInstrumente.
Boden: Schadstoffe, Bodenerosion und Bodenverdichtung.
Wasser: Nitrat, Phosphor, Pflanzenschutz-mittel und Arzneimittel.
Klima und Luft: Treibhausgase, N-haltige Schadstoffe und Dieselruss.
Pflege der Kulturlandschaft
Die Kulturlandschaft durch eine flächendeckende Bewirtschaf-tungoffenhalten(quantitativ).
Kulturlandschaftsbeiträge: • Basiskomponente:einheitlicheZahlunginallenZonenprohaLN.• Erschwerniskomponente:ZahlungnachZoneundHanglagedifferenziert
pro ha LN.• Sömmerungskomponente:ZahlungprogesömmerterNormalstoss.
Landwirtschaftlich genutzte Fläche in ha.
Vielfältige Kulturlandschaften erhaltenundfördern(qualitativ).Die Kantone oder andere regionale Trägerschaften können nach Vorgaben des Bundes entsprechende Qualitätszielefestlegen.
Landschaftsqualitätsbeiträge: • LeistungsbezogeneZahlungenprohaVertragsflächeaufderLNund
im Sömmerungsgebiet.
Vielfältige landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaften.
Konkrete Definition von Zielen und Indikatoren regional durch Trägerschaft.
Dezentrale Besiedlung
Im Sinne der Subsidiarität sollen Kantone mit besiedlungs-gefährdeten Gebieten eigene Ziele bezüglich dezentraler Besiedlung festlegen.
• Basis:FörderungüberandereDirektzahlungsinstrumente• SpezifischeFörderungüberInvestitionshilfen.
Konkrete Definition von Zielen und Indikatoren regional durch Kantone.
Tierwohl
Möglichst hohe Beteiligungen bei besonders tierfreundlichen Haltungssystemen erreichen (Richtgrösse: 80 %).
Tierwohlbeiträge:• BTS:permanenteZahlungenproGVE.• RAUS:permanenteZahlungenproGVE.Höhere Investitionshilfen für BTS.
Beteiligungsrate an den Programmen:
– Besonders tierfreundliche Stallhaltungs systeme (BTS).
– Regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS).
Einkommenssicherung
Die Erbringung der gemein-wirtschaftlichen Leistungen langfristig sicherstellen.
Steuerung über Höhe der leistungsbezogenen DZ. Kapitalerneuerungsrate.
Finanzielle Stabilität.
Soziale Notlagen aufgrund von Veränderungen der agrar-politischen Rahmenbedingungen verhindern.
Anpassungsbeiträge: • BefristetepersonengebundeneZahlungenalsDifferenzderDZ
vor und nach der Reform.
Strukturwandel (Veränderung Anzahl Betriebe und Arbeitskräfte).
Anteil Bauernhaushalte unter dem Existenzminimum.
diversitätsbeiträge werden auf der landwirtschaftlichen
Nutzfläche und neu auch im Sömmerungsgebiet ent
richtet. Die Umsetzung der nationalen Inventare auf
diesen Flächen wird künftig zusammen mit dem Vollzug
der Biodiversitätsbeiträge erfolgen. Zur Erhaltung der
funktionalen Biodiversität (Bodenfruchtbarkeit, natürli
che Schädlingsregulierung) auf der Produktionsfläche
soll der Verzicht auf den Einsatz von gewissen Pflanzen
schutzmitteln oder Mineraldüngern gefördert werden.
Gesamtbetriebliche Ansätze, die langfristig auf solche
Produktionsmittel verzichten, können so weiterhin spe
zifisch gefördert werden (z. B. Biolandbau oder integ
rierte Produktion).
Landschaftsqualitätsbeiträge tragen zur Erhaltung,
Förderung und Weiterentwicklung vielfältiger Kultur
landschaften mit ihren spezifischen regionalen Eigenhei
ten bei (z. B. Waldweiden). Landschaftsziele werden auf
regionaler Ebene durch Trägerschaften in einem partizi
pativen und sektorübergreifenden Prozess festgelegt.
Die Bewirtschafter schliessen mit der Trägerschaft Be
wirtschaftungsvereinbarungen ab; diese werden vom
Bund geprüft und bewilligt. Der Bund richtet einen Ein
heitsbeitrag an die Trägerschaft aus, die die leistungsbe
zogene Verteilung im Projekt selber vornimmt.
Mit Tierwohlbeiträgen wird eine möglichst hohe Be
teiligung an Programmen zur Förderung besonders tier
freundlicher Produktionsformen angestrebt. Die be
währten Programme besonders tierfreundliche Stallhal
tungssysteme (BTS) und regelmässiger Auslauf im Frei
en (RAUS) sollen weitergeführt werden. Die Beitragshö
he richtet sich nach den einmaligen und permanenten
Mehrkosten der besonders tierfreundlichen Haltungs
systeme, wobei die am Markt erzielbaren Mehrerlöse
berücksichtigt werden.
Die dezentrale Besiedlung wird indirekt über die
Ausrichtung der vorgeschlagenen Direktzahlungsbei
träge gefördert. Von besonderer Bedeutung sind dies
bezüglich die Kulturlandschafts und Versorgungssi
cherheitsbeiträge, die je eine Komponente für den Aus
gleich von natürlichen Erschwernissen enthalten. Eine
spezifische Unterstützung soll nicht über Direktzahlun
gen, sondern über Strukturverbesserungsmassnahmen
erfolgen, da letztere besser geeignet sind, lokale Initia
tiven zur Erhöhung der Wertschöpfung zu fördern.
Nachhaltige Ressourcennutzung
Damit die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt
werden, ist der ÖLN weiterhin Voraussetzung für die
Ausrichtung von Direktzahlungen. Daneben sollen die
freiwilligen, regionalen Projekte zur Vermeidung von
negativen Externalitäten und Steigerung der Ressour
ceneffizienz nach Artikel 62a Gewässerschutzgesetz und
Artikel 77 a und 77 b Landwirtschaftsgesetz weiterge
führt werden. Als zentrales Element zur Reduktion bzw.
Schliessung der bestehenden Ziellücken im Umweltbe
reich werden befristete Ressourceneffizienzbeiträge
eingeführt. Damit soll die breitflächige Einführung von
bewährten ressourcenschonenden Techniken gefördert
werden. Die Umweltwirkung muss über die Dauer der
Beitragszahlung hinaus erhalten bleiben. Eine Möglich
keit dazu besteht darin, die Anwendung der entspre
chenden Technik als gute landwirtschaftliche Praxis nach
Ablauf der Förderung im ÖLN zu verankern.
Der Erhaltung von fruchtbarem Kulturboden nicht
nur in qualitativer sondern auch in quantitativer Hin
sicht kommt künftig eine zentrale Bedeutung zu. Des
halb sollen die Direktzahlungen mit den Instrumenten
der Raumplanung verknüpft und so die Anreize zur Ver
siegelung von landwirtschaftlich genutzten Flächen re
duziert werden (z. B. Ausschluss von Flächen in der Bau
zone von den Direktzahlungen).
Sozialverträgliche Entwicklung
Mit Anpassungsbeiträgen soll eine sozialverträgliche Ent
wicklung gewährleistet werden. Sie bemessen sich nach
der Differenz zwischen den Direktzahlungen, die ein Be
trieb vor und jenen, die er nach der Umsetzung der Re
Abgesehen davon, dass Biobetriebe über
die verschiedenen Einzelinstrumente Direkt-
zahlungen erhalten, soll auch der gesamt-
betriebliche Ansatz des Biolandbaus weiter-
hin mit Direktzahlungen gefördert werden.
Der wesentliche Zusatznutzen der Bio-
Gesamtbetrieblichkeit liegt im Bereich der
funktionalen Biodiversität. Durch den
Verzicht auf den Einsatz von chemisch-syn-
thetischen Pflanzenschutzmitteln und Mineral-
düngern wird die Bodenfruchtbarkeit auf den
Produktionsflächen positiv beeinflusst. Das
gleiche gilt auch für andere Produktionssys-
teme, die langfristig auf den Einsatz dieser
Produktionsmittel verzichten wie beispiels-
weise die integrierte Produktion. Der Bund
soll also auch weiterhin Produktionsformen,
die besonders naturnah, umwelt- und
tierfreundlich sind, mit wirtschaftlich lohnen-
den Anreizen fördern. Biobeiträge sind
vollumfänglich in das neue Konzept integriert.
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft
15Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Kasten 3 | Ist Bio drin?
form erhält. Die Beiträge sind vollständig von der Produk
tion entkoppelt und werden personengebunden ausge
richtet. Sie sind befristet und sollen in sozialverträglichem
Rhythmus abgebaut werden. Mit der klaren Trennung
zwischen Instrumenten zur Leistungsförderung und zur
Sicherstellung einer sozialverträglichen Entwicklung kön
nen die strukturhemmenden Fehlanreize der heutigen
Direktzahlungen stark reduziert werden.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Das vorgeschlagene Direktzahlungssystem bietet ge
genüber dem aktuell geltenden folgende Vorteile:
• Dank der klaren Zielausrichtung wird die Effektivität
des Direktzahlungssystems gesteigert.
• Die Effizienz wird verbessert, so dass die definierten
Ziele besser erreicht werden als bisher.
• Die stringente Zuordnung von Leistungen, Zielen,
Massnahmen und Indikatoren erhöht die Transparenz
und damit die Steuerbarkeit durch die Politik.
• Die Kommunizierbarkeit der Direktzahlungen wird
erhöht. Sowohl die Steuerzahlenden als auch die
Bäuerinnen und Bauern verstehen besser, weshalb
Direktzahlungen ausgerichtet werden.
• Strukturelle Fehlanreize des heutigen Systems
werden mit der klaren Trennung von leistungs und
transferorientierten Zahlungen (Anpassungsbeiträ
ge) eliminiert. Dadurch steigt die Flächenmobilität
und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich.
• Die GreenBoxTauglichkeit des Direktzahlungs
systems wird verbessert. Zudem liegt der Vorschlag
in der Stossrichtung der agrarpolitischen Weiterent
wicklung in der EU.
Die stärkere Zielorientierung birgt gleichzeitig die
Gefahr eines höheren Vollzugsaufwands. Dem Aspekt
des Vollzugs ist daher bei der Umsetzung des Konzepts
besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Weiteres Vorgehen
Der Bericht und das vorgeschlagene Konzept werden
gegenwärtig in den zuständigen parlamentarischen
Kommissionen diskutiert. Am 16. Oktober 2009 hat die
Kommission des Ständerats eine Motion eingereicht, die
den Bundesrat beauftragt, den Konzeptvorschlag zu
konkretisieren und dem Parlament bis Ende 2011 eine
Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes zu
unterbreiten (Motion 09.3973). n
Agrarwirtschaft | Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems
16 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Internationale Vergleiche zeigen, dass die Schweizer
Landwirtschaft weiterhin über ein Potenzial zur
Steigerung der Effizienz und zur Senkung der Kosten
verfügt (Schmid 2009). Mit der Agrarpolitik sollen die
Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass diese
Verbesserungspotenziale genutzt werden. Im Konzept
ist dazu vorgesehen, die Förderung der gemeinwirt-
schaftlichen Leistungen klar von der Sicherstellung
einer sozialverträglichen Entwicklung zu entkoppeln.
Dies geschieht über die Ein führung der Anpassungs-
beiträge. Diese sollen schrittweise reduziert und die
frei werdenden Mittel im Zuge weiterer Marktöffnun-
gen zu den anderen, leistungsbezogenen Instrumen-
ten umgelagert werden. Der Bundesrat beabsichtigt,
die Landwirtschaft auch künftig mit Mitteln in der
heutigen Grössenordnung zu unterstützen.
Kasten 4 | Effizienzverbesserungspotenziale und Anpassungsbeiträge
Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems | Agrarwirtschaft
Ulteriore sviluppo del sistema
dei pagamenti diretti
In futuro, i pagamenti diretti saranno
orientati in maniera più coerente verso
le prestazioni d’interesse pubblico
fornite dall’agricoltura e auspicate
dalla popolazione. In un rapporto
varato il 6 maggio 2009 il Consiglio
federale propone uno sviluppo dell'at-
tuale sistema dei pagamenti diretti.
Le misure senza finalità specifiche
saranno sostituite da nuovi strumenti
mirati con conseguente miglioramento
dell’efficacia e dell’efficienza del
sistema.
Development of the
Swiss Direct Payments System
In the future, direct payments shall
target consistently the public services
provided by agriculture as requested
by society. In its report of 6th May
2009, the Federal Council proposed a
modification of the current system of
direct payments. Measures without
specific aims are to be replaced by
targeted tools. Thus the effectiveness
and efficiency of the direct payments
system will be improved.
Key words: agricultural policy,
multifunctionality, direct payments,
targeting, reform.
Ria
ssu
nto
Literaturb Bundesrat, 2009. Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems, Bern.b BLW, 2009. Die Schweizer Landwirtschaft im Aufbruch. Das neue
Landwirtschaftsgesetz – eine Bilanz nach zehn Jahren, Bern.b Hättenschwiler P. & Flury C., 2007. Beitrag der Landwirtschaft
zur Ernährungssicherung. Agrarforschung 14 (11 – 12), 554 – 559.b Huber A. J., 2003. Direktzahlungen sind Subventionen.
Blätter für Agrarrecht 37.
b Mann S., 2008. Was hat es auf sich mit der Flächenmobilität? Agrarforschung 15 (9), 464 – 469.
b OECD, 2003. Multifunctionality – The Policy Implications. Paris.b OECD, 2007. Policy Design Characteristics for Effective Targeting: Paris.b OECD, 2008. Synthesis Report: Policy Design and Implementation. Paris.b Schmid D., 2009. Schweiz – Baden-Württemberg:
Ein Produktivitätsvergleich. Agrarforschung 16 (4) 52 – 57.
Haupteinflussfaktor für die Flächenmobilität ist gemäss
Mann (2008) die Gesamtstützungshöhe der Landwirt-
schaft (Grenzschutz, Marktstützung, Direktzahlungen),
also die Frage, wie interessant es ist, eine Hektare Land
zu bewirtschaften. Jeglicher Stützungsabbau fördert
daher die Flächenmobilität. Die heutigen Direktzahlun-
gen werden überwiegend flächenbezogen ausgerichtet.
Aufgrund der Förderlimite bei den RGVE- und den TEP-
Beiträgen sind über 90 Prozent der heutigen Direktzah-
lungen flächengebunden. Die Flächenbindung nimmt
mit dem Vorschlag des Bundesrates nicht zu. Teilweise
wird die Einführung einer Zahlung pro Standardarbeits-
kraft (SAK) gefordert. Damit würden die Mittel jedoch
verstärkt in arbeitsintensive Betriebszweige (Spezial-
kulturen, Milch) fliessen. Die Konkurrenz um Flächen
innerhalb dieser so vermehrt gestützten Betriebszwei-
ge würde zunehmen, so dass sich die Flächenmobilität
nicht verbessert. Wichtiger als das Bezugskriterium
(Fläche, Tiere, SAK) ist, dass Direktzahlungen richtig
bemessen und auf die Ziele ausgerichtet sind. Genau
das schlägt der Bundesrat mit seinem Konzept vor.
Mit der Einführung von Anpassungsbeiträgen können
zudem Fehlanreize und Renten des heutigen Systems
stark reduziert werden, was insgesamt die Flächen-
mobilität erhöht.
17Agrarforschung Schweiz 1 (1): 10–17, 2010
Kasten 5 | Wird die Flächenmobilität durch die Flächenbindung gehemmt?
Sum
mar
y
E i n l e i t u n g
Das in der Schweiz produzierte Kalbfleisch stammt in erster Linie von MilchkuhKälbern, die in spezialisierten Betrieben oder in Milchviehbetrieben zur Verwertung der Überschussmilch gemästet werden. Wegen der hohen Spezialisierung der für die Milchproduktion bestimmten Kühe ist die Schlachtkörperqualität der Tiere häufig ungenügend. Ausserdem wird bei dieser Produktionsform von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten manchmal wegen des erhöhten Anti
biotikaeinsatzes Kritik laut. Aufgrund dieser Problematik hat die Vereinigung «Mutterkuh Schweiz» zusammen mit ihren Haupthandelspartnern ein Projekt zur Förderung der Kalbfleischproduktion in Betrieben mit Mutterkuhhaltung erarbeitet. Diese Produktion erlaubt es, dass die Kälber bei ihren Müttern aufwachsen. Obwohl diese Produktionsform in Frankreich recht geläufig ist, musste sie an Schweizer Verhältnisse angepasst werden. Die Anpassung erfolgte anhand von Erfahrungen, die auf etwa 20 Pilotbetrieben und im Rahmen eines Versuchs von Agroscope LiebefeldPosi
Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber
N u t z t i e r e
Diese zwei dreieinhalb Monate alten Kälber stammen vom selben Charolais-Vater. Das Kalb links hat eine F1-Mutter (Red Holstein x Limousin), dasjenige rechts eine Angus-Mutter.
18 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
Isabelle Morel und André Chassot, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux
Auskünfte: Isabelle Morel, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 71 11
eux ALP gesammelt wurden. Ziel des ALPVersuches war, die Mast und Schlachtleistungen der Kälber je nach Kreuzungstyp zu vergleichen und den Fütterungsstatus der Kälber zu bewerten.
M e t h o d e
Versuchsdurchführung
Die Versuchsbedingungen des bei ALP durchgeführten
Versuchs werden in Tabelle 1 wiedergegeben.
Der Versuch hatte das Ziel, die Machbarkeit
einer Kalbfleischproduktion mit Kälbern
aus Mutterkuhhaltung unter Schweizer Bedin-
gungen zu untersuchen. Dabei wurden die Leis-
tungen der Kälber je nach Kreuzungstyp
ihrer Mütter miteinander verglichen sowie
der Fütterungsstatus der Kälber in Abhängigkeit
davon, ob sie Zugang zur Futterration
ihrer Mütter hatten oder nicht. Der Versuch
erfolgte mit 45 Kuh-Kalb-Paaren, welche
auf drei Kreuzungstypen aufgeteilt wurden
(Rasse Mutter x Rasse Vater): Angus x Charolais
(AN), F1 (=Red Holstein x Limousin) x Charolais
(F1) und Limousin x Charolais (LI). Die Tiere
wurden entweder in einem Mehrraumlaufstall
gehalten, in welchem die Kälber keinen Zugang
zu den Futterkrippen ihrer Mütter hatten oder
in einem halboffenen Einraumlaufstall, in wel-
chem die Kälber auch die Ration ihrer Mütter
verzehren konnten. Die Kälber wurden im
Durchschnitt mit einem Lebendgewicht von
249 kg im Alter von fünf Monaten und zehn
Tagen geschlachtet und hatten dabei einen mitt-
leren Tageszuwachs von 1250 g erzielt. Mehr als
90 % der Tiere wurden in Bezug auf ihre Fleischig-
keit den CH-TAX Kategorien C und H zugeordnet
bei einer mittleren Fettabdeckung von 2,3. Die
Fleischfarbe war bei 44 % der Kälber rosa und
bei den übrigen Tieren rot. Das Haltungssystem
beeinflusste den durchschnittlichen täglichen
Heu- und Getreideverzehr ebenso wie den
Tageszuwachs deutlich. Tendenzielle oder signifi-
kante Unterschiede wurden auch zwischen
den Kreuzungstypen festgestellt. Auf der
Basis dieser Mast- und Schlachtleistungsergeb-
nisse kann diese Produktionsweise als praxis-
tauglich betrachtet werden.
Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere
19Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
Tab. 1 | Versuchsbedingungen
Faktoren Haltungssystem (siehe Abbildung 1)GF = Mehrraumlaufstall
mit für die Kälber geschlossener Futterkrippe der Mütter
OF = Einraumlaufstall mit freiem Zugang der Kälber zur Futterkrippe der Mütter (offene Futterkrippe)
Kreuzungstypen(Rasse Mutter x Rasse Vater)AN = Angus x CharolaisF1 = F1 (RH* x Limousin)
x CharolaisLI = Limousin x
Charolais
*RH = Red Holstein
Anzahl Tiere GF = 15 Kuh-Kalb Paare; OF = 30 Kuh-Kalb Paare
AN, F1 und LI: für jeden Typ 15 Kuh-Kalb Paare
Mütter Alle mindestens in der zweiten Laktation.Ration: Mischung aus Grassilage und Heu in je nach mittlerem Laktationsstadium der Herde variierenden Anteilen, ad libitum
Kälber: Rationen Freier Zugang zu den Müttern.Heu ad libitum in Raufen an einem dafür reservierten Ort. Getreidemischung (Maisflocken: Gersteflocken, 50 : 50) ad libitum über den KFA* gegebenLeckstein für Mineralstoff- und Vitaminzufuhr
*KFA = Kraftfutterautomaten
Kälber:Gesundheit
Prophylaktische Behandlung gegen die Weissmuskelkrankheit. Je nach Hämoglobingehalt (Hb) differenzierte Eisenzufuhr (Fe) in Form einer Paste bei der Geburt und im Alter von 4 Wochen, wennHb<9g/dl(maximalbiszur4.Lebenswoche)
Schlachtungen Zeitpunkt:• MaximalesSchlachtgewichtohneAbzug,
Schätzung gemäss Lebendgewicht • Maximal6Monatealt
Versuchsparameter Heuverzehr (gruppenweise wöchentliche Erhebung), Getreideverzehr (individuelle tägliche Erhebung) und Mineralstoffe (gruppenweise Erhebung).Lebendgewicht bei der Geburt, anschliessend alle 2 Wochen sowie bei der Schlachtung.Schlachtkörperqualität:ErgebnisgemässCHTAX Bewertung auf dem Schlachthof. Gesundheit und Vitalität: Überwachung der Eisenversorgung (Hb) und anderer Blutparameter; Kalbungsprotokolle; Protokolle veterinärmedizini-scher Behandlungen.
Abb. 1 | In einem der Haltungssysteme (GF) hatten nur die mit einem Chip ausgerüsteten Kühe Zugang zur Futterkrippe (links), wohingegen sich die Kälber im Einraumlaufstall (OF) an der Futter-krippe der Mütter bedienen konnten (rechts).
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
20 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
1800
1600
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
9 (5
8)
23 (7
6)
37 (9
2)
51 (1
06)
65 (1
21)
79 (1
36)
93 (1
50)
107
(169
)
121
(189
)
135
(204
)
149
(220
)
163
(230
)
177
(239
)
TZ, g
Alter, Tage (durchschnittliches Lebendgewicht, kg)
AN
F1
LI
3
2.5
2
1.5
1
0.5
0109 116 124 132 140 148 156 165 174 184 194 204 214 224 235
Get
reid
e, k
g/T
ag
Lebendgewicht, kg
GF
OF
Abb. 2 | Entwicklung des Tageszuwachses (TZ) je nach Kreuzungstyp.
Abb. 3 | Getreideverzehr in Abhängigkeit von Gewicht und Haltungssystem.
Nutztiere | Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber
R e s u l t a t e
Verlauf der Abkalbungen
Die Abkalbungen erfolgten in 84 % aller Fälle ohne Hil
fe, in 9 % der Fälle mit leichtem Zug und in 7 % der Fälle
mit mittlerem Zug. Ein einziges Kalb starb bei einer Zwil
lingsgeburt, bei welcher der andere Zwilling überlebte.
Das mittlere Geburtsgewicht der Kälber betrug 47,2 kg,
ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den ver
schiedenen Kreuzungstypen.
Wachstum der Kälber
Von der Geburt bis zur Schlachtung erreichten die Käl
ber bei einem durchschnittlichen Lebendgewicht von
249 kg einen mittleren Tageszuwachs von 1250 g in 163
Tagen (5 Monate und 10 Tage). Es wurde ein signifikan
ter Einfluss des Haltungsystems nachgewiesen (mit Zu
gang (OF = offene Futterkrippen) oder ohne Zugang
(GF = geschlossenen Futterkrippen) zu den Rationen der
Mütter). Das OFSystem erwies sich bei einer um 13 Tage
kürzeren Mastzeit mit 1280 g Tageszuwachs gegenüber
1188 g im GFSystem als vorteilhafter (P = 0.005). Hinge
gen beeinflusste der Kreuzungstyp die Wachstumsge
schwindigkeit nicht in signifikanter Weise, wie aus Ab
bildung 2 hervorgeht. Die Kurven der Zuwachsentwick
lung zeigen, dass der durchschnittliche Zuwachs wäh
rend der ersten drei Lebenswochen zwischen 1200 und
1300 g pro Tag liegt, um anschliessend bis zum Alter von
etwas mehr als drei Monaten auf 1000 – 1100 g/T zu sin
ken, welches durchschnittlich 80 bis 160 kg LG entspricht.
Ab dem 4. Monat (ca. 170 kg) und bis zur Schlachtung
war der Zuwachs besonders hoch (1400 – 1500 g/T).
Futteraufnahme
Das vorgelegte Heu entsprach gemäss Grünem Buch
(ALP, 2008) dem Typ G7 und wies einen geringen Nähr
wert auf (in der TS: 72 g RP, 341 g RF, 4,7 MJ NEL). Sein
Eisengehalt lag bei 269 mg/kg TS. Die pro Gruppe erho
bene Futteraufnahme wurde durch das Haltungssystem
beeinflusst: diejenigen Kälber, welche keinen Zugang
zu den Krippen ihrer Mütter hatten (GF), nahmen mit
durchschnittlich 580 g pro Kalb und Tag mehr Heu auf
als diejenigen Kälber, die auch die Ration der Kühe ver
zehren konnten und nur 220 g Heu pro Tag aufnahmen.
Die Getreidemischung bestand aus Mais und Gers
tenflocken (50 : 50). Die Mischung wies in der TS folgen
de Gehalte auf: 107 g RP, 30 g RF, 30 g RL und 8,3 MJ NEL.
Ihr Eisengehalt betrug 26 mg/kg TS.
Mit dem KFA (Kraftfutterautomaten) liess sich die
Getreideaufnahme individuell aufzeichnen. Die Kälber
benötigten lange Zeit, bevor sie mit dem Verzehr be
gannen. Die ersten Kälber waren bereits älter als drei
Monate, als sie tatsächlich anfingen, Getreide zu ver
zehren. Anschliessend stieg die Aufnahme rasch an, ins
besondere im GFSystem, in welchem die durchschnittli
che Aufnahme am Ende bei 722 g pro Kalb und Tag lag.
Der Unterschied zum OFSystem (523 g/Kalb, T) ist hier
weniger ausgeprägt als in Bezug auf Heu, bleibt jedoch
signifikant (P=0,017). Der Getreideverzehr in Abhängig
keit vom Gewicht und Haltungssystem wird in Abbil
dung 3 wiedergegeben. Es zeigt sich, dass die beiden
Haltungssysteme sich erst ab etwa 200 kg LG deutlich
voneinander unterscheiden. Die F1Kälber haben weni
ger Getreide verzehrt (P=0,003) als die Kälber der bei
den übrigen Kreuzungstypen Angus (AN) und Limousin
(LI). Der Gesamtgetreideverzehr pro Kalb beträgt wäh
rend der gesamten Mastdauer pro Kalb durchschnittlich
100 kg mit grossen individuellen Schwankungen (min.
2 kg, max. 250 kg). Der späte Verzehrsbeginn lässt sich
zum Teil mit der Tatsache erklären, dass das Getreide
über den KFA verfüttert wurde.
Schlachtergebnisse und Schlachtkörperqualität
Das Haltungssystem hat die gemäss CHTAX (Proviande
2005) bewertete Schlachtkörperqualität nicht beein
flusst. Die Tatsache, dass die Kälber Zugang zur Ration
ihrer Mütter hatten, führte zu einer Erhöhung des An
teils an rotfleischigen Kälbern (62 % gegenüber 43 %),
die jedoch nicht signifikant war.
Der Einfluss des Kreuzungstyps machte sich in erster
Linie im Hinblick auf die Fleischigkeit bemerkbar; mehr
als 70 % der LIKälber befanden sich in der Klasse C ge
genüber weniger als 20 % bei der beiden übrigen Kreu
zungstypen, die am meistens der Klasse H zugeordnet
wurden (Tab. 2). Was die Schlachtausbeute betrifft, so
liegt das Ergebnis der AN tendenziell einen Prozent
punkt unterhalb der Ergebnisse von F1 und LI (n. s.),
wohingegen die Gruppe F1 bei Fettabdeckung und Far
be tendenziell die besten Noten erzielte und den gröss
ten Teil an rosafleischigen Kälbern aufwies. Darüber hi
naus ist der Einfluss des Geschlechts auf die Parameter
«Schlachtausbeute», «Fettabdeckung» und «Farbe»
nicht zu vernachlässigen. Verglichen mit den männli
chen erzielten die weiblichen Tiere eine um einen
%Punkt tiefere Schlachtausbeute (55,0 vs. 56,3 %), dies
jedoch bei einer nahezu optimalen Fettabdeckung von
durchschnittlich 2.7 (75 % der Tiere mit der Note 3) ge
genüber weniger als 2.0 im Durchschnitt bei den männ
lichen Tieren. Ausserdem hatten die weiblichen Tiere
eine starke Tendenz (P = 0,085) rotfleischiger zu sein als
die männlichen Kälber (70 % gegenüber 43,5 %).
Eisenversorgung
Mit einem durchschnittlichen Hämoglobinwert (Hb)
von 12.8 g/dl bei der Geburt entspricht die Eisenversor
21Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere
1 Nicht-parametrischer Kruskal-Wallis Test; 2FleischigkeitsklassengemässCHTAX:5=C;4=H;3=T;2=A;1=X; 3Fettgewebeklassen:optimal=3(1=ungedeckt / 5=überfett);4 Chi2-Test
Tab. 2 | Schlachtergebnisse je nach Kreuzungstyp
AN F1 LI P
LG Schlachtung, kg 249,5 248,6 249,1 0,916
Schlachtgewicht, kg 136,6 140,0 139,0 0,199
Schlachtausbeute, % 54,9 56,3 55,9 0,2711
Fleischigkeit, Note2 4,10b 4,14b 4,68a 0,0261
Fettabdeckung, Note3 2,33 2,50 2,07 0,241
Fleischfarbe, rot in %rosa in %
60,0 40,0
42,9 57,1
64,3 35,7
0,4844
22 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
gung den Werten der Milchrassekälber, die an der ALP
geboren werden (Morel 1996). Bei der Geburt (Abb. 4)
erhielten nur zwei Kälber eine Eisensupplementierung
von 230 mg bei HbWerten von 8,3 und 9 g/dl. Im Alter
von vier Wochen war der allgemeine Durchschnittswert
um 2,7 Punkte gesunken, zehn Kälber erhielten die vor
gesehene Minimalzufuhr von 230 mg Fe und vier Käl
bern wurden 690 mg Fe bei HbWerten in Höhe von
6 – 8 g/dl gegeben. Da sich die Fütterung von der kon
ventionellen Mastkälberfütterung unterschied, stiegen
die Hämoglobinwerte ab der 4. Woche erneut an und
lagen bei der Schlachtung in einer Höhe von 12,3 g/dl
gegenüber 8 bis 9 g/dl bei konventionell gefütterten
Mastkälbern. Dadurch lässt sich auch der bei dieser Pro
duktionsweise vorhandene hohe Anteil rotfleischiger
Kälber erklären.
Kälbergesundheit
Der Gesundheitszustand der Kälber kann während des
gesamten Versuchs als gut angesehen werden. In eini
gen Fällen kam es zu Durchfall oder Lungenentzündung.
Im GFHaltungssystem wurden insgesamt 42 Be
handlungstage für 14 Kälber verzeichnet, was im Durch
schnitt 3.0 Tagen pro Kalb entspricht. Auch im OFSys
tem lag der Durchschnitt an Behandlungstagen bei 3.0
pro Kalb (87/29).
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
• Die Mast und Schlachtleistungen lassen sich
als gut bezeichnen.
• Der Kreuzungstyp F1 unterschied sich tendenziell
von den beiden übrigen durch eine höhere Schlacht
leistung, eine bessere Fettabdeckung, eine günsti
gere Fleischfarbe und das höchste durchschnittliche
Wachstum. Ausserdem verzehrten die F1Kälber
signifikant weniger Getreide als die übrigen Kälber.
Die beste Fleischigkeit wiesen die Tiere des Typs
LI auf.
• In dem Praxisbedingungen entsprechenden OF
System mit freiem Zugang der Kälber zur Futter
krippe der Kühe, kam es im Vergleich zum Haltungs
system ohne Zugang zur Futterkrippe der Kühe (GF)
zu einer signifikanten Verbesserung des Tageszu
wachses von ca. 100 g/T sowie zu einer Reduktion der
Mastdauer von etwa 13 Tagen. Der Anteil rotfleischi
ger Kälber ist im OFSystem hingegen tendenziell
höher (62 % gegenüber 43 %).
• Im OFSystem lag der Verzehr von Heu und Getreide
im Durchschnitt bei 220 bzw. 520 g/Kalb und Tag
(gegenüber durchschnittlich 580 bzw. 720 g im ande
ren System).
• 75 % der weiblichen Kälber erzielten hinsichtlich
der Fettabdeckung die Bestnote (gegenüber
lediglich 13 % der männlichen Tiere). Die Fleischfarbe
ist jedoch bei den männlichen Tieren tendenziell
vorteilhafter.
• Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist das Produk
tionssystem als praxistauglich zu bezeichnen. n
Nutztiere | Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber
14
13
12
11
10
9
8Geburt 4 Wo 8 Wo 12 Wo Schlachtung*
*Schlachtung = 22 Wochen
AN
LI
F1
Abb. 4 | Entwicklung des Hämoglobingehaltes (Hb) je nach Kreuzungstyp.
Literaturb Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 2008. Fütterungsempfehlungen und
Nährwerttabellen für Wiederkäuer. Zugang: http://www.alp.admin.ch/dokumentation/00611/00631/index.html?lang=de [31.07.2009]
b Morel I., 1996. Die Eisenversorgung beim Mastkalb. Agrarforschung 3 (2), 53 – 56.
bProviande,2005.CHTAX.EinschätzungssystemfürSchlachttiereundSchlachtkörper (Rindvieh, Schafe). Proviande, Berne, 19 S.
Produzione di carne di vitello
allevato insieme alla madre:
rendimento dei vitelli
Lo scopo della prova era quello di veri-
ficare la fattibilità, nelle condizioni
svizzere di una produzione di carne
di vitello proveniente da capi allevati
insieme alla madre. Si trattava di
confrontare lo sviluppo dei vitelli, a
dipendenza del tipo genetico delle
madri e di valutarne lo stato nutrizio-
nale secondo la loro possibilità o,
impossibilità, di accedere alla razione
materna. La prova è stata condotta
con 45 coppie di animali (vacca +
vitello), suddivise in tre gruppi genetici
(razza della madre x razza del
padre): Angus x Charolaise (AN), F1
(= Red Holstein x Limousine) x Charo-
laise (F1) e Limousine x Charolaise
(LI). Gli animali sono stati allevati sia
all’interno di un sistema di stabula-
zione libera a compartimenti multipli,
dove i vitelli non avevano accesso alle
razioni materne, sia in un sistema di
stabulazione libera a compartimento
unico, dove questi potevano consuma-
re le razioni materne. I vitelli sono stati
abbattuti all’età di 5 mesi e 10 giorni,
facendo registrare un peso vivo medio
di 249 kg e una crescita giornaliera
media di 1250 g. Le categorie d’ingras-
so C e H della CH-TAX, corrispondenti
a una copertura media del 2,3, sono
state attribuite a più del 90% dei capi.
Il colore della carne è risultato roseo
nel 44% degli esemplari e rosso nel
restante 66%. Il sistema d‘allevamento
ha sensibilmente influenzato il consu-
mo medio giornaliero di fieno e cerea-
li, nonché la crescita giornaliera dei
vitelli. Tra i diversi gruppi genetici
sono pure state riscontrate differenze
tendenziali o significative. Sulla base
di questi dati zootecnici, la modalità di
produzione sembra essere applicabile
nella pratica.
Production of veal from suckled beef
calves: calf performance
The purpose of this study was to test
the feasibility of veal production from
suckled beef calves under Swiss condi-
tions. The performances of the calves
were compared as a function of the
genetic type of the mother and their
nutritional status was evaluated as
a function of their access to the
mothers’ diet. The test was carried
out with 45 «cow-calf» pairs divided
equally between three genetic types
(mother breed X father breed): Angus
X Charolais (AN), F1 (Red Holstein X
Limousin) X Charolais (F1) and Limou-
sin X Charolais (LI). The animals were
kept either in a multiple surface free
stall system where the calves did not
have access to the mothers’ mangers
or in a single surface free stall system
with access to the mothers’ ration.
On average, the calves were slaugh-
tered at a live weight of 249 kg, at 5
months and 10 days of age after an
average daily increase of 1250 g. More
than 90% of the animals were allotted
to the CH-TAX carnosity classes C and
H with an average fat tissue cover of
2.3. The meat colour was pink in 44%
of the calves and red in the remainder.
The stable system appreciably influ-
enced the average daily consumption
of hay and cereals as well as the daily
weight gain. Significant differences or
trends were also noted between the
genetic groups. On the basis of these
fattening and carcass performances,
this system of production appears to
be applicable in practice.
Key words: veal, suckled beef calves,
performance.
23Agrarforschung Schweiz 1 (1): 18–23, 2010
Kalbfleisch aus Mutterkuhhaltung: Leistungen der Kälber | Nutztiere
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
E i n l e i t u n g
Mit der 2001 verabschiedeten Ökoqualitätsverordnung (ÖQV) hat die Schweiz auch im internationalen Vergleich Neuland beschritten. Klassische agrarökologische Programme entschädigen die Landwirtin und den Landwirt dafür, dass er seinen Faktoreinsatz einschränkt (z. B. durch den Verzicht auf Mineraldünger) oder bestimmte Landschaftselemente bereitstellt (z. B. Hochstammbäume). Im Rahmen der ÖQV mit ihren beiden Teilen «Vernetzung» und «Qualität» wurde ein stärkerer Fokus auf ökologische Outputs gelegt. Ziel dieses Beitrags ist, im institutionellen Design dieser beiden Teile explizit Schwachpunkte zu identifizieren und auf dieser Grundlage Empfehlungen zur Optimierung der ÖQV zu formulieren.
Die Architektur der ÖQV
Der Impuls zur Schaffung der ÖQV ist der öffentlichen
Wahrnehmung um die Jahrtausendwende geschuldet,
man habe zwar eine Vielzahl agrarökologischer Pro
gramme etablieren können, die Artenvielfalt sei damit
aber nicht spürbar verbessert worden (BUWAL 1998). So
entstand ein öffentlicher Druck, ein gezielt auf die Ar
tenvielfalt ausgerichtetes und damit ergebnisorientier
tes Instrument zu schaffen.
Für den Bereich der Flora geschah dies durch den Teil
«Qualität». Für Flächen, die in einem agrarökologischen
Programm auf Grünland angemeldet waren, wurde ein
relativ einfaches Qualitätskriterium definiert: Die Fläche
weist eine hohe Qualität auf, wenn mindestens sechs
von rund 40 Pflanzentaxa darauf zu finden sind, die ty
pisch für artenreiches Grünland sind und die somit eine
hohe Artenvielfalt indizieren. Die Auswahl dieser Indi
katortaxa erfolgte auf wissenschaftlicher Basis. Die Kan
tone konnten diese direkt übernehmen oder ihren regi
onalen Besonderheiten anpassen. Die abgeänderten
Artenlisten mussten vom Bund auf ihre Gleichwertigkeit
mit den Bundeslisten geprüft und akzeptiert werden.
Für den Bereich der Fauna wurde kein analoges Vor
gehen gewählt, da Tiere mobiler sind als Pflanzen und ihr
Vorhandensein auf einer bestimmten Fläche ebenso ta
ges wie jahreszeitenabhängig sein kann. Auch die Nach
weisbarkeit von Tieren gestaltet sich witterungsbedingt
schwieriger als die von Pflanzen. Hier machte der Gesetz
geber sich die Erkenntnis zunutze, dass Tiere oft ein flo
ristisch und strukturell definiertes Habitat einer bestimm
ten Minimalgrösse benötigen, um zu überleben. Entspre
chend fördert der Bund die Vernetzung bestimmter flo
ristisch und strukturell definierter Flächen, deren fauna
schonende beziehungsweise fördernde Bewirtschaf
tung (Schnitttermine, Schnittstaffelung, Mähwerkzeuge
etc.) ebenfalls vorgeschrieben wird, mit dem Ziel des Er
halts (oder der Ansiedlung) bestimmter Arten auf diesen
Flächen. In die Vernetzungsprojekte dürfen nur Flächen
eingebracht werden, die ohnehin als ökologische Aus
gleichsflächen im Rahmen der Direktzahlungsverord
nung angemeldet sind. Jedem Projekt muss ein Konzept
zugrunde liegen, das den Ausgangszustand, den ge
wünschten Zustand – konkret definiert durch faunisti
sche und floristische Ziel und Leitarten (BAFU und BLW,
2008) – und einen Massnahmenplan beinhaltet. Eine wei
tere Fördervoraussetzung ist die längerfristige Bindung
Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung
U m w e l t
Der Enzian ist eine der Zeigerarten für biologische Qualität.(Foto: Lisa Eggenschwiler, ART)
24 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Stefan Mann, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen
Auskünfte: Stefan Mann, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31
Mit einem breiten Methodenmix wurden
die beiden Teile «Qualität» und «Vernet-
zung» der Ökoqualitätsverordnung in
Hinblick auf Schwachstellen bei ihren
Transaktionskosten, ihrer institutionellen
Ausgestaltung in den Kantonen und die
mit den Programmen verbundenen
Landnutzungsänderungen untersucht.
Im Ergebnis werden für den Bereich
«Qualität» abgestufte Beitragshöhen
vorgeschlagen, für den Bereich «Vernet-
zung» ein Ersatz der fixen Hektarbeiträge
durch individuell beantragte beziehungs-
weise ausgeschriebene Projekte.
Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt
der Flächen: Der Förderzeitraum erstreckt sich grundsätz
lich über sechs Jahre, wobei die meisten Flächen nach Ab
lauf dieser Zeitspanne erneut angemeldet werden.
Die Förderhöhe lag lange Zeit bei 500 Franken pro
Hektare und Programmteil, sodass man bei gleichzeiti
ger Inanspruchnahme beider Programmteile auf 1000
Fr. /ha kam. Mit der Revision der Verordnung im Jahr
2008 wurden die Beiträge in der Tendenz deutlich er
höht und bewegen sich nun in Abhängigkeit von der
Zone und Flächenart zwischen 300 Fr. /ha (für extensiv
genutzte Weiden in den Bergzonen III – IV) und 2000 Fr. /
ha (für QualitätsHecken und Feldgehölze). Für Wiesen
und Ackerflächen (letztere nehmen nur an Vernet
zungsprojekten teil) werden bis zur Bergzone II 1000 Fr. /
ha pro Programm vergütet. Ausserdem wurden für ex
tensiv genutzte Weiden, für Waldweiden und für Reb
flächen mit natürlicher Artenvielfalt neu Qualitätskrite
rien definiert. Damit können auch für diese Elemente
Beiträge für die biologische Qualität ausbezahlt werden.
So lässt sich beobachten, dass die Inanspruchnahme
der Mittel für die ÖQV, die zu 80 Prozent vom Bund und
zu 20 Prozent vom Kanton beziehungsweise von den Ge
meinden bereitgestellt werden, kontinuierlich gestiegen
ist und weiter steigt. Da der Teil «Vernetzung» von den
Kantonen mehr Vorarbeit erfordert als der Teil «Quali
tät», sind einige Kantone erst in den letzten Jahren in
diesen Programmteil eingestiegen, sodass zu erwarten
ist, dass die Zuwächse bei der Vernetzung in den kom
menden Jahren weiterhin die bei der Qualität überstei
gen werden, beziehungsweise immer mehr Flächen mit
Qualität auch in Vernetzungsprojekte eingebunden sind.
M e t h o d e
Methodik der Evaluation
Grundsätzlich steht man in den Sozialwissenschaften
stets vor der Entscheidung zwischen quantitativen und
qualitativen Methoden. Während man durch quantitati
ve Methoden Hypothesen auf den Grad ihrer Wahr
scheinlichkeit prüfen und modellgestützte Optimierun
gen durchführen kann, helfen qualitative Methoden,
neue Zusammenhänge sichtbar zu machen und Hypo
thesen so überhaupt erst zu entwickeln.
Um gerade die vielen innovativen Aspekte des Pro
gramms auf die Frage hin untersuchen zu können, an
welchen Stellen die beiden Programmteile aus instituti
onenökonomischer Perspektive noch Optimierungspo
tenzial für einen effizienten Erhalt der Artenvielfalt bie
ten, war ein relativ breiter Methodenmix notwendig.
Gerade die sehr heterogenen Vernetzungsprojekte er
schweren Standardisierungen, sodass sich hier ein ver
tiefter Rückgriff auf qualitative Methoden anbot.
Zunächst stehen die outputbezogenen Massnahmen,
wie auch in Diskussionen mit politischen Entscheidungs
trägern deutlich wurde, im Generalverdacht hoher
Transaktionskosten. Vatn (1998) und Vatn et al. (2002)
vertreten die These, dass sehr zielgerichtete politische
Spezialprogramme im Vergleich gerade mit Marktinter
ventionen anteilig höhere Transaktionskosten verursa
chen. Vor diesem theoretischen Hintergrund war es
zweckmässig, sich für beide Teile der ÖQV ein Bild über
die Höhe der anfallenden Transaktionskosten zu ma
chen. Dabei musste bereits eine differenzierte Metho
dik angewandt werden: Im Programmteil «Qualität»
macht es Sinn, die durchschnittlich pro Hektar anfallen
den Transaktionskosten zu betrachten. Dagegen sind
die Vernetzungsprojekte bezüglich ihrer Grösse und ih
res Anspruches zu heterogen, als dass sich sinnvoll allfäl
lige Durchschnittswerte bilden liessen. Hier kommt es
stärker darauf an, in welcher Grössenordnung und an
welchen Stellen Transaktionskosten entstehen können.
Der Gestaltungsspielraum der Kantone im Pro
grammteil «Qualität» ist gering. Im Programmteil «Ver
netzung» geht der Freiheitsgrad der kantonalen Ver
waltungen jedoch deutlich weiter. Hier ist zu entschei
den, durch welche Organisationen Vernetzungsprojek
te initiiert werden, welche Anforderungen dabei ge
stellt werden, wer die Verträge mit den beteiligten
Landwirtinnen und Landwirten abschliesst und wer die
Kontrolle über die Vertragseinhaltung übernimmt. Ein
Vergleich der kantonalen Reglemente erbringt unter
ordnungspolitischer Perspektive Aufschlüsse über An
reizstrukturen und Programmeffizienz.
Zuletzt ist schliesslich noch zu beantworten, welche
konkreten Auswirkungen die beiden Programme auf
die Landnutzung und Artenvielfalt haben. Diese ent
scheidende Frage lässt sich vollständig zwar nur durch
eine VorOrtErfassung der einzelnen Arten beantwor
25Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
ten, doch einiges kann bereits aus den Anpassungen in
der landwirtschaftlichen Nutzung abgelesen werden.
Wenn sich etwa durch eine Beteiligung an den Program
men nichts an der Art und Intensität der Landnutzung
ändern würde, so bestünde kaum Hoffnung, dass das
Programm positiv zur Erhöhung der Artenvielfalt (wenn
auch für deren Erhalt) beiträgt.
Unter diesen Gesichtspunkten ergab sich für die Eva
luation ein sehr breiter Methodenmix, der aus einem
Vergleich der kantonalen Vorschriften in der Schrift
form, einer Erfassung von Transaktionskosten auf den
unterschiedlichen Ebenen und Interviews bestand. Die
Interviews, die den vielleicht wichtigsten Teil der Evalu
ation darstellten, wurden beim Bundesamt für Land
wirtschaft, bei zehn kantonalen Verwaltungen (AI, AR,
FR, GR, JU, NE, SO, VD, VS, ZH) einem Planungsbüro und
einer koordinierenden Gemeinderätin durchgeführt.
Sie wurden einerseits transkribiert und teilweise mit der
Methode der objektiven Hermeneutik, also der vertief
ten Analyse einzelner Textsequenzen (Oevermann 2001;
Mann und Schweiger 2009) ausgewertet. Andererseits
dienten sie gemeinsam mit den anderen Quellen auch
als Grundlage für Vergleichstabellen, die zur Auslotung
der institutionellen Bandbreite angelegt wurden.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Transaktionskosten der Ökoqualitätsverordnung
Bereits beim Thema der Transaktionskosten ist es sehr
wichtig, zwischen den beiden Teilen der ÖQV zu unter
scheiden. Für den Bereich der Qualität fallen Transakti
onskosten bei der Betriebsleitung an, die sich einerseits
bei jener kantonalen Verwaltung über das Programm in
formieren muss, welche die Anträge entgegennimmt und
schliesslich das Vorhandensein der Qualitätsindikatoren
auf den Grünlandflächen kontrolliert, sowie andererseits
in vernachlässigbarem Umfang (< 1 Promille) auch noch
bei jener Bundesverwaltung, in der sich die Inhaberin ei
ner Teilzeitstelle mit der ÖQV beschäftigt. Durch eine
Quantifizierung dieser Transaktionskosten (Bernhard
2006) weiss man allerdings, dass ihr Anteil bei den Zah
lungen an die Betriebsleitung im Programmteil «Quali
tät» unter fünf Prozent beträgt und sich damit im Rah
men der übrigen agrarökologischen Programme bewegt.
Für den bislang noch nicht auf seine Transaktionskos
ten untersuchten Teil der Vernetzungsprojekte fallen an
den oben genannten Stellen ebenfalls Kosten an, die
jedoch aufgrund der Heterogenität der Projekte nicht
prozentual berechnet wurden. Darüber hinaus macht
der Verordnungstext noch den Einbezug anderer Stellen
notwendig, an denen Kosten anfallen. So ist beispiels
weise Vorschrift, dass am Anfang eines jeden Vernet
zungsprojekts ein Konzept erstellt wird, in dem der öko
logische Ausgangszustand dargestellt und die ange
strebte Entwicklung zu beschreiben ist. Diese Kosten
weisen ein hohes Mass an Heterogenität auf. Während
viele Konzepte für 10 000 – 20 000 Franken erstellt wer
den, gab es auch Vernetzungskonzepte für 70 000 oder
200 000 Franken. Entsprechend unterschiedlich ist auch
der Anteil an Transaktionskosten an den jährlichen
Hektartransfers, denn dieser Anteil hängt auch deutlich
davon ab, ob das Projekt über sechs, zwölf oder mehr
Jahre läuft, und welche Flächen darin integriert werden.
Dies gilt unabhängig davon, wer diese Transaktionskos
ten trägt, denn von lokalen Gebietskörperschaften über
die kantonale Verwaltung, das Bundesamt für Umwelt
BAFU, das Bundesamt für Landwirtschaft BLW bis hin zu
den Landwirtinnen und Landwirten selbst gibt es dort in
den einzelnen Kantonen viele Varianten von anteiligen
und teilweise auch vollständigen Finanzierungen.
Schliesslich sollte noch betont werden, dass die
Transaktionskosten kein Mass für die Effizienz eines Ver
netzungsprojektes sind. Wahrscheinlich ist das Geld für
ein billig und schlecht geplantes Vernetzungsprojekt
aus ökologischer Sicht weniger gut investiert als Geld für
ein anspruchsvoll geplantes Vernetzungsprojekt mit ei
nem vergleichsweise höheren Transaktionskostenanteil.
Institutionelle Ausgestaltung
Auch bezüglich der institutionellen Ausgestaltungs
möglichkeiten sind Freiheitsgrade im Programmteil
«Qualität» sehr begrenzt. Bis auf die organisatorischen
Unterschiede, die es auch für die traditionellen Agrar
ökomassnahmen gibt (z. B. die mögliche Delegation der
VorOrtKontrollen) beschränkt sich die Freiheit vor al
lem auf die Definition von abweichenden Kriterien, die
gleichwertig zu jenen des Bundes sind. Darüber hinaus
Umwelt | Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung
26 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Abb. 1 | Institutionelle Ausgestaltung der ÖQV in Appenzell Ausserrhoden.
Eidgenössische Forschungsanstalt
Auftragsarbeitzur
Konzeption
IntegrationgeeigneterHabitate
Zahlung,Definition von
Landnutzungs- änderungen
KantonaleVerwaltung
Landwirte
Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt
besteht noch die Freiheit, nicht an der ÖQV teilzuneh
men. So hat sich der Kanton Genf in den ersten Jahren
(2001 – 2008) dafür entschieden, keine Vernetzungspro
jekte nach ÖQV mitzufinanzieren. Die theoretische
Möglichkeit, nicht am Programmteil «Qualität» teilzu
nehmen, wurde von keinem Kanton wahrgenommen.
Umso grösser ist im Vergleich mit dem Programmteil
«Qualität» der Handlungsspielraum, den die Kantone
bei der Ausgestaltung der Vernetzungsprojekte haben.
Fünf Kantone (Appenzell Inner und Ausserrhoden,
Thurgau, Aargau und BaselLandschaft) entschieden
sich, ein einziges grosses Vernetzungsprojekt im Kanton
zu initiieren, und wählten damit einen klassischen Top
downAnsatz. Alle übrigen teilnehmenden Kantone be
vorzugen einen BottomupAnsatz, bei dem sich die
Vernetzungsprojekte höchstens mit informeller Unter
stützung der kantonalen Verwaltung bilden.
Die Abbildungen illustrieren nicht nur die Akteurs
struktur eines Topdown und BottomupAnsatzes,
sondern auch jene eines eher übersichtlich gestalteten
Ansatzes und einer komplexeren institutionellen Lö
sung. Die Abbildungen verdeutlichen in etwa das Span
nungsfeld möglicher Lösungen, das die Kantone für sich
nutzen können. Dabei fiel nicht auf, dass die unter
schiedlichen Entscheidungen der Kantone in irgendei
ner Weise mit der ökologischen Situation der jeweiligen
Region zusammenhängen könnten, wohl aber mit der
politischen Konstellation. So war in Appenzell Au
sserrhoden der Versuch, als kantonale Verwaltung ei
nen starken Einfluss auf den Charakter des Netzwerkes
zu nehmen, stärker spürbar als in Solothurn.
Gerade in den Kantonen mit BottomupAnsatz
kommt den Planungsbüros oft eine besondere Bedeu
tung zu. In vielen Fällen sind sie es, die definieren, welche
Änderungen in der Bewirtschaftung der Flächen erfol
gen müssen, damit sich die Betriebsleitenden für den
Beitrag qualifizieren. De facto wurde damit eine gänz
lich neue institutionelle Konstellation geschaffen: Priva
te Unternehmen definieren das Ausmass der öffentli
chen Güter, das für eine vorgegebene Summe bereitge
stellt wird. Die daraus entstehenden Gefahren relativie
ren sich allerdings durch den Tatbestand, dass es stets die
kantonale Verwaltung ist, die den Vertrag unterzeichnet.
Änderung der Flächenbewirtschaftung
Auch bezüglich der Änderungen, die sich durch die ÖQV
in der Flächenbewirtschaftung ergeben, ist deutlich
zwischen den beiden Programmteilen zu unterscheiden.
Befragt man Landwirtinnen und Landwirte, welche Pra
xis sie für die Flächen im Programmteil «Qualität» geän
dert hätten, antworten sie im Regelfall, dass sie nichts
geändert hätten (Bernhard 2006). Andererseits schrän
ken geben jene Landwirtinnen und Landwirte, die Flä
chen in der ÖQV angemeldet haben, sehr selten ihre
Beteiligung an anderen agrarökologischen Program
men ein oder geben diese gar auf (Mann 2008). Daraus
kann geschlussfolgert werden, dass die Zahlungen im
Rahmen des Programmteils «Qualität» quasi als eine Art
Sieb wirken: Flächen mit einer hohen Qualität (und da
her mit zusätzlichen Zahlungen dafür) bleiben in den
agrarökologischen Programmen, für Flächen mit einer
geringeren Artenvielfalt, die daher keine Zahlungen im
27Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Abb. 2 | Institutionelle Ausgestaltung der ÖQV in Solothurn.
ÖrtlichesPlanungsbüro
RegionaleTrägerschaft
ProjektbegleitendeArbeitsgruppe
BeauftragterLandwirt
KantonaleVerwaltung
Landwirt
Auftrag undBezahlung
KonstituierungAuftrag
Projekt-einreichnung
Projekterarbeitung,Definition von Bewirtschaftungs-anforderungen
Unterstützung
Unterstützung
Beratung,Vertragsabschluss, Koordination und Kontrolle
Auftrag undBezahlung
Bezahlung
Projekt- einreichnung
Projektgenehmigung
Rahmen der ÖQV erhalten, werden eher bald keine öf
fentlichen Mittel mehr in Anspruch genommen.
Ein Problem stellt die institutionalisierte Ausgestal
tung des «Qualitäts»Teils jedoch für Flächen mit einem
sehr hohen Artenreichtum dar. Sind nicht sechs, sondern
zum Beispiel 15 wertgebende Taxa auf den Flächen vor
handen, so besteht für den Bewirtschafter zunächst kei
nerlei Anreiz, im Rahmen der Flächenbewirtschaftung
etwas für die Bewahrung der Artenvielfalt zu tun. Inso
fern leuchtet ein, dass von vornherein nur Ökoaus
gleichsflächen zur Teilnahme am Programmteil Qualität
berechtigt sind. Auf diese Weise wird verhindert, dass
die Bewirtschafter sehr hochwertiger Flächen so lange
intensivieren, bis tatsächlich nur noch sechs wertgeben
de Taxa auf der Fläche vorhanden sind.
Kann nicht auch für den Programmteil «Vernetzung»
angenommen werden, dass die Zahlungen durch die
hohe ökologische Qualität der Flächen gerechtfertigt
werden? Das könnte er, wenn es hinreichend Indizien
dafür gäbe, dass die Flächen in diesem Programmteil
ebenfalls eine überdurchschnittlich hohe Qualität auf
weisen würden. Doch anders als im Programmteil «Qua
lität», wo die sechs oder mehr Indikatorpflanzen auf der
Fläche für sich sprechen, fehlt ein solch eindeutiger Indi
kator für die Vernetzungsprojekte. 2007 erhielten ca.
40 % der Vernetzungsflächen auch Beiträge für Qualität.
Den Brachen, für welche keine Beiträge für Qualität aus
bezahlt werden, wird generell ein hoher Wert attestiert
(Herzog und Walter 2005). Damit könnte der Anteil der
Vernetzungsflächen mit Qualität auf maximal 50 % ge
schätzt werden. Zwar werden auch durch die Vernet
zungsprojekte Flächen in den agrarökologischen Pro
grammen gehalten, wobei es bei ca. 50 – 60 % unklar ist,
ob es sich um Flächen besonders hoher Qualität handelt.
Erfahrungsgemäss ist es sehr abhängig von den beteilig
ten Personen, welche Qualität und Funktion – wie z. B.
Pufferwirkung entlang von Gewässern oder um Moore
und Trockenwiesen und weiden die ausgewählten Ver
netzungsflächen tatsächlich haben.
Da zwischen den Flächen in Vernetzungsprojekten
und übrigen ökologischen Ausgleichsflächen in den
meisten Fällen mangels ziel und leitartbezogenen Er
folgskontrollen kein qualifizierter Unterschied bezüg
lich des ökologischen Outputs nachgewiesen werden
kann, ist nach einem Unterschied im Input, also in der
Flächenbewirtschaftung zu fragen. Diesbezüglich lassen
sich die Vernetzungsprojekte, wie die Evaluation zeigte,
grob in drei Gruppen einteilen:
• Teilweise wurden Bewirtschaftungsauflagen formu
liert, welche die ökologische Qualität deutlich erhöh
ten und den Landwirtinnen und Landwirten Oppor
tunitätskosten verursachten. Häufigere Beispiele
waren gestaffelte Schnittermine oder die Errichtung
von Steinmauern.
• In anderen Vernetzungsprojekten bekam man den
Eindruck, es seien pro forma sehr wenig wirksame
Bewirtschaftungsauflagen vereinbart worden, so
etwa bestimmte Schnitthöhen, die aber wiederum
nur bei ausgewählten Mähwerken verbindlich waren.
• Es gab auch Vernetzungsprojekte, in denen mit dem
hohen ökologischen Potenzial oder der Lage
argumentiert wurde, in denen aber keine Bewirt
schaftungsauflagen definiert sind.
Ein Schwachpunkt waren sowohl die Vollzugs als
auch die Erfolgskontrollen der Vernetzungsprojekte.
Die Vollzugskontrollen werden üblicherweise nicht im
Rahmen der ÖLNKontrollen absolviert, sondern es wer
den andere Systeme implementiert, bei denen den Kon
trollen in der Praxis aber meist keine sichtbare Bedeu
tung zukommt. Und nur in einer kleinen Minderheit der
Projekte wird nach Ablauf der Projektdauer von sechs
Jahren untersucht, ob die Ziel und Leitarten tatsächlich
erhalten oder gefördert werden konnten.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Evaluation der ÖQV hat gezeigt, dass die beiden Pro
grammteile bezüglich ihrer institutionellen Effizienz sehr
unterschiedliche Schwachpunkte aufweisen. Beim Pro
grammteil Qualität handelt es sich um ein ebenso inno
vatives wie zukunftsweisendes Politikinstrument, das
mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Bewahrung ökologisch
wertvoller Habitate und durch Anreize zur extensiven
Bewirtschaftung beiträgt. Die Anreizstruktur für sehr
hochwertige Flächen wäre jedoch besser gegeben, wenn
die Zahlungen abgestuft erfolgen würden, d.h. wenn
eine gewisse Abhängigkeit zwischen der Zahlungshöhe
und der Anzahl wertgebender Arten bestünde. Bei den
Vernetzungsprojekten ist der Innovationsgrad ebenfalls
hoch, da erstmalig der Tatsache Rechnung getragen
wird, dass Habitate eine gewisse Mindestgrösse brau
chen. Ökologen konstatieren eine Reihe gelungener Pro
jekte, die einen wirksamen Habitatschutz bieten (Spiess
ohne Jahr). Es besteht dennoch der Verdacht, dass der
Reibungsverlust zwischen den Vorgaben des Bundes und
der Umsetzung vor Ort zu hoch ist. Kantonale Verwal
tungen setzen zum Teil minimale Anforderungen, die
dann in einigen Gemeinden wiederum unterboten wer
den, ein wirksames Kontrollsystem wurde nicht durch
gängig implementiert. Es kann auf diese Weise zu Pro
jekten kommen, welche die von der öffentlichen Hand
eingesetzten Mittel mit Sicherheit nicht wert sind.
Worin liegt nun bei den Vernetzungsprojekten der
Umwelt | Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung
28 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Eine Schwachstellenanalyse der Ökoqualitätsverordnung | Umwelt
Konstruktionsfehler? Wahrscheinlich gibt es ein allzu
grosses Spannungsfeld: Auf der einen Seite besteht bei
der Ausgestaltung der Ziele in Vernetzungsprojekten ein
grosser Spielraum. Auf der anderen Seite gibt es die Ein
bettung in die Agrarpolitik des Bundes, die gerade bei
der Vergütung der Massnahmen dem Prinzip des «one
size fits all» folgt. Die Förderung verschiedener Ziel und
Leitarten erfordert jedoch unterschiedliche Massnahmen,
welche auch unterschiedliche Kosten verursachen: Um
Braunkehlchen im Engadin zu schützen, sind eventuell
andere finanzielle Mittel erforderlich, als wenn der Sil
berscheckenfalter in EbnatKappel zu bewahren ist. Um
diesen Unterschieden besser Rechnung zu tragen, ist sei
tens der Bundesverwaltung zu prüfen, ob auch individu
ellere finanzielle Fördermassnahmen anzubieten sind.
Eine Alternative zur bestehenden finanziellen Global
förderung wäre beispielsweise die landesweite Aus
schreibung von Vernetzungsprojekten zur Bewahrung
bestimmter, seltener Arten durch die Bundesverwal
tung, vorzugsweise mit quantitativen Zieldefinitionen.
Auf diese Weise könnte auch ein Ideenwettbewerb ins
Leben gerufen werden, auf welche Weise zum Beispiel
Bodenbrüter am kostengünstigsten geschützt werden
könnten. Eine andere Variante wäre, sich das USameri
kanische Conservation Reserve Enhancement Program
me (Khanna und Ando 2009) zum Vorbild zu nehmen
und den Kantonen die Möglichkeit zu geben, beim Bund
Anträge zur Kofinanzierung von Vernetzungsprojekten
zu stellen. Solche individuelleren Institutionalisierungen
der Vernetzung würden – wenn auch um den Preis hö
herer Transaktionskosten – gewährleisten, dass für die
Fördermittel mit grösserer Treffsicherheit eine Bewah
rung der Artenvielfalt «eingekauft» werden kann. n
29Agrarforschung Schweiz 1 (1): 24–29, 2010
Analisi dei punti deboli dell’ordinanza
sulla qualità ecologica
Servendosi di una vasta combinazione
di metodi è stata effettuata un’analisi
delle parti «qualità» ed «interconnes-
sione» dell’ordinanza sulla qualità
ecologica, per esaminarne i punti
deboli riguardo ai costi di transazione,
all’impostazione istituzionale nei
Cantoni ed alle modifiche di destina-
zione del suolo correlate ai program-
mi. Sulla base dei risultati, per l’ambito
«qualità» è stata proposta una
graduazione dell’importo dei contribu-
ti e per l’ambito «interconnessione»
una sostituzione dei contributi fissi
all’ettaro con progetti individualmente
richiesti o pubblicati.
Critical-point analysis of the Ordinance
on Ecological Quality
Using a wide range of methods, both
parts of the Ordinance on Ecological
Quality, «Quality» and «Networking»,
were examined with respect to their
critical points regarding transaction
costs, institutional configuration in
the cantons, and land-use changes
associated with the programmes. The
results suggest graded contributions
for the «Quality» sphere and a replace-
ment of the fixed contributions per
hectare by individually submitted or
tendered projects.
Key words: biodiversity, networks,
policy evaluation, agri-environmental
programmes.
Literaturb BAFU und BLW, 2008. Umweltziele Landwirtschaft. Bern: BAFUb Bernhard S., 2006. Die Transaktions- und die technischen Kosten
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Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Die 27. Internationale Konferenz der Agrarwirtschafter
(International Association of Agricultural Economists
IAAE) fand vom 16. – 22. August 2009 in Beijing zum
Thema «The New Landscape of Global Agriculture»
statt. Die Konferenz war geprägt durch ein «dank» der
Ernährungskrise
• erneuertem Interesse am Agrar- und Ernährungs-
sektor, sowie
• der Frage, wie die Weltbevölkerung künftig
nachhaltig ernährt werden kann.
Entsprechend wurden Themen wie Ernährungssicher-
heit, Selbstversorgung, Getreidereserven, Protektio-
nismus, Agrarstützung, Biotreibstoffe, Verletzlichkeit
länd licher Haushalte, etc. diskutiert.
Ich beschränke mich im Folgenden auf ausgewählte Themenbereiche und Vorträge.
Neue Kräfte in Entwicklungsländern werden
die globalen Agrarmärkte beeinflussen
Dezio Zylbersztajn (University of São Paulo) befasst sich
mit der Rolle der institutionellen Regelungen in der
Landwirtschaft mit einem Fokus auf Brasilien. Makro
institutionelle Anpassungen beeinflussen die Landwirt
schaft weltweit und auch jene Brasiliens. Beispiele sind:
wirtschaftliche Reformen in China, Wandel der EU
Agrarpolitik, WTO, die Entwicklung europäischer Nah
rungsmittelStandards und das internationale System
geistigen Eigentums. China ist besonders wichtig, weil
es mit der wirtschaftlichen Öffnung stark zum Welthan
del beigetragen hat. Dies führt zu Produktionsmöglich
keiten in Brasilien. Brasilien nutzt gemäss Zylbersztajn
nur einen kleinen Teil seines Agrarlandes und hat reich
lich Wasser.
Nachhaltige Produktionsformen sind global gese
hen gefordert. Die Herausforderungen in Brasiliens tro
Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft
K u r z b e r i c h t
Reislandschaft in China. (Foto: Urs Gantner, BLW)
30 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010
Urs Gantner, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern
Auskünfte: Urs Gantner, E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 322 25 74
pischen Wäldern sind einzigartig; das Land ist sich der
Fragilität seiner Biomasse im Amazonas und dem Cerra
do bewusst. Zylbersztajn weist aber darauf hin, dass die
Expansion der globalen Landwirtschaft nur möglich
wurde, indem natürliche Gebiete durch die Landwirt
schaft verdrängt wurden. Dies war in Europa, Nordame
rika, Asien und Afrika der Fall. In Lateinamerika passiert
das Gleiche zeitlich später! Die landwirtschaftlich nutz
bare Fläche Brasiliens wird auf 851 Millionen ha ge
schätzt, wovon zurzeit nur auf 33 % produziert wird.
Zylbersztajn weist darauf hin, dass die Regierung Brasili
ens sich mit Landnutzung und Umwelt befassen muss:
(1) Beschreiben und Durchsetzen der Grenzen der Ex
pansion der Landwirtschaft, (2) Festlegen der Eigen
tumsrechte im Amazonas.
Eine treibende Kraft globalen Wandels in der Land
wirtschaft ist die Bioenergie. In Brasilien werden Etha
nol (aus Zuckerrohr) sowie Biodiesel (zu 90 % aus Soja)
produziert.
Zylbersztajn betont, dass die drei treibenden Kräfte –
globale Nachfrage, Nachhaltigkeit, Bioenergie – natio
nale wie auch globale Effekte haben und dass sie sich
gegenseitig beeinflussen. Weltweit organisierte Agrar
systeme werden sich an neue Qualitätsstandards sowie
sozioökologische Anforderungen anpassen und sie
werden zu Kosten produzieren, die für Länder mit tie
fen Einkommen kompatibel sind.
Chinas Landwirtschaft im UmbruchChinas Wirtschaft wandelt sich seit den 1978 initiierten Reformen stark. So wurden unter anderem die Märkte zumindest teilweise liberalisiert, der Wechselkurs gesenkt und spezielle Wirtschaftszonen geschaffen, um ausländische Investoren anzuziehen. Die Reformen haben dazu beigetragen, dass das BruttoInlandProdukt (BIP) zwischen 1979 und 2008 um fast 10 % jährlich zugenommen hat.
Das schnelle volkswirtschaftliche Wachstum hat zu ei
nem entsprechend dynamischen Strukturwandel in der
Wirtschaft geführt. Der Anteil der Landwirtschaft am BIP
sank von 40 % im Jahr 1970 auf 11 % im 2007. Steigende
Einkommen und die Verstädterung haben in dieser Zeit
spanne auch starke Veränderungen beim Konsum von
landwirtschaftlichen Gütern nach sich gezogen.
Wächst die Volkswirtschaft Chinas in der Zeitspanne
2010 bis 2020 mit 6 bis 7 % jährlich, so bedeutet dies, dass
Chinas Wirtschaft 2020 rund vier Mal grösser sein wird als
im Jahr 2000. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum ver
liert China durch Verstädterung, Strassenbau und Indust
rialisierung wertvolle Anbauflächen für die landwirt
schaftliche Produktion. Dieser Entwicklung setzt China
Hightech und neue Technologien entgegen, um den Out
Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft | Kurzbericht
31Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010
• 1,3 Milliarden Menschen, 21 % der Welt-
bevölkerung, 9 % der Weltackerfläche,
6 % der weltweiten Süsswasserreserven
• Wirtschaftsentwicklung: seit 2000 ca.
10 % jährliches Wirtschaftswachstum,
aber nur 4,5 % in der Landwirtschaft
• Wandel vom Nettoexporteur zum Netto-
importeur: fünftgrösster Exporteur und
viertgrösster Importeur
• Importe bei landintensiven Produkten:
Soja zur Fleischproduktion, Baumwolle
zur Textilfabrikation
• Exporte vor allem bei arbeitsintensiven
Produkten: Fisch, Früchte, Gemüse und
verarbeitete Produkte
• Selbstversorgung bei Getreide und Reis
als politisches Ziel
• Herausforderungen:
• Wachsende Einkommensdisparitäten
zwischen Stadt und Land trotz staatlicher
Gegenmassnahmen wie Steuerbefreiung
und Direktzahlungen zugunsten der
Bauern; zunehmende Gefahr sozialer
Spannungen
• Kulturlandverluste durch starke Aus-
dehnung der Siedlungsflächen (0,18 %
pro Jahr, 1 Mio. ha pro Jahr)
• Ökologische Herausforderungen:
Wasserknappheit, Bodenerosion,
Umweltbelastung
• Probleme bei der Einhaltung von Stan-
dards in der Lebensmittelsicherheit:
teils schlechte Reputation chinesischer
Produkte und Probleme beim Export
Kasten 1 | Chinas Agrarsektor in Stichworten
put pro Flächeneinheit weiter steigern zu können. Neben
der Förderung der Flächenproduktivität wird China vor
allem auf die Möglichkeiten und Stärken im eigenen
Land setzen und Importe dort ausweiten, wo die eigenen
Ressourcen (Land und Wasser) begrenzt sind. So kom
men Prognosen zum Schluss, dass die Importe an Ölsaa
ten und Futtergetreide sowie an Schweine und Geflügel
fleisch zunehmen werden. Der Anteil der Eigenproduk
tion von Ölsaaten dürfte von 70 % im Jahr 2001 auf 45 %
im 2020 sinken. Reis dagegen wird weiterhin – und ge
mäss den Prognosen in leicht höherer Menge – exportiert
werden. China dürfte zudem vermehrt arbeitsintensive
Produkte wie Gemüse, Früchte, Fisch und verarbeitete
Agrarprodukte exportieren. Das Land wird sich schritt
weise auf arbeitsintensive Bereiche im Agrar und Ernäh
rungssektor konzentrieren, weil es hier weltweit gese
hen komparative Vorteile hat. Der Selbstversorgungsrad
mancher Produkte wird eher abnehmen, der Anteil an
einheimischem Getreide (ausgenommen Futtergetreide)
und der Gesamtselbstversorgungsgrad werden jedoch
hoch bleiben. Insgesamt dürften Chinas Importe weiter
hin steigen und mit der Nachfrage, insbesondere bei Öl
saaten und Getreide, zunehmend auch deren Preise auf
den Weltmärkten beeinflussen.
Globale öffentliche Güter und Landwirtschaft
des 21. Jahrhunderts
John Quiggin (University of Queensland) befasst sich in
seinem Beitrag mit dem Thema «Landwirtschaft und
globale Klimastabilisierung». Der Bericht des Inter
governmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2007
zeigt auf, dass es trotz aggressiven Strategien, um die
CO2Konzentrationen in der Atmosphäre zwischen 400
und 500 ppm (parts per million) zu stabilisieren, zu einer
Erwärmung von mindestens 2 Grad Celsius im 21. Jahr
hundert (verglichen mit dem 20. Jh.) kommen wird. Der
IPCCBericht präsentiert Projektionen von 2 bis 6,4 Grad
Celsius. Der Agrarsektor wird entsprechende Anpas
sungskosten zu verkraften haben.
Das Klima beziehungsweise die Atmosphäre ist ein
öffentliches Gut. Die Nationen dieser Erde sind gefor
dert, entsprechende Politikmassnahmen zu entwickeln.
Um das globale Klima zu stabilisieren sind 1 bis 3 % des
globalen Einkommens jährlich nötig. Quiggin plädiert
für weltweit gleich verteilte Emissionsquoten pro Kopf,
verbunden mit einer Option, Quoten zu handeln.
Prabhu Pingali (Gates Foundation) befasst sich in sei
nem Beitrag mit Forschung und Entwicklung sowie mit
der sich ändernden Unterstützung von Entwicklungslän
dern. Grenzüberschreitende Agrarforschung und Tech
32 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010
Abb. 1 | Bäuerin auf dem Markt. (Foto: Urs Gantner, BLW)
Kurzbericht | Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft
nologie waren in den letzten 50 Jahren bedeutsam um
die Agrarproduktivität in Entwicklungsländern zu erhö
hen. Moderne Sorten von Reis, Weizen und weiteren
Grundnahrungsmitteln werden oft als Beispiele erfolg
reicher Anwendung der globalen Wissenschaft zitiert,
um Hunger und Armut anzugehen. Die ersten For
schungsinvestitionen wurden durch internationale Stif
tungen – Ford und Rockefeller – getätigt. Dann folgte
eine Koalition von öffentlichen und privaten Geldgebern,
die im Rahmen des CGIAR (Consultative Group on Inter
national Agricultural Research) sicher stellte, dass lang
fristig im öffentlichen Interesse geforscht wurde. Sobald
das von CGIAR entwickelte Wissen öffentlich verfügbar
wurde, haben nationale öffentliche und private Instituti
onen in Technologieanpassungen, Verteilung und Liefe
rung investiert. Die Nachfrage nach internationalen For
schungsergebnissen ist nach wie vor hoch. Dabei geht es
in LDC (least developed countries) vor allem darum, die
Produktivität in traditionellen Agrarsystemen zu erhö
hen. In Entwicklungsländern hingegen werden nachhal
tige Produktivitätszunahmen und verstärkte Wettbe
werbsfähigkeit wichtig. In Industrieländern wird der Fo
kus vermehrt auf die multifunktionalen Rollen der Land
wirtschaft gelegt. Die Anpassung an den Klimawandel
wird für alle drei Produktionssysteme bedeutsamer.
Private Investitionen in landwirtschaftliche For
schung und Entwicklung (F + E) haben in den verstärkt
marktorientierten Produktionssystemen von Entwick
lungsländern zugenommen. Grosse multinationale Fir
men zusammen mit nationalen Unternehmen werden
mehr und mehr zu einer Alternative zu den öffentlichen
TechnologieTransferInstitutionen, was vor allem bei
hochwertigen Produkten wie Baumwolle, Mais, Gemü
se, Tiere, etc. der Fall ist. Die Möglichkeit, dank geisti
gem Eigentum (Intellectual Property Rights, IPR) und
der Entwicklung von Hybriden Gewinne aus landwirt
schaftlicher F + E zu erzielen, hat zu einer Verschiebung
der Agrarforschung hin zum privaten Sektor geführt.
Rahmenbedingungen wie IPR, offene Grenzen und
trans parente Biosicherheitsregelungen werden zu hö
heren Privatinvestitionen in kommerzielle Produktions
systeme der Entwicklungsländer führen. Es gibt jedoch
Gebiete wie SubSaharan Africa, die nicht im Zentrum
des privaten Interesses stehen. Der private Sektor wird
kaum Forschungsinvestitionen tätigen für Lösungen un
ter schwierigen Produktionsbedingungen wie zum Bei
spiel Trocken und Hitzeregionen.
In Zukunft wird es zudem darum gehen müssen, glo
bale F + E mit nationalen Bedürfnissen zu verbinden. Die
CGIAR soll sich auf jene Bereiche konzentrieren, bei de
nen Marktversagen in der Bereitstellung von F + E auf
tritt. Dies wird vor allem die Subsistenzproduktionssys
teme in schwierigen Umweltbedingungen und bisher
vernachlässigte Kulturen wie Sorghum, Cassava, tropi
sche Gemüse, etc. betreffen. Internationale Forschung
soll sich darauf konzentrieren, Forschungsergebnisse
mit dem Charakter öffentlicher Güter zu erarbeiten und
sie soll nationale Partner bei der lokalen Anpassung und
Verbreitung von F + E stärken. Eine stärkere Bedeutung
als bisher müssen nach Pingali «vertical funds» oder
«global programs» erhalten. Globale Programme sollen
sich auf spezifische Fragestellungen konzentrieren, die
multinationale Bedeutung haben. Voraussetzungen für
den Erfolg sind dabei klar definierte Outputs, eine ex
ante Einschätzung ihrer Wirkungen und klare Indikato
ren, um den Fortschritt zu evaluieren und die Auswir
kungen zu erfassen. Synergien zwischen «vertical
funds», die Innovationen generieren und «horizontal
funds» auf nationaler Ebene, die sich auf Technologie
anpassungen, Verbreitung und Lieferung von F + E kon
zentrieren, sind dringlich.
Zunehmender internationaler Austausch
Die Konferenz bot den Wissenschaftern eine ausgezeich
nete Möglichkeit, ihre Forschungsarbeiten vorzustellen
und sie gab einen guten Überblick darüber, an welchen
Fragestellungen Agrarwirtschafter weltweit gesehen ar
beiten. An der Konferenz wurden 401 «papers» vorge
stellt. 43 Prozent der «papers» wurde durch eine interna
tionale Autorenschaft verfasst, was auf die steigende
Vernetzung und auf den zunehmenden internationalen
Austausch in Forschung und Entwicklung hinweist. n
Die neue Landschaft einer globalen Landwirtschaft | Kurzbericht
33Agrarforschung Schweiz 1 (1): 30–33, 2010
LiteraturDas Literaturverzeichnis kann beim Autor bezogen werden.
Hans Wydler: Soziologe durch und durch
Publikation in der Agrarforschung Schweiz
• Care Farming: Soziale Leistung in der Landwirt-
schaft, Agrarforschung Schweiz 1 (1), 4 – 9
«Mein Traumberuf mit fünfzehn war Lehrer», erinnert
sich der Soziologe Hans Wydler. «Später weckte die Mit
wirkung in Bürgerbewegungen und Quartierinitiativen
mein Interesse an gesellschaftlichen Entwicklungen, was
mich zur Soziologie brachte. Die AKWGegnerbewegung
hat mir gezeigt, dass Veränderungen bewirkt werden
können.» Hans Wydler ergänzt nachdenklich: «allerdings
kosten sie viel Kraft und Zeit. Heute interessiert mich die
Grundlagenforschung.» Sie hat ihn denn auch als Sozio
loge zu Agroscope geführt: «Im Landwirtschaftsektor
findet zusehends ein Themenwandel statt. Die Landwirt
schaft bewegt sich von der reinen Produktionsfunktion
weg. Die Sichtweise auf den Sektor erweitert sich um die
Aspekte Umweltpflege und dezentrale Besiedlung. Die
Gesellschaft muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die so
zialen Strukturen in peripheren Räumen ändern.»
Therapie- und Gesundheitsräume
«Ländliche Räume werden», so vermutet Hans Wydler,
«in Zukunft verstärkt auch Therapie, Gesundheits und
Erholungsräume sein. Deshalb ist auch das Engagement
von Agroscope in diesem Bereich relevant.» Die Aussage
lässt aufhorchen. Vor zwei Jahren begann Hans Wydler
im Auftrag von ART mit dem Projekt Green Care: «Das
Projekt hat zum Ziel, soziale Dienstleistungen im ländli
chen Raum zu etablieren. Dazu gehört zum Beispiel die
Betreuung pflegebedürftiger und behinderter Perso
nen auf Bauernhöfen, oder die Integration verhalten
sauffälliger Jugendlicher. Zwar existiert Care Farming –
so die englische Bezeichnung – bereits heute vielerorts
in der Landwirtschaft, aber es fehlen Strukturen, die das
Angebot gut sichtbar machen und auch die Qualitäts
standards aus Sicht der Familienbetriebe definieren.»
Hans Wydler möchte deshalb eine Internetplattform er
richten, einen Marktplatz, der Angebot und Nachfrage
sichtbar macht. «Es gibt viele mögliche Partner für die
ses Projekt im Landschafts und Gesundheitsbereich.
Auch tiergestützte und Gartentherapie ist denkbar. So
ziale Leistungen können gerade in der Landwirtschaft
sehr gut erbracht werden, denn die Arbeit lässt die Wir
kung des Handelns direkt sichtbar werden, es gibt feste
Strukturen und doch ist eine grosse Anpassungsfähig
keit vorhanden. Für Behinderte ist es relevant und be
friedigend, dass das Lebensumfeld mitgestaltet und die
Sinnhaftigkeit der Arbeit erlebt werden kann.»
Öffentliches Interesse an Green Care wecken
Für die Landwirtschaft wird damit zwar kein «ökonomi
scher Goldweg» eröffnet, aber für Betriebe, die eine Di
versifizierung anstreben, ist es eine gute Möglichkeit
sich zu engagieren. Hans strebt eine breite Umsetzung
an: «Ziel ist, dass Green Care in der Schweiz ebenso gut
etabliert wird, wie dies bereits in zahlreichen nordischen
Ländern der Fall ist. Dort unterstützt die breite Öffent
lichkeit die soziale Integration im ländlichen Raum.»
Städtisches Leben mitprägen
Privat sucht der alteingesessene Winterthurer auch in
der Stadt neue Wege. Dies zeigt sein aktuelles Interesse
an einem grossen genossenschaftlichen Neubauprojekt,
einem Mehrgenerationenhaus in Winterthur. Das Sied
lungskonzept soll als Kontrapunkt zu Altersheimen das
Zusammenleben mehrer Generationen ermöglichen.
Die Architektur fördert Kontakte und Gemeinschaft, si
chert aber auch allen Bewohnenden eine Privatsphäre.
In modernster Holzbauweise wird grösstmögliche
Wohnlichkeit mit ökologischem Energiekonzept vereint.
Dies biete ihm die Chance, mit seinen zwei erwachsenen
Töchtern, deren Kindern sowie den beiden jüngeren
Töchter unter einem Dach zu leben, die Enkel zu betreu
en und seinen eigenen nächsten Lebensabschnitt inten
siv zu leben.
34 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 34, 2010
Hans Wydler (Foto: Etel Keller-Doroszlai, ART)
Etel Keller-Doroszlai, Forschungsanstalt Agroscope
Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen
P o r t r ä t
Aktuell
35Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010
Nachruf Ernst R. KellerErnst Robert Keller, em. Professor für Pflanzenbau an der
ETH Zürich, ist am 14. November nach einem reich erfüll
ten Leben kurz vor seinem 88. Geburtstag gestorben.
Nach dem Studium an der Abteilung Landwirtschaft
und zwei Auslandsaufenthalten promovierte er unter
Anleitung des späteren Bundesrates F. T. Wahlen an der
ETH. Danach wurde er Leiter der Sektion Kartoffel an
der Eidgenössischen Landwirtschaftlichen Versuchsan
stalt in Zürich Oerlikon. 1968 berief ihn die ETH Zürich
als Professor für Pflanzenbau. Schwerpunkte seiner For
schung waren u. a. die Optimierung des Kartoffelan
baus, eine nachhaltige Bodennutzung und biotechnolo
gische Methoden in der Pflanzenzüchtung.
Seine nationalen und internationalen Kontakte
wirkten sich in mannigfaltiger Weise auf die Landwirt
schaft aber auch zugunsten junger Agronomen und Ag
ronominnen und der landwirtschaftlichen Praxis aus.
Ernst R. Keller hat in den zwei Jahrzehnten seines Schaf
fens an der ETH Zürich eine ganze Generation Schweizer
Pflanzenbauer und Pflanzenzüchter geprägt.
Auch nach seiner Emeritierung setzte er sich weiter
für die Belange der Landwirtschaft ein; als Herausgeber
des neuen Handbuchs des Pflanzenbaus und als immer
engagierter und dem Neuen aufgeschlossener Diskussi
onspartner.
Die 5. Bioforschungstagung: Aktuelles zum BiorindAm 22. April 2010 findet die 5. Bioforschungstagung an
der Forschungsanstalt Agroscope LiebefeldPosieux ALP
in Posieux statt. Im Zentrum der Tagung steht das Rind
vieh im Biolandbau. Aktuelle Forschungsresultate zum
Futterbau, zur Fütterung, zur Zucht, zur Tiergesundheit,
und zur Produktqualität werden in interessanten Vor
trägen und Postern vorgestellt. Forschende von Agro
scope (ACW, ART, ALP), des Fibl’s und der ETH berichten
über folgende Themen:
• Stickstoff und Futter gleichzeitig ernten: Ein Ver
gleich von KleeGrasMischungen mit Reinkulturen
• Pâture mixte: jouer sur la complémentarité entre
les espèces animales (Mischweiden: Auf die Komple
mentarität der Tierarten setzen)
• Auswirkungen blühender Zwischenkulturen
(Buchweizen, Phazelia, Zichorien) als Futter auf
die Futteraufnahme und die Milchqualität
• Vollweide mit unterschiedlichen Kuhtypen:
Vom Futter bis zur Käsequalität
• Standortgerechte Rindviehzucht: Ergebnisse aus dem
Projekt Biozucht Graubünden; Genomweite Selektion
für funktionelle Merkmale im europäischen Projekt
LowInputBreed
• Streptococcus uberis – ein neuer Problemkeim in der
Biomilchproduktion? Eigenschaften, Verbreitung und
Bekämpfung von S. uberis als Mastitiserreger
• Tiergesundheitsplanung in Biomilchviehherden –
Strategien und innovative Methoden aus sieben
europäischen Ländern
Gemäss den Titeln werden die Vorträge in deutscher oder
französischer Sprache gehalten. Zum besseren Verständ
nis werden die Vortragsunterlagen aber in beiden Spra
chen erhältlich sein. Die 5. Bioforschungstagung richtet
sich an Personen aus der landwirtschaftlichen Forschung,
Lehre und Beratung, welche an Fragen des biologischen
Landbaus interessiert sind. Weiter sind interessierte Bäue
rinnen und Bauern sowie Vertreter der landwirtschaftli
chen Verbände und Behörden herzlich willkommen. Die
Biokoordinationsgruppe Agroscope – FiBL freut sich, sie
am 22. April 2010 in Posieux begrüssen zu dürfen.
Weitere Auskünfte:
Martin Lobsiger,
Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld–Posieux ALP
Rte de la Tioleyre 4, Postfach 64, 1725 Posieux
Tel. +41 26 407 71 11
A k t u e l l
Neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und der Praxis rund ums MelkenDie Wissenschaftliche Gesellschaft der Milcherzeugerbe
rater e. V. (WGM) organisiert jährlich eine Tagung mit ak
tuellen Themen rund ums Melken. Dabei werden Er
kenntnisse der Wissenschaft und Erfahrungsberichte der
Milcherzeugerberatenden vorgestellt. Im Rahmen von
drei Hauptreferaten wurden folgende Themen präsen
tiert: mechanische und chemische Einflussfaktoren auf
die Zitzenbeschaffenheit, Hinweise zur ergonomischen
Gestaltung von Melkarbeitsplätzen sowie zur Planung
von Automatischen Melksystemen. Zudem wurden in ver
schiedenen Workshops unter anderem über die aktuellen
DIN ISONormen und die Messungen unter Melkbedin
gungen, sogenannte dynamische Messungen, diskutiert.
16. / 17. September 2009, Dresden
Pascal Savary, Bau, Tier und Arbeit, Forschungsanstalt
Agroscope ReckenholzTänikon ART
Aktuell
Aktuelle Forschungsergebnisse
für Beratung und Praxis:
Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal
im Jahr Forschungsergebnisse über
Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,
Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und
Gesellschaft.
Agrarforschung ist auch online verfügbar
unter: www.agrarforschungschweiz.ch
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AGrArForSchUNG Schweiz
rechercheAGroNomiqUeSUiSSe
Talon einsenden an:Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00E-Mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch
NEU
Name/Firma
Vorname
Strasse/Nr
PLZ/Ort
Beruf
Datum
Unterschrift
Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift
der landwirtschaft lichen Forschung von
Agroscope und ihren Partnern. Partner der
zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-
schaft, die Schweizerische hochschule für
Landwirtschaft ShL, die Beratungszentralen
AGriDeA, die eidgenössische Technische
hochschule eTh zürich, Departement Agrar-
und Lebensmittelwissenschaften und Agro-
scope, die gleichzeitig herausgeberin der
zeitschrift ist.
Die zeitschrift erscheint auf Deutsch und
Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen
aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung
und Politik, an kantonale und eidgenössische
Ämter und an weitere Fachinteressierte.
37Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010
Ökonomisches Monitoring des fossilen Energieverbrauchs in der Landwirtschaft der EU
ART SchriftenreiheDie landwirtschaftliche Produktion in Europa ist unter
konstantem öffentlichem Druck; und dies nicht nur auf
grund der hohen Direktzahlungen an den landwirt
schaftlichen Sektor. In diesem Kontext verdienen die
negativen externen Effekte wie die TreibhausgasEmis
sionen aus dem Verbrauch an nichterneuerbarer Energie
besondere Aufmerksamkeit. Hierfür wird jedoch ein In
strument für die Abschätzung des Energieverbrauchs
der landwirtschaftlichen Produktion benötigt, das me
thodisch abgesichert, konsistent, vollständig und regio
nal spezifisch ist. Ohne ein solches Instrument können
Fragen zum effizienten Energieverbrauch oder der
räumlich und prozessspezifisch effizienten Zuteilung
von Energiereduktionszielen nicht beantwortet werden.
Ziel der Dissertation ist es, eine modellbasierte, regi
onal differenzierte Schätzung des Energieverbrauchs
und der Energieeffizienz der primären landwirtschaftli
chen Produktion für die gesamte Europäische Union zu
ermöglichen und die resultierenden Treibhausgasemissi
onen zu berechnen. In einem weiteren Schritt werden
bestehende und neue Politikinstrumente in Bezug auf
deren Energieverbrauch, die energiebezogenen Emissio
nen und deren Wohlfahrteffekte hin analysiert. Die
energetische Beurteilung aller Verbrauchskomponenten
basiert auf der Prozessanalyse und nutzt die Ökobilanz
methode. Es wird ein landwirtschaftliches Sektormodell
sowohl für die europaweite Darstellung wie auch für die
Analyse der politischen Instrumente eingesetzt.
Die Dissertation richtet sich unter anderem an For
schende und politische Entscheidungsträger, die sich mit
klimarelevanten Externalitäten beschäftigen und sekto
rale Massnahmen entwerfen und daher systematische
Hintergrundinformationen und Anregungen benötigen.
ISSN 16617584 ARTSchriftenreihe
ISBN 9783905733143
Tim Kränzlein,
Forschungsanstalt Agroscope
ReckenholzTänikon ART
Tänikon, 8356 Ettenhausen
[email protected], www.agroscope.ch
Aktuell
N e u e P u b l i k a t i o n e n
38 Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010
Aktuell
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
www.agroscope.ch
14.12.2009 / ACWVogelküken und Pflanzenschutzmittel: ab 2010 neue RisikoprognosenAnfang 2010 erscheint eine revidierte europäische Richt
linie zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für
Vögel. Die Schweiz wird in den nächsten Monaten die
neue Richtlinie prüfen. Gezielt sollen diejenigen Aspek
te übernommen werden, die dazu beitragen, die eige
nen Prognosemodelle zu optimieren und die Pflanzen
schutzmittelprüfung weiter zu präzisieren. Ein Aspekt
wird bereits heute als sehr relevant betrachtet: Neu sol
len Prognosen für die Wirkung von Pflanzenschutzmit
teln auf Vogelküken möglich sein. So können nicht nur
erwachsene Vögel, sondern auch die empfindlicheren
Jungvögel besser geschützt werden.
11.12.2009 / ACWKlimatische Bedingungen und Weinlese 2009Die Weinlese begann dieses Jahr im September und
schloss generell unter ausgezeichneten Bedingungen in
der ersten Hälfte von Oktober ab. Die Oenologen haben
somit qualitativ hochstehenden Rohstoff in den Händen.
Die Bilanz der Weinlese für die Versuchsbetriebe der
Forschungsanstalt Agroscope ChanginsWädenswil ACW
in den verschiedenen Rebbaugebieten der Schweiz ist
sehr erfreulich, da die Rebe die klimatischen Bedingun
gen während der Reife besonders gut verwertete.
08.12.2009 / ACWNeue Ansätze in der Apfelforschung – eine aromatische ZukunftDas Aussehen eines Apfels stellt ein Erstkaufkriterium
dar, doch ein schmackhaftes Aroma kann einen schlech
ten ersten Eindruck wettmachen. Dies ermittelten Sen
sorikWissenschaftler der Forschungsanstalt Agroscope
ChanginsWädenswil ACW dank eines neuen For
schungsansatzes. Das Ziel: Konsumverhalten und Wün
sche von Konsumentinnen und Konsumenten in die
Züchtung neuer Apfelsorten mit einbeziehen.
07.12.2009 / SNGEthik und Pferde: Sensibilisieren ohne zu beschuldigenAls Anstoss für eine weiterführende Bearbeitung orga
nisierten das Schweizerische Nationalgestüt SNG in Zu
sammenarbeit mit dem Obervatoire de la filière cheval
OFiChev eine Table ronde «Ethik und Pferd» mit den Zie
len, gemeinsame Wege einer Sensibilisierung ohne Be
schuldigungen zu finden und ein stetiges sich Hinterfra
gen im Umgang mit Pferden zu erreichen.
03.12.2009 / ARTSoziales Netzwerk im BodenPilze sind für unsere Pflanzen von grosser Bedeutung.
Sie liefern ihnen Nährstoffe und unterstützen sie so
beim Wachstum. Nun zeigt sich, dass sie dabei einen sehr
sozialen Ansatz haben.
Nährstoffe aus dem Boden zu holen, ist für viele Pflan
zen gar nicht so einfach. Deshalb greifen sie auf die Hilfe
von so genannten MykorrhizaPilzen zurück. Diese neh
men das fein verteilte Phosphor und den Stickstoff aus
der Erde auf und geben beide gegen „Bezahlung" an
die Pflanzenwurzeln ab.
Nun fand die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz
Tänikon ART heraus, dass diese Pilze offenbar eine sehr
soziale Ader haben. Denn es scheint ihnen oft egal zu
sein, wie viel Kohlenhydrat und Zucker eine Pflanze als
Gegenleistung liefert die Düngergabe ist dieselbe.
01.12.2009 / ACWGenug Schweizer Apfelsaft trotz FeuerbrandIn den letzten Jahren sind zahlreiche Hochstammbäume
dem Feuerbrand zum Opfer gefallen. Deshalb drohen
Mostäpfel zur Mangelware zu werden. Die Forschungs
anstalt Agroscope ChanginsWädenswil ACW gibt nun
gemeinsam mit den Mostereien Gegensteuer. Unter tra
ditionellen und neu gezüchteten HochstammSorten
sucht sie jene, die nicht nur reichlich Ertrag abliefern
und gut schmeckenden Apfelsaft ergeben, sondern vor
allem auch robust gegenüber Krankheiten sind. Konsu
mentinnen und Konsumenten sollen auch weiterhin
schmackhaften Schweizer Apfelsaft aus IP und BioAn
lagen geniessen können.
39Agrarforschung Schweiz 1 (1): 35–39, 2010
V e r a n s t a l t u n g e n
Februar 2010
5.2.2010Journée AgricultureAgroscope ChanginsWädenswil ACW Nyon
8. – 12.2.2010Winterbesuchswoche ART Tänikon 2010 Woche 6Agroscope ReckenholzTänikon ART Tänikon
22. – 26.2.2010Winterbesuchswoche ART Tänikon 2010 Woche 8Agroscope ReckenholzTänikon ART Tänikon
März 2010
4.3.2010Pflanzenschutztagung Gemüsebau 2010Agroscope ChanginsWädenswil ACWWädenswil
19.3.2010ART-TagungAgroscope TeckenholzTänikon ARTReckenholz, Zürich
April 2010
22.4.20105. BioforschungstagungForschungsanstalt Agroscope LiebefeldPosieux ALPPosieux
30.4.20105. Jahrestagung Netzwerkpferdeforschung SchweizHaras national suisse HNS Avenches
Aktuell
N e u e I n t e r n e t l i n k s
2010: Jahr der biologischen Vielfalt
www.biodiversitaet2010.ch
Die UNO hat am 20. Dezember 2006 das Jahr 2010 zum
Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt (IJB) er
klärt und das Sekretariat der CBD (Convention on Biolo
gical Diversity) als Koordinierungsstelle bestimmt.
Dies ist Gelegenheit zu fragen inwiefern es uns bisher
gelungen ist, Biodiversität zu bewahren und wo die He
rausforderungen der Zukunft liegen.
Aktivitäten der Schweiz zum Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt Die Schweiz wird sich auf nationaler und internationaler
Ebene aktiv am Internationalen Jahr der Biodiversität
beteiligen. Im Rahmen seiner Tätigkeiten zum Schutz
der Biodiversität haben der Bund und insbesondere das
BAFU den Akzent auf den Artenschutz gelegt, ein Be
reich, in dem die Schweiz gemäss den OECDBerichten
Defizite aufweist. Die Biodiversität wird durch das Moni
toringprogramm des Bundes regelmässig evaluiert. Für
2009 ist ein Bericht auf nationaler Ebene und für 2010
einer über die Aktionen der Schweiz auf internationaler
Ebene geplant.
Februar 2010 / Heft 2
• Präferenzen von Schweizer Apfelkonsumenten, S. Egger ACW
• Ländervergleich der ApfelProduktion, E. Bravin ACW
• Einfluss des Energiedefizits auf die Zusammensetzung der Milch, I. Morel ALP
• Was beeinflusst die Anbaubereitschaft transgener Pflanzen ART, J. Schweiger ART
• Listen der empfohlenen Sorten von Soja, Sonnenblumen und Eiweisserbsen für die Ernte 2010
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
V o r s c h a u
Eine Forscherin von Agroscope Changins-Wädenswil ACW misst mittels der Nahinfrarot-spektroskopie innere Qualitäts-eigenschaften eines Apfels. (Foto: Carole Parodi, ACW)
Januar - Februar 2010
Biodiversität ist Gold wert!Forschungsanstalten Agroscope
Entdecken Sie, dass Biodiversität unsere natürliche Heimat,die Grundlage allen Lebens und unsere Zukunft ist.Agroscope zeigt Lösungen auf, wie die Biodiversität optimal gefördert werden kann.
Hinter der natürlichen Vielfalt steht immer ein Genuss.Besuchen Sie unsere GeniessBar.
Agroscope forscht für Mensch, Tier und Umwelt!
Besuchen Sie den Standder schweizerischen landwirtschaftlichen Forschung!
Swiss’expo 14.-17. Januar 2010Halle 9, Stand Nr. 923, Beaulieu Lausanne
Tier & Technik 25.-28. Februar 2010Halle 1.1, Stand Nr 22, Olma Messen Hallen, St. Gallen
www.agroscope.ch
ForschungsanstaltenAgroscope Changins-Wädenswil ACW Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra
Vendredi 5 février 2010
Produire de la viande au pâturageJournée d’information 2010 - Station de recherche Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Changins
Objectifs de la journée• Présenter les résultats d’essais et les connaissances actuelles en
ce qui concerne la production de viande à partir d’herbe pâturée. Favoriser les échanges sur ce sujet entre les chercheurs et les différents acteurs de la filière.
Public cible• La journée s’adresse à toutes les personnes concernées par la
thématique de la production de viande au pâturage : agriculteurs, conseillers agricoles, enseignants, chercheurs, etc.
Vendredi 5 février 20109h00 à 16h15, Aula de Changins Exposition de posters sur le thème de la journéeou sur les grandes cultures
Information et inscriptionwww.agroscope.ch, rubrique « Manifestations »Inscription obligatoire jusqu’au 21 janvier 2010Agroscope Changins-Wädenswil ACWGrandes cultures et systèmes [email protected]@acw.admin.ch
Département fédéralde l'économie DFEStation de rechercheAgroscope Changins-Wädenswil ACW
Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra