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Hauterkrankungen des Säuglings - Thieme · Struktur und Funktion der Haut beim Neugeborenen und...

Date post: 24-Dec-2020
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Hauterkrankungen des Säuglings * Skin Diseases of the Infant Autoren L. Weibel, M. Theiler, L. Feldmeyer Institut Kinderspital Zürich und Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0032-1309536 Akt Dermatol 2012; 38: 477492 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0340-2541 Korrespondenzadresse Dr. Lisa Weibel Leitende Ärztin Dermatologie Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich Schweiz [email protected] Übersicht 477 Einleitung ! Die Haut ist das größte Organ des Körpers und als Fenster zur Erkennung von Systemerkrankungen von besonderer Bedeutung. Die pädiatrische Der- matologie ist ein Gebiet, mit welchem primär Grundversorger konfrontiert sind. So gehören der- matologische Probleme mit 20 % zu den häufigsten Gründen für Konsultationen bei niedergelassenen Kinder- und Hausärzten sowie auf pädiatrischen Notfallstationen [1, 2]. Die Beurteilung bleibt oft eine Herausforderung für den praktizierenden Arzt und eine kinderspezifische Diagnostik und Hautbehandlung ist gefragt. Gerade im Säuglings- alter ist das Spektrum an angeborenen und erwor- benen, seltenen und häufigen, harmlosen und ge- fährlichen Hauterkrankungen riesig. Das Ziel dieses Reviews ist es, die häufigsten Haut- erscheinungen verschiedener Altersgruppen wäh- rend dem Kindesalter aufzuzeigen und einen Fokus auf charakteristische Merkmale wichtiger Systemerkrankungen zu legen. Wir hoffen, dass der Leser nach der Lektüre die häufigen Haut- erscheinungen von Kindern kennt, sie diagnos- tisch zuordnen kann und auf Befunde sensibili- siert ist, welche eine Weiterabklärung erfordern. Struktur und Funktion der Haut beim Neugeborenen und Säugling ! Die Haut des Neugeborenen unterscheidet sich in einigen Aspekten von der älterer Kinder. Histolo- gisch finden sich flachere Reteleisten sowie eine dünnere Dermis mit verminderten elastischen * Erstpublikation in Pädiatrie up2date 2012; 2: S. 163 185 Weibel L et al. Hauterkrankungen des Säuglings Akt Dermatol 2012; 38: 477492 Zusammenfassung ! Viele Hauterkrankungen des Kindesalters zeigen in der Symptomatik Ähnlichkeiten zu denen im Er- wachsenenalter dennoch gibt es Charakteristika, die typisch für das Säuglingsalter sind. Die Säug- lingshaut ist vermehrt verletzlich, da die dermo- epidermale Verzahnung noch nicht voll ausgebil- det ist. Harmlose transitorische Veränderungen sind die neonatale Talgdrüsenhyperplasie, Milien, die transiente neonatale pustulöse Melanose, Mi- liaria rubra und cristallina und die Akne neonato- rum. Die Aplasia cutis congenita, vaskuläre Ano- malien und kongenitale melanozytäre Naevi zäh- len zu den häufigeren angeborenen Fehlbildungen der Haut. Eine Erythrodermie im Säuglingsalter ist potenziell bedrohlich. Mögliche Auslöser sind In- fektionen (Staphylokokken, Candida), kongenitale Ichthyosen, Immundefizienzen, Stoffwechseler- krankungen und Dermatosen wie atopische Der- matitis, seborrhoische Dermatitis oder Arzneimit- telreaktionen. Die differenzialdiagnostische Palet- te zu Blasen- und Bläschenbildung im Kindesalter reicht von Infektionen bis hin zu Epidermolysis bullosa, Incontinentia pigmenti, Mastozytose und Langerhanszellhistiozytose. Bei den Säuglingsek- zemen steht klar die atopische Dermatitis im Vor- dergrund, daneben seborrhoisches Ekzem, Kon- taktekzem oder eine Zinkmangeldermatitis. Nicht selten imitiert eine Skabiesinfestation beim Säug- ling das Bild einer akuten atopischen Dermatitis. Die Skabies kann auflichtmikroskopisch sehr gut diagnostiziert werden und in der Regel ist kein Di- rektpräparat notwendig. Besonders gute Aufklärung und Therapieplanung ist beim Einsatz von topischen Kortikoiden im Kin- desalter notwendig, um die Compliance bei den Eltern zu fördern sowie das Rebound-Phänomen und mögliche Hautatrophie zu vermeiden. Topi- sche Calcineurininhibitoren haben nach ca. 12 Jah- ren breiter Anwendung bei Kindern kein erhöhtes onkogenes Risiko gezeigt und sind insbesondere für die Anwendung im Gesicht und im Windelbe- reich als Alternative zu Kortikosteroiden ideal. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
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Page 1: Hauterkrankungen des Säuglings - Thieme · Struktur und Funktion der Haut beim Neugeborenen und Säugling! Die Haut des Neugeborenen unterscheidet sich in einigen Aspekten von der

Hauterkrankungen des Säuglings*

Skin Diseases of the Infant

Autoren L. Weibel, M. Theiler, L. Feldmeyer

Institut Kinderspital Zürich und Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich

BibliografieDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309536Akt Dermatol 2012; 38: 477–492© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New YorkISSN 0340-2541

KorrespondenzadresseDr. Lisa WeibelLeitende Ärztin DermatologieKinderspital ZürichSteinwiesstrasse 758032 Zü[email protected]

Übersicht 477

Einleitung!

Die Haut ist das größte Organ des Körpers und alsFenster zur Erkennung von Systemerkrankungenvon besonderer Bedeutung. Die pädiatrische Der-matologie ist ein Gebiet, mit welchem primärGrundversorgerkonfrontiert sind. So gehörender-matologischeProblememit 20%zudenhäufigstenGründen für Konsultationen bei niedergelassenenKinder- und Hausärzten sowie auf pädiatrischenNotfallstationen [1,2]. Die Beurteilung bleibt ofteine Herausforderung für den praktizierendenArzt und eine kinderspezifische Diagnostik undHautbehandlung ist gefragt. Gerade im Säuglings-alter ist das Spektrum an angeborenen und erwor-benen, seltenen und häufigen, harmlosen und ge-fährlichen Hauterkrankungen riesig.

Das Ziel dieses Reviews ist es, die häufigsten Haut-erscheinungenverschiedenerAltersgruppenwäh-rend dem Kindesalter aufzuzeigen und einenFokus auf charakteristische Merkmale wichtigerSystemerkrankungen zu legen. Wir hoffen, dassder Leser nach der Lektüre die häufigen Haut-erscheinungen von Kindern kennt, sie diagnos-tisch zuordnen kann und auf Befunde sensibili-siert ist, welche eineWeiterabklärung erfordern.

Struktur und Funktion der Haut beimNeugeborenen und Säugling!

Die Haut des Neugeborenen unterscheidet sich ineinigen Aspekten von der älterer Kinder. Histolo-gisch finden sich flachere Reteleisten sowie einedünnere Dermis mit verminderten elastischen

* Erstpublikation in Pädiatrie up2date 2012; 2: S. 163–185

Weibel L et al. Hauterkrankungen des Säuglings… Akt Dermatol 2012; 38: 477–492

Zusammenfassung!

Viele Hauterkrankungen des Kindesalters zeigenin der SymptomatikÄhnlichkeiten zudenen imEr-wachsenenalter– dennoch gibt es Charakteristika,die typisch für das Säuglingsalter sind. Die Säug-lingshaut ist vermehrt verletzlich, da die dermo-epidermale Verzahnung noch nicht voll ausgebil-det ist. Harmlose transitorische Veränderungensind die neonatale Talgdrüsenhyperplasie, Milien,die transiente neonatale pustulöse Melanose, Mi-liaria rubra und cristallina und die Akne neonato-rum. Die Aplasia cutis congenita, vaskuläre Ano-malien und kongenitale melanozytäre Naevi zäh-len zu denhäufigeren angeborenen FehlbildungenderHaut. Eine Erythrodermie imSäuglingsalter istpotenziell bedrohlich. Mögliche Auslöser sind In-fektionen (Staphylokokken, Candida), kongenitaleIchthyosen, Immundefizienzen, Stoffwechseler-krankungen und Dermatosen wie atopische Der-matitis, seborrhoische Dermatitis oder Arzneimit-telreaktionen. Die differenzialdiagnostische Palet-

te zu Blasen- und Bläschenbildung im Kindesalterreicht von Infektionen bis hin zu Epidermolysisbullosa, Incontinentia pigmenti, Mastozytose undLangerhanszellhistiozytose. Bei den Säuglingsek-zemen steht klar die atopische Dermatitis im Vor-dergrund, daneben seborrhoisches Ekzem, Kon-taktekzem oder eine Zinkmangeldermatitis. Nichtselten imitiert eine Skabiesinfestation beim Säug-ling das Bild einer akuten atopischen Dermatitis.Die Skabies kann auflichtmikroskopisch sehr gutdiagnostiziert werden und in der Regel ist kein Di-rektpräparat notwendig.Besonders gute Aufklärung und Therapieplanungist beimEinsatz von topischenKortikoiden imKin-desalter notwendig, um die Compliance bei denEltern zu fördern sowie das Rebound-Phänomenund mögliche Hautatrophie zu vermeiden. Topi-scheCalcineurininhibitorenhabennachca. 12 Jah-ren breiter Anwendung bei Kindern kein erhöhtesonkogenes Risiko gezeigt und sind insbesonderefür die Anwendung im Gesicht und im Windelbe-reich als Alternative zu Kortikosteroiden ideal.

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und kollagenen Fasern. Die dermoepidermale Vernetzung ist fürdiemechanische Belastung der Haut wichtig.

Bis zur vollständigen Ausbildung der dermoepidermalen Verzahnung führenScherkräfte relativ leicht zu einer Trennung der Epidermis von der Dermis.Somit können z.B. durch unsachgemäßes Entfernen von Pflastern oder beiDruckausübung für Blutentnahmen Ablederungsverletzungen bei Neugebo-renen entstehen.

Die unvollständige dermoepidermale Verzahnung ist auch dafürverantwortlich, dass einige Dermatosen im NeugeborenenaltermitBlasenbildungeinhergehen,wiez.B.MastozytoseundSkabies.In funktioneller Hinsicht lässt sich beim termingeborenen Neu-geborenen eine bereits intakte epidermale Barriere feststellen.Die Haut des Neugeborenen ist jedoch im Vergleich zu älterenSäuglingen relativ trocken und rau. Dies liegt an einer noch ver-minderten Wasserbindungsfähigkeit. Zudem zeigen sich beimNeugeborenen eine reduzierte Schweißproduktion und eininitial höherer Oberflächen-pH. Diese funktionellen Parameternormalisieren sich innerhalb der ersten Lebensmonate.Ein wichtiger zu beachtender Faktor ist die verhältnismäßiggroße Körperoberfläche von Neugeborenen. Das Verhältnis vonKörperoberfläche zu Körpergewicht (cm2/kg) ist beim Neugebo-renen 2,5–3× höher als bei Erwachsenen [3]. Diese Tatsachebirgt das Risiko einer Auskühlung bei unzureichender Körperbe-deckung/Wärme sowie einer systemischen Resorption von groß-flächig applizierten lokalen Wirkstoffen (wie z.B. EMLA-Creme,Salicylsäure).

Anamnese und Untersuchung!

Folgende Fragen sind bei der Erhebung einer hautrelevantenAnamnese im Säuglingsalter von besonderer Bedeutung [4]:▶ Zeitpunkt des ersten Auftretens der Hautveränderung: bereits

bei Geburt sichtbar bzw. ab wie viel Wochen/Monaten?▶ An welcher Körperstelle befindet sich die Hautveränderung,

wie hat sie zu Beginn ausgesehen und inwiefern hat sich dieAusprägung verändert?

▶ Bestehen Juckreiz, Brennen, Schmerzen?▶ Gibt es Triggerfaktoren für die Auslösung oder Verschlechte-

rung der Veränderung?▶ Was war die bisherige Behandlung und deren Effekt?▶ Familienanamnese: Gibt es Hinweise für vererbbare Haut-

erscheinungen? Für Atopieneigung?Die Erhebung eines exakten Hautstatus ist in der Dermatologieauf demWeg zur korrekten Diagnose absolut zentral. Es ist dabeiauf eine gute Beleuchtung zu achten und die Ansicht mittels Lu-penvergrößerung kann hilfreich sein. Es soll das gesamte Integu-ment inkl. Mundhöhle, Kopfhaut, Nägel und evtl. Genital eingese-hen werden. Insbesondere auf folgende Aspekte ist zur Erhebungdes Hautstatus zu achten [4]:▶ Handelt es sich um eine Dermatose oder einen Tumor?▶ Morphologische Lokalisation der HV: epidermal, dermal,

subkutan?▶ Was ist die Primäreffloreszenz: Makula, Papel, Pustel, Plaque,

Quaddel, Vesikel, Blase, Nodulus/Nodus?▶ Gibt es Sekundäreffloreszenzen: Schuppe, Kruste, Erosion,

Exkoriation, Ulkus, Narbe, Zyste, Nekrose?▶ Verteilung: solitär, generalisiert, gruppiert, disseminiert,

konfluierend, retikulär, segmental, lineär, blaschko-lineär

▶ Form: nummulär (diskoid), ovalär, anulär, polyzyklisch,kokardenförmig, serpiginös

▶ Begrenzung: scharf oder unscharf, regelmäßig oder unregel-mäßig

▶ Farbe: Qualität und Intensität, Homogenität▶ Konsistenz und Oberfläche: weich, hart, derb, prall-elastisch,

glatt, rau, warzig, glänzendMit Erfahrung können gewisse pathognomonische Muster (z.B.„Sternenhimmel“ der polymorphen HV bei Varizellen, psoriasi-forme Schuppung, blaschko-lineäre Verteilung bei kutanem Mo-saik) erkannt werden, sog. „pattern recognition“. Dazu ist immereine Untersuchung des Integuments in der Übersicht als auch imDetail notwendig. Eine gute Fotodokumentation von Hautver-änderungen ist sehr zu empfehlen, insbesondere bei akutenErscheinungen, für Verlaufskontrollen unter Therapie sowie fürteledermatologische Konsilien.

Bei unklaren Hautveränderungen entzündlicher oder neoplastischer Natur,die persistieren, rezidivieren oder an Größe zunehmen, soll niederschwelligeine Biopsie in Betracht gezogen werden.

Insbesondere im Säuglingsalter ist eine Hautbiopsie eine kleine,einfach durchzuführende Untersuchung; für das Kind selbst ver-gleichbar mit einer Blutentnahme. In der Regel genügt eine4mm-Punchbiopsie, welche unter Lokalanästhesie steril ent-nommen werden kann. Zur Lokalanästhesie kann EMLA-Creme(erst ab dem Alter von 5 Wochen) gefolgt von einer Injektionmit Lidocain 1% mit Natriumbicarbonat-Zusatz (letzteres redu-ziert Brennen) verwendet werden (●" Abb.1), alternativ auchEMLA-Creme in Kombination mit Kältespray. Mit Ausnahme desGesichts kann eine max. 4mm große Punchbiopsiestelle prinzi-piell mit einem sterilen Pflaster und ohne Nahtmaterial ver-schlossen werden. Wird die Biopsiestelle genäht, empfiehlt sichsomit vorgängig eine Lokalanästhesie inkl. Lidocain/Natriumbi-carbonat. Für ein aussagekräftiges histologisches Resultat derBiopsie ist der Versand an ein erfahrenes dermatohistopathologi-sches Labor (nicht allgemeines Pathologielabor) sowie eine guteBeschreibung der Klinik und Fragestellung essenziell.

Abb.1 Biopsieset für eine 4mm-Punchbiopsie.

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Hauterscheinungen im Neugeborenenalter!

Physiologische und transitorische HautveränderungenDer mit der Geburt stattfindende Übergang vomwässrigen intra-uterinen Milieu zur trockenen Umgebung erfordert zahlreicheAnpassungsvorgänge. Somit können bei Neugeborenen häufigeund mehrheitlich harmlose transitorische Hautveränderungenauftreten. Insbesondere Erscheinungenmit Bläschen und Pustelnsind von differenzialdiagnostischer Bedeutung.

Neonatale TalgdrüsenhyperplasieBei ca. 50% der Reifgeborenen findet sich diese seboglanduläreProliferationsstörung mit Bildung von 1–3mm großen, weiß-gelblichen Papelchen zentrofazial (Nasenrücken, Stirn, Wangen;●" Abb.2). Diese Talgdrüsenhyperplasie ist bedingt durch eineStimulation der Talgdrüsen durch mütterliche Androgene (unddarum bei gestillten Kindern oft ausgeprägter und länger anhal-tend). In der Regel klingen diese Veränderungen nach 4–6Mona-ten ab [5].

Milien und Epstein-PerlenHierbei handelt es sich um multiple 1–2mm große gelblich-weiße Papelchen, die bei 40–50% aller Neugeborenen im Gesichtund in 60–70% enoral in der Medianlinie des harten Gaumens(Epstein-Perlen) zu beobachten sind (●" Abb.3). Diese entspre-chen epidermalen Keratin-Zystchen. Es erfolgt eine spontaneRückbildung innert einigen Wochen [3].

Erythema toxicum neonatorumDiese selbstlimitierende vesikulopustulöse Erscheinung findetsich bei 60% der termingeborenen Neugeborenen (kaum beiFrühgeborenen), mit Beginn meist ab dem 2.Lebenstag. Es zeigensich charakteristische kleine erythematöse Makulae mit zen-traler gelblicher Seropapel bis Pustel, hauptsächlich am Stamm,im Gesicht und an den proximalen Extremitäten lokalisiert(●" Abb.4). Diese können schubweise auftreten und heilen in derRegel bis zum Alter von 3 Wochen vollständig ab. Der Vesikel-inhalt ist steril und im Ausstrich sind v.a. eosinophile Granulo-zyten zu finden.

Transiente neonatale pustulöse MelanoseIm Gegensatz zum Erythema toxicum neonatorum handelt essich bei der transienten neonatalen pustulösen Melanose umeine deutlich seltener auftretende vesikulobullöse Dermatosemit einer Prävalenz von 1–5%, vorwiegend bei dunkelhäutigenNeugeborenen. Bereits am 1.Lebenstag treten 1–3mm großeoberflächliche Pusteln ohne entzündliche Begleitreaktion bevor-

zugt an Stirn, Kinn, Hals, Rücken und Gesäß auf (●" Abb.5). NachAbheilung der sterilen Pusteln entsteht eine kleine brauneMaku-la/Kruste. Es erfolgt eine spontane vollständige Abheilung inner-halb von einigen Wochen bis wenigen Monaten. Der Pustelinhaltist steril und im Ausstrich sind v.a. neutrophile Granulozyten zufinden [3].

Abb.3 Milien.

Abb.4 Erythema toxi-cum neonatorum.

Abb.5 Transiente neonatale pustulöse Melanose.

Abb.2 Talgdrüsenhy-perplasie auf dem Na-senrücken.

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Miliaria rubra und Miliaria cristallinaIn Folge einer Verlegung von Schweißdrüsenausführungsgänge(z.B. durch Wärme/Feuchtigkeit, Okklusion, Inkubatorversor-gung) entstehen winzige oberflächliche wasserklare Bläschenohne Erythem an Kopf, Hals und Stamm (Miliaria cristallina)oder von einem Erythem umgebene kleinste Papulovesikel anHals und großen Beugen (Miliaria rubra). In der Regel wird dieseErscheinung erst ab der 3.Lebenswoche beobachtet und ver-schwindet spontan nach Elimination der Okklusion/Feuchtigkeit.

Akne neonatorum (neonatale cephale Pustulose)Diese Erscheinung kann auch als Pityrosporum-Follikulitis be-zeichnet werden, da die neonatal häufig vorkommende Hefepilz-besiedlung (Pityrosporum ovale; Synonym: Malassezia furfur) intalgdrüsenreichen Arealen ätiologisch von Bedeutung ist. Diepostnatal durch mütterliche Androgene erhöhte Talgdrüsen-aktivität ist ein weiterer prädisponierender Faktor. Etwa ab demAlter von 2–3Wochen kommt es bei fast 50% der Neugeborenenzur Ausprägung von stecknadelkopfgroßen erythematösen Pa-peln und Pusteln insbesondere im Gesicht, am Nacken und amCapillitium (●" Abb.6).Therapie. Prinzipiell handelt es sich um eine selbstlimitierendeErscheinung. In ausgeprägten Fällen kann eine Lokalbehandlungmit z.B. ketoconazolhaltigem Shampoo oder Creme erfolgen [3].Stark fettende, okklusiv wirkende Salben/Öle sollten vermiedenwerden.

Storchenbiss („Salmon Patch“)(Synonyme: Nävus Unna, Nävus simplex)Es findet sich kongenital eine teleangiektatische unregelmäßigbegrenzte symmetrische erythematöse Makula oft in Stirnmitte/Nasenwurzel, Augenoberlider, Philtrum sowie am Hinterkopfund Nacken (●" Abb.7). Im Gegensatz zu einem Nävus flammeus,der meist asymmetrisch/unilateral angeordnet ist, handelt essich beim Storchenbiss um eine funktionelle kapilläre Malforma-tionmit meist vollständiger Rückbildung während den ersten 1–3 Lebensjahren. Insbesondere bei nuchaler Lokalisation kann derFleck auch lebenslang abgeblasst persistieren.Therapie. Meist nicht notwendig. Bei Persistenz eines störendenStorchenbisses im Gesicht kann eine Farbstofflasertherapie erfol-gen (z.B. ab dem Alter von 6 Jahren).

Angeborene Entwicklungsanomalien der HautAplasia cutis congenitaMeist am Capillitium – hoch-okzipital oder parietal gelegen – fin-den sich bei Geburt scharf begrenzte rundliche, rötliche haarloseAtrophieareale, z.T. mit Erosion/Krusten, oft von einem charak-teristischen Haarkranz („hair collar sign“) umgeben (●" Abb.8).Es liegt eine mangelhafte Anlage bzw. das Fehlen von Haut ineinem umschriebenen Areal zugrunde.Die Ausprägung der Aplasie ist sehr heterogen und kann bis zueinem Fehlen von zugrundeliegendem Knochen und Dura (mitentsprechender Enzephalozele) reichen.Weiterführende Abklärungen. Klinisch gilt es, seltene assoziiertesyndromale Erkrankungen (Trisomie 13–15, Defekte der Chro-mosomen 16–18, Opitz-Syndrom u.a.) auszuschließen. EineMagnetresonanztomografie des Schädels ist in folgenden Situa-tionen indiziert:▶ palpabler ossärer Defekt▶ Läsion mit Weichteilprotrusion▶ große, erosive Aplasie▶ Lokalisation in der Mittellinie am Vertex und okzipital

Therapie. Chirurgische Exzision bei Bedarf, vorausgehend Bild-gebung erwägen.

HämangiomeVaskuläre Anomalien müssen prinzipiell in zwei Gruppen unter-teilt werden:▶ vaskuläre Tumoren▶ vaskuläre MalformationenDer häufigste Vertreter der vaskulären Tumoren ist das infantileHämangiom und mit einer Prävalenz von ca. 10% im ersten

Abb.7 Storchenbiss.

Abb.8 Aplasia cutis congenita.

Abb.6 Akne neonatorum auf der Stirn.

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Lebensjahr der häufigste Tumor des Kindesalters überhaupt [6].Das Wachstumsverhalten der Hämangiome ist charakteristisch:▶ bei Geburt nicht oder nur als Vorläuferläsion sichtbar▶ Proliferationsphase ab 2–6 Wochen mit raschem Größen-

wachstum über 3–9 Monate▶ Plateauphase▶ spontane Regression ca. ab dem 2.Lebensjahr über mehrere

Jahre

Bei ca. 30% der Hämangiome finden sich bei Geburt sog. Vorläufer-Läsionen,meist in Form einer teleangiektatischen Makula und gelegentlich von einemanämischen Hof (Halo) begleitet (●" Abb.9). Diese Präsentation muss voneinem Nävus flammeus abgegrenzt werden, da eine andere Evolution zu er-warten ist [7].

Das maximale Wachstum von infantilen Hämangiomen findet inden ersten 4 Lebensmonaten statt – gemischte, tiefe Formen kön-nen noch etwas länger proliferieren. In dieser frühen Säuglings-phase sind somit regelmäßige Verlaufskontrollen besonders vonBedeutung und die Indikation einer rechtzeitigen Therapie imEinzelfall zu erwägen. Folgende sog. Problemlokalisationen erfor-dern prinzipiell eine prompte spezialärztliche Evaluation [7]:▶ Augennähe (Risiko: Amblyopie, Astigmatismus)▶ Nasenspitze (Risiko: Deformation)▶ Lippen (Risiko: Ulzeration, Deformation)▶ Genitalbereich (Risiko: Ulzeration)▶ Lumbosakral-Region (Risiko: spinale Dysraphie)▶ Jugulum, Kinn-/Bart-Region (Risiko: Luftwegshämangiom)▶ multiple Hämangiome≥5 Stück (Risiko: Leberhämangiome)▶ große Plaque-Typ-Hämangiome mit einem Durchmesser

von mind. 5cm im Kopf- und Halsbereich (Risiko: PHACES-Syndrom)

Therapie. Trotz prinzipiell selbstlimitierendem Verlauf könneneinige infantile Hämangiome zu Komplikationen führen und ca.15% aller Hämangiome bedürfen einer Behandlung. Die Therapieder Wahl ist heute der Einsatz von Betablockern [8]. Bei drohen-der funktioneller oder erheblich ästhetischer Beeinträchtigungerfolgt dies in Form einer systemischen Therapie mit Propranolol(2mg/kg/d) über mehrere Monate (●" Abb.10,●" Abb.11) [9]. Fürkleinere, oberflächliche Hämangiome mit kritischer Lokalisationoder drohender Ulzeration kann der topische Einsatz von Beta-blockern (Timolol, Propranolol) sinnvoll sein (●" Abb.12) [10].Im Falle von unvollständig involutierten Hämangiomen mit per-sistierendem Volumenplus (z.B. an Lippen, Nase) ist ab einemAlter von 3–4 Jahren ein chirurgisches Vorgehen (Exzision/De-bulking) zu erwägen. Eine Farbstofflasertherapie eignet sich ins-besondere für residuelle Teleangiektasien nach mehrheitlicherInvolution oder für schmerzhafte ulzerierte Hämangiome mitprotrahierter Abheilung.

Nävus flammeus (kapilläre Malformation)Ein Nävus flammeus („port-wine stain“) ist bei Geburt sichtbarals scharf begrenzte pinkfarbene bis erythematös-livide meistunilaterale Makula mit Lokalisation mehrheitlich im Gesicht/Hals. Ein Nävus flammeus tritt sporadisch bei 0,3% aller Neu-geborenen auf, zeigt ein proportionales Wachstumsverhaltenund verursacht vorwiegend ästhetische Probleme [7]. Unbehan-delt neigen kapilläre Malformationen zu dunklerer Verfärbungund Gewebehyperplasie mit kavernösem Umbau. Auch kannassoziiert eine leichte Hemihyperplasie der darunter liegendenGewebe (z.B. an einer Extremität) vorkommen.

Die wichtigste Untersuchung bei einem Neugeborenen mit einem Nävusflammeus im Gesicht mit Einbezug der Augenlider ist eine prompte ophthal-mologische Untersuchung (innerhalb der ersten 10 Lebenstage), um einassoziiertes Glaukom frühzeitig auszuschließen oder zu behandeln.

Ist die fronto-temporale Region (V1-Segment) betroffen, kannein Sturge-Weber-Syndrom (SWS) vorliegen, charakterisiertdurch die Trias Nävus flammeus des V1-Segments, ipsilateraleleptomeningeale Angiomatose und Glaukom (●" Abb.13). Die da-von betroffenen Kinder präsentieren sich oft mit frühen Krampf-ereignissen im Säuglingsalter und Entwicklungsverzögerung. Beiklinisch passender kapillärer Malformation ist somit eine oph-thalmologische Untersuchung in den ersten Lebenstagen und

Abb.10 Hämangiom an der Nase.

Abb.11 Hämangiomam Auge.

Abb.9 Vorläufer-Läsion eines Hämangioms.

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eine Magnetresonanztomografie des Schädels im Alter zwischen6–12 Monaten indiziert. Bei unilateralem V1-Befall inkl. Augen-oberlid beträgt das Risiko für ein SWS 40–60%, bei bilateralemV1-Befall fast 100% [11].Therapie. Die Therapie der Wahl ist die Farbstofflasertherapie(mit einer Wellenlänge von 585nm oder 595nm). Das Anspre-chen ist prinzipiell im jüngeren Alter und bei Läsionen im Gesichtbesser [12]. Zusätzlich sprechen psychologische Aspekte beifazialen Läsionen für einen frühen Therapiebeginn. Es sind meh-rere Lasersitzungen (ca. 4–6×) notwendig, um einen Nävusflammeus bedeutend aufzuhellen. Bei einem Teil der Patientenkommt es während der Pubertät oder im Erwachsenenalter zueinem Nachdunkeln der Läsionen, sodass wiederholte Laser-behandlungen notwendig werden.

Kongenitale melanozytäre NäviKongenitale melanozytäre Nävi (KMN; mit Auftreten innerhalbder ersten 6 Lebensmonate) werden insgesamt bei 1–5% allerSäuglinge gefunden. Die Inzidenz kongenitaler Nävi mit einemDurchmesser von mind. 10cm liegt bei 1 :20000. KMN werdennach ihrer Größe (prädiktive Erwachsenengröße) in kleine(Durchmesser <1,5cm), mittelgroße (>1,5cm und <10cm), große(10–20cm) und Riesennävi >20cm) unterteilt [13] (●" Abb.14,●" Abb.15).KMN sind oft unregelmäßig pigmentiert, z.T. behaart und papil-lomatös und gelegentlich mit dunkelbraunen oder hautfarbenenKnoten besetzt. Insbesondere bei größeren KMN können zahlrei-

che sog. Satellitenläsionen am übrigen Integument bei Geburtvorhanden sein und in den ersten Lebensjahren dazukommen.Komplikationen und Prognose. Bei großen und riesengroßenKMN besteht das Risiko (4–10%) einer ZNS-Beteiligung in Formeiner leptomeningealen Melanose/intrazerebralen Melanozytoseoder anderen ZNS-Fehlbildungen (Zysten, Malformationen,nicht-melanozytäre ZNS-Tumoren). Das Vorliegen von zahlrei-chen Satellitennävi kann insbesondere ein zusätzlicher Hinweisdarauf sein.

Bei Kindern mit KMN>20cm und bei KMN>10cm mit zahlreichen Satelliten-läsionen sollte bis spätestens im Alter von 6 Monaten eine Magnetresonanz-tomografie (MRT) des ZNS (Schädel und Rückenmark) durchgeführt werden[14].

Symptomatische Kinder mit neurokutaner Melanose (Hirndruck,Krämpfe, Myelonkompression) haben eine sehr schlechte Prog-nose. Bei asymptomatischen Kindern bleibt die prognostischeBedeutung einer ZNS-Beteiligung im MRT jedoch offen.Das Risiko der Entstehung eines malignen Melanoms auf demBoden von KMN ist insgesamt deutlich geringer als früher an-genommen und korreliert mit der Nävusgröße. Bei Riesennävi(>20cm) beträgt das absolute Entartungsrisiko 2–6% (Manifes-tation meist in den ersten Lebensjahren), bei mittelgroßen Nävium 1% und bei kleinen Nävi unter 1% [14]. Satellitennävi selbstbergen kein Risiko einer malignen Transformation. Es gilt zu be-achten, dass ca. 30% der malignen kutanen Melanome bei Patien-ten mit großen oder riesigen KMN nicht innerhalb des Nävus,sondern anderswo am Körper auftreten [15].Therapie. Jede Behandlung ist individuell in Abhängigkeit derNävusgröße, Morphologie, Lokalisation und Wünschen des Be-

Abb.14 Mittelgroßer kongenitaler melanozytärer Nävus.

Abb.13 Nävus flam-meus inkl. Glaukomlinks (Buphthalamus)bei Befall der Augen-region und demV1-Bereich.

Abb.12 GenitalesHämangiom.

Abb.15 Großer kon-genitaler melanozytärerNävus.

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troffenen/der Familie zu wählen. Es ist bis heute nicht klar, ob dieExzision eines großen/riesigen KMN das Entartungsrisiko besei-tigt. Von einer gewissen Verringerung des Malignitätsrisikosdurch Exzision wird jedoch generell ausgegangen [16].▶ kleine und mittelgroße KMN: Aus Gründen eines potenziellen

Entartungsrisikos ist eine chirurgische Exzision nicht indiziert.Der Entscheid für eine Exzision sollte primär in Abhängigkeitvon ästhetischen Aspekten/Stigmatisierungsrisiko getroffenwerden. Andererseits kann eine Exzision gewählt werden, umdie ab der Pubertät empfohlenen lebenslangen regelmäßigendermatologischen Kontrollen zu umgehen. Je nach Nävus-größe und Lokalisation kann eine Exzision einzeitig, mehr-zeitig oder mittels Expandertechnik erfolgen.

▶ große und riesige KMN: Die Indikation eines chirurgischenVorgehens muss sorgfältig abgewogenwerden unter Einbezugvon Nävusgröße, Lokalisation, Morphologie und Wünschender Familie. Inhomogene KMNmit unregelmäßiger Oberflächeund Farbe sowie Knoten sollten eher proaktiv chirurgisch be-handelt werden. Proliferierende knotige Läsionen gilt es, frühzu exzidieren. Nebst den oben erwähnten chirurgischenMethoden kommen hier zusätzliche Verfahren, wie autologeHauttransplantationen (Spalthaut, Vollhaut) und Hautersatzaus dem Labor, zum Einsatz. Prinzipiell sind diese Eingriffeidealerweise in den ersten Lebensjahren durchzuführen (er-höhte Hautelastizität). Es gilt jedoch zu beachten, dass gewisseKMN, insbesondere an der Kopfhaut, spontan deutlich auf-hellen können [17].

Nävus sebaceusEs handelt sich um solitäre, meist rundliche/ovaläre, kongenitale,haarlose gelblich-orange farbene flache Plaques am Capillitium(gelegentlich auch im Gesicht; ●" Abb.16). Mit der Pubertätkommt es zu einer Stimulation der Talgdrüsen und konsekutivzu einer meist störenden Dickenzunahme des Nävus und verru-kösem Umbau [3].

Bei ausgedehnten, bandförmigen Läsionen ist eine ophthalmologische undneuropädiatrische Untersuchung inkl. MRT indiziert, um assoziierte Fehlbil-dungen im Sinne eines Nävus-sebaceus-Syndroms (Schimmelpenning-Feuer-stein-Mims-Syndrom) auszuschließen.

Prognose und Therapie. In 5–10% entstehen im Verlauf aus denverschiedenen Gewebebestandteilen des Nävus Zusatztumorenwie Syringocystadenoma papilliferum, Trichoblastome und Ba-salzellkarzinome. Aus diesem Grund sowie aufgrund der ästhe-tisch meist störenden Entwicklung im Verlauf ist prinzipiell eineTotalexzision dieser Nävi im Vorschulalter (bei noch kleinerNävusgröße) zu empfehlen.

Dermatosen im NeugeborenenalterNeonatale subkutane FettgewebsnekroseDiese zwar seltene, aber wichtig zu erkennende Veränderungtritt v.a. bei reifgeborenen Neugeborenen mit Asphyxie auf undist aktuell vermehrt im Rahmen der Hypothermiebehandlungder neonatalen Enzephalopathie zu beobachten. Im Alter von ca.4–8 Wochen treten vorwiegend an Gesäß, Schultern, Rücken,Wangen oder Armen unscharf begrenzte derbe livid-erythema-töse subkutane Plaque auf, entsprechend einer Panniculitis(●" Abb.17). Diese Läsionen heilen in der Regel innerhalb voneinigen Wochen bis wenigen Monaten spontan ab. Bei Fluktua-tion der Knoten sollte eine Punktion erfolgen.

Gelegentlich geht die neonatale subkutane Fettgewebsnekrose mit einerHyperkalzämie einher, was einer potenzial lebensbedrohlichen Komplikationentspricht. Es sind somit regelmäßige Kalziumspiegelkontrollen bis zum Ver-schwinden der Hautläsionen indiziert.

Differenzialdiagnose der neonatalen ErythrodermieEine Erythrodermie beschreibt eine Rötung von >90% der Kör-peroberfläche, oft begleitet von einer Infiltration und Schuppungder Haut. Eine Erythrodermie im Neugeborenenalter bedeuteteinen potenziell bedrohlichen Zustand mit dem Risiko von Hypo-thermie, Dehydratation und transkutaner Infektion. Eine Aus-wahl der wichtigsten Ursachen ist in●" Tab.1 aufgeführt.

Differenzialdiagnose von Blasen und Bläschenbei NeugeborenenBei einem Neugeborenen mit Blasen oder Bläschen muss primäreine infektiöse Ursache ausgeschlossen werden. Nebst den obenbereits erwähnten transitorischen Pustulosen (Erythema toxi-cum neonatorum, transitorische pustulöse Melanose) könnenBläschen oder Pusteln beim Neugeborenen durch infektiöseUrsachen als auch durch nicht infektiöse Erkrankungen hervor-gerufen werden. Eine Auswahl der wichtigsten blasen- und bläs-chenbildenden Erkrankungen ist in●" Tab.2 zusammengefasst[3].

Abb.17 Neonatale subkutane Fettgewebsnekrose.

Abb.16 Nävus sebaceus.

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Hauterscheinungen im Säuglingsalter!

Differenzialdiagnose des SäuglingsekzemsDer Begriff Ekzem bezeichnet eine unspezifische Intoleranzreak-tion der Haut auf akute oder chronische Reize mit ähnlichem kli-nischen Aspekt (epidermale Veränderungen). Ein akutes Ekzemist gekennzeichnet durch ein deutliches Erythem, Bläschen, evtl.Erosionen und Krusten, gefolgt von Schuppung und Abheilung.Im chronischen Stadium kommt v.a. eine Lichenifikation zurAusprägung. Häufig aber nicht immer ist Juckreiz präsent. DieDifferenzialdiagnose der wichtigsten Ekzeme im Säuglingsaltersind in●" Tab.3 aufgeführt.

WindeldermatitisDie Windeldermatitis ist die eine der häufigsten Hauterkran-kungen im Säuglingsalter mit einem Häufigkeitsmaximum imAlter zwischen 9–12 Monaten [3]. Eine Reihe verschiedener Ur-sachen und Erkrankungen kann eine Windeldermatitis auslösen(●" Tab.4).Mit Abstand am häufigsten besteht ein irritativ-toxisches Kon-taktekzem, bei dem eine Kombination von Faktoren zur Ausbil-dung der Windeldermatitis führt:▶ verlängerter Hautkontakt mit Urin und Stuhl▶ okklusives Milieu fördert Mazeration der Haut▶ Stuhlbakterien zersetzen Harnstoff zu Ammoniak mit

konsekutiver Alkalinisierung und Irritation der Haut

Tab. 1 Differenzialdiagnoseder neonatalen Erythrodermie(adaptiert gemäß [3]).

Krankheitsbild Klinische Merkmale Diagnostik

Infektionen

„Staphylococcal scalded skinsyndrome“ (●" Abb. 18)

– schlaffe Blasen und Erosionen– Aspekt der „verbrühten Haut“– eitrige Konjunktivitis oderOmphalitis als Eintrittspforte(Staphylococcus aureus)

– Klinik– Histologie: subkorneale Blase– evtl. Staphylococcus aureus inKonjunktival- oder Nabelabstrich

kongenitale Ichthyosen

Netherton-Syndrom – kongenitale ichthyosiformeErythrodermie

– Alopezie, später Bambushaare– Gedeihstörung, Dehydratation,Hypothermie, Infektionen

– „Atopie“

– Eosinophilie, Serum-IgE erhöht– Histologie: Fehlen von LEKTI(Immunhistochemie)

– im Verlauf Bambushaar (Haar-schaftmikroskopie)

nicht bullöse ichthyosiformeErythrodermie

– oft bei Geburt sog. Kollodium-Baby

– im Verlauf ichthyosiformeErythrodermie mit feinlamellärerSchuppung

– Klinik– Histologie: Hyperkeratose,Akanthose

bullöse kongenitale Erythrodermie – schlaffe Blasen und Erosionen – Histologie: epidermolytischeHyperkeratose

Immundefizienz

Omenn-Syndrom – kongenitale ichthyosiformeErythrodermie

– Alopezie– Lymphadenopathie, Organo-megalie

– Eosinophilie, Serum-IgE erhöht– FACS-Analyse: B-Zellen fehlen,T-Zellen vermindert

– Histologie: epidermale T-Zell-Infiltration

Stoffwechselerkrankungen

zystische Fibrose – diffuse papulöse oder desquama-tive Dermatitis mit Betonung peri-oral, Beginn meist nach dem Neu-geborenenalter

– Schweißtest und molekulargene-tische Untersuchung

andere Dermatosen

atopische Dermatitis – nässende Ekzeme mit Betonungdes Kopfs

– meist erst ab 4–8 Wochen

– Klinik– Histologie: spongiotischesEkzem, Eosinophile

seborrhoische Dermatitis – Betonung der Beugen inkl.Windelbereich, feine gelblicheSchuppung, kein Juckreiz

– Milchschorf– in den ersten 3 Lebensmonaten

– Klinik

Psoriasis vulgaris – scharf begrenzte konfluierendeerythrosquamöse Plaques, evtl.Pusteln

– Klinik– Histologie: psoriasiformeDermatitis

diffuse Mastozytose(●" Abb. 19)

– urtikarieller Dermografismus,positives Darier-Zeichen

– Blasenbildung– Pachydermie („verdickte Haut“)

– Klinik– Histologie: Mastzellinfiltration

Arzneimittelreaktionen

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▶ Stuhl-Lipasen und -proteasen zerstören die epidermaleBarriere

▶ sekundäre Kolonisation mit Candida albicansTypischerweise sind bei der irritativ-toxischen Windeldermatitisv.a. die konvexen Oberflächen von erythematösen Makulae undPapeln betroffen. Bei sehr ausgeprägter Irritation (anhaltendeDiarrhö) können Erosionen und Ulzera entstehen (sog. Jacquet-Ulzera;●" Abb.22).Therapie. Die irritativ-toxische Windeldermatitis sollte folgen-dermaßen therapiert werden:▶ möglichst wenig Okklusion (Gesäß nach Reinigung an der Luft

trocknen lassen), häufiges Windelwechseln▶ Reinigung mit Wasser (keine Feuchttücher)▶ regelmäßige Anwendung von Zinksalbe, -paste oder -creme▶ Zusatz einer antifungalen Komponente (z.B. Clotrimazol) nur

bei suggestiver Klinik für Candida-Superinfektion

▶ bei Erosionen/Ulzerationen desinfizierendes und gerbendesSitzbad oder Umschläge (z.B. mit Schwarztee oder Tannosynt-Lösung verdünnt)

Im Gegensatz zur irritativ-toxischen Windeldermatitis sind beider klassischen Candida-Windeldermatitis vorwiegend die Haut-falten betroffen, begleitet von randständigen erythematösenPapelchen und Pusteln sowie evtl. weißlicher Schuppung.Therapie. Die Candida-Windeldermatitis sollte folgendermaßentherapiert werden:▶ Zusätzlich zu den oben erwähnten Maßnahmen (s. irritativ-

toxische Windeldermatitis) empfiehlt sich eine antimykoti-sche Lokalbehandlung (z.B. Clotrimazol, Imazol-Cremepaste)in Kombination mit einer milden antiseptischen Hautreini-gung (z.B. mit Triclosan-Zusatz, Procutol-Waschlotion).

▶ Es gilt zu beachten, dass im Prinzip immer gleichzeitig ein in-testinaler Candida-Befall vorliegt, gelegentlich auch ein oralerBefall, sodass sich eine Kombination der topischen Therapie

Tab. 2 Differenzialdiagnosevon Blasen und Bläschen beiNeugeborenen (adaptiertgemäß [3]).

Krankheitsbild Klinische Merkmale Diagnostik

Infektionen

„Staphylococcal scalded skin syn-drome“

– schlaffe Blasen und Erosionen– Aspekt der „verbrühten Haut“– eitrige Konjunktivitis oderOmphalitis als Eintrittspforte(Staphylococcus aureus)

– Klinik– Histologie: subkorneale Blase– evtl. Staphylococcus aureus inKonjunktival- oder Nabelabstrich

bullöse Impetigo contagiosa(●" Abb. 20)

– schlaffe Blasen mit gelblichemSekret/Eiter, Erosionen

– Windelbereich, Nabel, Axillen, Hals– v. a. im Alter zwischen 2–14 Tagen

– Klinik– kultureller Nachweis von Staphy-lococcus aureus (aus Blasen, Kon-junktiven, Nabel)

Herpes neonatorum – kleinere Bläschen, ausgestanzteErosionen, rasch verkrustend

– Gesicht, Mund, Augenbereich,seltener disseminiert

– v. a. im Alter zwischen 1–4 Wochen

– Abstrich Blasengrund Nachweisvon HSV (PCR, Kultur)

neonatale Skabies – polymorphe Papeln und Pustelnauf erythematösem Grund

– Stamm, Hände und Füße– ab dem Alter von 2–4 Wochen

– dermatoskopisch/in Lupenver-größerung Nachweis von Gängenmit „Delta-Zeichen“ (●" Abb. 30)

– Nachweis von Milben/Eiern imDirektpräparat

nicht infektiöse Erkrankungen

Epidermolysis bullosa(●" Abb. 20)

– unterschiedlich große Erosionen/Blasen

– Stellen mechanischer Belastung(auch intrauterin)

– ab Geburt oder auch später

– Klinik– histologisches Immunomapping(EB-Zentrum)

Incontinentia pigmenti(●" Abb. 21)

– lineär angeordnete gelbliche derbeVesikel auf erythematösem Grund

– Stamm und Extremitäten– ab dem 1. Lebenstag– evtl. neonatale Krämpfe

– Klinik– Eosinophilie– Histologie: eosinophile Spongiose

bullöse kongenitaleErythrodermie

– schlaffe Blasen und Erosionen – Histologie: epidermolytischeHyperkeratose

– autoimmun-bullöseDermatosen (der Mutter, trans-plazentare Übertragung)

– neonataler Pemphigus vulgaris– bullöses Pemphigoid

– Pemphigus: schlaffe Blasen,Erosionen, Schleimhautbefall

– bullöses Pemphigoid: pralle Blasen,v. a. akral

– Nachweis von entsprechendenAutoantikörpern im Serum beiMutter und Kind

– Histologie

Mastozytose (diffuse oderUrtikaria pigmentosa)(●" Abb. 19)

– positives Darier-Zeichen– Blasenbildung nach Irritation/Reibung

– evtl. braun-rötliche Makulae

– Klinik– Histologie: Mastzellinfiltration

Langerhanszellhistiozytose – kleinere disseminierte Erosionen,evtl. hämorrhagische Krusten

– Histologie: Langerhanszell-infiltration

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mit einem oralen Antimykotikum (Miconazol oder Nystatin)für 10 Tage empfiehlt.

ZinkmangeldermatitisEs gibt zwei Hauptmechanismen, welche zur Ausprägung einerZinkmangeldermatitis bei Säuglingen führen können:▶ Acrodermatitis enteropathica: genetisch bedingtes Fehlen der

Transporterenzyme für die Aufnahme von Zink durch dieNahrung

▶ alimentärer Zinkmangel: vermindertes Zinkangebot in derNahrung (Muttermilch bei rasch wachsenden ehemals früh-geborenen Säuglingen)

Acrodermatitis enteropathicaDiese seltene Erkrankung wirdmeist innerhalb von 1–3Wochennach dem Abstillen manifest in Form einer akral lokalisiertenDermatitis, begleitet von Diarrhö und Gedeihstörung. Es liegteine Mutation des Gens für den intestinalen Zinktransporter zu-grunde. Klinisch imponiert ein periorifizielles, erosives, impetigi-nisiertes Ekzem, z.T. mit Desquamation perioral, periokulär undanogenital. Im Verlauf entsteht eine Alopezie sowie Paronychie-ähnliche periugulae Veränderungen. Zudem sind die betroffenenSäuglinge irritabel und weinerlich [3]. Der Serum-Zinkspiegel istdeutlich vermindert.Therapie. Orale Zinksubstitution mit Zinksulfat (3–4mg/kg/d),lebenslang. Nach Einsetzen der Therapie kommt es zu einer sehrraschen Abheilung der Dermatitis.

Tab. 3 Differenzialdiagnose der wichtigsten Säuglingsekzeme (adaptiert gemäß [3]).

Kriterium Seborrhoisches Ekzem Atopisches Ekzem Kontaktekzem Zinkmangeldermatitis

Erstmanifestation – im 1. Lebensmonat – ab der 6. Lebenswoche – jederzeit (im 1. Lebens-jahr selten)

– innerhalb 1–2 Wochennach dem Abstillen

– (auch bei gestillten Kin-dern, mit 3–4 Monaten)

Prädilektionsstellen – Capillitium– Gesicht– intertriginös

– Gesicht– Streckseiten der Extremi-täten

– Stamm

– je nach Exposition – perioral– anogenital– periokulär– Nägel

Juckreiz –/+ ++/++ + ++ –/+

klinischeCharakteristika

– „Milchschorf“– orangefarbenes Erythemmit gelblich-fettigerSchuppung

– v. a. im Gesicht rascherosive, nässende Ekzeme

– Neigung zu Superinfektion

– am häufigsten Windel-dermatitis (irritativ-toxisch, nicht allergisch)

– neu: Kinderautositz-Dermatitis (allergisch)

– periorifizielle erosive,schuppende Plaques

– Alopezie– Paronychie– Photophobie

Verlauf – subakut– gegen Ende des 1. Lebens-jahres abklingend

– chronisch-rezidivierend– in 75% Besserung bis im2.–3. Lebensjahr

– akut– nach Elimination desAuslösers abklingend

– sonst chronisch

– ohne Therapie chronisch– rasche Abheilung unterZinksubstitution

Tab. 4 Differenzialdiagnoseder Windeldermatitis im Säug-lingsalter (adaptiert gemäß [3]).

Erkrankung Klinische Merkmale

irritativ-toxisches Kontaktekzem – konvexe Hautflächen betroffen, evtl. Erosionen– prädisponierend: Okklusion, seltenes Windelwechseln, Diarrhö

allergisches Kontaktekzem – lokalisierte Areale (Gummi-, klebstoffhaltiger Windelbereich)– rezidivierend betroffen (prinzipiell selten)

Candida-Windeldermatitis – Hautfalten (konkave Areale) betroffen– randständig weißlich schuppend– erythematöse Papelchen und Pusteln als Satellitenläsionen

seborrhoisches Ekzem – Hautfalten (konkave Areale) betroffen– lachsfarbenes Erythem– evtl. gelbliche Schuppung randständig

atopisches Ekzem – stark juckende unscharf begrenzte erythematöse Papeln und Erytheme,v. a. genital (Skrotum, Penis, große Labien)

Zinkmangeldermatitis – perianale/gluteale Ekzeme mit Erosionen/Ulzerationen, fehlendesAnsprechen auf übliche Topika

– Beginn meist nach Abstillen

Psoriasis – scharf begrenzte, symmetrische Erytheme– im Verlauf ggf. Ausbreitung am Stammmit psoriasiformer (weißlicher)Schuppung auf erythematösem Grund

Langerhanszellhistiozytose – Hautfalten betroffen, symmetrisch ausgeprägte, purpuriforme Papelchenund z. T. kleinfleckige hämorrhagische Erosionen, oft gleichzeitig Befall desCapillitiums/retroaurikulär

– fehlendes Ansprechen auf Topika

infantiles Plaque-Typ-Hämangiom – meist asymmetrischer Befund, teleangiektatisches Erythemmit schmerz-haften zentralen Erosionen/Ulzera

– Beginn ab der 2.–3. Lebenswoche

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Alimentärer ZinkmangelDiese Form der Zinkmangeldermatitis ist deutlich häufiger alsdie Acrodermatititis enteropathica. Hier wird die oben beschrie-bene Symptomatik (Diarrhö weniger häufig) bei voll gestilltenSäuglingen im Alter von 3–4 Monaten beobachtet. Ca. 75% derbetroffenen Säuglinge sind ehemals Frühgeborene, für deren er-höhten Bedarf zu wenig Zink in der Muttermilch (sowie kommer-zieller Säuglingsmilch) enthalten ist und deren intestinale Zink-

resorption unreifebedingt vermindert ist. Der Serum-Zinkspiegelist deutlich vermindert [18].Therapie. Orale Zinksubstitution mit Zinksulfat (3–4mg/kg/d)für 4–6Wochen. Nach Einsetzen der Therapie kommt es zu einersehr raschen Abheilung der Dermatitis.Prophylaxe. Zusatz von FM85 zur Muttermilch.

Bei längerer Zinksubstitution sind Zinkspiegelkontrollen indiziert. Zeicheneiner Zink-Überdosierung sind Übelkeit, Erbrechen, mikrozytäre Anämie(aufgrund verminderter Eisenaufnahme und Erniedrigung des Kupfer-Serum-spiegels) sowie Neutropenie [3].

Infantiles seborrhoisches EkzemDie Hautveränderungen treten meist ab der 2.–4.Lebenswocheauf, zuerst mit Befall der Kopfhaut („Milchschorf“) und in unter-schiedlicher Ausprägung im Verlauf Stirn, Hals, Windelbereichinkl. Leisten, Axillen und Stamm. Charakteristisch sind helle,lachsrote, scharf begrenzte, mit gelblichen Schuppen belegte Ery-theme (●" Abb.23). Oft besteht eine Superinfektion mit Candidaalbicans. Juckreiz fehlt entweder vollständig oder ist nur mildeausgeprägt. Eine Besiedlung mit Pityrosporum ovale (Malasseziafurfur) spielt eine pathogenetische Rolle. Das seborrhoischeSäuglingsekzem zeigt einige Gemeinsamkeiten mit der atopi-schen Dermatitis und nicht selten geht ein initial seborrhoischesEkzem auch in ein atopisches Ekzem über. In diesem Sinnewurde

Abb.22 Irritativ-toxische Windeldermatitis.Abb.19 Diffuse Mastozytose.

Abb.20 Epidermolysis bullosa.

Abb.21 Incontinentia pigmenti.Abb.18 Staphylococcal scalded skin syndrome.

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der Begriff, „Eczema infantum“ geprägt, für sehr junge Säuglingemit einem Mischbild der beiden Ekzemformen.

Das hilfreichste Merkmal zur Abgrenzung von der atopischen Dermatitis istder mehrheitlich fehlende Juckreiz beim seborrhoischen Ekzem.

Therapie und Prognose. Die Prognose ist gut, bei der Mehrheitder Kinder heilt das Ekzem innerhalb des ersten Lebensjahresvollständig ab. Bei der Behandlung ist die Vermeidung einerOkklusion durch fettreiche Salben sowie eine regelmäßige Haut-reinigung durch Baden von zentraler Bedeutung. Es solltenhydrophile Cremes verwendet werden in Kombination miteinem täglichen kurzen lauwarmen Bad mit wenig Ölzusatz.Unterstützend kann eine milde antiseptische Waschlotion (z.B.Triclosanhaltig) oder ein Ketoconazolhaltiges Shampoo zur Kopf-wäsche sowie für die Hautfalten verwendet werden (3min ein-wirken lassen). Für die Hautfalten eignet sich eine zinkhaltigePaste oder Creme. Die dicken Kopfhautschuppen lassen sich miteinem Ölprodukt oder fettiger Salbe 1–2 Stunden vor dem Badaufweichen und im Bad mit weicher Bürste/Tuch ablösen. Fürstärker gerötete Areale empfiehlt sich die Anwendung einerHydrokortison-Creme 1%, ggf. auch ein Kombinationspräparatvon Hydrokortison mit Ketoconazol.

Atopisches EkzemSynonyme: atopische Dermatitis, „Neurodermitis“Das atopische Ekzem ist definiert als eine chronisch-rezidivie-rende Hauterkrankung auf dem Boden einer genetisch determi-nierten Dysfunktion der epidermalen Barriere. In der westlichenZivilisation ist heute jedes 5. bis 6.Kind von dieser Ekzemkrank-heit betroffen. Die Auswirkungen können für die Betroffenenweitreichend sein: chronische Entzündung und quälender Juck-reiz, verbunden mit Schlafstörung, resultierend in einer Verzöge-rung vonWachstum und Entwicklung und sozialen Folgen für dieganze Familie.Ursächlich steht eine genetischbedingte Störungder epidermalenBarriere imVordergrund–undnicht primär eine allergischeReak-tion. Mutationen des Strukturproteins Filaggrin sind relevant fürden Schweregrad der atopischen Dermatitis und bestimmenauch die Wahrscheinlichkeit einer Assoziation mit allergischemAsthma. Filaggrin-Mutationen führen zu einem Hautbarrierede-fekt mit erhöhter transkutaner Allergenpenetration, transepider-malem Wasserverlust und konsekutiv trockener Haut. Verschie-dene Triggerfaktoren können das Ekzemverschlechtern:▶ Bakterien (Staphylokokken und Streptokokken)▶ Viren (Poxviren bei Mollusken, Herpesviren)▶ Allergien▶ Klimafaktoren▶ Schwitzen▶ Irritanzien (Wolle, Seife)▶ StressTriggerfaktoren werden oft als Ursache des Ekzems missverstan-den und Eltern knüpfen die Erwartung einer Heilung an diverseEliminationsbemühungen [3]. Dies führt oft zu radikalen, gar ge-sundheitsgefährdenden Diäten und zur Ablehnung von Impfun-gen.

Entgegen gängigen Vorstellungen bestehen nur bei einem relativ geringenAnteil von betroffenen Säuglingen relevante Nahrungsmittelallergien (max.20%). Die Häufigkeit der atopischen Dermatitis ist bei Geimpften und Un-geimpften gleich. Das unbegründete Nicht-Impfen von Ekzem-Kindern hin-gegen führt zu einer zusätzlichen Gefährdung.

Die Prognose der atopischen Dermatitis ist prinzipiell gut mit Ab-heilung in ¾ der Fälle bis im Alter von 10 Jahren. Ca.⅓ der Kinderentwickelt später eine allergische Rhinokonjunktivitis und/oderallergisches Asthma.

Klinische PräsentationBei Säuglingen kann die atopische Dermatitis aus einem initialenseborrhoischen Kopfhautekzem entstehen. Meist zeigen sich diecharakteristischen Symptome aber erst ab dem 3.Lebensmonat.Juckreiz ist ein wichtiges Merkmal. Vorwiegend ist der Kopfund die Gesichtshaut betroffen, oft mit nässenden, bakteriellsuperinfizierten Wangenekzemen (●" Abb.24). Am Körper istder Befall am Stamm (ohne Windelbereich) als auch an den Ex-tremitätenstreckseiten typisch (●" Abb.25). Als Variante kannbei ca. 10–15% der Kinder ein nummuläres atopisches Ekzembeobachtet werden (●" Abb.26).Bakterielle Komplikationen sind im Säuglingsalter häufig. Die Ko-lonisation mit Staphylococcus aureus liegt zwischen 90–100%(im Vergleich zu 20–25% bei Kontrollkindern) und insbesondereim Kopfbereich können dadurch nässende, impetiginisierte Ekze-me und Pyodermien entstehen. Eine wichtige, prompt zu erken-nende Komplikation ist das Eczema herpeticatum mit gruppier-ten ausgestanzten kleinen Erosionen und Vesikeln, die sich raschzu Pusteln und Krusten umwandeln (●" Abb.27).

Eine allergologische Diagnostik im Säuglingsalter ist dann sinnvoll, wenn einschweres, hartnäckiges atopisches Ekzem besteht und/oder Hinweise fürallergische Soforttypreaktionen wie Angiödem, Urtikaria, Erbrechen etc. auf-treten oder eine Gedeihstörung besteht.

TherapieEine Kombination verschiedener Therapieansätze hat zum Ziel,das Ekzem möglichst anhaltend zu kontrollieren und im Verlaufzur Abheilung zu bringen. Im Hinblick auf eine gute Prognose mitVerhinderung einer Chronifizierung des Ekzems steht der Leit-satz „no tolerance for eczema“ im Zentrum und ein proaktivesManagement ist indiziert. Folgende Prinzipien sollen dabei zurAnwendung kommen:▶ Wiederherstellung der epidermalen Barriere mittels ange-

passter Basistherapie (Hautreinigung und rückfettende Pflege)

Abb.23 Infantiles seborrhoisches Ekzem.

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▶ Prophylaxe und Behandlung kutaner Superinfektionen mittelsangepasster Basistherapie inkl. regelmäßiger Hautreinigungund antientzündlicher Lokaltherapie (Antiseptika, Antibiotika,Kortikosteroide)

▶ konsequente antientzündliche Therapie mit dem Ziel, Ekzem-schübe prompt zur Abheilung zu bringen und weitere Schübezu verhindern

Die Basistherapie soll angepasst an das Stadium des Ekzems,Lokalisation und Alter des Kindes erfolgen. Gerade im Säuglings-alter ist dabei eine regelmäßige Hautreinigung und -hydrierungmittels täglichen, lauwarmen Bädern mit einem Ölzusatz vongroßer Bedeutung. Das Baden entfernt schonend Hautschuppenund Salbenrückstände undwirkt so einer ungünstigenmikrobiel-len Besiedlung der Haut entgegen. Gleichzeitig ermöglichen dieersten 10–15Minuten nach dem Bad eine verbesserte Aufnahmevon Topikas in der Epidermis [19]. Die zusätzliche Verwendungeiner antiseptischen hautfreundlichen Waschlotion (z.B. mit Tri-closan) kann bei Neigung zu bakterieller Superinfektion hilfreichsein. Die Wahl des rückfettenden Pflegeprodukts, insbesonderedessen Lipidgehalt, ist individuell festzulegen (eher Creme-Basisbei nässendem, akuten Ekzem), jedochmöglichst ohne Duftstoffesowie wenigen Konservierungsmitteln und Emulgatoren. ImSäuglingsalter sollte wegen häufigen Reizungen auf harnstoffhal-tige Externa verzichtet werden (resp. je nachHauttyp).

Antientzündliche TherapieTopische Kortikosteroide sind seit mehr als 50 Jahren in derLokaltherapie der atopischen Dermatitis etabliert und es bestehtein großes Sicherheitsspektrum bezüglich ihrer Anwendung.Dennoch ist bei der Verschreibung dieser Produkte das „Korti-son-Gespräch“mit den Eltern bei weit verbreiteter Steroidphobieunumgänglich. Es empfiehlt sich, dabei folgende Aspekte zu the-matisieren:▶ unterschiedliche Verabreichungswege von Kortikosteroiden

ganz allgemein („Kortison ist nicht gleich Kortison“)▶ verschiedene Stärkeklassen der topischen Präparate und Vor-

teile der sog. „Soft-Steroide“ (nicht-fluorierte Kortikosteroide)▶ jahrzehntelange Erfahrung und dadurch vorhandene Langzeit-

Sicherheitsaspekte▶ Wichtigkeit und Möglichkeit einer Intervallanwendung▶ Notwendigkeit einer proaktiven Therapie für eine bessere

Prognose und dadurch Verhinderung einer Chronifizierungdes Ekzems

Prinzipiell ist eine einmalige Anwendung täglich (idealerweiseabends, nach dem Bad) ausreichend, da die topischen Steroide

Abb.24 Atopisches Wangenekzem mit bakterieller Superinfektion.

Abb.25 Atopisches Ekzem am Stamm.

Abb.26 Nummuläresatopisches Ekzem.

Abb.27 Eczema herpeticatum.

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im Stratum corneum ein Depot bilden. Im jungen Säuglingsalterist eher der Einsatz verdünnter Kortikosteroide oder Präparateder Stärkeklasse I– II zu empfehlen. In einer akuten Phase lohntsich eine Behandlung an 5 aufeinanderfolgenden Tagen, gefolgtvon 2 Tagen Pause etc. Bei Besserung kann dann eine Reduktionauf eine sog. Intervalltherapie von z.B. 2–3 Behandlungstagen/Woche erfolgen.

Topische Kortikosteroide sollten nicht abrupt abgesetzt, sondern durch eineReduktion der Anwendungsdauer (auf z.B. 2 Tage/Woche) langsam ausge-schlichen werden (Rebound-Verhinderung). Es handelt sich hierbei um eineproaktive Therapie mit dem Ziel, neuen Ekzemschüben vorzubeugen, ohnedass typische Steroidnebenwirkungen (Hautatrophie) zu befürchten sind.

Diese proaktive Therapie kann bei anhaltendem aber bereits gutkontrolliertem Ekzem in gleicher Weise mit topischen Calcineu-rininhibitoren wie Protopic-Salbe oder Elidel-Creme erfolgen.Die Wirksamkeit von Tacrolimus (Protopic-Salbe) und Pimecroli-mus (Elidel-Creme) ist bei Kinder erwiesen. DieWirksamkeit vonProtopic-Salbe 0,1% entspricht etwa derjenigen eines Klasse-II-Kortikosteroids und die von Elidel-Creme einem Klasse-I-Korti-kosteroid. Im Unterschied zu Kortikosteroidenwird die Kollagen-synthese durch diese Immunmodulatoren nicht beeinträchtigt,sodass auch bei längerfristiger Anwendung ohne Pause keine Ge-fahr einer Hautatrophie besteht. Calcineurininhibitoren eignensich insbesondere für mittelgradige Ekzeme ohne mikrobielleSuperinfektion an Regionenmit dünnerer Haut (Gesicht, Windel-bereich, Augenlider), z.B. im Sinne einer Erhaltungstherapie.Wenn auch im Alter <24 Wochen nicht offiziell zugelassen undprinzipiell als second-line Therapeutika einzusetzen, sind Calci-neurininhibitoren gerade bei Säuglingen mit hartnäckigen Lid-,Wangen- und perioralen Ekzeme für eine erfolgreiche Langzeit-kontrolle und Ausheilung ideal.

Aufgrund der bis zu 12-jährigen Beobachtungen lässt sich die Befürchtungeines potenziell erhöhten onkogenen Risikos der Langzeitanwendung vonCalcineurininhibitoren nicht durch konkrete Fälle belegen.

Ein synergistischer immunsuppressiver Effekt der Calcineurin-inhibitoren in Kombination mit UV-Exposition ist zu beachten,sodass diese Präparate von Vorteil abends und begleitet von adä-quaten Sonnenschutzmaßnahmen angewendet werden.

Infektionen der Haut mit Herpes-simplex-Viren sowie Mollusca contagiosaoder HPV bedeuten eine Kontraindikation für die Anwendung von Protopic-Salbe oder Elidel-Creme.

SkabiesErreger ist die Krätzmilbe Sarcoptes scabiei variatio hominis. ZurInfestation reicht ein einziges Weibchen, das im Stratum cor-neum Gänge gräbt und Eier und Kotballen ablegt. Die Übertra-gung erfolgt direkt von Mensch zu Mensch durch engen Körper-kontakt. Der typische Ansteckungsweg bei Neugeborenen undSäuglingen ist der direkte Körperkontakt mit der Mutter, z.B.beim Stillen. Charakteristisch für die Skabiesinfestation iststärkster Juckreiz, besonders nachts, der bei Säuglingen sogar zuGedeihstörungen führen kann. Der Juckreiz entsteht durch dieimmunologische Reaktion des Wirtes auf die Milben und derenAusscheidungsprodukte [3].Klinisch imponiert ein polymorphes Bild mit fleckigen Erythe-men, erythematösen, z.T. länglichen Papeln, Papulovesikeln und

Exkoriationen. Bei Säuglingen finden sich typischerweise disse-minierte Befunde mit palmoplantarer Beteiligung in Form vonstecknadelkopfgroßen Pusteln und Papulovesikeln (●" Abb.28,●" Abb.29). Im Gegensatz zu älteren Kindern ist auch das Gesichtoft mitbetroffen.Zur Diagnoseerhärtung kann ein Direktpräparat versucht wer-den. Dabei lässt sich die Milbe am Ende des Milbengangs mittelseiner Kanüle auf einen Objektträger befördern und unter demMikroskop darstellen. Allerdings gestaltet sich dieses Prozederebei Säuglingen und Kleinkindern eher zeitaufwendig undschwierig.

Einfacher als mittels Direktpräparat lässt sich die Diagnose anhand auflicht-mikroskopischer Darstellung (Dermatoskop; alternativ Lupe) erhärten: derVorderleib der Milbe stellt sich am Ende des Gangs als charakteristischesbräunliches kleines Dreieck („Delta-Sign“) dar (●" Abb.30).

Therapie. Das Mittel der Wahl zur Lokaltherapie der Skabies imKindesalter ist Permethrin 5% Creme (Lyclear, Infectoscab); imVergleichzuanderenTopikaweniger neurotoxisch,weniger irrita-tiv und besser wirksam [20]. Bei Säuglingen unter 2Monaten soll-te diese Crememit Unguentum hydrophilicum auf 2,5% verdünnt

Abb.29 Skabies mit palmoplantarer Beteiligung.

Abb.28 GroßflächigeSkabiesinfestation.

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werden oder alternativ 10% Benzylbenzoat-Creme verwendetwerden. Je nach Ausmaß des Skabies-Befalls erfolgt diese Creme-Behandlung während 24 Stunden an 1–3 aufeinanderfolgendenTagen, begleitet vondesinfizierendenBädern (z.B.mit verdünnterBetadine-Lösung 1:1000). Für hartnäckige Fälle kann alternativeine systemischeTherapiemit Ivermectin (0,2–0,3mg/kg, einma-lige Dosis, nüchtern, ab 15kg Körpergewicht) erfolgen.Konsequente Begleitmaßnahmen zur antiinfektiösen Behand-lung sind sowohl bei topischer wie auch systemischer Behand-lung zu beachten, um eine Reinfektion zu verhindern:▶ simultane Behandlung aller unmittelbaren Kontaktpersonen▶ alle Kontaktgegenstände bei 60°C waschen, alternativ einfrie-

ren über 24 Stunden oder in geschlossenen Plastiksäckenmind. 4 Tage bei Raumtemperatur lagern

Der Juckreiz verschwindet nach Abschluss der Behandlung nichtschlagartig, sondern kann aufgrund verbliebener Antigene in derHaut für mehrere Wochen persistieren.

Um ein postskabiöses Ekzem zu verhindern, ist eine Nachbehandlung miteinemmilden topischen Kortikosteroid (z.B. Hydrokortison 2% in Unguentumhydrophilicum oder Prednicarbat) 1× täglich während 10 Tage indiziert,begleitet von einer rückfettenden Hautpflege.

MastozytoseMastozytosen umfassen unterschiedliche Manifestationen, wel-che durch eine Mastzellvermehrung in der Haut (und gelegent-lich in anderen Organen) gekennzeichnet sind. Der genetischeHintergrund derMastozytosen ist heute besser bekannt, es liegenPunktmutationen von c-KIT auf Chromosom 4q12 zugrunde, dasfür einen Mastzellwachstumsfaktor-Rezeptor kodiert [21]. Durchmechanische Reize, Arzneimittel und IgE-Bindung kommt es zueiner Freisetzung von Mediatoren aus den Mastzellen, die an derHaut, den Gefäßen, dem Gastrointestinaltrakt und an den Luft-wegen Symptome auslösen können [3].

Im Kindesalter existieren fast ausschließlich kutane Mastozytosen, welche klarvon systemischen Formen (im Erwachsenenalter häufiger) abzugrenzen sind.

Ein diagnostisch hilfreiches Merkmal der Haut ist das Darier-Zei-chen: auf feste Reibung einer betroffenen Stelle folgt eine urtika-rielle Reaktion (bei Säuglingen evtl. mit Blasenbildung). Eine his-tologische Diagnosebestätigung ist nur in unklaren Fällen not-wendig. Mit Ausnahme des Mastozytoms ist bei allen Formeneine Blutentnahme inkl. Bestimmung des Differenzialblutbildes,Lebertransaminasen und Serum-Tryptase sinnvoll. Bei diffuserkutaner Mastozytose und/oder Serum-Tryptasewerten >20ng/ml sollte eine Sonografie des Abdomens erfolgen (AusschlussMastzellinfiltration von Leber und Milz).

Abb.30 Skabies unter Dermatoskopie.

Tab. 5 Formen der kutanenMastozytose im Kindesalter.

Form der kutanen Mastozytose Häufigkeit Klinische Merkmale

Mastozytom(●" Abb. 31)

20% – meist ab Geburt/im 1. Lebensjahr– bräunlich-orangefarbene Plaque mit bis 2 cmDurchmesser, 1–5 Stück

– Oberflächemit Papillomatose, „Peau d’orange“-Aspekt– Blasenbildung im Säuglingsalter

Urticaria pigmentosa(●" Abb. 32)

75% – Manifestation im 1. Lebensjahr– >5 kutane Mastozytome, bis zu > 100 disseminiertenbraun-rötlichen Makulae bis Plaques

– gelegentlich mit Juckreiz– Blasenbildung im Säuglingsalter

diffuse Mastozytose 4–5% – meist ab Geburt/im frühen Säuglingsalter– diffuse Infiltration der Haut mit Verdickung(Pachydermie) und gelb-rötlichen Verfärbungen

– häufige Blasenbildung im Säuglingsalter– diffuser Juckreiz häufig und Allgemeinsymptome(Flush, Diarrhö, Dyspnoe, Hypotension) möglich

Teleangiectasia macularis eruptivaperstans

< 1% – ältere Jugendliche und Erwachsene– rötliche, teleangiektatische Makulae, v. a. am Stamm

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Abb.31 Mastozytom.

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Alle Mastozytoseformen des Kindesalters haben eine hohe Spontanremis-sionsrate mit Abheilung der Veränderungen bis zur Pubertät in 80%. Im Falleeiner ausgeprägten Urticaria pigmentosa können residuelle kleinfleckigeHyperpigmentierungen persistieren.

Therapie. Bei denmeisten Patienten ist keine spezifische Behand-lung erforderlich. Bei Juckreiz können Antihistaminika zum Ein-satz kommen und an der Haut polidocanolhaltige Externa odertopische Kortikosteroide. Den Patienten sollte ein Mastozytose-Pass ausgestellt werdenmit Bestätigung der Diagnose und Auflis-tung von potenziell histaminfreisetzenden Medikamenten.

Interessenkonflikt!

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Abstract

Skin Diseases of the Infant!

Many symptoms of skin diseases in childhood are similar to thosein adults – however, there are specific features which are highlycharacteristic for infants. The skin of babies is easily traumatized,as the dermoepidermal junction is not yet fully developed. Com-monbenign transitory skin conditions includeneonatal hyperpla-sia of sebaceous glands, milia, transient neonatal melanosis, mili-aria rubra and cristallina and acne neonatorum. Aplasia cutis con-genita, vascular anomalies and congenital melanocytic nevi be-long to the group of congenital developmental defects. Infantileerythroderma is potentially life-threatening. Possible causes areinfections (staphylococci, candida), congenital ichthyosis, immu-nodeficiencies,metabolicdiseases and skindiseases suchas atopicdermatitis, seborrhoic dermatitis and drug reactions. The differ-ential diagnosis of blisters and bullae in infants is broad and in-cludes skin infections, epidermolysis bullosa, incontinentia pig-menti, mastocytosis and Langerhans cell histiocytosis. Eczema in

infants ismost oftenof atopic nature.However, seborrhoic derma-titis, contact dermatitis or zinc deficiencymay be seen. Scabies in-festationmaymimic acute atopic dermatitis in infants. Scabies canfairly easily be diagnosed by dermoscopyand thus usually a scrap-ing test is no longer necessary.When topical steroids are prescribed in childhood, detailed infor-mation for parents is mandatory in order to increase complianceand to prevent rebound phenomenon and skin atrophy. After ap-proximately 12 years of therapeutic use in children, topical calci-neurininhibitors have not shown any increased oncogenic risk. Asan alternative to corticosteroids they are ideal particularly for theuse on the face and in the diaper area.

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Abb.32 Urticaria pigmentosa.

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