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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 2 (1912), pp. 330-339 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40906705 . Accessed: 11/06/2014 07:42 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.112 on Wed, 11 Jun 2014 07:42:50 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Page 1: Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L

Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. LSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 29. Jahrg., H. 2 (1912), pp. 330-339Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40906705 .

Accessed: 11/06/2014 07:42

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L.1). I. Staatssteuern.

Es ist gegenwärtig in Theorie und Praxis fast allgemein anerkannt, dass dem Begriff und Wesen des Staates der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit am meisten entspricht.

Die Reform der Staatssteuern verfolgt in erster Linie das Ziel, eine unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit gerechtere Verteilung der Steuerlast herbeizuführen. Das gegenwärtige Staatssteuersystem kann nach dem Stande der neueren Steuergesetzgebung in anderen Staaten ak ausreichend nicht mehr angesehen werden. Gegenwärtig wird im Fürstentum erhoben die Einkommen- steuer nach dem Gesetz vom 4. Januar 1893 2) und die Grundsteuer. Nach § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes „bleibt das Einkommen aus hierländischem Grundbesitz bei der Berechnung des Einkommens ausser Ansatz tf . Einen Ersatz für diese Befreiung des Grundbesitzes soll die Grundsteuer bieten. Jedoch kann die Grundsteuer dieser Funktion nicht gerecht werden, da sie nach ob- jektiven, auf die individuellen Verhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen keinerlei Rücksicht nehmenden Merkmalen festgesetzt ist, während die Ein- kommensteuer diesen Umständen in weitestem Masse Rechnung trägt. Hieraus resultiert eine nicht gerechtfertigte, unbillige Verschiedenheit in der steuer- lichen Behandlung des Grundbesitzes und der übrigen Einkommensquellen. Diese Erwägung drängt dazu, das Einkommen aus Grundbesitz nach dem Vor- gang fast sämtlicher deutscher Staaten gleichfalls der Einkommensteuer zu unterwerfen und dabei bezüglich des Grundbesitzes die gleichen Grundsätze der Einkommenfeststellung und Steuerberechnung anzuwenden wie bezüglich der übrigen Einkommensquellen. Die Einkommensteuer soll also nunmehr eine allgemeine sein [§ 1 des Entwurfs3) eines Einkommensteuergesetzes]. Die Grund- sätze über Steuerprogression, Steuerbefreiung der niederen Einkommen, Abzug der Schuldzinsen kommen für sämtliche Einkommensquellen gleichmässig zur Anwendung, was bei Beibehaltung des bisherigen Zustandes für das Grund- besitzeinkommen nicht möglich gewesen wäre.

Damit erfährt die Einkommensbesteuerung eine wesentliche Umgestaltung im Sinne der gleichmässigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Wenn der letztbezeichnete Grundsatz für die staatliche Besteuerung voll zur Geltung gelangen soll, so wird man sich mit der allgemeinen Einkommen- steuer als Staatssteuer, welche allerdings künftig wie jetzt den Hauptträger der direkten Staatsbesteuerung bilden wird, nicht begnügen können. Die Ein- kommensteuer belegt Einkommen von gleicher Höhe mit gleicher Steuer ohne Rücksicht auf die Art des Einkommens. Sie macht insbesondere feinen Unter- schied, ob das Einkommen aus persönlichem Arbeitsverdienst oder aus Ver- mögensbesitz herrührt. Nun kann es kaum zweifelhaft sein, dass dem letzteren Einkommen gegenüber dem ersteren eine gesteigerte Leistungsfähigkeit inne- wohnt, weil bei ihm die Einkommensquelle die Person überdauert, was bei

]) Begleitschreiben zu den Gesetzentwürfen vom 15. Mai 1911 an den Landtag. 2) Mitgeteilt im Finanzarchiv 10 (1893) S. 841. VJ VV11U. 1111 lUlgClIUCll Ulli XJ.OL.Vjr., UC^OIUIUCI, WCtlllCllU. U1C UillrOJ. ¿J, u, "X g^lianiuu^lX

Entwürfe mit V.St.G., G.A G., M.G. bezeichnet werden. 800

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L. 33 J

dem Arbeitseinkommen nicht der Fall ist. Der auf Arbeitseinkommen Ange- wiesene ist bei vernünftiger Wirtschaft genötigt, aus seinem Einkommen recht- zeitig Rücklagen zu machen, um für den Fall aufgehobener oder geminderter Erwerbsfähigkeit sich und seine Angehörigen sicherzustellen. Diese Vorsorge hat derjenige, der aus Vermögensbesitz Einkommen zieht, nicht oder nicht in gleichem Masse zu treffen; um deswillen bleibt ihm unter sonst gleichen Ver- hältnissen ein grösserer Teil seines Einkommens zur Befriedigung seiner per- sönlichen Bedürfnisse verfügbar. Diese gesteigerte Steuerkraft zu treffen, ist die Einkommensteuer nicht in der Lage; dieses ist Bestimmung der Vermögens- steuer. Sie tritt zur Einkommensteuer ergänzend hinzu, um im Verein mit dieser die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zur vollen Geltung zu bringen, und wird wohl wegen dieses Verhältnisses zur Einkommensteuer viel- fach auch „ Ergänzungssteuer* genannt. Sie trifft alles nutzbare Netto vermögen ohne Unterscheidung der Vermögensart gleichmässig. Aus ihrer Zweckbestim- mung ergibt sich ihr massiger Steuersatz.

Die Einkommensteuer und die Vermögenssteuer werden nach den Be- rechnungen, welche ohne spezielle Unterlagen nur allgemeiner Natur haben sein können, das bisherige Gesamtaufkommen an Einkommensteuer und Grundsteuer decken. Es ist daher vom finanziellen Standpunkt aus unbedenklich, die Grund- steuer als Staatssteuer bis auf weiteres ausser Hebung zu setzen. Sachlich rechtfertigt sich diese Massnahme, weil die Besteuerung des Grundbesitzes künftig mit durch die Einkommensteuer und Vermögenssteuer erfolgt, die Grundsteuer somit einen Ersatz gefunden hat. Auch von einem anderen Ge- sichtspunkt aus ist die Ausschaltung der Grundsteuer als Staatssteuer zu wünschen. Bekanntlich ist die gegenwärtige Grundsteuer in Kraft seit dem 1. Januar 1871 und reichen die Ab- und Einschätzungsarbeiten zurück in das Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass seit dieser Zeit eine ganz erhebliche Umgestaltung in den Ertrags- verhältnissen der Grundsteuerobjekte eingetreten ist, insbesondere im Verhältnis von Stadt (bzw. stadtähnlicher Gemeinde) und Land. Die Grundsteuer hat diesen Veränderungen bei der ihr eigenen Starrheit nicht in dem Masse Rechnung tragen können, dass sie jetzt noch ein zuverlässiges Bild von dem gibt, was sie darstellen will. Eine zeitgemässe Neukatastrierung aber würde mit einem sehr erheblichen Aufwand an ̂eit und Kosten verbunden sein. Als Staatssteuer ist somit die Grundsteuer in der gegenwärtigen Form wegen der ungleich- massigen Beschwerung der Grundsteuerpflichtigen mangelhaft. Hingegen be- stehen für ihre Beibehaltung bei der Gemeindebesteuerung die gleichen Be- denken nicht, weil innerhalb der engeren Gemeinde erhebliche Aenderungen in der Veranlagungsbasis im Verhältnis der einzelnen Grundsteuerobjekte zu- einander nicht in dem gleichen Masse eingetreten sind. Diese Erwägungen haben dazu geführt, in M.G. Art. II vorzusehen, dass die Grundsteuer als Staats- steuer bis auf weiteres ausser Hebung gesetzt wird. Die direkte Besteuerung seitens des Staates wird sich demnach erschöpfen in der Einkommensteuer und Vermögenssteuer.

II. Gemeindesteuern. Bisher wurden die Gemeindesteuern grundsätzlich nach dem Verhältnis

der staatlichen Einkommensteuer und Grundsteuer aufgebracht (Art. 136 der Gemeindeordnung). Allerdings war es auch gestattet, ortsstatutarisch dahin Bestimmung zu treffen, dass die „Umlegung der Gemeindelasten nach einem anderen dem Grundsatze der Gleichheit und Leistungsfähigkeit des einzelnen entsprechenden Erhebungsfusse erfolge" (Art. 144 der Gemeindeordnung); jedoch ist von dieser Ermächtigung zumeist kein Gebrauch gemacht worden.

Es besteht kein Bedenken, neben der Einkommensteuer auch die Grund- steuer als Gemeindesteuer beizubehalten. Der Gedanke würde naheliegen, die Gemeindeabgaben künftig nach Verhältnis der neuen Staatssteuern (Einkomrnen- und Vermögenssteuer) zu erheben, also auch für die Gemeindebesteuerung den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zur ausschliesslichen

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332 Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L.

Richtlinie zu nehmen. Eine solche Massnahme wäre nicht begründet. In der Finanztheorie und Finanzpraxis ist vielmehr allgemein anerkannt, dass die Leistungsfähigkeit in der Gemeindebesteuerung nicht den ausschliesslichen Mass- stab bilden kann, derselbe vielmehr zu ergänzen ist durch den Grundsatz der Leistung und Gegenleistung. Gerade diesem Gedanken entspricht die Bei- behaltung der Grundsteuer neben der Einkommensteuer. Sie trägt der Tat- sache Rechnung, dass ein Teil, vielfach ein grosser Teil der Gemeindeabgaben dem Grundbesitz ganz oder überwiegend zugute kommt oder durch ihn ver- ursacht wird.

Dieselben Gründe, welche die grössere Belastung des Grundbesitzes in Form der Grundsteuer rechtfertigen, begründen auch eine stärkere Heranziehung der Gewerbebetriebe. Der Zusammenhang zwischen dem Ertrag der Gewerbe und der fortschreitenden Entwicklung der Gemeinden dürfte kaum zweifelhaft sein. Eine Vorausbelastung der Gewerbebetriebe in Form einer Gewerbesteuer nach Analogie der Grundsteuer erscheint daher grundsätzlich nicht unbegründet. Gleichwohl ist davon abgesehen, die Gewerbesteuer als eine obligatorische Gemeindesteuer mit aufzunehmen.

Besonders spricht dagegen, dass für eine solche Gewerbesteuer die so wichtige Anknüpfung an einen bestehenden und geschichtlich eingelebten Zu- stand nicht in Betracht kommt und der Aufbau der Gewerbesteuer in ihren für alle Gemeinden verbindlichen Grundzügen mit grossen Schwierigkeiten ver- bunden sein muss. Ueberdies kommt in Betracht, dass nicht in allen Gemeinden in demselben Masse ein Bedürfnis und ein Interesse vorliegt, eine Gewerbe- steuer zu erheben. Auch ist das Gewerbe schon in der Grundsteuer einiger- massen belastet, wobei jedoch darauf hingewiesen sei, dass im Falle der Ein- führung einer Gewerbesteuer die grundsteuerliche Belastung der dem Gewerbe- betrieb dienenden Grundstücke bei der Gewerbesteuer in Berücksichtigung zu ziehen ist.

Immerhin dürfte es sich empfehlen, den Gemeinden, welche eine grund- sätzlich angemessene Gewerbesteuer neben der Grund- und Einkommensteuer einführen wollen, diese Möglichkeit zu gewähren. Von diesem Gesichtspunkt aus sind die §§ 36 ff. G.A.G. zu verstehen.

Abgesehen von den in den §§ 36-41 G.A.G. gegebenen Richtlinien ist die Gestaltung der Gewerbesteuer in den einzelnen Gemeinden wegen der Ver- schiedenartigkeit der Verhältnisse der ortsstatutarischen Regelung vorbehalten. Die besonderen Gewerbesteuern in § 42 G.A.G. bringen keine Neuerung in dem bestehenden Rechtszustand.

Das Ziel, eine Vorausbelastung solcher Personen und Objekte, welche von der Gemeinde besondere Vorteile haben oder der Gemeinde besondere Ausgaben verursachen, eintreten zu lassen, wird auch erreicht durch eine bessere gesetz- liche Ausbildung

1. der Gebühren (G.A.G. §§ 5 - 7). Diese Bestimmungen gehen von der Tatsache aus, dass gewisse Einrichtungen der Gemeinden, unbeschadet ihres öffentlichen und allgemeinen Charakters, nur von bestimmten Personen benützt werden ;

2. der Beiträge (G.A.G. §§ 8, 9), insbesondere für Herstellung von Strassen, Trottoirlegung, Kanalisation usw.

Derartige Beiträge werden in den Stadtgemeinden und in den grösseren Landgemeinden auf Grund genehmigter Ortsstatute gegenwärtig schon erhoben.

III. Bezüglich der Aufbringung der Mittel für Kirchen und Schulen ist von einer eingehenden Neuregelung vorläufig abgesehen. Besonderer Hervor- hebung bedarf nur, dass auch die fakultative Gewerbesteuer künftig von Kirchen- und Schulgemeinden, deren Bedarf nicht von den politischen Gemeinden auf- zubringen ist, soll eingeführt werden können. Diese Massnahme entspricht der Erwägung, dass vielfach von den Gewerbebetrieben (insbesondere der Gross- industrie) besondere Schullasten (und auch Kirchenlasten) verursacht werden und solchenfalls eine billige Besteuerung der Betriebe nicht ausschliesslich nach dem Reineinkommen bemessen werden kann.

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L. 333

B. Im einzelnen erscheinen folgende Bemerkungen erforderlich:

Zum Einkommensteuergesetz. I. Allgemeines.

Der Entwurf schliesst sich in seinem materiellen Teil, abgesehen von der Staffelung des Steuertarifs, wesentlich an das Preussische Einkommensteuer- gesetz und die demselben nachgebildeten Einkommensteuergesetze verschiedener anderer Staaten (u. a. Reuss j. L.) an.

Die Bestimmungen über das Verfahren entsprechen im wesentlichen denen des Königl. Sächsischen Einkommensteuergesetzes vom 24. Juli 1900.

Gegenüber dem Gesetze l) vom 4. Januar 1893 enthält der Entwurf ver- schiedene, teilweise sehr erhebliche Abweichungen.

II. Im einzelnen.

Zu § 2. Die Aenderungen der Ziff. 1 u. 2 gegenüber § 2 Ziff. 1 u. 2 E.St.G. von

1893 ergeben sich durch das neue Reichsdoppelsteuergesetz vom 22. März 1909 {Reichsgesetzbl. von 1909 S. 332).

Zum letzten Absatz ist wegen des Beitrags des Domanialgrundbesitzes zu den Staatssteuern zu vergleichen M.G. Art. II.

Zu § 5 Ziff. 1. Die unbedingte Steuerbefreiung natürlicher Personen, deren Einkommen

400 M. nicht übersteigt, ist dem bisherigen Einkommensteuergesetz, welches eine untere Besteuerungsgrenze überhaupt nicht hat, unbekannt. Die Steuer- befreiung verheirateter Personen bei Einkommen von nicht über 600 M. ent- spricht dem § 4c des E.St.G. von 1893; einige Ungleichmässigkeiten , welche sich bei dessen Handhabung ergeben haben, sind durch die neue Bestimmung ausgeglichen.

In gleicher Richtung wie § 5 Ziff. 1 im Sinne einer Steuerminderung für geringe und massige Einkommen bewegt sich auch § 19.

Ziff. 3 entspricht dem § 3 Abs. 3 E.St.G. von 1893.

Zu § 7. Die wesentlichste, einschneidendste Neuerung gegenüber dem Einkommen-

steuergesetz von 1893 bringt Ziff. 2 in Verbindung mit § 13 in der Besteuerung des Einkommens aus Grundvermögen. Es sei dieserhalb auf die Ausführungen oben unter A verwiesen.

Zu § 9 II, Ziff. 1. Hiernach ist dem Steuerpflichtigen das Recht zum Abzug ordnungsmässig

nachgewiesener Schuldzinsen schlechthin eingeräumt. Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 des E.St.G. von 1893, wonach es nicht gestattet ist, Zinsen von Passiv- kapitalien (Schulden) von den Zinsen der Aktivkapitalien in Abzug zu bringen, ist vielfach als unbillig empfunden und in den Entwurf nicht übernommen.

Zu § 10. E.St.G. von 1893 § 8 Abs. 3 unterscheidet zwischen feststehenden und

ihrem Betrag nach unbestimmten oder schwankenden Einkünften und bestimmt, dass erstere mit ihrem Jahresbetrag zur Zeit der Veranlagung und letztere nach dem Durchschnitt der drei letzten Jahre zur Berechnung zu ziehen seien. Die Durchführung dieser Berechnungsart für schwankende Einkommen ist viel-

!) Dasselbe ist im folgenden mit E.St.G. von 1893 bezeichnet. 803

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fach, insbesondere bei Arbeitseinkommen, praktisch auf grosse Schwierigkeiten gestossen. Der Entwurf stellt daher den Grundsatz auf, dass in der Regel für jede Einkommensquelle das Ergebnis des unmittelbar vorhergegangenen Ka- lenderjahres zugrunde zu legen ist. Nur für die in Ziff. 3 u. 4 bezeichneten Steuerpflichtigen ist eine Veranlagung nach einem mehrjährigen Durchschnitts- einkommen beibehalten.

Zu § 11. In der Erwägung, dass auch das - nach zivilrechtlichen Bestimmungen

sich ergebende - Sondereinkommen der Ehefrau, sofern letztere mit dem Ehe- mann einen gemeinsamen Haushalt hat, in gleicher Weise wie das Einkommen des Ehemannes für die Familie regelmässig Verwendung findet, für die steuer- liche Leistungsfähigkeit des Familienhauptes somit auch von Bedeutung ist, ist in § 11 der Grundsatz aufgestellt, dass das Einkommen der Ehefrau dem Ein- kommen des Ehemannes hinzuzurechnen ist. Jedoch erscheint es nicht gerecht- fertigt, das Arbeitseinkommen der Ehefrau in vollem Umfang dabei in Ansatz. zu bringen. Durch die Berufstätigkeit der Ehefrau erwachsen im Regelfall besondere Aufwendungen für die Wartung von Kindern usw. Im Interesse der arbeitenden Bevölkerung sind diese Unkosten durch einen Abzug nach § 11 Abs. 1 Satz 2 steuerlich berücksichtigt. Dabei empfiehlt sich eine obere Be- grenzung des abzugsfähigen Betrags auf 300 M., weil die auf die Berufstätig- keit der Ehefrau zurückzuführenden besonderen Ausgaben diesen Betrag in der Regel nicht übersteigen dürften.

Im übrigen enthält der Entwurf keine Bestimmung über die Besteuerung der Familienangehörigen. Es versteht sich daher von selbst, dass dem Steuer- pflichtigen die Erträge aus demjenigen Vermögen seiner Angehörigen, an welchem ihm kraft seiner elterlichen Gewalt oder nach ehelichem Güterrecht die Nutzniessung zusteht, seinem eigenen Einkommen zuzurechnen sind.

Zu § 15.

§ 11 Abs. 2 des E.St.G. von 1893 bestimmt, dass „von den Besoldungen und Pensionen aus Hof- und Staatskassen, überhaupt aus öffentlichen Kassen bei der Veranlagung 15 Proz.tf abgezogen werden.

Dieser Abzug kann im Prinzip nicht mehr als genügend berechtigt an- gesehen werden. Bei seiner Einführung dürfte die Erwägung massgebend ge- wesen sein, dass das Einkommen der übrigen Steuerpflichtigen nicht gleich sicher sich ermitteln lässt wie das offen daliegende Dienst- oder Pensions- einkommen und dass bei ersterem die volle Erfassung bei der Veranlagung nicht ebenso garantiert ist wie bei letzterem. Das neue Einkommensteuergesetz dürfte eine wirksame Handhabe zur möglichst genauen Ermittlung sämtlicher Einkommensquellen bieten, mit seinem Inkrafttreten wird daher der Grund für das bezeichnete Vorrecht entfallen.

Für diejenigen Steuerpflichtigen, welche beim Inkrafttreten des neuen Einkommensteuergesetzes das Vorrecht genossen haben, ist zur Vermeidung von zum Teil recht empfindbaren Härten eine Uebergangszeit vorgesehen. Zu § 18 in Verbindung mit dem als Anhang beigefügten Steuertarif und § 19.

Der Tarif ist in der Weise aufgestellt, dass die kleinen Einkommen (bis etwa 1000 M.) entlastet, die mittleren (bis etwa 5000 M.) nicht erhöht, die Einkommen von ca. 5000 M. bis ca. 36,000 M. nur unerheblich höher besteuert werden, während für Einkommen über 36,000 M. die Mehrsteuer gegenüber früher erheblicher ist. Die Steuersätze stimmen von 12,000 M. an fast genau mit denjenigen des Einkommensteuergesetzes von Reuss j. L. überein. Die Progression steigt bis annähernd 5 Proz. des Einkommens, während sie bisher bei neun Steuerterminen nur annähernd bis 4,5 Proz. stieg.

Für Einkommen bis zu 3000 M. sind, worauf schon oben hingewiesen ist, Steuerermässigungen je nach der Anzahl der unterhaltsberechtigten An- gehörigen vorgesehen (§ 19 des Entwurfs), was bei dem geltenden Gesetz nicht bekannt ist.

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L. 335

Zu §§ 20-55. In formeller Beziehung schliesst sich der Entwurf, wie bereits hervor-

gehoben, soweit die ßehördenorganisation und das Verfahren in Frage stehen (§§ 21-46), an das Königlich Sächsische Gesetz vom 24. Juli 1900 an.

Er sieht eine neue staatliche Behörde, das Steueramt, vor, welchem die Leitung des gesamten Veranlagungsgeschäfts (insbesondere Vorbereitung der Einschätzung, Vorsitz in den Einschätzungskommissionen) und die Wahrung des staatlichen Interesses obliegt. Die Gemeindevorstände sind zur Unterstützung des Steueramts bei Sammlung des Steuermaterials in. weitgehendem Masse ver- pflichtet.

Das bisherige Verfahren, nach welchem die Einschätzung durch die Ein- schätzungskommission unter Vorsitz des Gemeindevorstandes und die Ver- anlagung durch den Landesausschuss - in beiden Fällen unter fakultativer Mitwirkung eines Staatskommissars - stattfindet, hat sich als unzureichend erwiesen. Das im Entwurf vorgesehene Verfahren dürfte eine grössere Einheit- lichkeit und Planmässigkeit in der Behandlung der Steuersachen garantieren.

Auch in der Gestaltung des Rechtsmittelverfahrens „ bringt der Entwurf eine wesentliche Neuerung. Im Anschluss an die Steuergesetze fast aller Bundes- staaten überweist er die Entscheidung über Berufungen einer kollegialen, zum Teil aus Steuerpflichtigen bestehenden Behörde, der Berufungskommission.. Fürstliche Landesregierung, welche bisher über sämtliche Berufungen zu be- finden hatte, ist im Entwurf nur noch als drittinstanzliche Spruchbehörde mit Beschränkung ihres Nachprüfungsrechts auf Rechtsfragen vorgesehen.

Es ist beabsichtigt, wenn der Vertrag mit dem Königreich Sachsen wegen Anschlusses des Fürstentums an das Königlich Sächsische Oberverwaltungsgericht zu Dresden Geltung erlangt haben wird, diese Kompetenz der Landesregierung wegfallen zu lassen und statt dessen die Anfechtungsklage gegen die Entschei- dung der Berufungskommission bei dem Oberverwaltungsgericht einzuführen, und behält sich fürstliche Landesregierung, wenn der Landtag der Vorlage zu- gestimmt hat, eine entsprechende Ergänzung vor.

Zu § 56. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass auch der Beginn

des Rechnungsjahres für den Staatshaushalt auf den 1. April verlegt wird.

Zu § 64 Abs. 2. Die Erhebung der Steuer in neun Terminen verursacht viel unnötige Mühe

und Arbeit. Die meisten Steuerpflichtigen ziehen es daher schon jetzt vor, ihre- Steuern für mehrere Termine zugleich zu entrichten. Es sind deshalb viertel- jährliche Zahlungstermine vorgesehen.

Zu Abs. 3. Eine wesentliche Aenderung gegenüber dem § 44 Abs. 2 des E.St.G. von

1893 besteht darin, dass die hier normierte Haftung der Arbeitgeber für die Steuern der Arbeitnehmer beschränkt ist auf die Fälle, in denen die Bediensteten zu dem Haushalt der Arbeitgeber gehören.

Zu § 74 Abs. 4. Es bleibt vorbehalten, den Gebührentarif im Laufe dieser Tagung dem

geehrten Landtag noch zugehen zu lassen.

Zum Vermögenssteuergesetz. I. Allgemeines.

(Vgl. auch oben unter A.) Der Entwurf berücksichtigt in seinem sachlichen Teil die Vermögenssteuer-

bzw. Ergänzungssteuergesetze von Preussen, Königreich Sachsen, Grossherzogtum 805

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33g Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L.

Sachsen, Hessen, Oldenburg, Gotha, Sachsen-Meiningen und Schaumburg-Lippe. Die materiellen Teile dieser Gesetze stimmen in wesentlichen Punkten überein und diese gemeinschaftlichen Bestimmungen hat der Entwurf im allgemeinen gleichfalls übernommen. In seinem das Verfahren betreffenden Teile schliesst sich der Entwurf aus Zweckmässigkeitsgründen eng an den Entwurf des neuen Einkommensteuergesetzes an.

Das Gesetz enthält folgende Grundzüge: 1. Der Besteuerung unterliegt das Gesamtvermögen mit Ausschluss des

Mobiliars. Abzug der Schulden findet statt (§ 4). 2. Steuerpflichtig sind die natürlichen Personen und von den nicht natür-

lichen Personen die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 3).

3. Zur Vermögenssteuer werden nicht herangezogen a) diejenigen Personen, deren steuerbares Gesamtvermögen den Betrag

von 6000 M. nicht übersteigt, b) Personen, deren steuerpflichtiges Einkommen 900 M. nicht übersteigt,

wenn das Vermögen nicht mehr als 10,000 M. beträgt. Weitergehende Erleichterungen werden Witwen, Waisen und Erwerbs-

unfähigen gewährt (§ 16). 4. Die Steuer beträgt V2 v(>m Tausend des steuerbaren Vermögens (§ 17). 5. Die Veranlagung erfolgt in Verbindung mit der Einkommensteuer-

veranlagung (§§ 18 ff.).

II. Im einzelnen sei folgendes bemerkt:

Zu §§ 2, 3. Der Kreis der steuerpflichtigen Personen ist enger als im Einkommen-

steuergesetz, weil von den nichtphysischen Personen, Korporationen usw. nur Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien zur Steuer heran- gezogen werden. Der Entwurf folgt in dieser Beziehung dem Königlich Sächsi- schen Gesetz. Eine Ausdehnung der Steuerpflicht auf einen weiteren Kreis von nichtphysischen Personen usw. würde im Verhältnis zu den mit der Veranlagung verbundenen Weiterungen ohne wesentliche finanzielle Bedeutung sein. Die Mehrzahl der Vermögenssteuergesetze der anderen Staaten beschränkt die Steuerpflicht überhaupt auf natürliche Personen.

Zu § 2 Abs. 2. Zu vergleichen ist hierzu M.G. Art. II.

Zu § 9. Bei Bemessung des gemeinen Wertes der Grundstücke sind zum Anhalt

zu nehmen 1. die im gewöhnlichen Verkehr gezahlten Kaufpreise, 2. wo aber Käufe, namentlich von land- und forstwirtschaftlich benützten

Grundstücken, nicht in ausreichendem Umfang vorkommen, um einen zutreffen- den Massstab zu gewähren, ausserdem die Ertragwerte, d. h. die Kapital werte, deren jährliche Zinsen dem bei gemeingewöhnlicher Bewirtschaftung dauernd zu erzielenden durchschnittlichen jährlichen Ertrage unter Anwendung des- jenigen Zinsfusses gleichkommen, der von dem in gleichartigem Grundbesitze angelegten Kapital in der betreffenden Gegend erzielt zu werden pflegt. - Der individuelle Ertrag kommt nicht in Betracht.

Zu § 16. Zum Vergleich seien herangezogen die Bestimmungen der anderen Steuer-

gesetze über die untere Besteuerungsgrenze. 806

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Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L. 337

„I. Bestimmungen von Preussen, Braunschweig, Gotha, Schaum- burg-Lippe. "

Zur Ergänzungssteuer werden nicht herangezogen: 1. diejenigen Personen, deren steuerbares Vermögen den Gesamt-

wert von 6000 M. (Gotha 5000 M.) nicht übersteigt; 2. diejenigen Personen, deren nach Massgabe des Einkommen-

steuergesetzes zu berechnendes Jahreseinkommen den Betrag von 900 M. (Gotha 500 M.) nicht übersteigt, insofern der Gesamtwert ihres steuerbaren Vermögens nicht mehr als 20,000 M. (Braunschweig 12,000 M., Gotha 10,000 M.) beträgt;

Zusatz Gotha: und das Einkommen lediglich aus dem Abwurf dieses Vermögens herrührt;

3. weibliche Personen, welche minderjährige Familienangehörige zu unterhalten haben, vaterlose minderjährige Waisen und Erwerbs- unfähige, insofern das steuerbare Vermögen der bezeichneten Per- sonen den Betrag von

Gotha: 10,000 M. nicht übersteigt; sonst: 20,000 M. und das nach Massgabe des Einkommensteuer-

gesetzes zu berechnende Jahreseinkommen derselben den Betrag von 1200 M. nicht übersteigt.

Zusatz Schaumburg - Lippe : Auf diejenigen Steuerpflichtigen, welche lediglich mit den im § 2 II (Anmerkung: nicht physische Per- sonen und ausländische Personen, welche im Inland Steuerobjekte besitzen) bezeichneten Vermögensteilen der Vermögenssteuer unter- liegen, finden die Befreiungen zu 2 und 3 keine Anwendung.

II. Die anderen Staaten. Meiningen kennt nur den Befreiungsgrund unter I Ziff. 1 (Art. 2 II 1). Oldenburg bringt die Vermögenssteuer in Abhängigkeit von der

Einkommensteuer. Die bis zu 599 M. zur Einkommensteuer veran- lagten und von ihr freigelassenen Personen bleiben vermögenssteuer- frei. Im übrigen steigt der Prozentsatz der Vermögenssteuer nach Massgabe des Einkommens (von 5/io °/oo des Vermögens bei 600 M. Einkommen bis 1 °/oo bei 2800 M. Einkommen).

Königreich Sachsen. Die Vermögenssteuer beginnt bei 12,000 M. Vermögen (§ 12 in der Fassung der Novelle vom 21. April 1906).

Im übrigen sind für Vermögen bis zu 60,000 M. Ermässigungen nachgelassen (§§ 12, 13 des Gesetzes vom 2. Juli 1902).

Hessen (Art. 12). Allgemeine Besteuerungsgrenze 3000 M. Für Erwerbsunfähige, minderjährige Waisen usw. mit einem Gesamtein- kommen von weniger als 750 M. Besteuerungsgrenze 10,000 M.

Zu § 17.

Der Steuersatz - annähernd l'i °/oo - findet sich in fast allen Vermögens- Ergänzungs-)Steuergesetzen.

Zu §§ 18-37. Sie schliessen sich, wie eingangs bereits hervorgehoben, an die Bestim-

mungen des Einkommensteuergesetzes eng an.

Zu § 38.

Diese Bestimmung beruht auf der Erwägung, dass bei der Besteuerung seitens der Gemeinden und der anderen öffentlichen Verbände - mit Ausnahme des Staates - gewisse Teile des Vermögensbesitzes bereits in der Grundsteuer und eventuell der Gewerbesteuer eine Vorausbelastung erfahren.

Finanzarchiv. XXIX. Jahrg. 807 22

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338 Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L.

Zum Gemeindeabgabengesetz. I. Im allgemeinen

wird auf die Ausführungen unter A. „ Grundzüge der Reform tf Bezug genommen. Ergänzend sei bemerkt, dass sich der Entwurf in seiner Gliederung und in einer Mehrzahl von Einzelbestimmungen an die seit der Preussischen Steuerreform erlassenen Kommunalabgabengesetze verschiedener deutscher Bundesstaaten anschliesst.

II. Im besonderen bedarf folgendes der Hervorhebung:

Zu § 2. Durch Abs. 1 sind die Gemeinden nicht gehindert, in ihre Haushaltpläne

Ausgabeposten zur Ansammlung von Fonds für künftige grössere Ausgaben einzustellen, soweit eine solche Ansammlung einer geordneten Wirtschafts- führung entspricht.

Unter „besonderen" Rücksichten im Sinne von Abs. 2 sind namentlich polizeiliche und soziale Rücksichten zu verstehen.

Gemeindeeinkommensteuer.

Zu §§ 17 ff. Der Entwurf baut auf dem historisch Gewordenen tunlichst weiter, bringt

jedoch auch mannigfache Aenderungen unter besonderer Berücksichtigung der in der bisherigen Praxis gemachten Erfahrungen. Die bedeutsamste Neuerung dürfte sein, dass auch für die kommunale Einkommensteuer künftig eine untere Besteuerungsgrenze bei natürlichen Personen festgesetzt wird (§ 18), was bisher nicht der Fall gewesen ist.

Diese Grenze ist höher als 200 îï. für Unverheiratete bzw. 350 M. für Verheiratete zu legen, dürfte im Interesse der ärmeren Gemeinden, denen sonst finanzielle Schwierigkeiten entstehen könnten, nicht geboten sein.

Die §§ 21 ff. geben Bestimmungen über die Verteilung des gemeinde- steuerpflichtigen Einkommens auf mehrere konkurrierende Gemeinden. Das darin vorgesehene Verfahren entspricht im wesentlichen den bestehenden Vor- schriften und der bisherigen Praxis.

Eine für manche Gemeinden nicht unerhebliche Neuerung sieht § 24 Abs. 2 vor, welcher ein gewisses Privileg der Wohnsitzgemeinde statuiert. Ein Vor- gang findet sich im Gesetz vom 24. Dezember 1876 § 1.

Diese letztere Bestimmung geht weiter als der Entwurf, sie lässt bezüglich des „Drittels" eine Doppelbesteuerung zu, während nach dem Entwurf die Wohnsitzgemeinde höchstens nur ein Viertel beanspruchen kann. Der Entwurf nimmt gegenüber dem bisherigen Rechtszustand und den Gemeindeabgaben- gesetzen anderer deutscher Bundesstaaten, welche eine jede Doppelbesteuerung ausschliessen, eine vermittelnde Stellung ein.

Wegen der kommunalen Besteuerung der Eisenbahnen sind gegenwärtig noch Erörterungen im Gange. Der § 28 des Entwurfs ist daher ausgesetzt ge- blieben. Diesbezügliche Bestimmungen werden im Laufe der Tagung dem Entwurf eingefügt werden.

Zu § 55. Das Reichsgesetz vom 22. März 1909 zur Vermeidung der Doppelbesteue-

rung bezieht sich nicht auf die Gemeindebesteuerung. Verschiedentlich sind Fälle einer kommunalen Doppelbesteuerung - in Betracht kamen dabei fast regelmäßig hierländische und ausländische Gemeinden - beobachtet worden, die für die beteiligten Steuerpflichtigen zum Teil mit grossen Härten verbunden

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Page 11: Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L

Grundzüge der Steuerreform von 1911 in Reuss ä. L. 339

gewesen sind. § 55 sucht diesem Uebelstand zu begegnen. Es steht zu er- warten, dass auch in den meisten anderen deutschen Bundesstaaten ent- sprechende Bestimmungen erlassen werden. Inhaltlich stimmt § 55 mit dem preu8sischen Gesetz vom 6. Mai 1910 (Gesetzsammlung S. 43) wesentlich überein.

Zu § 57. Die Verlegung des Beginns des staatlichen Rechnungsjahres und Steuer-

jahres auf den 1. April macht eine solche Massnahme auch für den Gemeinde- haushalt zum Erfordernis.

Zum Gesetz, enthaltend Bestimmungen über staatliche Grundsteuer usw.

Zu Art. I vgl. oben Grundzüge der Steuerreform. Zu Art. III.

Eine wesentliche Neuerung gegenüber dem Gesetz vom 7. Januar 1886 über die Aufbringung des Bedarfs für Kirchen und Schulen enthält der neue § 4 a. Seine Begründung im allgemeinen ist oben unter A III gegeben. Durch § 4 a wird den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, Gewerbesteuern einzuführen, welche nicht nur nach dem Reinertrag, sondern beispielsweise auch nach dem Bruttoertrag, dem Wert des Anlagekapitals, der Zahl der gewerblichen Hilfs- personen oder nach sonstigen Merkmalen für den Umfang des Betriebes be- messen werden können, zu dem Reinertrag also in keiner Beziehung zu stehen brauchen.

Soweit der Bedarf für Kirchen und Schulen von den politischen Gemeinden aufgebracht wird, werden letztere ortsstatutarisch auf Grund des Gemeinde- abgabengesetzes die Gewerbesteuer für Kirchen- und Schulzwecke einführen bzw. die Gemeindegewerbesteuerstatute für diese Zwecke mit verwerten können.

Zu Art. IV. Die Beiträge der Gemeinden für den Landarmenverband, für den Landes-

ausschuss und an die Bauberufsgenossenschaft - für Regiebauten - waren bisher umzulegen „nach Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden zur Hebung kommenden Staatssteuern tf, also nach dem Verhältnis der Einkommensteuer und Grundsteuer, von der letzthin 2,8 Pf. auf die Einheit erhoben worden sind. Es erscheint die Beibehaltung dieses Beitragsverhältnisses geboten. Da jedoch die Grundsteuer als Staatssteuer künftig in Wegfall kommt, macht sich die im Entwurf vorgesehene Bestimmung unter Abänderung der obigen Vorschrift erforderlich.

Nach dem Wegfall der Grundsteuer als Staatssteuer ist es nicht mehr möglich, die Beiträge an die land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft als Grundsteuerzuschläge zu erheben. Hieraus erklärt sich Art. IV Abs. 2.

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