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Gisela Graichen, Rolf Hammel-Kiesow - rowohlt.de · Inhalt Die Hanse Wegbereiter Europas? 5 1 Die...

Date post: 14-Oct-2019
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Leseprobe aus: Gisela Graichen, Rolf Hammel-Kiesow Die deutsche Hanse Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de. Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
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Leseprobe aus:

Gisela Graichen, Rolf Hammel-Kiesow

Die deutsche Hanse

Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de.

Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Inhalt

Die Hanse – Wegbereiter Europas? 5

1 Die An fänge: Gotländer an der Elbe –

Köl ner in Lon don 13

2 Got land, Nowgorod und Riga –

die frühe Hanse ent steht 49

3 Zwi schen Kon kur renz und Bünd nis:

die For mie rung des wendischen Städ te bunds 67

4 Homines duri – harte Män ner:

die nie der deut schen Fernkaufleute 89

5 1358: die Aus ru fung der

hense van den dudeschen steden 109

6 Die Schicksalsmacht der Hanse oder:

Der Bür ger meis ter auf dem Scha fott.

Johan Wittenborg ge gen Kö nig Wal de mar IV. 123

7 Die Hanse und der Deutsche Orden –

eine ertragreiche Beziehung 163

8 Bürger gegen Räte –

Kaufleute und Handwerker proben den Aufstand 185

9 Hildebrand Veckinchusen –

ein Kaufmann an der Zeitenwende 219

10 Netzwerke – Städte – Kontore:

die drei Fundamente der Hanse 247

11 Der Kopf des Ganzen: der Hansetag –

die «Herren der Hanse» versammeln sich 287

12 Das System Hanse – Globalisierung im Mittelalter 309

13 Schiffe, Steine, Schlamm und Scherben –

die Archäologie der Hanse 325

14 Konkurrenten, Territorialmächte und die

stille Auflösung der Hanse 341

15 Das Nachleben der Hanse.

Die Hanse in heutiger Sicht 361

Anhang Literatur 379

Personenregister 397

Ortsregister 402

Die Autoren 406

Bildnachweis 408

Die Hanse – Wegbereiter Europas?

Das auf der Autobahn beliebte Spiel « Kennzeichenraten » ge-

rät regelmäßig ins Stocken, wenn ein Wagen mit den Num-

mernschildern HRO oder HST auftaucht. Dass Rostock und

Stralsund alte Hansestädte sind und stolz wie Bremen, Ham-

burg oder Lübeck das H für Hanse im Nummernschild tragen,

mag immerhin noch bekannt sein. Aber es waren zeitweise über

200 Städte, die im Zenit ihrer Macht zur Hanse gehörten. Deren

Kaufleute so reich waren, dass Könige sich bei ihnen Geld borg-

ten. Wie der Dortmunder Hansekaufmann Tidemann Lemberg,

einer der Finanziers des englischen Königs. Edward III. – der

mit dem Hosenbandorden – war aufgrund des Hundertjährigen

Krieges mit Frankreich in ständiger Geldnot. Als Pfand gab er

zwei Kronen und die englischen Kronjuwelen heraus. Die Ju-

welen verwahrte man in Köln, wo Lemberg das Bürgerrecht

erworben hatte. Auch der König und spätere deutsche Kaiser

Sigismund nutzte die Finanzkraft der hansischen Kaufleute. Sei-

nem Darlehenswunsch konnten sie sich 1417 nicht entziehen,

auch wenn er die Anleihen eher selten zurückzahlte. Was einen

der Kaufleute in den Schuldturm brachte, nämlich Hildebrand

Veckinchusen (Kapitel 9). Für den Dortmunder Lemberg ging es

gut aus: Er konnte sich aus seinen Kreditgeschäften gleich acht

Schlösser in England kaufen.

Die dudesche hense war eine Supermacht des Geldes. Der ers-

Die Hanse – Wegbereiter Europas? 5

6 Die Deutsche Hanse

te nordeuropäische Handelsverbund prägte fast ein halbes Jahr-

tausend die Welthandelsmärkte des Mittelalters von Russland

bis Flandern, baute ein lukratives Handelsnetz auf von Island bis

Venedig und schuf ein visionäres Imperium von Kaufleuten und

Städten über politische Grenzen hinweg.

Doch die Hanse ist mehr als eine Geschichte von Geld, Gier

und Pfeffersäcken, von Piraten, Koggen und Handelskarawanen,

ist mehr als eine längst vergangene historische Periode für Ar-

chäologen, Geschichts-, Kultur-, Schifffahrts- und Bauwissen-

schaftler. Die Hanse geht uns heute an, meint Andrus Ansip, der

Ministerpräsident von Estland, dem wirtschaftlichen Musterland

aus dem hohen Norden. Als 17. Land der Euro-Zone hat Estland

am 1. Januar 2011 als erste ehemalige Republik der untergegan-

genen Sowjetunion den Euro eingeführt. Als einziges von neun

europäischen Ländern, die sich um den Euro beworben haben.

Ansip führt den herausragenden Erfolg seines Landes auf das

Vorbild der Hanse zurück. « Die EU ist eine neue Hanse », sagt er.

Wie modern ist die Idee der dudeschen hense ? Auch Henning

Voscherau, Altbürgermeister der Freien und Hansestadt Ham-

burg, meint: « Die Hanse – die große Kaufmannshanse des Mit-

telalters und die politische Städtehanse – ist ein Vorbild für uns

heute. Sie war so stark, weil sie ihrer Zeit um Jahrhunderte vor-

aus war in ihrer Idee der Freiheit des Handels und Wandels, also

des Verkehrs, der Logistik. Die Vorteile der Grenzen überschrei-

tenden Zusammenarbeit zum wechselseitigen Nutzen, heute

nennt man das eine Win-win-Situation, die erkannten die Alten

damals schon. »

Durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs gab es eine stärke-

re Rückbesinnung auf die Idee der Hanse als Ausdruck europäi-

schen Denkens. Die Wiederbelebung, die « Neue Hanse », begann

mit den Hansetagen der Neuzeit. Zu diesem « Städtebund Die

Hanse » zählen inzwischen 176 Städte. Ihre Zusammensetzung

zeigt, dass alte Feindbilder weitgehend verschwunden sind. Die

Die Hanse – Wegbereiter Europas? 7

Hanse wird als gemeinsame Tradition vieler Nationen gesehen.

Besonders osteuropäische Städte haben großes Interesse: Est-

land, Lettland, Litauen, Polen, Russland und Weißrussland über-

treffen mit 50 Mitgliedern die 28 teilnehmenden Städte aus west-

und nordeuropäischen Staaten bei weitem.

Auch Altbürgermeister Voscherau betont, dass ein Großteil

der Hansestädte hinter dem Eisernen Vorhang lag. «Hier herrscht

ein immenser Nachholbedarf in hansischen Tugenden. Die ehe-

maligen Ostblockländer sind sich dieser wunderbaren Perspek-

tive bewusst. Viel stärker als wir sehen sie das Erbe der Hanse

als Chance zur Integration in Europa, für den wirtschaftlichen

Aufschwung in Freiheit. Die ökonomische Idee der Hanse hatten

wir im Westen ja schon vor 1990 zwischen Ostsee und Mittel-

meer: Man nannte sie EWG. »

Die Schaffung eines seegestützten Wirtschaftssystems mit

Ansätzen zu einem eigenen Handelsrecht, das innovative glo-

bale Handeln über den Binnenmarkt hinaus sind Kennzeichen

der Hanse, von deutschen Kaufleuten und Städten ausgehend.

Doch damit ergab sich auch eine Kulturgemeinschaft, eine Geis-

teshaltung und Lebensform jenseits nationaler Grenzen und

religiöser Gegensätze, die nicht zuletzt ihren Ausdruck in der

wunderbaren typischen Backsteinarchitektur der Hafenstädte

an Nord- und Ostsee findet. Können wir aus diesem « europäi-

schen » Denken lernen ? Ja, sagt Voscherau: « Die Eigenverant-

wortung freier selbstbewusster Bürger, die sich selbst ernähren

können, die wissen, dass jeder zunächst für sich selbst verant-

wortlich ist, und die nicht auf eine Hängematte schielen, auch

das sollte eine Lehre aus der Hansezeit für uns sein. Bürgerstolz,

faire Wahrung des gegenseitigen Vorteils, Austausch von Waren,

Ideen, Kultur, Zusammenarbeiten und Respektieren über Gren-

zen hinweg, Verständnis für den anderen, voneinander lernen,

dieses hansische Denken hat sich in der Gründung der EG und

der EU Bahn gebrochen – insofern ist die Hanse ein Vorbild für

8 Die Deutsche Hanse

das Zusammenwachsen in der Europäischen Gemeinschaft, der

Grundgedanke der europäischen Integration von heute. »

Historiker sehen die Rolle der Hanse für uns heute deutlich

distanzierter. Neben der Darstellung der Geschichte der Hanse –

von ihren Anfängen als Zusammenschluss fernreisender Kauf-

leute bis zu ihrem Niedergang – will dieses Buch auch die Frage

beantworten: Erleben wir heute einen verklärten Nostalgietrip

schwärmerischer Europaenthusiasten ? Wird die Hanse gar in-

strumentalisiert, wie wir es schon in den vergangenen Jahrhun-

derten vom aufstrebenden Bürgertum der 1848er-Revolution bis

zu den Nationalsozialisten hatten ? Beispiele dazu finden wir in

Kapitel 15. Was ist mit der Inflation des Begriffes hanseatisch,

der aus der Neuzeit stammt im Unterschied zum hansischen des

Mittelalters? Dabei bezieht sich der Begriff hansisch auf die Han-

se des Mittelalters und der frühen Neuzeit, der Begriff hansea-

tisch dagegen auf die Zeit seit dem 18. Jahrhundert und nur auf

die drei « übrig gebliebenen » Hansestädte Lübeck, Hamburg und

Bremen. Er wird verwendet, um Zuverlässigkeit, Korrektheit,

Toleranz und Anstand zu demonstrieren. Dabei waren die Han-

sekaufleute in ihrem Geschäftsgebaren um keinen Deut besser

als die heutigen, wie uns die Kapitel 6 und 9 zeigen. Es gab den

ehrbaren Kaufmann, aber genauso den von Gier getriebenen

Spekulanten und Betrüger.

In Japan und Südkorea besteht großes Interesse an der Ge-

schichte der Hanse. An der Universität von Kioto zum Beispiel

wird an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Hansefor-

schung betrieben. Koreanische Filmteams waren bereits mehr-

fach in Lübeck und drehten in Stadt und Archiv. Deutsche Han-

sehistoriker werden zu Vorträgen nach Japan und Südkorea

ein geladen. Die Hanse gilt dort als ein wesentlicher Teil der eu-

ropäischen Geschichte, als eine im Mittelalter zukunftsweisen-

de Wirtschaftsorganisation, deren Kenntnis zum Verständnis der

historischen Entwicklung Europas notwendig ist.

Die Hanse – Wegbereiter Europas? 9

Lübeck, die ehemalige « Königin der Hanse », hat nun mit

dem Bau des Europäischen Hansemuseums begonnen, das ab

Frühsommer 2013 in moderner, heutige Sehgewohnheiten be-

rücksichtigender Form, im Wechsel von Inszenierungen und

inhaltlich vertiefenden Räumen, die herausragende Rolle dieser

wirtschaftlichen und politischen Einigung darstellen wird.

Viele Einwohner anderer Städte wissen gar nicht, dass sie in

einer alten Hansestadt leben. Die steinernen Zeugnisse der Han-

se – Häuser, Kirchen, Straßen und Plätze – sind allzu oft Bom-

ben und Abrissbirnen zum Opfer gefallen. Nicht ohne Grund ruft

die Stiftung Denkmalschutz immer wieder zu einem achtsamen

Umgang mit diesen Botschaften aus der Vergangenheit auf, die

uns wie eine Zeitkapsel an eine Epoche erinnern mögen, die

noch nicht abgeschlossen ist und ganz lebendig fortwirkt. Die

Liste der historischen Hansestädte, die teilweise überraschen

wird, findet sich in Kapitel 10.

Vielleicht mag mancher Autofahrer daran denken, wenn er

auf dem uralten Hellweg von Duisburg nach Höxter unterwegs

ist – den schon Drusus benutzte, als er im Jahre 11 v. Chr. mit

seinen Legionen Richtung Weser vorstieß –, unterwegs auf der

dann mittelalterlichen Königs- und Kaufmannsstraße, der heu-

tigen B1, und sich Dortmund nähert, dass hier einst ein Kauf-

mann lebte, der die englischen Kronjuwelen als Pfand nach

Deutschland holte.

Skriptorium der Abtei Echternach. Miniatur aus dem Evangeliar Kaiser Heinrichs III., 1039/1040

◀ Visby auf Gotland. Die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Türmen ist gut erhalten, rechts im Bild die Marien kirche, seit 1225 auch die Pfarrkirche der deutschen Bürger Visbys

12 Die Deutsche Hanse

1 Die Anfänge: Gotländer an der Elbe – Kölner in London 13

1 Die An fänge: Gotländer an der Elbe – Köl ner in Lon don

18. Ok to ber 1161. Im Palas der Ertheneburg, dem Wohn-

und Saal bau mit den Repräsentationsräumen, rund

30 Meter über der Elbe beim heu ti gen Artlenburg, ver liest Hart-

wig van Uthlede den Wort laut des Frie dens ver trags, den Her zog

Hein rich der Löwe zwi schen den Kauf leu ten aus Got land und

den Kauf leu ten aus dem Her zog tum Sach sen ver mit telt hat. Um

ehr lich zu sein: Wir las sen Hart wig den Ver trag ver le sen. Mög li-

cher weise war es auch ein He rold. Aber Hart wig ist Ka plan, ein

Pries ter, und für die Kanz lei zu stän dig. Er ist ei ner der we ni gen

am Hofe des Her zogs, der le sen und schrei ben kann. Au ßer dem

hat er stu diert, ver mut lich in Frank reich, und trägt den Magis-

tertitel. Seit drei Jah ren ist Hart wig im Ge folge Hein richs und hat

noch eine große Zu kunft vor sich. Ob wohl er aus ei ner Fa mi lie

von Bre mer Stiftsministerialen stammt, ur sprüng lich un freien

Dienstmannen des dor ti gen Erz bi schofs, wird er 1185 selbst Erz-

bi schof in der Stadt an der We ser wer den. Er kann die Auf stiegs-

chan cen nut zen, die der Hof ei nes gro ßen Herrn im Hochmittel-

alter bie tet, wo ein Kan di dat jah re lang be ob ach tet und auf seine

Eig nung und Loya li tät ge prüft wird.

In der Kanz lei ist Hart wig für das Kon zi pie ren und For mu-

lie ren der Ur kun den zu stän dig, die als Be weis für sehr wich tige

Rechtshandlungen des Her zogs an ge fer tigt wer den. Schrift li che

Ur kun den ma chen je doch nur ei nen Bruch teil des sen aus, was

tat säch lich an fällt, denn um die Mitte des 12. Jahr hun derts wird

im regnum theutonicum, in Deutsch land, fast al les münd lich ge-

re gelt. Umso wich ti ger sind die Dinge, die der Nach welt schrift-

lich über lie fert wer den sol len. Den « in ter na tio na len » Ver trag

zwi schen gotländischen und säch si schen Kauf leu ten, den Hart-

wig ver liest, hat er selbst dik tiert. So nennt man das Ver fas sen,

das Aus for mu lie ren der Ver hand lungs er geb nisse, die da mit be-

zeugt wer den. Eine äu ßerst ver ant wor tungs volle Tä tig keit, die

14 Die Deutsche Hanse

Lübecker Stadtsiegel: rechts am Steuerruder ein seefah- render, links ein landfah- render Kaufmann aus dem Binnenland

Abschrift des Artlenburger Friedensvertrags von 1161 (um 1225)

1 Die Anfänge: Gotländer an der Elbe – Kölner in London 15

große Rechts kennt nisse und das Be herr schen der la tei ni schen

Spra che vor aus setzt – und ein be son de res Ver trau ens ver hält nis

zu dem Herrn, für den man tä tig ist.

In wel cher Spra che die Ver hand lun gen ge führt wur den, wis-

sen wir nicht. Ob zu nächst Dol met scher zwi schen der mit tel nie-

der deut schen Spra che der (Nie der-)Sach sen um Hein rich den

Lö wen und dem gotländischen Schwe disch über setz ten und das

Er geb nis dann ins La tei ni sche über tra gen wurde oder ob man

die Ver hand lun gen in la tei ni scher Spra che führte, ist nicht über-

lie fert. Über lie fert ist al lein der la tei ni sche Text in ei ner mit dem

lübeckischen Stadtsiegel be glau big ten Ab schrift aus den 1220er

Jah ren. Die ser Text er zählt die span nende Ge schichte vom An-

fang der Hanse oder bes ser: von ei nem der vie len An fänge der

Hanse. Denn es gibt viele Ursprungsorte, viele Hand lun gen und

viele Er eig nisse, die statt fin den muss ten, bis in der Mitte des 14.

Jahr hun derts die dudesche hense, die Deut sche Hanse im wah-

ren Sinne des Wor tes, aus ge ru fen wurde.

Über set zun gen aus den Volkssprachen ins La tei ni sche hal ten

viele Fall stri cke be reit, wes we gen der Text der Ur kunde von den

Be tei lig ten be zie hungs weise von ih ren rechts- und sprach kun-

di gen Be glei tern ge prüft und an schlie ßend in ei nem fei er li chen

Akt öf fent lich ver le sen wird. Erst nach der öf fent li chen Ver kün-

dung ist der Ver trag rechts kräf tig.

Diese Ver kün dung fin det so eben statt. An we send sind der

Her zog, Gra fen, Edelfreie und Mi nis te ria len aus sei nen Herzog-

tümern, die zur zeit an sei nem Hof sind, so wie die gotländische

De le ga tion. Von nie der deut schen Kauf leu ten ist nicht die Rede.

Her zog Hein rich der Löwe ist noch keine 30 Jahre alt, ge-

bo ren um 1133/35. Er ist ein gutaus se hen der Mann von mitt le-

rer Größe, mit gro ßen, dunk len Au gen, fast schwar zen Haa ren,

schlank und durch trai niert. Sein bis zur Ar ro ganz über stei ger tes

Selbstwertgefühl lässt er seine Um ge bung im mer wie der spü ren.

Schließ lich ist er nach dem Kai ser (in sei nen Au gen eher ne ben

16 Die Deutsche Hanse

dem Kai ser) als Her zog von Sach sen und Bay ern der mäch tigste

Mann im Reich. Heute hört der Her zog ru hig zu, wie Hart wig

vor liest. Wir wis sen nicht, ob er La tein ver stand, wel che Fremd-

spra chen er über haupt konnte. Sein Vet ter, Kai ser Fried rich I.

Bar ba rossa, ver stand La tein, konnte es so gar ein we nig spre-

chen; Hein richs Schwie ger va ter, Kö nig Hein rich II. von Eng-

land, soll « eine ge wisse Kennt nis al ler Spra chen zwi schen dem

fran zö si schen Meer und dem Jor dan » ge habt, aber nur La tein

und Fran zö sisch ge spro chen ha ben (Joachim Ehlers).

Die meis ten An we sen den ver ste hen je doch kein La tein: we-

der die Mit glie der der gotländischen De le ga tion noch die als

Zeu gen des Frie dens auf ge bo te nen welt li chen Wür den trä ger

aus Hein richs Herr schafts be reich; und schon gar nicht seine

Dienstleute, die da mals auf der Schwelle zwi schen Un frei heit

und nie de rem Adel ste hen. Aber Lateinkenntnisse hin oder her,

Ver träge müs sen in die ser Spra che fest ge hal ten wer den, um

rechts gül tig zu sein. Deutsch gilt noch nichts. Es ist die Spra che

des Vol kes, auf Latein theodisca lingua, abgeleitet von diutiss und

schließlich deutsch. Es wird noch zwei Men schen alter dau ern,

bis man um 1220/30 be ginnt, in der Volks spra che zu schrei ben,

und noch rund 200 Jahre, bis sie in fast al len Le bens be rei chen

üb lich wird.

Die Ein zi gen, die tat säch lich ver ste hen, was Hart wig vor liest,

sind die Zeu gen aus der Geist lich keit, die Bi schöfe. Sie dürf ten

alle eine La tein schule be sucht ha ben, der eine oder an dere hat

viel leicht – wie Hart wig – stu diert. Auch der Pries ter, den wir

als Mit glied der gotländischen De le ga tion vor aus set zen, ver steht

den Text. Er wurde mit ge nom men, um die For de run gen der

Kauf leute ge ge be nen falls ins La tei ni sche über set zen zu kön nen

und um den Ent wurf des Ver trags tex tes zu prü fen.

Und noch ei ner spricht La tein, ein Welt li cher: Graf Adolf I I.

von Hol stein, in der Zeu gen liste der über den Frie den aus ge stell-

ten Ur kunde Atholfus comes ge nannt. Er hatte eine Aus bil dung

1 Die Anfänge: Gotländer an der Elbe – Kölner in London 17

Erzbischofssitz

Bistum

Klöster/Stifte

Pfalz

Burg

0 20 40 60 km

Saale

Elbe

Aller

Leine

Wes

er

Werra

Fulda

Ems

Rhein

Lippe

N o r d s e e

O s t s e e

Münster

Arnsberg

Soest

Freckenhorst

Osnabrück

TecklenburgVreden

Ravensberg

WildeshausenBassum

Bücken

Verden

BremenOldenburg

Walsrode

Minden

Desenberg

HerfordEnger

Kassel

Paderborn

Kemnade

Corvey

Hameln

Schaumburg

Wunstorf

Kaufungen

Lübeck

Ratzeburg

Mecklenburg

SchwerinHamburg

LauenburgBardowick

Lüneburg

Oldenburg(1160 nach Lübeck verlegt)

(1158 nachSchwerin verlegt)

SalzwedelHavelberg

Königslutter Neuhaldensleben

Braunschweig

Magdeburg

Hildes-heim

Walbeck

GoslarHalberstadt

QuedlinburgGernrode

Naumburg

1 Winzenburg2 Gandersheim3 Northeim4 Hilwartshausen5 Blankenburg

Dassel

Grona

Pöhlde3

12

5

4 Halle

Merse-burg

AllstedtMemleben

Erfurt WeimarZeitz

Bodfelde

Tilleda

hausenWall-

Nordhausen

Ramelsloh

Stade

M a r kS c h l e s w i g

E N G E R N

H Z M . F R A N K E N

W E S T FA L E N

O S T FA L E N

H a d e l n

D r e n t h e

Tw e n t e

N o r d m a r k

H o l s t e i n

S t o r m a r n

T h ü r i n g e n

H e s s e n

ZevenEmden

Reepsholt

Jever

Meppen

Fritzlar

WerlDortmund

Werden

Essen

Köln

A b o t r i t e n

P o l a b e n

Friesischer Stammesbereich

Dith

marschen

Von Heinrich dem Löwen beanspruchte Herrschaft

Gebiet besonders dichten Besitzes von Grafschaften und Eigengütern

Herrschaftsbereich östlich der Elbe

Das Herzogtum Sachsen unter Heinrich dem Löwen. Ein Herzogtum war eine Gemengelage vieler unterschiedlicher Herrschaftsrechte des Herzogs, der Adligen und der Kirche.


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